Automationspraxis 12.2019
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_Industrie 4.0<br />
China-Experte Georg Stieler:<br />
„Chinesische KI-Forscher sind<br />
wesentlich von westlicher Technologie<br />
abhängig. Die beiden dominierenden<br />
Deep Learning Frameworks<br />
sind auch in China Tensorflow von Google<br />
und Pytorch von Facebook.“<br />
Über den Autor<br />
September dieses Jahres um 50 Prozent eingebrochen.<br />
Viele Start-Ups suchen nach kommerziellen Verwertungsmöglichkeiten<br />
für ihre halbfertigen Lösungen<br />
und kämpfen ums Überleben. Allerdings muss man fairerweise<br />
anmerken, dass die chinesischen Wagniskapitalinvestitionen<br />
in künstliche Intelligenz zwar wieder<br />
deutlich hinter die USA zurückgefallen sind, allerdings<br />
sind sie immer noch etwa dreimal höher als in der EU.<br />
Trotz dieser Schwächen hat sich (zumindest teilweise)<br />
das Narrativ durchgesetzt, China wäre führend auf<br />
dem Feld der Robotik und böte das beste Umfeld, um<br />
digitale Fabrikkonzepte auszuprobieren. Geholfen hat<br />
dabei sicher auch die Tatsache, dass die unbestrittene<br />
Stärke chinesischer Internetunternehmen im schnellen<br />
Roll-Out einfach skalierbarer Business-to-Consumer-<br />
Geschäftsmodelle gerne auf viel komplexere, industrielle<br />
Anwendungen übertragen wird.<br />
Fakt ist: China ist seit 2013 der größte Markt der Welt<br />
für Robotik und Automation. Nach Stückzahlen ist<br />
China heute für etwa 1/3 der weltweiten Roboterver-<br />
Georg Stieler hat 2011 die chinesische Niederlassung<br />
der Stieler Technologie- und Marketing-Beratung<br />
in Shanghai gegründet und leitet diese vor Ort.<br />
Mit seinem Team arbeitet er intensiv mit ausländischen<br />
Lieferanten und Anwendern von Unternehmenssoftware,<br />
Robotern, Sensoren und CNC-Systemen<br />
sowie mit Start-ups in der Region zusammen.<br />
Über Chinas Rolle bei KI und Robotik spricht<br />
Georg Stieler am 17. Juni 2020 auch auf dem automatica<br />
Forum 2020, das die <strong>Automationspraxis</strong> in<br />
München organisiert.<br />
↓<br />
Kontakt: georg@stieler.co<br />
käufe verantwortlich. Die Gründe für<br />
diese fulminante Entwicklung waren<br />
zunächst der Aufbau massiver Produktionskapazitäten<br />
im Automobilbereich,<br />
steigende Lohnkosten<br />
und weitere Faktoren wie etwa die<br />
hohe Fluktuation auf dem chinesischen<br />
Arbeitsmarkt.<br />
Seit 2015 kamen noch massive<br />
Subventionen im Rahmen der Made<br />
in China 2025-Strategie der chinesischen<br />
Regierung dazu. Nach einer<br />
Analyse des chinesischen Finanzdienstleisters<br />
Sinolink Securities kamen<br />
2018 44 Prozent der Gewinne der 53 börsennotierten<br />
chinesischen Robotikunternehmen<br />
aus Subventionen. Diese waren aber mehr<br />
Fluch als Segen: Die allermeisten Neugründungen<br />
konzentrierten sich auf die Produktion von Roboterarmen<br />
mit zugekauften Schlüsselkomponenten. Dies<br />
macht den sich abzeichnenden Konsolidierungsprozess<br />
umso schmerzhafter.<br />
Bild: Stieler<br />
Roboterabsatz geht zurück<br />
Wir gehen davon aus, dass die Verkäufe von Industrierobotern<br />
in diesem Jahr um etwa fünf Prozent<br />
zurückgehen werden, denn die schwache Nachfragesituation<br />
in den großen Absatzmärkten Automotive<br />
und 3C (Computer, Communication und Consumer<br />
Electronic) hielt an. Während die meisten Roboterhersteller<br />
die Handelsstreitigkeiten zwischen den<br />
USA und China für den Abschwung verantwortlich<br />
machen, sollte man allerdings weder die durch die<br />
erwähnten Subventionen hervorgerufenen Übertreibungen<br />
unterschätzen, noch die strukturellen Herausforderungen<br />
für Chinas Wirtschaft, in der die<br />
Verschuldung in den letzten 11 Jahren durchgängig<br />
signifikant schneller gewachsen ist als das BIP.<br />
Multinationale Unternehmen aus Robotik und Automation<br />
haben erklärt, in China nicht nur ihre modernsten<br />
Technologien zur Anwendung zu bringen,<br />
sondern diese auch hier weiterentwickeln zu wollen.<br />
So hat ABB den Grundstein zur modernsten Roboterfabrik<br />
des Konzerns in Shanghai gelegt. Gestützt<br />
von Cloud, künstlicher Intelligenz und weiteren Spitzentechnologien<br />
sollen hier ab 2021 Roboter andere<br />
Roboter bauen. Politisch ein Gesichtsgewinn sowohl<br />
für die Stadtverwaltung von Shanghai wie auch für<br />
ABB.<br />
Nur: Die Bereitschaft der meisten chinesischen Käufer,<br />
in die fortschrittlichsten Technologien zu investieren<br />
ist begrenzt. Auch wenn steigende Lohnkosten<br />
ein Automatisierungstreiber sind, sind komplexere<br />
Automationslösungen in China meist nicht wettbewerbsfähig.<br />
Jenseits einiger staatlicher Leuchtturmprojekte<br />
tun sich gerade mittelständische Unternehmen<br />
bisher schwer, software- oder datenbasierte<br />
Dienste im industriellen Kontext zu verkaufen.<br />
30 Dezember 2019