14.01.2020 Aufrufe

KÄNGURUplus Oktober 2019

Das Stadtmagazin für Familien mit Teenagern in Köln, Bonn und Region erscheint mit folgenden Themen: Interview: Cat Ballou Familienleben: Wege aus der Krise Berufe-Check: Was macht eigentlich eine Steinbildhauerin? Themen, Tipps und Termine rund um Berufsorientierung, Ausbildung, Studium, Freiwilligendienst

Das Stadtmagazin für Familien mit Teenagern in Köln, Bonn und Region erscheint mit folgenden Themen:

Interview: Cat Ballou
Familienleben: Wege aus der Krise
Berufe-Check: Was macht eigentlich eine Steinbildhauerin?

Themen, Tipps und Termine rund um Berufsorientierung, Ausbildung, Studium, Freiwilligendienst

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ZUKUNFT<br />

„Geduld und Ausdauer brauchen wir“, erklärt Uta Tröger.<br />

Die Steinbildhauerin zeigt uns die vielen Figuren am<br />

Michaelportal des Kölner Doms, die im Zweiten Welt krieg<br />

stark beschädigt wurden. „Schaut euch doch mal diese<br />

kleinen Bestien an. Jeder dieser Zierwasserspeier<br />

unterscheidet sich von den anderen. Dennoch haben sie<br />

etwas Einheitliches. Diese Vielfalt innerhalb einer<br />

gemeinsamen Formensprache zu erhalten, ist eine<br />

besondere Herausforderung.“<br />

Als ich vor zwei Jahren an einem<br />

Wochenend-Bildhauerkurs teilgenommen<br />

habe, bemerkte ich schnell, dass die<br />

Arbeit Muskelkater an Stellen hervorruft,<br />

an denen ich gar keine Muskeln vermutet<br />

hatte. Deshalb war ich auf die Begegnung<br />

mit einer Steinbildhauerin besonders<br />

neugierig.<br />

IN DER BERÜHMTEN<br />

DOMBAUHÜTTE ARBEITEN<br />

Aufgeregt warten die Fotografin Sonja<br />

Hoffmann und ich auf Uta Tröger. Seit<br />

fünf Jahren ist die 32-Jährige als Bildhauerin<br />

am Dom beschäftigt. Unsere<br />

Blicke gehen zu den Türmen des Doms<br />

hinauf. Zu gern möchten wir aufs Dach<br />

fahren und den Blick über die Stadt genießen.<br />

Und dann kommt sie, gar nicht<br />

muskelbepackt, und nimmt uns mit an<br />

ihre derzeitige Arbeitsstelle, das Michaelportal.<br />

Versteckt zwischen einem Fotogeschäft<br />

und der Schatzkammer liegt die<br />

Eingangstür. Und zum Glück hat sie die<br />

Schlüssel für die Türen und Fahrstühle<br />

dabei, die in und auf den Dom führen.<br />

DIE ARBEIT IST NACH WIE<br />

VOR HANDARBEIT<br />

Die Reliefs des Michaelportals bestehen<br />

aus Hunderten kleiner Figuren und Ornamente.<br />

Dombildhauer Peter Fuchs, der<br />

sie mit seiner Werkstatt im 19. Jahrhundert<br />

schuf, hat sich selbst in einer Figur<br />

verewigt. Die vier heutigen Bildhauerinnen<br />

und Bildhauer der Dombauhütte<br />

ersetzen die fehlenden Stücke und<br />

stellen die Schönheit des Portals wieder<br />

her. „Wir bilden die zerstörten Elemente<br />

möglichst originalgetreu nach“, erklärt<br />

Uta. „Das ist nur mit den ursprünglichen<br />

Techniken des Handwerks möglich. So<br />

kann die Arbeit an einer kleinen Figur<br />

schnell mehrere Wochen dauern.“ Handarbeit<br />

ist deshalb bei den Steinbildhauern<br />

nach wie vor gefragt. Natürlich gibt es<br />

Maschinen für Steinmetze, doch hier, in<br />

einer Dombauhütte, kommen vor allem<br />

Handwerk und Können zum Einsatz.<br />

Uta Tröger nimmt die Feile in die Hand<br />

und bearbeitet den weichen Kalkstein.<br />

„Das ist eine kleine Vierung“, erzählt sie.<br />

„So nennt man eine Steinergänzung. Die<br />

bearbeite ich direkt hier vor Ort und passe<br />

sie ein. Zumeist nehmen wir gemeinsam<br />

mit einem Kollegen Abgüsse der beschädigten<br />

Elemente aus Gips und fertigen<br />

auf dieser Grundlage vollständige Modelle,<br />

die wir dann in unserer Werkstatt<br />

in Stein arbeiten. Das Schöne am Michaelportal<br />

ist, dass wir die Originalmodelle<br />

aus dem 19. Jahrhundert haben. Das ist<br />

nicht bei allen Figuren am Dom der Fall.“<br />

Wir sehen, mit wie viel Liebe und Begeisterung<br />

Uta Tröger am Relief arbeitet.<br />

„Seid umsichtig und stoßt nicht mit der<br />

Schulter an die Steine. Sie können brechen“,<br />

ermahnt sie uns. Um bei Wind<br />

und Wetter arbeiten zu können, wurde<br />

das Gerüst am Portal eingehaust, also<br />

umbaut. Vorsichtig treten wir von Brett<br />

zu Brett, Uta geht sicheren Schritts.<br />

Trittsicherheit, Fitness und keine Angst<br />

vor Höhen sind weitere Eigenschaften,<br />

die ein Steinbildhauer hier haben sollte.<br />

Durch Spenden, unter anderem von einer<br />

Engländerin, die explizit Kriegsschäden<br />

beseitigen lassen wollte, finanziert<br />

die Dombauhütte diese Arbeiten.<br />

EIN GROSSES TEAM FÜR<br />

EINEN GROSSEN BAU<br />

Uta genießt es, dass die Arbeit in der<br />

Dombauhütte nicht so stark unter Zeitdruck<br />

steht wie bei anderen Steinmetzbetrieben.<br />

Hier geht es stattdessen um<br />

höchste Qualität. Hundert Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter arbeiten auf<br />

der in Köln „sichersten Arbeitsstelle“<br />

der Stadt. Denn kaum ist an einer Ecke<br />

des Domes etwas erneuert, geht die<br />

Arbeit an der nächsten Stelle weiter. In<br />

der Dombauhütte arbeiten viele verschiedene<br />

Handwerker: Gerüstbauer,<br />

Steinmetze, Kunstglaser, Goldschmiede<br />

und Installateure, um nur einige zu<br />

nennen. In der Verwaltung wirken unter<br />

anderem Architekten, ein Bauingenieur,<br />

Archäologen und Kunsthistoriker. Es ist<br />

ein großes Team für einen großen Bau.<br />

FLEXIBLE ARBEITS- UND<br />

ELTERNZEIT MÖGLICH<br />

Nach vier Jahren hat Uta Tröger einen<br />

unbefristeten Vertrag bekommen und<br />

arbeitet in Gleitzeit. Das heißt, dass sie<br />

ihre Arbeitszeiten mitbestimmen kann.<br />

Der Beruf des Steinbildhauers und Steinmetzes<br />

wird vorwiegend von Männern<br />

ausgeübt. In der Dombauhütte arbeiten<br />

zurzeit vier Frauen in den steinbearbeitenden<br />

Gewerken, eine von ihnen ist in<br />

Elternzeit. In kleinen Steinmetzbetrieben<br />

sind die Arbeitszeiten oft nicht so geregelt.<br />

Die Ausbildung hat Uta Tröger in Dresden<br />

an der Zwingerbauhütte absolviert.<br />

Nach zwei Jahren, die sie gemeinsam<br />

mit den Steinmetzen gelernt hat, hat sie<br />

sich für die Bildhauerei entschieden. Sie<br />

liebt es zu zeichnen, interessiert sich für<br />

Kunstgeschichte und arbeitet gern figürlich.<br />

„Steinmetze legen die Ornamente<br />

und Stücke, an denen sie arbeiten, über<br />

Flächen fest. Wir Bildhauer lösen uns von<br />

diesen Flächen, damit unsere Arbeiten<br />

nicht statisch aussehen.“<br />

Inzwischen sind ihre Hände staubig von<br />

der Arbeit. „Das gehört dazu“, lacht sie<br />

und fährt mit uns mit dem Bauaufzug auf<br />

45 Meter Höhe. Stolz zeigt sie uns den<br />

Dom und wir können ihr den Spaß bei<br />

der Arbeit ansehen.<br />

BERUFE-CHECK<br />

Ausbildung:<br />

Steinbildhauerin/<br />

Steinbildhauer<br />

Voraussetzungen:<br />

Fingerspitzengefühl, Kreativität, Interesse<br />

am Umgang mit Technik, handwerkliche<br />

Begabung, Kraft, räumliches Denken,<br />

gute geometrische Kenntnisse, Real- oder<br />

Hauptschulabschluss<br />

Einsatzorte:<br />

Bildhauerbetriebe, Bauhütten, Steinmetzbetriebe,<br />

Selbstständigkeit<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten:<br />

Spezialisierung auf ein bestimmtes<br />

Gebiet des Handwerks (z. B. Restaurator,<br />

Betriebswirt), Steintechniker, Steingestalter<br />

und die Meisterausbildung durch die HWK<br />

oder IHK sowie Seminare für Kalkulation,<br />

Grabmalgestaltung u. v. m.<br />

Inhalte:<br />

Zur Ausbildung gehören die Steinbearbeitung,<br />

Planung und Gestaltung, Fachtheorie<br />

sowie Wirtschafts- und Sozialkunde<br />

und seit Neuestem auch eine<br />

Einführung in die CAD/CNC-Technik,<br />

Einführungen in die Kundenorientierung.<br />

Die Ausbildung schließt mit einer<br />

Gesellenprüfung ab, in der innerhalb<br />

von 52 Stunden ein mit dem Ausbilder<br />

gemeinsam festgelegtes Gesellenstück<br />

gefertigt und präsentiert wird.<br />

Vergütung:<br />

1. Ausbildungsjahr 530 €<br />

2. Ausbildungsjahr 620 €<br />

3. Ausbildungsjahr 720 €<br />

<strong>KÄNGURUplus</strong> 10/19 13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!