KÄNGURUplus Oktober 2019
Das Stadtmagazin für Familien mit Teenagern in Köln, Bonn und Region erscheint mit folgenden Themen: Interview: Cat Ballou Familienleben: Wege aus der Krise Berufe-Check: Was macht eigentlich eine Steinbildhauerin? Themen, Tipps und Termine rund um Berufsorientierung, Ausbildung, Studium, Freiwilligendienst
Das Stadtmagazin für Familien mit Teenagern in Köln, Bonn und Region erscheint mit folgenden Themen:
Interview: Cat Ballou
Familienleben: Wege aus der Krise
Berufe-Check: Was macht eigentlich eine Steinbildhauerin?
Themen, Tipps und Termine rund um Berufsorientierung, Ausbildung, Studium, Freiwilligendienst
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ZUKUNFT<br />
„Geduld und Ausdauer brauchen wir“, erklärt Uta Tröger.<br />
Die Steinbildhauerin zeigt uns die vielen Figuren am<br />
Michaelportal des Kölner Doms, die im Zweiten Welt krieg<br />
stark beschädigt wurden. „Schaut euch doch mal diese<br />
kleinen Bestien an. Jeder dieser Zierwasserspeier<br />
unterscheidet sich von den anderen. Dennoch haben sie<br />
etwas Einheitliches. Diese Vielfalt innerhalb einer<br />
gemeinsamen Formensprache zu erhalten, ist eine<br />
besondere Herausforderung.“<br />
Als ich vor zwei Jahren an einem<br />
Wochenend-Bildhauerkurs teilgenommen<br />
habe, bemerkte ich schnell, dass die<br />
Arbeit Muskelkater an Stellen hervorruft,<br />
an denen ich gar keine Muskeln vermutet<br />
hatte. Deshalb war ich auf die Begegnung<br />
mit einer Steinbildhauerin besonders<br />
neugierig.<br />
IN DER BERÜHMTEN<br />
DOMBAUHÜTTE ARBEITEN<br />
Aufgeregt warten die Fotografin Sonja<br />
Hoffmann und ich auf Uta Tröger. Seit<br />
fünf Jahren ist die 32-Jährige als Bildhauerin<br />
am Dom beschäftigt. Unsere<br />
Blicke gehen zu den Türmen des Doms<br />
hinauf. Zu gern möchten wir aufs Dach<br />
fahren und den Blick über die Stadt genießen.<br />
Und dann kommt sie, gar nicht<br />
muskelbepackt, und nimmt uns mit an<br />
ihre derzeitige Arbeitsstelle, das Michaelportal.<br />
Versteckt zwischen einem Fotogeschäft<br />
und der Schatzkammer liegt die<br />
Eingangstür. Und zum Glück hat sie die<br />
Schlüssel für die Türen und Fahrstühle<br />
dabei, die in und auf den Dom führen.<br />
DIE ARBEIT IST NACH WIE<br />
VOR HANDARBEIT<br />
Die Reliefs des Michaelportals bestehen<br />
aus Hunderten kleiner Figuren und Ornamente.<br />
Dombildhauer Peter Fuchs, der<br />
sie mit seiner Werkstatt im 19. Jahrhundert<br />
schuf, hat sich selbst in einer Figur<br />
verewigt. Die vier heutigen Bildhauerinnen<br />
und Bildhauer der Dombauhütte<br />
ersetzen die fehlenden Stücke und<br />
stellen die Schönheit des Portals wieder<br />
her. „Wir bilden die zerstörten Elemente<br />
möglichst originalgetreu nach“, erklärt<br />
Uta. „Das ist nur mit den ursprünglichen<br />
Techniken des Handwerks möglich. So<br />
kann die Arbeit an einer kleinen Figur<br />
schnell mehrere Wochen dauern.“ Handarbeit<br />
ist deshalb bei den Steinbildhauern<br />
nach wie vor gefragt. Natürlich gibt es<br />
Maschinen für Steinmetze, doch hier, in<br />
einer Dombauhütte, kommen vor allem<br />
Handwerk und Können zum Einsatz.<br />
Uta Tröger nimmt die Feile in die Hand<br />
und bearbeitet den weichen Kalkstein.<br />
„Das ist eine kleine Vierung“, erzählt sie.<br />
„So nennt man eine Steinergänzung. Die<br />
bearbeite ich direkt hier vor Ort und passe<br />
sie ein. Zumeist nehmen wir gemeinsam<br />
mit einem Kollegen Abgüsse der beschädigten<br />
Elemente aus Gips und fertigen<br />
auf dieser Grundlage vollständige Modelle,<br />
die wir dann in unserer Werkstatt<br />
in Stein arbeiten. Das Schöne am Michaelportal<br />
ist, dass wir die Originalmodelle<br />
aus dem 19. Jahrhundert haben. Das ist<br />
nicht bei allen Figuren am Dom der Fall.“<br />
Wir sehen, mit wie viel Liebe und Begeisterung<br />
Uta Tröger am Relief arbeitet.<br />
„Seid umsichtig und stoßt nicht mit der<br />
Schulter an die Steine. Sie können brechen“,<br />
ermahnt sie uns. Um bei Wind<br />
und Wetter arbeiten zu können, wurde<br />
das Gerüst am Portal eingehaust, also<br />
umbaut. Vorsichtig treten wir von Brett<br />
zu Brett, Uta geht sicheren Schritts.<br />
Trittsicherheit, Fitness und keine Angst<br />
vor Höhen sind weitere Eigenschaften,<br />
die ein Steinbildhauer hier haben sollte.<br />
Durch Spenden, unter anderem von einer<br />
Engländerin, die explizit Kriegsschäden<br />
beseitigen lassen wollte, finanziert<br />
die Dombauhütte diese Arbeiten.<br />
EIN GROSSES TEAM FÜR<br />
EINEN GROSSEN BAU<br />
Uta genießt es, dass die Arbeit in der<br />
Dombauhütte nicht so stark unter Zeitdruck<br />
steht wie bei anderen Steinmetzbetrieben.<br />
Hier geht es stattdessen um<br />
höchste Qualität. Hundert Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter arbeiten auf<br />
der in Köln „sichersten Arbeitsstelle“<br />
der Stadt. Denn kaum ist an einer Ecke<br />
des Domes etwas erneuert, geht die<br />
Arbeit an der nächsten Stelle weiter. In<br />
der Dombauhütte arbeiten viele verschiedene<br />
Handwerker: Gerüstbauer,<br />
Steinmetze, Kunstglaser, Goldschmiede<br />
und Installateure, um nur einige zu<br />
nennen. In der Verwaltung wirken unter<br />
anderem Architekten, ein Bauingenieur,<br />
Archäologen und Kunsthistoriker. Es ist<br />
ein großes Team für einen großen Bau.<br />
FLEXIBLE ARBEITS- UND<br />
ELTERNZEIT MÖGLICH<br />
Nach vier Jahren hat Uta Tröger einen<br />
unbefristeten Vertrag bekommen und<br />
arbeitet in Gleitzeit. Das heißt, dass sie<br />
ihre Arbeitszeiten mitbestimmen kann.<br />
Der Beruf des Steinbildhauers und Steinmetzes<br />
wird vorwiegend von Männern<br />
ausgeübt. In der Dombauhütte arbeiten<br />
zurzeit vier Frauen in den steinbearbeitenden<br />
Gewerken, eine von ihnen ist in<br />
Elternzeit. In kleinen Steinmetzbetrieben<br />
sind die Arbeitszeiten oft nicht so geregelt.<br />
Die Ausbildung hat Uta Tröger in Dresden<br />
an der Zwingerbauhütte absolviert.<br />
Nach zwei Jahren, die sie gemeinsam<br />
mit den Steinmetzen gelernt hat, hat sie<br />
sich für die Bildhauerei entschieden. Sie<br />
liebt es zu zeichnen, interessiert sich für<br />
Kunstgeschichte und arbeitet gern figürlich.<br />
„Steinmetze legen die Ornamente<br />
und Stücke, an denen sie arbeiten, über<br />
Flächen fest. Wir Bildhauer lösen uns von<br />
diesen Flächen, damit unsere Arbeiten<br />
nicht statisch aussehen.“<br />
Inzwischen sind ihre Hände staubig von<br />
der Arbeit. „Das gehört dazu“, lacht sie<br />
und fährt mit uns mit dem Bauaufzug auf<br />
45 Meter Höhe. Stolz zeigt sie uns den<br />
Dom und wir können ihr den Spaß bei<br />
der Arbeit ansehen.<br />
BERUFE-CHECK<br />
Ausbildung:<br />
Steinbildhauerin/<br />
Steinbildhauer<br />
Voraussetzungen:<br />
Fingerspitzengefühl, Kreativität, Interesse<br />
am Umgang mit Technik, handwerkliche<br />
Begabung, Kraft, räumliches Denken,<br />
gute geometrische Kenntnisse, Real- oder<br />
Hauptschulabschluss<br />
Einsatzorte:<br />
Bildhauerbetriebe, Bauhütten, Steinmetzbetriebe,<br />
Selbstständigkeit<br />
Weiterbildungsmöglichkeiten:<br />
Spezialisierung auf ein bestimmtes<br />
Gebiet des Handwerks (z. B. Restaurator,<br />
Betriebswirt), Steintechniker, Steingestalter<br />
und die Meisterausbildung durch die HWK<br />
oder IHK sowie Seminare für Kalkulation,<br />
Grabmalgestaltung u. v. m.<br />
Inhalte:<br />
Zur Ausbildung gehören die Steinbearbeitung,<br />
Planung und Gestaltung, Fachtheorie<br />
sowie Wirtschafts- und Sozialkunde<br />
und seit Neuestem auch eine<br />
Einführung in die CAD/CNC-Technik,<br />
Einführungen in die Kundenorientierung.<br />
Die Ausbildung schließt mit einer<br />
Gesellenprüfung ab, in der innerhalb<br />
von 52 Stunden ein mit dem Ausbilder<br />
gemeinsam festgelegtes Gesellenstück<br />
gefertigt und präsentiert wird.<br />
Vergütung:<br />
1. Ausbildungsjahr 530 €<br />
2. Ausbildungsjahr 620 €<br />
3. Ausbildungsjahr 720 €<br />
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