Barbara Schlüter: Gerächter Zorn (Blick ins Buch)
Die Verhältnisse in Linden sind katastrophal – arm, dreckig und im Wohnraum völlig beengt geht es in Hannovers benachbartem Industriedorf zu. Es prallen Welten aufeinander, als die Zwillinge Elsa und Emilie aus dem behüteten Hause der von Elßtorffs beschließen, die Arbeit der Diakonisse zu unterstützen, denn die scheint selbst am Ende ihrer Kräfte. Medizinstudent Heinrich von Elßtorff und der „rote Fuchs“ Cord Breuer sind ebenfalls entsetzt über die gesundheitsgefährdenden Bedingungen in den Fabriken. Was können die jungen Leute tun, die die Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollen? Zunächst verhindern einige glückliche Fügungen Schlimmeres. Ganz zuletzt ist es jedoch einmal mehr an Elsa, beherzt einzugreifen …
Die Verhältnisse in Linden sind katastrophal – arm, dreckig und im Wohnraum völlig beengt geht es in Hannovers benachbartem Industriedorf zu. Es prallen Welten aufeinander, als die Zwillinge Elsa und Emilie aus dem behüteten Hause der von Elßtorffs beschließen, die Arbeit der Diakonisse zu unterstützen, denn die scheint selbst am Ende ihrer Kräfte. Medizinstudent Heinrich von Elßtorff und der „rote Fuchs“ Cord Breuer sind ebenfalls entsetzt über die gesundheitsgefährdenden Bedingungen in den Fabriken.
Was können die jungen Leute tun, die die Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollen? Zunächst verhindern einige glückliche Fügungen Schlimmeres. Ganz zuletzt ist es jedoch einmal mehr an Elsa, beherzt einzugreifen …
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sechs Jahren Schutz, Aufsicht, Pflege und Nahrung. Die Kleinen
werden frühmorgens gebracht und abends wieder abgeholt.«
Wie so oft erkannte Elsa sofort den Haken an der Sache.
»Bedeutet rechtliche Eheleute verheiratete Paare, so dass man
uneheliche Abkömmlinge nicht aufnimmt?«
Alle blickten ebenso betroffen wie gespannt zu Wilhelm
Jacob. »Leider ist das so. Ich habe das stets als pharisäerhaft
verurteilt, denn gerade diese Sprösslinge benötigen doch Hilfe!«
Er zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. »Uneheliche
Kinder bleiben von einer Betreuung ausgeschlossen, so hieß es,
da selbstredend aus einer Wohltätigkeitsanstalt kein Beförderungsmittel
der Unzucht werden dürfe.«
Während Emilie peinlichst berührt zusammenzuckte, wurde
Ernestine abwechselnd rot und blass. »Das ist eine hanebüchene
Ungerechtigkeit! In der Arbeiterschaft haben die alleinstehenden
Mütter ja noch weniger Chancen, sich durchzubringen.
Manchmal lassen mich diese selbstgerechten guten Christen
wirklich verzweifeln!«
»Empörend!«, stimmte Elsa ihr zu und ergriff tröstend die
Hand ihrer Mutter.
»Man muss sich über solche Kleingeister hinwegsetzen und
gerade dort helfen, wo man kann.« Wilhelm Jacob, der das
Thema der Unehelichkeit weder verschweigen noch überbewerten
wollte, blieb ruhig. »Dennoch dürfen wir nicht verkennen,
dass die 1888 eröffnete Warteschule des Jungfrauenvereins
dringend benötigt wurde. Denn die Krippe der Mechanischen
Weberei betreut zwar 150 Kinder, nimmt aber nur Sprösslinge
ihrer dort beschäftigten Eltern auf. Und die Egestorffsche Verwahranstalt
der Hanomag versorgt 45 kleine Erdenbürger, das
reicht bei weitem nicht mehr aus.«
»Onkel Maximilian erzählte, dass das Gebäude der Warteschule
des Jungfrauenvereins nach modernsten Gesichtspunkten
gebaut wurde, mit einem Warmbad nach dem Vorbild der
Warmwasseranlage im Elefantenhaus, die dort das Nilpferdbecken
beheizt.«