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Leseprobe: Innere Sicherheit in Sachsen - Beiträge zu einer kontroversen Debatte

Ist innere Sicherheit heute ein Thema? Die Zunahme von Einbrüchen, Diebstählen und extremistischer Gewalt in ganz Deutschland führt seit einigen Jahren zur Verunsicherung der Bürger. Die Brandanschläge auf Bahnanlagen und politisch motivierte Gewalttaten in ganz Sachsen zeigen, dass die innere Sicherheit auch im Freistaat vor neuen Herausforderungen steht. Ist der Staat nur noch begrenzt in der Lage, die Bürger zu schützen? Dieses Buch setzt sich mit der Vielfalt der Fragen zur inneren Sicherheit mit Fokus auf den Freistaat Sachsen auseinander. 17 Autoren beleuchten das Phänomen und machen es für den Leser greifbar: Was ist innere Sicherheit überhaupt? Welche Aspekte umfasst sie? Neben Wissenschaftlern kommen Beteiligte zu Wort, die einen Bezug zum Thema „innere Sicherheit“ haben: Opfer von Kriminalität, Polizisten und Therapeuten. So werden Ursachen und Prävention von Kriminalität und die exekutive Umsetzung von innerer Sicherheit ins Blickfeld gerückt.

Ist innere Sicherheit heute ein Thema? Die Zunahme von Einbrüchen, Diebstählen und extremistischer Gewalt in ganz Deutschland führt seit einigen Jahren zur Verunsicherung der Bürger. Die Brandanschläge auf Bahnanlagen und politisch motivierte Gewalttaten in ganz Sachsen zeigen, dass die innere Sicherheit auch im Freistaat vor neuen Herausforderungen steht. Ist der Staat nur noch begrenzt in der Lage, die Bürger zu schützen? Dieses Buch setzt sich mit der Vielfalt der Fragen zur inneren Sicherheit mit Fokus auf den Freistaat Sachsen auseinander. 17 Autoren beleuchten das Phänomen und machen es für den Leser greifbar: Was ist innere Sicherheit überhaupt? Welche Aspekte umfasst sie? Neben Wissenschaftlern kommen Beteiligte zu Wort, die einen Bezug zum Thema „innere Sicherheit“ haben: Opfer von Kriminalität, Polizisten und Therapeuten. So werden Ursachen und Prävention von Kriminalität und die exekutive Umsetzung von innerer Sicherheit ins Blickfeld gerückt.

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Reaktionen auf terroristische Bedrohung und das Bedürfnis nach <strong>Sicherheit</strong><br />

ter als Verhörmaßnahme) führt.19 In e<strong>in</strong>er Studie an der Technischen<br />

Universität Chemnitz, die unmittelbar nach e<strong>in</strong>er Serie von terroristischen<br />

Attacken <strong>in</strong> Deutschland im Juli 2016 durchgeführt wurde, zeigte<br />

sich, dass die Wahrnehmung persönlicher Bedrohung durch Terrorismus<br />

nur bei Personen, die sich politisch l<strong>in</strong>ks e<strong>in</strong>ordneten, <strong>zu</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Anstieg autoritärer Unterwürfigkeit und <strong>zu</strong> der Forderung von mehr<br />

<strong>Sicherheit</strong>smaßnahmen im öffentlichen Raum führte. Diese Befunde<br />

bedeuten allerd<strong>in</strong>gs nicht, dass Bedrohungswahrnehmung immer <strong>zu</strong><br />

e<strong>in</strong>er Verstärkung antiliberaler und konservativer Positionen führt.20<br />

Vielmehr zeigen Studien <strong>zu</strong>r gruppenbasierten Kontrolle, dass Kontrollbedrohung<br />

die Tendenz von Menschen erhöht, ihr Verhalten an<br />

den wahrgenommenen Regeln und Normen relevanter Eigengruppen<br />

aus<strong>zu</strong>richten. Entsprechend sollte Bedrohung eher <strong>zu</strong> gesellschaftlicher<br />

Polarisierung führen, L<strong>in</strong>ke also l<strong>in</strong>ker und Konservative konservativer<br />

werden. In e<strong>in</strong>er experimentellen Studie unmittelbar nach den<br />

Terroranschlägen von Paris im November 2015 waren Leipziger Studierende<br />

mit steigender selbstberichteter Terrorangst <strong>in</strong> Folge der Anschläge<br />

stärker bereit, sich gegen die LEGIDA-Bewegung e<strong>in</strong><strong>zu</strong>setzen,<br />

wenn sie gleichzeitig e<strong>in</strong>e hohe Norm <strong>in</strong> der Gruppe der Studierenden<br />

wahrnahmen, sich gegen LEGIDA <strong>zu</strong> richten.21<br />

Bedrohung sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>sgesamt autoritäre Reaktionen <strong>zu</strong> stärken,<br />

also solche Reaktionen, die dem Erhalt von <strong>Sicherheit</strong> und Ordnung<br />

<strong>in</strong> der Eigengruppe dienen.22 Diese müssen nicht zwangsläufig rechtsautoritär<br />

se<strong>in</strong> und die Forderung nach mehr Überwachung und e<strong>in</strong>er<br />

stärkeren E<strong>in</strong>schränkung von Freiheiten be<strong>in</strong>halten, sondern orientieren<br />

sich an der Gruppennorm: In e<strong>in</strong>er experimentellen Studie<br />

an der TU Chemnitz sollten Versuchspersonen über e<strong>in</strong>e Bedrohung<br />

durch verstärkte Überwachung des öffentlichen Raums nachdenken.<br />

Dies führte bei niedrig-autoritären Personen <strong>zu</strong> verstärkten spezifischen<br />

autoritären Reaktionen, wie der Forderung nach Verboten<br />

dieser Überwachung.23<br />

Bedrohung und <strong>in</strong>nere <strong>Sicherheit</strong><br />

Die Wahrnehmung terroristischer Bedrohung kann<br />

mit der Forderung nach verstärkten <strong>Sicherheit</strong>smaßnahmen, militärischen<br />

Interventionen, sozialem Protest oder auch mit allgeme<strong>in</strong>eren<br />

kollektiven Reaktionen, wie erhöhter Normkonformität e<strong>in</strong>hergehen.<br />

Auf der Ebene des politischen Diskurses ist e<strong>in</strong>e der ersten Reaktionen<br />

nach e<strong>in</strong>em terroristischen Anschlag häufig der Ruf nach verstärkter<br />

Überwachung, mehr Polizei und den E<strong>in</strong>schränkungen von bürgerlichen<br />

Freiheiten, möglicherweise sogar nur für spezielle Gruppen.<br />

Bei diesen Reaktionen ist zwischen problemfokussierten und »palliativen«<br />

Reaktionen <strong>zu</strong> unterscheiden.24 Problemfokussierte Maßnahmen<br />

zielen darauf ab, die Ursache für die Bedrohung <strong>zu</strong> beseitigen,<br />

während palliative Maßnahmen zwar e<strong>in</strong> Kontroll- und Handlungs-<br />

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