SBB Via 1 2020
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INTERVIEW: ANITA HUGI
«TRADITIONEN
BEWAHREN – NEUES
ERSCHAFFEN»
Was ist ein guter Film? Anita Hugi hat dazu eine klare Meinung. Sie ist die
neue Direktorin der Solothurner Filmtage, die dieses Jahr vom 22. bis
29. Januar über die Bühne gehen. Wir sagen: Klappe auf zum Interview!
TEXT Christine Spirig und Céleste Blanc FOTOS Oliver Oettli
In wenigen Tagen starten die Solothurner
Filmtage – zum ersten Mal unter Ihrer Regie.
Sind Sie nervös?
Wir haben uns monatelang intensiv auf dieses Ereignis
vorbereitet. Und plötzlich ist es so weit – das ist ein
ganz besonderer Moment. Etwas Nervosität ist auch
dabei, vor allem aber bin ich gespannt und voller Vorfreude.
Eine Woche lang werden die Besucher in
ganz Solothurn in den Kinos sitzen und
sich Filme anschauen. Wie haben Sie das
Programm zusammengestellt?
Das Auswahlkomitee sieht sich jeden eingereichten
Film zusammen als Gruppe auf der Leinwand an – in
der Regel von 9 bis 23 Uhr. Das ist ein sehr aufwendiges
Prozedere, immerhin wurden dieses Jahr 624 Beiträge
eingereicht, das sind rund 18 000 Filmminuten oder 300
Stunden. Der grosse Aufwand lohnt sich: Man kann sich
im Dunkeln des Kinosaals ganz auf den Film einlassen
und ihm so die Chance geben, seine eigene Handschrift
und Magie zu entfalten. Und das ist es, wonach wir suchen.
Diese sorgfältige Auswahl, wie wir sie machen,
ist einzigartig. Viele Festivals werden heute von Filmen
überflutet – oft findet deshalb eine Vorselektion auf
kleinem Bildschirm statt.
Wer kann Filme einreichen?
Jeder Filmschaffende, der mit der Schweiz verbunden
ist. In der Schweiz lebende Schweizerinnen und Schweizer
und ausländische Regisseure, die in der Schweiz
leben, oder Schweizer, die im Ausland wohnen und arbeiten.
Für die Einreichung fallen keine Gebühren an,
es läuft somit alles sehr demokratisch ab.
Die Solothurner Filmtage sind neben den
Filmfestivals Zürich und Locarno der
bedeutendste Filmanlass der Schweiz.
Was zeichnet die Filmtage aus?
Die Solothurner Filmtage sind der wichtigste Begegnungsort,
wenn es um die Schweizer Filmszene geht.
Hier treffen sich Filmschaffende und Publikum auf
kleinem Raum – zum Filmeschauen, aber auch zum
Austausch. Nicht nur in den Kinosälen, auch in den vielen
Restaurants und Bars wird über Filme diskutiert.
Jeder Landesteil ist vertreten. In dieser Woche ist Solothurn
der «Melting Pot» der Schweiz.
Welche Bedeutung hat der Standort Solothurn?
Solothurn ist die Heimat des Schweizer Films. Es
ist ein geschichtsträchtiger Ort, vor über 50 Jahren
wurden hier von Filmschaffenden politische Forderungen
gestellt, damit die Schweizer Filmlandschaft
wachsen und sich weiterentwickeln kann. Zudem ist
dieses Festival tief in der Stadt verwurzelt. Die Film tage
sind nicht nur ein Projekt der Stadt und des Kantons.
Auch sehr viele Privatpersonen setzen sich seit vielen
Jahren für die Filmtage ein, darunter Familien, die seit
mehreren Generationen als Kinosaal-Verantwortliche,
als Fahrer oder Projektionistinnen mitarbeiten. Und
natürlich tragen die fantastische Stadtkulisse und die
vielseitige Beizenkultur zur Einmaligkeit bei. Solothurn
ist als Austragungsort einfach unersetzbar.
Was ist neu an den diesjährigen
Solothurner Filmtagen?
Mir ging es nicht darum, um jeden Preis alles anders zu
machen. Die Filmtage haben sich über die letzten Jahre
zu einem Kulturevent der Extraklasse entwickelt. Ich
bin froh, darf ich darauf aufbauen. Tradition bewahren,
Zukunft gestalten: Das ist mein Credo. Vereinzelt haben
wir neue Akzente gesetzt, um ein breiteres Publikum
anzusprechen. Der Samstagabend beispielsweise steht
ganz im Zeichen der neuen Generation: Dann findet das
neue Fest der Filmhochschulen statt und bietet jungen
Filmschaffenden die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.
Sie haben für die «Sternstunde Kunst»
eine eigene Filmreihe produziert und waren
Programmdirektorin des Kunstfilmfestivals in
Montreal. Was fasziniert Sie am Medium Film?
Der Film kann einen in eine ganz andere Welt eintauchen
lassen. Er weckt Empathie und erlaubt es dem
Betrachter, sich konzentriert auf etwas einzulassen.
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