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se - Das jüdische Kaufhaus Julius Marx in Freiburg, die Geschichte der Familie und seine Arisierung

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<strong>Das</strong> <strong>jüdische</strong> <strong>Kaufhaus</strong> <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Familie</strong>:<br />

„Ich werde von me<strong>in</strong>em Recht<br />

ke<strong>in</strong>en Gebrauch machen“<br />

Ernst Rothschild war bis zur „<strong>Arisierung</strong>“ durch <strong>die</strong> Firma Striebel im Jahr<br />

1937 letzter Inhaber <strong>und</strong> verzichtete auf Wie<strong>der</strong>gutmachung – aber warum<br />

<strong>und</strong> warum dann doch nicht?<br />

Von Bernd Serger


Am 9. Dezember 1936 trafen sich Ernst Rothschild <strong>und</strong> Franz Striebel <strong>se</strong>n. im Notariat <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>. Es g<strong>in</strong>g um<br />

den Verkauf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>stücke Rotteckplatz 7 <strong>und</strong> Gauchstraße 37-41, auf denen das große <strong>jüdische</strong><br />

Textilkaufhaus <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> stand. Wenige Wochen später erwarb Striebel <strong>se</strong>n. für <strong>se</strong><strong>in</strong>e Söhne Franz <strong>und</strong><br />

Oskar auch <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>die</strong> über Jahrzehnte zu den führenden Aussteuer-Geschäften <strong>Freiburg</strong>s<br />

gehörte <strong>und</strong> <strong>der</strong>en letzter Inhaber Ernst Rothschild war. Sie hätte 1937 ihr 50jähriges Geschäftsjubiläum<br />

feiern können. Stattdes<strong>se</strong>n wurde nun daraus e<strong>in</strong> „arisches“ Unternehmen – das im Jahre 2017 <strong>se</strong><strong>in</strong><br />

80jähriges Bestehen zelebrierte. Nur: In <strong>der</strong> zehn<strong>se</strong>itigen Jubiläums-Beilage, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Badischen Zeitung“<br />

dazu erschien, war ke<strong>in</strong> Wort darüber zu le<strong>se</strong>n, wie <strong>die</strong> Gründung <strong>der</strong> Firma Betten-Striebel 1937 überhaupt<br />

möglich wurde. Und welche Folgen sie hatte - schmerzhafte, aber auch verstörende.<br />

So musste Ernst Rothschild, Schwiegersohn des bereits 1925 gestorbenen Firmengrün<strong>der</strong>s <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, im<br />

Juni 1937 mit <strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau Lotte außer Landes fliehen, um bei<strong>der</strong> Leben zu retten. Auch <strong>Julius</strong> Ehrmann, <strong>der</strong><br />

zweite Schwiegersohn, <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau Beate haben überlebt. Mehr weiß man nicht. Der e<strong>in</strong>zige Sohn von<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, schaffte es 1939 gerade noch, Shanghai, <strong>die</strong> damals letzte, ohne Visum noch<br />

verbliebene Fluchtmöglichkeit zu erreichen. Doch <strong>die</strong> Ehefrau von Emanuel <strong>Marx</strong>, dem Bru<strong>der</strong> von <strong>Julius</strong> <strong>und</strong><br />

Leo, sowie zwei <strong>der</strong> vier Brü<strong>der</strong> von Ernst Rothschild samt Angehörigen wurden von den Nazis umgebracht.<br />

Fliehen konnte dagegen <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> von Leo <strong>Marx</strong>, dem älteren Bru<strong>der</strong> von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>. Auch er betrieb – <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Salzstraße 33 - <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> e<strong>in</strong> Textilgeschäft, das nach <strong>se</strong><strong>in</strong>em Tod im Jahr 1924 <strong>die</strong> Witwe Clement<strong>in</strong>e<br />

geb. Goldschmidt mit Hilfe ihres Schwiegersohns Ernst Bach weiter führte – <strong>und</strong> aufgeben musste. Ihr gelang<br />

mit <strong>der</strong> Tochter Lore <strong>die</strong> Flucht nach Südafrika, auch <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en vier Töchter, drei von ihnen verheiratet,<br />

s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Verfolgung durch <strong>die</strong> Nazis entkommen o<strong>der</strong> haben sie überlebt.<br />

Die Grabste<strong>in</strong>e von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong><br />

(l<strong>in</strong>ks) <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em Bru<strong>der</strong> Leo<br />

<strong>Marx</strong> stehen auf dem Jüdischen<br />

Friedhof an <strong>der</strong> Elsäs<strong>se</strong>r Straße <strong>in</strong><br />

<strong>Freiburg</strong>.<br />

Fotos: Bernd Serger<br />

Nichts mehr er<strong>in</strong>nert <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> an <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> des Kaufhau<strong>se</strong>s <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> an des<strong>se</strong>n <strong>Familie</strong> –<br />

ausgenommen <strong>die</strong> Grabste<strong>in</strong>e von <strong>Julius</strong> <strong>und</strong> Leo <strong>Marx</strong> auf dem Jüdischen Friedhof. Auch <strong>in</strong> den beiden<br />

Büchern zur jüngeren <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiburg</strong>er Juden – Andrea Brucher-Lembach „… wie H<strong>und</strong>e auf e<strong>in</strong><br />

Stück Brot – Die <strong>Arisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gutmachung <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>“, 2004, sowie Kathr<strong>in</strong><br />

Claus<strong>in</strong>g „Leben auf Abruf – Zur <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiburg</strong>er Juden im Nationalsozialismus“, 2005 erschienen –<br />

wird <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> kaum erwähnt, bei Kathr<strong>in</strong> Claus<strong>in</strong>g beispielswei<strong>se</strong> nur Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>und</strong> das mit falschem<br />

Vornamen.<br />

Da, wo e<strong>in</strong>st das Geschäftshaus war, Rotteckr<strong>in</strong>g 18, steht heute e<strong>in</strong> Nebengebäude des Colombi-Hotels. <strong>Das</strong><br />

1925 mit großem Aufwand erweiterte <strong>Kaufhaus</strong> wurde im November 1944 durch den Luftangriff auf <strong>Freiburg</strong><br />

fast völlig zerstört. Die Firma Striebel hat an <strong>der</strong><strong>se</strong>lben Stelle <strong>in</strong> den Nachkriegsjahren e<strong>in</strong> schlichteres<br />

Gebäude errichtet, sich aber später <strong>in</strong> <strong>die</strong> Straße Unterl<strong>in</strong>den 4 zurückgezogen, wo sie heute resi<strong>die</strong>rt.<br />

Die <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong> stammt aus Sulzburg<br />

Die Anfänge <strong>der</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> liegen im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Die <strong>Familie</strong> stammte aus Sulzburg, wo es wohl<br />

schon <strong>se</strong>it dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t Juden gab. Auf <strong>der</strong> vom Jüdischen Arbeitskreis Sulzburg gestalteten Website<br />

liest man: „Aus e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Colmar archivierten Dokument geht hervor, dass offenbar schon 1409 Juden <strong>in</strong><br />

Sulzburg lebten. Unter Markgraf Ernst von Baden-Durlach (1482 - 1553) durften sie gegen Zahlung hoher


Schutzgel<strong>der</strong> <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>er Abgaben hier siedeln. 1528 wurden Juden erstmals <strong>in</strong> Sulzburg urk<strong>und</strong>lich<br />

erwähnt. Sie durften mit Waren <strong>und</strong> Vieh handeln, aber ke<strong>in</strong>e Landwirtschaft betreiben <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Handwerk<br />

ausüben“.<br />

Nach 1577 gab es für <strong>die</strong> Sulzburger Juden ke<strong>in</strong>e Schutzbriefe mehr. Sie mussten nach Ablauf ihrer Briefe den<br />

Ort verlas<strong>se</strong>n. Erst von 1716 an durften Juden wie<strong>der</strong> nach Sulzburg. Unter ihnen auch <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong>.<br />

Daniel <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> 1739 geborene Ahnherr un<strong>se</strong>res Zweigs, hatte mit zwei Frauen sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Se<strong>in</strong> Sohn<br />

Samuel <strong>Marx</strong> (1793-1865) bekam dagegen nur e<strong>in</strong>en Sohn: Daniel Jechiel, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Vater von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>,<br />

geboren 1865, wurde. <strong>Julius</strong> hatte drei Geschwister: <strong>die</strong> 1858 geborene Schwester Gertrude <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

ebenfalls älteren Brü<strong>der</strong> Emanuel (1860) <strong>und</strong> Leo (1862). In jenen Jahren war etwa e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohner<br />

von Sulzburg Juden. „Bis zur Jahrhun<strong>der</strong>twende“, so heißt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dokumentation des Arbeitskrei<strong>se</strong>s<br />

weiter, „verließ <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> schlechten Wirtschaftslage auf dem Land <strong>und</strong> <strong>der</strong> bes<strong>se</strong>ren Ausbildungs- <strong>und</strong><br />

Ver<strong>die</strong>nstmöglichkeiten <strong>in</strong> den Städten <strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> <strong>jüdische</strong>n E<strong>in</strong>wohner Sulzburg <strong>und</strong> zog <strong>in</strong> <strong>die</strong> größeren<br />

Städte o<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Ausland“.<br />

Die Geburtsurk<strong>und</strong>e von Leo <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> am 17. April 1862 <strong>in</strong> Sulzburg<br />

geboren wurde. Die Urk<strong>und</strong>e liegt im Staatsarchiv <strong>Freiburg</strong>, Signatur<br />

G 540-5 2158, Sammlung Serger<br />

Zu ihnen gehörte auch <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong>. Um das Jahr 1870 zog <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> nach <strong>Freiburg</strong>. Sie muss damals<br />

schon wohlhabend gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong><strong>in</strong>, denn Großvater Samuel <strong>Marx</strong> konnte das Haus Rotteckplatz 7, gleich <strong>die</strong><br />

erste Adres<strong>se</strong>, sofort käuflich erwerben. Obwohl <strong>der</strong> Jüdische Arbeitskreis <strong>se</strong><strong>in</strong>en Tod mit Mai 1869 angibt,<br />

wurde Samuel <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> den <strong>Freiburg</strong>er Adressbüchern bis 1875 als Eigentümer des Hau<strong>se</strong>s Rotteckplatz 7<br />

verzeichnet. Von 1876 an wird <strong>se</strong><strong>in</strong> Sohn Daniel als Eigentümer geführt. Nun wurde aus <strong>der</strong> anfangs mit dem<br />

Vater betriebenen Manufakturwaren(groß)handlung S. <strong>Marx</strong> & Sohn <strong>die</strong> Firma S. <strong>Marx</strong> Sohn.<br />

In dem Standard-Werk von Jakob Toury „Jüdische Textilunternehmer <strong>in</strong> Baden-Württemberg 1683 – 1938“<br />

heißt es dazu: „Etwa zehn Jahre später nahm Daniel <strong>se</strong><strong>in</strong>en jüngeren Bru<strong>der</strong> Emanuel (er war nicht <strong>se</strong><strong>in</strong><br />

Bru<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n <strong>se</strong><strong>in</strong> erster Sohn, <strong>der</strong> Autor) <strong>in</strong> <strong>die</strong> zur OHG umgewandelten Firma auf. Jedoch hielt <strong>die</strong><strong>se</strong><br />

Idylle nur drei Jahre stand, <strong>und</strong> Emanuel schied bereits 1889 wie<strong>der</strong> aus dem Geschäft aus.“<br />

Emanuel <strong>Marx</strong> gründete e<strong>in</strong>e Wollenweberei<br />

Er hatte an<strong>der</strong>e Pläne, <strong>die</strong> bereits im nächsten Jahr <strong>in</strong> Denzl<strong>in</strong>gen Wirklichkeit wurden: Emanuel <strong>Marx</strong> kaufte<br />

als Vertreter <strong>der</strong> Firma S. <strong>Marx</strong> Sohn am 21. März 1890 vom Müller Ludwig Han<strong>se</strong>rt <strong>die</strong> Getreidemühle mit<br />

Was<strong>se</strong>rrecht <strong>und</strong> großem Was<strong>se</strong>rrad an <strong>der</strong> Glotter. Bis 1894 ließ er auf dem Areal an <strong>der</strong> Hauptstraße<br />

Emanuel <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, ,<br />

verließ 1891 <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>same Firma <strong>und</strong> machte<br />

sich mit <strong>der</strong> „Mechanischen Wollenweberei“ <strong>in</strong><br />

Denzl<strong>in</strong>gen unter dem Namen S. <strong>Marx</strong> Sohn<br />

<strong>se</strong>lbständig. Die Abbildung zeigt das Fabrikgebäude<br />

vor <strong>der</strong> Sanierung etwa um 1999.<br />

Foto: Stadt Denzl<strong>in</strong>gen


e<strong>in</strong> an<strong>se</strong>hnliches Fabrikgebäude für <strong>die</strong> Mechanische Wollenweberei errichten. Emanuel <strong>Marx</strong> betrieb als<br />

Fabrikdirektor <strong>die</strong> Weberei bis 1911. <strong>Das</strong> Büro <strong>die</strong><strong>se</strong>r Firma unterhielt er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Merianstraße 35 <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>,<br />

wo er mit <strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau Ida geb. Goldschmidt aus Frankfurt auch wohnte.<br />

Im Jahr 1911 verkaufte <strong>die</strong> Firma S. <strong>Marx</strong> Sohn das Gr<strong>und</strong>stück mit Gebäude <strong>in</strong>clusive In<strong>se</strong>lhaus an Otto<br />

Möll<strong>in</strong>ger aus <strong>Freiburg</strong>. „Bis 1960 stellten <strong>in</strong> <strong>die</strong><strong>se</strong>r Fabrik rd. 100 Arbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Arbeiter Zigarren her“,<br />

liest man auf <strong>der</strong> Website <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Denzl<strong>in</strong>gen. 1960 wurde das Areal von <strong>der</strong> Rocca KG erworben, <strong>die</strong><br />

bauchemische Produkte herstellte. Heute s<strong>in</strong>d dort <strong>in</strong> dem aufwendig mo<strong>der</strong>nisierten Anwe<strong>se</strong>n <strong>die</strong><br />

Mediathek <strong>und</strong> das Kulturcafé <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de zu f<strong>in</strong>den.<br />

Was aus Emanuel <strong>Marx</strong> wurde, ist nicht bekannt. 1922, als <strong>se</strong><strong>in</strong>e Mutter starb, las man <strong>se</strong><strong>in</strong>en Namen noch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Traueranzeige. Danach verliert sich <strong>se</strong><strong>in</strong>e Spur. In <strong>der</strong> Databa<strong>se</strong> <strong>der</strong> Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem<br />

f<strong>in</strong>det sich dagegen <strong>der</strong> Name <strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau <strong>und</strong> <strong>die</strong><strong>se</strong> Auskunft: „Ida <strong>Marx</strong>, geb. Goldschmidt wurde 1867 <strong>in</strong><br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Deutsches Reich geboren. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte sie <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>,<br />

Deutsches Reich. Während des Krieges war sie <strong>in</strong> Trebl<strong>in</strong>ka, Polen.“ Trebl<strong>in</strong>ka ist <strong>der</strong> Name e<strong>in</strong>es<br />

Vernichtungslagers …<br />

Doch kehren wir nach <strong>Freiburg</strong> zurück. Jakob Toury nahm <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em 1984 erschienenen Buch <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Freiburg</strong>er <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong> als Beispiel, um <strong>die</strong> „rauhe Wirklichkeit“ im Umgang <strong>jüdische</strong>r<br />

Unternehmerfamilien untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu dokumentieren: „Nach den Steuerakten hatte Daniel <strong>Marx</strong> zwei<br />

Söhne: Leo <strong>und</strong> <strong>Julius</strong>, <strong>die</strong> beim Ausscheiden von Emanuel <strong>die</strong> Firma übernahmen <strong>und</strong> – teilten. Leo <strong>Marx</strong><br />

betrieb nur den Großhandel, ohne sich <strong>in</strong>s Handelsregister e<strong>in</strong>zutragen, während <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> als<br />

Groß- <strong>und</strong> E<strong>in</strong>zelhandelsfirma e<strong>in</strong>getragen war.“ <strong>Das</strong>s <strong>die</strong> beiden Söhne sich damals verkracht hätten, ist e<strong>in</strong>e<br />

Annahme von Toury, <strong>die</strong> genaueren Recherchen nicht standhält. Doch dazu später.<br />

Leo <strong>Marx</strong> hatte e<strong>in</strong>en schlechten Start<br />

1921 nahm <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>en Sohn Erw<strong>in</strong> als persönlich haftenden Ge<strong>se</strong>llschafter <strong>in</strong> <strong>die</strong> florierende Firma<br />

auf, wenige Monate danach auch Ernst Rothschild, den Ehemann <strong>se</strong><strong>in</strong>er Tochter Lotte. Schon e<strong>in</strong> Jahr später<br />

trat Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> aus <strong>der</strong> Firma aus <strong>und</strong> gründete e<strong>in</strong>e eigene Firma, dafür kam im Mai 1925 <strong>Julius</strong> Ehrmann,<br />

<strong>der</strong> Ehemann <strong>der</strong> Tochter Beate, als Ge<strong>se</strong>llschafter h<strong>in</strong>zu. Toury wusste wohl nicht, dass <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> schon<br />

Ende Juni 1925 gestorben war <strong>und</strong> damit also nichts mit <strong>der</strong> Kri<strong>se</strong> zu tun hatte, <strong>die</strong> 1932 <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong><br />

<strong>Marx</strong> fast <strong>in</strong> den Ru<strong>in</strong> geführt hat.<br />

Brü<strong>der</strong>liches<br />

E<strong>in</strong>verständnis 1892 im<br />

Adressbuch (l<strong>in</strong>ks): <strong>Julius</strong><br />

<strong>und</strong> Leo <strong>Marx</strong>. Dann warb<br />

Leo <strong>Marx</strong> alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

„<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“:<br />

l<strong>in</strong>ks unten am 5.2.1892,<br />

rechts am 14.9.1892 – <strong>se</strong><strong>in</strong><br />

vorläufiges Ende<br />

ankündend.<br />

So schreibt Toury: „Noch weniger glücklich als <strong>Julius</strong> … war <strong>se</strong><strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> Leo, <strong>der</strong> zunächst nur drei Jahre lang<br />

alle<strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Firma führte, aber schon 1892 – vermutlich wegen geschäftlicher Schwierigkeiten – das<br />

Firmenschild <strong>in</strong> Leo <strong>Marx</strong> Nachf. än<strong>der</strong>n mußte“. Im <strong>Freiburg</strong>er Adressbuch von 1892 f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> Jahr<br />

zuvor aufgegebene Anzeige, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> Leo <strong>Marx</strong> geme<strong>in</strong>sam für ihre Geschäfte Kai<strong>se</strong>rstraße 46<br />

<strong>und</strong> Rotteckplatz 7 „Damenklei<strong>der</strong>stoffe <strong>und</strong> Manufacturwaaren“ zum Kauf empfahlen – von Bru<strong>der</strong>zwist<br />

also ke<strong>in</strong>e Rede. Bemerkenswert ist auch, dass Leo <strong>Marx</strong> im Adressbuch von 1890 als Eigentümer des<br />

Gebäudes am Rotteckplatz 7 genannt wurde, <strong>die</strong>s jedoch nur für e<strong>in</strong> Jahr. Dann trat (wie<strong>der</strong>) <strong>der</strong> Vater Daniel<br />

<strong>Marx</strong> an <strong>die</strong><strong>se</strong> Stelle.<br />

Recht hat Toury jedoch mit <strong>der</strong> Feststellung, dass Leo <strong>Marx</strong> mit <strong>se</strong><strong>in</strong>em Geschäft – „Manufakturwaaren en<br />

gros & en detail“ - <strong>in</strong> Schwierigkeiten geriet. Im September 1892 annoncierte er <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“


den „Ausverkauf des Manufacturwaaren-Engros-Lagers“ im Geschäft Rotteckplatz 7 – <strong>und</strong> <strong>die</strong>s mit dem<br />

Zusatz: „Die Geschäft<strong>se</strong><strong>in</strong>richtung ist zu verkaufen“.<br />

Als eigenständiger Kaufmann verschwand Leo <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> den nächsten Jahren aus den Adressbüchern. Mag<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>, dass da auch private Probleme bei Leo <strong>Marx</strong> e<strong>in</strong>e Rolle spielten: Die Ende 1889 mit Jenny Machol aus<br />

Bruchsal geschlos<strong>se</strong>ne Ehe war wenig glücklich. Sie wurde im Juli 1893 geschieden – was damals nur mit dem<br />

erklärten Willen bei<strong>der</strong> Partner, dem schriftlichen E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> Schwiegereltern <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zustimmung<br />

des Landgerichts <strong>Freiburg</strong> möglich war.<br />

Der Nachfolger war <strong>der</strong> Vorgänger: <strong>der</strong> Vater<br />

Toury weiter: „Der Nachfolger <strong>und</strong> Geschäftsführer war niemand an<strong>der</strong>er als <strong>der</strong> <strong>se</strong>it 1889 zur Seite<br />

gedrängte Vater Daniel, <strong>der</strong> nun acht Jahre lang <strong>die</strong> Firma leitete, bis er bei <strong>se</strong><strong>in</strong>em Rückzug <strong>in</strong>s Privatleben<br />

(1900) <strong>die</strong> Firma löschen ließ. Der vom Vater ausgebootete Sohn Leo <strong>Marx</strong> eröffnete 1896 e<strong>in</strong>e neue Firma –<br />

Warenagentur Leo <strong>Marx</strong>, <strong>die</strong> schließlich vom Groß- <strong>und</strong> Agenturhandel mit Ausstattungen <strong>und</strong> zur<br />

Hemdenfabrikation überg<strong>in</strong>g (1911), dabei sogar auch e<strong>in</strong>ige Erfolge erzielte.“<br />

Vater Daniel <strong>Marx</strong> führte das Geschäft am Rotteckplatz 7 von 1892 bis 1900 unter zwei Namen: den Engros-<br />

Handel mit Manufakturwaren betrieb er unter dem Signum „Leo <strong>Marx</strong> Nachf.“, den direkten Verkauf bewarb<br />

er <strong>in</strong> den Anzeigen als „<strong>Marx</strong>’sches Detailgeschäft“. Am 22. April 1897 suchte Daniel <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Anzeige<br />

<strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ e<strong>in</strong>en „gut geschulten jungen Menschen“ als Handlungslehrl<strong>in</strong>g. Interessant ist <strong>der</strong><br />

H<strong>in</strong>weis: „Kost <strong>und</strong> Wohnung im Haus des Pr<strong>in</strong>zipals“. <strong>Das</strong> wäre - neben den H<strong>in</strong>wei<strong>se</strong>n <strong>in</strong> den<br />

Adressbüchern – e<strong>in</strong> weiterer Beleg dafür, dass Rotteckplatz 7 nicht nur <strong>die</strong> Adres<strong>se</strong> für das Ladengeschäft<br />

war, son<strong>der</strong>n auch für <strong>die</strong> Wohnung von Daniel <strong>Marx</strong>. Der H<strong>in</strong>weis <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anzeige „ke<strong>in</strong>e Ladenmiete“<br />

bestätigt nur, dass das Gebäude damals schon im Besitz <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong> war.<br />

Vater Daniel <strong>Marx</strong> warb für<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong> Geschäft am Rotteckplatz<br />

7 mit zwei Firmennamen:<br />

„<strong>Marx</strong>’sches Detailgeschäft“<br />

<strong>und</strong> „Leo <strong>Marx</strong> Nachf.“ Damit<br />

versperrte er <strong>se</strong><strong>in</strong>em Sohn Leo<br />

für Jahre den Weg. Bis er am<br />

14.9.1899 <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er<br />

Zeitung“ <strong>die</strong> Aufgabe <strong>die</strong><strong>se</strong>s<br />

Geschäfts bekanntgab.<br />

Toury schreibt, dass sich Daniel <strong>Marx</strong> im Jahr 1900 <strong>in</strong>s Privatleben zurückzog. Er ließ beide Firmen löschen.<br />

Die Anzeige vom 14. September 1899 <strong>in</strong> <strong>der</strong> FZ bereitete <strong>die</strong> K<strong>und</strong>en auf <strong>die</strong><strong>se</strong>n Schritt vor – so machte <strong>der</strong><br />

Vater <strong>die</strong>smal den Weg frei für den jüngeren Sohn <strong>Julius</strong>, <strong>der</strong> dann im August 1900 mit <strong>se</strong><strong>in</strong>em Geschäft von<br />

<strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 32 <strong>in</strong> das Gebäude Rotteckplatz 7 e<strong>in</strong>zog.<br />

Doch dazu später. Verfolgen wir zuerst noch den Weg des Bru<strong>der</strong>s Leo <strong>Marx</strong>. Die<strong>se</strong>r heiratete 1896 mit nun<br />

34 Jahren zum zweiten Mal. Die Au<strong>se</strong>rwählte war Clement<strong>in</strong>e Goldschmidt aus München, mit <strong>der</strong> Leo <strong>Marx</strong><br />

fünf Töchter bekam. Die Neue an <strong>se</strong><strong>in</strong>er Seite war vorsichtig: „Nach <strong>der</strong>en Ehevertrag, d.d. 24. Juni 1896 <strong>in</strong>


<strong>Freiburg</strong>, wirft jedes Eheteil 100 Mark <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft unter Ausschluss alles übrigen Vermögens sowie<br />

<strong>der</strong> Schulden“, las man <strong>se</strong><strong>in</strong>erzeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeitung.<br />

1911 eröffnete Leo <strong>Marx</strong> wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Detailgeschäft<br />

Toury schreibt, dass Leo <strong>Marx</strong> im <strong>se</strong>lben Jahr 1896 e<strong>in</strong>e Warenagentur eröffnete, <strong>die</strong> schließlich vom Groß<strong>und</strong><br />

Agenturhandel im Jahr 1911 zum Detailhandel <strong>und</strong> zur Hemdenfabrikation überg<strong>in</strong>g <strong>und</strong> „dabei sogar<br />

auch e<strong>in</strong>ige Erfolge erzielte“. <strong>Das</strong> von ihm genannte Datum stimmt mit <strong>der</strong> Anzeige vom 2. Mai 1911 <strong>in</strong> <strong>der</strong> FZ<br />

übere<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Leo <strong>Marx</strong> <strong>die</strong> Eröffnung <strong>se</strong><strong>in</strong>es Geschäftes für „Manufaktur-, Weisswaren <strong>und</strong> Ausstattungs-<br />

Artikel verb<strong>und</strong>en mit <strong>der</strong> Anfertigung von Wäsche aller Art <strong>und</strong> ganzer Ausstattungen unter Leitung e<strong>in</strong>er<br />

allerersten Wäschedirectrice“ verkündete. Unter <strong>der</strong> Adres<strong>se</strong> Salzstraße 31, gegenüber dem alten<br />

Stadttheater (heute August<strong>in</strong>ermu<strong>se</strong>um), bot er auch „Partieposten <strong>und</strong> Musterreste zu staunend billigen<br />

Prei<strong>se</strong>n“ an. <strong>Das</strong>s er bis auf <strong>die</strong> Hemden-Fabrikation das Gleiche offerierte wie <strong>se</strong><strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> <strong>Julius</strong>, wird <strong>die</strong><strong>se</strong>n<br />

wohl nicht beson<strong>der</strong>s gefreut haben.<br />

Am 2. Mai 1911<br />

eröffnete Leo <strong>Marx</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Salzstraße 31 <strong>se</strong><strong>in</strong><br />

zweites Textilgeschäft.<br />

Es lief so gut, dass er<br />

am 19. Juli 1921 den<br />

Umzug <strong>in</strong> das nun ihm<br />

gehörende<br />

Nachbarhaus<br />

Salzstraße 33<br />

verkünden konnte.<br />

So schlecht, wie Toury behauptet, sche<strong>in</strong>t Leo <strong>Marx</strong> nicht gewirtschaftet zu haben. Wie hätte er denn sonst<br />

nach dem Ersten Weltkrieg <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Wirren <strong>der</strong> frühen 20er Jahre den Schritt unternehmen können, den er<br />

am 19. Juli 1921 <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ verkündete: „Den Umzug <strong>in</strong> me<strong>in</strong> eigenes Geschäftshaus<br />

Salzstraße 33 beehre ich mich ergebenst anzuzeigen“. Er zog mit <strong>se</strong><strong>in</strong>em Laden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Salzstraße gerade e<strong>in</strong><br />

Haus weiter.<br />

Zwei Monate später zeigte er <strong>die</strong> Verlobung von Lilli <strong>Marx</strong>, e<strong>in</strong>er <strong>se</strong><strong>in</strong>er fünf Töchter, an. Ernst Bach, <strong>der</strong><br />

Bräutigam, e<strong>in</strong> Bankbeamter aus Stuttgart, sollte e<strong>in</strong> Jahr später als persönlich haften<strong>der</strong> Ge<strong>se</strong>llschafter <strong>in</strong><br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>e Firma e<strong>in</strong>steigen. Betty <strong>Marx</strong>, e<strong>in</strong>e weitere Tochter von Leo <strong>Marx</strong>, versuchte, sich mit Handarbeiten –<br />

vor allem handgehäkelte K<strong>in</strong><strong>der</strong>kleidchen – im elterlichen Geschäftshaus e<strong>in</strong>e eigene Existenz aufzubauen.<br />

Doch <strong>der</strong> frühe Tod ihres Vaters am 8. März<br />

1924 – er starb mit knapp 62 Jahren an<br />

e<strong>in</strong>em Schlaganfall - än<strong>der</strong>te alles. Se<strong>in</strong>e<br />

Witwe Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> geb. Goldschmidt<br />

wollte wohl das Geschäft am Leben erhalten.<br />

So weitete sie das Angebot <strong>in</strong> Juni 1925<br />

sogar noch auf Baby-Wäsche aus. Dies wohl<br />

auch, um den Gerüchten zu begegnen, <strong>die</strong>


schon kurz nach dem Tod ihres Mannes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt kursierten. Viele Leute hatten wohl das Wort vom<br />

„Totalausverkauf“, den sie am 19. November 1924 für <strong>die</strong> Abteilung „Wollstoffe <strong>und</strong> bunte Baumwollwaren“<br />

annonciert hatte, als Ankündigung für <strong>die</strong> Aufgabe des ganzen Geschäfts verstanden. Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong><br />

versuchte noch am 12. Dezember 1924 mit e<strong>in</strong>er Anzeige <strong>in</strong> <strong>der</strong> FZ den entstandenen Schaden zu korrigieren,<br />

doch zeigte <strong>die</strong> folgende Entwicklung, dass es dafür zu spät war.<br />

Die fatale Anzeige mit<br />

dem Wort<br />

„Totalausverkauf“ vom<br />

24. August 1924 (l<strong>in</strong>ks)<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Versuch vom 12.<br />

Dezember, den Fehler<br />

wie<strong>der</strong> auszubügeln.<br />

Nach dem Tod von Leo <strong>Marx</strong> g<strong>in</strong>g es abwärts<br />

E<strong>in</strong> Beleg dafür war das am 3. Januar 1925 im Handelsregister-Auszug <strong>der</strong> FZ verkündete Ausscheiden des<br />

Schwiegersohns Ernst Bach als persönlich haften<strong>der</strong> Ge<strong>se</strong>llschafter. Nun musste <strong>die</strong> Witwe das Weitere<br />

<strong>se</strong>lbst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand nehmen, wohl geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Tochter Betty. So eröffneten sie im Herbst 1925 neben<br />

e<strong>in</strong>er Nähstube auch e<strong>in</strong>e Flickstube, <strong>die</strong> „nur gewaschene Wäsche billig <strong>in</strong> Stand“ <strong>se</strong>tzte. Doch all <strong>die</strong><strong>se</strong><br />

Versuche brachten nicht den gewünschten Erfolg – <strong>und</strong> so folgte <strong>der</strong> Schritt, den Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> im<br />

Dezember 1924 noch als Gerücht abgetan hatte: <strong>der</strong> „Totalausverkauf“ wegen <strong>der</strong> Aufgabe des Geschäfts.<br />

<strong>Das</strong> ließ schon <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis vom 2. März 1926 im Auszug des Handelsregisters <strong>in</strong> <strong>der</strong> FZ erahnen, <strong>in</strong> dem<br />

vermeldet wurde, dass Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> „Geschäftssaufsicht zur Abwendung des Konkur<strong>se</strong>s beantragt“<br />

habe. Am 30. April 1926 war <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ zu le<strong>se</strong>n, dass <strong>die</strong> Firma Leo <strong>Marx</strong> e<strong>in</strong>en „Total-<br />

Ausverkauf“ wegen „Geschäftsaufgabe“ unternimmt. In den Anzeigen zuvor war nur das Wort „Total-<br />

Ausverkauf“ zu le<strong>se</strong>n.<br />

Nun musste es wohl <strong>se</strong>hr schnell gehen. Die Verkaufsräume wurden<br />

vermietet – zuerst an Adolf Hofherr, <strong>der</strong> im August 1926 <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Salzstraße 33 e<strong>in</strong> „Textil- <strong>und</strong> Modewarengeschäft“ eröffnete. Doch<br />

auch mit den Pächtern hatte <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong> nicht viel Glück – es gab<br />

e<strong>in</strong>en häufigen Wech<strong>se</strong>l,<br />

<strong>und</strong> so suchte <strong>die</strong> Witwe im<br />

April 1929 laut Anzeige <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“<br />

erneut e<strong>in</strong>en Mieter. <strong>Das</strong><br />

Gebäude Salzstraße 33 war<br />

weiterh<strong>in</strong> im Besitz <strong>der</strong><br />

<strong>Familie</strong>. Wie es dann weiterg<strong>in</strong>g, dazu später.<br />

Der erste Laden von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 46<br />

Im Jahr 1929 florierte das Geschäft des Bru<strong>der</strong>s <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> noch. Er hatte es 1887 gegründet. Im<br />

Handelsregister tauchte es erst am 26. September 1889 auf – nicht am Rotteckplatz (da hatte sich ja <strong>se</strong><strong>in</strong><br />

Bru<strong>der</strong> Leo etabliert), son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 46, an <strong>der</strong> Ecke zur Schiffstraße. In e<strong>in</strong>er <strong>se</strong><strong>in</strong>er ersten<br />

In<strong>se</strong>rate <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ warb er am 4. Juni 1892 für <strong>se</strong><strong>in</strong>e „ge<strong>die</strong>genen <strong>und</strong> enorm billigen<br />

Sommerklei<strong>der</strong>stoffe“.<br />

Doch an <strong>die</strong><strong>se</strong>r attraktiven Stelle konnte er nicht lange bleiben. Denn <strong>die</strong> Firma Koett<strong>in</strong>g & He<strong>in</strong>ze erwarb das<br />

Gebäude, ließ es abreißen <strong>und</strong> zog 1897 von ihrem bisherigen Standort Kai<strong>se</strong>rstraße 49 mit ihrem Damen-<br />

Modehaus <strong>in</strong> das neu erbaute Geschäftshaus e<strong>in</strong> (heute Modehaus Kai<strong>se</strong>r). <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> blieb nichts an<strong>der</strong>es<br />

übrig, als am 3. März 1893 <strong>in</strong> <strong>der</strong> FZ zu e<strong>in</strong>em „Ausverkauf wegen Hausverkauf <strong>und</strong> Lokalwech<strong>se</strong>l“<br />

e<strong>in</strong>zuladen.


Am 17. März 1893 offerierte <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er<br />

Zeitung“ e<strong>in</strong>en „Ausverkauf wegen Hausverkauf <strong>und</strong><br />

Lokalwech<strong>se</strong>l“: Er musste den Laden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 46<br />

räumen <strong>und</strong> zog um <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 32. Was nicht allen<br />

gefiel: E<strong>in</strong> paar Tage vor <strong>der</strong> Eröffnung wurde <strong>se</strong><strong>in</strong><br />

Schaufenster zetrümmert.<br />

Se<strong>in</strong> neuer Laden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 32 sollte am 1. Oktober 1893 eröffnet werden. Wenige Tage vorher, am<br />

27. September 1893, erschien <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Meldung, wonach e<strong>in</strong> „großes<br />

Schaufenster <strong>in</strong> dem Laden des Kaufmanns <strong>Marx</strong>“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht zertrümmert worden war. Was <strong>die</strong> FZ als<br />

„Buberei“ überschrieb, war wohl eher e<strong>in</strong> Beweis für den schon <strong>in</strong> den 90er Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

grassierenden Anti<strong>se</strong>mitismus, <strong>der</strong> auch vor <strong>Freiburg</strong> nicht Halt machte.<br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 32: Sally Knopf zog aus, <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> zog e<strong>in</strong><br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> hatte <strong>die</strong> Chance genutzt, <strong>die</strong> 1893 <strong>der</strong> Umzug des <strong>jüdische</strong>n Warenhau<strong>se</strong>s Sally Knopf <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 60 bot (heute steht dort <strong>der</strong> Neubau <strong>der</strong> Sparkas<strong>se</strong> <strong>Freiburg</strong>-Nördlicher Breisgau mit e<strong>in</strong>em H &<br />

M-Shop <strong>und</strong> dem Restaurant Skajo). Sally Knopf, <strong>der</strong> mit <strong>se</strong><strong>in</strong>en drei Brü<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Warenhaus-<br />

Imperium <strong>in</strong> Deutschland, <strong>der</strong> Schweiz <strong>und</strong> Elsass-Lothr<strong>in</strong>gen aufbaute, hatte <strong>se</strong><strong>in</strong> erstes Geschäft 1887 <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 32 unter dem Firmennamen „Straßburger Engros-Lager M. Knopf“ eröffnet. Mit Sally Knopf,<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, Jo<strong>se</strong>ph Werner, Tobias Lippmann <strong>und</strong> Jo<strong>se</strong>f Schiffmann, <strong>der</strong> 1907 das<br />

Herrenbekleidungsgeschäft Tobias Lippmann übernommen hatte, waren es bis 1935 lauter <strong>jüdische</strong><br />

Kaufleute, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 32 ihr Geschäft hatten. Dann erwarb <strong>die</strong> Firma Hettlage aus Düs<strong>se</strong>ldorf den<br />

stattlichen Bau – als „deutsches Geschäft“.<br />

Die Adres<strong>se</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 32<br />

(drittes Gebäude von l<strong>in</strong>ks) war<br />

bis zur NS-Zeit gewis<strong>se</strong>rmaßen<br />

für <strong>jüdische</strong> Kaufleute<br />

re<strong>se</strong>rviert: Sally Knopf, dann<br />

von 1893 bis 1900 <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>,<br />

Jo<strong>se</strong>ph Werner, Tobias<br />

Lippmann <strong>und</strong> Jo<strong>se</strong>f Schiffmann<br />

lösten sich hier ab.<br />

Foto: Stadtarchiv <strong>Freiburg</strong>, M 7010<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> blieb <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 32 von 1893 bis 1900. Se<strong>in</strong> „Manufactur- <strong>und</strong> Modewaaren“-Geschäft<br />

„en gros <strong>und</strong> en detail“ florierte, sicher auch mit Hilfe <strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau Anna geb. Schönthal aus Fürth, <strong>die</strong> er 1894<br />

heiratete. Sie trat damals sozusagen an <strong>die</strong> Stelle ihrer zwei Jahre älteren Schwester Loui<strong>se</strong>, <strong>die</strong> im Juli 1892<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> mit 22 Jahren gestorben war - nur wenige Tage nach <strong>der</strong> Hochzeit mit <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>.<br />

Die<strong>se</strong>r machte nicht nur als Kaufmann von sich reden: 1899 wurde er, <strong>in</strong>zwischen 34 Jahre alt, <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong><br />

sogar zum Stadtverordneten gewählt, bei <strong>der</strong> Wahl 1908 <strong>in</strong> <strong>die</strong><strong>se</strong>m Amt auch bestätigt. <strong>Das</strong>s er politisch<br />

stramm nationalistisch e<strong>in</strong>gestellt war, beweist <strong>se</strong><strong>in</strong>e Mitgliedschaft im Deutschen Flottenvere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> mit<br />

Kai<strong>se</strong>r Wilhelm II. dem mächtigen England <strong>die</strong> Herrschaft auf den Weltmeeren streitig machen wollte. 1903<br />

amtierte <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> als Rechner des Jungliberalen Vere<strong>in</strong>s, 1904 dann als Geschworener. 1905 wurde er<br />

Ersatzmann <strong>der</strong> liberalen Partei im Bürgerausschuss.


1900 wech<strong>se</strong>lte <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> an den Rotteckplatz<br />

In <strong>der</strong> Jüdischen Geme<strong>in</strong>de war <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> nicht <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Funktion tätig – im Gegensatz zu <strong>se</strong><strong>in</strong>em<br />

Bru<strong>der</strong> Leo, <strong>der</strong> 1922 <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>devertretung gewählt wurde - zwei Jahre vor <strong>se</strong><strong>in</strong>em Tod. <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong><br />

engagierte sich dagegen mehr <strong>in</strong> den berufsständischen Organisationen: 1895 for<strong>der</strong>te er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

öffentlichen Versammlung <strong>der</strong> Handelskammer e<strong>in</strong> schärferes Ge<strong>se</strong>tz gegen den unlauteren Wettbewerb.<br />

E<strong>in</strong>satz, <strong>der</strong> honoriert wurde: So wurde er 1913 zum Schriftführer des Rabattsparvere<strong>in</strong>s gewählt, <strong>und</strong> 1916<br />

war er 2. Vorsitzen<strong>der</strong> des e<strong>in</strong>flussreichen Vere<strong>in</strong>s <strong>se</strong>lbständiger Kaufleute.<br />

Durchaus aggressiv<br />

beobachtete <strong>der</strong><br />

Rabattsparvere<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Verkaufsmethoden<br />

<strong>der</strong> <strong>jüdische</strong>n<br />

Warenhäu<strong>se</strong>r, hier<br />

<strong>der</strong> Firma<br />

L<strong>in</strong>demann Nachf.,<br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 78-80<br />

(heute Drogerie<br />

Müller). Auch <strong>Julius</strong><br />

<strong>Marx</strong> war dabei.<br />

Zu <strong>die</strong><strong>se</strong>r Zeit war er als Kaufmann längst etabliert. <strong>Das</strong> Scheitern <strong>se</strong><strong>in</strong>es Bru<strong>der</strong>s Leo hatte ihm im Jahr 1900<br />

<strong>die</strong> Chance eröffnet, <strong>in</strong> das „väterliche“ Geschäftshaus am Rotteckplatz 7 umzuziehen. Dort hatte ja von 1893<br />

bis 1900 <strong>se</strong><strong>in</strong> Vater Daniel <strong>Marx</strong> zwei Textilgeschäfte betrieben. Nun also war <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Sohn an <strong>der</strong> Reihe.<br />

Daniel <strong>Marx</strong> verließ das Haus auch als Bewohner <strong>und</strong> mietete sich zuerst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Scheffelstraße 4 <strong>und</strong> dann bis<br />

zu <strong>se</strong><strong>in</strong>em Tod 1913 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erw<strong>in</strong>straße 6 e<strong>in</strong>.<br />

Es war <strong>der</strong> 10. August 1900, als <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong><br />

am Rotteckplatz 7 <strong>se</strong><strong>in</strong> Geschäft für<br />

„Klei<strong>der</strong>stoffe, Buxk<strong>in</strong>, Weisswaaren, bunte<br />

Waaren, Teppiche, Gard<strong>in</strong>en, Ausstattungen,<br />

Betten <strong>und</strong> Bettstellen“ eröffnete, <strong>die</strong>s <strong>in</strong><br />

„großer Auswahl“ <strong>und</strong> zu „<strong>se</strong>hr billigen<br />

Prei<strong>se</strong>n“. <strong>Das</strong> <strong>Kaufhaus</strong> lief gut, sicher auch,<br />

weil es spätestens 1904 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schmucken<br />

Gebäude im französischen Stil untergebracht<br />

war, also mit stattlicher Fassade aus Ei<strong>se</strong>n<br />

<strong>und</strong> Glas <strong>und</strong> mit Schaufenstern bis zum First.<br />

Die Anzeige zeigt <strong>die</strong> erste, lei<strong>der</strong> schlechte<br />

Abbildung des Kaufhau<strong>se</strong>s, erschienen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Anzeige <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ am<br />

15. Mai 1904. In <strong>der</strong> Anzeige vom 8. April<br />

1906 ist e<strong>in</strong>e typische Verkaufsszene jener<br />

Zeit zu <strong>se</strong>hen, wobei <strong>der</strong> abgebildete Verkäufer wohl nicht <strong>der</strong> Pr<strong>in</strong>zipal <strong>se</strong>lber war.<br />

Aus <strong>der</strong> Anzeige geht hervor, dass <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> nun auch L<strong>in</strong>oleum verkaufte <strong>und</strong><br />

sich dem Trend <strong>der</strong> Zeit angeschlos<strong>se</strong>n hat, Rabattmarken auszugeben. Immerh<strong>in</strong><br />

war er ja im Vorstand des Rabattsparvere<strong>in</strong>s, dem sich <strong>in</strong> jenen Jahren viele (auch<br />

<strong>jüdische</strong>) Geschäfte anschlos<strong>se</strong>n, um den Warenhäu<strong>se</strong>rn mit ihren großen Vorteilen<br />

beim E<strong>in</strong>kauf, da oft ohne Zwischenhandel, Paroli zu bieten.<br />

Er bot <strong>se</strong><strong>in</strong>en K<strong>und</strong>en bereits 1910 E<strong>in</strong>heitsprei<strong>se</strong><br />

Dem Werbe-Stil jener Zeit entsprechend pries <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Waren <strong>in</strong> den Zeitungsanzeigen wortreich<br />

an. Bereits im April 1902 bezeichnete er <strong>se</strong><strong>in</strong> Geschäft als „<strong>Kaufhaus</strong> ersten Rangs“. Was er <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em


Spezialgeschäft zu bieten hatte, war „außergewöhnlich“, „hervorragend“, „zu allerbilligsten Prei<strong>se</strong>n“ <strong>und</strong><br />

„aufs reichhaltigste neu sortiert“. Im September 1904 schrieb er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Antzeige: „ Me<strong>in</strong>e Waren s<strong>in</strong>d mit<br />

beson<strong>der</strong>er Sorgfalt <strong>und</strong> fachgemäss ausgesucht, <strong>die</strong> Prei<strong>se</strong> durchweg <strong>der</strong>artig scharf kalkuliert, dass sie von<br />

ke<strong>in</strong>er Seite, <strong>se</strong>lbst nicht durch sogenannte billige Tage, unterboten werden können.“ Er beteiligte sich <strong>se</strong>it<br />

1909 an den vom Warenhaus Hermann Tietz <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geführten „Weis<strong>se</strong>n Wochen“ <strong>und</strong> bot <strong>se</strong><strong>in</strong>en<br />

K<strong>und</strong>en bereits 1910, also schon lange vor dem Aufkommen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heitspreis-Geschäfte <strong>in</strong> den späten 20er<br />

Jahren, Serien- o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>heitsprei<strong>se</strong> an: Schnäppchen für e<strong>in</strong>e Mark, zwei Mark, drei Mark.<br />

Ob <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> 1914 mit fast 50 Jahren noch <strong>in</strong> den Krieg ziehen musste, ist<br />

eher unwahrsche<strong>in</strong>lich. So war er wohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt <strong>und</strong> vielleicht sogar <strong>in</strong><br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>em Laden, als am Sonntag, 13. Dezember 1914 <strong>die</strong> Stadt <strong>Freiburg</strong> vom<br />

ersten Luftangriff ihrer <strong>Geschichte</strong> heimgesucht wurde. Wie man <strong>in</strong> dem<br />

Bericht <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ vom Tag darauf le<strong>se</strong>n kann, kam <strong>se</strong><strong>in</strong><br />

Geschäftshaus noch glimpflich davon: <strong>die</strong> Detonation beschädigte lediglich<br />

e<strong>in</strong>ige Fensterscheiben. <strong>Das</strong> hielt <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> nicht davon ab, weiter <strong>die</strong><br />

nationale Sache zu unterstützen. So tauchte er im November 1916 mit 10<br />

Reichsmark <strong>in</strong> <strong>der</strong> Spen<strong>der</strong>liste für den deutschen Flottentag auf. Im Juni<br />

1917 beteiligte er sich mit 5 RM an <strong>der</strong> U-Boot-Spende <strong>und</strong> im November<br />

1917 unterstützte er das Rote Kreuz mit 20 RM.<br />

<strong>Das</strong> Geschäft von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> überstand<br />

den Ersten Weltkrieg <strong>und</strong> auch <strong>die</strong> Wirren<br />

<strong>der</strong> Revolution wohl ohne größere<br />

Verluste. Die Anzeige vom 24. Oktober<br />

1920 aus <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“<br />

dokumentiert sogar e<strong>in</strong>e neue Zuversicht:<br />

nun offerierte <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> nicht nur<br />

Bettstellen, son<strong>der</strong>n ganze Schlafzimmer<br />

<strong>und</strong> auch komplette Küchen. Laut Handelsregister holte sich <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> im<br />

April 1921 Verstärkung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geschäftsführung: <strong>se</strong><strong>in</strong> Sohn Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> Ernst Rothschild traten <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Firma als persönlich haftende Ge<strong>se</strong>llschafter e<strong>in</strong>.<br />

Schwiegersohn Ernst Rothschild war vom Fach<br />

Angriffs den Soldatentod starb.<br />

Zum<strong>in</strong>dest <strong>der</strong> frischgebackene Schwiegersohn Ernst Rothschild war<br />

vom Fach: Er war am 12. November 1895 <strong>in</strong> Michelstadt im Odenwald<br />

geboren, hatte nach dem E<strong>in</strong>jährigen <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>er Heimatstadt beim<br />

renommierten <strong>jüdische</strong>n Textilhaus Geschwister Alsberg <strong>in</strong> Duisburg<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>e zweijährige Ausbildung als Textilkaufmann gemacht. Vor <strong>se</strong><strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>berufung als Soldat war er Assistent des Chefs des <strong>jüdische</strong>n<br />

Warenhau<strong>se</strong>s Gebr. Rothschild <strong>in</strong> Heidelberg. In <strong>se</strong><strong>in</strong>em Lebenslauf<br />

von 1956 schreibt Ernst Rothschild: „Im Mai 1915 wurde ich<br />

e<strong>in</strong>gezogen. Im August 1915 kam ich von Karlsruhe aus zum aktiven<br />

Regiment 109 <strong>in</strong>s Feld. Bei e<strong>in</strong>em Sturmangriff vor Verdun wurde ich<br />

am 17. August 1917 durch zwei Granatsplitter im Rücken schwer<br />

verw<strong>und</strong>et. Im April 1918 wurde ich nach me<strong>in</strong>er Genesung mit e<strong>in</strong>em<br />

Feldartillerieregiment <strong>in</strong>s Feld beor<strong>der</strong>t.“ Beim Rückzug traf ihn am 25.<br />

Oktober 1918, also kurz vor dem Waffenstillstand, e<strong>in</strong> Geschoss am<br />

Kopf. <strong>Das</strong> Foto zeigt ihn sitzend beim ersten Heimaturlaub mit <strong>se</strong><strong>in</strong>em<br />

Zwill<strong>in</strong>gsbru<strong>der</strong> Max, <strong>der</strong> später an den Folgen e<strong>in</strong>es Gasgranaten-


Im Jahr 1919 kam Ernst Rothschild nach <strong>Freiburg</strong>, wo er als Geschäftsführer im <strong>jüdische</strong>n „<strong>Kaufhaus</strong> Mo<strong>der</strong>n“<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 78-80 (heute Drogerie Müller) arbeitete - das Warenhaus war im Oktober 1914 eröffnet<br />

worden, <strong>die</strong> Anzeige stammt vom 15. Januar 1921.<br />

Hier lernte er Lotte <strong>Marx</strong>, <strong>die</strong> Tochter von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>,<br />

kennen. Sie heirateten am 4. Mai 1921. Gertrude Lui<strong>se</strong><br />

<strong>Marx</strong>, <strong>die</strong> alle nur Lotte nannte, war ausgebildete<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner<strong>in</strong>. Zuvor hatte sie <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> <strong>die</strong> Höhere<br />

Mädchenschule besucht <strong>und</strong>, um <strong>die</strong> französische<br />

Sprache zu lernen, e<strong>in</strong> halbes Jahr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pensionat<br />

<strong>in</strong> Corteillod bei Neuchatel zugebracht. Als 1914 <strong>der</strong><br />

Krieg begann <strong>und</strong> ihr Bru<strong>der</strong> Erw<strong>in</strong> wie <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en<br />

männlichen Beschäftigten im <strong>Kaufhaus</strong> des Vaters<br />

e<strong>in</strong>gezogen wurden, musste sie im Laden aushelfen. <strong>Das</strong> blieb so, <strong>und</strong> so arbeitete sie auch nach dem Krieg<br />

als E<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Verkäufer<strong>in</strong> im Geschäft des Vaters <strong>und</strong> dann des Ehemanns weiter – meist gegen ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> nur<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Vergütung.<br />

Ernst Rothschild trat im September 1920, also schon Monate vor <strong>der</strong> Hochzeit mit Lotte <strong>Marx</strong>, als<br />

Ge<strong>se</strong>llschafter <strong>in</strong> das von ihrem Vater betriebene Geschäft, <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, e<strong>in</strong> – <strong>die</strong>s, so Rothschild,<br />

„mit e<strong>in</strong>er Kapitale<strong>in</strong>zahlung von 50.000 Mark. Die<strong>se</strong> Firma war von me<strong>in</strong>em Schwiegervater schon 1887<br />

gegründet worden, sie zählte zu den ersten Aussteuerfirmen <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> i.Br.“<br />

Sohn Erw<strong>in</strong> machte sich nach e<strong>in</strong>em Jahr <strong>se</strong>lbständig<br />

Die offiziell am 1. Januar 1921 gegründete Offene Handelsge<strong>se</strong>llschaft (OHG) verließ Sohn Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> bereits<br />

wie<strong>der</strong> am 17. Januar 1922. Er eröffnete e<strong>in</strong> eigenes En Gros-Textilgeschäft (Import <strong>und</strong> Export von<br />

Textilwaren, Baumwollwaren-Ausrüstung <strong>und</strong> rohe Baumwollgewebe). <strong>Das</strong>s <strong>se</strong><strong>in</strong> Geschäft anfangs ebenfalls<br />

<strong>die</strong> Adres<strong>se</strong> Rotteckplatz 7 hatte, lässt vermuten, dass es nicht zum Zerwürfnis zwischen Vater <strong>und</strong> Sohn<br />

kam. Laut Handelsregister vom 15. Januar 1939 betrieb Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong> Geschäft, Textilgroßhandlung <strong>und</strong><br />

Vertretungen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Adolf-Hitler-Straße 170 (ehemals Lippmann-Gebäude), bis Juden <strong>die</strong> Führung von<br />

Geschäften überhaupt untersagt war: „Erloschen am 2.1.1939“, so <strong>der</strong> letzte Vermerk. Ihm gelang 1939 noch<br />

<strong>die</strong> Flucht. Wie <strong>se</strong><strong>in</strong> Leben weiter verlief, dazu später.<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> dachte nicht nur an das Geschäft. 1922<br />

spendete er auch Geld, so für <strong>die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>speisung, <strong>und</strong> er<br />

schenkte Stoff für ungenügend gekleidete Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Auch <strong>die</strong> Inflation des Jahres 1923 (hier e<strong>in</strong>e Anzeige vom<br />

23. März 1923, als e<strong>in</strong> Meter Stoff schon 6.000 RM <strong>und</strong><br />

mehr kostete) überstand <strong>die</strong> Firma. Am 24. Juni 1924<br />

nahm sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Annonce sogar <strong>die</strong> Geschäftspraktiken<br />

an<strong>der</strong>er Firmen vor Ort aufs Korn: „Bei me<strong>in</strong>em<br />

Geschäftspr<strong>in</strong>zip: stets nur Qualitätswaren zu äußerst<br />

scharf kalkulierten Prei<strong>se</strong>n ohne jede zeitliche<br />

Begrenzung zu verkaufen, s<strong>in</strong>d Son<strong>der</strong>-Rabatte <strong>und</strong><br />

Son<strong>der</strong>-Verkaufstage überflüssig.“ Was <strong>se</strong><strong>in</strong>e Nachfolger<br />

später nicht von solchen Aktionen abhalten sollte …<br />

Am 3. April 1925 heirateten <strong>Julius</strong> Ehrmann <strong>und</strong> Beate <strong>Marx</strong>, <strong>die</strong> zweite Tochter von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>. Wenige<br />

Wochen später, am 29. Mai 1925, trat Ehrmann als persönlich haften<strong>der</strong> Ge<strong>se</strong>llschafter <strong>in</strong> <strong>die</strong> Firma <strong>se</strong><strong>in</strong>es<br />

Schwiegervaters e<strong>in</strong>. Die<strong>se</strong>r war da schon länger schwer krank.<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> starb 1925 <strong>und</strong> wurde ke<strong>in</strong>e 60 Jahre alt<br />

Am 27. Juni 1925 starb <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> „nach langem, schweren, mit großer Geduld ertragenem Leiden“, wie es<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Todesanzeige <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> heißt. Der am 18. August 1865 geborene Kaufmann hatte e<strong>in</strong> Nierenleiden<br />

<strong>und</strong> wurde nicht e<strong>in</strong>mal 60 Jahre alt. Er wurde auf dem <strong>jüdische</strong>n Friedhof an <strong>der</strong> Elsäs<strong>se</strong>r Straße <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong><br />

beerdigt, wo noch heute <strong>se</strong><strong>in</strong> Grabste<strong>in</strong> zu f<strong>in</strong>den ist. Die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter <strong>der</strong> Firma <strong>Julius</strong>


<strong>Marx</strong> sche<strong>in</strong>en ihren Seniorchef <strong>se</strong>hr geschätzt zu haben. „Er war uns e<strong>in</strong> lieber Chef“ – so e<strong>in</strong>en Satz f<strong>in</strong>det<br />

man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Todesanzeige e<strong>in</strong>er Belegschaft für ihren Chef <strong>und</strong> Unternehmer <strong>se</strong>lten.<br />

Er wurde nicht<br />

e<strong>in</strong>mal 60 Jahre<br />

alt: Am 27. Juni<br />

1925 starb <strong>Julius</strong><br />

<strong>Marx</strong>. Zwei Jahre<br />

später hätte er<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong> 40jähriges<br />

Betriebsjubiläum<br />

feiern können.<br />

Nach dem Tod des Pr<strong>in</strong>zipals führten <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau Anna geb. Schönthal <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schwiegersöhne Ernst<br />

Rothschild <strong>und</strong> <strong>Julius</strong> Ehrmann das Unternehmen weiter. Die Witwe hatte schon <strong>se</strong>it Jahren Prokura, doch<br />

darf man annehmen, dass <strong>die</strong> Schwiegersöhne angesichts <strong>der</strong> langwierigen Krankheit von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> bereits<br />

länger <strong>die</strong> Geschicke <strong>der</strong> Firma bestimmten - <strong>und</strong> sicher auch darauf gedrängt haben, das <strong>in</strong> <strong>die</strong> Jahre<br />

gekommene Geschäftshaus zu renovieren <strong>und</strong> zu erweitern. Immerh<strong>in</strong> hatte noch <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> von 1919 an<br />

<strong>die</strong> Nachbargr<strong>und</strong>stücke <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gauchstraße nach <strong>und</strong> nach aufgekauft - 1923 schließlich mit <strong>der</strong> Gauchstraße<br />

41 das letzte Verb<strong>in</strong>dungsstück zum Stammhaus. Ob <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>die</strong> darauf folgenden baulichen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen noch mitbekommen o<strong>der</strong> gar mitbestimmt hat, weiß man nicht.<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> hat <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>stücke für <strong>die</strong><br />

Erweiterung <strong>se</strong><strong>in</strong>es Kaufhau<strong>se</strong>s <strong>se</strong>it 1919 Stück<br />

für Stück dazu gekauft – <strong>die</strong> Eröffnung des<br />

Erweiterungsbaus h<strong>in</strong>ter dem Altbau im August<br />

1925 konnte er wegen <strong>se</strong><strong>in</strong>es frühen Todes nicht<br />

mehr miterleben. In den Anzeigen wie <strong>die</strong><strong>se</strong>r <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ vom 11.9.1925 lebte er<br />

irgendwie weiter.<br />

Am 7. August 1925, e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Monate nach <strong>se</strong><strong>in</strong>em Tod, prä<strong>se</strong>ntierte <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> stolz ihr<br />

renoviertes <strong>und</strong> nach h<strong>in</strong>ten <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gauchstraße erweitertes Geschäftshaus. 270 Quadratmeter<br />

Verkaufsfläche wurde durch <strong>die</strong><strong>se</strong>n Umbau h<strong>in</strong>zugewonnen. Architektonisch blieb es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Front zum<br />

Rotteckplatz dem französischen Vorbild des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts verb<strong>und</strong>en: schmale Säulen umfas<strong>se</strong>n große<br />

Schaufenster bis unters Dach, das mit Ziergiebeln gekrönt war. Der Anbau dagegen war we<strong>se</strong>ntlich schlichter<br />

<strong>und</strong> kle<strong>in</strong>teiliger, eben im sachlichen Stil <strong>der</strong> 20er Jahre.


Obwohl <strong>die</strong> Werbung weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> Ich-Form prä<strong>se</strong>ntiert wurde, was bei den Detailgeschäften <strong>se</strong>it<br />

Jahrzehnten so üblich war, merkte man doch e<strong>in</strong>en frischen W<strong>in</strong>d. Die Devi<strong>se</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Eröffnungsanzeige nach<br />

dem Umbau war <strong>die</strong> aller (meist <strong>jüdische</strong>n) Warenhäu<strong>se</strong>r <strong>und</strong> Kaufhäu<strong>se</strong>r jener Zeit: „Großer Umsatz, kle<strong>in</strong>er<br />

Nutzen“.<br />

Seit 1926 „das führende <strong>Kaufhaus</strong>“ von <strong>Freiburg</strong><br />

E<strong>in</strong>e Anzeige vom 11. September 1925 passt <strong>in</strong> <strong>die</strong> etwas aggressivere Reklame-Sprache jener Tage, wie sie<br />

auch an<strong>der</strong>e (<strong>und</strong> nicht nur <strong>jüdische</strong>) Geschäfte pflegten: „Unbeirrt verfolge ich me<strong>in</strong>en Weg! Seit 40 Jahren<br />

stets bewährte Qualitäten.“ Die Nachfolger von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> nahmen es damals mit dem Gründungsjahr <strong>der</strong><br />

Firma wohl nicht so genau. Denn das Jahr 1885, wie es <strong>die</strong><strong>se</strong> Anzeige errechnen lässt, war es jedenfalls nicht.<br />

Laut Handelsregister hatte <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Firma am 26. September 1889 e<strong>in</strong>tragen las<strong>se</strong>n.<br />

1927 konnte <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> ihr 40jähriges<br />

Bestehen feiern – das 50jährige Jubiläum im Jahr 1937<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten <strong>die</strong> Nazis. Seit Ernst Rothschild im Jahr<br />

1925 <strong>die</strong> Leitung <strong>der</strong> Firma übernommen hatte, wurde das<br />

Geschäft an den hohen <strong>jüdische</strong>n Feiertragen im Herbst<br />

geschlos<strong>se</strong>n.<br />

Ernst Rothschild sprach <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em Rückblick von 1887. Und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat f<strong>in</strong>det sich am 1. November 1927 <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

„<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ e<strong>in</strong>e Anzeige, <strong>die</strong> das 40jährige Bestehen <strong>der</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> verkündet – natürlich<br />

mit den entsprechenden speziellen Angeboten. E<strong>in</strong> „Jubiläumsverkauf größten Stils“ erwartete <strong>die</strong> K<strong>und</strong>en<br />

im „führenden <strong>Kaufhaus</strong>“ <strong>der</strong> Stadt.<br />

Seit August 1926 bezeichnete sich <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> als „führendes <strong>Kaufhaus</strong>“ <strong>der</strong> Stadt, e<strong>in</strong>e kecke<br />

Behauptung, <strong>die</strong> den weit größeren Häu<strong>se</strong>rn wie den Warenhäu<strong>se</strong>rn Knopf <strong>und</strong> „<strong>Kaufhaus</strong> Mo<strong>der</strong>n“ sicher<br />

nicht gefallen hat. Dabei durfte sich <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> durch den Text <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“<br />

bestätigt fühlen, <strong>der</strong> zeitgleich mit ihrer Jubiläums-Anzeige am 1. November 1927 erschienen ist. Aber nicht<br />

unter <strong>der</strong> Rubrik „Geschäftsmitteilungen“, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich <strong>die</strong> Unternehmen oft <strong>se</strong>lbst prei<strong>se</strong>n konnten, son<strong>der</strong>n<br />

als Text <strong>der</strong> Redaktion. Die<strong>se</strong> lobte Ernst Rothschild <strong>und</strong> <strong>Julius</strong> Ehrmann, <strong>die</strong> es verstanden hätten, „das<br />

Geschäft <strong>der</strong>art auszubauen, daß es zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> größten Unternehmen nicht nur am Platze, son<strong>der</strong>n als<br />

solches weit über <strong>die</strong> Grenzen des Badner Landes bekannt ist <strong>und</strong> sich großen An<strong>se</strong>hens <strong>und</strong><br />

une<strong>in</strong>geschränkter Achtung erfreut.“<br />

Neu war nach dem Tod von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> im Juni 1925 auch <strong>die</strong> Anzeige vom 17. September 1925, <strong>die</strong> darauf<br />

h<strong>in</strong>wies, dass das Geschäft an dem hohen <strong>jüdische</strong>n Feiertag geschlos<strong>se</strong>n ist. <strong>Marx</strong> <strong>se</strong>lbst hatte <strong>die</strong><strong>se</strong>n<br />

H<strong>in</strong>weis bislang unterlas<strong>se</strong>n – im Gegensatz etwa zum Warenhaus Sally Knopf, dem Abzahlungsgeschäft Ruf<br />

& Co. o<strong>der</strong> dem Möbelhaus Elias Pist<strong>in</strong>er. Man darf annehmen, dass Ernst Rothschild <strong>die</strong><strong>se</strong> Neuerung<br />

e<strong>in</strong>geführt hat. Immerh<strong>in</strong> hat ihm <strong>der</strong> Synagogenrat im Juni 1937 aus Anlass <strong>se</strong><strong>in</strong>er Auswan<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>


Buchgeschenk gemacht „zur Er<strong>in</strong>nerung an Ihre heimatliche Religionsgeme<strong>in</strong>schaft, <strong>der</strong> Sie viele Jahre als<br />

eifriges Mitglied angehört haben“.<br />

Unter <strong>der</strong> Leitung<br />

von Ernst<br />

Rothschild <strong>und</strong><br />

<strong>Julius</strong> Ehrmann<br />

beauftragte auch<br />

das <strong>Kaufhaus</strong><br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> diver<strong>se</strong><br />

Werbeagenturen<br />

mit <strong>der</strong> Gestaltung<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>er Anzeigen –<br />

<strong>in</strong>clusive <strong>der</strong> Suche<br />

nach e<strong>in</strong>em<br />

Firmenlogo.<br />

<strong>Das</strong> Jahr 1932 bracht schon fast das Ende <strong>der</strong> Firma<br />

Umbau <strong>und</strong> Erweiterung waren wohl e<strong>in</strong> längeres Unternehmen, denn auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anzeige vom 8. April 1926<br />

g<strong>in</strong>g es noch um das „neue Haus“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e „Neueröffnung“. Ernst Rothschild <strong>und</strong> <strong>Julius</strong> Ehrmann ließen nun<br />

ihre Anzeigen nicht mehr von den Metteuren <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ zusammen<strong>se</strong>tzen, son<strong>der</strong>n<br />

verpflichteten dazu – wie fast alle großen <strong>Freiburg</strong>er Geschäfte – Werbeagenturen, <strong>die</strong> ihren Annoncen mehr<br />

Pepp <strong>und</strong> Design verliehen. So etwa am 17. März 1927, als <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> ihrer K<strong>und</strong>schaft<br />

verkündete, dass sie nun auch <strong>die</strong> mo<strong>der</strong>nen Damen-Strümpfe im Angebot hat. Später folgten <strong>die</strong> neuen<br />

Abteilungen für Waschstoffe, Handschuhe <strong>und</strong> Herren-Artikel. Die Zuversicht <strong>der</strong> beiden Geschäftsführer<br />

kannte ke<strong>in</strong>e Grenzen.<br />

Doch dann kamen als Vorzeichen <strong>der</strong> nahenden Weltwirtschafts-Kri<strong>se</strong> <strong>die</strong> ersten Warn-Signale wie <strong>die</strong><br />

Aufgabe <strong>der</strong> Seiden-Abteilung im November 1929, <strong>die</strong> dokumentierten, dass <strong>die</strong> wach<strong>se</strong>nde soziale Not <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> damit zunehmende Zurückhaltung <strong>der</strong> kaufenden K<strong>und</strong>schaft auch das „führende <strong>Kaufhaus</strong>“ <strong>der</strong> Stadt<br />

nicht verschonten. Doch es sollte für <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> noch schlimmer kommen.<br />

<strong>Das</strong> Jahr 1932 brachte schon fast das Ende für <strong>die</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>. Die Wirtschaftskri<strong>se</strong>, <strong>die</strong> <strong>se</strong>lbst <strong>die</strong><br />

großen Warenhaus-Konzerne wie Hermann Tietz <strong>und</strong> Karstadt <strong>in</strong>s Straucheln brachte, <strong>se</strong>tzte gerade den<br />

<strong>jüdische</strong>n Geschäften schwer zu. Die<strong>se</strong> hatten zu all <strong>der</strong> Not <strong>der</strong> Menschen, <strong>die</strong> zunehmend ke<strong>in</strong>e Arbeit <strong>und</strong>


damit auch kaum Geld zum E<strong>in</strong>kaufen hatten, unter <strong>der</strong> judenfe<strong>in</strong>dlichen Agitation <strong>der</strong> Nationalsozialisten zu<br />

leiden, <strong>die</strong> zum Boykott <strong>jüdische</strong>r Geschäfte aufriefen – <strong>und</strong> immer stärker wurden.<br />

Die f<strong>in</strong>anziellen Nöte des<br />

Kaufhau<strong>se</strong>s <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong><br />

wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> „<strong>Freiburg</strong>er<br />

Zeitung“ auch öffentlich.<br />

<strong>Das</strong> Ende <strong>der</strong> Firma wurde<br />

mit aller Kraft abgewendet,<br />

<strong>die</strong> Kri<strong>se</strong> jedoch blieb.<br />

Der Konkurs wurde abgewendet, dann g<strong>in</strong>g <strong>Julius</strong> Ehrmann<br />

Am 15. August 1932 wurde über das Vermögen <strong>der</strong> Firma <strong>Marx</strong> das Konkursverfahren eröffnet, das am 17.<br />

August 1932 <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Vergleichsverfahren mündete. Es gelang Ernst Rothschild <strong>und</strong> <strong>Julius</strong> Ehrmann, den<br />

Vergleich durchzustehen. Er wurde am 21. Oktober 1932 aufgehoben – auch weil sie es wohl schafften, ihre<br />

Waren zu stark verbilligten Prei<strong>se</strong>n unter <strong>die</strong> Leute zu br<strong>in</strong>gen. Doch es war wohl e<strong>in</strong> Pyrrhus-Sieg, denn es<br />

kamen mit <strong>der</strong> Machtübergabe an <strong>die</strong> NSDAP noch mehr Probleme auf das <strong>jüdische</strong> <strong>Kaufhaus</strong> zu – <strong>und</strong> auch<br />

neue Schulden.<br />

Damit wollte <strong>Julius</strong> Ehrmann, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Tochter Beate von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> verheiratet war, nichts mehr zu tun<br />

haben. Wenige Tage nach Aufhebung des Vergleichsverfahrens schied er aus dem Ge<strong>se</strong>llschafterkreis aus. Er<br />

machte e<strong>in</strong>e eigene Firma auf <strong>und</strong> nahm <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>er Wohnung Reichsgrafenstraße 6 <strong>die</strong> Schwiegermutter Anna<br />

<strong>Marx</strong> auf. Doch 1933 verließen er <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau Beate geb. <strong>Marx</strong> <strong>Freiburg</strong> - vermutlich Richtung Frankfurt.<br />

1937 gab es schon e<strong>in</strong>e<br />

„Musterkollektion“ von anti<strong>se</strong>mitischen<br />

Aufklebern <strong>und</strong> Plakaten, <strong>die</strong> auch <strong>in</strong><br />

<strong>Freiburg</strong> kursierten.<br />

Nun war Ernst Rothschild alle<strong>in</strong>iger Inhaber. Auch <strong>in</strong> den kritischen Jahren 1930 bis 1932 hatte er nach<br />

eigenen Angaben mit etwa 15.000 RM im Jahr e<strong>in</strong> stattliches E<strong>in</strong>kommen. „Mit dem Machtantritt <strong>der</strong><br />

Nationalsozialisten trat <strong>in</strong>folge Boykotts <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Verfolgungsmaßnahmen e<strong>in</strong> we<strong>se</strong>ntlicher Rückgang<br />

me<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kommens e<strong>in</strong>“, schrieb er <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em Lebenslauf Ende 1956. E<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> K<strong>und</strong>en bestand


damals aus Beamten, <strong>die</strong> sich „allmählich zurückzogen“, da sie beim E<strong>in</strong>kauf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>jüdische</strong>n Geschäft mit<br />

Repressionen zu rechnen hatten. So sank <strong>se</strong><strong>in</strong> E<strong>in</strong>kommen bis 1936 auf etwa 6.000 RM jährlich.<br />

In e<strong>in</strong>em Schreiben an das F<strong>in</strong>anzamt <strong>Freiburg</strong> hatte Ernst Rothschild nach <strong>der</strong> Betriebsprüfung vom 1.<br />

Oktober 1936 angemerkt, dass <strong>der</strong> Ruf <strong>der</strong> Firma durch das Vergleichsverfahren stark gelitten habe <strong>und</strong> es<br />

schwer gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong>i, <strong>die</strong> K<strong>und</strong>en zu halten. Der damals zur Entlastung <strong>und</strong> Steuervermeidung gedachte Satz<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong><strong>se</strong>m Schreiben – „Ruf <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enkreis s<strong>in</strong>d daher, wie <strong>die</strong> Erfahrung lehrt, so gut wie mit Null zu<br />

bewerten“ – erwies sich <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em Wie<strong>der</strong>gutmachungsverfahren <strong>in</strong> den 50er Jahren als fatal. „E<strong>in</strong> Schaden<br />

durch Firmenwertverlust läßt sich mith<strong>in</strong> nicht feststellen“, folgerte das Landesamt für Wie<strong>der</strong>gutmachung<br />

im Januar 1963 kühl daraus <strong>und</strong> wies den Antrag auf Erstattung des „Schadens an Vermögen“ zurück.<br />

Striebel <strong>se</strong>n.: <strong>Das</strong> Gr<strong>und</strong>stück wurde uns angeboten<br />

Was auch immer <strong>der</strong> hauptsächliche Beweggr<strong>und</strong> für Ernst Rothschild war, zuerst Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong> Gebäude<br />

<strong>und</strong> später auch das Geschäft zu verkaufen – geschäftliche Probleme o<strong>der</strong> <strong>die</strong> fortge<strong>se</strong>tzte <strong>und</strong> zunehmende<br />

Agitation <strong>der</strong> Nazis gegen Juden – am 16. April 1947 schrieb Franz Striebel <strong>se</strong>n. an <strong>die</strong> Verwaltungsstelle<br />

<strong>jüdische</strong>s Vermögen <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>: „<strong>Das</strong> Gr<strong>und</strong>stück wurde s. Zt. von Ernst Rothschild angeboten.“ Und er<br />

nannte auch den Gr<strong>und</strong> dafür, wie er es sah: „Nachdem <strong>die</strong> Firma schon längere Zeit überschuldet war, ist<br />

anzunehmen, dass <strong>der</strong> Verkauf <strong>der</strong> Anwe<strong>se</strong>n aus <strong>die</strong><strong>se</strong>m Gr<strong>und</strong> erfolgte.“<br />

Am 29. Juli 1935<br />

erschien <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

„<strong>Freiburg</strong>er<br />

Zeitung“ <strong>die</strong><br />

allerletzte Anzeige<br />

des Kaufhau<strong>se</strong>s<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>.<br />

Danach durfte <strong>die</strong><br />

Zeitung ke<strong>in</strong>e<br />

Werbung von Juden<br />

mehr abdrucken.<br />

<strong>Das</strong> Bild zeigt Ernst<br />

<strong>und</strong> Lotte<br />

Rothschild <strong>in</strong> ihrer<br />

<strong>Freiburg</strong>er<br />

Wohnung.<br />

Foto: Staatsarchiv<br />

<strong>Freiburg</strong><br />

We<strong>se</strong>ntlich schlichter als <strong>die</strong> früher von Agenturen gestaltete Annoncen fiel <strong>die</strong> letzte Anzeige des<br />

Kaufhau<strong>se</strong>s <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> aus, <strong>die</strong> nach <strong>der</strong> Machtübergabe an <strong>die</strong> NSDAP noch ersche<strong>in</strong>en durfte. Sie war am<br />

29. Juli 1935 zu le<strong>se</strong>n, e<strong>in</strong> paar Tage vor dem NSDAP-Parteitag <strong>in</strong> Nürnberg, bei dem Hermann Gör<strong>in</strong>g <strong>die</strong><br />

„Nürnberger Ge<strong>se</strong>tze“ verkündete. Damit wurde <strong>die</strong> rechtliche Gr<strong>und</strong>lage zur schonungslo<strong>se</strong>n Verfolgung <strong>der</strong><br />

Juden geschaffen <strong>und</strong> def<strong>in</strong>iert, wer Jude ist.<br />

Nun wagte es auch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>st liberale „<strong>Freiburg</strong>er Zeitung“ nicht mehr, Anzeige von <strong>jüdische</strong>n Geschäften zu<br />

veröffentlichen. Sie hatte sich schon <strong>se</strong>it Jahren deshalb heftiger Angriffe <strong>der</strong> NSDAP erwehren müs<strong>se</strong>n.<br />

Ohne Zeitungsanzeigen war nun auch das <strong>Kaufhaus</strong> <strong>Marx</strong> auf <strong>se</strong><strong>in</strong>e Schaufenster <strong>und</strong> Flüsterpropaganda<br />

angewie<strong>se</strong>n – <strong>und</strong> auf Hauswurf<strong>se</strong>ndungen, wenn dafür noch genügend Mittel da waren.<br />

Im Dezember 1936 wurden zuerst <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>stücke verkauft<br />

Fest steht jedenfalls, dass Ernst Rothschild am 9. Dezember 1936 <strong>die</strong> vier Gr<strong>und</strong>stücke, auf denen sich das<br />

<strong>Kaufhaus</strong> <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> befand, an Striebel verkaufte: :<br />

- Rotteckplatz 7 (im Besitz von Anna <strong>Marx</strong> geb. Schönthal, <strong>der</strong> Witwe von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, damals wohnhaft <strong>in</strong><br />

Frankfurt a.M.) mit 71 qm


- Gauchstraße 37 (im Besitz von Anna <strong>Marx</strong>) mit 86 qm<br />

- Gauchstraße 39 (im Besitz von Anna <strong>Marx</strong>) mit 1a 55 qm<br />

- Gauchstraße 41 (im Besitz <strong>der</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, früher OHG, nun E<strong>in</strong>zelfirme im Besitz von Ernst<br />

Rothschild) mit 1 a 17 qm.<br />

Beim Notar erschien Franz Striebel <strong>se</strong>n. für <strong>die</strong> beiden Käufer Franz Striebel jun. <strong>und</strong> Oskar Striebel mit<br />

Vollmacht <strong>se</strong><strong>in</strong>er Söhne. Der Kaufpreis für <strong>die</strong><br />

<strong>in</strong>sgesamt 530 qm großen<br />

Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gebäude betrug 90.000 RM,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

Dokument ist von 105.000 RM <strong>die</strong> Rede (bei<br />

e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>heitswert von<br />

damals 99.000 RM auf jeden Fall e<strong>in</strong><br />

Schnäppchen).<br />

Ausgezahlt an Ernst Rothschild wurden nach<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>en Angaben davon<br />

nur 24.185 RM – <strong>der</strong> Rest wurde mit <strong>der</strong><br />

Sicherungshypothek e<strong>in</strong>es<br />

Basler Privatmanns im Wert von 35 kg Gold<br />

verrechnet. Außerdem<br />

musste sich Ernst Rothschild im Kaufvertrag noch<br />

verpflichten, <strong>die</strong> auf den<br />

Gr<strong>und</strong>stücken lastende Gr<strong>und</strong>schuld zugunsten<br />

<strong>der</strong> Deutschen Bank <strong>und</strong><br />

Disconto-Ge<strong>se</strong>llschaft (Dedi-Bank) löschen zu<br />

las<strong>se</strong>n – <strong>und</strong> auch <strong>die</strong><br />

Außenstände musste er <strong>se</strong>lbst e<strong>in</strong>treiben. Über<br />

das Schicksal <strong>der</strong><br />

Beschäftigten (<strong>die</strong> <strong>jüdische</strong>n Angestellten<br />

wurden bei<br />

„<strong>Arisierung</strong>en“ regelmäßig sofort entlas<strong>se</strong>n)<br />

steht <strong>in</strong> dem Kaufvertrag<br />

ke<strong>in</strong> Wort. „Arische“ Angestellte hat Striebel wohl übernommen, wie aus dem Brief von Rothschild an<br />

Striebel <strong>se</strong>n. vom 17. Juli 1947 hervorgeht.<br />

Laut e<strong>in</strong>em Schreiben <strong>se</strong><strong>in</strong>es amerikanischen Anwalts vom 2. Dezember 1956 handelte es sich bei <strong>der</strong><br />

Übernahme <strong>der</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> durch Striebel „nicht um e<strong>in</strong>e regelrechte <strong>Arisierung</strong>“. Der arische<br />

Erwerber habe „naturgemäß ke<strong>in</strong> Interes<strong>se</strong> <strong>und</strong> nicht den Wunsch“ gehabt, „<strong>die</strong> <strong>jüdische</strong> Firma als solche<br />

fortzuführen. Es wurde vielmehr lediglich das Warenlager, das e<strong>in</strong>en regulären Wert von 45-50.000 RM<br />

hatte, für RM 20.000 abgegeben. Die E<strong>in</strong>richtung wurde ohne jegliche Vergütung überlas<strong>se</strong>n.“<br />

Aus <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> wurde nun e<strong>in</strong> „deutsches Geschäft“<br />

Der Anwalt weiter: „Der Betrag von ca. 45-50.000 RM (aus Verkauf von Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> dem Warenlager,<br />

<strong>der</strong> Autor) wurde von dem Erwerber bzw. den Erwerbern auf das Bankkonto <strong>der</strong> Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> bei <strong>der</strong><br />

Deutschen Bank <strong>und</strong> Disconto-Ge<strong>se</strong>llschaft bezahlt, am nächsten Tag aber sofort vom F<strong>in</strong>anzamt gesperrt.“<br />

Ernst Rothschild habe e<strong>in</strong>en Steuerbescheid über ca. 40.000 RM erhalten, womit <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

So verkündete <strong>die</strong><br />

„arische“ Firma<br />

Striebel am 26.<br />

Februar 1937 (l<strong>in</strong>ks)<br />

<strong>und</strong> 2. März 1937<br />

(rechts) <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

„<strong>Freiburg</strong>er<br />

Zeitung“<strong>die</strong><br />

Übernahme des<br />

<strong>jüdische</strong>n Kaufhau<strong>se</strong>s<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> – es war<br />

Anti<strong>se</strong>mitismus pur.<br />

sogenannte Veräußerungsgew<strong>in</strong>n erfasst werden sollte. <strong>Das</strong> konnte er nicht bezahlen. In e<strong>in</strong>er Konferenz mit<br />

dem zuständigen Oberregierungsrat (wohl dem berüchtigten <strong>Julius</strong> Stöck<strong>in</strong>ger) <strong>se</strong>i es gelungen, <strong>die</strong><br />

Steuerfor<strong>der</strong>ung auf den prozentualen M<strong>in</strong>destsatz zu reduzieren. Damit hatte Rothschild zwar alles vom<br />

Verkauf<strong>se</strong>rlös verloren, bekam dafür aber <strong>die</strong> lebenswichtige steuerliche Unbedenklichkeitsbesche<strong>in</strong>igung,<br />

ohne <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Auswan<strong>der</strong>ung nicht möglich gewe<strong>se</strong>n wäre. Mag <strong>die</strong> Übernahme von Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong><br />

Geschäft unter den gegebenen Umständen drängen<strong>der</strong> „<strong>Arisierung</strong>“ zwar weit unter dem wirklichen Wert,<br />

aber sonst reell abgelaufen <strong>se</strong><strong>in</strong> – bei <strong>der</strong> Anzeige zur Eröffnung des Bettenhau<strong>se</strong>s Striebel am 26. Februar


1937 <strong>se</strong>tzten <strong>die</strong> neuen Inhaber voll auf <strong>die</strong> anti<strong>se</strong>mitische Karte: „Die<strong>se</strong>s Haus am Rotteckplatz wird am<br />

Samstag, den 27. Februar 1937, vormittags 9 Uhr als deutsches Geschäft neu eröffnet“ – als ob dort bis dah<strong>in</strong><br />

Fremde aus dem Morgenland gehaust hätten.<br />

In <strong>der</strong> Anzeige vom 2. März legte <strong>die</strong> Firma Striebel noch nach: nun prä<strong>se</strong>ntierte man den <strong>Freiburg</strong>ern „das<br />

neue, gute E<strong>in</strong>kaufshaus mit <strong>der</strong> richtigen Ware <strong>und</strong> den richtigen Prei<strong>se</strong>n.“<br />

<strong>Das</strong>s <strong>in</strong> beiden Anzeigen noch unter dem neuen Firmenlogo „früher <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>“ h<strong>in</strong>zugefügt wurde, musste<br />

des<strong>se</strong>n Inhaber bei <strong>die</strong><strong>se</strong>r Wortwahl nicht als Anerkennung, son<strong>der</strong>n als Schmach verstehen. Am 1. Juni 1937<br />

vermeldete <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> FZ abgedruckten Än<strong>der</strong>ungen im Handelsregister den Vollzug <strong>der</strong> Übernahme mit dem<br />

Zusatz: „Der Übergang <strong>der</strong> im Betrieb des Geschäfts begründeten Verb<strong>in</strong>dlichkeiten <strong>und</strong> Außenstände ist bei<br />

dem Erwerb des<strong>se</strong>lben durch Franz Striebel ausgeschlos<strong>se</strong>n.“<br />

„Wir marschieren mit!“<br />

verkündete <strong>die</strong> Firma Striebel<br />

kurz nach Übernahme von<br />

<strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> per Banner mit<br />

Hakenkreuz. Am 1. Juni<br />

1937 wurde <strong>die</strong> Übernahme<br />

auch im Auszug des<br />

Handelsregisters angezeigt.<br />

Foto: Archiv Manfred Gallo<br />

Ernst <strong>und</strong> Lotte Rothschild flohen im Juni 1937 <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> USA<br />

Im Juni 1937 floh Ernst Rothschild <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau,<br />

<strong>die</strong> lange Jahre <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zasiusstraße 75, zuletzt aber<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schlierbergstraße 8 gewohnt hatten, mit<br />

dem Zug nach Le Havre <strong>und</strong> von dort mit dem<br />

1932 <strong>in</strong> Dienst gestellten, damals größten Luxus-<br />

Dampfer „SS Wash<strong>in</strong>gton“ nach New York. Dort<br />

kamen sie am 24. Juni 1937 an. Wenige Tage<br />

später <strong>se</strong>tzten <strong>die</strong> beiden ihre Rei<strong>se</strong> durch den<br />

Panama-Kanal nach Kalifornien fort, wo sie sich<br />

zuerst <strong>in</strong> San Francisco <strong>und</strong> später <strong>in</strong> Oakland<br />

nie<strong>der</strong>ließen. Warum gerade dort? Da <strong>in</strong> Oakland<br />

damals e<strong>in</strong>e ganze Anzahl von Menschen namens<br />

Rothschild wohnte, darf man annehmen, dass sich<br />

Verwandte von Ernst Rothschild darunter<br />

befanden.


Wie unbekümmert <strong>die</strong> Firma Striebel <strong>der</strong>weil mit <strong>der</strong> „<strong>Arisierung</strong>“ des <strong>jüdische</strong>n <strong>Kaufhaus</strong> <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong><br />

umg<strong>in</strong>g, zeigt <strong>die</strong> Anzeige vom 27. Februar 1938. „In drei Tagen feiert Striebel Geburtstag!“ Ke<strong>in</strong> Wort<br />

darüber, wie <strong>die</strong><strong>se</strong>r Geburtstag<br />

zustande kam – <strong>und</strong> auf wes<strong>se</strong>n<br />

Kosten. Nun waren <strong>in</strong> den<br />

Anzeigen auch ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>wei<strong>se</strong><br />

mehr auf den Vorgänger vonnöten, <strong>die</strong> Anzeige vom 8. März 1938 mutet an, als hätte es am Rotteckplatz 7<br />

nie e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Unternehmen gegeben als <strong>die</strong> Firma Striebel.<br />

<strong>Das</strong>s <strong>die</strong><strong>se</strong> sich gut mit den braunen Herren <strong>in</strong> Stadt <strong>und</strong> Reich arrangiert hat, zeigt das Banner mit<br />

Hakenkreuz <strong>und</strong> dem Spruch „Wir marschieren mit!“, das 1937 am mittleren Fenster des 1. Obergeschos<strong>se</strong>s<br />

des Geschäftshau<strong>se</strong>s aufgehängt war.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Kaufhaus</strong>gebäude von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> wurde 1944 zerstört<br />

<strong>Das</strong> Gebäude am Rotteckplatz wie <strong>die</strong> H<strong>in</strong>tergebäude <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gauchstraße wurden beim Luftangriff am 27.<br />

November 1944 nahezu zerstört. „Bei <strong>der</strong> planmäßigen Feststellung <strong>der</strong> Kriegsschäden an Gebäuden durch<br />

<strong>die</strong> Stadt wurde <strong>der</strong> Schaden am Haus mit 54 Prozent bewertet, was <strong>die</strong> Besitzer akzeptiert haben“,<br />

berichtete Manfred Gallo am 13. Juni 2016 <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Beitrag <strong>der</strong> Serie „Wie<strong>der</strong><strong>se</strong>hen!“ über das<br />

Gebäude Rotteckplatz 7 <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Badischen<br />

Zeitung“. Während sie das Haus wie<strong>der</strong> aufbauten,<br />

fand <strong>der</strong> Verkauf <strong>in</strong> <strong>der</strong> Niemensstraße 5 statt.<br />

„Der Nachkriegsbau wurde schlicht <strong>und</strong> zum<br />

Rotteckplatz mit e<strong>in</strong>em Flachdach errichtet, also<br />

ohne Mansardendach, Schaugiebel <strong>und</strong> Türmchen.<br />

Hier wurde <strong>die</strong> Firma Franz Striebel auch zur Firma<br />

Betten-Striebel.“ <strong>Das</strong> Foto zeigt den Nachfolgebau<br />

wohl <strong>in</strong> den 60er Jahren (Privat-Foto <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em BZ-<br />

Text zum 75jährigen Betriebsjubiläum von Betten<br />

Striebel im Jahr 2012). 1950 erschien <strong>der</strong> Name<br />

von Franz Striebel <strong>se</strong>n., damals auch Stadtrat, zum letzten Mal im Adressbuch. An <strong>se</strong><strong>in</strong>e Stelle trat nun<br />

endgültig Franz Striebel jun., für den <strong>der</strong> Vater das <strong>Kaufhaus</strong> letztlich erworben hat. Der Sohn zog nun auch<br />

zur Mutter Mathilde <strong>in</strong>s elterliche Haus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Goethestraße 57.<br />

<strong>Das</strong> Geschäft blühte mit den ersten<br />

Wirtschaftswun<strong>der</strong>-Jahren auf. Im Adressbuch 1954<br />

tauchen sogar zwei Filialen <strong>der</strong> Firma Striebel <strong>in</strong><br />

<strong>Freiburg</strong> auf: im Weidweg 7 <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elsäs<strong>se</strong>r Straße<br />

43b. Letztere hielt sich jedoch nur kurz, <strong>und</strong> auch <strong>die</strong><br />

Filiale Weidweg 7 wird Ende <strong>der</strong> 50er Jahre nicht mehr<br />

aufgeführt. Dagegen wird 1960 unter dem Namen<br />

Franz <strong>und</strong> Anna Striebel am Rotteckplatz 7 e<strong>in</strong> Textil-<br />

Großhandel erwähnt. Mathilde Striebel, <strong>die</strong> Witwe<br />

von Striebel <strong>se</strong>n., muss um <strong>die</strong><strong>se</strong> Zeit gestorben <strong>se</strong><strong>in</strong>. 1963 ist<br />

dann auch vom Großhandel nichts mehr zu le<strong>se</strong>n. Dafür liest<br />

man <strong>in</strong> den letzten 60er Jahren vom Textilkaufmann Gerhard<br />

Striebel, <strong>der</strong> ebenfalls <strong>in</strong> <strong>der</strong> Goethestraße57 wohnte. Als<br />

Hausbesitzer für den Rotteckplatz 7 s<strong>in</strong>d da weiterh<strong>in</strong> Franz<br />

<strong>und</strong> Oskar Striebel e<strong>in</strong>getragen.<br />

Die Adres<strong>se</strong> Rotteckplatz 7 gab es da schon nicht mehr, den<br />

Anfang <strong>der</strong> 60er Jahre wurde sie <strong>in</strong> Rotteckr<strong>in</strong>g 18<br />

umbenannt. Inzwischen gibt es den Nachkriegsbau schon lange nicht mehr. Die Firma Striebel zog 1992 <strong>in</strong><br />

den Neubau nach Unterl<strong>in</strong>den 4, wo man aktuell r<strong>und</strong> 1500 Quadratmeter Verkaufsfläche hat. Später wurde<br />

das bisherige Gebäude durch e<strong>in</strong>en Neubau er<strong>se</strong>tzt, heute e<strong>in</strong> Seitenflügel des Colombi-Hotels.


Am 24. Juni 1937 trafen Ernst<br />

<strong>und</strong> Lotte Rothschild auf <strong>der</strong> „SS<br />

Wash<strong>in</strong>gton“ <strong>in</strong> New York e<strong>in</strong>.<br />

Ihr Ziel war Kalifornien. In San<br />

Francisco füllte Ernst Rothschild<br />

<strong>die</strong> „Declaration of Intention“<br />

aus, aus <strong>der</strong> <strong>die</strong><strong>se</strong>s Foto stammt.<br />

Fotos: wikipedia, ancestry.com<br />

Ernst Rothschild <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e merkwürdigen Schreiben<br />

Doch zurück zur Firma <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> wie es mit ihr nach dem Ende des Nazi-Regimes weiterg<strong>in</strong>g. Am 17.<br />

Juli 1947 antwortete Ernst Rothschild aus Oakland <strong>in</strong> Kalifornien auf e<strong>in</strong>en Brief von Franz Striebel <strong>se</strong>n. vom<br />

3. Juni 1947 <strong>in</strong> ausgesprochen herzlicher Wei<strong>se</strong> – <strong>und</strong> mit fatalen Folgen (im Gegensatz zu Striebels Schreiben<br />

ist Rothschilds Brief als Abschrift <strong>in</strong> <strong>der</strong> im Staatsarchiv <strong>Freiburg</strong> erhaltenen Wie<strong>der</strong>gutmachungs-Akte von<br />

Rothschild zu f<strong>in</strong>den). „<strong>Das</strong> Ge<strong>se</strong>tz über eventuelle Rückerstattung von erworbenem Gr<strong>und</strong>besitz aus<br />

<strong>jüdische</strong>n Händen ist mir“, so behauptete Rothschild also im Juli 1947, „schon <strong>se</strong>it längerer Zeit bekannt. Ich<br />

werde jedoch von dem mir zustehenden Recht <strong>der</strong> Rückerwerbung ke<strong>in</strong>en Gebrauch machen, da ich auf dem<br />

Standpunkt stehe, daß <strong>die</strong> damalige Transaktion ordnungsgemäß durchgeführt wurde.“<br />

Wie Rothschild dazu kam, <strong>der</strong>artiges zu behaupten, bleibt <strong>se</strong><strong>in</strong> Geheimnis, denn das erste Ge<strong>se</strong>tz, das das<br />

Thema mögliche Rückerstattung behandelte, war das amerikanische Militärregierungsge<strong>se</strong>tz Nr. 59, das auch<br />

für Württemberg-Baden, also <strong>die</strong> französische Besatzungszone, galt – <strong>und</strong> es trat erst am 10. November 1947<br />

<strong>in</strong> Kraft.<br />

Rothschild wurde <strong>in</strong> dem Brief auch recht familiär: „Mit Bedauern haben me<strong>in</strong>e Frau <strong>und</strong> ich davon Kenntnis<br />

genommen, daß Sie Ihren jüngsten Sohn <strong>in</strong> <strong>die</strong><strong>se</strong>m ruchlo<strong>se</strong>n Krieg verloren haben <strong>und</strong> wünschen wir, daß<br />

Ihr an<strong>der</strong>er Sohn baldigst <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> aus <strong>der</strong> Gefangenschaft zurückkehren wird. Auch wir haben un<strong>se</strong>ren<br />

Tribut an <strong>die</strong><strong>se</strong> Verbrecher zahlen müs<strong>se</strong>n. Zwei me<strong>in</strong>er Brü<strong>der</strong> mit <strong>Familie</strong>n s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den berüchtigten<br />

Konzentrationslagern h<strong>in</strong>gemordet worden – e<strong>in</strong> Schicksal, daß sie mit Millionen un<strong>se</strong>rer Glaubensgenos<strong>se</strong>n<br />

haben teilen müs<strong>se</strong>n. All das füllt uns natürlich mit Bitternis, <strong>und</strong> man kann nicht umh<strong>in</strong>, das deutsche Volk<br />

als Ganzes an den Ereignis<strong>se</strong>n <strong>der</strong> letzten 15 Jahre mitverantwortlich zu machen. Es ist uns heute noch e<strong>in</strong><br />

Rät<strong>se</strong>l, wie es möglich war, daß e<strong>in</strong> <strong>in</strong>telligentes Volk wie das Deutsche Volk so tief s<strong>in</strong>ken konnte, um sich<br />

von e<strong>in</strong>er ausgesprochenen Verbrecherbande regieren <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Abgr<strong>und</strong> führen zu las<strong>se</strong>n.“<br />

„Wir besitzen <strong>in</strong> Oakland e<strong>in</strong> ganz mo<strong>der</strong>nes Textilgeschäft“<br />

Rothschild weiter: „Wir <strong>se</strong>lbst s<strong>in</strong>d un<strong>se</strong>rem Schöpfer dankbar, daß uns e<strong>in</strong> gütiges Geschickt hierher geführt<br />

hat, wo wir als gleichberechtigte <strong>und</strong> geachtete Bürger <strong>und</strong> Menschen wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> würdiges Da<strong>se</strong><strong>in</strong> führen<br />

können, das uns von <strong>der</strong> Deutschen Nation trotz un<strong>se</strong>rer angestammten Rechte versagt worden war.“<br />

Ernst Rothschild wollte mit <strong>se</strong><strong>in</strong>em Brief den Striebels wohl auch zeigen, dass <strong>die</strong> Nazis ihn nicht kle<strong>in</strong><br />

gekriegt haben. „Vielleicht <strong>in</strong>teressiert es Sie zu wis<strong>se</strong>n, daß wir hier erfolgreich waren <strong>und</strong> <strong>in</strong> un<strong>se</strong>rer alten


Branche e<strong>in</strong> ganz mo<strong>der</strong>nes Textilgeschäft besitzen, das weit über den Rahmen <strong>der</strong> nächsten Umgebung<br />

bekannt ist.“<br />

Und er zeigte sich generös: „Wir hoffen nur, daß auch Sie bald wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Ihr altes Lokal am Rotteckplatz<br />

e<strong>in</strong>ziehen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er bes<strong>se</strong>ren Zukunft entgegen<strong>se</strong>hen können. Ihr tiefreligiö<strong>se</strong>r Glaube <strong>und</strong><br />

Leben<strong>se</strong><strong>in</strong>stellung wird Ihnen <strong>und</strong> Ihrer <strong>Familie</strong>, wie es auch bei uns war, über <strong>die</strong><strong>se</strong> schweren Zeiten<br />

h<strong>in</strong>weghelfen.“<br />

Schicksalhaft für Ernst <strong>und</strong> Lotte<br />

Rothschild wurde <strong>die</strong><strong>se</strong>s Schreiben<br />

vom 17. Juli 1947 an das<br />

Landesamt für kontrollierte<br />

Vermögen, das sich um früheren<br />

<strong>jüdische</strong>n Besitz kümmerte. Ernst<br />

Rothschild teilte dar<strong>in</strong> mit, dass er<br />

von dem ihm „zustehenden Recht<br />

<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gutmachung ke<strong>in</strong>en<br />

Gebrauch machen werde“. 1949<br />

erklärte er, er <strong>se</strong>i von Franz<br />

Striebel <strong>se</strong>n. zu <strong>die</strong><strong>se</strong>m Schreiben<br />

gezwungen worden.<br />

Abbildung: Staatsarchiv <strong>Freiburg</strong><br />

„Striebel hat Notlage ausgiebig ausgenutzt“<br />

Gut zwei Jahre später sah Ernst Rothschild den Fall wohl ganz an<strong>der</strong>s. Mit Datum vom 25. November 1949<br />

erhob er bei <strong>der</strong> Restitutionskammer des Landgerichts <strong>Freiburg</strong> Klage auf Rückerstattung <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>stücke<br />

<strong>und</strong> Gebäude Rotteckplatz 7 <strong>und</strong> Gauchstraße 37-41 <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> Erstattung des Re<strong>in</strong>ertrags aus <strong>der</strong> Nutzung<br />

<strong>der</strong> Liegenschaften bis 1949. In <strong>se</strong><strong>in</strong>er Begründung heißt es, er habe bis zum Tag des Verkaufs <strong>in</strong> dem<br />

Geschäftshaus e<strong>in</strong> „<strong>se</strong>hr gut gehendes Manufakturwarengeschäft“ betrieben: „Der nazistische Boykott,<br />

welcher sämtliche <strong>jüdische</strong> Geschäfts<strong>in</strong>haber <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>se</strong>it dem Erlass <strong>der</strong> ‚Nürnberger Ge<strong>se</strong>tze‘<br />

bedrohte, war natürlich auch für das mit ei<strong>se</strong>rnem Fleiß <strong>und</strong> größter Umsicht betriebene Geschäft des<br />

Klägers nicht ohne nachteiligen Folgen geblieben. Dazu kamen <strong>die</strong> Gefahren, welchen <strong>die</strong> Geschäfts<strong>in</strong>haber<br />

persönlich durch den aufgehetzten Pöbel ausge<strong>se</strong>tzt waren, so dass <strong>der</strong> Kläger schweren Herzens sich dazu<br />

entschließen musste, das gutgehende Geschäft mit den Gr<strong>und</strong>stücken abzugeben.“<br />

Die<strong>se</strong> Behandlung <strong>se</strong>i umso „verwerflicher“, als er als Invalide, ausgezeichnet mit dem Ei<strong>se</strong>rnen Kreuz, <strong>der</strong><br />

Hessischen Tapferkeitsmedaille <strong>und</strong> dem Verw<strong>und</strong>etenabzeichen, aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt<br />

<strong>se</strong>i (<strong>die</strong><strong>se</strong> Auszeichnungen s<strong>in</strong>d im United States Holocaust Memorial Mu<strong>se</strong>um <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton zu <strong>se</strong>hen).<br />

Ernst Rothschild wurde im Ersten<br />

Weltkrieg mehrfach für <strong>se</strong><strong>in</strong>e<br />

Tapferkeit ausgezeichnet. Die<br />

Verlustliste vom 15. September 1917<br />

belegt <strong>se</strong><strong>in</strong>e schwere Verw<strong>und</strong>ung.<br />

Franz Striebel habe <strong>die</strong><strong>se</strong> Notlage des Klägers „ausgiebig ausgenutzt <strong>und</strong> <strong>die</strong> im Antrag bezeichneten<br />

Gr<strong>und</strong>stücke zum Preis für 105.000 RM an sich gebracht, welches kaum <strong>die</strong> Hälfte des wirklichen Wertes<br />

darstellte. Für den Firmenwert des gutgehenden Geschäfts hat <strong>der</strong> Kläger gar nichts erhalten. Ebenso wenig<br />

war er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, von dem Kaufpreis irgendetwas auf <strong>se</strong><strong>in</strong>er Flucht <strong>in</strong>s Ausland mitzunehmen.“ Wegen


Steuerschulden habe das F<strong>in</strong>anzamt <strong>Freiburg</strong> den ihm ausgezahlten Kaufpreis „<strong>in</strong> vollkommen<br />

unberechtigter Wei<strong>se</strong>“ beschlagnahmt.<br />

Franz Striebel <strong>se</strong>n. soll ihn zum Verzicht gedrängt haben<br />

Wohl mit gleicher Post gab Ernst Rothschild am 25. November 1949 e<strong>in</strong>e „Eidesstattliche Versicherung“ ab, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> er wörtlich feststellte: „Im Juli 1947 ersuchte mich <strong>der</strong> Käufer me<strong>in</strong>er Gr<strong>und</strong>stücke <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>, Herr Franz<br />

Striebel, daß ich verpflichtet <strong>se</strong>i bei Vermeidung von großen f<strong>in</strong>anziellen Nachteilen für mich, ihm schriftlich<br />

zu bestätigen, daß ich ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Rückübertragung me<strong>in</strong>er Gr<strong>und</strong>stücke geltend machen würde.“<br />

Rothschild behauptete weiter, dass ihm damals „von e<strong>in</strong>em Rückerstattungsge<strong>se</strong>tz, des<strong>se</strong>n Verkündung<br />

erwartet wurde, nichts bekannt“ gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong>i. Ebenso wenig habe er <strong>in</strong> den folgenden Jahren etwas davon<br />

gehört, „da me<strong>in</strong>e gesamten Kräfte dadurch <strong>in</strong> Anspruch genommen wurden, mir e<strong>in</strong>e neue Existenz<br />

aufzubauen“. So habe er „erst vor e<strong>in</strong>igen Wochen“ erfahren, „dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> französischen Zone e<strong>in</strong><br />

Restitutionsge<strong>se</strong>tz ergangen, dass aber <strong>die</strong> Frist für <strong>die</strong> Geltendmachung von Ansprüchen bereits abgelaufen<br />

<strong>se</strong>i“.<br />

<strong>Das</strong>s Ernst Rothschild <strong>die</strong><strong>se</strong> eigenartige Aussage über den angeblichen Druck von Franz Striebel <strong>se</strong>n. beeidet<br />

hat, verleiht ihr Gewicht – macht sie aber auch umso mysteriö<strong>se</strong>r. Was war da wirklich geschehen? <strong>Das</strong><br />

Schreiben von Franz Striebel <strong>se</strong>n. vom Juli 1947 ist <strong>in</strong> den Wie<strong>der</strong>gutmachungs-Akten im Staatsarchiv<br />

<strong>Freiburg</strong> lei<strong>der</strong> nicht vorhanden.<br />

<strong>Das</strong> Landgericht <strong>Freiburg</strong> nahm Ernst Rothschild <strong>die</strong><strong>se</strong> Erklärung nicht ab. <strong>Das</strong> Gericht verwies auf <strong>se</strong><strong>in</strong>en<br />

Brief an Franz Striebel <strong>se</strong>n. vom 17. Juli 1947. Am <strong>se</strong>lben Tag hatte Ernst Rothschild zudem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Schreiben an das Badische Landesamt für kontrollierte Vermögen erklärt: „Auf Ihr Schreiben vom 4. Juni teile<br />

ich Ihnen mit, dass ich von dem mir zustehenden Recht <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gutmachung ke<strong>in</strong>en Gebrauch mache.“<br />

Was hat Ernst Rothschild zu <strong>se</strong><strong>in</strong>em Verzicht bewogen?<br />

Was Ernst Rothschild 1947 bewogen hat, auf alle Ansprüche aus den zu erwartenden Entschädigungs- <strong>und</strong><br />

Rückerstattungs-Verfahren zu verzichten, auf <strong>die</strong><strong>se</strong> Frage geben <strong>die</strong> im Staatsarchiv <strong>Freiburg</strong> erhaltenen<br />

Dokumente ke<strong>in</strong>e Antwort. Möglicherwei<strong>se</strong> florierte das „department store“, also das Warenhaus, mit dem<br />

sich Ernst Rothschild <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau Lotte geb. <strong>Marx</strong> 1942 <strong>in</strong> Oakland <strong>se</strong>lbständig gemacht hatten, so gut,<br />

dass er glaubte, auf das müh<strong>se</strong>lige <strong>und</strong> oft auch entwürdigende Verfahren <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gutmachung verzichten<br />

zu können. Vielleicht wollte er <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> Striebel auch nur zeigen, dass er als erfolgreicher Geschäftsmann<br />

das alles nicht notwendig hat.<br />

1943 war Ernst Rothschilds<br />

E<strong>in</strong>bürgerung perfekt, In Oakland <strong>in</strong><br />

Kalifornien hatten er <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau<br />

sich 1942 mit e<strong>in</strong>em Textilgeschäft<br />

<strong>se</strong>lbständig gemacht. Unter welchem<br />

Firmennamen sie das taten, ist<br />

unbekannt. Recherchen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

„Oakland Tribune“(hier das<br />

Zeitungsgebäude) nach Anzeigen<br />

führten so zu ke<strong>in</strong>em Ergebnis.<br />

Abbildungen: wikipedia, ancestry.com


Was sich dann bis 1949 bei ihm verän<strong>der</strong>t hat, ist ebenfalls offen. Jedenfalls liefen <strong>die</strong> Geschäfte <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em<br />

neuen <strong>Kaufhaus</strong> wohl doch nicht so gut, wie er es 1947 gegenüber Franz Striebel <strong>se</strong>n. dargestellt hatte.<br />

Zum<strong>in</strong>dest geht das aus e<strong>in</strong>er Bemerkung vom 8. Mai 1950 gegenüber <strong>der</strong> Restitutionskammer des<br />

Landgerichts hervor. Dar<strong>in</strong> stellte er fest, dass es ihm <strong>se</strong><strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Lage nicht erlaube, <strong>in</strong> Deutschland<br />

e<strong>in</strong>en Anwalt zu beauftragen, <strong>der</strong> <strong>die</strong> notwendigen Nachforschungen für ihn anstellt. <strong>Das</strong> Gericht stellte ihm<br />

deshalb e<strong>in</strong>en öffentlichen Anwalt zur Verfügung. Im <strong>se</strong>lben Schreiben berichtete Rothschild, er habe<br />

versucht, sich „mit den Pflichtigen auf gütliche Wei<strong>se</strong> zu e<strong>in</strong>igen“, er habe aber auf <strong>se</strong><strong>in</strong>e Vorschläge von <strong>der</strong><br />

<strong>Familie</strong> Striebel ke<strong>in</strong>e Antwort erhalten.<br />

Vielleicht <strong>se</strong>tzten ihm auch <strong>die</strong> Folgen <strong>se</strong><strong>in</strong>er Kriegsverletzungen mit wach<strong>se</strong>ndem Alter (er war damals 54<br />

Jahre alt) mehr <strong>und</strong> mehr zu.<br />

Ernst Rothschild hat sich gleich doppelt verrechnet<br />

Festzuhalten ist, dass sich Ernst Rothschild<br />

mit <strong>se</strong><strong>in</strong>er Klage gleich doppelt verrechnet<br />

hatte: Er hatte sich mit <strong>se</strong><strong>in</strong>er offiziellen<br />

Verzicht<strong>se</strong>rklärung von 1947 <strong>se</strong>lbst <strong>die</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> Klage entzogen. Die<strong>se</strong> hatte<br />

er dann auch noch zu spät e<strong>in</strong>gereicht - <strong>die</strong><br />

Frist dafür war am 15. August 1949, also<br />

gerade mal gut vier Wochen vor E<strong>in</strong>reichung<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>er Klage, abgelaufen. Die Erklärung, <strong>die</strong> er<br />

dafür abgab, wi<strong>der</strong>sprach aber <strong>se</strong><strong>in</strong>er Aussage<br />

von 1947.<br />

Da half auch <strong>se</strong><strong>in</strong>e 1949 nachgereichte<br />

Erklärung nichts, dass er <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em Brief vom<br />

17. Juli 1947 an Franz Striebel <strong>se</strong>n. nicht das<br />

noch gar nicht erlas<strong>se</strong>ne<br />

Rückerstattungsge<strong>se</strong>tz geme<strong>in</strong>t habe, son<strong>der</strong>n<br />

„<strong>die</strong> Anordnung <strong>der</strong> Besatzungsbehörden,<br />

dass <strong>die</strong> Inhaber von Gegenständen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Zeit <strong>der</strong> Naziherrschaft <strong>jüdische</strong>n Personen<br />

gehört hatten, <strong>die</strong><strong>se</strong> anzumelden hätten“. <strong>Das</strong><br />

Ge<strong>se</strong>tz <strong>se</strong>lbst <strong>se</strong>i, entgegen <strong>der</strong> von Herrn<br />

Striebel vorgeschriebenen Erklärung, ihm<br />

nicht bekannt gewe<strong>se</strong>n.<br />

Es half alles nichts. Die Restitutionskammer des Landgerichts <strong>Freiburg</strong> wies <strong>se</strong><strong>in</strong>e Klage am 13. Juni 1950<br />

zurück – <strong>und</strong> Ernst Rothschild akzeptierte wohl <strong>die</strong><strong>se</strong> Entscheidung. Durch <strong>se</strong><strong>in</strong>e Fehler entg<strong>in</strong>g ihn <strong>und</strong><br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau mit ziemlicher Sicherheit e<strong>in</strong>e Nachzahlung <strong>in</strong> beträchtlicher Höhe, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Firma Striebel hätte<br />

bezahlen müs<strong>se</strong>n.<br />

Am 15. Februar 1951 wurde <strong>der</strong> Sperrvermerk nach Ge<strong>se</strong>tz Nr. 52 für <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>stücke aufgehoben <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Familie</strong> Striebel konnte nun wie<strong>der</strong> über <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>stücke frei verfügen (hier zu <strong>se</strong>hen <strong>der</strong> <strong>die</strong>sbezügliche<br />

Antrag von Franz Striebel vom 26. Februar 1951 aus <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gutmachungs-Akte von Ernst Rothschild).<br />

Landesamt bezahlte Rothschild den „Schaden im beruflichen Fortkommen“<br />

Ernst Rothschilds Zusicherung von 1947, auf jegliche Wie<strong>der</strong>gutmachung zu verzichten, galt aber auch<br />

danach nicht mehr. Am 25. Mai 1953 stellte er e<strong>in</strong>en Antrag auf Wie<strong>der</strong>gutmachung des „Schadens im<br />

beruflichen Fortkommen“ – schließlich hatte er als Chef <strong>und</strong> Inhaber e<strong>in</strong>es größeren Kaufhau<strong>se</strong>s e<strong>in</strong>e<br />

herausgehobene Stellung. <strong>Das</strong> Landesamt für Wie<strong>der</strong>gutmachung hielt sich – immerh<strong>in</strong> - nicht an <strong>se</strong><strong>in</strong>er<br />

alten Verzicht<strong>se</strong>rklärung auf, son<strong>der</strong>n gab <strong>se</strong><strong>in</strong>em Antrag statt. Es dauerte aber mehr als vier Jahre, bis er im<br />

Dezember 1957 für den „Schaden am beruflichen Fortkommen <strong>in</strong> <strong>se</strong>lbständiger Erwerbstätigkeit“ e<strong>in</strong>e<br />

Kapitalentschädigung von 12.000 DM erhielt.


Inzwischen waren er <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau Lotte, <strong>die</strong> – wie schon <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> – geme<strong>in</strong>sam mit ihm das<br />

Textilgeschäft <strong>in</strong> Oakland betrieben hatte, dort im August 1955 ausgeschieden. Nun lebten sie von<br />

Dividenden <strong>und</strong> Miete<strong>in</strong>nahmen, was ihnen aber weniger als <strong>die</strong> Hälfte ihres vorigen E<strong>in</strong>kommens<br />

e<strong>in</strong>brachte. Ernst Rothschild, <strong>der</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Rückenverletzungen aus dem Krieg immer mehr spürte <strong>und</strong> deshalb<br />

nicht mehr st<strong>und</strong>enlang im Laden stehen konnte, wollte nun – im aus <strong>se</strong><strong>in</strong>er Sicht erzwungenen Ruhestand -<br />

von <strong>se</strong><strong>in</strong>em Wahlrecht Gebrauch machen <strong>und</strong> statt <strong>der</strong> Kapitalentschädigung e<strong>in</strong>e Rente beziehen.<br />

In <strong>se</strong><strong>in</strong>em Bescheid vom 11. März 1958 agierte das Landesamt für Wie<strong>der</strong>gutmachung, <strong>in</strong> dem auch<br />

ehemalige NS-F<strong>in</strong>anzbeamte tätig waren, nun wie<strong>der</strong> gnadenlos: Es bestand darauf, dass Ernst Rothschild<br />

„<strong>se</strong><strong>in</strong>e Erwerbstätigkeit nicht aus ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen, son<strong>der</strong>n aus freiem Entschluss aufgegeben hat“.<br />

Hierfür spreche auch <strong>die</strong> Tatsache, „daß <strong>der</strong> Antragsteller, <strong>der</strong> jahrelang e<strong>in</strong> gutes E<strong>in</strong>kommen hatte, sich<br />

Vermögenswerte geschaffen hat, durch <strong>der</strong>en Nutzung er nunmehr e<strong>in</strong>e ausreichende Lebensgr<strong>und</strong>lage hat.<br />

Da <strong>der</strong> Antragsteller das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Rothschild war damals 63 Jahre alt, <strong>der</strong><br />

Autor), war ihm <strong>die</strong> Fort<strong>se</strong>tzung <strong>se</strong><strong>in</strong>er bisherigen Tätigkeit zuzumuten“.<br />

Landesamt lehnte Rente für ihn ab, er erhob Klage<br />

Ernst Rothschild, <strong>der</strong> nun auch, wie <strong>se</strong><strong>in</strong> Arzt bestätigte, unter Schlaflosigkeit <strong>und</strong> Angstzuständen litt, legte<br />

gegen den Bescheid Klage e<strong>in</strong>. <strong>Das</strong> Landgericht <strong>Freiburg</strong> gab jedoch dem Landesamt Recht. Doch <strong>der</strong><br />

Entschädigungs<strong>se</strong>nat des Oberlandesgerichts Karlsruhe <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> sah den Fall, auch wegen geän<strong>der</strong>ter<br />

Rechtslage, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufung an<strong>der</strong>s. Er signalisierte den Vertretern des Landesamts für Wie<strong>der</strong>gutmachung,<br />

dass er – wie <strong>der</strong> Anwalt von Rothschild – das Anrechnen <strong>der</strong> Dividenden <strong>und</strong> Miete<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Renten-<br />

Sache als nicht vere<strong>in</strong>bar mit dem Ge<strong>se</strong>tz zum Renten-Wahlrecht betrachte <strong>und</strong> so auch entscheiden werde.<br />

Dem vom Senat vorgeschlagenen Vergleich vom 9. März 1961 stimmte das Amt höchst wi<strong>der</strong>willig zu. Die<strong>se</strong><br />

Abmachung sprach Ernst Rothschild vom 1. Januar 1959 e<strong>in</strong>e Rente nach den Sätzen des höheren Dienstes<br />

zu. „Hierdurch s<strong>in</strong>d alle Ansprüche des Klägers wegen Schadens im beruflichen Fortkommen <strong>und</strong> wegen<br />

Schadens am Vermögen abgegolten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>die</strong> Ansprüche auf Ersatz <strong>der</strong> Auswan<strong>der</strong>ungskosten<br />

<strong>und</strong> auf Entschädigung für den Verlust des Good Will des <strong>Freiburg</strong>er Geschäfts.“<br />

Ernst Rothschild<br />

starb am 20. Juni<br />

1970. Er wurde auf<br />

dem Home of<br />

Eternity Cemetery <strong>in</strong><br />

Oakland, Alameda<br />

County, beerdigt.<br />

Wie dann auch <strong>se</strong><strong>in</strong>e<br />

Frau Lotte, <strong>die</strong> ihm<br />

am 18. September<br />

1983 im Alter von 87<br />

Jahren folgte.<br />

Foto: f<strong>in</strong>dagrave.com<br />

Ernst Rothschild konnten <strong>se</strong><strong>in</strong>e Rente immerh<strong>in</strong> noch neun Jahre genießen. Er starb am 20. Juni 1970, im<br />

Alter von 74 Jahren, <strong>in</strong> San Leandro <strong>in</strong> Kalifornien. Se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> Jahr jüngere Frau Lotte, <strong>die</strong> Tochter von <strong>Julius</strong><br />

<strong>Marx</strong>, überlebte ihn noch 13 Jahre. Auch sie hatte sich für ihre <strong>Freiburg</strong>er Arbeit an <strong>der</strong> Seite ihres Mannes<br />

e<strong>in</strong>e Rente erst erstreiten müs<strong>se</strong>n.<br />

Auch Lotte Rothschild g<strong>in</strong>g wegen <strong>der</strong> Rente vor Gericht<br />

<strong>Das</strong> lag daran, dass das Landesamt für Wie<strong>der</strong>gutmachung ihre Mitarbeit im Betrieb des Vaters wie dann<br />

später des Ehemanns <strong>in</strong> dem Bescheid vom Mai 1958 als <strong>se</strong>lbstverständlich e<strong>in</strong>ordnete <strong>und</strong> sich dabei auf<br />

den § 1356 Abs. 2 des Bürgerlichen Ge<strong>se</strong>tzbuchs berief. Gegen <strong>die</strong><strong>se</strong>n Bescheid klagte <strong>der</strong> öffentliche Anwalt,<br />

<strong>der</strong> Lotte Rothschild vor Gericht vertrat. Ihre Mitarbeit <strong>se</strong>i weit über dem gelegen, was für e<strong>in</strong>e Ehefrau


Lotte Rothschild hieß eigentlich Gertrud Lui<strong>se</strong><br />

mit Vornamen, aber niemand nannte sie so.<br />

Nachdem sie <strong>und</strong> ihr Mann sich 1955 aus<br />

ihrem Geschäft zurückgezogen haben, zogen<br />

sie nach San Leandro, 817 Rodney Drive. So<br />

sieht es dort 2017 aus (rechts).<br />

Foto: google-maps.<br />

<strong>se</strong>lbstverständlich <strong>se</strong>i. E<strong>in</strong>e ehemalige Beschäftigte von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> bestätigte als Zeug<strong>in</strong>, dass sie Lotte<br />

Rothschild „täglich im Geschäft ge<strong>se</strong>hen hat, sowohl vormittags als auch nachmittags“. Den Haushalt <strong>der</strong><br />

Rothschilds habe e<strong>in</strong>e Haushälter<strong>in</strong> geführt. Die Klage hatte Erfolg. Im Juni 1960 wurde Lotte Rotschild <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Vergleich e<strong>in</strong>e Rente von 100 DM im Monat zugesprochen – es war <strong>die</strong> M<strong>in</strong>destrente. <strong>Das</strong> Passfoto<br />

von ihr ist aus ihrer „Declaration of Intention“ vom November 1937, dem ersten formalen Schritt auf dem<br />

Weg zur E<strong>in</strong>bürgerung <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA.<br />

Ernst <strong>und</strong> Lotte Rothschild hatten ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Erbe <strong>der</strong> am 18. September 1983 gestorbenen Schwester<br />

wurde Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Sohn von <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> damals <strong>in</strong> San Francisco lebte. Er war am 27.<br />

Februar 1947 mit dem US-Truppen-Transporter „SS Mar<strong>in</strong>e Ad<strong>der</strong>“ <strong>in</strong> Kalifornien gelandet – <strong>die</strong>s nach fast<br />

acht Jahren härtester Entbehrungen <strong>in</strong> Shanghai.<br />

Zuletzt blieben Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> nur noch <strong>die</strong> Vertretungen<br />

Nachdem Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> aus dem väterlichen Geschäft ausgestiegen war,<br />

eröffnete er 1922 am Karlsplatz 4 <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> e<strong>in</strong>e Textilwaren-<br />

Großhandlung, es g<strong>in</strong>g, genauer gesagt, um „Import <strong>und</strong> Export von<br />

Textilwaren, Baumwollausrüstung <strong>und</strong> rohes Baumwollgewebe“. Darauf<br />

vorbereitet war er durch e<strong>in</strong>e zweijährige Lehre als Textilkaufmann im<br />

<strong>jüdische</strong>n <strong>Kaufhaus</strong> L. Isay <strong>in</strong> Worms, <strong>die</strong> er nach dem E<strong>in</strong>jährigen am<br />

Friedrichsgymnasium <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> angetreten hatte. <strong>Das</strong> Geschäft wurde<br />

später von Leonhard Tietz übernommen (Foto vom <strong>Kaufhaus</strong> l<strong>in</strong>ks:<br />

Hessisches Staatsarchiv, R 4 Nr. 25358).<br />

Von 1912 bis 1914 arbeitete Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> im Geschäft <strong>se</strong><strong>in</strong>es<br />

Vaters. Dann musste er als Soldat e<strong>in</strong>rücken. Von 1915 bis 1918 kämpfte


er als Soldat im Badischen Feldartillerie-Regiment Nr. 76 an <strong>der</strong> Westfront – <strong>und</strong> überstand <strong>die</strong><br />

männermordenden Schlachten ohne Verw<strong>und</strong>ung.<br />

Zurück aus dem Krieg, arbeitete er von Ende 1918 wie<strong>der</strong> im Geschäft <strong>se</strong><strong>in</strong>es<br />

Vaters. Zuerst als Prokurist <strong>und</strong> von 1921 an als Teilhaber. <strong>Das</strong> 1922 von ihm<br />

gegründete eigene Textil-Großhandelsgeschäft ließ sich gut an. Im Oktober<br />

1925 beschäftigte Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> e<strong>in</strong>e kaufmännische Angestellte <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Lehrl<strong>in</strong>g. Er gab damals <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>er Vermögen<strong>se</strong>rklärung (siehe Abbildung) den<br />

Wert <strong>se</strong><strong>in</strong>es Betriebs mit 10.000 RM an. Er wohnte zuerst <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Friedrichstraße 65, zog aber Ende <strong>der</strong> 20er Jahre <strong>in</strong> <strong>die</strong> Urachstraße 37. Se<strong>in</strong><br />

Büro hatte er 1930 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 24 am Siegesdenkmal, 1933 dann am<br />

Rotteckplatz 7 im Haus des Vaters. Danach zog er <strong>in</strong>s sogenannte Lippmann-<br />

Haus, Kai<strong>se</strong>rstraße 32-36, wo er im 3. Stock sowohl Wohnung als auch Büro<br />

hatte. Im Juni 1937, als <strong>die</strong> Rothschilds schon das Land verließen, mietete er<br />

sich e<strong>in</strong> Stockwerk tiefer e<strong>in</strong>, für 55 RM im Monat. „Selbstfahren im Fahrstuhl<br />

ist nicht gestattet“, so <strong>der</strong> Mietvertrag <strong>in</strong> den Wie<strong>der</strong>gutmachungsakten.<br />

Der Großhandel mit Textilwaren war Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> schon um <strong>die</strong><strong>se</strong> Zeit nicht mehr möglich. Der von Hermann<br />

Gör<strong>in</strong>g mit brutaler Macht betriebene „Ausschluss <strong>der</strong> Juden aus dem Wirtschaftsleben“ ließ Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> nur<br />

noch <strong>die</strong> Vertretung von Textilfirmen als E<strong>in</strong>nahmequelle offen – <strong>und</strong> auch <strong>die</strong><strong>se</strong> versiegte mehr <strong>und</strong> mehr.<br />

So besche<strong>in</strong>igte Walter Steffen, Inhaber e<strong>in</strong>er Tapis<strong>se</strong>rie-Fabrik <strong>in</strong> Schwelm/Westfalen, am 27. Juni 1938,<br />

dass Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> ihm vom <strong>jüdische</strong>n Vorbesitzer Hugo Wolf als „schätzenswerte Kraft“ empfohlen worden<br />

<strong>se</strong>i. Und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat habe <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> den letzten 20 Monaten <strong>die</strong> Interes<strong>se</strong>n <strong>se</strong><strong>in</strong>er Firma „auf das Beste<br />

wahrgenommen <strong>und</strong> beachtlichen Umsatz“ für ihn erzielt. „Die Auflösung des Vertragsverhältnis<strong>se</strong>s<br />

geschieht im Vollzug <strong>der</strong> vollständigen <strong>Arisierung</strong> me<strong>in</strong>er Firma“ – so nüchtern verabschiedete sich Steffen<br />

von <strong>se</strong><strong>in</strong>em so fleißigen Mitarbeiter.<br />

„… ich kann nicht an<strong>der</strong>s. Mit deutschem Gruß!“<br />

Curt Putscher von <strong>der</strong> gleichnamigen Stickerei-Firma <strong>in</strong><br />

Auerbach/Vogtland schrieb Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> am 29. Juni 1928:<br />

„Durch <strong>die</strong> politischen Verhältnis<strong>se</strong> b<strong>in</strong> ich lei<strong>der</strong> gezwungen,<br />

Ihnen <strong>die</strong> Vertretung zu kündigen & <strong>und</strong> würde sich solche per<br />

30.9. erledigen. Es wird Ihnen wohl nicht überraschend<br />

kommen, <strong>und</strong> Sie werden orientiert <strong>se</strong><strong>in</strong>. Sie können aber<br />

<strong>se</strong>lbstverständlich bis 30.9. verkaufen, <strong>und</strong> ich werde Ihnen<br />

auch immer, soweit mir Stoffe zur Verfügung stehen,<br />

entsprechende Quantitäten zuteilen, doch möchte ich Sie<br />

bitten, nach Möglichkeit nur an arische Firmen zu verkaufen. Ich<br />

bedauere, Ihnen <strong>die</strong>s Mitteilung machen zu müs<strong>se</strong>n, aber ich<br />

kann nicht an<strong>der</strong>s. Mit deutschem Gruß …“.<br />

Am 6. Oktober 1938 sprach Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> beim Amtsgericht,<br />

Registergericht, vor <strong>und</strong> bat darum, <strong>die</strong> Löschung <strong>se</strong><strong>in</strong>er<br />

Firma „bis Ende November h<strong>in</strong>auszuschieben, weil er z.Zt.<br />

noch e<strong>in</strong>e Vertretung e<strong>in</strong>es italienischen Konzerns habe<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong><strong>se</strong> bis zu <strong>se</strong><strong>in</strong>er Auswan<strong>der</strong>ung noch beibehalten<br />

wolle, weil <strong>die</strong> Provision für <strong>die</strong><strong>se</strong> Geschäfte jetzt noch<br />

<strong>se</strong><strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Ver<strong>die</strong>nst <strong>se</strong>i.“ Se<strong>in</strong> Pass, <strong>der</strong> heute im<br />

Wash<strong>in</strong>gton Holocaust Memorial Mu<strong>se</strong>um zu <strong>se</strong>hen ist<br />

(l<strong>in</strong>ks), dokumentiert, wie oft er 1937 <strong>und</strong> 1938 über <strong>die</strong><br />

Schweizer Grenze gefahren war, um sich wohl dort mit<br />

den Italienern zu treffen.


Die Löschung <strong>der</strong> Firma aus dem Handelsregister erfolgte erst am 2. Januar 1939, da Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> Ende<br />

November 1938 als e<strong>in</strong>er von Tau<strong>se</strong>nden von <strong>jüdische</strong>n Männern im Konzentrationslager Dachau e<strong>in</strong>gesperrt<br />

war.<br />

Nach <strong>der</strong> Pogromnacht bis 12. Dezember im KZ Dachau<br />

Voran gegangen war <strong>die</strong> Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, als auch <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> <strong>die</strong> Synagoge<br />

gegenüber dem Theater <strong>in</strong> Brand gesteckt <strong>und</strong> zerstört wurde. Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> gehörte zu den 137 <strong>jüdische</strong>n<br />

Männern aus <strong>der</strong> Stadt, <strong>die</strong> am Vormittag des 10. November vorwiegend von SA-Leuten verhaftet wurden.<br />

„Sie wurden zunächst <strong>in</strong> <strong>die</strong> jeweiligen SA-Lokale gebracht, ehe <strong>die</strong> gesamte Gruppe im Kornhaus am<br />

Münsterplatz gesammelt <strong>und</strong> schließlich dem <strong>Freiburg</strong>er Gefängnis überstellt wurde,“ berichtet Kathr<strong>in</strong><br />

Claus<strong>in</strong>g <strong>in</strong> ihrem Buch.<br />

Ob Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> wie etwa Harry Schiffmann, Sohn von Jo<strong>se</strong>ph Schiffmann (bis 1935 Herrenbekleidungs-<br />

Geschäft Tobias Lippmann), <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e bei ihrer Festnahme von <strong>der</strong> SA misshandelt wurde, ist nicht<br />

bekannt. Claus<strong>in</strong>g weiter: „137 Männer im Alter von 19 bis 78 Jahren wurden schließlich am Abend des 10.<br />

November mit <strong>der</strong> Bahn zum Konzentrationslager Dachau <strong>in</strong> Marsch ge<strong>se</strong>tzt. Aus ihrem alltäglichen Leben<br />

herausgeris<strong>se</strong>n, waren <strong>die</strong> Männer dort den Strapazen, Misshandlungen <strong>und</strong> Demütigungen des<br />

Konzentrationslagers ausge<strong>se</strong>tzt. Zwei starben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Haft.“<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> schil<strong>der</strong>te 1962 dem Vertrauensarzt des Konsulats <strong>in</strong> San Francisco, wie es ihm erg<strong>in</strong>g. Er musste<br />

bei den täglichen Appellen auf dem Hof „im strömenden Regen ohne Kopfbedeckung st<strong>und</strong>enlang nur <strong>in</strong><br />

Le<strong>in</strong>enkleidung <strong>und</strong> ohne Unterwäsche auch bei <strong>der</strong> größten Kälte im Freien stehen“, wobei er e<strong>in</strong>e schwere<br />

Unterkühlung erlitt <strong>und</strong> sich letztlich <strong>se</strong><strong>in</strong>e chronische Bronchitis holte. Claus<strong>in</strong>g: „Alle trugen körperliche<br />

<strong>und</strong> <strong>se</strong>elische Schäden davon, als sie nach m<strong>in</strong>destens <strong>se</strong>chs Wochen aus <strong>der</strong> Haft entlas<strong>se</strong>n wurden – viele<br />

mit <strong>der</strong> Auflage, ihre Betrieb zu veräußern o<strong>der</strong> das Land auf dem schnellsten Wege zu verlas<strong>se</strong>n.“<br />

Als Erw<strong>in</strong> „Israel“ <strong>Marx</strong> erhielt<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> am 23. März 1939<br />

<strong>die</strong> „Juden-Kennkarte“, Ersatz<br />

für den nun ungültigen<br />

Rei<strong>se</strong>pass. <strong>Das</strong> Dokument ist im<br />

Holocaust Memorial Mu<strong>se</strong>um<br />

Wash<strong>in</strong>gton zu <strong>se</strong>hen.<br />

Die Mutter <strong>in</strong> Frankfurt wollte nicht mit ihm fliehen<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> wurde „schon“ am 12. Dezember 1938 entlas<strong>se</strong>n. Ihm war klar, dass es nun um <strong>se</strong><strong>in</strong> Leben g<strong>in</strong>g.<br />

Er war zwar nicht verheiratet (<strong>und</strong> blieb das auch), dennoch hatte er sich nicht nur um <strong>se</strong><strong>in</strong>e eigene Zukunft<br />

zu kümmern: Se<strong>in</strong>e Mutter Anna <strong>Marx</strong> geb. Schönthal wohnte 1939 noch <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>. Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> konnte sie<br />

offenbar nicht bewegen, mit ihm zu fliehen. So ließ er sie zurück. Anna <strong>Marx</strong> starb am 27. Juni 1941 mit 68<br />

Jahren, so <strong>die</strong> Sterbeurk<strong>und</strong>e, <strong>in</strong> Frankfurt an „Herzversagen <strong>und</strong> Was<strong>se</strong>rsucht“.<br />

Eigentlich wollte Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA emigrieren. Da er sich aber erst spät um e<strong>in</strong> Visum bemühte, so des<br />

öfteren beim US-Konsulat <strong>in</strong> Stuttgart, wurde ihm Anfang 1939 klar, dass er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Warteliste zu weit h<strong>in</strong>ten<br />

stand, um <strong>in</strong> den nächsten Monaten e<strong>in</strong>e reelle Chance zur Ausrei<strong>se</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA zu haben. Und <strong>die</strong>s trotz<br />

e<strong>in</strong>es Affidavits, das ihm Schwester Lotte <strong>in</strong> Oakland ausstellte.


Im April 1939 entschied sich Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>die</strong> allerletzte Chance zu nutzen, <strong>die</strong> ihm blieb: <strong>die</strong> Flucht nach<br />

Shanghai. Die Großstadt mit damals 3,7 Millionen E<strong>in</strong>wohnern war zwar <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a gelegen, aber e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>ternationale, geteilte Stadt unter ch<strong>in</strong>esischer, japanischer, britischer, französischer <strong>und</strong> USamerikanischer<br />

Besatzung – <strong>und</strong> Shanghai war damals (neben den Komoren) <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Ort auf <strong>der</strong> Welt, wo<br />

man zur E<strong>in</strong>rei<strong>se</strong> ke<strong>in</strong> Visum <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>en Geldnachweis brauchte.<br />

Tickets bereits alle vergeben waren.<br />

Am 5. Mai 1939 bestieg Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> Triest <strong>die</strong><br />

„Conte Verde“, e<strong>in</strong> Schiff <strong>der</strong> Lloyd-Triest<strong>in</strong>o-L<strong>in</strong>e.<br />

Seit 1932 fuhr das 1923 <strong>in</strong> Dienst gestellte italienische<br />

Passagierschiff auf <strong>der</strong> Route Triest-Shanghai, <strong>die</strong> vor<br />

allem 1938 <strong>und</strong> 1939 von Tau<strong>se</strong>nden europäischer<br />

Juden zur Flucht genutzt wurde (<strong>die</strong> „Conte Verde“<br />

wurde später zweimal ver<strong>se</strong>nkt, zuletzt 1944 als<br />

japanisches Kriegsschiff vor Kioto durch <strong>die</strong> US-Air<br />

Force). Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> konnte im Frühjahr 1939 nur noch<br />

e<strong>in</strong> Erste-Klas<strong>se</strong>-Ticket bekommen, weil <strong>die</strong> billigeren<br />

Am 5. Juni 1939 erreichte Erich <strong>Marx</strong> das Fluchtziel Shanghai<br />

Genau e<strong>in</strong>en Monat später, am 5. Juni 1939, landete er <strong>in</strong> Shanghai – als e<strong>in</strong>er von fünf <strong>Freiburg</strong>er Juden, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong><strong>se</strong> Fluchtmöglichkeit nutzten. Wie aus <strong>se</strong><strong>in</strong>en Wie<strong>der</strong>gutmachungsakten hervorgeht, konnte er sich als<br />

Vertreter für Porzellan <strong>und</strong> Kristall <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit danach e<strong>in</strong> paar Dollars ver<strong>die</strong>nen, lebte aber auch vom<br />

Verkauf <strong>der</strong> mitgebrachten Hab<strong>se</strong>ligkeiten. Bis im Februar 1943 <strong>die</strong> japanische Regierung dem Drängen <strong>der</strong><br />

Deutschen nachgab <strong>und</strong> <strong>in</strong> Shanghai e<strong>in</strong> Ghetto e<strong>in</strong>richtete, <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> r<strong>und</strong> 18.000 <strong>jüdische</strong>n Flüchtl<strong>in</strong>ge nun<br />

zusammengefasst wurden. Der Plan <strong>der</strong> Nazis, auch <strong>die</strong> Juden von Shanghai zu vernichten, stieß jedoch auf<br />

entschiedenen japanischen Wi<strong>der</strong>stand. Es war <strong>die</strong> von deutschen Diplomaten geschürte Furcht vor<br />

fe<strong>in</strong>dlichen Spionen <strong>und</strong> nicht Anti<strong>se</strong>mitismus, <strong>die</strong> zum Sperrbezirk im Stadtteil Hongkew <strong>in</strong> Shanghai führte<br />

– ohne Mauern, aber mit scharfen Kontrollen.<br />

In Shanghai<br />

erhielt Erw<strong>in</strong><br />

<strong>Marx</strong> am 5. Juni<br />

1939 e<strong>in</strong>en neuen<br />

Ausweis: das<br />

Foreigner<br />

Resident<br />

Certificate.. <strong>Das</strong><br />

Dokument ist im<br />

Holocaust<br />

Memorial <strong>in</strong><br />

Wash<strong>in</strong>gton zu<br />

<strong>se</strong>hen.<br />

Jetzt war auch Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> nun <strong>in</strong> Hongkew <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wayside Road <strong>und</strong> wohl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> dort errichteten<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsheime lebte, wie <strong>die</strong> meisten auf <strong>die</strong> Unterstützung <strong>der</strong> diver<strong>se</strong>n <strong>jüdische</strong>n Hilfsorganisationen<br />

angewie<strong>se</strong>n, <strong>die</strong> sich trotz <strong>der</strong> <strong>in</strong> Mas<strong>se</strong>n e<strong>in</strong>treffenden Flüchtl<strong>in</strong>ge hervorragend bewährten. Doch mit dem<br />

Krieg<strong>se</strong><strong>in</strong>tritt <strong>der</strong> USA endete e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> Geldspenden – <strong>und</strong> <strong>der</strong> Hunger griff um sich. Dazu kamen bei<br />

katastrophalen hygienischen Verhältnis<strong>se</strong>n Infektionen <strong>in</strong> den nun überbelegten Flüchtl<strong>in</strong>gsheimen des<br />

Ghettos – <strong>und</strong> <strong>die</strong> schw<strong>in</strong>dende Hoffnung <strong>der</strong> Bewohner, <strong>in</strong> Kriegszeiten Shanghai jemals wie<strong>der</strong> verlas<strong>se</strong>n zu<br />

können. 1942 wurde Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> nach e<strong>in</strong>em Moskitostich, <strong>der</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>en ganzen Arm anschwellen ließ, <strong>der</strong><br />

R<strong>in</strong>gf<strong>in</strong>ger aufgeschnitten. Er blieb danach steif.


Am 17. Juli 1946, also wenige Wochen vor <strong>der</strong> japanischen Kapitulation, bombar<strong>die</strong>rte <strong>die</strong> US-Air Force e<strong>in</strong>e<br />

japanische Funkstation im Stadtteil Hongkew, traf dabei aber auch e<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsheim, wo 31 Emigranten<br />

ums Leben kamen <strong>und</strong> Hun<strong>der</strong>te verletzt wurden.<br />

Erst im Februar 1947 konnte er Shanghai verlas<strong>se</strong>n – <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> überlebte das alles, aber auch für ihn dauerte es bis zum Februar 1947, bis er Ch<strong>in</strong>a verlas<strong>se</strong>n<br />

<strong>und</strong> endlich das Schiff Richtung USA besteigen konnte. <strong>Das</strong> Ticket bezahlte <strong>se</strong><strong>in</strong>e Schwester Lotte Rothschild,<br />

<strong>die</strong> ihn auch am Hafen <strong>in</strong> San Francisco erwartete. Er bekam bald e<strong>in</strong>e Stelle bei <strong>der</strong> Western Union Company<br />

als Telegramm-Bote, e<strong>in</strong> Job, den er bis zu <strong>se</strong><strong>in</strong>er Pensionierung behielt. In e<strong>in</strong>em Schreiben vom 29.<br />

Dezember 1961 an das Landesamt für Wie<strong>der</strong>gutmachung erklärte <strong>Marx</strong>, den „nie<strong>der</strong>en <strong>und</strong> leichten Posten<br />

als Bote, <strong>der</strong> <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Wei<strong>se</strong> me<strong>in</strong>er Vorbildung (Gymnasium) <strong>und</strong> me<strong>in</strong>er früheren, <strong>se</strong>lbständigen Existenz<br />

entsprach“, habe er nur angenommen, „um me<strong>in</strong>e angegriffene Ges<strong>und</strong>heit zu schonen“. Aus dem KZ<br />

Dachau <strong>se</strong>i er nach den st<strong>und</strong>enlangen Appellen <strong>in</strong> Kälte, Schnee <strong>und</strong> Regen mit e<strong>in</strong>er chronischen Bronchitis<br />

zurückgekommen, zu <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> dem extremen Klima von Shanghai schwere Asthma-Anfälle ge<strong>se</strong>llten –<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigungen, <strong>die</strong> ihn 1958 gezwungen hätten, <strong>se</strong><strong>in</strong>e Stelle aufzugeben.<br />

Zu <strong>die</strong><strong>se</strong>r Zeit hatte er schon sieben Jahre ernüchtern<strong>der</strong> Versuche h<strong>in</strong>ter sich, für <strong>se</strong><strong>in</strong>e Zeit im KZ Dachau,<br />

<strong>die</strong> Kosten <strong>der</strong> Auswan<strong>der</strong>ung, <strong>die</strong> Jahre im Ghetto von Shanghai, den „Schaden an Körper <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“<br />

sowie für den „Schaden im beruflichen Fortkommen“ e<strong>in</strong>e Entschädigung zu erhalten. Auch er musste gegen<br />

Bescheide des Landesamts für Wie<strong>der</strong>gutmachung klagen, um sich wegen <strong>se</strong><strong>in</strong>er völligen Berufsunfähigkeit<br />

nach 1958 e<strong>in</strong>e Rente zu erstreiten.<br />

<strong>Das</strong> Landesamt für Wie<strong>der</strong>gutmachung misstraute, mit Billigung <strong>der</strong> Richter, den Bef<strong>und</strong>en des Arztes von<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> des Vertrauensarztes des deutschen Konsulats <strong>in</strong> San Francisco, <strong>die</strong> <strong>die</strong> chronische<br />

Bronchitis, das Asthma, <strong>die</strong> Ang<strong>in</strong>a Pectoris <strong>und</strong> das Lungenemphy<strong>se</strong>m als verfolgungsbed<strong>in</strong>gte Krankheiten<br />

nicht ausschließen wollten. <strong>Das</strong> Landesamt beauftragte stattdes<strong>se</strong>n mehrere ärztliche Gutachter <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Obergutachter <strong>in</strong> Deutschland, „nach Aktenlage“ über <strong>die</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Schäden des Klägers zu bef<strong>in</strong>den.<br />

Vom gesün<strong>der</strong>en Leben <strong>in</strong> den Konzentrationslagern<br />

Fremd war für <strong>die</strong> deutschen Juden alles<br />

<strong>in</strong> Shanghai: das heiße Klima, <strong>die</strong><br />

Menschen, <strong>die</strong> Sitten – <strong>und</strong> <strong>die</strong> Armut,<br />

<strong>die</strong> sie bald teilen sollten.<br />

Fotos: bus<strong>in</strong>ess<strong>in</strong>si<strong>der</strong>.com<br />

Man kann das Ent<strong>se</strong>tzen von Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> verstehen, wenn im Obergutachten des Prof. Dr. Richard Duesberg<br />

von <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>ischen Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z Herzkranken quasi empfohlen wird, sich mal längere Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em KZ<br />

aufzuhalten. Duesberg zitierte dabei den Internisten Prof. Gotthard Schettler, <strong>der</strong> 1961 auf e<strong>in</strong>em Kongress<br />

festgestellt hatte, dass „Coronarsklero<strong>se</strong>, Ang<strong>in</strong>a Pectoris <strong>und</strong> Herz<strong>in</strong>farkt gerade bei Insas<strong>se</strong>n von<br />

Konzentrationslagern, bei denen Furcht <strong>und</strong> Angst, Not <strong>und</strong> Entbehrung sicherlich das Leben beherrschten,<br />

auffallend <strong>se</strong>lten zu beobachten waren. Überhaupt kann nach dem Ergebnis größerer Statistiken gesagt<br />

werden, daß knappe Ernährung. körperliche Beanspruchung <strong>und</strong> allgeme<strong>in</strong>e Not zu e<strong>in</strong>em Rückgang cardiovasculärer<br />

Erkrankungen führen.“ <strong>Marx</strong>‘ bissiger Kommentar gegenüber <strong>se</strong><strong>in</strong>em Anwalt: Lei<strong>der</strong> <strong>se</strong>ien wohl<br />

<strong>die</strong> KZ-Häftl<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong>, wie er es <strong>in</strong> Dachau <strong>se</strong>lbst mit an<strong>se</strong>hen musste, an Herz<strong>in</strong>farkt starben, nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Statistiken e<strong>in</strong>geflos<strong>se</strong>n.


Hettler, ehemaliger Gaustudentenführer <strong>der</strong> NSDAP <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> 1991 mit dem Großen Ver<strong>die</strong>nstkreuz<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland ausgezeichnet, galt als Pionier <strong>der</strong> Arteriosklero<strong>se</strong>-Forschung. „Obschon<br />

Schettler e<strong>in</strong>e Anerkennung <strong>der</strong> Arteriosklero<strong>se</strong> als Versorgungsleiden bei Heimkehrern aus <strong>der</strong><br />

Kriegsgefangenschaft befürwortete, lehnte er gleichlautende Ansprüche von NS-Verfolgten <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>en<br />

Gutachten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ab“, berichtet Christian Pross <strong>in</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>em 1988 erschienenen, <strong>se</strong>hr le<strong>se</strong>nswerten Buch<br />

„Wie<strong>der</strong>gutmachung. Der Kle<strong>in</strong>krieg gegen <strong>die</strong> Opfer“.<br />

Am 10. September 1947 gab Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong><br />

<strong>se</strong><strong>in</strong>en Antrag auf E<strong>in</strong>bürgerung <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

USA ab. Se<strong>in</strong> Geld ver<strong>die</strong>nte er als<br />

„Mes<strong>se</strong>nger“ (Telegramm-Bote) <strong>der</strong><br />

Western Union Company <strong>in</strong> San<br />

Francisco – so wie <strong>die</strong><strong>se</strong>r smarte Kollege.<br />

Foto: oldbike.eu<br />

Mit Hilfe des renommierte <strong>Freiburg</strong>er Anwaltsbüros Dr. Furler konnte Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> bis 1967 noch e<strong>in</strong>ige<br />

Erhöhungen <strong>se</strong><strong>in</strong>er Entschädigungszahlungen erreichen, nicht aber <strong>die</strong> Anerkennung, dass <strong>se</strong><strong>in</strong>e Schifffahrt<br />

von Shanghai <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA im Februar 1947 ebenfalls verfolgungsbed<strong>in</strong>gt war, da er ja schon 1939 <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA<br />

ausrei<strong>se</strong>n wollte. Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> bis zuletzt <strong>in</strong> San Francisco wohnen blieb, starb am 20. November 1988 im<br />

hohen Alter von 93 Jahren.<br />

Nicht nur Brü<strong>der</strong> von Ernst Rothschild wurden Opfer des Holocaust<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, Ernst <strong>und</strong> Lotte Rothschild – ihnen war, trotz Verfolgung, Entbehrungen <strong>und</strong> etlichen<br />

Rückschlägen auf dem Weg, für ihre Verluste <strong>und</strong> Schäden <strong>in</strong> <strong>der</strong> NS-Zeit entschädigt zu werden, e<strong>in</strong><br />

Lebensabend <strong>in</strong> Freiheit <strong>und</strong> Würde beschieden. Zwei <strong>der</strong> vier Brü<strong>der</strong> von Ernst Rothschild schafften es nicht<br />

mehr, aus den Fängen <strong>der</strong> Nazis zu entkommen:<br />

- Louis Rothschild, 1886 geboren, war e<strong>in</strong>er von r<strong>und</strong> 3.000 Männern, Frauen <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>die</strong> am 25.<br />

November 1941 aus Frankfurt (wo er wohl lebte), aus München <strong>und</strong> Berl<strong>in</strong> nach Kaunas <strong>in</strong> Litauen deportiert<br />

<strong>und</strong> dort <strong>in</strong> den Gräben vor dem Fort IX., e<strong>in</strong>er Befestigungsanlage aus dem Ersten Weltkrieg, kurz darauf<br />

erschos<strong>se</strong>n wurden. Ob er alle<strong>in</strong> im Transport war o<strong>der</strong> Angehörige ihn begleiteten, ist nicht bekannt. Laut<br />

Ernst Rothschild hatte er <strong>Familie</strong>.<br />

- Moritz Rothschild, 1890 geboren, wurde 1942 mit <strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau Meta geb. Levi <strong>und</strong> dem damals 13jährigen<br />

Sohn Edgar <strong>in</strong>s Ghetto Piaski bei Lubl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Polen deportiert. Im <strong>jüdische</strong>n Stetl des Ortes war Anfang 1940 von<br />

den deutschen Besatzern e<strong>in</strong> Ghetto e<strong>in</strong>gerichtet worden, das für Frauen <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zunehmend zur<br />

Durchgangstation <strong>in</strong> <strong>die</strong> Vernichtungslager Belzec <strong>und</strong> Majdanek wurde, während viele <strong>der</strong> <strong>jüdische</strong>n


Männer noch <strong>in</strong> das Zwangsarbeiterlager Trawniki verlegt wurden. Sie mussten dort u.a. Uniformen für <strong>die</strong><br />

SS fertigen. Alle 6.000 <strong>jüdische</strong>n Häftl<strong>in</strong>ge wurden am 3. November 1943 von e<strong>in</strong>er SS- <strong>und</strong> SD-E<strong>in</strong>heit<br />

erschos<strong>se</strong>n. Die Rus<strong>se</strong>n nahten.<br />

Mit dem schon erwähnten Tod von Ida <strong>Marx</strong> geb. Goldschmidt, <strong>der</strong> Ehefrau von Emanuel <strong>Marx</strong>, im<br />

Vernichtungslager Trebl<strong>in</strong>ka wis<strong>se</strong>n wir von fünf Angehörigen <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong>-Rothschild, <strong>die</strong> Opfer <strong>der</strong><br />

Judenverfolgung wurden.<br />

Die fünf Töchter von Leo <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> ihr Schicksal<br />

Wobei e<strong>in</strong>ige Schicksale nur zum Teil bekannt s<strong>in</strong>d – gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> von Leo <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> 1924 gestorben<br />

ist. Se<strong>in</strong>e Witwe Clement<strong>in</strong>e geb. Goldschmidt liqui<strong>die</strong>rte das Textilgeschäft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Salzstraße 33, vermietete<br />

das Haus <strong>und</strong> verkaufte es am 15. Mai 1939 – da war sie aber schon <strong>in</strong> Kapstadt, Südafrika. Der Verkauf<br />

geschah mit E<strong>in</strong>verständnis ihrer Töchter <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Ehemänner, <strong>der</strong>en <strong>Geschichte</strong> hier zuerst erzählt werden<br />

soll:<br />

Lilly Bach, <strong>die</strong><br />

Tochter von Leo<br />

<strong>Marx</strong>, war mit<br />

Ernst Bach aus<br />

Laupheim<br />

verheiratet. Sie<br />

schafften <strong>die</strong><br />

Ausrei<strong>se</strong> nach New<br />

York.<br />

Dokument:<br />

ancestry.com<br />

- Elisabeth Beate genannt Lilly, geb. 29.7. 1897. Sie heiratete am 23.11.1921 den <strong>jüdische</strong>n Bankbeamten<br />

Ernst Bach aus Stuttgart. Er stammte aus Laupheim, wo <strong>se</strong><strong>in</strong> Vater <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> Max e<strong>in</strong> großes<br />

Textilgeschäft betrieben. Wenige Wochen nach <strong>der</strong> Hochzeit trat Ernst Bach am 27.1.1922 <strong>in</strong> <strong>die</strong> Firma <strong>se</strong><strong>in</strong>es<br />

Schwiegervaters Leo <strong>Marx</strong> als persönlich haften<strong>der</strong> Ge<strong>se</strong>llschaft e<strong>in</strong>. Als nach des<strong>se</strong>n Tod das<br />

Aussteuergeschäft <strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielle Schieflage geriet, stieg Ernst Bach am 23.1.1925 aus <strong>der</strong> Firma aus <strong>und</strong><br />

eröffnete mit gleichem Datum e<strong>in</strong>e eigene Firma für Textilvertretungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kai<strong>se</strong>rstraße 131. Die<strong>se</strong> wurde<br />

am 21.1.1939 gelöscht. Da war Ernst Bach mit <strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau Lilly <strong>und</strong> dem damals 15jährigen Sohn Max Dieter<br />

schon <strong>in</strong> New York (das Foto von google.maps zeigt das Hau<strong>se</strong> 540 Ocean Boulevard <strong>in</strong> Brooklyn im Jahr<br />

2014). Ernst Bach starb dort 1964, das Todesdatum <strong>se</strong><strong>in</strong>er Frau ist nicht bekannt. Sohn Max Dieter <strong>die</strong>nte <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> US-Army, heiratete 1952 <strong>in</strong> New York Eva Mo<strong>se</strong>s, mit <strong>der</strong> er zwei Töchter bekam. Er starb 1995 <strong>in</strong><br />

Sarasota, Florida.<br />

- Hildegard Irma, geb. 6.2. 1901. Als promovierte Zahnärzt<strong>in</strong> heiratete sie am 24.5.1928 den Berl<strong>in</strong>er Dr. Curt<br />

Sal<strong>in</strong>ger <strong>und</strong> zog mit ihm nach Berl<strong>in</strong>, Cuxhavenerstraße 15 <strong>in</strong> Tiergarten. Auch sie schafften es noch<br />

rechtzeitig <strong>in</strong>s Ausland. Am 4.2.1939 trafen <strong>die</strong> beiden auf dem holländischen Schiff „SS Zaandam“ von<br />

Rotterdam aus <strong>in</strong> New York e<strong>in</strong> (<strong>die</strong> „Zaamdan“ wurde als<br />

Truppentransporter am 2.11.1942 vom deutschem U-Boot 174<br />

vor Brasilien ver<strong>se</strong>nkt; mehr als e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Menschen an<br />

Bord kam ums Leben). Wie es Hildegard <strong>und</strong> Curt Sal<strong>in</strong>ger (er<br />

wurde als „bus<strong>in</strong>ess consultant“ geführt) <strong>in</strong> den USA erg<strong>in</strong>g <strong>und</strong><br />

ob sie K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten, war lei<strong>der</strong> nicht zu erfahren. Curt Sal<strong>in</strong>ger<br />

starb am 17.1.1994 <strong>in</strong> Rockport, Massachu<strong>se</strong>tts.<br />

- Lucie Johanna, geb. 24.7.1902. Sie heiratete am 11.10.1926 den damals 27jährigen Zahnarzt Dr. Albert<br />

Seelos aus Wangen <strong>und</strong> zog mit ihm nach Wangen. Ihr Übertritt zum katholischen Glauben bewahrte sie<br />

jedoch nicht vor den anti<strong>se</strong>mitischen Schikanen.<br />

Unter den r<strong>und</strong> 7.000 E<strong>in</strong>wohnern gab es im Jahr 1933 nur noch e<strong>in</strong> Dutzend Juden. Neben Lucie Seelos war<br />

auch <strong>die</strong> Jüd<strong>in</strong> Elsa Maria Sohler mit e<strong>in</strong>em Nichtjuden verheiratet. Birgit Locher-Dodge berichtet <strong>in</strong> ihrem


1999 erschienenen Buch „Verdrängte Jahre? Wangen im Allgäu 1933-1945“ über bei<strong>der</strong> Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> NS-Zeit:<br />

„Auch <strong>die</strong> Ehefrau von Zahnarzt Dr. Seelos, Luzie Johanna, war als geborene <strong>Marx</strong> <strong>jüdische</strong>r Herkunft.<br />

Genauso wie Elsa Maria Sohler führte sie e<strong>in</strong> zurückgezogenes Leben <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g kaum mehr aus. Sie hatte<br />

anfangs noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis ihres Mannes am Mart<strong>in</strong>storplatz mitgeholfen, doch auch <strong>die</strong>s wurde ihr<br />

verboten. Alle außerhäuslichen Geschäfte überließ sie ihrer Haushälter<strong>in</strong>.“<br />

Lucie Seelos, <strong>die</strong> Tochter von Leo <strong>Marx</strong>, g<strong>in</strong>g<br />

mit ihrem Mann Dr. Albert Seelos nach<br />

Wangen, wurde Katholik<strong>in</strong>, doch das<br />

<strong>in</strong>teressierte <strong>die</strong> Nazis nicht. 1944 sollte sie<br />

deportiert werden In dem Gartenhaus (l<strong>in</strong>ks)<br />

wurde sie e<strong>in</strong>ige Tage versteckt.<br />

Ihre Tochter Gertrud, das e<strong>in</strong>zige K<strong>in</strong>d, wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule schikaniert <strong>und</strong> man verweigerte ihr <strong>die</strong><br />

W<strong>in</strong>terhilfe mit <strong>der</strong> Begründung: „Jüdische Mischl<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d ohne Rücksicht auf den Grad des <strong>jüdische</strong>n<br />

Blutanteils immer unerwünschter Nachwuchs.“<br />

E<strong>in</strong>mal um den Jahreswech<strong>se</strong>l 1938-1939 <strong>se</strong>i Lucie Seelos mit ihrem Mann zu e<strong>in</strong>em Fasch<strong>in</strong>gsball gegangen,<br />

heißt es <strong>in</strong> dem Buch weiter: „Daraufh<strong>in</strong> habe es e<strong>in</strong>en größeren Aufruhr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt gegeben. Damit war<br />

auch ihr letzter Versuch, am ge<strong>se</strong>llschaftlichen Leben teilzunehmen, gescheitert <strong>und</strong> man sah sie nie wie<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit.“ Zu jener Zeit wohnte auch Ihre Mutter Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> bei ihr <strong>in</strong> Wangen. Vielleicht<br />

war <strong>die</strong><strong>se</strong>s Erlebnis für <strong>die</strong> Mutter <strong>der</strong> letzte Anstoß, das Land zu verlas<strong>se</strong>n: Im Frühjahr 1939 reiste sie ab<br />

nach Kapstadt <strong>in</strong> Südafrika.<br />

Die Tochter blieb. Als Ehefrau e<strong>in</strong>es „arischen“ Mannes wurde sie anfangs, da <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „privilegierten<br />

Mischehe“ lebend, vom Tragen des Judensterns <strong>und</strong> vor <strong>der</strong> Deportation verschont. Doch 1944 ließen <strong>die</strong> NS-<br />

Verfolger alle Hemmungen fahren <strong>und</strong> deportierten auch Angehörige <strong>die</strong><strong>se</strong>r „Mischehen“. E<strong>in</strong> Vikar<br />

berichtete nach dem Krieg: „1944 kam Dr. Seelos voller Angst zu Dekan Lobmiller. Er zeigte e<strong>in</strong> Schreiben, <strong>in</strong><br />

dem stand, daß <strong>se</strong><strong>in</strong>e Frau sich zu e<strong>in</strong>em bestimmten Term<strong>in</strong> auf dem Bahnhof e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den habe. Sie solle<br />

Kleidung <strong>und</strong> Es<strong>se</strong>n mitbr<strong>in</strong>gen.“<br />

Nach kurzer Beratung wurde <strong>der</strong> Vikar zu e<strong>in</strong>er guten Katholik<strong>in</strong> geschickt, <strong>der</strong>en Mann stellvertreten<strong>der</strong><br />

Bürgermeister war, um herauszuf<strong>in</strong>den, was man tun könne. „Maria G. kam am Abend <strong>in</strong>s Pfarrhaus zurück<br />

mit dem Rat, daß sich Frau Seelos zu Bett begeben <strong>und</strong> Dr. H. rufen solle. Er schrieb sie dann<br />

transportunfähig. <strong>Das</strong> war ihre Rettung“.<br />

In <strong>der</strong> 1946 angefertigten „Politischen Karteikarte“ <strong>der</strong> Stadt Wangen für ihre E<strong>in</strong>wohner steht bei Lucie<br />

Seelos <strong>die</strong> Bemerkung „rassisch verfolgt“. Nach e<strong>in</strong>em weiter zurückgezogenen Leben starb sie am 20.4.1982,<br />

nur wenige Monate vor ihrem 80. Geburtstag. Ihr Mann, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> NS-Zeit treu zu ihr gestanden <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Auffor<strong>der</strong>ung zur Scheidung wi<strong>der</strong>standen hat, überlebte sie noch e<strong>in</strong>ige Jahre. Er starb am 23.4.1986,<br />

betrauert von <strong>der</strong> Tochter Gertrud genannt Traudl, ihrem Mann <strong>und</strong> zwei Enkeln.<br />

- Betty Leonie, geb. 2.12.1903. Sie ließ sich an <strong>der</strong> Hamburger Dekorationsfachschule ausbilden, verstand sich<br />

aber auch <strong>se</strong>hr gut auf Handarbeiten. In den Jahren 1924 <strong>und</strong> 1925 bot sie im Obergeschoss <strong>der</strong> Salzstraße 33<br />

<strong>und</strong> im Bur<strong>se</strong>ngang 11 <strong>se</strong>lbstgestrickte K<strong>in</strong><strong>der</strong>kleidchen an. Im Adressbuch 1925 war von „kunstgewerblichen<br />

Wollarbeiten“ <strong>die</strong> Rede. Als ihre Mutter dann das Ladengeschäft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Salzstraße 33 aufgab <strong>und</strong> <strong>die</strong> Reste<br />

des Lagers <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnung Zasiusstraße 55 verkaufte, bot Betty <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Anzeige im Juni 1926 von dort<br />

<strong>die</strong> „Übernahme sämtlicher Schaufensterdekorationen“ <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von Werbeplakaten an. Am


28.9.1932 verlobte sie sich mit Mart<strong>in</strong> Eger aus<br />

Berl<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Hochzeit war kurz danach. Eger ist<br />

auch e<strong>in</strong> <strong>jüdische</strong>r Name, <strong>und</strong> im Jüdischen<br />

Adressbuch 1931 von Berl<strong>in</strong> f<strong>in</strong>det sich auch e<strong>in</strong><br />

Mart<strong>in</strong> Eger, B<strong>in</strong>ger Straße 4 <strong>in</strong> Wilmersdorf.<br />

Betty Eger geb. <strong>Marx</strong> war ke<strong>in</strong> langes Leben<br />

vergönnt: Sie starb k<strong>in</strong><strong>der</strong>los im Oktober 1936<br />

mit nur 32 Jahren.<br />

- Leonore Henriette genannt Lore, geb. 29.5.1906. Sie machte 1923 an <strong>der</strong> Höheren Mädchenschule ihr<br />

Abschlus<strong>se</strong>xamen <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g 1924 dann <strong>in</strong> <strong>die</strong> Frauenschule des Evangelischen Stifts. Danach ließ sie sich von<br />

Charlotte Lyon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gymnastikschule G<strong>in</strong>dler-Men<strong>se</strong>n<strong>die</strong>k, Erw<strong>in</strong>straße, zur Gymnastiklehrer<strong>in</strong> ausbilden.<br />

Von 1927 bis 1933 gab sie sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnung <strong>der</strong> Mutter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zasiusstraße 55 als auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Räumen <strong>der</strong> Stadt Gymnastikst<strong>und</strong>en - für Erwach<strong>se</strong>ne wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> am Abend auch für Berufstätige. Am<br />

12.1.1930 hatte sie mit ihren Schülern sogar e<strong>in</strong>e öffentliche Vorführung im Mu<strong>se</strong>umssaal.<br />

Lore <strong>Marx</strong> hatte als<br />

Gymnastiklehrer<strong>in</strong><br />

<strong>Freiburg</strong> <strong>se</strong>it 1927<br />

viel zu tun,<br />

tra<strong>in</strong>ierte u.a. auch<br />

Vere<strong>in</strong>e. Im Januar<br />

1930 hatte sie mit<br />

ihren Schülern<br />

sogar e<strong>in</strong>e<br />

Vorführung im<br />

Mu<strong>se</strong>umssaal. Im<br />

August 1930<br />

heiratete sie Hans<br />

Sternweiler, den<br />

Sohn des<br />

Kartonagen-<br />

Fabrikanten Ludwig<br />

Sternweiler.<br />

Am 4.8.1930 heiratete Sie Hans Sternweiler, den Sohn von Ludwig<br />

Sternweiler, dem Inhaber <strong>der</strong> Kartonagenfabrik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sedanstraße 22. Im Jahr 1933 stand für sie das<br />

Studium von Massage <strong>und</strong> Heilgymnastik an <strong>der</strong> Universität <strong>Freiburg</strong> an. Zum Examen wurde sie als Jüd<strong>in</strong><br />

schon nicht mehr zugelas<strong>se</strong>n. <strong>Das</strong> galt auch für ihr Ziel, e<strong>in</strong>e Ausbildung als Geburtsgymnast<strong>in</strong> zu erhalten.<br />

So arbeitete sie bis Ende 1936 weiter als <strong>se</strong>lbständige Gymnastiklehrer<strong>in</strong>, nun auch <strong>in</strong> ihrer neuen Wohnung<br />

Schwarzwaldstraße 207. E<strong>in</strong>er Teilnehmer<strong>in</strong> ihres Gymnastikkur<strong>se</strong>s sagte sie 1934, dass sie angesichts <strong>der</strong><br />

immer schlimmer werdenden Judenverfolgung auswan<strong>der</strong>n werde, bevor es zu spät <strong>se</strong>i: „Sie befürchtete,<br />

daß <strong>die</strong> Juden e<strong>in</strong>es Tages doch zwangsläufig fortgeschafft werden.“<br />

E<strong>in</strong> Erlebnis war für<br />

Lore Sternweiler <strong>und</strong><br />

ihre <strong>Familie</strong> sicher<br />

<strong>die</strong> Fahrt mit dem<br />

Dampfer „G. Cesare“<br />

von Genua nach<br />

Kapstadt. Danach<br />

wurde es schwer.


Am 26.2.1937 bestieg Lore Sternweiler mit ihrem Mann <strong>und</strong> <strong>der</strong> 18 Monate alten Tochter Ruth <strong>in</strong> Genua das<br />

italienische Passagierschiff „Giulio Cesare“, das <strong>se</strong>it 1933 <strong>die</strong> Mittelmeer-Südafrika-Route befuhr. Die Drei<br />

gehörten zu den 244 Passagieren <strong>der</strong> Ersten Klas<strong>se</strong>, mit eigenem Bad <strong>in</strong> ihren Kab<strong>in</strong>en. <strong>Das</strong> 1935<br />

mo<strong>der</strong>nisierte Schiff verfügte über e<strong>in</strong>en Nachtclub mit Bar auf dem Oberdeck, Telefonen <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Kommunikationsgeräten. Der Genuss <strong>und</strong> <strong>die</strong> neue Freiheit auf <strong>die</strong><strong>se</strong>r Rei<strong>se</strong> nach Kapstadt, also ans an<strong>der</strong>e<br />

Ende <strong>der</strong> Welt, konnten nicht <strong>die</strong> Aufregung <strong>und</strong> Angst verges<strong>se</strong>n machen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> unter<br />

e<strong>in</strong>em Judenhas<strong>se</strong>r als Oberbürgermeister zu erleiden hatte. Bei Lore Sternweiler führte <strong>die</strong>s dazu, dass sie<br />

sich nur wenige Monate nach ihrer Ankunft e<strong>in</strong>er schweren Magenoperation (Zwölff<strong>in</strong>gerdarmgeschwür)<br />

unterziehen musste. Die Folge <strong>die</strong><strong>se</strong>r Operation waren heftige Verdauungsstörungen, <strong>die</strong> sie den Rest ihres<br />

Lebens plagten <strong>und</strong> zu strengster Diät zwangen.<br />

Auch <strong>in</strong> Südafrika hörten <strong>die</strong> Sorgen nicht auf. Hans Sternweiler, ihr Mann, fand wi<strong>der</strong> Erwarten als gelernter<br />

Kaufmann nur schlecht bezahlte Jobs, <strong>und</strong> Lore Sternweiler konnte erst im Jahr 1941 wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrem Beruf<br />

arbeiten, da sie vorher ke<strong>in</strong>e Lizenz als Physiotherapeut<strong>in</strong> bekam. <strong>Das</strong> Landesamt für Wie<strong>der</strong>gutmachung<br />

g<strong>in</strong>g mit ihr fürsorglicher um als mit ihrer Verwandtschaft. So erhielt sie Entschädigung für Berufsschaden,<br />

Schaden an Vermögen <strong>und</strong> auch für ihre ges<strong>und</strong>heitlichen Probleme wurde sie, da als verfolgungsbed<strong>in</strong>gt<br />

anerkannt, entschädigt <strong>und</strong> ihr e<strong>in</strong> Heilverfahren bewilligt. Nur <strong>die</strong> per Klage von ihr beantragte höhere<br />

Erwerbsunfähigkeit lehnten das Landesamt wie <strong>die</strong> Entschädigungskammer des Landgerichts im August 1968<br />

ab. Dafür <strong>se</strong>i ihr sonstiger Ges<strong>und</strong>heitszustand für ihr Alter e<strong>in</strong>fach zu gut – <strong>und</strong> außerdem arbeite sie ja noch<br />

jeden Tag.<br />

Nach dem Tod von Hans Sternweiler am 17.12.1888 blieb Lore Sternweiler bis 1995 noch <strong>in</strong> Südafrika – <strong>und</strong><br />

wagte mit fast 90 Jahren noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Neuanfang <strong>in</strong> den USA – <strong>in</strong> Boston. Dort lebte sie noch drei Jahre,<br />

bis sie sie am 4.12.1998 mit 93 Jahren starb.<br />

Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> floh zuerst zur Tochter Lore nach Südafrika<br />

Ihre Mutter Clement<strong>in</strong>e geb. Goldschmidt wollte nach dem Terror <strong>der</strong> Pogromnacht im November 1938 nur<br />

noch raus aus <strong>die</strong><strong>se</strong>m Land. So wartete sie auch nicht den Notarterm<strong>in</strong> am 15. Mai 1939 ab, bei dem <strong>der</strong><br />

Verkauf des ihr <strong>und</strong> den Töchtern gehörenden Geschäftshau<strong>se</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> Salzstraße 33 besiegelt werden sollte.<br />

Bares Geld für ihre Zukunft war da ohneh<strong>in</strong> nicht mehr zu erwarten, da Juden damals bei <strong>der</strong> Ausrei<strong>se</strong> nur<br />

noch 10 RM mitnehmen durften. Dazuh<strong>in</strong> war das Haus durch Hypotheken, <strong>die</strong> sie nach dem Tod ihres<br />

Mannes im Jahr 1924 aufgenommen hat, laut Kaufvertrag „überschuldet“. Käufer war Carl Otto Rothweiler<br />

aus Berl<strong>in</strong>-Charlottenburg.<br />

Da Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> vergeblich auf das beantragte Visum aus den USA gewartet hatte, entschloss sie sich,<br />

zuerst zu ihrer Tochter Lore Sternweiler zu rei<strong>se</strong>n, <strong>die</strong> <strong>se</strong>it Februar 1937 <strong>in</strong> Kapstadt <strong>in</strong> Südafrika lebte. Sie<br />

fuhr Ende April 1939 mit dem Zug nach Hamburg <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g dort an Bord <strong>der</strong> „SS Pretoria“, e<strong>in</strong>em 1936 <strong>in</strong><br />

Hamburg <strong>in</strong> Dienst gestellten Passagierschiffs <strong>der</strong> Deutsch Ostafrika-L<strong>in</strong>ie. In Kapstadt blieb sie gut e<strong>in</strong> Jahr.<br />

Sie verkaufte dort so viel von ihrem <strong>in</strong> <strong>se</strong>chs Rollis mitgebrachtem Hausrat, dass sie <strong>die</strong> Weiterfahrt <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

USA bezahlen konnte.<br />

Über den Umweg<br />

Südafrika traf<br />

Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> geb.<br />

Goldschmidt am 2.<br />

September 1940 <strong>in</strong><br />

New York e<strong>in</strong>, wo sie<br />

bei ihrer Tochter Lilly<br />

<strong>in</strong> Brooklyn wohnte.<br />

Als das Visum von dort endlich e<strong>in</strong>traf, <strong>se</strong>tzte <strong>die</strong> nun 63jährige ihre Rei<strong>se</strong> am 21. August 1940 fort. Mit e<strong>in</strong>er<br />

Zwischenstation <strong>in</strong> Rio de Janeiro traf sie auf dem Passagierschiff „SS Uruguay“ am 2. September 1940 <strong>in</strong><br />

New York e<strong>in</strong>. (<strong>Das</strong> Schiff hieß zuvor „SS California“, aber Präsident Roo<strong>se</strong>velt wollte mit <strong>der</strong> Umbenennung<br />

1936 e<strong>in</strong> Zeichen <strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>schaft mit Südamerika <strong>se</strong>tzen.)


In New York wurde Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> von ihrer Tochter Elisabeth Beate Bach, <strong>die</strong> alle nur Lilly nannten,<br />

erwartet. Sie nahm <strong>die</strong> Mutter <strong>in</strong> ihre Wohnung <strong>in</strong> Brooklyn, 540 Ocean Boulevard, auf, wo <strong>die</strong><strong>se</strong> dann bis zu<br />

ihrem Leben<strong>se</strong>nde wohnte.<br />

Der Käufer des <strong>Freiburg</strong>er Hau<strong>se</strong>s fürchtete um <strong>se</strong><strong>in</strong> An<strong>se</strong>hen<br />

Dem Ordnungss<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Brasilianer<br />

verdanken wir <strong>die</strong><strong>se</strong>s Dokument mit<br />

dem Foto von Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> geb.<br />

Goldschmidt. Sie brauchte für den<br />

Zwischenstopp Rio de Janeiro auf<br />

dem Weg von Kapstadt nach New<br />

York <strong>die</strong><strong>se</strong>s Visum. Dar<strong>in</strong> wird ihr<br />

Vater Isaac <strong>Marx</strong> genannt. Da sie<br />

aber stets als geb. Goldschmidt<br />

geführt wird, war sie wohl vor <strong>der</strong><br />

Hochzeit mit Leo <strong>Marx</strong> schon<br />

e<strong>in</strong>mal verheiratet.<br />

Im Jahr 1949 unternahm sie den ersten Versuch, den Verkauf des Geschäftshau<strong>se</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> Salzstraße 33<br />

rückgängig zu machen. Immerh<strong>in</strong> lag im Mai 1939 nicht das nötige E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> Ehemänner ihrer<br />

Töchter für den Verkauf vor, weshalb <strong>der</strong> Verkauf im Gr<strong>und</strong>buch nicht aufgelas<strong>se</strong>n werden konnte. <strong>Das</strong><br />

wurde dann 1942 durch <strong>die</strong> Beteiligung e<strong>in</strong>es Treuhän<strong>der</strong>s zwangswei<strong>se</strong> nachgeholt. Doch damit war <strong>die</strong><strong>se</strong>r<br />

Verkauf e<strong>in</strong>es Gr<strong>und</strong>stücks aus <strong>jüdische</strong>m Besitz e<strong>in</strong>e heikle Angelegenheit.<br />

Auf <strong>die</strong> am 4.8.1949 e<strong>in</strong>gereichte Klage des Anwalts von Clement<strong>in</strong>e Goldschmidt reagierte <strong>der</strong> Käufer Carl<br />

Otto Rothweiler mit Unverständnis. Er habe das Anwe<strong>se</strong>n <strong>in</strong> gutem Glauben erworben, dass er <strong>der</strong> <strong>Familie</strong><br />

<strong>Marx</strong> mit dem Kauf sogar e<strong>in</strong>en Gefallen getan habe. Schließlich lasteten 1939 auf dem Gr<strong>und</strong>stück<br />

Hypotheken <strong>in</strong> Höhe von r<strong>und</strong> 77.000 RM, während <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heitswert nur 42.000 RM betragen habe. Schon<br />

alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Bezahlung <strong>der</strong> Hypotheken-Z<strong>in</strong><strong>se</strong>n habe <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> überfor<strong>der</strong>t. Dem hielt <strong>der</strong> Anwalt <strong>der</strong> <strong>Familie</strong><br />

entgegen, dass <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Hypotheken von e<strong>in</strong>em Verwandten aus Zürich gehalten worden <strong>se</strong>i, <strong>der</strong><br />

niemals e<strong>in</strong>er Zwangsversteigerung zugestimmt hätte. Die<strong>se</strong>r habe auch auf <strong>se</strong><strong>in</strong>e Z<strong>in</strong><strong>se</strong>n verzichtet, <strong>der</strong> Rest<br />

<strong>der</strong> Gläubiger habe sich mit 40 Prozent zufrieden gegeben.<br />

Rothweiler führte noch den schlechten Zustand<br />

des Gebäudes an, was vehement bestritten<br />

wurde: Immerh<strong>in</strong> hätten dort nur „arische“<br />

Mieter gewohnt, <strong>die</strong> sich gegen so etwas sicher<br />

gewehrt hätten. Die <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong> bot<br />

Rothweiler e<strong>in</strong>e gütliche E<strong>in</strong>igung an, wenn er<br />

für das Haus „zur Abgeltung <strong>der</strong><br />

Rückerstattungs- <strong>und</strong> Nutzungsansprüche“ noch<br />

e<strong>in</strong>en höheren Betrag nachzahle. Im Oktober<br />

1951 kam es dann zum Vergleich: Rothweiler<br />

zahlte <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> <strong>in</strong> Raten zu je 150 DM im<br />

Monat <strong>in</strong>sgesamt 4.000 DM nach – <strong>und</strong> war<br />

damit unangefochtener Besitzer des gut 2 ar<br />

großen Anwe<strong>se</strong>ns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Salzstraße 33. <strong>Das</strong> Foto<br />

von Bernd Serger zeigt <strong>die</strong> Gebäude Salzstraße<br />

31 (l<strong>in</strong>ks) <strong>und</strong> Salzstraße 33 im Jahr 2017.<br />

Rothweiler war sichtlich bemüht, es 1951 nicht zu e<strong>in</strong>em Prozess vor dem Landgericht kommen zu las<strong>se</strong>n:<br />

Der damals 65jährige war 1950 zum Vorstandsvorsitzenden des Osram-Konzerns <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> aufgestiegen, e<strong>in</strong>


Amt, das er bis 1953 bekleidete <strong>und</strong> das er sicher nicht durch e<strong>in</strong>en öffentlichen Prozess gegen ihn wegen<br />

Rückerstattung <strong>jüdische</strong>n Vermögens belasten wollte.<br />

Sie war 1939 zu arm für <strong>die</strong> Judenvermögensabgabe<br />

Durch hartnäckiges Nach<strong>se</strong>tzens ihres Anwalts, zum Teil auch auf dem Klageweg, erreichte Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong><br />

<strong>in</strong> den Jahren bis 1958 auch, dass ihr <strong>die</strong> Auswan<strong>der</strong>ungskosten, ihr Umzugsgut <strong>und</strong> auch das 47teilige<br />

Silberbesteck, das sie 1938 <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong> wie alle Juden abliefern musste, im damals gegebenem bescheidenen<br />

Maße (im Verhältnis 5:1) er<strong>se</strong>tzt wurde. Auf e<strong>in</strong>en Ersatz <strong>der</strong> Reichsfluchtsteuer o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Judenvermögensabgabe konnte sie nicht hoffen – sie war 1939 trotz des Hauverkaufs zu arm, um überhaupt<br />

dazu veranlagt werden zu können.<br />

Auf e<strong>in</strong>em Dokument vom 1955 wurde ihre <strong>die</strong>sbezügliche Aussage durch e<strong>in</strong>en New Yorker Notar namens<br />

Ernest Bach beglaubigt. Es wäre e<strong>in</strong> schöner Zufall, wenn ihr da ihr Schwiegersohn Ernst Bach zur Seite<br />

gestanden hätte, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> den USA Ernest Bach nannte. Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> überlebte ihn, <strong>der</strong> am 19.11.1994<br />

<strong>in</strong> New York starb, um vier Jahre. Sie folgte ihm im Januar 1968 im Alter von 94 Jahren.<br />

*<br />

Die <strong>Geschichte</strong> des Kaufhau<strong>se</strong>s <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong> ist damit erzählt, soweit sie mit e<strong>in</strong>igem<br />

Aufwand recherchiert werden konnte. Und sie ist es wert, nicht verges<strong>se</strong>n <strong>und</strong> nicht unterschlagen zu werden<br />

– auch weil sie so spannend, so traurig <strong>und</strong> so wi<strong>der</strong>sprüchlich ist.<br />

Im Prospekt <strong>der</strong> Firma Betten-Striebel aus Anlass des 80jährigen Jubiläums ist im Oktober 2017 über <strong>die</strong><strong>se</strong><br />

<strong>Geschichte</strong>, <strong>die</strong> ja <strong>die</strong> Vorgeschichte <strong>der</strong> Firma Striebel ist, nicht e<strong>in</strong> Wort zu le<strong>se</strong>n. „Seit 80 Jahren ist Betten<br />

Striebel GmbH e<strong>in</strong> <strong>Familie</strong>n Unternehmen“, so lautete <strong>die</strong> Überschrift über <strong>die</strong> Firmengeschichte, <strong>die</strong> dann<br />

aber erst 1980 beg<strong>in</strong>nt, als Hans Hamer als Geschäftsführer <strong>in</strong> das Unternehmen e<strong>in</strong>trat <strong>und</strong> später alle<strong>in</strong>iger<br />

Ge<strong>se</strong>llschafter <strong>der</strong> Firma Betten Striebel GmbH wurde. „Er war Jahrzehnte lang <strong>in</strong> <strong>der</strong> Matratzen- <strong>und</strong><br />

Lattenrost- Entwicklung tätig.“ Seit 1998 ist Hildegard Hamer, so hieß es weiter, für den E<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Verkauf von<br />

Bettwäsche, Frottierwaren <strong>und</strong> Nachtwäsche verantwortlich. Schließlich ist auch Sohn Florian Hamer „<strong>se</strong>it<br />

2011 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung des Unternehmens <strong>und</strong> <strong>se</strong>it Anfang 2017 als Geschäftsführer tätig“.<br />

Von <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> Striebel war <strong>in</strong> dem Rückblick nicht <strong>die</strong> Rede. Da musste man schon <strong>die</strong> Homepage von<br />

Betten-Striebel aufsuchen, <strong>die</strong>, wie es im Jahr 2017 schien, <strong>se</strong>it dem 75jährigen Jubiläum, also <strong>se</strong>it 2012, nicht<br />

mehr geän<strong>der</strong>t wurde. Zur <strong>Geschichte</strong> des Hau<strong>se</strong>s war da zu le<strong>se</strong>n: „Textilkaufmann Franz Striebel hat 1937<br />

<strong>die</strong> Firma gegründet. Er konzentrierte das Angebot mehr <strong>und</strong> mehr auf Betten- <strong>und</strong> Aussteuerware <strong>und</strong><br />

entwickelte das Unternehmen zu e<strong>in</strong>em namhaften Spezialgeschäft <strong>die</strong><strong>se</strong>r Branche.“ Auch <strong>in</strong> dem Text, <strong>der</strong><br />

am 9.10.2012 <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Badischen Zeitung“ zum 75jährigen Bestehen von Betten-Striebel erschienen ist, ist von<br />

e<strong>in</strong>er Vorgänger-Firma mit dem gleichen Warenangebot o<strong>der</strong> gar <strong>der</strong> Übernahme e<strong>in</strong>es <strong>jüdische</strong>n Kaufhau<strong>se</strong>s<br />

im Jahr <strong>der</strong> Gründung nichts zu le<strong>se</strong>n.<br />

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die <strong>Familie</strong> Hamer hat mit <strong>der</strong> „<strong>Arisierung</strong>“ des Kaufhau<strong>se</strong>s <strong>Julius</strong><br />

<strong>Marx</strong> nichts zu tun, das war alle<strong>in</strong> Angelegenheit <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> Striebel. Und man kann sich auch darüber<br />

unterhalten, wie <strong>und</strong> <strong>in</strong> welchem Umfang man nach 80 Jahren an <strong>die</strong><strong>se</strong> <strong>Geschichte</strong> er<strong>in</strong>nert. Die jetzige<br />

Inhaber-<strong>Familie</strong> Hamer weiß spätestens <strong>se</strong>it dem Text von Manfred Gallo <strong>in</strong> <strong>der</strong> Serie „Wie<strong>der</strong><strong>se</strong>hen!“, <strong>der</strong><br />

am 13. Juni 2016 <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Badischen Zeitung“ erschienen ist, von <strong>der</strong> <strong>jüdische</strong>n Vorgeschichte <strong>der</strong> Firma<br />

Striebel. Es kann also nicht Unkenntnis gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong><strong>in</strong>, <strong>die</strong> h<strong>in</strong>ter dem völligen Verschweigen <strong>die</strong><strong>se</strong>r <strong>Geschichte</strong><br />

steht.<br />

Aber was war es dann?<br />

<strong>se</strong> - <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Arisierung</strong> durch <strong>die</strong> Firma Streibel, Text für BZ-Magaz<strong>in</strong>.pdf<br />

Am 21. Juli 2018 erschien im Wochenendmagaz<strong>in</strong> <strong>der</strong> „Badischen Zeitung“ me<strong>in</strong> Beitrag über <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

des <strong>jüdische</strong>n Kaufhau<strong>se</strong>s <strong>Julius</strong> <strong>Marx</strong>, <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> <strong>Marx</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> „<strong>Arisierung</strong>“ des Geschäfts durch Franz


Striebel <strong>se</strong>n. <strong>und</strong> <strong>se</strong><strong>in</strong>e Söhne. Dar<strong>in</strong> g<strong>in</strong>g ich auch auf den merkwürdig un<strong>in</strong>teressierten Umgang <strong>der</strong> jetzigen<br />

Inhaber-<strong>Familie</strong> Hamer mit <strong>der</strong> ihr ja im Gr<strong>und</strong>satz bekannten <strong>jüdische</strong>n Vorgeschichte e<strong>in</strong> <strong>und</strong> erlaubte mir<br />

e<strong>in</strong>e kritische Bemerkung dazu (was letztlich dazu führte, dass <strong>die</strong> „Badische Zeitung“ ke<strong>in</strong>e Texte mehr von<br />

mir abdruckt).<br />

Auf Drängen von Ir<strong>in</strong>a Katz, <strong>der</strong> Vorsitzenden <strong>der</strong> Jüdischen Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>, versprach Firmenchef Hans<br />

Hamer, <strong>die</strong> <strong>jüdische</strong>n Ursprünge <strong>se</strong><strong>in</strong>er Firma <strong>in</strong> Bälde durch e<strong>in</strong>en Journalisten recherchieren <strong>und</strong> aufarbeiten<br />

zu las<strong>se</strong>n <strong>und</strong> das Ergebnis dann auf <strong>der</strong> Website <strong>der</strong> Firma Betten Striebel zu veröffentlichen. Wir warten<br />

noch heute darauf.<br />

<strong>Freiburg</strong>, im Februar 2020<br />

Quellen:<br />

Brucher-Lembach Andrea: „… wie H<strong>und</strong>e auf e<strong>in</strong> Stück Brot – Die <strong>Arisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>gutmachung <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>“, Donzelli-Kluckert Verlag Bremgarten, 2004<br />

Chicker<strong>in</strong>g Roger: „<strong>Freiburg</strong> im Ersten Weltkrieg – Totaler Krieg <strong>und</strong> städtischer Alltag 1914-1918“, deutsche<br />

Über<strong>se</strong>tzung Ferd<strong>in</strong>and Schön<strong>in</strong>gh Pa<strong>der</strong>born, 2009<br />

Claus<strong>in</strong>g Kathr<strong>in</strong>: „Leben auf Abruf – Zur <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiburg</strong>er Juden im Nationalsozialismus“,<br />

Stadtarchiv <strong>Freiburg</strong>, 2005<br />

Enzenbach, Haney (Hg.): „Alltagskultur des Anti<strong>se</strong>mitismus im Kle<strong>in</strong>format“, Metropol Verlag Berl<strong>in</strong>, 2012<br />

Haumann Heiko, Schadek Hanns (Hg.): „<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Stadt <strong>Freiburg</strong> – Band 3 – Von <strong>der</strong> badischen<br />

Herrschaft bis zur Gegenwart“, 2. Ergänzte Auflage, Konrad-Theiss-Verlag Stuttgart, 2001<br />

Locher-Dodge Birgit: „Verdrängte Jahre? Wangen im Allgäu 1933-1945“, Hg. Vom Altstadt- <strong>und</strong><br />

Mu<strong>se</strong>umsvere<strong>in</strong> Wangen, 1999<br />

Meckel Marlies: „Den Opfern ihre Namen zurückgeben -Stolperste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>Freiburg</strong>“, Rombach Verlag <strong>Freiburg</strong>,<br />

2006<br />

Sauer Paul: „Die Schicksale <strong>der</strong> <strong>jüdische</strong>n Bürger Baden-Württembergs während <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Verfolgungszeit 1933-1945“, W. Kohlhammer Verlag Stuttgart, 1969<br />

Toury Jacob: „Jüdische Textilunternehmer <strong>in</strong> Baden-Württemberg 1683-1938“, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)<br />

Tüb<strong>in</strong>gen, 1984<br />

Stadtarchiv <strong>Freiburg</strong>:<br />

C 3/361/03 Verband <strong>der</strong> Rabattsparvere<strong>in</strong>e Deutschlands<br />

C 3/361/04 Rabattsparvere<strong>in</strong>e<br />

C 3/376/93 Kaufmännischer Vere<strong>in</strong> „Merkur“<br />

C 3/376/04 Verband <strong>se</strong>lbständiger Kaufleute <strong>und</strong> Gewerbetreiben<strong>der</strong><br />

C3/379/02 Verband deutscher Detailgeschäfte <strong>der</strong> Textilbranche<br />

C 4/I/23/3 Baugesuche an <strong>der</strong> Gauchstraße<br />

C 4/I/32/6 Baugesuche an Rotteckplatz u. Rotteckstraße<br />

C 4/IX/20/1 Handelskammer: Tätigkeit <strong>und</strong> Jahresberichte<br />

C 4/IX/20/3 <strong>Freiburg</strong>er E<strong>in</strong>zelhandel 1926-1938<br />

C4/IX/20/4 Gewerbe <strong>und</strong> Handel – Maßnahmen zum Schutz des E<strong>in</strong>zelhandels<br />

C 4/IX/20/5 Gesuche um Handel<strong>se</strong>rlaubnis<br />

C 4/XII/28/2 Parkplatt Rotteckplatz<br />

Stadtarchiv Wangen:<br />

Politische Parteikarte von Lucie Seelos, 1946 u.a.<br />

Staatsarchiv <strong>Freiburg</strong>:<br />

Wie<strong>der</strong>gutmachungsakten von:<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>, Ernst Rothschild, Gertrude Lui<strong>se</strong> gen. Lotte Rothschild, Clement<strong>in</strong>e <strong>Marx</strong> geb. Goldschmidt, Lore<br />

Sternweiler geb. <strong>Marx</strong><br />

dazu: Leo <strong>Marx</strong>, G 540-5 2158<br />

Universitätsbibliothek <strong>Freiburg</strong>:<br />

Digitale Ausgaben <strong>der</strong>:


<strong>Freiburg</strong>er Zeitung<br />

<strong>Freiburg</strong>er Nachrichten<br />

<strong>Freiburg</strong>er Adressbücher<br />

United States Holocaust Memorial Mu<strong>se</strong>um Wash<strong>in</strong>gton:<br />

Erw<strong>in</strong> <strong>Marx</strong> papers, Accession Number: 1990.283.13 | RG Number: RG-28.011<br />

Ernst Rothschild: World War I medals awarded to Ernst Rothschild for bravery dur<strong>in</strong>g World War I, Accession<br />

Numbers: 1990.283.1-7<br />

Ancestry.com.<br />

<strong>Marx</strong>-Family-Tree, erarbeitet von Bernd Serger:<br />

https://www.ancestry.com/family-tree/tree/116358257/family?u<strong>se</strong>PUBJs=true<br />

Initiative Jüdische Spuren <strong>in</strong> Sulzburg, c/o Sibylle Hoeschele, Bad Kroz<strong>in</strong>ger Str. 4a, 79295 Sulzburg. Sie<br />

betreibt <strong>die</strong> Seite http://www.juden-<strong>in</strong>-sulzburg.de

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