06.02.2023 Aufrufe

se - Freiburger Kinogeschichte 2023

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Friedrichsbau-Lichtspiele in der Kai<strong>se</strong>r-Jo<strong>se</strong>ph-Straße in Freiburgim Sommer 2019. Hier war noch Hoffnung, als das Kino über die<br />

Sommerwochen zumachte, um einiges im Innern zu renovieren. Nun droht das Ende. Rechts eine Anzeige aus der „<strong>Freiburger</strong><br />

1Zeitung“ vom 8. April 1911, wenige Tage vor der Eröffnung. Foto: Bernd Serger, Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Erst war’s der Kinematograph:<br />

Wie das Kino<br />

einst nach<br />

Freiburg kam<br />

Das Kinogebäude (links) in der Kai<strong>se</strong>rstraße 150 im Jahr 1911, dem Jahr der<br />

Eröffnung. Foto: Georg Röbcke, aus Peter Kalchthaler, Archivbilder<br />

Freiburg, Sutton Verlag Erfurt 2003<br />

Die Geschichte der<br />

Filmtheater bis 1945<br />

von Bernd Serger<br />

Was für ein Schock für die <strong>Freiburger</strong> Kinofreunde! Die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ werden<br />

spätestens von Ende März <strong>2023</strong> an ihren Betrieb einstellen - „aus wirtschaftlichen Gründen“, so die<br />

Geschäftsführer Ludwig Ammann und Michael I<strong>se</strong>le in einer Pres<strong>se</strong>mitteilung, die die „Badische<br />

Zeitung“ am 3. Januar veröffentlichte.


Seit März 2019 <strong>se</strong>i es nicht möglich gewe<strong>se</strong>n, von den Besitzern des Friedrichsbaus, der Franz-Xaver<br />

und Emma-Seiler-Stiftung, einen „Vertrag mit zukunftsfähiger Laufzeit“ zu erhalten. Nötige<br />

Investitionen in Höhe von einer Millionen Euro könnten so nicht getätigt werden. Die Nachricht von<br />

der drohenden Schließung des Kinos war für die <strong>Freiburger</strong> Kinofreunde ein Schock – und sie<br />

reagierten darauf mit einer Welle von Solidarität und einer Petition, auch der Oberbürgermeister<br />

schaltete sich ein. Zuletzt ging es Ende Januar darum, mit der Stiftung unter dem Dach der<br />

Stiftungsverwaltung Freiburg doch noch eine Zukunft für das älteste noch existierenden Kino der<br />

Stadt Freiburg zu ermöglichen: die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ wurden am 16. April 1911 in der<br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 148-150 (heute Kai<strong>se</strong>r-Jo<strong>se</strong>ph-Straße 267-269) eröffnet, damals als drittes<br />

Lichtspielhaus der Stadt Freiburg. Hier nun ihre Geschichte – und nicht nur ihre bis 1945.<br />

Wie begann das mit den bewegten Bildern in Freiburg?<br />

So traurig das Ende des Kinos ist, bietet es doch Gelegenheit. der Frage nachzugehen, wie das mit<br />

den Kinos in Freiburg denn alles angefangen hat. Seit wann gibt es Kinos in Freiburg überhaupt?<br />

Hier der Versuch einer Antwort – und die<strong>se</strong> fängt schon vor den eigentlichen Kinos an.<br />

Wer zu die<strong>se</strong>m Thema recherchiert, stößt im Internet auf einen beeindruckend detailreichen<br />

Aufsatz der Historikerin Marga Burkhardt aus dem Jahr 1998 unter dem Titel „<strong>Freiburger</strong><br />

Kinolandschaft bis 1919 – Camera obscura und Kai<strong>se</strong>r-Panorama“ ( http://www.freiburgpostkolonial.de/Seiten/Burkhardt-<strong>Kinogeschichte</strong>.htm).<br />

Wobei sich der Text (glücklicherwei<strong>se</strong> )<br />

nicht an die Überschrift hält, sondern den Bogen teilwei<strong>se</strong> bis in die nahe Gegenwart spannt. Ich<br />

werde mich in die<strong>se</strong>m Beitrag hier – mit freundlicher Zustimmung der Autorin - auf die Arbeit von<br />

Marga Burkhardt stützen, sie aber mit Erkenntnis<strong>se</strong>n aus anderen Quellen, darunter auch meinem<br />

Archiv, ergänzen und vor allem auch mit Bild-Material anreichern.<br />

Das „Kai<strong>se</strong>r-Panorama“ im <strong>Freiburger</strong> Bur<strong>se</strong>ngang im Jahr 1906. Foto:<br />

Georg Röbcke, aus: Peter Kalchthaler, Archivbilder Freiburg im<br />

Breisgau, Sutto Verlag Erfurt, 2003<br />

„Bald nach der Erfindung der Photographie<br />

1839“, so liest man bei Marga Burkhardt,<br />

„wurden die ersten Stereoskopbilder<br />

hergestellt, die mit Hilfe einer speziellen<br />

Beleuchtungsoptik den Eindruck von<br />

Räumlichkeit vermittelten.<br />

Stereoskopbilder wurden in Form einer<br />

Camera obscura für einen einzelnen<br />

Betrachter oder im sogenannten<br />

Kai<strong>se</strong>rpanorama mit bis zu 25<br />

Zuschauerplätzen zu viel bestaunten<br />

Attraktionen.“<br />

In Freiburg konnte 1885 der Zahnpraktiker<br />

Leopold Zipfel eine Camera obscura auf<br />

dem Rotteckplatz aufstellen, die jedoch<br />

knapp ein Jahr später wieder entfernt werden musste. Dem Stadtrat war das Ding wohl wirklich zu<br />

obskur. Dabei blieb es erstmal.<br />

Bis am 16. Dezember 1888 im Bur<strong>se</strong>ngang das „Kai<strong>se</strong>r-Panorama“ eröffnet wurde. Freiburg schloss<br />

damit zu Städten wie Berlin, Karlsruhe, Mannheim und Breslau auf, wo der Unternehmer und<br />

Physiker August Fuhrmann 1880 das erste Panorama aufstellen ließ. Die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

schrieb zur Eröffnung des <strong>Freiburger</strong> Ablegers: „Dem Besucher werden herrliche Gegenden aus allen<br />

Welttheilen nach stereoskopischen Aufnahmen durch zwei scharfe Vergrößerungsglä<strong>se</strong>r vorgeführt.


Am 14. Dezember 1888 erschien in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ die Eröffnungsanzeige des „Kai<strong>se</strong>r-<br />

Panoramas“ im Bur<strong>se</strong>ngang.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Schaustellung wurde wiederholt durch den Besuch fürstlicher Personen ausgezeichnet.“<br />

Wir <strong>se</strong>hen da u. A., vor<br />

einer Rotunde sitzend,<br />

in täuschender<br />

Naturtreue die<br />

schönsten Ansichten<br />

von Nordamerika,<br />

insbesondere von<br />

Kalifornien, prächtige<br />

Was<strong>se</strong>rfälle,<br />

Felsparthien,<br />

Indianerwohnungen,<br />

Indianerfamilien,<br />

kalifornische<br />

Baumrie<strong>se</strong>n usw. Jede<br />

Woche soll eine neue<br />

Serie mit 50 Bildern<br />

bringen. – Die<br />

August Fuhrmann hatte nach dem Start in Breslau 1883 <strong>se</strong>in Panorama nach Berlin verlegt und zwar<br />

in die noble „Kai<strong>se</strong>rgalerie“ an der Friedrichstraße. Er nannte <strong>se</strong>in Projekt von da an „Kai<strong>se</strong>r-<br />

Panorama“. Um 1910 gab es, so liest man auf wikipedia, auf der Grundlage von Lizenzvergaben<br />

Filialen in etwa 250 Städten; über 100.000 stereoskopische Bilder zirkulierten in Ringleihe.<br />

Die<strong>se</strong> Lizenzvergaben sorgten in Freiburg bisweilen für<br />

Verwirrung. Denn um 1889/1890 gab es in Freiburg wohl zwei<br />

„Kai<strong>se</strong>r-Panoramen“, eine davon in der Grünwälderstraße 6,<br />

einem Gebäude, das dem Hofmöbelhändler Adolph Dietler<br />

gehörte. Die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ schrieb am 28. November 1889<br />

dazu: „Ein großer Theil un<strong>se</strong>rer Einwohnerschaft wird mit<br />

Interes<strong>se</strong> vernehmen, daß das hier bestens bekannte Kai<strong>se</strong>r-<br />

Panorma demnächst wieder einen Cyclus von Schaustellungen<br />

geben wird. Wie erinnerlich, erregten im vorigen Jahre die<br />

Gruppe ‚bayerische Königsschlös<strong>se</strong>r“ berechtigtes Auf<strong>se</strong>hen. Mit<br />

die<strong>se</strong>r Gruppe wird, wie uns mitgetheilt wird, das Panorama<br />

<strong>se</strong>ine neue Serie beginnen. Die Winterzeit eignet sich umso mehr<br />

zum Besuche die<strong>se</strong>s Instituts, als der Effekt der Bilder bei<br />

Beleuchtung sich erhöht.“<br />

Im März 1890 eröffnete ein direkter Ableger von Fuhrmann nun<br />

wieder im Bur<strong>se</strong>ngang 10 und 11 ein zweites Mal <strong>se</strong>in „Kai<strong>se</strong>r-<br />

Panorama“. Die ersten Jahre waren die rund 50 Sitzplätze stets<br />

gut gefüllt, vor allem, wenn es neben den schönsten<br />

Landschaften und Schlös<strong>se</strong>rn der Welt auch Sensationen aus der<br />

Politik zu <strong>se</strong>hen gab: so im April des Drei-Kai<strong>se</strong>r-Jahres 1889, als<br />

Nur acht Monte nach der Eröffnung des<br />

„Kai<strong>se</strong>r-Panoramas“ im Bur<strong>se</strong>ngang in<br />

Freiburg trat am 8. Dezember 1889 in der<br />

Grünwälderstraße 6 eine<br />

Konkurrenzfirma unter dem <strong>se</strong>lben<br />

Namen an. Hier die Eröffnungsanzeige in<br />

der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

es im „Kai<strong>se</strong>r-Panorama“ die Leichenfeierlichkeiten von Kai<strong>se</strong>r Wilhelm I und dem kurz darauf<br />

gestorbenen Nachfolger Kai<strong>se</strong>r Friedrich III. zu <strong>se</strong>hen gab. Bestens besucht war das Etablis<strong>se</strong>ment<br />

auch im Mai 1889, als „Der Feldzug 1870-1871 mit den Schlachtfeldern“ auf dem Programm stand.


Das „Panorama International“ in der Gerberau war eine zusatzliche Konkurrenz zu den<br />

beiden „Kai<strong>se</strong>r-Panoramen“ in Freiburg. Am 11. Oktober 1893 fand die „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ auch hierfur lobende Worte – besonders für die Bilder von St. Helena, dem<br />

Verbannungsort von Napoleon.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Neben dem „Kai<strong>se</strong>r-<br />

Panorama“ versuchte sich im<br />

Jahr 1891 auch das<br />

Konkurrenz-Unternehmen<br />

„Panorama International“.<br />

Über das Etablis<strong>se</strong>ment in<br />

der Gerberau 3 berichtete<br />

die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ am<br />

13. September 1891: „Das<br />

Panorama International hat<br />

auch in die<strong>se</strong>r Woche eine<br />

interessante, mannigfaltige<br />

Serie ‚Kai<strong>se</strong>rrei<strong>se</strong> Kai<strong>se</strong>r<br />

Wilhelm II. nach England‘<br />

ausgestellt. Sämmtliche<br />

Bilder zeichnen sich durch<br />

wunderbare Plastik, prächtige Perspektive und höchste Naturtreu aus.“ Auch hier gab es jede<br />

Woche eine neue Bilder-Serie zu bestaunen.<br />

1906 kam der erste „Welt-Kinematograph“ in die Stadt<br />

Wenn behauptet wird, dass sich jede technische Errungenschaft im Unterhaltungsbereich neben<br />

den Nachfolgern behaupten konnte, trifft das für die Panoramen nicht zu. Als 1906 auch in Freiburg<br />

(und damit <strong>se</strong>hr früh) die Säle mit Kinematographen eröffneten und zur festen, gut besuchten<br />

Einrichtung wurden, ging es mit dem „Kai<strong>se</strong>r-Panorama“ langsam bergab.<br />

Obwohl auch die Stadtverwaltung die Ursache des Rückgangs der Besucherzahlen im „Kai<strong>se</strong>r-<br />

Panorama“ in der Eröffnung der Kinos sah („besonders die Jugend geht nicht mehr ins Kai<strong>se</strong>r-<br />

Panorama, sondern in den Kinematographen“), fühlte sie sich außerstande, zugunsten des<br />

Panoramas einzugreifen. Und so kam es, wie es wohl kommen musste: im Adressbuch 1910 ist das<br />

„Kai<strong>se</strong>r-Panorama“ im Bur<strong>se</strong>ngang zum letzten Mal aufgeführt. Die Herrlichkeit hatte in Freiburg<br />

also nur zwölf Jahre Bestand.<br />

Original erhaltene Kai<strong>se</strong>rpanoramen finden sich heute, so liest man bei wikipedia, in den<br />

Stadtmu<strong>se</strong>en von München und Wels, im Deutschen Historischen Mu<strong>se</strong>um, im Märkischen Mu<strong>se</strong>um<br />

in Berlin sowie in einem Mu<strong>se</strong>umsdepot in Neugersdorf (Oberlausitz), wo es bis 1936 betrieben<br />

wurde. Ein Förderverein bemühe sich um ihre Propagierung, es <strong>se</strong>ien auch Nachbauten angefertigt<br />

worden.<br />

Seit 1896 reisten Wanderkinos durch Deutschland. Die Kinematographen gastierten auf Mes<strong>se</strong>n<br />

oder in Varietésälen. Auch in Freiburg wurden "lebendige Bilder" auf der Frühjahrs- und<br />

Herbstmes<strong>se</strong> auf dem Stühlinger Kirchplatz gezeigt. Bald gehörten die rei<strong>se</strong>nden Kintopps zu den<br />

beliebtesten Mes<strong>se</strong>-Vergnügen.<br />

Dass erste ortsfeste Kino, der „Welt-Kinematograph“, eröffnete am Samstag, den 15. Dezember<br />

1906 in Freiburgs Geschäftszentrum in der Kai<strong>se</strong>rstraße 68 - im Haus der Oberrheinischen Bank -<br />

hatten die <strong>Freiburger</strong> Kaufleute Bernhard Gotthart, Franz Julius Wenk, Franz Steiger und Oscar<br />

Kö(c)hler einen Raum für ihr „Theater lebender Photographien“ angemietet. Das Haus des „Welt-


Kinematographen“ gehörte, so berichtet Marga Burkhardt, zu die<strong>se</strong>m Zeitpunkt den Gebrüdern<br />

Hackenjos und Julius Veit. Das „belehrende Institut“ kündigte in <strong>se</strong>iner Eröffnungsanzeige<br />

Die Eröffnungsanzeige der Firma „Welt-Kinematograph“ vom 14.<br />

Dezember 1906 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ sparte nicht mit<br />

Superlativen. Freiburg als Nabel der Kinowelt – so las sich das damals.<br />

Die Anzeige oben vom 2. Februar 1907 gibt einen Einblick in das<br />

kunterbunte Programm, das in der Kai<strong>se</strong>rstraße 68 geboten wurde –<br />

darunter auch, wie später üblich, dokumentarische Szenen von den<br />

Olympischen Spielen 1906.<br />

Abbildungen:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

„Sehenswürdigkeiten ersten Ranges“ an und versprach „täglich<br />

ununterbrochen von Mittags 3 Uhr und Sonn- und Feiertags von<br />

11 Uhr morgens ab Vorführung flimmerfreier<br />

kinematographischer Bilder in unerreichter Vollendung mit<br />

Klavierbegleitung“ und jeweils mittwochs und sonntags<br />

Programmwech<strong>se</strong>l. Die Vorstellungen sollten ca. 1 Stunde<br />

dauern.<br />

Die Eintrittprei<strong>se</strong> (siehe Anzeige) waren im Vergleich zu den<br />

Löhnen, so urteilt Marga Burkhardt, zwar erschwinglich, doch<br />

kein ganz billiges Vergnügen. 1913 lag der<br />

Wochendurchschnittslohn für männliche Arbeiter im südlichen<br />

Baden bei 24,85 Mark, für Fabrikarbeiterinnen zwischen 7,50 und<br />

16 Mark.<br />

Der <strong>Freiburger</strong> Kinobetrieb war nicht das erste Filmtheater, das<br />

die findigen Kaufleute eröffneten. Die <strong>Freiburger</strong> Zentrale warb in<br />

ihrer Anzeige damit, dass die Welt-Kinematograph GmbH „das<br />

größte Unternehmen die<strong>se</strong>r Art auf dem Kontinent“ <strong>se</strong>i. Die Kino-<br />

Kette hatte Im Jahr 1906 bereits Zweigstellen in Köln, München,<br />

Der lokale Bezug war den Machern<br />

des Welt-Kinematograph wichtig -<br />

wie hier im Januar 1910 ein Film über<br />

die Kai<strong>se</strong>r-Parade der <strong>Freiburger</strong><br />

Garnison als Einlage im normalen<br />

Prohramm.<br />

Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg


Düs<strong>se</strong>ldorf und Nürnberg, wo fast zeitgleich mit dem <strong>Freiburger</strong> Geschäft eine Zweigstelle des Welt-<br />

Kinematograph gegründet wurde. Später folgten die Kinos in Saarbrücken (1907), Stuttgart,<br />

Augsburg, Karlsruhe sowie in Ba<strong>se</strong>l (jeweils 1908).<br />

Die Welt-Kinematographen in Zürich, Esslingen, und Straßburg (jeweils 1908) arbeiteten vermutlich<br />

nach einer Art Franchi<strong>se</strong>-Konzept. Die<strong>se</strong> Kinos waren nicht unmittelbarer Bestandteil der Firma,<br />

sondern die <strong>Freiburger</strong> Zentrale kooperierte mit ortsansässigen Geschäftspartnern, die ihren<br />

Betrieb mehr oder weniger <strong>se</strong>lbständig führten. Es ist anzunehmen, daß das erste Kino in Freiburg<br />

nicht besonders groß war, hatte das Kino als Ladengeschäft doch nur einen Teil der Geschäftsräume<br />

der Bank angemietet.<br />

Das Programm des „Welt-Kinematographen“ entsprach der goldenen Regel zur Zusammenstellung<br />

der Filmsujets: Bestandteile sollten Musikstücke, Aktualitäten, Humoristisches, ein Drama,<br />

komische Aufnahmen, Naturbilder sowie Wis<strong>se</strong>nschaftliches <strong>se</strong>in. Gefragt waren vor allem auch<br />

Aufnahmen von aktuellen Ereignis<strong>se</strong>n. Insbesondere Katastrophen wie Erdbeben, Zugunglücke oder<br />

ähnliches boten Stoff für die Verfilmung. Die Filme wurden jedoch im Kintopp nicht stumm<br />

prä<strong>se</strong>ntiert, sondern durch Klavier oder ein kleines Orchester begleitet. Die Begleitmusik bestand in<br />

der Regel aus einer Mischung von improvisierten Geräuschen und bekannten Musikstücken.<br />

Bereit sim April 1908 sucht der Weltt-<br />

Kinematograph in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ einen<br />

Fotografen, der lokale Szenen für das<br />

Kinoprogramm liefern sollte. Das Wort<br />

Kameramann gab es damals noch nicht.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Schon 1908 zeigte das <strong>Freiburger</strong> Welt-Kino eigene<br />

Aufnahmen meist lokalen Bezugs. Kurzfilme über das<br />

Turnfest in Kenzingen, das Hochwas<strong>se</strong>r in Zähringen, die<br />

Wagenrundfahrt am Wald<strong>se</strong>e oder den Besuch des<br />

badischen Großherzogpaars in Freiburg konnten im eigenen<br />

Kino bewundert werden.<br />

Die <strong>Freiburger</strong><br />

Kinopioniere<br />

wandten sich bald<br />

der Filmproduktion zu, ihre Filialen wurden nach und nach<br />

an andere Betreiber verkauft. Ihre Anteile am <strong>Freiburger</strong><br />

Kino Welt-Kinematographen übergaben die Ge<strong>se</strong>llschafter<br />

bereits im Dezember 1908 an den Kaufmann Andreas<br />

Schaller. Das Welt-Kino wird unter die<strong>se</strong>m Namen mit Erfolg<br />

weiter betrieben. Die neue Attraktion fand so großen<br />

Anklang, dass schon 1909 weitere Räume im 2. Stock der<br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 68 angemietet werden.<br />

Die Konkurrenz unter den Filmtheatern in Freiburg wurde<br />

immer härter – besonders, als im April 1911 die<br />

Friedrichsbau-Lichtspiele eröffnet wurden (dazu später). Der<br />

Welt-Kinematograph litt lange unter den beengten<br />

Verhältnis<strong>se</strong>n in der Kai<strong>se</strong>rstraße 68. Nach der Anmietung<br />

von Räumen im Obergeschoss im Jahr 1909 investierte<br />

Andreas Schaller drei Jahre später in den Umbau <strong>se</strong>iner<br />

Spielstätte in ein „modernes Lichtspielhaus“, wie er das<br />

Ergebnis der Bemühungen in einer Anzeige in der<br />

1912 wurde das beengte Kino in der Kai<strong>se</strong>rstraße<br />

68 zu einem „modernen Lichtspielhaus“<br />

umgebaut.<br />

Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg


„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ vom 12. Dezember 1912 anpries. Schaller warb hier ausdrücklich auch mit<br />

<strong>se</strong>iner „Künstler-Kapelle“, die er ja nun auch unterbringen musste.<br />

Eine der letzten Anzeigen, die vom „Welt-<br />

Kinematograph“ in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

erschienen, kündigte am 18. November 1920 das<br />

Endspiel um die Fußballmeisterschaft zwischen<br />

Nürnberg und Fürth an. Abbildungen: Unibibliothek FR<br />

Bei der Werbung für das Programm wurde ab und an<br />

auch geflunkert. So etwa im November 1911, als der<br />

„Welt-Kinematograph“ eine Caruso-Woche ankündigte.<br />

„Caruso, der bedeutendste Tenor aller Zeiten, singt<br />

täglich in jeder Vorstellung ab 2 Uhr nachmittags“, hieß<br />

es in der Anzeige der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Dass es sich<br />

um einen Film mit dem Sänger handelte, mussten sich die<br />

Kino-Gänger wohl <strong>se</strong>lbst denken.<br />

Unter dem Namen „Welt-Kinematograph“ wurden bis ins<br />

Jahr 1924 eigene Filme produziert, die meist bildenden<br />

Charakter hatten. Themen waren vor allem Landschaften<br />

in Deutschland und den Nachbarstaaten und andere,<br />

auch architektonische Sehenswürdigkeiten. Das „Welt-<br />

Kino“ in Freiburg <strong>se</strong>lbst existierte bis Anfang der 20er<br />

Jahre.<br />

Dann fand das<br />

Gebäude<br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 68<br />

(schräg gegenüber der Münstergas<strong>se</strong> gelegen) als Kino und<br />

Heimstätte des „Welt-Kinematograph“, der sich zuletzt „Welt-<br />

Kino“ nannte, ein <strong>se</strong>hr prosaisches Ende: der Hausbesitzer Otto<br />

Hackenjos, der 1897 ein Schuhgeschäft in der<br />

Schwabentorstraße, <strong>se</strong>it 1905 dann in der Bertoldstraße 8<br />

betrieben hatte, zog nun mit <strong>se</strong>inem Schuhladen in <strong>se</strong>in eigenes<br />

Haus in die Kai<strong>se</strong>rstraße. Seit 1897 war dort schon die<br />

Oberrheinische Bank, später die Depositenkas<strong>se</strong> der Rheinischen<br />

Kreditbank untergebracht - nebst anderen Geschäften wie das<br />

von Franz Jo<strong>se</strong>f Hei<strong>se</strong>l, der Hüte und Schirme verkaufte.<br />

Otto Hackenjos beendete 1922 die Nutzung<br />

des Gebäudes Kai<strong>se</strong>rstraße 68 als Kino und<br />

machte ein Schuhgeschäft auf. Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Das Gebäude Kai<strong>se</strong>rstraße 68, in dem der<br />

„Welt-Kinematograph“ <strong>se</strong>it 1906<br />

untergebracht war. Wurde – wie die ganze<br />

westliche Häu<strong>se</strong>rzeile - beim Luftangriff<br />

auf Freiburg am 27. November 1944 völlig<br />

zerstört. Heute wäre die Adres<strong>se</strong> Kai<strong>se</strong>r-<br />

Jo<strong>se</strong>ph-Straße 198. Unter die<strong>se</strong>r<br />

Hausnummer logiert nun das<br />

Modegeschäft Esprit. Foto: Bernd Serger


Das kurze Gastspiel des „Apollo-Kinematograph“ beim „Wiener Café“<br />

Eine Anzeige des „Apollo-Kinematograph“<br />

vom Februar 1909. Auch schon damals<br />

<strong>se</strong>tzte ma auf den Reiz des Sports.<br />

Abbildung; Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Als zweites <strong>Freiburger</strong> Kino wurde am Ostersonntag 1908 in der<br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 25 a, nur wenige Häu<strong>se</strong>r entfernt vom „Welt-<br />

Kinematograph“, der „Apollo-Kinematograph“ eröffnet. Die<br />

Prei<strong>se</strong> für die Vorstellungen im „Apollo“ oder - wie es in der<br />

ersten Zeit hieß - dem „neusten Kino-Theater“ bewegten sich auf<br />

dem<strong>se</strong>lben Niveau wie diejenigen vom „Welt-Kinematograph“.<br />

Das Apollo spielte in einem Nebenraum des „Wiener Cafés“ nahe<br />

des Siegesdenkmals zum Beginn folgendes Programm:<br />

„Panorama der Lagunenstadt<br />

Venedig. Aufnahme gelegentlich des<br />

Besuchs des deutschen Kai<strong>se</strong>rpaars in<br />

Venedig; Pierrot in der Hölle.<br />

Phantastische, spannende Handlung;<br />

Der kluge Hans in Dressur. Kom.<br />

Zirkusnummer; Das Pferd als Retter. Ergreifend; Die Ro<strong>se</strong>, welche Alle<br />

zum Tanzen bringt. Erheiternd, koloriert; Unverfroren. Humoristisch;<br />

Trauerspiel im Zirkus. dramatisch; Die unzeitige Weckuhr. urkomisch“.<br />

Geschäftsführer war Carl Metzger; die Geldgeber im Hintergrund waren<br />

drei <strong>Freiburger</strong> Kaufleute (Johann Helwig, Adolf Sibler und Georg Röbcke,<br />

der Hof- und Stadtfotograf von Freiburg , der <strong>se</strong>ine Anteile 1912<br />

verkaufte und so „mit einem blauen Auge davonkam“, wie er schrieb.<br />

„Die<strong>se</strong>s Kino“, schreibt Marga Burkhardt in ihrer <strong>Freiburger</strong><br />

<strong>Kinogeschichte</strong>, „gab nur ein kurzes Gastspiel. Schon 1911 wird die das<br />

Kino betreibende Ge<strong>se</strong>llschaft Apollo-Kinematograph wieder aus dem<br />

Handelsregister gestrichen“. Doch ganz so kurz war das Gastspiel nicht:<br />

Noch im April 1913, also fünf Jahre nach der Gründung, findet sich in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ eine Anzeige des „Apollo-Kinema“ (rechts), wie sich<br />

das Filmtheater nun nannte. Wenn man das Programm genauer<br />

anschaut, scheint die Schauspielerin Susanna Grandals damals eine<br />

vielbeschäftigte Aktrice gewe<strong>se</strong>n zu <strong>se</strong>in.<br />

Das Saal-Theater „Zentral-Kinematograph“ im „Storchen“,<br />

später in „Zentral-Theater“ umbenannt<br />

Die <strong>Freiburger</strong> Kinopremiere Nr 3. fand im „Storchen“-Saal in der<br />

Schiffstraße 9 am 18. April 1908 statt. Die<strong>se</strong>r Saal im zweiten Stock des<br />

Gebäudes hatte, so berichtet Marga Burkhardt in ihrer <strong>Freiburger</strong><br />

<strong>Kinogeschichte</strong>, zuvor als Varietésaal gedient; im Erdgeschoß befand sich<br />

das Gasthaus „Zum Storchen“. Haus und Gaststätte gehörten den Brauereige<strong>se</strong>llschaft vormals J.<br />

Bercher in Breisach. 1911 ging das Anwe<strong>se</strong>n in den Besitz der Mittelbadischen Brauereige<strong>se</strong>llschaft<br />

in Emmendingen über.<br />

Ge<strong>se</strong>llschafter des neuen Kinos waren Bernhard Dietsche (Kaufmann), Karl Morat (Privatmann) und<br />

Franz Steiert (Kaufmann), die alle in Freiburg ansässig waren. Die Besitzverhältnis<strong>se</strong> sollten sich


allerdings in den nächsten Jahren ständig verändern, ihre Dynamik bildete damit die fortwährenden<br />

Veränderungen des Kinogewerbes ab.<br />

Die Kinovorstellungen begannen nachmittags 3 Uhr und<br />

endeten wochentags um 10 Uhr abends. Sonn- und<br />

Feiertag startete die erste Vorstellung um 1 Uhr. Die<br />

Prei<strong>se</strong> der Plätze lagen auf dem<strong>se</strong>lben Niveau, wie<br />

diejenigen des „Weltkinos“: Erwach<strong>se</strong>ne. Loge 80 Pfg., I.<br />

Platz 60 Pfg., II. Platz 40 Pfg., III. Platz 20 Pfg.; Kinder und<br />

Militär: Loge 40 Pfg., I. Platz 30 Pfg., II. Platz 20 Pfg., III.<br />

Platz 10 Pfg. Zudem bot die Direktion wie der „Welt-<br />

Kinematograph“ ein Abonnement an: I. Pl. (12 Karten) M.<br />

6.-, II. Pl. (12 Karten) M. 4.-. Neben den Abonnements gab<br />

es Ermäßigung für Vereine. Man offerierte ein Büfett im<br />

Saal und versprach, keinen Trinkzwang auszuüben<br />

So schwer konnten die Schäden des Luftangriffs<br />

nicht gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong>in: Schon einen Tag nach der<br />

Bombardierung des Kino-Gebäudes im August<br />

1917 kündigte der Betreiber Karl Thoma die<br />

Wiedereröffnung für wenige Tage später an.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Bereits im Ersten<br />

Weltkrieg wurde<br />

das Zentralkino am<br />

Eine Anzeige vom Dezember 1910. Schon damals<br />

<strong>se</strong>tzte man mit „Die weis<strong>se</strong> Sklavin“ auf die<br />

erotisierende Wirkung von Filmen.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

22. August 1917 durch Bomben französischer Flieger<br />

beschädigt. Burkhardt: „Die Explosion richtete nur<br />

Sachschäden an, Menschen wurden - nach Angabe der<br />

damaligen Filmvorführerin Eli<strong>se</strong> Hatt – weder verletzt noch<br />

getötet, da der Betrieb gerade Mittagspau<strong>se</strong> hatte.“<br />

Die Räumlichkeiten des „Zentraltheaters“ schienen – so<br />

damals das städtische Hochbauamt - nach dem Ersten<br />

Weltkrieg im Vergleich zu anderen Spielstätten in we<strong>se</strong>ntlich<br />

schlechterem Zustand gewe<strong>se</strong>n zu <strong>se</strong>in. Vielleicht war dies<br />

auch eine Folge der Zerstörung im Krieg. Deshalb kündigte<br />

der <strong>se</strong>it 1913 amtierende Betreiber Karl Thoma 1919 den<br />

Umbau des Kinos in „ein modernes, allen Anforderungen der<br />

Neuzeit entsprechendes, mit Balkonen und Logen ver<strong>se</strong>henes<br />

Lichtspieltheaters mit 800 Plätzen“ an; dies stellte gegenüber<br />

den Anfangsjahren (1917 hatte das Kino 460 Sitzplätze) immerhin eine Verdoppelung des<br />

Platzangebotes dar.<br />

Folgt man den Angaben der Website http://www.allekinos.com/FREIBURGZentral.html , so sind<br />

die<strong>se</strong> Pläne wohl nicht wirklich umge<strong>se</strong>tzt worden. Denn von 800 Plätzen ist dort nirgends die Rede.<br />

1917, also zur Zeit der ersten Bombentreffer, sind für das „Zentral-Theater“ noch 470 Sitzplätze<br />

angegeben. Karl Tomas Ankündigung einer umfas<strong>se</strong>nden Renovierung des Kinos aus dem Jahr 1919<br />

stand am Anfang großer, auch finanzieller Probleme durch die Folgen des Versailler Vertrags und<br />

der beginnenden Inflation, die Ende 1923 ihrem Höhepunkt zutrieb. In all den Kino-Anzeigen der<br />

„Central-Lichtspiele“ der 20er Jahre, die mir vorliegen, ist nichts von einem Umbau zu le<strong>se</strong>n.<br />

Rufe nach Zensur – der Skandal im Jahr 1919 um den Film „Die Prostitution“<br />

Vielleicht lag es auch daran, dass das „Zentral-Theater“ im Juli 1919 in einen handfesten Skandal<br />

verwickelt wurde. Marga Burkhardt hat in ihrer <strong>Freiburger</strong> Kino-Geschichte darüber einen


interessanten Beitrag geschrieben. Die Au<strong>se</strong>inander<strong>se</strong>tzung darüber, was im Kino gezeigt werden<br />

darf, <strong>se</strong>i fast so alt wie das Medium. Immer wieder, so stellte sie fest, wurden die Gefahren des<br />

Kinos von Gegnern unter dem Aspekt der Nachahmung des Ge<strong>se</strong>henen diskutiert.<br />

Am 21. Juli 1919 erschien in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

die<strong>se</strong> Anzeige für einen Film, mit dem sich das<br />

„Zentral-Theater“ eine Menge Ärger einhandelte.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Die Au<strong>se</strong>inander<strong>se</strong>tzung über die Inhalte der Filme <strong>se</strong>tzte<br />

sich auch mit den abendfüllenden Filmen fort, erste lange<br />

Kinofilme kamen ab 1912 in die Lichtspieltheater.<br />

Besonders heftig reagierten Teile der <strong>Freiburger</strong><br />

Bevölkerung uf den sogenannten Aufklärungsfilm“Die<br />

Prostitution“, der vom Dienstag, 22 Juli bis Freitag, 25. Juli<br />

1919 im Zentral-Theater gezeigt wurde. So wurde für den<br />

Film von Richard Oswald - einer der erfolgreichsten<br />

Filmemacher der Weimarer Republik und zugleich ihr<br />

skandalträchtigster- geworben: „Die besten Berliner<br />

Künstler spielen in die<strong>se</strong>m größt. Film-Kunstwerk. Zum<br />

ersten Male wird das wunderbare Spiel der einzelnen<br />

Künstler besonders durch vergrößerte, wunderbare<br />

plastische Photographie wiedergegeben. Die<strong>se</strong><br />

Filmschöpfung war vom hiesigen Bezirksamt verboten und<br />

wurde vom Ministerium des Innern wieder freigegeben.<br />

Beginn der einzelnen Vorstellungen 2.45, 5.00, 7.00, 9.00<br />

Uhr, Freikarten sind von 5.00 Uhr an gesperrt “.<br />

Besonders interessant ist in der Anzeige vom 21. Juli 1919<br />

in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ der Hinweis, dass die<strong>se</strong>s<br />

„größte sozialhygienische Filmwerk“ mit<br />

wis<strong>se</strong>nschaftlicher Unterstützung von Sanitätsrat Dr.<br />

Magnus Hirschfeld (er war Leiter des Instituts für<br />

Sexualwis<strong>se</strong>nschaft in Berlin) entstanden <strong>se</strong>i. Der jüdische<br />

Wis<strong>se</strong>nschaftler sollte in der Geschichte des „Zentral-<br />

Theaters“ noch einmal eine Rolle spielen.<br />

Der Film „Die Prostitution“ war kommerziell so<br />

erfolgreich, dass Oswald, so Burkhardt, noch im <strong>se</strong>lben<br />

Jahr eine zweiten Folge mit dem Titel „Die sich verkaufen“<br />

drehte und über <strong>se</strong>inen eigenen Verleih verlieh.<br />

In Freiburg wurde die Kampagne gegen die Aufführung<br />

des Film „Die Prostitution“ zunächst durch den<br />

Universitätsprofessor Engelbert Krebs initiiert, der den Kinotheaterbesitzern in einem Le<strong>se</strong>rbrief an<br />

die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ vorwarf ,aus „Mammonismus“ nur noch „Dirnengeschichten und<br />

Bordellszenen“ zu zeigen.<br />

Marga Burkhardt über den Fortgang der Dinge: „In der Sitzung der Vertrauensmänner des Zentrums<br />

am 25. Juli 1919 vertraten die Anwe<strong>se</strong>nden die Meinung, dass der Film ‚die größte Schweinerei vor<br />

halbwüchsigen Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes‘ zeige. Deshalb beantragte das<br />

Zentrum in einem Antrag vom 20. Oktober, daß die Kinos nur noch eine Spielerlaubnis für die Zeit<br />

zwischen 8 und 10 Uhr abends erhalten sollten. Der katholische Jungmännerbund forderte sogar:<br />

‚Falls die Gesamtrichtung der in den Kinos aufgeführten Stücke die<strong>se</strong>lbe bleibt wie bisher, schließt


die Stadt aus einfacher Notwehr sämtliche Kinobühnen, indem sie die Stromlieferung an die<br />

Lichtspieltheater endgültig verweigert, und läßt es auf den Prozeß gegen sich sowie auf die<br />

Entscheidung des Landtags ankommen‘.<br />

Dem Ansinnen schloß sich, so liest man, ein großes Spektrum vor allem katholischer Vereine an:<br />

katholischer Frauenbund, Mütterverein, Elisabethenverein, Fürsorgeverein, Frauen-Vinzentius-<br />

Verein, Mädchenschutzverein, katholischer Lehrerinnenverein, kath. Kaufmännischer Verein<br />

Veritas, kath. Kaufmännischer Verein Treubund, Arbeiterinnenverein, Dienstbotenverein und der<br />

Handwerkerinnenverein an.<br />

Der Jungmännerbund erhielt aber auch Unterstützung von Frauenvereinen ab<strong>se</strong>its der katholischen<br />

Bewegung: Das Spektrum der Unterzeichnerinnen reichte von der Sozialdemokratischen<br />

Frauen<strong>se</strong>ktion bis zur deutschnationalen Frauengruppe, dem Verband der weiblichen Handels- und<br />

Büroangestellten bis zum Hausfrauenbund, vom altkatholischen Frauenverein über dem Verband<br />

evangelischer Frauenvereine bis zum Israelitischen Frauenverein. Die<strong>se</strong> gemeinsame Plattform<br />

jen<strong>se</strong>its von Konfessions- und Parteigrenzen reichte eine eigene Antragsbegründung nach. In den<br />

beanstandeten Filmen würde nicht nur das Frauentum entwürdigt, sondern sie verstießen auch<br />

gegen die allgemeinen Sittlichkeitsvorstellungen: „Die vorgeführten Filme verderben un<strong>se</strong>re Jugend<br />

und un<strong>se</strong>r Volk. Sie verbreiten den Geist der Faulheit und der Genusssucht, des Bordell- und<br />

Dirnenwe<strong>se</strong>ns. Sie verherrlichen das Abenteuer- und Verbrechertum und Zer<strong>se</strong>tzen das gesunde<br />

Gefühl für Familie und Ehe. Eine Flut von Schmutz wird über un<strong>se</strong>re Stadt ausgegos<strong>se</strong>n“.<br />

Am 27. September meldete sich der Intendant des <strong>Freiburger</strong> Stadttheaters Schwantge zu Wort und<br />

forderte eine lokale Zensurbehörde nach elsässischem Vorbild. In Mülhau<strong>se</strong>n beurteilte der örtliche<br />

Theaterdirektor als Zensor das Kinoprogramm. Damit könnten nach Schwantges Meinung auch in<br />

Freiburg die Auswüch<strong>se</strong> der Kinos bekämpft werden und große ernste Kunst gefördert werden.<br />

Nicht zuletzt <strong>se</strong>i der schlechte Besuch der großen Klassiker und anderer ernster künstlerischer<br />

Schauspielaufführung die<strong>se</strong>r Entwicklung zu verdanken.<br />

Sogar die Zeitung der Sozialdemokratie, die <strong>Freiburger</strong> „Volkswacht“, stellte sich auf die Seite der<br />

Kon<strong>se</strong>rvativen, obgleich sie sich von der generellen kulturpolitischen Stoßrichtung des Zentrums,<br />

die sich z.B. auch gegen Theaterstücke von Frank Wedekind richtete, distanzierte. „Müs<strong>se</strong>n wir<br />

wirklich da bloß mit geballten Fäusten zu<strong>se</strong>hen, wie die durch die Roheit der Kriegsjahre erkrankten<br />

Seelen mit ekler, infektiö<strong>se</strong>r Jauche überflutet werden?“<br />

Kon<strong>se</strong>quenz der Diskussion war, so berichtet Marga Burkhardt, die Einrichtung einer neuen lokalen<br />

Zensurkommission – eine einheitliche ge<strong>se</strong>tzliche Regelung fehlte zu die<strong>se</strong>m Zeitpunkt noch -, die<br />

aus den bisher damit befassten Polizeibeamten Raus, Hölle und Umbauer sowie aus <strong>se</strong>chs<br />

Bezirksratsmitgliedern ( Klett, Klieber, Hörburger, Marbe, Schramm und Zimmermann) gebildet<br />

wurde. Die<strong>se</strong> Kommission besuchte nach einem festgelegten Fahrplan zweimal pro Woche jedes der<br />

drei <strong>Freiburger</strong> Kinos.<br />

Die Kinobesitzer stimmten die<strong>se</strong>r Regelung zu, da sie damit noch am glimpflichsten aus der Sache<br />

herauskamen. Gleichzeitig verwahrten sie sich gegen die Forderung nach einer Vorzensur ihrer<br />

Filme. Das Ansinnen, ihre Spielzeit auf zwei Stunden abends einzuschränken, konnten sie , so<br />

Burkhardt, „augenscheinlich mit dem Hinweis auf den darauf folgenden unvermeidlichen<br />

wirtschaftlichen Ruin abwenden. Die Kinomacher <strong>se</strong>tzten sich gegen die Kinohetze zur Wehr: Zum<br />

einen würden die <strong>Freiburger</strong> Kinos zur Zeit sowieso nur zu verkürzten Zeiten spielen, zum anderen<br />

erziele die Stadt durch die von Kinos bezahlte Lustbarkeitssteuer nicht unbeträchtliche Einnahmen.


Und endlich würden durch eine Reduzierung der Spielzeiten viele Kinoangestellte arbeitslos werden<br />

und damit zu Empfängern von staatlicher Unterstützung“.<br />

Die Diskussion um die Überwachung der Lichtspielhäu<strong>se</strong>r wurde in den Jahren unmittelbar nach<br />

Krieg<strong>se</strong>nde nicht nur auf kommunaler Ebene geführt, sowohl der badische Landtag als auch die<br />

Nationalversammlung diskutierten, ausgelöst durch Filme der unmittelbaren Nachkriegszeit, über<br />

die Filmzensur. Schließlich wurde am 15. Mai 1920 ein Reichsge<strong>se</strong>tz zur einheitlichen Regelung der<br />

Filmzensur in Kraft ge<strong>se</strong>tzt.<br />

Im Streit um die sogenannten<br />

Aufklärungsfilme überlegte man im<br />

<strong>Freiburger</strong> Rathaus, ein Kino in städtischer<br />

Regie einzurichten. Auch die SPD-Zeitung<br />

„Die Volkswacht“ schlug so etwas vor –<br />

und nicht nur das: die „Volkswacht“<br />

forderte gleich auchn die Sozialisierung<br />

der Filmindustrie. Die Stadtverwaltung<br />

prüfte, ob und wie eine Kommunali<strong>se</strong>rung<br />

für die Stadt zu bewerkstelligen wäre.<br />

Dazu beauftragte der Stadtrat die Leiter<br />

des Rechnungsamtes und des<br />

Verkehrsamtes, Daten und Informationen<br />

über die Kinosituation in Freiburg<br />

zusammenzutragen. Mit der Raumsuche<br />

wurde das städtische Hochbauamt<br />

beauftragt.<br />

Der Leiter des Amtes stellte in <strong>se</strong>inem<br />

Bericht fest, geeignet wäre von der<br />

Die<strong>se</strong> Anzeige vom 15. Mai 1925 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ könnte<br />

ein etwas versteckter Versuch der Stadtverwaltung gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong>in,<br />

den Plan für ein städtisches Kino zu verwirklichen. Doch es sollte noch<br />

Jahrzehnte dauern, bis in Freiburg die Idee eines kommunalen Kinos<br />

verwirklicht werden konnte. Abbildung: Universitätsbibliothek<br />

Freiburg<br />

<strong>Freiburger</strong> Kinos eigentlich nur der Friedrichsbau. Die<strong>se</strong>r habe eine sichere und bequeme Anlage.<br />

Einen städtischen Raum, der als Kino genutzt werden könnte, gebe es nicht. Ein Neubau könnte<br />

jedoch in der Hildaschule erstellt werden - dies allerdings würde etwa 100 000 Mark kosten. Etwas<br />

Hoffnung machte das städtische Rechnungsamt: Bilanziere man Besucherzahlen, Einnahmen und<br />

Lustbarkeitssteuern, so las<strong>se</strong> sich mit der Kommunalisierung der Kinos ein Betriebsüberschuss für<br />

die Stadtkas<strong>se</strong> erzielen. Allerdings gibt das Amt zu bedenken, dass der Umsatz natürlich auch von<br />

Qualität und Charakter der gezeigten Filme abhinge: „Es ist eine betrübende und bezeichnete<br />

Erscheinung, daß die belehrenden Filme nicht die Einnahmen erbringen, die der Unternehmer von<br />

den sogenannten zugkräftigen Stücken mit Sicherheit erwarten darf.“<br />

Der Leiter des städtischen Verkehrsamtes, Dufner, gab zu bedenken, dass ihm keinerlei Angaben zu<br />

den Hauptkosten des Kinobetriebs, nämlich den Filmmieten und der Reklame, vorlägen. Er betonte,<br />

so berichtet Marga Burkhart, dass Filme als Handelsware keine festen Prei<strong>se</strong> hätten: „Selbst für<br />

den<strong>se</strong>lben Film können die Prei<strong>se</strong> von einigen Hundert bis zu einigen Tau<strong>se</strong>nd Mark schwanken. Ein<br />

Film-Schlager z.B., der von einem Kino sofort nach dem Erscheinen erworben wird, kann auf 2.000<br />

bis 3.000 Mark zu stehen kommen, während er am Ende <strong>se</strong>iner Tournee nur noch 500 bis 800 Mark<br />

kostet. Hierin das Richtige zu treffen und Ein- und Ausgaben in erträgliches Verhältnis zu <strong>se</strong>tzen, ist<br />

die hauptsächliche Geschäftsaufgabe der Kinotheater-Besitzer. Von zugkräftigen Filmen hängt der<br />

Besuch und damit die Rentabilität des Kinotheaters ab. Zugkräftige Filme sind aber um ein<br />

mehrfaches teurer als 'matte Ware'".


Zu Weihnachten 1925 startete die Direktion der „Vereinigten Lichtspiele“<br />

(damals gehörten noch das „Zentral-Theater“ und die „Casino-Lichtspiele“<br />

dazu) eine Dankesaktion an das <strong>Freiburger</strong> Kinopublikum – mit einem<br />

Seitenhieb nb die Stadtverwaltung, die den Wert der Kinos „nur an der<br />

erdrückenden Lustbarkeitssteuer“ erkenne. Abbildung: Universitätsbibliothek<br />

Freiburg<br />

Den Effekt der Kommunalisierung auf<br />

die künstlerische und sittliche<br />

Qualitätsverbes<strong>se</strong>rung beurteilte<br />

Dufner skeptisch, mehr <strong>se</strong>i wohl durch<br />

den Einfluss auf Filmproduktion und<br />

Verleih zu erzielen. „Nach die<strong>se</strong>n<br />

ernüchternden Ergebnis<strong>se</strong>n der<br />

Recherchen versandete damals das<br />

Interes<strong>se</strong> an einem kommunalen<br />

Kino“, so das Resümee der Autorin.<br />

Das „Zentral-Theater“ kaufte um<br />

1920 erstmal alle Kinos auf<br />

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs<br />

gab es in Freiburg noch drei Kinos:<br />

Das „Zentral-Theater“ (Schiffstraße 9),<br />

die „Kammerlichtspiele“ (früher<br />

Friedrichsbau-Lichtspiele,<br />

Kai<strong>se</strong>rstraße 150) und das „Welt-<br />

Kino“ (Kai<strong>se</strong>rstraße 68). Am<br />

beliebtesten war 1919, so liest man<br />

bei Marga Burkhardt, das „Zentral-<br />

Theater“ mit 232.752 Zuschauern,<br />

während das „Welt-Kino“ nur von<br />

147.532 und der das Kino im<br />

Friedrichsbau sogar nur von 53.980<br />

Kinogängern besucht wurde. In jenem<br />

Jahr gingen die <strong>Freiburger</strong>innen und<br />

<strong>Freiburger</strong> durchschnittlich sieben<br />

Mal pro Jahr ins Kino.<br />

In den nächsten beiden Jahren vollzog sich eine Konzentration auf dem <strong>Freiburger</strong> Kinomarkt. Das<br />

„Zentral-Theater“ übernahm nicht nur den Friedrichsbau, des<strong>se</strong>n Kauf die Kinoleitung in einer<br />

Anzeige am 21. Juli 1919 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ wie folgt begründete: „Das hiesige<br />

Lichtspieltheater zum Friedrichsbau ist durch Kauf in un<strong>se</strong>ren Besitz übergegangen. Der <strong>se</strong>itherige<br />

Besitzer, Herr Alfred Flügel, wird das Theater bis Mitte August 1920 weiterbetreiben. Eröffnung<br />

unter anderem Namen nach vollständiger Renovierung. Anfang September. Durch die Vereinigung<br />

zweiter Lichtspieltheater am Platze (Zentral-Theater, Schiffstraße 9, und Lichtspieltheater zum<br />

Friedrichsbau, Kai<strong>se</strong>rstraße 150), sind wir durch Verringerung der Betriebskosten in die Lage<br />

ver<strong>se</strong>tzt, un<strong>se</strong>ren verehrlichen Besucherinnen und Besuchern noch Bes<strong>se</strong>res wie <strong>se</strong>ither zu bieten“.<br />

So <strong>se</strong>i man nun „in den angenehmen Stand, jeder Konkurrenz die Spitze zu bieten“.<br />

Auch das älteste Kino, der „Welt-Kinematograph, wurde im Februar 2021 vom „Zentral-Theater“<br />

aufgekauft. Doch dann wech<strong>se</strong>lte das „Zentralkino“ den Betreiber und Besitzer. Karl Thoma, zuvor<br />

nur anteilsmäßiger Ge<strong>se</strong>llschafter des Zentralkinematographen GmbH, erwarb den Kinobetrieb. Bis


1924/25 zeigte der „Welt-Kinematograph“ in der Kai<strong>se</strong>rstraße 68 Filme. Dann war <strong>se</strong>ine Zeit als<br />

Kino beendet<br />

Den in die<strong>se</strong>r Anzeige formulierten Anspruch, „das erste Lichtspielunternehmen am Platze zu <strong>se</strong>in<br />

und zu bleiben“, versuchte das „Zentral-Theater“ in den nächsten Jahren einzulö<strong>se</strong>n. Im Januar<br />

1922 wurde in einer Anzeige auch die „Casino-Lichtspiele“ in der Belfortstraße 3 als Spielstätte der<br />

„Vereinigten Lichtspieltheater“ reklamiert (dazu später). In den Anzeigen nach 1923 ist dagegen<br />

wieder nur von den „Central-Lichtspielen“ die Rede. Das „C“ im Namen Central-Lichtspiele wirkte<br />

wohl etwas eleganter als das „Z“ vom Zentral-Theater.<br />

Stolz prä<strong>se</strong>ntierte Gustavl Thoma am 1. Dezember 1927 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ das Programm der „Central-Lichtspiele“ für<br />

das Jahr 1928 – darunter cineastische Meilensteine wie „Ben Hur“ oder „Metropolis“ von Fritz Lang, aber auch<br />

Unterhaltungsschlager wie „Im weißen Röß’l“.<br />

Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Der Betreiber Gustav Thoma schaffte es bis in die 30er Jahre hinein, etliche bedeutende Filme der<br />

Kino-Geschichte in <strong>se</strong>in Haus zu holen – und im Kri<strong>se</strong>njahr 1925 das Publikum mit ermäßigten<br />

Prei<strong>se</strong>n in <strong>se</strong>in Etablis<strong>se</strong>ment zu locken. Zu den Höhepunkten des Programms zählten Filme von<br />

Charlie Chaplin (z.B. „Der Zirkus“ und „Goldrausch“), Buster Keaton und Harold Lloyd,<br />

„Panzerkreuzer Potemkin“ von Sergej Ei<strong>se</strong>nstein, „Die Nibelungen“ von Fritz Lang, „Faust“ von F.W.<br />

Murnau, die spektakulären Bergfilme des <strong>Freiburger</strong> Regis<strong>se</strong>urs Arnold Fanck. Gezeigt wurden auch<br />

US-Abenteuerfilme mit Douglas Fairbanks oder Gary Cooper. Da die Stummfilme damals noch nicht<br />

so lang waren, wurden in einer Vorstellung meist zwei Filme nacheinander gezeigt. Ende 1928<br />

begannen die „Central-Lichtspiele“ jeweils am Sonntagvormittag um 11 Uhr Kulturfilme zu zeigen. I


„Nur in den Central-Lichtspielen“ war<br />

im Mai 1929 der Boxkampf von Max<br />

Schmeling gegen Uzcudun Paolino in<br />

ganzer Länge zu <strong>se</strong>hen. Sport war<br />

angesagt, so gab es auch Filme vom<br />

Schauinsland-Bergrennen in Freiburg zu<br />

<strong>se</strong>hen. Abbildung: Unibibliothek FR<br />

1928 feierten die „Central-Lichtspiele“ ihr<br />

20jähriges Bestehen mit dem Film „Der<br />

brave Soldat Schweik an der Front“. Gerade<br />

die Lustspiele sorgten für ein volles Kino.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Im Jahr 1929 wagte sich Karl<br />

Thoma dann zunehmend<br />

auch an umstrittene, zum Teil<br />

zeitwei<strong>se</strong> mit Polizeiverbot<br />

belegte Stoffe wie<br />

„Somnambul – die<br />

Hell<strong>se</strong>herin“ mit Fritz Kortner<br />

– und auch die<br />

Sexualaufklärung der<br />

<strong>Freiburger</strong> Bevölkerung<br />

machte er tapfer zu <strong>se</strong>iner<br />

Sache: so, wie zehn Jahre<br />

zuvor schon einmal beim<br />

Skandal-Film „Die<br />

Prostitution“, mit dem bei<br />

den Nazis besonders<br />

verhassten jüdischen<br />

Sexualforscher Magnus<br />

„Unter dem Protektorat des Instituts für<br />

Sexualforschung“ – so kündigte Karl Thoma<br />

am 20. November 1929 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ den umstrittenen Film „Vererbte<br />

Triebe“ von Magnus Hirschfeld an, der den<br />

Nazis als Jude, Homo<strong>se</strong>xueller und<br />

Sexualforscher gleichermaßen verhasst war.<br />

Deshalb wohl verschwieg Thoma <strong>se</strong>inen<br />

Namen in der Anzeige. Hirschfelds Institut<br />

wurde 1933 geplündert und zerstört. Er starb<br />

1935 mit 67 Jahren in Paris.


Der erste Tonfilm in Freiburg lief am 26. November 1929 in den<br />

„Central-Lichtspielen“ in der Schiffgas<strong>se</strong> 9, dem „ältesten und<br />

bestbesuchten Lichtspielhau<strong>se</strong> am Platz“, wie es in der Anzeige in<br />

der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ hieß.<br />

Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Hirschfeld, des<strong>se</strong>n Film „Vererbte Triebe“ er<br />

am 21. November 1929 den <strong>Freiburger</strong>n<br />

prä<strong>se</strong>ntierte. Und auch vor dem heiklen Thema<br />

Abtreibung und Abschaffung des § 218<br />

schreckte Thoma nicht zurück. Schon im Juni<br />

2018 lief im „Zentral-Theater“ der Film<br />

„Frauenarzt Dr. Schäfer“, im Februar 1931 „Der<br />

Sittenrichter“ und Im März 1931 „Cyankali“<br />

nach dem Drama von Friedrich Wolf.<br />

Der erste Tonfilm in Freiburg lief in den<br />

„Central-Lichtspielen“<br />

Karl Thoma konnte <strong>se</strong>inen größten Triumph am<br />

26. November 1929 verbuchen: in den<br />

„Central-Lichtspielen“ lief mit dem „Sprech und<br />

Ton-Großfilm Atlantic“ der erste Tonfilm, der<br />

in Freiburg gezeigt wurde. Der im Juli 1929 in<br />

London in drei Versionen und Sprachen<br />

fertiggestellte Film, angelehnt an den<br />

Untergang der „Titanic“ im Jahr 1912, war am<br />

28. Oktober 1929, also nur ein Monat davor, im<br />

Berliner Gloria-Palast uraufgeführt – und von<br />

den meisten Kritikern eher negativ beurteilt, ja<br />

zum Teil regelrecht zerris<strong>se</strong>n worden.<br />

Der jüdische Regis<strong>se</strong>ur Ewald André Dupont<br />

(1891-1956), <strong>se</strong>lbst jahrelang Filmjournalist<br />

gewe<strong>se</strong>n, nahm sich denn auch die Kollegen,<br />

darunter Alfred Kerr, zur Brust: Er bat sie auf<br />

leicht süffisante Wei<strong>se</strong> „um Entschuldigung,<br />

dass ich die Kühnheit be<strong>se</strong>s<strong>se</strong>n habe, sie ohne<br />

jede Vorbereitung mit einer Erfindung bekannt<br />

zu machen, die in England und Amerika <strong>se</strong>it<br />

langem das öffentliche Leben auf das<br />

merkbarste beeinfluß[e], und von deren<br />

eigentliche Bedeutung und Möglichkeit in<br />

Deutschland (dem Land des Fortschritts, der<br />

Dichter und Denker) bisher kaum mehr als ein<br />

Schlagwort bekannt geworden“ <strong>se</strong>i.<br />

Weiter schrieb er, so liest man bei wikipedia, die Kritiker hätten recht, „verärgert zu <strong>se</strong>in, als man<br />

sie so jäh aus ihren romantischen Träumen über den stummen Film aufgeschreckt und hinterrücks<br />

in ein Kino geführt habe, in dem die Menschen plötzlich auf der Leinwand zu reden begannen<br />

(wenn auch Blödsinn!) und nicht nur englisch, das man schwer kontrollieren kann, wenn man die<br />

Sprache nicht beherrscht, sondern deutsch“.<br />

Mit Fritz Langs Meisterwerk „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ landete Karl Thoma im Februar<br />

1932 und mit dem Monumentalfilm „Quo Vadis“ im Juli 1932 noch große Publikum<strong>se</strong>rfolge – und


Kurz nach der Reichstagswahl vom 5. Mai 1933 erschien die<strong>se</strong> Anzeige, mit der Karl<br />

Thoma deutlich machte, dass mit <strong>se</strong>inen „großen vaterländischen Film-Festspielen“ auf<br />

Linie der Partei ist.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

dann kam das Jahr 1933 mit<br />

ganz neuen<br />

Herausforderungen. Karl<br />

Thoma ging am 8. Mai 1933<br />

mit <strong>se</strong>inen „großen<br />

vaterländischen Film-<br />

Festspielen“ auf Kurs der<br />

NSDAP: „Jeder wehrhafte<br />

Deutsche muß die<strong>se</strong><br />

Veranstaltung besuchen“, so<br />

las sich das dann.<br />

Mit dem Siegeszug des<br />

Tonfilms wurden die Kino-<br />

Orchester mehr umd mehr<br />

entbehrlich. In den „Central-<br />

Lichtspielen“ traf es Georg<br />

Mutzke und <strong>se</strong>ine Kapelle:<br />

man brauchte sie nicht mehr.<br />

Vor allem mit<br />

Unterhaltungsfilmen bestritt<br />

Karl Thoma in den nächsten<br />

Jahren das Programm, bis ihn<br />

1937 der Tod ereilte. Seine<br />

Witwe Maria holte nun die<br />

Stuttgarter Palast AG als<br />

Pächter ins Boot. Die<strong>se</strong> blieb<br />

federführend für den<br />

großzügigen Umbau des Kinos in den Jahren 1938 und 1939. In Freiburg sollte es aber nach einem<br />

Neubau aus<strong>se</strong>hen. So schrieb man einen großen Wettbewerb aus, um auch einen neuen Namen für<br />

das Kino zu finden. Hunderte von Vorschlägen gingen ein, ein Jury tagte – und heraus kam der alte<br />

Name „Zentral-Theater“.<br />

Zur Eröffnung des nun we<strong>se</strong>ntlich größeren Kinos am 16. November 1939, <strong>se</strong>chs Wochen nach<br />

Kriegsbeginn, prä<strong>se</strong>ntierte die Palast AG mit Friedrich Schmid einen neuen Geschäftsführer. Schmid<br />

war damals auch für die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ zuständig. Das NS-Kampfblatt „Der Alemanne“<br />

blickte zum Anlass etwas zurück und erinnerte daran, dass das „Zentral-Theater“ die erste<br />

„silberne“ Leinwand in Freiburg besaß. Nun <strong>se</strong>i „aus dem alten Zentral-Kino mit <strong>se</strong>inem finsteren<br />

Saal und den gewagten ‚Malereien‘ über den Lauben das jüngste und modernste <strong>Freiburger</strong><br />

Lichtspielhaus geworden“ - auch dank der Brauerei Ganter, die das 1912 von der Familie Thoma<br />

gepachtete und nach dem Krieg gekaufte Anwe<strong>se</strong>n im Jahr 1927 erwarb und sich tatkräftig für den<br />

Umbau ein<strong>se</strong>tzte.<br />

Der <strong>Freiburger</strong> Architekt Robert Loo<strong>se</strong>r wurde damit beauftragt, aus dem verschachtelten alten<br />

Bauwerk eine zeitgemäße Spielstätte zu gestalten. Loo<strong>se</strong>r, der aus der Stuttgarter Schule von Paul<br />

Bonatz stammt, hatte schon 1920 das „Casino“-Gebäude in der <strong>Freiburger</strong> Belfortstraße 3 in ein<br />

Lichtspieltheater umgebaut und war 1930 nach vierjähriger Arbeit als Architekt in Kalifornien nach


Deutschland zurückgekehrt, wo er in Freiburg auch viele Villen errichtete. Der 1889 geborene<br />

Schwabe kam 1945 in russischer Gefangenschaft um.<br />

Zur Eröffnung veröffentlichte das NS-Kampfblatt „Der Alemanne“ am 16.<br />

November 1939 die<strong>se</strong>s Foto von dem neuen, erheblich vergrößerten Kinosaal<br />

des Zentraltheaters – mit Klimaanlage und der ersten Neonbeleuchtung eines<br />

Innenraums in Deutschland. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Loo<strong>se</strong>r ließ den Kino-Saal des „Zentral-<br />

Theaters“ weiterhin im Obergeschoss,<br />

erweiterte den Zuschauerraum aber<br />

nun gehörig nach hinten. So gab er jetzt<br />

540 Zuschauern Platz – nun aber ohne<br />

Logen und Galerien. Er hatte jetzt eine<br />

Klimaanlage und wurde als erster<br />

Innenraum in Deutschland überhaupt<br />

durch Neonlicht erhellt. Vor dem Saal<br />

bot ein Vestibül „gedämpfte<br />

Festlichkeit“ – mit alten Gemälden und<br />

einer Bronzebüste von Adolf Hitler.<br />

Eine breite Treppe führte hinunter zum<br />

großen Kas<strong>se</strong>nraum, der sich zur<br />

Schiffstraße öffnete. Unter der neuen<br />

Fassade waren Arkaden eingebaut, wie<br />

sie der Stadtbaumeister Jo<strong>se</strong>ph<br />

Schlippe in der ganzen Altstadt zur Sicherung der Fußgänger vor dem Verkehr plante. Eine weitere<br />

„Entleerungstreppe“ sollte dafür sorgen, dass die Zuschauer möglichst schnell das Gebäude<br />

verlas<strong>se</strong>n können.<br />

Im neuen „Bildwerferraum“ standen zwei Projektorem, und es gab auch, so wurde mit Stolz<br />

vermerkt, „zwei voll ausgebaute Tonanlagen“, deren eine vom Zuschauerraum aus gesteuert<br />

werden konnte: „Die bis zur Schulterhöhe geführte Vertäfelung mit Sperrholz lässt den Ton klingen,<br />

macht ihn rund“.<br />

Bei der Eröffnung des runderneuerten<br />

„Zentraltheaters“ machte die Tonanlage, so<br />

berichtete „Der Alemanne“, mächtig<br />

Eindruck: „Gleich die ersten Töne – es war<br />

das Vorspiel zu Richard Wagners ‚Rienzi‘ –<br />

ließen aufhorchen durch ihre Fülle und<br />

Klarheit.“ Wagners Oper „Rienzi“ war die<br />

Lieblingsoper von Adolf Hitler – und Jo<strong>se</strong>ph<br />

Goebbels ließ eben die<strong>se</strong> Ouvertüre der<br />

Oper am 3. Februar 1943 im Rundfunk<br />

abspielen, als dem deutschen Volk die<br />

Nachricht von der katastrophalen Niederlage<br />

der 6. Armee in Stalingrad beigebracht<br />

wurde.<br />

Als es noch Siegesmeldungen an laufenden Band zu verkünden gab,<br />

öffnete das „Zentral-Theater“ als einziges Kino in Freiburg dem<br />

Publikum täglich um 14 Uhr <strong>se</strong>ine Pforten für die Wochenschau-<br />

Sondervorstellung. Hier eine Anzeige vom 28. Juli 1941, einige<br />

Eine Menetekel also für das, was kommen<br />

sollte. Immerhin hatte die Brauerei Ganter<br />

Wochen nach dem Überfall auf die Sowjetunion.<br />

als Hausbesitzer 1938 veranlasst, dass die Universitätsbibliothek Freiburg<br />

tiefen Keller unter dem Kinogebäude als Luftschutzkeller ausgebaut wurden. Was sich dort<br />

Abbildung:


abspielte, als am Abend des 17. November 1944 die britische Luftwaffe die <strong>Freiburger</strong> Innenstadt in<br />

Schutt und Asche legte, mag man sich nicht vorstellen. 1917 schon war das „Zentral-Theater“ durch<br />

Fliegerbomben beschädigt worden – doch nun traf es das Lichtspielhaus so schwer, dass das<br />

Anwe<strong>se</strong>n fast völlig zerstört wurde.<br />

Erst 1950 baute die Brauerei Ganter als Inhaber das Kino wieder auf. Betreiber war wie auch schon<br />

die letzten Jahre vor dem Krieg Friedrich Schmid, der zwischenzeitlich als Geschäftsführer der<br />

"Kandelhof-Lichtspiele" und des "Friedrichbaus" tätig war. Schmid führte das „Zentralkino“ bis<br />

1969. Der Palast AG blieb es überlas<strong>se</strong>n, das Filmtheater 1971 endgültig zu schließen.<br />

Die Schiffstraße in Freiburg um das Jahr 1950. Man<br />

sieht in der nahezu völlig zerstörten Umgebung die<br />

Fortschritte beim Wiederaufbau des „Zentral-Theaters“<br />

mit den Arkaden zur Straße hin. Letztlich bis 1971<br />

wurde das Kino betrieben, ehe es anderen Nutzungen<br />

Platz machen musste. Rechts sieht man, was heute an<br />

der Adres<strong>se</strong> Schiffstraße 9 zu finden ist: das<br />

langgestreckte Einkaufszentrum Schwarzwald-City.<br />

Foto oben: Willy Pragher, aus Freiburg in Trümmern<br />

1944-1952, Rombach Verlag 1963, und rechts: Bernd<br />

Serger<br />

Auch das Kino „American-Biograph“ in der Merianstraße 8 gab es nur kurz<br />

Das „Zentral-Theater“ stellte 1908 die dritte Kino-Gründung in Freiburg dar. Die Nummer 4 war das<br />

„American Biograph“, das am 26. Oktober 1910 in der Merianstraße 8 in Unterlinden eröffnet<br />

wurde. Wie das „Zentral-Theater“ kam die<strong>se</strong>s Kino mit dem eigenartigen Namen im Saal einer


Im Februar 1883 war der Gasthof „Zum goldenen Lamm“ in der<br />

Merianstraße 8 noch im Besitz von F. Tombert, wie die<strong>se</strong> Anzeige in<br />

der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ dokumentiert. In dem hier erwähnten<br />

„großen Ge<strong>se</strong>llschaftszimmer“ könnte später das Kino „American<br />

Biograph“ untergekommen <strong>se</strong>in.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Wirtschaft unter – hier im ehemaligen<br />

Gasthof „Zum Goldenen Lamm“. Im Jahr 1884<br />

wollte dort, so liest man, eine israelitische<br />

Ge<strong>se</strong>llschaft ein Casino errichten. Damit war<br />

wohl der jüdische Kaufmann Hermann<br />

Herzfeld aus Höchst und <strong>se</strong>in Bruder Hugo<br />

gemeint, die im August 1884 das Haus<br />

Merianstraße 8 und Gauchstraße 21 für<br />

67.000 Mark erwarben. Am 24. August 1884<br />

billigte der Stadtrat das Gesuch von Hermann<br />

Herzfeld, „die Realwirtschaft Zum goldenen Lamm, Merianstraße 8, zu betreiben und dafür als<br />

Stellvertreter David Levy Mager einzu<strong>se</strong>tzen“. Hermann Herzfeld wird in den Adressbüchern bis<br />

1910 als Eigentümer und Gastwirt geführt, obwohl er <strong>se</strong>it 1908 mit <strong>se</strong>inem Bruder ein Geschäft mit<br />

Wiener Möbeln betrieb – am 1. Oktober 1910 meldete die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ <strong>se</strong>inen Tod mit 57<br />

Jahren.<br />

Wilhelm Krüger nutzte wenige Wochen nach<br />

Herzfelds Tod die Gelegenheit und eröffnete am<br />

22. Oktober 1910 <strong>se</strong>in Kino „American<br />

Biograph“ in der Merianstraße 8, dem<br />

Eckgebäude zum Unterlindenplatz. Die<strong>se</strong>s<br />

Filmtheater war ein Beispiel dafür, wie hektisch<br />

es damals in der Kino-Szene zuging. Viel Erfolg<br />

war dem Direktor Krüger nicht beschieden,<br />

denn <strong>se</strong>in Lichtspieltheater hielt sich nur kurze<br />

Zeit am Markt.<br />

<strong>Freiburger</strong> Adressbuch 1911: Im Gasthaus „Zum Goldenen<br />

Lamm“ ist das Kino „Amerikan Biograph“ erwähnt, aber<br />

auch schon einen spanische Weinhalle und Weinhandlung,<br />

die das Gasthaus bis zur Zerstörung durch den Luftangriff<br />

1944 betrieb. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Im Adressbuch 1911 ist es noch aufgeführt. In<br />

den Adressbüchern danach taucht nur noch<br />

Wilhelm<br />

Im Adressbuch 1912 ist Wilhelm Krüger noch<br />

als Direktor des „American Biograph“<br />

aufgeführt – danach ging es mit ihm abwärts.<br />

Krüger<br />

<strong>se</strong>lbst auf.<br />

Wer <strong>se</strong>inen<br />

Die Eröffnungsanzeige des neuen Kinos „American Biograph“<br />

vom 21. Oktober 1910 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Abbildung; Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Namen dort verfolgt, erkennt, wie schnell man in die<strong>se</strong>r<br />

Branche untergehen konnte. Im Adressbuch 1912 ist Wilhelm<br />

Krüger noch als Direktor des Kinos aufgeführt, 1913 nur noch<br />

als „Direktor“, 1914 als Maschinist und 1915 nur noch<br />

„Heizer“.


Die große US-Filmproduktionsge<strong>se</strong>llschaft<br />

„American Mutoscope and Biograph Company“<br />

,kurz „American Biograph“ genannt, fürchtete<br />

unrechtmäßige Nutzung ihrer Filme und schützte<br />

sie dadurch, dass ihr Firmensignet in ihren<br />

Produktionen immer irgendwo zu <strong>se</strong>hen war –<br />

gegen unerlaubte Nutzung des Firmennamens für<br />

neue Kinos war die Firma wohl machtlos.<br />

Abbildung: wikimedia<br />

Wie Wilhelm Krüger darauf kam, <strong>se</strong>in neues Kino<br />

„American Biograph“ zu nennen, ist eine offene Frage.<br />

Marga Burkhardt geht in ihrer <strong>Kinogeschichte</strong> nicht darauf<br />

ein. Es könnte gut <strong>se</strong>in, dass Robert Isidor Schwobthaler,<br />

der aus Endingen stammende Filmproduzent, dabei <strong>se</strong>ine<br />

Finger im Spiel hatte. Wie Wolfgang Dittich berichtet, hatte<br />

Schwobthaler mit <strong>se</strong>inem englischen Partner Charles<br />

Raleigh exakt im Jahr 1910 in Paris ihr eigenes Kino<br />

„American Biograph“ betitelt. Dies lässt Dittrich vermuten,<br />

dass die beiden eine Verbindung zu der großen<br />

amerikanischen Filmproduktionsge<strong>se</strong>llschaft „American<br />

Mutoscope and Biograph Company“ ,kurz American<br />

Biograph genannt, nicht wirklich hatten, sondern es nur<br />

suggerierten – und damit für sich werben wollten.<br />

Schwobthaler hatte mit Raleigh nach 1900 eine<br />

Produktionsge<strong>se</strong>llschaft namens „R & R“ gegründet, die<br />

ganz auf dokumentarische Stoffe <strong>se</strong>tzte und damit ganz<br />

Europa belieferte – und nebenbei auch die <strong>Freiburger</strong> Kinos<br />

wie den „Welt-Kinematograph“ und auch das „Zentral-Theater“. Schwobthaler soll sich von 1910 an<br />

in Freiburg aufgehalten haben. Was liegt da näher als dass er der <strong>Freiburger</strong> Kino-Gründung<br />

„American Biograph“ nicht nur mit <strong>se</strong>inen Filmen, sondern auch mit dem weltläufigen Namen<br />

aushalf?<br />

Die Eröffnung eines Kinos stieß nicht immer auf die Begeisterung der Anwohner. Marga Burkhardt<br />

weiß zu berichten, dass derr Leiter des städtischen Amtes für Statistik, Dr. Ehrler, sich am schon<br />

eine Woche nach Eröffnung beim <strong>Freiburger</strong> Stadtrat über „American-Biograph“ beschwerte: „„Wir<br />

beehren uns ergebenst zu berichten, daß am 27 ds. Mts in den Parterreräumen des Gasthau<strong>se</strong>s zum<br />

goldenen Lamm gegenüber un<strong>se</strong>ren Geschäftsräumen in der Gauchstraße ein Kinematographen-<br />

Theater eröffnet worden ist, in welchem durch das ständige Musizieren am Nachmittag die Nerven<br />

so angegriffen werden, daß ein ruhiges sachgemäßes Arbeiten unmöglich ist. Wir bitten beim<br />

Großh. Bezirksamt dahier wegen Einstellung des Theaterbetriebs oder wenigstens der Musik<br />

baldgefällig vorstellig zu werden.“ Mag <strong>se</strong>in, dass auch Klagen die<strong>se</strong>r Art zum schnellen Ende des<br />

Kinos beigetragen haben.<br />

Der erste Farbfilm in Freiburg lief 1910 in einem Varieté: dem „Colos<strong>se</strong>um“<br />

Auch für die Prä<strong>se</strong>ntation des ersten Farbfilms in Freiburg war Robert Schwobthaler verantwortlich.<br />

Von Juli 1911 an <strong>se</strong>tzten er und <strong>se</strong>in Partner Raleigh in ihrer Firma „R. & R.“ ganz auf die<br />

Vermarktung einer we<strong>se</strong>ntlichen Neuerung im Film- und Kinobereich, die alle Branchenrie<strong>se</strong>n mit<br />

mehr als nur Argwohn betrachteten: den Farbfilm. Wolfgang Diettrich: „Vermutlich durch ihre<br />

Bekanntschaft mit Charles Urban wurden sie Hauptreprä<strong>se</strong>ntant für die Filme <strong>se</strong>iner<br />

neugegründeten Natural Color Kinématograph Company Limited. Das völlig neue Farbverfahren,<br />

erfunden vom Briten Albert Smith und 1908 in Paris von ihm zum ersten Mal einem Fachpublikum<br />

vorgestellt, arbeitete mit Farbfiltern und einer für damalige Verhältnis<strong>se</strong> doppelten<br />

Geschwindigkeit: 32 Bildern pro Sekunde. Es wird als Urban-Smith-Verfahren bezeichnet, da Urban<br />

1908 die Exklusivlizenz Smith abkaufte.“


Da das Kinémacolor genannte Verfahren den anderen<br />

Versuchen, authentische Farbe ins Kino zu bringen,<br />

mindestens ebenbürtig war, kam es, so Diettrich, vor allem in<br />

der führenden Kinonation Frankreich zu einem Dauerstreit mit<br />

dem Branchenrie<strong>se</strong>n Pathé um Patent-, Lizenz- und vor allem<br />

Namensrechte: „Vielleicht deshalb findet die ‚Welt-Neuheit‘<br />

zuerst Zugang zu mehreren exklusiven Sondervorstellungen<br />

im <strong>Freiburger</strong> Prachtbau ‚Colos<strong>se</strong>um‘, in dem - vermutlich<br />

durch Schwobthaler als Geschäftsmann mit konstanten<br />

Beziehungen nach Freiburg, vielleicht aber auch durch R. & R.<br />

als Lizenznehmer für Deutschland – ‚Die Welt in den Farben<br />

der Natur‘ bereits im September 1910 prä<strong>se</strong>ntiert wird.“ Die<br />

erste öffentliche Pari<strong>se</strong>r Premiere ging dagegen erst im Juli<br />

1911 über die Bühne.<br />

Karl Küchlin, <strong>se</strong>it Ende der<br />

1880er Jahre Betreiber des<br />

„Colos<strong>se</strong>um“ in der<br />

Belfortstraße 3, nahm den<br />

ersten Farbfilm im<br />

September für zwei Wochen<br />

in <strong>se</strong>in Varieté-Programm<br />

(siehe Anzeige links). Die<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ schrieb<br />

nach der Premiere am 2.<br />

September 1910: „Mit<br />

großer Spannung wurde der<br />

Kinemacolor erwartet. Die<br />

Spannung war umso<br />

erklärlicher und<br />

berechtigter, als es sich hier<br />

um einen ganz neue<br />

Erfindung handel, die in<br />

Süddeutschland zum ersten<br />

Mal gezeigt wird. Wie wir<br />

un<strong>se</strong>ren Le<strong>se</strong>rn bereits<br />

mitgeteilt haben, spricht<br />

sich die ausländische und<br />

auch die bedeutendere<br />

deutsche Tagespres<strong>se</strong> über<br />

die<strong>se</strong> Erfindung recht lobend<br />

aus. Wir konnten uns nun<br />

überzeugen, daß sie<br />

Der erste feste Kinematograph in<br />

Freiburg stand schon im Jahr 1898 im<br />

Varieté-Theater „Colos<strong>se</strong>um“ – gezeigt<br />

wurde schon damals ein buntes<br />

Programm dokumentarischer Art, wie<br />

die<strong>se</strong> Anzeige der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

vom 27. November 1898 aufzeigt.<br />

keineswegs übertrieben hat, denn nicht leicht könnte ein<br />

Erfindung exquisieter, naturgetreuer und schlagender <strong>se</strong>in als<br />

die<strong>se</strong>. In der ersten Abteilung sahen wir mehrere Blumen,<br />

deren Farben mit bewundernswerter Naturtreue


wiedergegeben werden, das gleiche gilt von den anderen Bildern.“<br />

Auch bei den bewegten<br />

Bildern überhaupt leistete<br />

das „Colos<strong>se</strong>um“ in Freiburg<br />

bemerkenswerte<br />

Schrittmacherdienste.<br />

Karl Küchlin installierte<br />

bereits 1898 in <strong>se</strong>inem<br />

Unterhaltungspalast einen<br />

festen Kinematographen,<br />

Dass Karl Küchlin auch an der Produktion von Filmen für <strong>se</strong>inen Kinematographen<br />

beteiligt war, zeigt die<strong>se</strong> Nachricht vom 24. August 1902 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. So<br />

fuhr der Impressario des „Colo<strong>se</strong>eum“ eigens nach Amsterdam, um die Ankunft des<br />

berühmten Burengenerals Christiaan de Wet aufnehmen zu las<strong>se</strong>n. Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

den er wohl regelmäßig zur Auflockerung <strong>se</strong>iner anderen Nummern ein<strong>se</strong>tzte. Ein Kino war das<br />

„Colos<strong>se</strong>um“ aber dennoch nicht, denn das Varieté bot nur im Winterhalbjahr ein Programm. Bis<br />

zum Ersten Weltkrieg gehörten dazu wohl regelmäßig auch Filme als Einlage.<br />

Der große Saal des Varietés „Colos<strong>se</strong>ums“ in der <strong>Freiburger</strong> Belfortstraße, wo schon <strong>se</strong>it 1898 ein eigener Kinematograph stand<br />

und, wie es damals hieß, „bewegte Bilder“ zeigte. Die Aufnahme des <strong>Freiburger</strong> Fotografen Georg Röbcke entstand um das Jahr<br />

1904. Foto: alt-freiburg.de<br />

Von all die<strong>se</strong>n <strong>Freiburger</strong> Kinos existieren nur noch: die „Friedrichsbau-Lichtspiele“<br />

Als letztes Kino der „Gründerzeit“ wurden die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ am 15. April 1911<br />

eröffnet. In ihrer Anzeige zur Eröffnung warben die Besitzer mit Feuersicherheit, neuzeitlicher<br />

Ventilation, der Größe und Schönheit des Kinosaals, dem halbwöchentlichen Programmwech<strong>se</strong>l<br />

und der Musikbegleitung durch eine Künstlerkapelle. Der Kinosaal bot 400 Besuchern Platz.


Der Friedrichsbau war das erste neuerbaute Kino in<br />

Freiburg. Inhaberin war, so Marga Burkhardt,<br />

Henriette Hansberger, die Witwe des Restaurateurs<br />

Johann Jo<strong>se</strong>f Hansberger in Mülhau<strong>se</strong>n: „Es ist<br />

bisher noch nicht geklärt, ob die<strong>se</strong>r Johann Jo<strong>se</strong>f<br />

Hansberger identisch ist mit dem Herrn Hansberger,<br />

der sowohl in Ba<strong>se</strong>l, Colmar als auch Mühlau<strong>se</strong>n<br />

Kinos besaß – und in den 1910er Jahren zudem auch<br />

eine ‚Aktienge<strong>se</strong>llschaft für Kinematographie und<br />

Filmverleih in Straßburg‘.<br />

Das neuerbaute Kino scheint die alteinge<strong>se</strong>s<strong>se</strong>nen<br />

Etablis<strong>se</strong>ments ziemlich unter Druck ge<strong>se</strong>tzt zu<br />

haben. „Welt-Kinematograph“ und „Zentral-<br />

Theater“ schalteten große Anzeigen, um auf ihre<br />

Leistungen hinzuwei<strong>se</strong>n. Der „Welt-<br />

Kinematograph“ warb mit dem Slogan „das 1te und<br />

feinste Lichtbild-Theater am Platze ist und bleibt<br />

der Welt-Kinematograph“ und das „Zentral-<br />

Theater“ versuchte <strong>se</strong>ine Gäste mit den größten<br />

Darbietungen der Saison wie dem „Deutschdänischen<br />

Krieg“ oder dem Sensationsroman „Der<br />

Schrecken“ ins eigene Kino zu locken.<br />

Die Prei<strong>se</strong> fürs Kino im Friedrichsbau lagen zwischen<br />

1,20 Mark (Parkettloge) und 30 Pfennige für den 3.<br />

Platz.<br />

Die Sehnsucht der <strong>Freiburger</strong>, als kleine Großstadt anerkannt zu<br />

werden, beflügelte auch das Casino im Friedrichsbau. Die<strong>se</strong><br />

stimmungsvolle Anzeige erschien am 13. September 1915.<br />

Die Anzeige zur Eröffnung der „Friedrichsbau-Lichtspiele“<br />

vom 15. April 1911 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. An Selbstlob<br />

wurde auch hier nicht gespart: „Das Lichtspieltheater ist<br />

neuzeitlich ventiliert und an Größe und Schönheit<br />

unerreicht.“ Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Bei den Direktoren der „Friedrichsbau-Lichtspiele“<br />

gab es früh schon Wech<strong>se</strong>l. 1913 war Carl Heinz<br />

Direktor, 1914 Ludwig Goebel, in der Verwaltung<br />

war Richard Straub tätig. Ab 1915 leitete Alfred<br />

Flügel das „Friedrichsbau-Kino“ – bis zum Verkauf im<br />

August 1920 an das „Zentral-Theater“.<br />

A


Der Friedrichsbau in der Kai<strong>se</strong>rstraße 148-159 im Jahr 1911 kurz nach der Eröffnung der „Friedrichsbau-Lichtspiele“ Architekt des<br />

ersten 1906 fertiggestellten Gebäudes rechts war Jo<strong>se</strong>ph Ruh. Den 1910 beendeten Anbau links gestaltete der jüdische Architekt<br />

Arthur Levi Foto: Georg Röbcke, aus: Peter Kalchthaler, Archivbilder Freiburg, Sutton Verlag Erfurt 2003.<br />

Hier nun noch einige Anmerkungen zum Gebäude des Friedrichsbaus. Er liegt an der Kai<strong>se</strong>r-Jo<strong>se</strong>ph-<br />

Straße zwischen Martinstor und Dreisam. Errichtet wurde er in zwei Abschnitten 1906 und 1910.<br />

Die Erbauer waren die bewährten <strong>Freiburger</strong> Architekten Jo<strong>se</strong>p Ruh und Arthur Levi, die das<br />

Gebäude als Mehrzweckbau konzipiert hatten. Es waren Kaffeehaus, Säle, Läden und Wohnungen<br />

darin untergebracht.<br />

Der nördliche Teil, von vorne ge<strong>se</strong>hen der rechte Teil, ist<br />

der ältere und wurde von Jo<strong>se</strong>ph Ruh für die <strong>Freiburger</strong><br />

Kaufmannsfamilie Günzburger-Blum entworfen. Leopold<br />

Günzburger-Blum war in jenen Jahren einer der führenden<br />

Immobilienhändler Freiburgs. Im Jahr 1901 verkaufte er<br />

für 250.000 Mark das Haus Kai<strong>se</strong>rstraße 76, nur drei<br />

Wochen später erwarb er das Gebäude Kai<strong>se</strong>rstraße 148<br />

für 263.000 Mark. 1909, also drei Jahre nach Fertigstellung<br />

des Friedrichsbaus I., verkauften die Eheleute Sophie und<br />

Leopold Günzburger-Blum an den Wirt Johann Wollitzer,<br />

Im Adressbuch 1901 prä<strong>se</strong>ntierte sich die Firma L. das Anwe<strong>se</strong>n Kai<strong>se</strong>rstraße 148 für 770 000 Mark und das<br />

Günzburger-Blum mit die<strong>se</strong>r Anzeige Abbildung: Haus Gartenstraße 7, das später dem Friedrichsbau-<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Komplex einverleibt wurde, für 100 000 Mark. Leopold<br />

Günzburger-Blum war von 2014 bis 2022 Mitglied der Gemeindevertretung der Israelitischen<br />

Gemeinde Freiburg. Er starb im August 1928 mit 66 Jahren.


Nicht nur das neu eröffnete Kino, sondern auch das „Friedrichsbau-Café“ warb um regen Besuch – so mit die<strong>se</strong>r ganz<strong>se</strong>itigen<br />

Anzeige vom 29. Oktober 1911 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg


Der 1906 fertiggestellte Teil I des<br />

Gebäudes beherbergte im<br />

Obergeschoss ein Kaffeehaus. Zudem<br />

gab es im Erdgeschoss zahlreiche<br />

Schaufenster und Läden von diver<strong>se</strong>n<br />

Firmen.<br />

Von ihm aoll der Name Friedrichsbau stammen: Carl Schanz, der im<br />

Dezember 1906 das Café Friedrichsbau eröffnete.<br />

1910 wurde im Auftrag der<br />

Betreiberge<strong>se</strong>llschaft, die<br />

zwischenzeitlich den Friedrichsbau<br />

übernommen hatte, das Wohn- und<br />

Geschäftshaus durch Arthur Levi nach<br />

Süden erweitert. Der Gebäudeteil war,<br />

so stellt Peter Kalchthaler in <strong>se</strong>inem<br />

Buch „Freiburg und <strong>se</strong>ine Bauten“ fest,<br />

deutlich vom ersten zu unterscheiden,<br />

wurde jedoch durch die Geschossteilung<br />

und die Fensterformen dem vorhanden<br />

Gebäudeteil angeglichen. Der gesamte<br />

Stil der Fassade ist am Baustil der<br />

deutschen Renaissance um 1600<br />

angelehnt.<br />

Im März 1912 verkündete der Besitzer und Betreiber des Cafés<br />

Friedrichsbau, dass erden großen Billardsaal im Friedrichsbau in einen<br />

Konzert- und Café-Saal umgebaut und eine feine Konditorei eröffnet hat.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Die Namensgebung nach Großherzog<br />

Friedrich I. von Baden war, so vermutet<br />

auch Kalchthaler, der Wunsch des<br />

ersten Pächters des Kaffeehau<strong>se</strong>s, Carl<br />

Schanz, der in Freiburg als Gastronom<br />

bereits bekannt war. Im Gegensatz zum<br />

Erscheinungsbild der Fassade war die<br />

Einrichtung im Inneren des<br />

Friedrichsbau Freiburg an den Wiener<br />

Sezessionsstil angelehnt. Außer durch<br />

das Kaffeehaus wurde der Friedrichsbau<br />

vor allem durch die zahlreichen Geschäfte geprägt. Zum Beispiel der Fri<strong>se</strong>ursalon von Julius<br />

Krummer der erst im Zuge des Umbau 1985 ausziehen<br />

musste und des<strong>se</strong>n Geschäft nun in vierter Generation in<br />

der Talstraße von Freiburg betrieben wird.<br />

Zwischenzeitlicher Besitzer des Friedrichsbau war Gerhard<br />

Dannemann, 1850 in Bremen geboren. Im deutschfranzösischen<br />

Krieg 1870/71 verwundet, hielt er sich<br />

während <strong>se</strong>iner Genesungszeit 1871-1872 in Freiburg auf<br />

und lernte hier viel über den Tabakanbau. Der Name<br />

Dannemann steht auch heute noch für beste Zigarren.<br />

1872 wanderte Dannemann nach Brasilien aus und baute<br />

dort drin Tabakimperium auf. Im Jahre 1912 beschäftigte er<br />

circa 4.000 Mitarbeiter, meist Frauen, in <strong>se</strong>chs Fabriken.<br />

Von Anfang an bis ins Jahr 1985 gehärte der<br />

Frisiersalon von Julius Krummer zum Friedrichsbau.<br />

Hier eine Anzeige vom Dezember 1911 aus der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.


Ungefähr in die<strong>se</strong>r Zeit hat er wohl den Friedrichsbau in Freiburg als Anlageobjekt erworben.<br />

Dannemann starb 1921, wodurch der Friedrichsbau einen neuen Besitzer suchte.<br />

Die<strong>se</strong>n fand man mit dem Ehepaar Franz-Xaver und Emma Seiler. Beide stammten aus dem Marcher<br />

Ortsteil Neuershau<strong>se</strong>n. 1887 war Franz-Xaver Seiler nach Amerika ausgewandert und kam bereits<br />

nach zwei Jahren als gemachter Mann zurück. 1908 wanderten Franz-Xaver Seiler und <strong>se</strong>ine Frau<br />

Emma Theresia Hamm erneut aus, diesmal nach Südafrika. Im Jahr 1921 erwarben die beiden den<br />

Friedrichsbau als Geldanlage, einschließlich der „Kammerlichtspiele“ im Erdgeschoß und dem<br />

Konzertcafe im Obergeschoß. Noch heute ist der Friedrichsbau im Besitz der Franz-Xaver- und<br />

Emma-Seiler-Stiftung, die sich um die Förderung und Fortbildung von Jugendlichen kümmert.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg mietete sich, so berichtet Peter Kalthaler, der <strong>Freiburger</strong><br />

Rundfunk<strong>se</strong>nder im relativ unzerstörten Friedrichsbau ein. Aus dem „Radio Freiburg“ ging dann<br />

1946 das Landesstudio des Südwestfunks hervor. Ab 1949 war dann Günterstal das Zuhau<strong>se</strong> des<br />

Senders der sich heute in der Kartäu<strong>se</strong>rstraße Freiburg befindet und zum SWR gehört.<br />

In der Zeit zwischen 1945 und 1954 wurden einige Räume des Friedrichsbaus als Offizierskasino der<br />

französischen Garnison genutzt. Ab 1954 war dies nicht mehr erforderlich, da das Grand-Hotel am<br />

Fahnenbergplatz fertiggestellt wurde.<br />

Auf Betreiben von Oberbürgermeister Rolf Böhme und Im Auftrag der <strong>Freiburger</strong> Stadtbau GmbH<br />

und der Stiftungsverwaltung wurde der Friedrichsbau Freiburg ab dem Spätjahr 1987 umgestaltet.<br />

Ein „Bürgerzentrum“ für die Innenstadt sollte entstehen. Die Architektengruppe F 70 Manfred Saß<br />

und Partner konnte Teile der historischen Funktionen wieder herstellen und an der Außenfassade<br />

einige Bausünden wieder rückgängigmachen. Zudem wurde ein zweigeschossiger Saal mit 350<br />

Plätzen, Tagungsräume, Bistro und Ladenlokal eingebaut. Die Architekten banden auch den<br />

Außenbereich hinter dem historischen Breisacher Tor mit in das Gesamtkonzept ein und gestalteten<br />

ihn neu. So wird der Friedrichsbau heute teilwei<strong>se</strong> wieder in <strong>se</strong>iner historischen Funktion genutzt,<br />

so als Kino, Tanzschule, Ballsaal und mehr.<br />

Die Tanzschule Fritz Büttner gehörte über Jahrzehnte quasi zum Inventar des<br />

Friedrichbaus. Hier eine Anzeige des „Privat-Tanz-Instituts“ Büttner vom<br />

September 1934 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“, als schon die Witwe von Fritz<br />

Büttner die Tanzschule leitete.<br />

Abbildung:<br />

Im linken Gebäudeteil, dem „Levi-<br />

Bau“, wurde bereits 1911 das<br />

„Friedrichsbau-Lichtspieltheater“<br />

eröffnet – es ist das älteste noch<br />

existierende Kino Freiburgs und eines<br />

der zehn ältesten Lichtspieltheater in<br />

Deutschland. Auch die Tanzschule<br />

Büttner war bereits Anfang der<br />

Zwanziger im Obergeschoss des<br />

Friedrichsbaus eingezogen. Heute ist<br />

dort die Tanzschule Gutmann ansässig.<br />

Mehr Universitätsbibliothek als 20 Jahre gehörte Freiburg auch das Herrenbekleidungsgeschäft Adolf Lichtenstein zum<br />

Friedrichsbau in der Kai<strong>se</strong>rstraße 148. Als Abraham Lichtenstein gründete der jüdische Kaufmann<br />

im März 1909 <strong>se</strong>in vor allem auf Hemden spezialisiertes Geschäft, das sich bald einen guten Ruf<br />

erwarb. Bald nahm er auch Stöcke, Schirme und Strohhüte in <strong>se</strong>in Programm. Lichtenstein schaute<br />

sich auch stets nach Partie-Waren (etwa aus Konkur<strong>se</strong>n) um und konnte mal hier 5.000<br />

Taschentücher, mal dort einen großen Posten Trikotagen ergattern, die er preisgünstig unter die<br />

Leute brachte.


Als er im Lauf der Jahre auch in die Fabrikation von<br />

Herrenwäsche einstieg, wurden für Adolf Lichtenstein<br />

die Räumlichkeiten im Friedrichsbau zu eng und er zog<br />

1930 in die Kai<strong>se</strong>rstraße 106, wo er eine Nähwerkstatt<br />

einrichten konnte. Die Zukunft stand ihm und <strong>se</strong>iner<br />

Familie offen – dann kamen die Nazis und für jüdische<br />

Geschäfte das Ende. 1935 wurde <strong>se</strong>ine Firma „arisiert“,<br />

1936 aus dem Handelsregister gelöscht. Was aus der<br />

Familie Lichtenstein wurde, ist nicht bekannt. In der<br />

Yad Vashem Databa<strong>se</strong> der Holocaust-Opfer ist ihr<br />

Name nicht zu finden.<br />

Abbildung Zwei Anzeigen 1 aus der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“, die ihre eigene Geschichte erzählen: rechts das <strong>se</strong>lbstwewusste und hoffnungsvolle<br />

In<strong>se</strong>rat von Adolf Lichtenstein aus dem September 1910, als er mit <strong>se</strong>iner Firma im Friedrichsbau residierte, links die Anzeige vom<br />

September 1935, als sich der „Ari<strong>se</strong>ur“ M. Frodl aus der Kai<strong>se</strong>rstraße 106 meldete und damit das Ende der jüdsichen Firma<br />

Lichtenstein markierte.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Mit den „Friedrichsbau-Lichtspielen“ durch die nächsten Jahrzehnte<br />

Doch nun zurück zur <strong>Kinogeschichte</strong> des Friedrichsbaus.<br />

Die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ konnten nach der<br />

Eröffnung am 15. April 1911 mit ihrem Programm <strong>se</strong>hr gut<br />

mit der lokalen Konkurrenz – dem „Zentral-Theater“, dem<br />

„Welt-Kinematograph“, dem „Apollo“ und dem „American<br />

Biograph“ – mithalten. Man achtete in der Kai<strong>se</strong>rstraße<br />

150 auch auf die Optik bei der Gestaltung der Anzeigen in<br />

der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. So prä<strong>se</strong>ntierte das Kino im September 1912 ein neues Signet, jetzt mit<br />

dem Firmennamen „Lichtspiel-Theater Friedrichsbau“. Es sollten noch etliche andere<br />

Bezeichnungen folgen.<br />

Auch was die Fortschritte im technischen Bereich angeht, konnten die „Friedrichsbau-Lichtspiele“<br />

früh etwas bieten: Direktor Carl Heinz verkündete am 21. September 1912 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“, dass er „eine neue Perlen-Projektions-Wand eigener Konstruktion nunmehr fertiggestellt“<br />

habe, das wohltuend die Augen schütze.<br />

Die Freude darüber war wohl nicht allgemein – vor allem nicht bei der Konkurrenz. Heinz reagierte<br />

darauf mit einer Anzeige vom 12. Oktober 1912: „Keine kleinliche Anfeindung vermag, die<br />

unübertreffliche Plastik der Bilder, hervorgerufen durch die neue Perlwand, zu schmälern.“<br />

Anerkannt werde immerhin, so fuhr der Direktor fort, die musikalische Begleitung durch die<br />

hau<strong>se</strong>igene Künstlerkapelle.


Am 28. Februar 1913 kündigte das „Friedrichsbau-Kino“ –<br />

schon wieder ein neuer Name und ein neues Signet – den<br />

Großfilm „Der Andere“ an mit dem bislang nur als<br />

Theaterschauspieler bekannten Albert Bas<strong>se</strong>rmann.<br />

Am 21. September 1912 überraschte Direktor Heinz die Konkurrenz<br />

mit eine von ihm konstruierten Perlwand zur bes<strong>se</strong>ren Wiedergabe<br />

von Filmen. Die Reaktion der Kollegen war wohl eher ungnädig.<br />

Abbildungen; Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Ende des Jahres 1912 kamen die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ mit einem neuen Coup: Jeden Dienstag<br />

baten sie die Kinofreunde zu „Volksvorstellungen“ zum halben Preis in ihr Kino. Im Februar 1913<br />

prä<strong>se</strong>ntierte Direktor Heinz den eineinviertel Stunden langen Film „Der Andere“, in dem der<br />

Ifflandring-Träger Albert Bas<strong>se</strong>rmann <strong>se</strong>ine erste von vielen Filmrollen spielte. Und schon hatte<br />

Heinz <strong>se</strong>in Lichtspieltheater wieder umbenannt: jetzt in „Friedrichsbau-Kino“,<br />

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs änderte sich<br />

auch die Lage für die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ grundlegend. Frankreich, nun<br />

wieder der Erbfeind, fiel als Zentrum und<br />

Quelle der Filmproduktion in Europa für die<br />

deutschen Lichtspieltheater aus. Man musste<br />

improvisieren – und <strong>se</strong>lbst viel mehr als bisher<br />

produzieren.<br />

„Militär hat Vorzugspreis!“ - Anzeige des „Friedrichsbau-<br />

Kinemas“ vom 21. Oktober 1914 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

Mit Kriegsbeginn am 1. August 1914 musste das<br />

Kino wohl eine Pau<strong>se</strong> einlegen, denn am 17.<br />

Oktober vermeldete man die<br />

„Wiedereröffnung“. Das „Friedrichsbau-


Kinema“, strotze im Oktober 1914nur so vor Zuversicht<br />

und kündigte für den neuen Spielplan ein „großes<br />

Weltstadtprogramm“ an. Darunter ging es wohl nicht.<br />

Eine Sensation hatte das Friedrichsbau-Direktor Alfred<br />

Flügel im Februar 1915 tatsächlich zu bieten. Robert<br />

Schwobthaler schaffte es dank <strong>se</strong>iner Beziehungen zu<br />

dem in Freiburg wohnenden General Hans Gaede „auf<br />

hoher Ebene“, so Renate Lies<strong>se</strong>m-Breinlinger in ihrem<br />

Porträt, in die Kriegsberichtersattung einzusteigen: er<br />

durfte mit „der Armee des Deutschen Kronprinzen“ nach<br />

Verdun und über die blutige Schlacht berichten.<br />

Schwobthaler, des<strong>se</strong>n neue Produktionsfirma Express-<br />

Film eigentlich alle Kinos, auch in Freiburg, belieferte,<br />

ließ es zu, das das „Friedrichsbau-Kinema“ in <strong>se</strong>iner<br />

Anzeige für sich das „Erst- und Alleinaufführungsrecht in<br />

Freiburg“ reklamierte.<br />

„Messters Kriegsberichte“, auf die in der Anzeige<br />

ebenfalls hingewie<strong>se</strong>n wurde, war eine Neuschöpfung in<br />

Kriegszeiten. Der Berliner Oskar Messter, lange eher als<br />

Filmtechniker und Schöpfer von Projektoren bekannt,<br />

produzierte aus Dokumentationen zum Kriegsgeschehen,<br />

die er als Leutnant in der Pres<strong>se</strong>abteilung des<br />

Generalstabes herstellte, die erste deutsche<br />

Wochenschau. Die Messter-Wochenschau wurde, so liest<br />

man bei wikipedia, erstmals am 23. Oktober 1914<br />

gezeigt. Für den Generalstab arbeitete Oskar Messter die<br />

Zensurbestimmungen für fotografische und<br />

kinematografische Bilder im Krieg aus. Bilder von<br />

Anzeige vom 7. Februar 1915 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“:<br />

der exklusive Bildbericht von der Schlacht bei Verdun im<br />

Gefolge des deutschen Kronprinzen. Abbilldung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

aktuellen Krieg<strong>se</strong>reignis<strong>se</strong>n, Toten,<br />

Schwerverletzten, Waffen, Flugzeugen<br />

und militärischen Hafenanlagen wurden<br />

damit grundsätzlich verboten.<br />

Hier nun ein kleiner, aber, wie ich meine,<br />

notwendiger Exkurs: Im Oktober 1911<br />

hatte Schwobthalers <strong>Freiburger</strong> Firma<br />

Express-Film Co. GmbH in der Fachwelt<br />

für Auf<strong>se</strong>hen gesorgt, als sie unter dem<br />

Titel „Der Tag im Film“ den Kinos, wie es<br />

damals im Fachmagazin „Der<br />

Kinematograph“ hieß, „die erste


deutsche tägliche<br />

kinematographische<br />

Berichterstattung“ anbot. In<br />

der auf der Seite zuvor<br />

abgebildeten Anzeige wurde<br />

auch die Produktion von<br />

Lokalaufnahmen mit<br />

Entwickeln und Fertigstellen<br />

offeriert. Es gab also schon<br />

1911 – von Freiburg aus –<br />

das, was man heute<br />

„Tagesschau“ nennt: ein<br />

kühnes Unternehmen, das<br />

sich leider nur ein, zwei<br />

Jahre behaupten konnte –<br />

und fast völlig in<br />

Verges<strong>se</strong>nheit geriet.<br />

Doch zurück zum<br />

„Friedrichsbau-Kinema“. In<br />

der Kai<strong>se</strong>rstraße 150 dachte<br />

Alfred Flügel Anfang 1915<br />

patriotisch. Am 20. Februar<br />

Angesichts des tödlichen Kampfs der Soldaten<br />

an der Front mutet heute der Jubel der<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“ vom 20. November<br />

1915 über die exklusive Prä<strong>se</strong>ntation des Films<br />

„Der Todesjockei“ <strong>se</strong>ltsam an. Abbildungen:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

1915 startete das Kino die Aktion „Für Gold eine Freikarte“ (siehe<br />

Anzeige links). Wer an der Kas<strong>se</strong> ein Goldstück in Zahlung gab, bekam eine Freikarte für die<br />

nächstfolgende Vorstellung. „Das Gold übergeben wir der Reichsbank“ – zur Finanzierung des<br />

Kriegs.<br />

Mit Mühe überstanden die <strong>Freiburger</strong> Kinos –<br />

darunter auch die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ –<br />

den Ersten Weltkrieg. Im Jahr 1919 und danach<br />

zwang die Not, wie schon berichtet, die <strong>Freiburger</strong><br />

Kinos zur Konzentration der Kräfte in Form der<br />

„Vereinigten Lichtspiele“. Letztlich führte die<br />

galoppierende Inflation dazu, dass Kinos<br />

vorübergehend schließen mussten – mit den<br />

Bergen von Papiergeld in Milliardenhöhe ließ sich<br />

einfach kein Filmtheater mehr betreiben.<br />

Anfang 1922 gab es nur noch zwei Kinos in<br />

Freiburg: das Zentral und das „Casino“. Für die<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“ war am 6. September<br />

1924 die Not erstmal überstanden. In der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ (siehe Anzeige links)<br />

verkündeten sie nach zwei Jahren Pau<strong>se</strong> ihre<br />

Wiedereröffnung mit dem Film „Der Kaufmann<br />

von Venedig“. Auch die Kapelle unter Dirigent


Mutschke war wieder mit von der Partie.<br />

Am 7. Oktober 1924 prä<strong>se</strong>ntierte das<br />

„Friedrichsbau-Kino“ mit „Wie sage ich’s<br />

meinem Kinde?“ den ersten von etlichen<br />

Aufklärungsfilmen.<br />

Auch die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ vermarkteten hin und<br />

wieder das Interes<strong>se</strong> an <strong>se</strong>xueller Aufklärung. Mit dem Film „Wie<br />

sage ich’s meinem Kinde“ machte der neue Inhaber Friedrich Karg<br />

im Oktober 1924 den Anfang – und das ging bis in die 1930er so.<br />

hin. Beim Durchschauen der Anzeigen für die vielen Filme, die im<br />

„Friedrichsbau-Kino“ in all den Jahren gelaufen sind, fällt auf, wie<br />

viele Filmtitel noch heute als Redewendungen gebraucht werden.<br />

„Wie sage ich’s meinem Kinde?“ ist nur ein Beispiel unter vielen.<br />

1924 war man vom ersten Tonfilm noch fünf Jahre weg, vom<br />

ersten Farbfilm sogar mehr als zehn Jahre. Eine Ahnung davon,<br />

wie so etwas aus<strong>se</strong>hen könnte, lieferten die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ bereits im Oktober 1924. Als „größte Überraschung<br />

für Freiburg“ prä<strong>se</strong>ntierte das Kino den Film „Opfer des Harems“,<br />

den „ersten kolorierten Großfilm“, den es in Freiburg zu <strong>se</strong>hen<br />

gab. „Alles wie in natürlichen Farben“ – so versprach man den<br />

Zuschauern einen besonderen Blick in die bunter Haremswelt.<br />

Der erste abendfüllende Kinofilm, der mit dem Technicolor-<br />

Verfahren alle drei Grundfarben nutzte, war der US-Film„Becky<br />

Sharp“ von Rouben Mamoulian aus dem Jahr 1935. Der<br />

Durchbruch für den Farbfilm kam aber erst 1937 mit Disneys<br />

Zeichentrickfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge“.<br />

Es dauerte noch einige Jahre länger, bis am 31. Oktober 1941 der erste<br />

deutsche Spielfilm in Farbe Premiere hatte. Es war „Frauen sind doch bes<strong>se</strong>re Diplomaten“ mit<br />

Marika Rökk und Willy Fritsch in den Hauptrollen.<br />

In den Jahren 1925 und 1926 konnte das<br />

„Friedrichsbau-Kino“ mit einigen Filmen<br />

auf sich aufmerksam machen, die zu den<br />

Meilensteinen der Filmkunst zählen: so<br />

„Nosferatu“ von Friedrich W. Murnau,<br />

„Das Kabinett des Dr. Caligari“ von<br />

Robert Wiens, „The Kid“ von Charlie<br />

Chaplin und „Ben Akiba hat gelogen“<br />

von Buster Keaton.<br />

Zum Jahre<strong>se</strong>nde 1926 zeigten die<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“ zum ersten<br />

Mal ihre Schwäche für soldatisches Die<strong>se</strong> freundliche Besprechung des ersten kolorierten Großfilms in den<br />

„Friedrichsbau-Lichtspielen“ erschien am 26. Oktober 1924 in der<br />

Heldentum, nationalistische Züge, also<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Abbildungen: Universitätsbibliothek<br />

die für die nächsten anderthalb<br />

Freiburg<br />

Jahrzehnte prägend <strong>se</strong>in sollten. Auf<br />

dem Programm stand der Film „Un<strong>se</strong>re Emden“ über die Geschichte des kai<strong>se</strong>rlichen Hilfskreuzers<br />

„Emden“. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die „Emden“, um einen Handelskrieg zu<br />

entfachen, in den Indischen Ozean entsandt. Dort ver<strong>se</strong>nkte sie innerhalb von zwei Monaten 23


feindliche Handelsschiffe und zwei Kriegsschiffe bzw. brachte sie auf. Am 9. November 1914<br />

unterlag sie in einem Gefecht dem australischen Kreuzer „Sydney“ nahe den Kokosin<strong>se</strong>ln.<br />

136 Emden-Fahrer kamen dabei ums Leben, die<br />

Überlebenden gingen in Gefangenschaft,<br />

brachen aus und schlugen sich auf<br />

abenteuerliche Wei<strong>se</strong> bis nach Deutschland<br />

durch.<br />

Friedrich Karg lag mit <strong>se</strong>iner Vermutung richtig.<br />

Am 4. Januar 1927 berichtete er in einer<br />

Anzeige von einem „ungeheuren Andrang“,<br />

weshalb „‘Un<strong>se</strong>re Emden‘ bis auf weiteres auf<br />

dem Spielplan bleiben“ werde.<br />

Deftige Werbung der „Friedrichsbau-Lichtspiele am 21. Januar<br />

1925. Die<strong>se</strong>r aggressive Stil war schon einzigartig unter den<br />

<strong>Freiburger</strong> Lichtspieltheatern – ob es die Fox-Programme wert<br />

waren?<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Im November 1927 gab es im „Friedrichsbau-Kino“<br />

den Film von Walther Ruttmann „Berlin -die<br />

Sinfonie einer Großstadt“ zu <strong>se</strong>hen – ein Werk mit<br />

einer nun technisch möglichen rasanten<br />

Schnitttechnik. Zur reinen Unterhaltung des<br />

Publikums dienten – wie auch in den anderen<br />

Freiburg Kinos – in Serie produzierte Filme mit Pat<br />

und Patachon, Harry Piel und Tom Mix. Dazu<br />

kamen wenige Abenteuerfilme aus den USA mit<br />

Douglas Fairbanks usw.<br />

Am 30. Dezember 1926 prä<strong>se</strong>ntierten die<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“ - wie künftig zu<br />

jedem Jahreswech<strong>se</strong>l - ihr Programm für das<br />

nächste Jahr. Einer<strong>se</strong>its bot die<strong>se</strong>r Service den<br />

Filmfreunden in Freiburg einen guten Überblick,<br />

anderer<strong>se</strong>its war die<strong>se</strong>s Jahresprogramm auch<br />

ein Zeichen dafür, wie früh und wie starr die<br />

Kinos damals schon durch die Verleihfirmen<br />

gebunden waren.<br />

Umbau des Kinos im Spätjahr 1929<br />

Im zweiten Halbjahr 1929 blieben die<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“ für vier Monate<br />

geschlos<strong>se</strong>n. Endlich hatte Friedrich Karg wohl<br />

genügend Geld, um die geplanten Änderungen<br />

und Verbes<strong>se</strong>rungen zu realisieren. Die<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ fasste das Ergebnis am 3.<br />

November 1929 so zusammen: „Das<br />

Lichtspieltheater Friedrichsbau bietet sich in einem<br />

neuen Gewand dar: vorteilhaft, geschmackvoll und<br />

zweckentsprechend. Die Raumfrage wurde nach<br />

langen Überlegungen glücklich gelöst. Die frühere<br />

Im Januar 1928 verlegte das „Friedrichsbau-Kino“ <strong>se</strong>ine<br />

<strong>se</strong>xuelle Aufklärung in den späten Abend. In einer<br />

„Nachtvorstellung“ ab 23 Uhr ging es diesmal um „die<br />

Ras<strong>se</strong>nschönheit des Weibes in Kunst und Natur“ – wobei<br />

man hier das Wort Ras<strong>se</strong> noch anders verstehen durfte als<br />

wenige Jahre später.


Kegelbahn wurde ausgebaut und kann jetzt 450 Personen Platz gewähren, Balkon und Logen im<br />

bisherigen Zuschauerraum können 280 Personen aufnehmen, so daß insgesamt 730 Besucher den<br />

Vorführungen anwohnen können. Indirekte Lichtquellen strömen ein heimeliges, wohltuendes Licht<br />

aus, der ganze Raum ist in einem warmen Goldton gehalten, die Wände sind mit einer Muschelform<br />

verkleidet. Ventilatoren sorgen für Abzug der verbrachten und Einführung frischer Luft, im Winter<br />

werden die Räume mit Warmluft angenehm durchflutet.“ Der Text schloss mit einem für damals<br />

bezeichnenden Wunsch: „Es möge dem Lichtspieltheater gelingen, in der Auswahl der Programme<br />

den besten Vorbildern nachzuleben und besonders eine Filmart zu bevorzugen, die den deutschen<br />

Interes<strong>se</strong>n dient.“<br />

Zur Wiedereröffnung der „Friedrichsbau-Lichtspielen“ am 3. November<br />

1929 versicherte der Geschäftsführer Friedrich Karg den <strong>Freiburger</strong><br />

Kinofreunden mit großem Selbstbewusst<strong>se</strong>in, nun das „moderneste,<br />

technisch vollkommenste und luxuriö<strong>se</strong>ste Lichtspielhaus Freiburgs“ bieten<br />

zu können. Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Nicht in die<strong>se</strong> Erfolgsmeldungen passt das<br />

Geschehen, das Günther Wolf 2012 in<br />

<strong>se</strong>inem grundlegenden Aufsatz<br />

„Streiflichter aus einem Jahrhundert<br />

Lichtspiele im Friedrichsbau“ festhielt:<br />

„Aber 1929 ging die ‚Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele Gmbh“ mit den<br />

Geschäftsführern Willy Lehmann, dem<br />

Cafetier des gleichnamigen Cafés im<br />

Hau<strong>se</strong>, und dem nunmehrigen Besitzer<br />

des Anwe<strong>se</strong>ns, dem Privatier Franz-Xaver<br />

Seiler, in den Konkurs, die beiden<br />

Geschäftsführer wurden Liquidatoren.“<br />

In den Zeitungsanzeigen zum Umbau gab<br />

das Musikhaus Max Liebers die Lieferung<br />

eines Harmoniums an das Kino bekannt.<br />

„Unklar bleibt“, so Wolf, „ob die<strong>se</strong>s<br />

Harmonium nur als Platzhalter für eine<br />

Kinoorgel gedacht war, wie sie von der <strong>Freiburger</strong> Firma Welte schon <strong>se</strong>it 1927 an verschiedene<br />

Kinos im In- und Ausland geliefert worden war, oder ob man aus finanziellen oder räumlichen<br />

Gründen nicht an ein derartiges Instrument dachte.“<br />

Das Musikhaus Max Liebers lieferte sich <strong>se</strong>it<br />

1881 mit dem Musikhaus Ruckmich in der<br />

Bertoldstraße einen erbitterten<br />

Konkurrenzkampf. Als 1933 die Nazis an die<br />

Macht kamen, bekam es der jüdische<br />

Kaufmann mit einem noch heftigeren Gegner.<br />

Liebers besaß in <strong>se</strong>inem Haus in der<br />

Salzstraße 11 einen Konzertsaal, in dem er<br />

regelmäßig Kammermusikabende<br />

veranstaltete. So auch im Februar 1935. Außer<br />

Max Reger standen nur jüdische Komponisten<br />

Anzeige vom 3. November 1929 aus der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“: Das<br />

jüdische Musikhaus Max Liebers lieferte das Harmonium für das<br />

umgebaute „Friedrichsbau-Kino“.<br />

auf dem Programm, was das Naziblatt „Der Alemann“ erzürnte – noch mehr aber regte es die<br />

Redaktion auf, dass die Konzerte auch von Nichtjuden rege besucht wurden.


In einem Hetzartikel vom 16. Februar 1935 drohte das<br />

Blatt Max Liebers ganz offen: „Wir werden in Zukunft<br />

nicht mehr tatenlos zu<strong>se</strong>hen, daß der deutsche<br />

Musiksinn durch kulturfeindliche Kunstentweihung<br />

weiterhin unterhöhlt wird“. Zu den Taten gehörte<br />

erst die „Arisierung“ des Musikhau<strong>se</strong>s im Juni 1938,<br />

dann nach der Pogromnacht die Verhaftung des<br />

82jährigen. Auf der Website stolpersteine-infreiburg.de<br />

ist zu le<strong>se</strong>n: „Er war angesichts des<br />

Synagogenbrandes, der Demolierung des Jüdischen<br />

Gemeindehau<strong>se</strong>s und der vielen Verhaftungen<br />

jüdischer Männer am 10. November 1938 in Freiburg<br />

völlig verwirrt und hatte auf offener Straße einen<br />

Nervenzusammenbruch. Von der Kreispflegeanstalt<br />

Freiburg deportierte man ihn in die Psychiatrie<br />

Geislingen, wo Maximilian Liebers im Alter von 82<br />

Jahren durch Medikamente ermordet wurde.“<br />

Die<strong>se</strong> Geschichte soll erhellen, in welche Zeit wir uns<br />

mit die<strong>se</strong>r <strong>Kinogeschichte</strong> bewegen.<br />

Doch zurück ins Jahr 1929. Eine Ironie des Schicksals<br />

muss man es schon nennen, dass die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ am 7. Dezember 1929 den Ganghofer-<br />

Film „Das Schweigen im Walde“ (sic!) vorführte,<br />

während Tage zuvor im „Zentral-Theater“ der erste<br />

Ton- und Sprechfilm gespielt wurde, den die<br />

<strong>Freiburger</strong> zu <strong>se</strong>hen und zu hören bekamen. Da half<br />

wohl auch der Einsatz von Greta Garbo in ihrem Film<br />

„Herrin der Liebe“ zu Weihnachten 1929 nur bedingt.<br />

Auch bei dem am 14. Januar 1930 einge<strong>se</strong>tzten Film<br />

„Sünden der Väter“ mit Emil Jannings bedurfte es<br />

noch des Hinwei<strong>se</strong>s: „Musikalische Leitung: Götti-<br />

Müller“.<br />

Es sollte der Stuttgarter Palast-Lichtspiele AG<br />

vorbehalten <strong>se</strong>in, am 1. April 1930 den „ersten<br />

100%igen Farben-Tonfilm Cilly“ in den<br />

„Friedrichsbau-Lichtspielen“ vorzuführen – an jenem<br />

Tag, an dem sie die<strong>se</strong>s Kino übernommen hat. „Als<br />

größtes Theater-Unternehmen Süddeutschlands und<br />

auf Grund un<strong>se</strong>rer reichen Erfahrungen sind wir in<br />

der Lage“, so heißt es etwas gewunden in der<br />

Anzeige vom 1. April 1930 (siehe rechts), „von der zur<br />

Auswahl stehenden in- und ausländischen<br />

Filmproduktion vom Guten das Beste auszuwählen<br />

und werden wir besonderen Wert darauf legen, den Wünschen des Publikums systematisch näher<br />

zu kommen und einen möglichst engen Konnex bewußt anzustreben.“ Der Friedrichsbau gehörte


damit neben dem „Zentral-Theater“ zu dem 830 deutschen Kinos (16 Prozent), die für Tonfilmer<br />

ausgerüstet waren.<br />

Wer war nun die neue Besitzerin der „Friedrichsbau-Lichtspiele“?<br />

Die Palast-Betriebe in Stuttgart wurden, so ist auf der Internet<strong>se</strong>ite www.allekinos.com zu le<strong>se</strong>n,<br />

am 31. Mai 1923 mit der Eröffnung des gleichnamigen Kinos in der Unteren Stuttgarter Königstraße<br />

gegründet. Das Familienunternehmen hatte jedoch eine we<strong>se</strong>ntlich längere Tradition, denn schon<br />

im Jahr 1905 hatte der Gründer der Firma, der Kino-Pionier August Daub, im Königshof in Baden-<br />

Baden <strong>se</strong>in erstes Kino eröffnet. Es folgte weitere Kinos im schwäbischen Raum, so auch in<br />

Stuttgart, wo 1907 die „Residenz-Lichtspiele“ in der Calwer Straße und 1911 das „American Bio“<br />

(sic!) eröffnet wurden. Die<strong>se</strong>n schon an<strong>se</strong>hnlichen Theaterpark brachte August Daub in die<br />

neugegründete Palast-Lichtspiele AG ein. Das Unternehmen wuchs und florierte in den goldenen<br />

20er-Jahren und stand Anfang 1930 nach dem staatlich geförderten UFA-Konzern an zweiter Stelle<br />

der deutschen Filmtheaterunternehmen.<br />

Die positive Entwicklung endete abrupt, als 1942 die Nationalsozialisten den größten Teil des<br />

Unternehmens enteigneten, um alle Befugnis<strong>se</strong> in der Hand der Reichsfilmkammer zu vereinen. Der<br />

kleine Teil privat belas<strong>se</strong>ner Theater wurde in den Kriegstagen zerstört, so dass die Palast-<br />

Lichtspiele AG ohne Entschädigung für die Millionenverluste in der Nachkriegszeit neu aufbauen<br />

musste. In Freiburg blieb die Palast AG bis 1998 Besitzer der „Friedrichbau-Lichtspiele“, ehe Michael<br />

Wiedemann das Kino ins 21. Jahrhundert führte.<br />

Der gescheiterte Versuch der Ufa, in Freiburg Fuß zu fas<strong>se</strong>n, und <strong>se</strong>ine Hintergründe<br />

Zurück in die 30er Jahre. „Die Palast-Lichtspiele AG entwickelte sich“, so Günther Wolf, „zu einem<br />

der größten süddeutschen Filmtheaterkonzerne und Konkurrenten der staatlich geförderten Ufa,<br />

die in Freiburg zwar <strong>se</strong>it 1930 ein Kinoprojekt zu verwirklichen suchte, damit aber scheiterte.“ Mehr<br />

ist in Wolfs Text dazu nicht zu erfahren, doch lohnt die<strong>se</strong>r Versuch eine nähere Betrachtung.<br />

Die Geschichte begann 1930 in der<br />

Schweiz. In Ba<strong>se</strong>l wurde damals die<br />

AGEBA (Aktienge<strong>se</strong>llschaft für<br />

Gebäudeverwertung) mit einem<br />

Kapital von 500.000 Sfrs. als<br />

Familien-AG nach Schweizer<br />

Aktienrecht gegründet. Aktionäre<br />

mit einer Einzahlung von 70 Prozent<br />

des Kapitals waren die Schwager<br />

Jo<strong>se</strong>f Schiffmann, Freiburg, und<br />

Samuel Levy, Straßburg, beides<br />

Juden. Jo<strong>se</strong>f Schiffmann gehörte in<br />

Freiburg das führende<br />

Herrenbekleidungsgeschäft<br />

Lippmann in der Kai<strong>se</strong>rstraße 32-36<br />

nahe des Siegesdenkmals, das er<br />

Ende der 20er Jahre großzügig neu<br />

erbaut hatte (heute logiert in dem<br />

Gebäude die Parfümerie Douglas).<br />

Am 20. Mai 1928 eröffnete Jo<strong>se</strong>f Schiffmann <strong>se</strong>in neu erbautes, großzügiges<br />

Herrenbekleidungsgeschäft in der Kai<strong>se</strong>rstraße 32-36 nahe des<br />

Siegesdenkmals. Schiffmann hatte das Geschäft 1907 von Tobias Lippmann<br />

übernommen, des<strong>se</strong>n Namen aber beibehalten. In dem äußerlich fast<br />

unveränderten Gebäude ist heute eine Filiale der Douglas-Parfümeriekette<br />

untergebracht. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg


Die AGEBA verhandelte mit der Firma UfA in Berlin und der Firma Ehape in Köln, Tochterfirma des<br />

jüdischen Warenhauskonzerns Leonhard Tietz (heute Galeria Kaufhof) über ein Projekt für die<br />

Grundstücke Kai<strong>se</strong>rstraße 31, 33 und Nussmanngas<strong>se</strong> 1. Hier war der Abriss der alten Gebäude,<br />

darunter das Gasthaus „Mohren“, geplant, an deren Stelle ein großer Neubau für ein Ehape-<br />

Warenhaus im Erdgeschoss und ein Kino im Obergeschoss mit rund 1.000 Sitzplätzen entstehen<br />

sollten. Mit beiden Firmen schloss die AGEBA langfristige Pachtverträge ab – für den Fall, dass die<br />

AGEBA sich die notwendigen Grundstücke sichert. Die Firma Ehape, die das Land mit einer Kette<br />

von günstigen Einheitspreisgeschäften überzog, war bereit, eine Pacht von 50.000 RM pro Jahr zu<br />

bezahlen, ebenso die Firma Brenninkmeyer aus Stuttgart.<br />

Die obere Kai<strong>se</strong>rstraße in Freiburg gegen Ende der 20er Jahre. Links sieht man den 1928 eröffneten, von Architekt Arthur Levy<br />

gestalteten Neubau des Herrenbekleidungsgeschäfts Lippmann, das dem Kaufmann Jo<strong>se</strong>f Schiffmann gehörte. Gegenüber war der<br />

riesige Komplex aus Ufa-Großkino mit 1.000 Sit zplätzen und Ehape-Warenhaus geplant, den die NSDAP in Person von<br />

Oberbürgermeister Franz Kerber 1933 zu Fall brachte. Er verbot einfach den <strong>Freiburger</strong> Handwerkern, „für den Juden“ Schiffmann zu<br />

arbeiten.<br />

Foto: Ansichtskarte, Archiv Gallo<br />

Nachdem die AGEBA die erforderlichen Häu<strong>se</strong>r für rund 480.000 RM erworben hatte, wurde der<br />

jüdische Architekt Arthur Levi, der 1910 den neueren Teil des Friedrichsbaus mit dem Kino<br />

entworfen hatte, beauftragt, das neue Ehape-Warenhaus und das Ufa-Kino für etwa 500.000 RM zu<br />

planen. Seine Entwürfe wurden 1932 der Stadtverwaltung zur Genehmigung vorgelegt, die die<strong>se</strong><br />

dann auch nach einigen Änderungen an der Fassade erteilte. Daraufhin ließ Jo<strong>se</strong>f Schiffmann die<br />

Läden und die Wohnungen in den alten Gebäuden für den Abriss freimachen und im Innern der<br />

Gebäude mit dem Abriss beginnen.<br />

Doch dann kam das Jahr 1933 - und in Freiburg hatte nun die NSDAP das Sagen. Den Nazis waren<br />

Warenhäu<strong>se</strong>r <strong>se</strong>it der Gründung der NSDAP im Jahr 1920 verhasst. Sie sahen darin eine Bedrohung<br />

des gewerblichen Mittelstands – besonders aber hassten sie die jüdischen Warenhäu<strong>se</strong>r (im Jahr<br />

1930 waren 80 Prozent der deutschen Warenhäu<strong>se</strong>r in jüdischem Besitz). NS-Oberbürgermeister<br />

Franz Kerber, der schon als Hauptschriftleiter des Naziblatts „Der Alemanne“ gegen das Projekt in


der Kai<strong>se</strong>rstraße gehetzt hatte, berief – erst kurz im Amt - eine Versammlung der Handwerker, die<br />

am Neubau der AGEBA in der Kai<strong>se</strong>rstraße 31-33 und Nussmannstraße arbeiten sollten, im Rathaus<br />

ein und erklärte ihnen, dass sie „für Juden natürlich nicht arbeiten dürfen“. Die Gestapo drohte<br />

Schiffmann und dem Architekten Levy mit dem KZ, falls sie Handwerker von außerhalb verpflichten<br />

würden.<br />

Damit war das Kinoprojekt der Ufa erledigt. Sie trat wie die Ehape von ihrem Vertrag zurückt. Die<br />

Ehape konnte immerhin per Gericht noch durch<strong>se</strong>tzen, dass sie in den umgebauten alten Räumen<br />

der Kai<strong>se</strong>rstraße 31 und 33 ihr Einheitspreisgeschäft eröffnen durfte. Aber auch das nur für kurze<br />

Zeit. Jo<strong>se</strong>f Schiffmann, des<strong>se</strong>n Bekleidungsgeschäft 1935 von Hettlage „arisiert“ wurde. wurde nach<br />

der Pogromnacht 1938 im KZ Dachau durch Tritte in den Unterleib so schwer verletzt, dass er nach<br />

<strong>se</strong>iner Flucht in die Schweiz und danach in die USA dort am 8. April 1949 in Richmond, Virginia, mit<br />

72 Jahren an den Folgen der Misshandlungen starb.<br />

Pikante Anmerkung zum Schluss die<strong>se</strong>r traurigen Geschichte: Nach<br />

dem Konkurs der AGEBA betrieben die Gläubiger aus der Schweiz die<br />

Zwangsversteigerung der für das Ufa- und Ehape-Projekt<br />

vorge<strong>se</strong>henen Gebäude. Im November 1940 wurde das Grundstück<br />

früher Kai<strong>se</strong>rstraße 31, jetzt Kai<strong>se</strong>r-Jo<strong>se</strong>ph-Straße 147 auf Antrag der<br />

AG Bodenkreditbank Ba<strong>se</strong>l zwangsversteigert. Den Zuschlag erhielt -<br />

die Firma Palast-Lichtspiele AG in Stuttgart für 123.000 RM. Auch das<br />

Grundstück früher Kai<strong>se</strong>rstraße 33, jetzt Kai<strong>se</strong>r-Jo<strong>se</strong>ph-Straße 147,<br />

kam unter den Hammer. Hier ging das Grundstück für rund 34.000 RM<br />

letztlich gleichfalls an die Firma Palast-Lichtspiele AG in Stuttgart.<br />

Man kann nach dem Ausscheiden der Ufa nur raten, was die Palast AG<br />

an die<strong>se</strong>m Standort vorhatte. Realisiert wurde davon nichts.<br />

Die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ und die Nazis<br />

Welche Rolle die neue Besitzerin der „Friedrichsbau-Lichtspiele“, die<br />

Palast—Lichtspiele AG, in den 30er Jahren gerade im Umgang mit der<br />

NSDAP spielte, ist umstritten. Günther Wolf etwa schreibt, „die<br />

kunstpolitische Ausrichtung von August Daub (dem Besitzer der Palast<br />

AG, <strong>se</strong>) war nicht im Sinne der inzwischen an die Macht gekommenen<br />

NSDAP. Während Goebbels mit allen Mittel die Aufführung des<br />

Antikriegs-Films ‚Im Westen nichts Neues‘ nach Remarques Roman zu<br />

verhindern suchte, lief die<strong>se</strong>r Film in den Kinos der Palast-Lichtspiele<br />

AG, allerdings nicht hier im <strong>Freiburger</strong> Friedrichsbau, wo nur am 23.<br />

Juni 1931 ein ähnlicher, aber weniger gehaltvoller Film, ‚Westfront<br />

1918‘, gezeigt wurde (die Remarque-Verfilmung war in Freiburg<br />

stattdes<strong>se</strong>n ab 29. Dezember im kleinen ‚Union‘ zu <strong>se</strong>hen“).<br />

Geradezu skurril wirkte der Umgang im Friedrichsbau mit dem Film<br />

„Dreyfus“ von Richard Oswald. Es ging dabei um die Dreyfus-Affäre ,<br />

einen Justizskandal, der die französische Politik und Ge<strong>se</strong>llschaft in<br />

den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts tief spaltete. Er betraf die<br />

Verurteilung des Artillerie-Hauptmanns Alfred Dreyfus im Jahr 1894<br />

durch ein Kriegsgericht in Paris wegen angeblichen Landesverrats<br />

zugunsten des Deutschen Kai<strong>se</strong>rreichs. Das Urteil mündeste in<br />

Statt dem von den Nazis<br />

attackierten Antikriegs-Film „Im<br />

Westen nichts Neues“ lief im Juni<br />

1931 die<strong>se</strong>r Film im „Friedrichsbau-<br />

Kino“.


jahrelange Au<strong>se</strong>inander<strong>se</strong>tzungen und weitere Gerichtsverfahren. Die Verurteilung des aus<br />

Mülhau<strong>se</strong>n im Elsass stammenden Offiziers basierte auf rechtswidrigen Bewei<strong>se</strong>n und zweifelhaften<br />

Gutachten. Mit <strong>se</strong>iner Streitschrift „J’accu<strong>se</strong>“ ergriff der Schriftsteller Emile Zola für Dreyfus Partei,<br />

der letztlich dann doch freigesprochen und ehrenvoll wieder in die Armee aufgenommen wurde.<br />

Am 14. Oktober 1930 startete der Film „Dreyfus“ von Richard Oswald in den „Friedrichsbau-Lichtspielen“. Hier die Anzeige vom<br />

<strong>se</strong>lben Tage aus der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Dass es neben Landesverrat vor allem auch um den Anti<strong>se</strong>mitismus in Frankreich ging,<br />

dies zu erwähnen, war dem Kinobetreiber offensichtlich zu riskant.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ schafften es, in mehreren großen Anzeigen in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“, ver<strong>se</strong>hen mit viel Text zum Film, nicht einmal zu erwähnen, dass Alfred Dreyfus Jude war<br />

und der damals in Frankreich grassierende Anti<strong>se</strong>mitismus die eigentliche Triebfeder war, um<br />

Dreyfus zu vernichten. Mit Fritz Kortner hatte Regis<strong>se</strong>ur Richard Oswald, auch er Jude, so auch den<br />

richtigen Hauptdarsteller gefunden.<br />

Neben die<strong>se</strong>m Aufreger bot das „Friedrichsbau-Kino“ in den Jahren bis 1933 noch manchen<br />

cineastischen Höhepunkt: im November 1930 Greta Garbo in „Wilde Orchideen“, im Januar 1931<br />

„Unter den Dächern von Paris“ von René Clair, ebenfalls im Januar 1931 „Sturm über dem<br />

Montblanc“ des <strong>Freiburger</strong> Regis<strong>se</strong>ur Arnold Fanck, im April 1931 „Die Dreigroschenoper“ von G. W.<br />

Pabst und der Musik des Juden Kurt Weill sowie Charlie Chaplins „Lichter der Großstadt“. Im<br />

Dezember 1931 dann „Der Glöckner von Notre Dame“ des US-Regis<strong>se</strong>urs Wallace Worsley.<br />

Im Jahr 1932 ging es weiter im Januar mit Richard Oswalds Version des „Hauptmann von Köpenick“<br />

und im März 1932 mit „Man braucht kein Geld“ mit Heinz Rühmann, Hans Mo<strong>se</strong>r und Kurt Gerron<br />

Im Mai 1932 sorgte der Bergfilm „Das blaue Licht“ von und mit Leni Riefenstahl für Auf<strong>se</strong>hen. Im<br />

Juni 1932 eilten die Sportfreunde wegen des Boxkampfs Max Schmeling gegen Raymond Sharkey in


den Friedrichsbau. Im Oktober 1932 gab es mit „Die verkaufte Braut“ die erste Oper im Kino zu<br />

<strong>se</strong>hen und zu hören. Im November turnte Johnny Weismüller in „Tarzan – der Herr des Urwalds“<br />

durch den Dschungel.<br />

Dann kam das Jahr 1933. Am 13. Januar<br />

eröffneten die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ das<br />

Jahr mit Marlene Dietrich in „Die blonde Venus“<br />

von dem jüdischen Regis<strong>se</strong>ur Jo<strong>se</strong>f von Sternberg,<br />

mit dem sie bereits 1930 in die USA emigrierte. Im<br />

Februar folgte die in Staufen bei Freiburg<br />

gedrehte Komödie „Eine Stadt steht Kopf“ unter<br />

der Regie von Gustav Gründgens. Noch durften<br />

Film von jüdischen Regis<strong>se</strong>uren gezeigte werden,<br />

so Ende Februar 1933 der Film „Ganovenehre“<br />

von vielbeschäftigten Richard Oswald.<br />

Im April 1933 zeigten die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ Flagge – und zwar die<br />

Hakenkreuzfahne. Am 22.4. zeigte das Kino den<br />

Streifen „Blutendes Deutschland“ von Johannes<br />

Häussler, den „Film der nationalen Erhebung, wie<br />

er in der Anzeige in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

(links) angeprie<strong>se</strong>n wurde.<br />

In die<strong>se</strong>m Stil ging es gleich weiter: Ende April<br />

stand der Film „Schwarzhemden“ auf dem<br />

Programm, in dem der „Kampf und Sieg des<br />

Faschismus“ in Italien bejubelt wurde.<br />

Am 16. Juni 1933 dann eine Uraufführung des ersten SA-Tonfilms im Friedrichsbau. „Eingeleitet vom<br />

Musikstücken der hiesigen NS-Kapelle“ gab es den Film „SA-Mann Bremel“ zu <strong>se</strong>hen, an dem 1.500<br />

Mann der Münchner SA und SS beteiligt waren. Zur Abwechslung prä<strong>se</strong>ntierten die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ im Juli sozusagen termingerecht Rene Clairs Meisterwerk „14. Juli“.<br />

Auch Günther Wolf erwähnte in <strong>se</strong>iner <strong>Kinogeschichte</strong> den 29. September 1933, als in den<br />

„Friedrichsbau-Lichtspielen“ in einer Festvorstellung „Hitlerjunge Quex“ vorgeführt wurde. Unter<br />

der „Obhut des Reichsjugendführers Baldur von Schirach“ agierte in dem Film vom „Opfergeist der<br />

deutschen Jugend“ auch Schauspielerprominenz wie Heinrich George. Der Reinerlös der Aufführung


übergab die Direktion Oberbürgermeister Franz Kerber, der ihn an das Winterhilfswerk, eine<br />

Organisation der NSDAP, weiterleiten lie8.<br />

Neben den stramm auf Parteilinie liegenden Machwerken sorgte man aber auch für Unterhaltung<br />

und Humor und bot dafür Filme mit den beliebten Stars jener Zeit auf: Liane Haid, Lilian Harvey,<br />

Brigitte Horney, Camilla Horn, Anny Ondra, Adele Sandrock, Paula Wes<strong>se</strong>ly, Ida Wüst, Hans Albers,<br />

Heinz Rühmann, Theo Lingen, Hans Mo<strong>se</strong>r, Fritz Rasp, Paul Hartmann, Willy Forst, Victor de Kowa,<br />

Willy Fritsch, Gustav Fröhlich und andere mehr.<br />

Stolz waren die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ aber noch mehr auf<br />

Filme wie „Triumph des Willens“ über den Reichsparteitag der<br />

NSDAP 1934 in Nürnberg, Regie führte Leni Riefenstahl, das<br />

18köpfige Kamera-Team leitete der <strong>Freiburger</strong> Sepp Allgeier<br />

(1895-1968). Er war bis dahin eher durch die mit Arnold Fanck<br />

produzierten grandio<strong>se</strong>n Bergfilme aufgefallen. Der <strong>Freiburger</strong><br />

Historiker Bernd Martin empfahl im März 2016, die Sepp-<br />

Allgeier-Straße vor Ort umzubenennen. Das Urteil der<br />

eInge<strong>se</strong>tzten Kommission: „Allgeiers ‚Meisterstück‘ für die NS-<br />

Propaganda war ‚Triumph des Willens‘, der<br />

P<strong>se</strong>udodokumentarfilm über den Nürnberger NSDAP-Parteitag<br />

aus dem Jahr 1934.“ Allgeier habe durch <strong>se</strong>ine spektakulären<br />

Bilder „mit der Filmkamera vor den Speer'schen<br />

Parteitagskulis<strong>se</strong>n den allmächtigen Führer eines neuen<br />

nationalsozialistischen Reiches“ inszeniert. Der Film „Triumph<br />

des Willens“ <strong>se</strong>i, so Martin, „die beispiello<strong>se</strong> filmische<br />

Ästhetisierung des Führerkultes“.<br />

„Es scheint vermes<strong>se</strong>n,“ so schrieb Hanns Lasotta, der<br />

Schriftleiter der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“, nach der Vorführung im<br />

fahnengeschmückten Friedrichsbau-Kino, „auch nur mit einem<br />

Wort die<strong>se</strong>s hohe und große Erlebnis schildern zu wollen: der<br />

tiefinnerste Eindruck läßt sich mit Worten nicht wiedergeben“ –<br />

immerhin schaffte es Lasotta dennoch, eine ganze Zeitungs<strong>se</strong>ite<br />

vollzuschreiben. Und auch dafür fand er Worte: „Wer in die<strong>se</strong>r<br />

gewaltigen Demonstration den Sinn des Nationalsozialismus<br />

noch nicht erkannte, der hat kein Recht, sich Deutscher zu<br />

nennen“.<br />

Erstaunlich ist, dass Marlene Dietrich, die nach der Emigration in<br />

die USA, kein gutes Wort für die Nazis fand, noch im Oktober<br />

1935 mit ihrem Film „Die spanischen Tänzerin“ immer noch in<br />

den „Friedrichsbau-Lichtspielen“ gezeigt werden durfte. ImMärz<br />

1936 dann einmal mehr ein Film über den Ersten Weltkrieg „Im<br />

Trommelfeuer der Westfront“. Jetzt ging es nur noch um das<br />

„heldenhafte Ringen“ der deutschen Soldaten.<br />

Am 12. April 1935 verkündeten die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ stolz in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ die Erstaufführung des Films von Leni Riefenstahl und Sepp<br />

Allgeier +über den Reichsparteitag 1934. Zeitgleich wurde das auf<strong>se</strong>henerregende<br />

Werk auch in den „Harmonie-Lichtspielen“ in der Grünwälderstraße gezeigt,<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg


Der Umbau der „Friedrichsbau-Lichtspiele“ im Jahr 1936 – eine NS-Inszenierung<br />

„Ganz im herrschenden Zeitgeist“, so Günther Wolf, „wurde in der ‚<strong>Freiburger</strong> Zeitung‘ vom 8.<br />

Oktober 1936 der neuerliche Umbau des ‚Friedrichsbau-Kinos‘ interpretiert: Unter dem Titel ‚Neues<br />

Gesicht des Friedrichsbau-Hau<strong>se</strong>s. Germanische Kultur in einem modernen Lichtspieltheater‘<br />

berichtete sie über die Baumaßnahmen.“ Noch ausführlicher ließ sich das NS-Blatt „Der Alemanne“<br />

in einer fünf<strong>se</strong>itigen Sonderbeilage über die Neuerungen aus (siehe oben). Was mehr als 70<br />

Arbeiter in mehr als 30.000 Arbeitsstunden geschaffen hatten, <strong>se</strong>i bes<strong>se</strong>r nicht mehr Kino, sondern<br />

Lichtspieltheater zu nennen. Im Sinne von Jo<strong>se</strong>ph Goebbels, der bewei<strong>se</strong>n wollte, dass der deutsche<br />

Film <strong>se</strong>hr gut ohne die bis 1933 dominierenden jüdischen Künstler auskommt, <strong>se</strong>ien die<br />

umgebauten „Friedrichsbau-Lichtspiele“ eine Bestätigung dafür, dass es in Deutschland jetzt nicht<br />

mehr um Kintopp, sondern vornehmlich um Filmkunst gehe.<br />

Dazu passte der Eingangsbereich des 1929 zuletzt renovierten Filmtheaters nicht mehr. Für die neue<br />

geräumige .Eingangshalle musste das Haushaltgeschäft Otto Amann weichen. „Der Alemanne“ zu<br />

den Veränderungen: „Der Kas<strong>se</strong>nraum und die neu errichtete Garderobe sind zweckmäßig<br />

gruppiert, die Rangplätze sind bequemer zu erreichen als früher und eine große, geschützte Treppe<br />

führt zu den Platzreihen im unteren Teil des Theaters.“ Im Vergleich zu den heutigen<br />

„Friedrichsbau-Lichtspielen“ mit ihren im Gebäude verteilten, noch aus den 1970er Jahren


stammenden Apollo-Schachtelkinos ging es damals nur um einen einzigen Zuschauerraum, der<br />

hauptsächlich ebenerdig erreicht werden konnte.<br />

Geradezu ins Schwärmen kam der Autor des „Alemanne“ über die neue Eingangssituation:<br />

„Weiträumigkeit, Licht und Schönheit umfängt den Besucher bei <strong>se</strong>inem Eintritt. Ein Theatereingang<br />

ist entstanden. Vor einigen Jahren wäre es uns wohl ungewohnt gewe<strong>se</strong>n, daß die<strong>se</strong> Halle nicht<br />

überladen ist mit Filmfotos, mit Plakaten, mit Ankündigungen und Anpreisungen in bunter<br />

Aufdringlichkeit. Es ist dem heutigen Film gemäß, daß inder neue entstandenen Halle Bauherr und<br />

Architekt künstlerische Gestaltung und Schönheit zur Entfaltung kommen ließen.“<br />

Die 1936 neu geschaffene Eingangshalle der „Friedrichsbau-Lichtspiele“ mit den Fresken<br />

an der Wand und den Reliefs an der Säule, gestaltet vom <strong>Freiburger</strong> Bildhauer Helmut<br />

Hopp. Er zog sich kurz nach der Eröffnung den Vorwurf zu, bei <strong>se</strong>inem Werk handele es<br />

sich um „ein Gemeng<strong>se</strong>l von altnordischen Kultsymbolen mit anthroposophischen Zeichen<br />

und Fratzen“. OB Franz Kerber sorgte dafür. Dass das Kunstwerk dennoch bleiben konnte.<br />

Foto: aus: Wolf Günther: „Streiflichter aus einem Jahrhundert Lichtspiele im<br />

Friedrichsbau“, Schau-ins-Land: Jahresheft d.Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland,<br />

2012<br />

Detailliert wurde nun die<br />

Ausgestaltung des neuen<br />

Foyers beschrieben: die<br />

Fresken aus dem<br />

frühgermanischen Volksleben<br />

und der altgermanischen<br />

Mythologie, gefertigt von<br />

Kunstmaler Heinrich Wittmer.<br />

Die<strong>se</strong> stellten in einem<br />

meterhohen Fries und<br />

mehreren Einzelbildern<br />

Bauern mit Pflug und Männer<br />

auf der Jagd dar sowie<br />

Siegfried am Lagerfeuer beim<br />

Braten des Herzens des<br />

getöteten Drachens. Die Säule<br />

im Innern des Foyers ließ<br />

August Daub, der Seniorchef<br />

der Palast-Lichtspiele AG, mit<br />

mythischen Reliefs des<br />

<strong>Freiburger</strong> Künstlers Helmuth Hopp schmücken und sogar ein Wandbrunnen unterstrich die<br />

besondere Note die<strong>se</strong>s Raums.<br />

Planung und Bauleitung lagen in den Händen des <strong>Freiburger</strong> Architekten Robert Loo<strong>se</strong>r, der drei<br />

Jahre später dann auch das „Zentral-Theater“ umbauen sollte. Loo<strong>se</strong>r ließ den Zuschauerraum<br />

verlängern und verbreitern, wodurch es mehr Sitzplätze gab. Er sorgte für neue Zugänge und<br />

Ausgänge, und auch eine neue Klangfilm-Tonanlage wurde im Kino installiert.<br />

Doch es blieb nicht nur bei Lob. Knapp eine Woche nach der Eröffnung holte ein Mitarbeiter des<br />

„Alemanne“ zur Fundamentalkritik aus – an der Arbeit des Bildhauers Hopp, des<strong>se</strong>n Werken das<br />

Blatt zwei Jahre zuvor in einem großen Porträt noch „besondere Be<strong>se</strong>eltheit“ zugesprochen hatte.<br />

„Bei näherem Zu<strong>se</strong>hen aber stellt sich heraus, daß es sich um ein Gemeng<strong>se</strong>l von altnordischen<br />

Kultsymbolen mit anthroposophischen Zeichen und Fratzen handelt, wie sie in den<br />

anthroposophischen Veröffentlichungen und besonders in den Werken Rudolf Steiners<br />

vorkommen. Dies trifft auch für die dreigegliederte Tafel des Wandbrunnens zu, auf der ebenfalls<br />

altnordische Symbolik, aber hier auf eine Wei<strong>se</strong> angebracht wurde, daß ein jüngst vergangener<br />

Jugendstil mit der Fratzendarstellung der Primitiven wetteifert.“ Gegen den Vorwurf, Hopp habe


hier „die künstlerische und die weltanschaulich-politische Reaktion fröhlich vereint“, nahm OB<br />

Franz Kerber den Künstler in Schutz und die Dekorationen an der Säule konnten bleiben.<br />

Zur Eröffnung des umgebauten<br />

„Friedrichsbau-Kinos“ lief der neue Film von<br />

Luis Trenker. In „Der Kai<strong>se</strong>r von Kalifornien“<br />

über den in den USA tragisch gescheiterten<br />

deutschen Auswanderer Johann August<br />

Suter hatte Trenker, wie immer, nicht nur<br />

Regie und Produktion in <strong>se</strong>iner Hand,<br />

sondern spielte darin auch die Hauptrolle.<br />

Trenker, der als ausgemachtes Schlitzohr<br />

bis 1940 virtuos mit den Nazi-Größen<br />

spielte, dann aber in Ungnade fiel, schickte<br />

zur Eröffnung an das <strong>Freiburger</strong> Filmtheater<br />

ein Telegramm aus Rom, wo er einige<br />

Wochen zuvor für den „Kai<strong>se</strong>r“ als<br />

Auszeichnung die Copa Mussolini in<br />

Empfang nahm.<br />

Stolz prä<strong>se</strong>ntierte das NS-Blatt „Der Alemanne“ in des<strong>se</strong>n<br />

Sonderbeilage zur Wiedereröffnung der „Friedrichsbau-Lichtspiele“<br />

das Telegramm von Luis Trenker, des<strong>se</strong>n Film „Der Kai<strong>se</strong>r von<br />

Kalifornien“ gezeigt wurde. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Die <strong>Freiburger</strong> Kinos, die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ und der Anti<strong>se</strong>mitismus<br />

Es ist interessant, wie sich die <strong>Freiburger</strong> Lichtspieltheater im<br />

judenfeindlichen und rassistischen Sog der<br />

nationalsozialistischen Filmproduktion verhielten. Wo es<br />

ideologisch hingehen sollte, konnten die Le<strong>se</strong>r des<br />

„Kampfblatts der Nationalsozialisten in Oberbaden“ bereits<br />

am 3. Februar 1932 erfahren. „Der Alemanne“ veröffentlichte<br />

einen Aufruf des in München ansässigen „Kampfbunds für<br />

deutschen Film im Kampfbund für deutsche Kultur“. Darin<br />

heißt es: „Es gibt heute keine deutsche Filmkunst. Die<br />

Produktions- und Verleihge<strong>se</strong>llschaften sind fast<br />

ausnahmslos in Abhängigkeit fremder, oft deutschfeindlicher<br />

Personen und Kapitalien. Die<strong>se</strong> Kräfte sind es, die dem<br />

Filmbesucher Machwerke vor<strong>se</strong>tzen, die nur zerstörerische<br />

Wirkung ausüben.“ Dies alles <strong>se</strong>i nur möglich, „weil in den<br />

Filmzensurstellen artfremde Mächte maßgebenden Einfluß<br />

ausüben“.<br />

Es fällt auf, dass in die<strong>se</strong>m Aufruf für dem Kampf um den<br />

deutschen Film das Wort Juden fehlt, obwohl alle wis<strong>se</strong>n<br />

konnten, wer mit dem „Ausschalten undeutscher Einflüs<strong>se</strong>“<br />

gemeint war. Noch mehr wundert die Zurückhaltung, mit der<br />

1937 für den Film „Togger“ geworben wurde, den die<br />

„Casino-Lichtspiele“ in der Belfortstraße 3 am 19. Februar<br />

1937 zeigte. Ein Großfilm, so las man in der Anzeige der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ (links), „der den Lebenskampf der<br />

‚Siebenden Großmacht‘, der Pres<strong>se</strong>, im Ringen gegen dunkle


Mächte der internationalen Hochfinanz, insbesondere des allmächtigen ‚Reuler-Konzerns‘<br />

schildert“. Die Handlung spielt in der Weimarer Republik – und wer die Besitzverhältnis<strong>se</strong> in der<br />

Pres<strong>se</strong>landschaft jener Jahre kannte, wusste sofort, wer hinter die<strong>se</strong>m Konzern stand, der den<br />

tapferen Chefredakteur des „Neuen Tags“ vernichten wollte: die Juden.<br />

Seit der Pogromnacht vom 9./10.<br />

November 1938, noch mehr aber <strong>se</strong>it<br />

der Rede von Adolf Hitler am 30. Januar<br />

1939 im Reichstag, als er erstmals den<br />

europäischen Juden offen und öffentlich<br />

mit ihrer Vernichtung gedroht hatte,<br />

hatten die Nazis gegenüber den Juden in<br />

Deutschland jede Zurückhaltung<br />

aufgegeben. Die Hetze gegen Juden<br />

wurde nun auch im deutschen<br />

„Kunstfilm“ zum Motiv. Zuerst in dem<br />

Film „Jud Süß“ von Veit Harlan, mit dem<br />

die „Harmonie-Lichtspiele“ am 4.<br />

Oktober 1940 die Spielzeit 1940/41<br />

eröffneten.<br />

Die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ berichtete am<br />

7. September 1940, dass Harlan bei den<br />

Filmfestspielen in Venedig, wo „Jud<br />

Süß“ uraufgeführt wurde, einen großen<br />

Erfolg landete (die Coppa Mussolini für<br />

den besten ausländische Film erhielt<br />

aber ein anderes deutsches Werk).<br />

Gelobt wurde, so die FZ, vor allem auch<br />

die schauspielerische Leistung von<br />

Ferdinand Marian als Jo<strong>se</strong>ph Süß<br />

Oppenheimer und Werner Krauß, der<br />

nicht nur den Rabbi Loew und den<br />

Sekretärs Levy spielte, sondern so<br />

ziemlich alle jüdischen Nebenrollen<br />

verkörperte. Heinrich George mimte<br />

den genusssüchtigen Herzog Karl<br />

Alexander, der sich des Juden als<br />

Finanzier bediente.<br />

Jo<strong>se</strong>ph Goebbels, der den Film von<br />

Anfang an begleitet und gelenkt hatte,<br />

war mit Veit Harlan rundum zufrieden:<br />

„Ein ganz großer, genialer Wurf. Ein<br />

Am 4. Oktober 1940 erschien die<strong>se</strong> Anzeige zur <strong>Freiburger</strong> Premiere des<br />

anti<strong>se</strong>mitischer Film, wie wir ihn uns nur<br />

Films „Jud Süß“ in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ – drei Wochen nach der wünschen können. Ich freue mich<br />

deutschen Premiere in Berlin. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg.<br />

darüber“, schrieb Goebbels am 18.<br />

September 1940 in <strong>se</strong>in Tagebuch. Dabei hatte der Reichspropagandaminister, der den Film in


Auftrag gegeben hatte, anfangs große Probleme, die Hauptrolle des jüdischen Finanzbeamten Süß<br />

zu be<strong>se</strong>tzen. „Nacheinander lehnten Emil Jannings, Willi Forst, Gustaf Gründgens, René Deltgen und<br />

Paul Dahlke ab“, erfährt man dazu bei wikipedia.<br />

Das Magazin „Filmkurier“ im Jahr 1949 über „Jud<br />

Süß“ mit dem diabolischen Ferdinand Marian auf<br />

der Titel<strong>se</strong>ite. Bis 1943 sahen in Deutschland mehr<br />

als 20 Millionen Menschen den Film.<br />

Abbildung: germanpropaganda.com<br />

Auch der in Freiburg aufgewach<strong>se</strong>ne Schauspieler Albrecht<br />

Schoenhals (er machte am Rotteck-Gymnasium <strong>se</strong>in Abitur<br />

und agierte in den 20er Jahren mehrere Jahre als<br />

Schauspieler am Stadttheater) wurde für die Hauptrolle<br />

angefragt. Als auch er laut wikipedia ablehnte, „endete<br />

<strong>se</strong>ine Karriere schlagartig“. In der NS-Zeit wurde der für<br />

<strong>se</strong>ine distinguierten Auftritte <strong>se</strong>hr beliebte Akteur danach<br />

nur noch in wenigen Filmen einge<strong>se</strong>tzt.<br />

In Freiburg<br />

wurde „Jud Süß“<br />

am 4. Oktober<br />

1940, also drei<br />

Wochen nach der<br />

deutschen<br />

Uraufführung in<br />

Berlin, erstmals<br />

in der<br />

„Harmonie“<br />

gezeigt. Nicht nur<br />

in Berlin war der<br />

Andrang groß: Während im Ufa-Palast am Zoo der Film in<br />

den ersten vier Wochen von rund 110.000 Besuchern<br />

ge<strong>se</strong>hen wurde, war auch in Freiburg die Begeisterung<br />

über „die niederträchtigste, gemeinste und raffinierteste<br />

Form von ‚künstlerischem‘ Anti<strong>se</strong>mitismus“, so der<br />

Schriftsteller Ralph Giordano, groß. Es gab sogar jeden<br />

Sonntag als Matinee eine Sondervorstellung. Erst am 28.<br />

Oktober, also in der vierten Woche, wurde der Film in den<br />

„Harmonie-Lichtspielen“ abge<strong>se</strong>tzt.<br />

Im März 1941 versuchte das „Zentral-Theater“ in der<br />

Schiffstraße, an die<strong>se</strong>n Erfolg anzuknüpfen. Doch diesmal<br />

reichte das Interes<strong>se</strong> der <strong>Freiburger</strong> nur für eine knappe<br />

Woche.<br />

Was beim Rückblick auf die <strong>Freiburger</strong> <strong>Kinogeschichte</strong><br />

auffällt: Die „Friedrichsbau-Lichtspiele“, die sonst<br />

durchaus auf Linie der NSDAP agierten, hielten sich bei<br />

anti<strong>se</strong>mitischen Filmen zurück – mit einer Ausnahme. Als<br />

im Februar 1941 der als Dokumentation angekündigte<br />

Film „Der ewige Jude“ anlief, fand die erste Vorführung in<br />

den „Friedrichsbau-Lichtspielen“ – als „Festvorstellung“ für geladene Gäste. Der Zusatz in der<br />

Anzeige in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ vom 6. Februar 1941 (siehe rechts) „Über die Karten ist bereits


verfügt“ deutet daraufhin, dass sich an die<strong>se</strong>m Abend neben der städtischen Prominenz die<br />

Parteibonzen und ihre Gliederungen wie SA und SS im Friedrichsbau breit machten – der Saal war ja<br />

groß genug.<br />

So illustrierte das <strong>Freiburger</strong> NS-Blatt „Der<br />

Alemanne“ am 8. Februar 1941 <strong>se</strong>ine Besprechung<br />

des anti<strong>se</strong>mitischen Hetzfilms „Der ewige Jude“, der<br />

im Rahmen einer „Festvorstellung“ in Freiburg<br />

zuerst in den „Friedrichsbau-Lichtspielen“ zu <strong>se</strong>hen<br />

war. bbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Der von Fritz Hippler. Goebbels Handlanger in der<br />

Reichsfilmkammer, zusammengestellte Film wurde am 29.<br />

November 1940 im Ufa-Palast am Zoo in Berlin<br />

uraufgeführt. Es gab ihn in zwei unterschiedlichen<br />

Schnittfassungen, wobei in der vollständigen die Szenen<br />

mit den Tierschächtungen enthalten waren. Die<br />

Vorstellungen der ungeschnittenen Fassungen durften von<br />

Frauen und Jugendlichen nicht besucht werden.<br />

Die Pres<strong>se</strong>besprechungen waren, so heißt es bei<br />

wikipedia, positiv – was wunder bei den ausführlichen<br />

Direktiven aus der Reichshauptstadt. Ludwig Walther, der<br />

politische Schriftleiter des Naziblatte „Der Alemanne“,<br />

zeigte sich in <strong>se</strong>iner Besprechung vom 8. Februar 1941 als<br />

gelehriger Befolger die<strong>se</strong>r Anweisungen.<br />

Das deutsche Volk <strong>se</strong>he<br />

in dem Film, so stellte er<br />

fest, „die teuflische und<br />

verbrecherische Fratze<br />

die<strong>se</strong>s Judentums, des<br />

Ewigen Juden, in ihrer ganzen abstoßenden Gemeinheit noch<br />

schärfer und unverwischbarer, <strong>se</strong>itdem <strong>se</strong>ine Soldaten in den<br />

europäischen Brutherd der menschlichen Ratten, in die<br />

polnischen Ghettos hineinstießen. In dem Schmutz der<br />

Kaschemmen und Gas<strong>se</strong>n die<strong>se</strong>r Judenviertel haust das Volk, das<br />

sich in <strong>se</strong>inem Größenwahn das au<strong>se</strong>rwählte Volk nennt, und das<br />

doch <strong>se</strong>lbst bar jeder Kultur, jeder Religion, jeder Gesittung und<br />

bar jeder Menschlichkeit ist. Schonungslos reißt der Film ‚Der<br />

ewige Jude‘ die Maske der Zivilisation, die sich die in in den<br />

europäischen Westen eingewanderte Juden umgetan hatten, von<br />

ihren zynischen Gesichtern.“<br />

Im Gegensatz zum Film „Jud Süß“ brachte es der nun in das<br />

„Zentral-Theater“ (siehe Anzeige rechts) verlegte Film „Der ewige<br />

Jude“ in Freiburg nur auf eine Spielzeit von sieben Tagen. In<br />

Parteikrei<strong>se</strong>n vermutete man, dass die anti<strong>se</strong>mitischen Filme aus<br />

Berlin einfach zu dicht hintereinander kamen.<br />

Und das war noch nicht das Ende. Auch das nächste Machwerk in<br />

der Serie judenfeindlicher Stoffe, der am 16. September 1941 in<br />

Freiburg angelaufene Film „Die Rothschilds“, war nicht im<br />

Friedrichsbau zu <strong>se</strong>hen, sondern in den „Harmonie-Lichtspielen“.<br />

Das „Filmdokument vom Aufstieg des berüchtigten


Weltbankhau<strong>se</strong>s“ besprach danach Richard W. Tries, der<br />

Kulturschriftleiter des „Alemanne“, ein Mann mit einer<br />

literarischen Ader. Doch hier ging es ums Grobe: „Erich<br />

Waschneck hat den Vorhang der Geschichte der Geschichte<br />

bei<strong>se</strong>ite geschoben“, so Tries über die angeblichen<br />

Hintergründe des Siegs der Engländer 1915 über Napoleon.<br />

Der Regis<strong>se</strong>ur zeige „die ganze Niedertracht und Gemeinheit,<br />

die sich oft so geschickt tarnt, daß man sie nicht erkennt:<br />

zwischen Glätte und Eleganz schaut uns die Fratze des Juden<br />

an. Gott sagt der Engländer, Kattun meint er! Geschäft geht<br />

über alles, in ihrer Geldgier sind Jude und Brite sich gleich<br />

geworden.“ Mit dem Film galt es auch, den Hass gegen die<br />

Engländer, mit denen man damals einen verlustreichen<br />

Luftkrieg führte, zu schüren. Dafür wurden u.a. die<br />

Schauspieler Erich Ponto und Bernhard Minetti verpflichtet.<br />

Der Film erwies sich als nicht erfolgreich. Nach der<br />

Uraufführung vom 17. Juli 1940 wurde er vom<br />

Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda<br />

zurückgehalten und erst am 2. Juli 1941 mit dem neuen Titel<br />

„Die Rothschilds. Aktien auf Waterloo“ neu herausgegeben.<br />

So lief er auch in den „Harmonie-Lichtspielen“ – doch nur<br />

vom 16. bis 22. Oktober 1941, also gerade eine Woche<br />

(Anzeige links).<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“ im Zweiten Weltkrieg<br />

Kehren wir zurück zum Friedrichsbau.<br />

Nach Umbau und Erweiterung im Jahr<br />

1936 konnte das Kino bis Kriegsbeginn<br />

noch einige Höhepunkte verzeichnen.<br />

So erschien der damals in Berlin lebende<br />

<strong>Freiburger</strong> Regis<strong>se</strong>ur Dr. Arnold Fanck<br />

am 29. April 1937 persönlich zur<br />

<strong>Freiburger</strong> Erstaufführung <strong>se</strong>ines Films<br />

„Die Tochter des Samurais“ im<br />

„Friedrichsbau-Kino“. Die <strong>Freiburger</strong><br />

Kinos hatten in den Jahren zuvor<br />

allesamt gern die Fanck-Filme wie „Die<br />

weiße Hölle vom Piz Palü“ (1929),<br />

„Stürme über dem Mont Blanc“ (1930)<br />

oder „S.O.S. Eisberg“ (1933) in ihr<br />

Programm aufgenommen.<br />

Anzeige vom 7. April<br />

1937 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“. Abbildungen:<br />

Unibibliothek FR<br />

Der gefeierte und erfolgreiche Pionier des Bergfilms aus den<br />

20er Jahren und Förderer von Leni Riefenstahl und Luis<br />

Trenker hatte sich im Gegensatz zu die<strong>se</strong>n beiden lange von<br />

der NSDAP ferngehalten – und bekam das zu spüren.


„Mangels Auftragen“, so heißt es bei<br />

wikipedia, „geriet Fanck in der Folge in<br />

ökonomische Schwierigkeiten, die er erst<br />

1936 durch einen Auftrag des japanischen<br />

Kultusministeriums überwinden konnte. Die<br />

Japaner übernahmen alle Kosten der<br />

Produktion und stellten etwa das Zehnfache<br />

der Summe bereit, die ein durchschnittlicher<br />

japanischer Film kostete.“ Mit „Die Tochter<br />

des Samurai“ und weiteren „Kulturfilmen“<br />

versuchte Fanck, auf künstlerisch-kultureller<br />

Ebene weiterzuarbeiten. Dabei musste er<br />

jedoch die Einflussnahme und Zensur des NS-<br />

Propagandaministeriums hinnehmen.<br />

Goebbels, der anfangs aus politischen<br />

Gründen ein starkes Interes<strong>se</strong> an dem<br />

Filmprojekt in Japan gehabt hatte - eine<br />

Voraus<strong>se</strong>tzung für des<strong>se</strong>n Genehmigung - war<br />

aber von dem fertiggestellten Film weit<br />

weniger angetan als die Japaner.<br />

Fanck, 1940 doch noch in die NSDAP<br />

eingetreten und deshalb 1948 als „Mitläufer“<br />

eingestuft, hoffte nach dem Krieg, mit<br />

Unterstützung der Stadt Freiburg <strong>se</strong>ine<br />

ehemalige <strong>Freiburger</strong> Berg- und Sport-Film<br />

GmbH wiederbeleben zu können, doch die<strong>se</strong><br />

blieb aus. Er gründete die Firma mit Lizenz der<br />

französischen Militärregierung zwar neu,<br />

doch zu Produktionen reichte es nicht mehr,<br />

da Fancks Pläne auf kein Interes<strong>se</strong> stießen<br />

Erst in den 1950er Jahren und danach wurde<br />

<strong>se</strong>in immen<strong>se</strong>r Beitrag zur Filmgeschichte<br />

gewürdigt.<br />

Am 11. Oktober 1938 konnte Friedrich Schmid<br />

auch den im Freiburg aufgewach<strong>se</strong>nen<br />

Schauspieler Albert Schoenhals persönlich in<br />

<strong>se</strong>inem Kino begrüßen. Schoenhals kam zur<br />

Premiere von „Rote Orchideen“, einem<br />

Spionagefilm mit den Stars jener Zeit Olga<br />

Tschechowa und Camilla Horn.<br />

1938 liefen in den „Friedrichsbau-Lichtspielen<br />

auch Filme wie „Der Biberpelz“ mit Heinrich<br />

Dr. Arnold Fanck war zur <strong>Freiburger</strong> Erstaufführung <strong>se</strong>iens Films<br />

„Die Tochter des Samurai“ persönlich anwe<strong>se</strong>nd, wie die , wie die<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele am 29. April 1937 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ stolz verkündeten. Abbildung: Universitätsbibliothek<br />

Freiburg<br />

George, „La Habanera“ mit Zarah Leander und Ferdinand Marian, „Die Umwege des schönen Karl“<br />

mit Heinz Rühmann, „Gasparone“ mit Marika Rökk, „Kampf um den Himalaya“ über die<br />

gescheiterte deutsche Nanga-Parbat, Expedition von 1937 (ohne Fanck), „Der Maulkorb“ nach


Heinrich Spoerl, „Pari<strong>se</strong>r Bekanntschaft“ mit Claudette Colbert, Luis Trenkers „Liebesbriefe aus dem<br />

Engadin“ und „Kautschuk“ mit René Deltgen.<br />

Anzeige vom 17. Juni 1939 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ für den Film über die<br />

Legion Condor. Damals war der mörderische Einsatz der deutschen Luftwaffe in<br />

Spanien gerade mal drei Monate zu Ende. Abbildung: Universitätsbibliothek<br />

Freiburg<br />

Das Jahr 1939 begann mit „Im<br />

Namen des Volkes“, einem Film über<br />

einen Autoräuber (gespielt von<br />

Rudolf Fernau), mit dem die Nazis<br />

für die Entscheidung Adolf Hitlers,<br />

den Raub auf den noch einsamen<br />

Autobahnen mit dem Tod zu<br />

bestrafen, werben wollten. Es<br />

folgten u.a. „Der Schritt vom Wege“,<br />

die Effi Briest-Verfilmung von Gustav<br />

Gründgens und „Was<strong>se</strong>r für<br />

Canitoga“ mit Hans Albers.<br />

Am 17. Juni 1939 erhielten die<br />

<strong>Freiburger</strong>innen und Freiburg eine<br />

Vorahnung, was in wenigen<br />

Monaten auf sie zukommen sollte.<br />

In den „Friedrichsbau-Lichtspielen“<br />

war der „dokumentarische Großfilm<br />

vom Heldenkampf der Legion<br />

Condor“ zu <strong>se</strong>hen. Sein Titel: „Im<br />

Kampf gegen den Weltfeind –<br />

Deutsche Freiwillige in Spanien“.<br />

Bemerkenswert daran war schon,<br />

dass bis ins Jahr 1939 in Berlin und<br />

Madrid kon<strong>se</strong>quent bestritten<br />

wurde, dass Deutschland sich<br />

überhaupt militärisch am<br />

Spanischen Bürgerkrieg beteiligte.<br />

Letztlich waren es neben<br />

Bodentruppen rund 6.500 Mann der<br />

Luftwaffe, die von Juli 1936 bis März<br />

1939 mit Hunderten von Jagd- und<br />

Bombenflugzeugen an der Seite von<br />

General Francos Truppen gegen die<br />

Armee der gewählten Republik in Spanien kämpften. Ihr Luftangriff auf die baskische Stadt<br />

Guernica am 26. April 1937 wurde zum weltweiten Symbol für Terror durch einen Luftkrieg gegen<br />

eine wehrlo<strong>se</strong> Zivilbevölkerung. Der Film lief in Freiburg eine knappe Woche.<br />

Am 22. August 1039, also gerade mal gut eine Woche vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, stand im<br />

NS-Blatt „Der Alemanne“ unter der Überschrift „Lebenskurve der Lichtspielhäu<strong>se</strong>r“ ein<br />

interessanter Beitrag über die Situation der Kinos in Deutschland. Danach gab es im Jahr 1937 in<br />

Deutschland 5.302 Theater, von denen 2.316 täglich spielten. „Wir schätzen heute die Zahl der<br />

Lichtspieltheater im Altreich mit Ostmark und Sudentenland auf 6.654 mit über 2 Millionen<br />

Sitzplätzen.“


Die höchste Dichte mit Kinos, so erfuhr man weiter, wei<strong>se</strong> neuerdings die Stadt Bonn, die kaum<br />

kleiner <strong>se</strong>i als Freiburg, mit zehn Häu<strong>se</strong>rn auf, während Freiburg auf fünf Kinos komme – immerhin<br />

mehr als in Stuttgart. Der Tiefpunkt der Filmbegeisterung war in Freiburg wohl 1934 erreicht.<br />

Damals gingen noch rund 600.000 Besucher im Jahr ins Kino, 1938 waren es 1 Million. „Freiburg<br />

hatte im letzten Jahr“, so war weiter zu le<strong>se</strong>n, „neun Besucher je tau<strong>se</strong>nd Einwohner aufzuwei<strong>se</strong>n,<br />

während die betreffende Zahl für die Städtegruppe, zu der Freiburg gehört, auf 9,8 errechnet<br />

wurde. Dagegen hat Freiburg doch im Jahre 1938 einen Besucher je Tag und Sitzplatz aufzuwei<strong>se</strong>n<br />

und erreicht damit eine Ausnutzung, die nur von wenigen erreicht oder gar übertroffen wurde.<br />

Ebenso liegt Freiburg mit einer Bruttoeinnahme von 98 Pfennigen je Besucher in der Spitzengruppe,<br />

und dies hat es der Struktur <strong>se</strong>iner Bevölkerung zu verdanken, die im Verhältnis zahlungskräftiger<br />

ist als in anderen Städten.“ In vergleichbaren Städten <strong>se</strong>ien es nur 78 Pfennige.<br />

Zu Freiburg gab es in der vom Statistischen Amt der Stadt erarbeiteten Aufstellung noch mehr zu<br />

erfahren: „Die Stadt Freiburg hatte am Ende des Jahres 1938 insgesamt 2.685 Sitzplätze in <strong>se</strong>inen<br />

Lichtspielhäu<strong>se</strong>rn, also 25,1 Sitzplätze auf tau<strong>se</strong>nd Einwohner aufzuwei<strong>se</strong>n.“ Damit liege Freiburg<br />

etwa in der Mitte – Heidelberg komme da auf 37,1 Sitzplätze. Die Zunahme der Besucher <strong>se</strong>it 1934<br />

lag 1938 bei 57,4 Prozent. Während Freiburg 1938 knapp eine Million Besucher zu bieten hatte,<br />

verzeichnete die etwas kleinere Stadt Bonn 1,5, Millionen.<br />

Mit dem Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg<br />

Und dann war auch hierzulande Krieg. Mit dem Überfall auf<br />

Polen am 1. September 1939 kamen auf die Kinos auch in<br />

Freiburg neue Aufgaben und Möglichkeiten zu. Und so stieg<br />

der Kinobesuch in Freiburg auch im Krieg weiter. Am 28.<br />

September 1939 in<strong>se</strong>rierten die „Friedrichsbau-Lichtspiele“<br />

erstmals ihr Kriegsangebot (siehe Anzeige): „Täglich zeigen<br />

wir in Sondervorstellung nachmittags jeweils Punkt 2 Uhr<br />

(Kas<strong>se</strong>neröffnung und Einlaß ab 1 Uhr) 1. Der Westwall und 2.<br />

Un<strong>se</strong>r Wochenschau-Eildienst.“<br />

An dem erst kurz davor fertiggestellten Film „Der Westwall“<br />

über den Bau der von Adolf Hitler angeordneten<br />

Westbefestigung des deutschen Reiches war auch Sepp<br />

Allgeier, der <strong>Freiburger</strong> Kameramann, beteiligt – schließlich verlief der Bau der Organisation Todt<br />

wenige Kilometer von Freiburg entfernt entlang des Rheins.<br />

Das Jahr 1939 endete mit dem Film „Robert Koch“, in dem Emil Jannings einmal mehr brillierte,<br />

„Das Ekel“ mit dem vielbeschäftigten Hans Mo<strong>se</strong>r, „D III 88“ über die neue deutsche Luftwaffe und<br />

„Eine Frau wie Du“ mit Brigitte Horney. Ende Januar 1940 prä<strong>se</strong>ntierten die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ mit „Das Gewehr über“ einen Film mit Rudi Godden, der laut Anzeige des Kinos, „ernst<br />

und heiter wie das echte Soldatenleben und erfüllt vom Geist und der Größe des deutschen<br />

Volksheeres“ <strong>se</strong>i.<br />

Erneut mit einer „Festvorstellung“ prä<strong>se</strong>ntierte das „Friedrichsbau-Kino“ am 22. Februar 1940 den<br />

Film „Feldzug in Polen“ mit, wie es in der Anzeige in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ (vorige Seite) hieß,<br />

„unglaublichen Aufnahmen vom heldenmütigen Einsatz der deutschen Sturzkampfbomber und dem<br />

Bombardement auf Warschau“. Über die Rangplätze für die Abendvorstellung habe „die<br />

Kreisleitung der NSDAP bereits verfügt“.


Auf Betreiben von Jo<strong>se</strong>ph Goebbels wurden nach der<br />

anti<strong>se</strong>mitischen Kampagne im Jahr 1940 von 1941 an<br />

bewusst mehr Unterhaltungsfilme und Kulturfilme gedreht,<br />

um die Stimmung der Deutschen, die sich mit den<br />

wach<strong>se</strong>nden Verlusten der Wehrmacht im Kampf mit der<br />

Sowjetarmee mehr und mehr eintrübte, aufzuhellen.<br />

Dazu gehörten im Jahr 1941 „Sieben Jahre Pech“ mit Hans<br />

Mo<strong>se</strong>r und dem allgegenwärtigen Theo Lingen, „Operette“<br />

von Willy Forst, „Bismarck“ mit Paul Hartmann in der<br />

Hauptrolle, „Wunschkonzert“ mit Il<strong>se</strong> Werner, „Ihr<br />

Privat<strong>se</strong>kretär“ mit Gustav Fröhlich, „Der Weg ins Freie“<br />

mit Zarah Leander, „Die keusche Geliebte“ mit Willy Fritsch<br />

und Camilla Horn, „Friedemann Bach“ mit Gustav<br />

Gründgens, „Die Unschuld vom Lande“ mit Lucie Englisch,<br />

„Das Lied der Liebe“ mit Paul Hörbiger, „Der Gasmann“ mit<br />

Heinz Rühmann, „Versprich mir nichts“ mit Lui<strong>se</strong> Ullrich<br />

und Victor de Kowa und „Quax der Bruchpilot“ mit Heinz<br />

Rühmann.<br />

Seit 1937 gab es, unterbrochen vom Jahr 1940, in<br />

Deutschland „Film-Volkstage“, eine von Jo<strong>se</strong>ph Goebbels<br />

initiierte Kampagne, um vor allem für deutsche Filme und<br />

Filmkunst zu werben. Am 16. Februar 1941 konnten nun<br />

wieder überall in Deutschland die Menschen für einen<br />

„Spe<strong>se</strong>nbeitrag“ von 10 Pfennigen ins Kino gehen.<br />

„Während in den feindlichen Ländern die Filmarbeit stark<br />

eingeschränkt oder und schließlich ganz aufgegeben wurde,<br />

geht bei uns alles <strong>se</strong>inen geordnete und gewohnten Gang<br />

weiter“, vermeldete „Der Alemanne“ am 14. Februar 1941<br />

stolz. Der Filmvolkstag <strong>se</strong>i nun „ein Bekenntnis zur<br />

Lebensbejahung und zur Lebensfreude, ein Bekenntnis zur<br />

Kunst und zu aktiven Kräften völkischen Seins.“<br />

Knapp fünf Monate nach dem Überfall auf Polen,<br />

am 22. Februar 1940, kam schon der Film „Feldzug<br />

in Polen“ in die Kinos. Die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ warben mit die<strong>se</strong>r Anzeige in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ für die „unglaublichen<br />

Aufnahmen“ des „Blitzkrieges in 18 Tagen“.<br />

Abbildungen: Unibibliothek Freiburg<br />

Goebbels, der mit <strong>se</strong>inem Ministerium für Propaganda und<br />

Volksaufklärung ja auch den größten Teil der deutschen<br />

Pres<strong>se</strong> lenken konnte, wie er wollte, sorgte dafür, dass aus<br />

Anlass der Tagung der Reichsfilmkammer im Februar 1941<br />

<strong>se</strong>in ehrgeiziges Filmprojekt in den Tageszeitungen auf Seite<br />

1 als Aufmacher gefeiert wurde – so auch im „Alemanne“,<br />

dem „Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens“.<br />

Dort wurde in der Schlagzeile vom 16. April 1941 „Die große<br />

Zukunft des deutschen Films“ verkündet.


Der größte Förderer des deutschen Films war Reichspropagandaminister Jo<strong>se</strong>ph Goebbels. Während etwa in England die Produktion<br />

nach Kriegsbeginnnstark zurückgefahren wurde, ließ Goebbels sie in <strong>se</strong>inem Herrschaftsbereich ausbauen. Für die dadurch<br />

entstandenen „künstlerischen Höchstleitungen“ konnte er sich bei der Tagung der Reichsfilmkammer im Februar 1941 <strong>se</strong>lbst loben –<br />

und die Zeitungen anwei<strong>se</strong>n, darüber gebührend zu berichten.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Reichsminister Goebbels, der in dem Bericht als „Schirmherr des deutschen Films“ bezeichnet<br />

wurde, sprach in der Festsitzung der Reichsfilmkammer im Schillertheater zu Berlin über die<br />

Aufgaben und Leistungen des deutschen Films im Krieg. Er lobte die Wochenschauen für ihr „echtes<br />

und ungeschminktes Bild der Waffentaten der deutschen Soldaten an allen Fronten“. Nie zuvor<br />

<strong>se</strong>ien aber auch Spielfilme von so hohem künstlerischen Wert und weltanschaulichem Gehalt in so<br />

großer Anzahl entstanden wie gerade jetzt im Krieg. Der Film <strong>se</strong>i zu einem der wichtigsten<br />

Führungsmittel des Volkes geworden, das die<strong>se</strong>n Einsatz auch belohne: Die Statistik für das Jahr<br />

1940 wei<strong>se</strong> eine Steigerung der Kinobesucher um 30 Prozent von 700 Millionen auf eine Milliarde<br />

aus.<br />

Dazu trug auch Heinz Rühmann von Kräften bei. Er war auch 1942 mit <strong>se</strong>inen Lustspielen all<strong>se</strong>its<br />

prä<strong>se</strong>nt. Otto Gebühr durfte im April 1942 in „Der große König“ einmal mehr in <strong>se</strong>ine Paraderolle<br />

als Friedrich der Groß schlüpfen. Dann im Mai Willy Forsts Musikfilm „Wiener Blut“ mit Willy<br />

Fritsch.<br />

Es gab in Freiburg eine rührige Deutsch-Italienische Ge<strong>se</strong>llschaft, die auch dafür sorgte, dass in den<br />

Kinos italienische Filme gezeigt wurden – solange Italien noch Ach<strong>se</strong>npartner des Deutschen<br />

Reiches war. So lief im Juni 1942 im „Friedrichsbau-Kino“ der italienische U-Boot-Film „Einer für<br />

alle“.<br />

Wie wichtig man auch in Freiburg die Kriegswochenschauen nahm, zeigt die<strong>se</strong> Anordnung von Mitte Juli 1941. Um den „Ernst und<br />

Charakter“ der Kriegswochenschauen zu wahren, wurde, während die<strong>se</strong> in den Kinos liefen, kein Einlass gewährt.<br />

Anfang August 1942 lief auch in den <strong>Freiburger</strong> „Friedrichsbau-Lichtspielen“ die 150. Ausgabe der<br />

Kriegswochenschau. Da galt schon <strong>se</strong>it einem Jahr, dass in den Kinos, während die Wochenschau<br />

lief, kein Einlass gewährt werden durfte. Was wohl nicht zu verhindern war, dass an den<br />

Kriegswochenschauen <strong>se</strong>lbst Kritik geübt wurde. Die<strong>se</strong> muss dann doch so massiv gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong>in,


dass sich Ministerialrat Fritz Hippler, der Leiter der Filmabteilung im Propagandaministerium, im<br />

Januar 1942 genötigt sah, auf die Vorwürfe einzugehen. Die Qualität der deutschen<br />

Kriegswochenschau werde von den Feinden anerkannt – vor allem im Vergleich mit den eigenen,<br />

die der „Manchester Guardian“ im November 1941 als „unreife Schuljungenarbeiten“ bezeichnet<br />

habe, so Hippler am 17. Januar 1942 im <strong>Freiburger</strong> „Alemanne“.<br />

Die Wochenschauen müssten, so Hippler an die Adres<strong>se</strong><br />

derjenigen, die im Kino nur Entspannung suchten, die<br />

Wirklichkeit des Kampfes so darstellen, dass auch die<br />

Soldaten sich in der Darstellung wiedererkennen. Der<br />

Wunsch dagegen, die Wochenschau, das „wirkliche<br />

Fronterlebnis“, möge auch zeigen, wie Soldaten verwundet<br />

würden oder fielen oder wie der Feind vorgehe, <strong>se</strong>i „als<br />

Sensationslust zu brandmarken.“ Dass sich die Bilder vom<br />

Ostfeldzug immer wieder ähneln, liege an den Landschaften<br />

und den Kampfhandlungen, die sich gleichen. Dass der Krieg<br />

im Osten zuletzt weniger Platz einnehme, habe <strong>se</strong>ine<br />

Gründe auch in der Kälte, die der Technik zu<strong>se</strong>tze. Bei<br />

Temperaturen unter minus 12 Grad fielen die Apparate<br />

immer wieder aus, bei minus 30 Grad gehe gar nichts mehr.<br />

Dass die Kriegsberichterstatter alles geben, könne man<br />

schon daran erkennen, dass bisher bereits 10 Prozent die<strong>se</strong>r<br />

Kameraden gefallen oder verwundet worden <strong>se</strong>ien. Hippler<br />

wies darauf hin, dass die deutsche Wochenschau vor dem<br />

Krieg in etwa 500 Kopien, jetzt aber in 2.400 Kopien<br />

hergestellt werden.<br />

Trotz der Niederlage der 6. Armee in Stalingrad und der<br />

offenkundigen Wende des Kriegs im Osten änderte sich<br />

zunächst im Kinoalltag in Freiburg wenig. Zur Trauer um die<br />

200.000 Soldaten, von denen die Hälfte im Kampf um Stalins<br />

Stadt fiel oder durch Kälte und Hunger umkam, ließ<br />

Goebbels zwar die Filmtheater vom 4. bis 6. Februar 1943<br />

schließen, danach ging es aber erstmal wie gewohnt weiter.<br />

Am 25. März 1943 verschwand erstmal der Name<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“. Das Kino im<br />

Friedrichsbau hieß jetzt „Ufa-Lichtspiele“ und<br />

hatte einen neuen Inhaber. Schon <strong>se</strong>it Ende 1941<br />

wurden die Kinoanzeigen in den Zeitungen und<br />

auch deren Umfang immer kleiner – es galt<br />

Papier zu sparen.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

„In die<strong>se</strong> Zeit fiel“, so berichtet Günther Wolf in <strong>se</strong>inem<br />

Beitrag, „die von der NS-Reichsfilmkammer verordnete<br />

Teilverstaatlichung der Kinos in Deutschland im ‚Rahmen<br />

der nationalsozialistischen Neuregelung des deutschen<br />

Filmschaffens“. Nun war es juristischen Personen wie der<br />

Palast-Lichtspiele AG nicht mehr erlaubt, Kinos zu führen.<br />

Ein einzelner Besitzer durfte nur noch maximal vier<br />

Lichtspieltheater <strong>se</strong>lbst leiten, alle anderen Kinos übernahm<br />

eine Reichstheaterge<strong>se</strong>llschaft, die der Ufa-<br />

Holdingsge<strong>se</strong>llschaft Ufi unterstellt war.<br />

Daher wurden auch die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ aus dem Konzern der Palast-Lichtspiele in<br />

Stuttgart mit <strong>se</strong>inen damals 21 Filmtheatern herausgelöst und erhielten mit Gustav Hahn einen<br />

neuen Ufa-Spielleiter. „Der Alemanne“ schrieb dazu am 29. März 1943: „Neuer Besitzer des


Friedrichsbaus ist die Deutsche Lichtspieltheater GmbH in Berlin. Friedrich Schmid, der langjährige<br />

Leiter die<strong>se</strong>s Hau<strong>se</strong>s, schied aus, um sich <strong>se</strong>inem eigenen Filmtheater (Zentraltheater) zu widmen.“<br />

Doch schon <strong>se</strong>it dem 25. März 1943 stand über den Kinoanzeigen (siehe Anzeige) der Name „Ufa-<br />

Friedrichsbau“.<br />

Wer nach 1940 gerade in den Winterzeiten abends unterwegs<br />

<strong>se</strong>in wollte oder musste, hatte es mit nachtdunklen Straßen zu<br />

tun. Mit Sonnenuntergang galt die Verdunkelung, damit<br />

Freiburg für feindliche Flieger im Dunkeln nicht zu erkennen<br />

war. So wurden auch die Anfangszeiten in den<br />

Lichtspielhäu<strong>se</strong>rn in der Stadt immer weiter nach vorn verlegt.<br />

Im November 1942 lag man (wie die Anzeige vom 23.<br />

November in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ zeigte) bei 19.30 Uhr.<br />

Auch im Friedrichsbau machte man 1943, so berichtet Günther Wolf, Pläne für den Fall, dass die<br />

Stadt aus der Luft bombardiert werden könnte. Im hinteren Teil des Parkettraums wurden zu den<br />

Kellern der Nachbarhäu<strong>se</strong>r die Mauern durchbrochen, um mehr Fluchtwege für die Kinobesucher zu<br />

haben, falls das Gebäude durch Bomben zerstört und die normalen Ausgänge durch Trümmer<br />

verschüttet oder unpassierbar geworden wären.<br />

Es dauerte bis zum 30. November 1944, also drei Tage nach dem Luftangriff auf Freiburg, bis die Le<strong>se</strong>r des NS-Blatts „Der Alemanne“<br />

etwas über die Folgen der Bombardierung Freiburgs erfuhren. „Der Alemanne“ war <strong>se</strong>it Februar 1943, als die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

eingestellt wurde, die einzige Zeitung, die in Freiburg noch erschien.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek<br />

Freiburg<br />

Wolf schildert weiter, was dann am 27. November 1944 in Freiburg geschah: „Auch in der letzten<br />

Novemberwoche 1944 hatten die fünf <strong>Freiburger</strong> Lichtspielhäu<strong>se</strong>r ihr Programm normal<br />

angekündigt: Im Friedrichsbau spielte man die Kriminalkomödie ‚Sieben Briefe‘, i, Zentral den<br />

Spionagefilm ‚Kora Terry‘ und in den anderen Kinos lief ‚Der blaue Schleier‘ (Casino), ‚Hundstage‘<br />

(Harmonie) sowie ‚Mein Mann darf es nicht wis<strong>se</strong>n‘ (Union). Aber am Montag, dem 27. November<br />

1944, kam das Ende zumindest für das Zentral, das beim großen Luftangriff völlig zerstört wurde<br />

und mehrere Tote unter den Besuchern zu beklagen hatte.“<br />

Kino-Anzeige im NS-Blatt „Der<br />

Alemanne“ vom 26. Februar 1945. Das im<br />

November 1944 zerstörte „Zentral-<br />

Theater“ fehlt.<br />

Auch die anderen Filmtheater scheinen bis zum Ende des Jahres<br />

nicht mehr gespielt zu haben, denn es gibt in den Notausgaben<br />

des „Alemanne“ keine Kinoprogramme mehr. Erst Ende Dezember<br />

wurde im „Union-Theater“ wieder ein Film gezeigt („Die kleine<br />

Residenz“) und ab 2. Januar lief im Friedrichsbau in zwei<br />

Nachmittagsvorstellungen der Film „Sieben Briefe“ wie schon vor<br />

dem Luftangriff. Außerdem wurden laut Wolf ab 14. Januar 1945<br />

im Friedrichsbau auch literarische Vorträge am Sonntagmittag<br />

zugunsten des Deutschen Roten Kreuzes angekündigt. Im Februar


gab es auch wieder Filmvorführungen im Casino.<br />

Bei einem neuerlichen kleineren Bombenangriff auf Freiburg am 8. Februar 1945 wurde der die<br />

Außenwand des Friedrichsbaus beschädigt. Nach einigen Tagen Pau<strong>se</strong> spielte das Kino aber ab 21.<br />

Februar 1945 schon wieder die Komödie „Die kleine Residenz“. Am 20. April 1945 lief in den „Ufa-<br />

Lichtspielen“ als letzter Film vor dem Einmarsch der französischen Armee die Komödie „Warum<br />

lügst Du, Elisabeth?“ aus dem Jahr 1944.<br />

Hier endet eigentlich der Zeitrahmen der Geschichte der „Friedrichsbau-Lichtspiele“ in die<strong>se</strong>m<br />

Beitrag – aber nicht ohne eine fällige Ausnahme: Denn die Aufführung eines Film von Veit Harlan<br />

spaltete vor gut 50 Jahren die Stadt. Dazu Ulrike Rödling am 15. Januar 2002 in der „Badischen<br />

Zeitung“: „Vor dem Friedrichsbau protestierten am 16. Januar 1952 rund 200 Studenten, Bürger und<br />

Gewerkschafter. Sie wurden von der <strong>Freiburger</strong> Polizei verprügelt, von Kinobesuchern bespuckt und<br />

als "Sozialistenschweine" und "Judensöldlinge" beschimpft. 16.000 Kinobesucher hatten in den<br />

ersten Januartagen den Film ‚Hanna Amon‘ ge<strong>se</strong>hen und sich gegen die studentischen Störenfriede<br />

empört. ‚Juden raus‘ war ebenso zu hören wie die Unterstellung, die Demonstranten <strong>se</strong>ien mit<br />

‚jüdischem Geld gekauft‘".<br />

Veit Harlan, der zur gleichen Zeit mit <strong>se</strong>iner Frau Kristina Söderbaum und dem <strong>Freiburger</strong><br />

Polizeipräsidenten Bie<strong>se</strong>r in einem Restaurant tafelte, hatte es nach dem Krieg geschafft, durch<br />

geneigte Richter alle Klagen gegen ihn wegen des von ihm inszenierten anti<strong>se</strong>mitischen Hetzfilms<br />

„Jud Süß“ zu überstehen, und danach wieder mit dem Filmen begonnen.<br />

Der Streit um ihn spaltete die Stadt in zwei Lager, quer zu den Parteigrenzen. Zahlreiche Menschen<br />

waren, so der Bericht in der BZ, verletzt worden und Staatspräsident Leo Wohleb <strong>se</strong>tzte angesichts<br />

die<strong>se</strong>r Eskalation den Film persönlich ab. Einhellig verurteilten der Stadtrat und die Pres<strong>se</strong> das<br />

Vorgehen der Polizei. Oberbürgermeister Hoffmann bekundete den Studenten und der<br />

Universitätsleitung <strong>se</strong>in Mitgefühl und hoffte, "dass in der Welt der demokratische Ruf der Stadt<br />

Freiburg keinen Schaden leidet". Der Landtag <strong>se</strong>tzte einen Untersuchungsausschuss ein; Harlans<br />

Tafelgast, Polizeipräsident Bie<strong>se</strong>r, musste den Dienst quittieren.<br />

Doch Mitglieder des <strong>Freiburger</strong><br />

Film-Clubs und die Kinobetreiber<br />

planten nun ihrer<strong>se</strong>its eine<br />

Protestversammlung gegen das<br />

Verbot von "Hanna Amon", die<br />

aber das Badische<br />

Innenministerium verbot. „Die Zeit<br />

war offensichtlich (noch) nicht reif<br />

für eine kritische<br />

Au<strong>se</strong>inander<strong>se</strong>tzung mit den<br />

willigen Gehilfen der Nazis“, so das<br />

Resümee von Ulrike Rödling.<br />

„Verlorene Illusionen“ – die<strong>se</strong>r Film stand am 10. Januar <strong>2023</strong> auf dem Programm<br />

der „Friedrichsbau-Lichtspiele“. Gerade hatte die Nachricht vom drohenden Ende<br />

die<strong>se</strong>s Filmtheaters die <strong>Freiburger</strong> Kinowelt erschüttert und aufgerüttelt. Ist das<br />

Kino doch noch zu retten? Die<strong>se</strong> Frage war noch nicht beantwortet, als die<strong>se</strong>r<br />

Beitrag entstand. Aber es gab hoffnungsvolle Aktivitäten – mögen sie sich nicht als<br />

„Verlorene Illusionen“ herausstellen.<br />

Foto: Bernd Serger<br />

Veit Harlans Film "Hanna Amon"<br />

wurde im Juni 1952 vom Gericht<br />

freigegeben und erneut in Freiburg<br />

gezeigt. Die Studenten reagierten<br />

nun - mit Schweigemärschen.


Die „Casino-Lichtspiele“ – herausgewach<strong>se</strong>n aus dem „Colos<strong>se</strong>um“<br />

In die<strong>se</strong>r <strong>Freiburger</strong> Kino-<br />

Geschichte haben wir nun die<br />

ersten kleineren Versuche, aber<br />

auch die namhafteren und<br />

größeren Lichtspielhäu<strong>se</strong>r wie<br />

das „Zentral-Theater“ und die<br />

„Friedrichsbau-Lichtspiele“<br />

gewürdigt. Doch es gab noch drei<br />

weitere Kinogründungen in den<br />

1920er Jahren: die „Casino-<br />

Lichtspiele“ in der Belfortstraße 3<br />

(heute Humboldtstraße), die<br />

„Harmonie-Lichtspiele“ in der<br />

Grünwälderstraße und die<br />

„Union-Lichtspiele“ in der<br />

Schützenallee 7.<br />

Über die durchaus<br />

bemerkenswerte cineastische<br />

Vorgeschichte in dem Gebäude<br />

Belfortstraße 3 wurde hier schon<br />

berichtet – so gab es 1910 im<br />

Varieté „Colos<strong>se</strong>um“ an gleicher<br />

Stelle den ersten Farbfilm in<br />

Freiburg zu <strong>se</strong>hen. Die etwas<br />

altbackene Herrlichkeit des<br />

„Colos<strong>se</strong>ums“ ging mit dem Ende<br />

des Ersten Weltkriegs auch<br />

langsam zu Ende.<br />

Das „Casino“-Gebäude in der Belfortstraße 3 in den 1930er Jahren. Der Saal für die<br />

Kino- und anderen Aufführgen lag im Obergeschoss. Foto: Stadtarchiv Freiburg M70-<br />

S201-27 Nr.260<br />

Etwas Neues war fällig - und das<br />

waren die „Casino-Lichtspiele“, die am 18. September 1920 eröffnet wurden. Was für ein Wagnis in<br />

so riskanten Zeiten kurz nach dem Ersten Weltkrieg!<br />

Von der Eröffnungsfeier berichtete,<br />

ziemlich beeindruckt, die „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ am 21. September 1920:<br />

„Nach einem fast amerikanisch<br />

anmutenden Reklameregen haben sich<br />

am Samstag nachmittag um 4 Uhr die<br />

Tore des ‚Casinos‘ zunächst geladenen<br />

Gästen und um 5 Uhr der<br />

Allgemeinheit geöffnet. Die<br />

hochgespannten, durch die Reklame<br />

hervorgerufenen Erwartungen wurden<br />

Die Anzeige am Tag der Eröffnung der „Casino-<br />

Lichtspiele“ am 18. September 1920 in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg


durchaus erfüllt. Wer die Räume betrat, kannte das alte biedere und nüchterne Kolos<strong>se</strong>um kaum<br />

wieder: großzügig und mit erle<strong>se</strong>nem Geschmackwurde das stattliche Haus vom Keller bis zum<br />

Speicher umgestaltet und allen Räumen ein vornehmes und intim-heimeliges Gepräge gegeben.<br />

Jeder Winkel, jede vorher unbeachtete Ecke ist ausgenutzt und behaglich gestaltet.“<br />

Gerüchte über die Schließung des „Casinos“ gab es schon im<br />

ersten Jahr. Die Direktion dementierte – und kündigte per<br />

Anzeige vom 16. Dezember 1920 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

an, dem „Theaterprogramm die größte Sorgfalt“ zu widmen.<br />

Und mit dem neuen Betreiber Gustav Vollmer kam es nach<br />

1925 auch so. Abbildung: Unibibliothek Freiburg<br />

Das „Casino“-Gebäude beherbergte nicht nur den<br />

Kinosaal, sondern auch ein gemütliches Kaffee<br />

nebst Konditorei, Weinstuben und ein<br />

Bauernstüble. „Das große Restaurant ebener Erde<br />

und der Theatersaal im oberen Stockwerk sind<br />

glänzende, reprä<strong>se</strong>ntative Räume. Jenes in<br />

schwarz-weiß, die<strong>se</strong>s in rot, weiß und gold<br />

gehalten. Wie Herr Opernsänger Prößl in <strong>se</strong>inen<br />

namens der Casino-Ge<strong>se</strong>llschaft gesprochenen<br />

Begrüßungsworten erklärte, sollen hier neben<br />

Lichtspielen auch Schauspiel- und Operetten-<br />

Aufführungen, artistische Darbietungen und<br />

wis<strong>se</strong>nschaftliche Vorträge eine Stätte finden.“<br />

Gelobt wurde in FZ nicht nur der Hauptfilm<br />

„Cabiria“ vom Kampf zwischen Rom und Karthago,<br />

sondern auch der Filmbericht von den<br />

Bei<strong>se</strong>tzungsfeierlichkeiten für den <strong>Freiburger</strong><br />

Erzbischof Dr. Thomas Nörber. Eindruck machte<br />

auch die zehn Mann starke Hauskapelle unter<br />

Kapellmeister Schmidt. „Freiburg ist um eine<br />

großstädtische Sehenswürdigkeit ersten Ranges<br />

reicher“, schloss der Zeitungsbericht.<br />

Geschäftsführer waren bei der Eröffnung Mathias<br />

Göringer, Kaufmann aus Karlsruhe, und der<br />

<strong>Freiburger</strong> Kaufmann Kurt Kitt, so berichtet Marga<br />

Burkhardt in ihrer <strong>Kinogeschichte</strong>. Vera Bern, die<br />

Leiterin der „Casino-Lichtspiele“, prophezeite in der Fachzeitung „Der Kintematograph“, dass in<br />

Freiburg Filmgeschichte geschrieben werde: „Das Casino soll das schönste Kino von ganz Baden<br />

<strong>se</strong>in. Schon möglich. Uebrigens ist das Casino nicht nur ein Kino, sondern eine ganze Mau<strong>se</strong>falle,<br />

wie die Casinos der französischen Modebäder: eine Kombination von angenehmen Möglichkeiten.<br />

Alle Achtung vor so einer Stadt, die noch vor kurzem von allem Großstadttum unbeleckt war. Aber<br />

das ist nicht alles! Es gibt noch viel mehr hier. Es gibt eine Filmfabrikation (die Berg- und Sportfilm;<br />

GmbH von Arnold Fanck, <strong>se</strong>). Nein, nicht den ‚Welt-Kinematographen‘ meine ich, das heißt, den<br />

gibt’s auch, sondern etwas ganz Besonderes, ganz Neues! Etwas Junges. Etwas Symthathisches!<br />

Etwas, was mich mit Stolz erfüllt für un<strong>se</strong>re deutsche Kinematographie, die wieder einmal<br />

bahnbrechend wirkt.“<br />

Am beliebtesten war 1919, so Marga Burkhardt, noch das „Zentral-Theater“ mit 232.752<br />

Zuschauern, während der „Welt-Kinematograph“ nur von 147.532 und die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ damals sogar nur von 53.980 Kinogängern besucht wurde. Wie schon berichtet, ging das<br />

„Casino“-Kino 1921 bis 1922 in den „Vereinigten Lichtspielen“ unter der Regie des „Zentral-<br />

Theaters“ auf. Des<strong>se</strong>n Besitzer Gustav Thoma leitete auch noch 1924 das „Casino-Kino“. Dann


übernahm 1925 Gustav Vollmer, der zuvor schon in Karlsruhe und Pforzheim Filmtheater geleitet<br />

hatte, das Haus in der Belfortstraße.<br />

„Mitte der 1920er Jahre kaufte Gustav Vollmer den<br />

Betrieb“, schrieb Fritz Steger am 13. Dezember<br />

2021 in einem Beitrag für die „Badische Zeitung“<br />

über den riesigen Casino-Komplex zwischen der<br />

Löwenstraße und der Belfortstraße: „Seine Enkel,<br />

die heute das Gebäude verwalten, berichten, wie<br />

ihr Großvater mit <strong>se</strong>iner Schwägerin nach Freiburg<br />

fuhr. Als die<strong>se</strong> die Universität erblickte, rief sie<br />

entzückt aus: "Das ist also das Casino, welches du<br />

erworben hast!" Vollmer, später Stadtrat in<br />

Freiburg, war ein Mann des Kinos, der eine<br />

Umgestaltung vom schlichten Filmspielhaus in<br />

einen Filmpalast forcierte.“<br />

Gustav Vollmer gelang es tatsächlich, im Laufe der<br />

nächsten Jahre und bis in die NS-Zeit hinein, die<br />

„Casino-Lichtspiele“ mit ihren 750 Sitzplätzen an<br />

die Spitze der <strong>Freiburger</strong> Lichtspielhäu<strong>se</strong>r zu führen.<br />

Doch auch schon unter Gustav Thoma vom<br />

„Zentral-Kino“ stachen 1924 die „Casino-Lichtspiele“ mit Publikumsrennern wie „Lucrezia Borgia“<br />

mit Albert Bas<strong>se</strong>rmann und Conradt Veit, „Die Nibelungen“ von Fritz Lang, „Die Besteigung des<br />

Mount Everest“ und „Im Zeppelin über den Atlantik“ heraus.<br />

Einen Reklame-Coup landeten die „Casino-<br />

Lichtspiele“ im November 1924. Zur<br />

<strong>Freiburger</strong> Premiere von „The Kid“, einem der<br />

Meisterwerke von Charlie Chaplin, schaltete<br />

das Kino eine Reihe von Anzeigen, die – mit<br />

Zeichnung und in gereimter Form – Chaplins<br />

Weg von der Idee über die Produktion bis<br />

zum fertigen Film nachzeichnete.<br />

Nicht zu verges<strong>se</strong>n: das „Casino“ in der Belfortstraße war<br />

nicht nur Kino, sondern auch ein Amüsierbetrieb und ein<br />

Varieté, das bis in den Zweiten Weltkrieg hinein ein<br />

Programm mit großstädtischem Format bot. Hier eine<br />

Anzeige vom 10. September 1921 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Moderne Werbung <strong>se</strong>tzten die „Casino-Lichtspiele“ bereits im November 1924 ein. Mit einer Anzeigen<strong>se</strong>rieüber sieben Tage in<br />

der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ lenkte das Kino die Filmfreunde zur Premiere von „The Kid“, dem Meisterwerk von Charlie Chapin am<br />

12. November 1924 hin. Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg


Unter dem Motto „Ein Film zum Lachen und zum Weinen“ lief die Werbekampagne der „Casino-Lichtspiele“ für Charliörtliche e<br />

Chaplins Film „The Kid“. In holprigen Ver<strong>se</strong>n teilt das Kino am 11. November 1924 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ auch gegen die<br />

örtliche Konkurrenz aus: „“‘The Kid‘ wird nur im ‚Casino‘ aufgeführt/ Darob die Konkurrenz ist <strong>se</strong>hr gerührt / Weil es andern<br />

bringt große Menschenmas<strong>se</strong>n / Die <strong>se</strong>lbst das ‚Casino‘ nicht alle kann fas<strong>se</strong>n“. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Es war auch noch mit Gustav Thoma als Impresario der „Casino-Lichtspiele“, dem es gelang, im Jahr<br />

1925 weitere Knüller an Land zu ziehen: im Februar „Quo Vadis“ mit Emil Jannings als Nero, im<br />

März „Die zehn Gebote“ von Cecil B. de Mille, „Die Breisgauperle, <strong>Freiburger</strong> Stadt- und Werbefilm“<br />

und „Der Berg des Schicksals“ vom <strong>Freiburger</strong> Regis<strong>se</strong>ur Arnold Fanck. Thoma wagte sich im Juli<br />

1925 auch an das umstrittene Thema Astrologie, als er die renommierte Astrologin Elsbeth Ebertin<br />

mit ihrem Film „In den Sternen steht es geschrieben“ nach Freiburg einlud. „Hier lief er samt<br />

Vorträgen in den ‚Casino-Lichtspielen‘ zwischen dem 10. und 13. Juli 1925“, berichtet Thorsten<br />

Mann in <strong>se</strong>inem Aufsatz für die Seite „Okkultes Freiburg“. Auch in Freiburg war der Film <strong>se</strong>hr gut<br />

besucht, die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ sprach von einem großen Andrang und von Beifall für den Vortrag<br />

der Rednerin.


Im Dezember 1925 gab es, anders als in<br />

anderen Quellen angegeben, noch<br />

immer die „Vereinigten Lichtspiele“ aus<br />

„Zentral-Theater“ und „Casino-<br />

Lichtspielen“, beide damals geleitet von<br />

Gustav Thoma. Angesichts der immer<br />

noch großen Not in der Bevölkerung<br />

kündigte er am 12. Dezember 1925 an,<br />

„die Eintrittsprei<strong>se</strong> weiter zu <strong>se</strong>nken“ –<br />

auf 50 Pfennige im Parkett bis 1.30<br />

Mark für die Loge. Dies „um es allen<br />

Krei<strong>se</strong>n der Bevvölkerung Freiburgs zu<br />

ermöglichen, un<strong>se</strong>re erstklassigen<br />

Spielpläne zu besichtigen“. Die<br />

kommenden Darbietungen werden<br />

bewei<strong>se</strong>n, so versprach Thoma, „daß<br />

wir nach wie vor in jeder Hinsicht<br />

führend am Platze sind“.<br />

1926, nun wohl unter der Leitung des<br />

neuen Betreibers Gustav Vollmer,<br />

begannen die „Casino-Lichtspiele“ mit<br />

dem Film „Der Ro<strong>se</strong>nkavalier“ (siehe<br />

Anzeige vom 21. März 1926) ihre Serie<br />

von Musikfilmen, die sie bis in den<br />

Zweiten Weltkrieg fortführte – von<br />

1930 an als Tonfilm, 1926 aber als<br />

Stummfilm mit dem „verstärkten<br />

Orchester“ des Hau<strong>se</strong>s unter Leitung<br />

von Kapellmeister G. Mutschke.<br />

Im April 1926 folgte mit „Die letzten Tage von Pompeji“, einer<br />

deutschen Neuverfilmung, ein weiterer Höhepunkt. Und im<br />

Juni 1926 war es Charlie Chaplins nächstes Meisterwerk<br />

„Goldrausch“, mit dem Vollmer erneut gegen die Konkurrenz<br />

punktete. Am 29. Juni 1926 ließ er frech in einer Anzeige in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ „mehrere Kinobesucher“ fragen: „Wann<br />

entschließen sich die <strong>Freiburger</strong> Lichtspieltheater,<br />

Standartwerke der Filmkunst wie ‚Goldrausch‘ mit Chaplin<br />

endlich hier aufzuführen?“ Natürlich war klar, dass wenige Tage<br />

später „Goldrausch“ in den „Casino-Lichtspiele“ lief – und für<br />

das Kino zu einem großen Erfolg wurde.<br />

Im Vergleich zu den anderen Kinos in Freiburg gelang es Gustav<br />

Vollmer, mit wach<strong>se</strong>ndem Erfolg auch teure amerikanische


Produktionen in den „Casino-Lichtspielen“ zu prä<strong>se</strong>ntieren – so etwa im Dezember 1926 „Der Adler“<br />

mit Rudolph Valentino, im Januar 1927 „Der Seeräuber“ und im Februar „Im Zeichen des Zorro“ mit<br />

Douglas Fairbanks, im Juli 1927 „Das Netz des Schicksals“ mit Mary Pickford und im September<br />

„Robin Hood“, einmal mehr mit Douglas Fairbanks.<br />

Am 2. Oktober 1927 war in den „Casino-Lichtspielen“ der erste reine Kulturfilm zu <strong>se</strong>hen – danach meistens immer am Sonntag<br />

Vormittag um 11.10 Uhr, jeweils mit einem Vortrag davor, gehalten von Fachleuten zum Thema. Die Eintrittsprei<strong>se</strong> waren mit 40 nis<br />

80 Pfennige recht günstig. Mitglieder der veranstaltenden Vereinigung, etwa des sozialdemokratisch geprägten<br />

Arbeiterbildungsvereins bekamen dazu noch 20 Prozent Ermäßigung auf allen Plätzen. Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Im Oktober 1927 startete Gustav Vollmer in <strong>se</strong>inen „Casino-Lichtspielen“ eine neue, ambitionierte<br />

Reihe: die „Kulturfilm-Spiele“. Gemeinsam mit der Volkshochschule, dem Badischen Landesverein<br />

für Naturkunde und Naturschutz und dem Arbeiterbildungsverein, beraten von einer <strong>se</strong>chsköpfigen<br />

Kommission und geleitet vom Verlagsschriftleiter Dr. Jo<strong>se</strong>f Schmid, gab es jede Woche einen neuen<br />

Kulturfilm zu <strong>se</strong>hen – meist über Rei<strong>se</strong>n und Expeditionen in ferne Länder. Die<strong>se</strong> Kulturfilme liefen<br />

auch in den 1930er Jahren weiter, dann mit einer anderen Kommission, denn Prof. Ferdinand<br />

Gutheim, der Vorsitzende des Arbeiterbildungsvereins, war Jude.<br />

Im Lauf der Zeit sind die „Casino-Lichtspiele“ dazu übergegangen, in einer Vorstellung zwei Filme<br />

hintereinander abzuspielen, da die Streifen damals, immer noch in etliche Akte unterteilt, kürzer<br />

waren als in späteren Jahren. So waren die Anzeigen in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ länger als zuvor,<br />

da ja zwei Filme – Gustav Vollmer nannte sie „Schlager“ - vorzustellen waren.<br />

Am 3. Februar 1928 war die Anzeige besonders lang, da Gustav Vollmer <strong>se</strong>ine jüngsten Erfolge mit<br />

die<strong>se</strong>r Strategie unter die Leute bringen wollte. Mit dem Slogan „Auch ein Rekord …“ verkündete er,


dass im Januar 1928 genau 35.346 zahlende<br />

Besucherinnen und Besucher <strong>se</strong>in Kino besucht haben,<br />

also weit mehr als tau<strong>se</strong>nd Menschen am Tag. „Dies ist<br />

die höchste Besucherziffer <strong>se</strong>it un<strong>se</strong>rem Bestehen“,<br />

war in der Anzeige zu le<strong>se</strong>n. Und: „Ein neuer,<br />

schlagender Beweis für die große Beliebtheit un<strong>se</strong>res<br />

Theaters. Den Rie<strong>se</strong>nerfolg verdanken wir<br />

1. Un<strong>se</strong>ren hervorragend zusammengestellten,<br />

reichhaltigen Doppel-Spielplänen mit nur den größten<br />

Spitzenfilmen der Welt.<br />

2. Un<strong>se</strong>rem großen Orchester und der<br />

wunderbaren Vertonung des Films durch Kapellmeister<br />

Frederick Hippmann aus Wien.<br />

3. Un<strong>se</strong>ren billigen, volkstümlichen<br />

Eintrittsprei<strong>se</strong>n, die im Verhältnis zum Gebotenen die<br />

weitaus niedersten in ganz Deutschland sind<br />

4. Un<strong>se</strong>ren pau<strong>se</strong>nlo<strong>se</strong>n Vorführungen<br />

5. Un<strong>se</strong>ren bequemen Sitzen.<br />

Mit Harry Piel (1892-1863) als Regis<strong>se</strong>ur und<br />

Schauspieler lagen die Filmtheaterbesitzer in den 20er<br />

und 30er Jahren, was die Nachfrage anging, nie falsch.<br />

Er war der erste Action-Filmer in Deutschland und<br />

machte zwischen 1912 und 1945 unzählige Filme,<br />

darunter 1938 „Menschen, Tiere, Sensationen“. die<br />

Jo<strong>se</strong>ph Goebbels veranlassten, ihn in die Liste der<br />

„Gottbegnadeten“ zu befördern, die nicht zum<br />

Kriegsdienst eingezogen wurden. Er war Parteimitglied<br />

<strong>se</strong>it 1933 und förderndes Mitglied der SS, was im nach<br />

1945 <strong>se</strong>chs Monate Gefängnis und fünf Jahre<br />

Berufsverbot einbrachte.<br />

Im März 1928 veranstalteten die „Casino-Lichtspiele“<br />

einen ihrer „Propaganda-Tage“, an denen ein<br />

Zuschauer auf <strong>se</strong>ine Eintrittskarte eine zweite Person<br />

mitnehmen konnte, die nicht bezahlen musste.<br />

Mit „Der Weltkrieg“ begann am 7. März 1928 in den<br />

„Casino-Lichtspielen“ die Zeit der Kriegsfilme – also der<br />

Filme über den Ersten Weltkrieg. Die „Daily Mail“<br />

nannte „Der Weltkrieg“, so der Anzeigentext, „vom<br />

filmischen Standpunkt aus ausgezeichnet“. Nur<br />

hinterließ die<strong>se</strong>r Film im Gegensatz zu anderen


Werken die<strong>se</strong>r Art keine nennenswerte Resonanz. Immerhin war der jüdische Regis<strong>se</strong>ur Leo Lasko<br />

eineinhalb Jahre mit dem zweiteiligen Dokumentarfilm beschäftigt, dem er 1929 den Spielfilm<br />

„Scapa Flow“ folgen ließ. Lasko floh 1936 nach England. Bemerkenswert an den Vorstellungen in<br />

Freiburg war, dass vor jeder Vorstellung die nun 14köpfige Hauskapelle das Stück „Les Préludes“<br />

von Franz Liszt, mit dem Goebbels nach 1939 die Sondermeldungen aus dem Führerhauptquartier<br />

einstimmen ließ.<br />

Im März 1938, also kurz darauf, folgte der US-Kriegsfilm „Die Parade“ von King Vidor, den bis dahin<br />

angeblich 100 Millionen Menschen ge<strong>se</strong>hen hatten. Im April dann „Milak, der Grönlandjäger“, der<br />

Film über die <strong>Freiburger</strong> Grönland-Expedition, gefilmt von Sepp Allgeier und <strong>se</strong>inen Kollegen. Im<br />

Mai 1928 folgten „Richthofen, der rote Ritter der Luft“ und der erste Fußballfilm „Die elf Teufel“ mit<br />

Gustav Froehlich am Ball.<br />

„Ein Trommelfeuer von Schlagern bringt die<br />

inter-Spielzeit 1928/29““, so martialisch<br />

kündigte Gustav Vollmer im August 1928 das<br />

Programm der kommenden Saison an. „Wir<br />

wollen den Mas<strong>se</strong>nbesuch glücklicher, froher<br />

Menschen erreichen“, wandte er sich in einem<br />

„Offenen Brief“ an die <strong>Freiburger</strong>: „Das<br />

Publikum war mit uns und hat durch <strong>se</strong>inen<br />

Andrang zu un<strong>se</strong>ren Vorstellungen jeden<br />

bestehenden Rekord geschlagen.“ Die<strong>se</strong>r Rekord<br />

<strong>se</strong>i nur durch außerordentliche Leistungen zu<br />

erreichen. Als Beweis der führenden Rolle der<br />

„Casino-Lichtspiele“ unter den <strong>Freiburger</strong> Kinos<br />

führte er an, dass die Filmverleiher wegen des<br />

Mas<strong>se</strong>nandrangs in der Belfortstraße versuchen,<br />

„ihre Filme möglichst bei uns als dem führenden<br />

Lichtspieltheater Oberbadens unterzubringen.<br />

Un<strong>se</strong>ren viele treuen Stammkunden verdanken<br />

wir demnach, daß wir die Auswahl unter den<br />

hervorragenden Spitzenfilmen der<br />

Weltproduktion erhielten.“<br />

In der Tat boten die „Casino-Lichtspiele“ danach<br />

herausragende Filme, darunter gleich drei Filme<br />

mit Greta Garbo – alles noch Stummfilme. Und<br />

die<strong>se</strong> Tradition sollte noch halten bis Mitte April<br />

1930.<br />

Da hatte Gustav Vollmer einiges zu erklären – so<br />

die Gründe, warum in <strong>se</strong>inem Kino immer noch<br />

keine Tonfilme laufen, wo doch das „Zentral-<br />

Am Ostermontag 1930 lief dann auch in den „Casino-<br />

Lichtspielen“ mit der Operette „Liebeswalzer“ der erste Tonfilm.<br />

2.625 Personen erlebten an die<strong>se</strong>m Tag die Premiere. „Die<strong>se</strong>s<br />

neueste Tonfilmwunder hat sie alle verblüfft und dann restlos<br />

begeistert“, berichtete das Kino in die<strong>se</strong>r Anzeige vom 23. April<br />

1930 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Abbildung:<br />

Unibibliothek Freiburg


Theater“ bereits im November 1929 den ersten Tonfilm in Freiburg vorgeführt hatte. Der Grund für<br />

die Verzögerung <strong>se</strong>i, so heißt es in der Anzeige vom 16. April 1930 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“, dass<br />

man „ohne Rücksicht auf kurze Augenblick<strong>se</strong>rfolge“ auf die beste Technik bei der Tonwiedergabe<br />

<strong>se</strong>tzen wollte – und das <strong>se</strong>i die Klangfilm Apparatur, die die AEG und Siemens gemeinsam<br />

entwickelten. Denn es <strong>se</strong>i klar, „daß die die Zukunft des Tonfilms, wenn erst die erste Neugierde des<br />

Publikums befriedigt, nur dann gesichert war, wenn neben der Akustik des Theaterraums die<br />

Tonwiedergabe und auch der Tonfilm ganz erstklassig sind. Daneben spielen auch die Eintrittsprei<strong>se</strong><br />

mit die größte Rolle.“<br />

Der erste Tonfilm, der am Ostermontag in den „Casino-<br />

Lichtspielen“ lief, war die erste deutsche Tonfilm-Operette<br />

„Liebeswalzer“ mit Lilian Harvey und Willy Fritsch – dies<br />

weiter zu ziviilen Prei<strong>se</strong>n zwischen 80 Pfennigen und 2 Mark.<br />

Danach ging es Schlag auf Schlag, um Gustav Vollmers<br />

Sprache zu benutzen. Am 5. Juli 1930 hatte „Der blaue Engel“<br />

von Jo<strong>se</strong>f von Sternheim in der Belfortstraße <strong>se</strong>ine<br />

<strong>Freiburger</strong> Premiere (siehe Anzeige links), frei nach dem<br />

Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann, der auch mit<br />

Carl Zuckmayer das Drehbuch geschrieben hatte. Für<br />

Marlene Dietrich als „fesche Lola“ war es der Durchbruch,<br />

für Emil Jannings, der extra dafür aus den USA<br />

zurückgekommen war, ein weiterer Triumph. Die Musik,<br />

darunter Songs wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe<br />

eingestellt“, stammte von dem kleinen Friedrich Hollaender,<br />

einem ganz Großen der Unterhaltungsmusik – Jude wie der<br />

Schauspieler Kurt Gerron, den die Nazis später umbrachten.<br />

Die „Casino-Lichtspiele“ ließen sich den Film vom Verleih<br />

5.000 Mark kosten. Auf „tau<strong>se</strong>ndfachen Wunsch“ zeigte das<br />

Casino den „blauen Engel“ noch einmal im September 1930 –<br />

nun mit der neusten, verbes<strong>se</strong>rten Klangfilm-Apparatur. Bis<br />

dahin hatten 15.000 <strong>Freiburger</strong>innen und <strong>Freiburger</strong> den Film<br />

schon ge<strong>se</strong>hen.<br />

Im Mai 1930 gab es im „Casino-Kino“ den Film „Das<br />

lockende Ziel“ mit Richard Tauber zu <strong>se</strong>hen und zu hören.<br />

Tauber, damals einer der besten Tenöre, hatte <strong>se</strong>ine Karriere<br />

vor dem Ersten Weltkrieg in Freiburg begonnen – und, da<br />

auch er aus einer jüdischen Familie stammte, musste er sich<br />

vor den Nazis nach England retten. Einen Monat später war<br />

Tauber schon wieder in den „Casino-Lichtspielen“ zu erleben<br />

– mit dem Film „Ich glaub nie mehr an eine Frau“.<br />

Ein Renner war im Oktober 1930 auch die Komödie „Die drei<br />

von der Tankstelle“ mit Willy Fritsch, Heinz rühmann und<br />

Ganz Freiburg pfiff im Mai 1930 die frechen Lieder aus dem Film „Der blaue<br />

Engel“, der in den „Casino-Lichtspielen“ <strong>se</strong>ine <strong>Freiburger</strong> Premiere hatte. Die<br />

Songs stammten von Friedrich Hollaender, der auch viele Couplets diver<strong>se</strong><br />

Kabarettbühnen schrieb. Die Nazis hassten ihn für <strong>se</strong>ine bissigen Scherze, so<br />

musste er 1933 aus Deutschland fliehen. Abbildung: Unibibliothek Freiburg


Oskar Karlweiß.und der entzückenden Musik von Werner Heymann.<br />

Im Jahr 1931 <strong>se</strong>tzte Gustav Vollmer mit <strong>se</strong>inem Kino nicht nur auf Unterhaltung. Am 16. Mai lief in<br />

den „Casino-Lichtspiele“ der Film „Arme kleine Eva“, der in dem damaligen Streit um die<br />

Abschaffung des § 218 Partei für die betroffenen Frauen ergriff.<br />

Der Streit um den Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“<br />

Am 11. Dezember 1930 wurde der Film „Im Westen nichts Neues“ in<br />

Deutschland verboten. Die massive Kritik an die<strong>se</strong>r Entscheidung führte<br />

im März 1931 dazu, dass „für bestimmte Personenkrei<strong>se</strong> und in<br />

geschlos<strong>se</strong>nen Veranstaltungen“ wieder freigegeben wurde. Am 2.<br />

September 1931 erfolgte die allgemeine Wiederzulassung des Films in<br />

der abermals gekürzten Fassung. Die Anzeige oben vom 14. August<br />

1931 galt noch der eingeschränkten Vorführung, die Anzeige rechts vom<br />

20. August 1931 galt ebenso noch den geschlos<strong>se</strong>nen Vorstellungen<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Noch umstrittener war im August 1931 der<br />

Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“. Der Film<br />

wurde 1930 hauptsächlich in den Studios von Universal<br />

Pictures gedreht, die restlichen Szenen an<br />

verschiedenen Orten, darunter die Kampfszenen auf<br />

über 20 Feldern bei Laguna Beach. Produzent war der<br />

aus Deutschland eingewanderten Carl Laemmle. „Im<br />

Westens nichts Neues“ hatte noch eine<br />

Stummfilmfassung. Er war einer der ersten US-Filme,<br />

die für den deutschen Markt synchronisiert wurden.<br />

Dass der vom Lewis Milestone inszenierte Film zwei<br />

Oskar erhielt, interessierte in Deutschland wenig – dass


Milestone und Laemmle Juden waren, umso mehr. In Deutschland störte man sich schon allein<br />

daran, dass die<strong>se</strong>r Kriegsfilm aus den USA kam. Die damals noch bisweilen liberale „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ wurde von ihrem Verleger Adolf Poppen, als Hauptmann aus dem Krieg zurückgekehrt, auf<br />

Widerstand getrimmt. Er <strong>se</strong>lbst nahm sich bereits am 11. Januar 1931 den Film in <strong>se</strong>iner Zeitung vor.<br />

Er beschäftigte sich mit der Originalfassung aus den USA und der für Deutschland gekürzten<br />

Version.<br />

Die Originalfassung in den USA war 150 Minuten lang, die zensierte amerikanische Fassung 10<br />

Minuten kürzer. Schon zur ersten Veröffentlichung am 4. November 1930 in Berlin wurde der<br />

synchronisierte Film, so ist bei wikipedia zu erfahren, freiwillig gekürzt. Die<strong>se</strong> erste deutsche<br />

Fassung hatte ursprünglich eine Länge von 124 Minuten, war also schon 15 Minuten kürzer als die<br />

US-Fassung. wurde jedoch für die Kinoauswertung im Juni 1931 noch einmal auf 85 Minuten gekürzt<br />

– vor allem um Szenen, die nicht so recht zum aufrechten, kämpferischen Bild deutscher Soldaten<br />

zu pas<strong>se</strong>n schienen.<br />

Der Ortsausschuss des Allgemeinen Deutschen<br />

Gewerkschaftsbunds gab es in Freiburg auch zwei<br />

Vorstellungen für Arbeitslo<strong>se</strong> zum Einheitspreis von 50<br />

Pfennige. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

„Der Film wurde“, so Poppen, „in Amerika hergestellt<br />

unter Hervorhebung von brutalen und gemeinen<br />

Eigenschaften des deutschen Soldaten; der Film läuft in<br />

die<strong>se</strong>r Originalfassung im gesamten Ausland – nicht in<br />

Ba<strong>se</strong>l! Der Ausländer sieht die ihm so oft als Hunnen<br />

und Barbaren geschilderten Soldaten hier wüten und<br />

denkt sich: Wenn die Deutschen <strong>se</strong>lbst die<strong>se</strong>n Film<br />

anerkennen, sogar ein Minister sich dafür ein<strong>se</strong>tzt, dann<br />

werden sie ja wohl auch so aufgetreten <strong>se</strong>in.“ Der Film<br />

<strong>se</strong>i zurechtgestutzt worden, um auch dem deutschen<br />

Publikum Gelegenheit zu geben, <strong>se</strong>in Geld loszuwerden:<br />

„Merken Sie den Unterschied? Nicht weil er in <strong>se</strong>iner<br />

jetzigen Darstellung an sich harmlos ist, sondern weil für<br />

Deutschland und deutschsprechende Länderteile erst<br />

die gegen Deutschland gerichteten Gemeinheiten<br />

herausgeschnitten wurden, deshalb mußte die<strong>se</strong>r Film<br />

in Deutschland abgelehnt werden“.<br />

Die Schriftleitung der FZ <strong>se</strong>tzte in einem Nachspann<br />

noch eins drauf: „Haben wir es nötig, uns von<br />

Amerikanern sagen und zeigen zu las<strong>se</strong>n, mit welcher<br />

<strong>se</strong>elischen Einstellung wir den Krieg, den uns eine ganze<br />

Welt aufzwang, führten? Ist es ein Heldenlied, das die<br />

deutsche Kriegsführung herausfordert, dann können wir<br />

es <strong>se</strong>lbst singen, mit echteren Tönen jedenfalls als uns<br />

we<strong>se</strong>nsfremde Amerikaner. Ist es aber kein Heldenlied, das uns zugedacht ist, dann brauchen wir es<br />

zum mindesten nicht im eigenen Land anhören!“<br />

Als „Im Westen nichts Neues“ dann tatsächlich in Freiburg anlief, las man es in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ ganz anders. Fritz Segelken, der stellvertretende Hauptschriftleiter, schrieb am 20. Augsut<br />

1931 in <strong>se</strong>iner Besprechung: „Die ganze Handlung des Films, in dem auch Humor und soldatische<br />

Ungebundenheit zu Worte kommen, ist in einem Rahman dargestellt, der von meisterlicher<br />

Regiekunst zeugt. Einzelne Szenen bannen durch ihre Eigenart und Gegensätzlichkeit, andere führen<br />

mit erschütternder Realistik das Grauen des Krieges vor Augen.“


In Freiburg lief der Antikriegsfilm, neben dem Kino veranstaltet vom Allgemeinen Deutschen<br />

Gewerkschaftsbund und dem <strong>Freiburger</strong> Friedenskartell, etwas länger als zwei Wochen – immer in<br />

geschlos<strong>se</strong>nen Vorstellungen. Zutritt hatten neben ehemaligen Kriegsteilnehmern und Kriegsopfern<br />

auch Vereinigungen, „die dem Zweck des internationalen Friedens dienen“. Die NSDAP gehörte da<br />

wohl nicht dazu.<br />

Sie hatte in Berlin trotz der Kürzungen,<br />

aufgestachelt von Jo<strong>se</strong>ph Goebbels, der ja<br />

auch Gauleiter in der Reichshauptstadt war,<br />

eine massive Kampagne gegen den Film<br />

gestartet. Mit Hilfe der SA organisierte<br />

Goebbels Mas<strong>se</strong>naufläufe und handgreifliche<br />

Krawalle vor und in den Kinos. Bei wikipedia<br />

wird dazu berichtet: „Mehrfach sprengten<br />

Nationalsozialisten, die zunächst in Zivil<br />

Karten für eine Filmvorstellung erworben<br />

hatten, kurz nach Beginn des Films die<br />

Aufführung, indem sie beispielswei<strong>se</strong> Rauchoder<br />

Stinkbomben zündeten oder bei<br />

mindestens einer Gelegenheit zahlreiche<br />

Mäu<strong>se</strong> freiließen.“<br />

In Freiburg blieb es dagegen ruhig.<br />

Zumindest las<strong>se</strong>n sich in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ weder Berichte über<br />

Protestaktionen finden, noch Le<strong>se</strong>rbriefe mit<br />

Kritik an Film und Aufführung. Der örtlichen<br />

NSDAP fehlte damals auch ein eigenes<br />

Medium, um sich zu exponieren. Das NS-<br />

Kampfblatt „Der Alemanne“ kam erst im<br />

November 1931 in Freiburg auf den Markt.<br />

Noch zwei Mal wurde „Im Westen nichts<br />

Neues“ in Freiburg vorgeführt: Ende Januar<br />

1932 erneut in den „Casino-Lichtspielen“, die<br />

für die Wiederholung in der Anzeige mit dem<br />

Hinweis warben: „Die<strong>se</strong>r Tonfilm erzielte in<br />

Freiburg eine der höchsten Besucherziffern“.<br />

Durchaus riskant war es wohl für die „Union-<br />

Lichtspiele“ in der Schützenallee 7, die am 5.<br />

Januar 1933 nochmal „Im Westen nichts<br />

Neues“ in ihrem Theater zeigten. Knapp ein Monat später waren die Nazis an der Macht – und<br />

verboten noch im Jahr 1933 weitere Aufführungen des Films.<br />

Die „Casino-Lichtspiele“ in der NS-Zeit<br />

Einen Monat nach „Im Westen nichts Neues“ prä<strong>se</strong>ntierten die<br />

„Casino-Lichtspiele“ einmal mehr einen Film, der sich mit den<br />

grausamen Kämpfen im Ersten Weltkrieg befasste. Das Fort<br />

Douaumont bei Verdun wurde 1916 zum Symbol vom sinnlo<strong>se</strong>n<br />

Hinschlachten Tau<strong>se</strong>nder von Soldaten. Anzeige vom 30. 9. 1931 in<br />

der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Im November 1931 konnten die „Casino-Lichtspiele“ mit „Berlin Alexanderplatz“ nach dem Roman<br />

von Alfred Döblin erneut glänzen. Heinrich George spielte den Franz Biberkopf, Regis<strong>se</strong>ur war Phil<br />

Jutzi, der sich vom kommunistischen Filmemacher 1933 <strong>se</strong>hr schnell zu einem Nationalsozialisten


verwandelte. Ebenfalls im November 1931 sorgte<br />

der Film „Der Kongress tanzt“ mit Lilian Harvey und<br />

Willy Fritsch für ein volles Haus.<br />

Dass sich die Zeiten ändern, sah man am 27. Juli<br />

1932, als die „Casino-Lichtspiele“ in ähnlich<br />

triumphalen Ton, wie das Kino sonst <strong>se</strong>ine<br />

Höhepunkte prä<strong>se</strong>ntierte, den filmischen Auftritt<br />

von Nazi-Größen wie Gregor Stras<strong>se</strong>r, Hermann<br />

Göring, Jo<strong>se</strong>ph Goebbels und Adolf Hitler<br />

ankündigte (siehe Anzeige rechts). Veranstaltet<br />

wurde das Ganze - „auf hundertfachen Wunsch“ -<br />

von der Ortsgruppe der NSDAP, ein Zeichen, das die<br />

Partei schon damals ganz gut mit Gustav Vollmer<br />

und <strong>se</strong>inem Kino konnte.<br />

Als Ende Januar 1933 die Nazis an die Macht kam,<br />

änderte sich im Programm der „Casino-Lichtspiele“<br />

erstmal kaum etwas. Die Mischung aus Spannung,<br />

Humor, Historischem und Musik blieb. Mitte März<br />

lief – noch vor den „Friedrichsbau-<br />

Lichtspielen“(siehe dort) – der NS-Film „Blutendes<br />

Deutschland“ in drei Sondervorstellungen – alle<br />

recht spät ab 23.10 Uhr. Im April 1933 konnte<br />

Gustav Vollmer mal wieder einen US-<br />

Monumentalfilm an Land ziehen: Cecil B de Milles<br />

Bibelfilm „Im Zeichen des Kreuzes“.<br />

Hatten die „Casino-Lichtspiele“ im August 1931 beim<br />

Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ mit dem<br />

Allgemeinden Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB)<br />

kooperiert, so öffneten sie im November 1933<br />

offensichtlich ganz <strong>se</strong>lbstverständlich der<br />

nationalsozialistischen Nachfolgeorganisation NS-<br />

Hago ihre Türen (Anzeige links).<br />

Was auffällt, ist die Tatsache, dass sich die „Casino-<br />

Lichtspiele“ schnell die „Dokumentationsfilme“ über<br />

die NS-Großereignis<strong>se</strong> sichern konnten – oder<br />

mussten?.<br />

Das begann am 15. Dezember 1933, als im Kino an der Belfortstraße der Film über den<br />

Reichsparteitag 1933 in Nürnberg zu <strong>se</strong>hen war. Es war das erste Werk von Leni Riefenstahl für die<br />

NSDAP, auch hier war bereits der <strong>Freiburger</strong> Kameramann Sepp Allgeier an ihrer Seite, den sie<br />

schon aus den 20er Jahren aus der Zusammenarbeit mit Arnold Fanck kannte. Sie verstand es, auch<br />

mit den Reizen einer Frau, etliche aus dem Fanck-Team auf ihre Seite zu ziehen und für ein NS-<br />

Einsatz zu interessieren.<br />

Veranstaltet wurde die „Festliche Aufführung“ des Parteitagsfilms „Der Sieg des Glaubens“ am 18.<br />

Dezember 1933 um 15 Uhr von der Direktion der „Casino-Lichtspiele“ und der Kreisleitung der


NSDAP/Abteilung Film. Die Festrede hielt<br />

Oberbürgermeister Franz Kerber, damals auch noch<br />

Kreisleiter der Partei, dies „in Anwe<strong>se</strong>nheit der<br />

Spitzen der Behörden und geladenen Gäste, unter<br />

Mitwirkung der NS-Kreiskapelle unter Leitung von<br />

Kapellmeister Zörgiebel“. Der Reinertrag der<br />

Veranstaltung <strong>se</strong>i für wohltätige Zwecke bestimmt.<br />

Zu Weihnachten 1933 hatte Gustav Vollmer die<br />

Heimatfilm-Operette „Schwarzwaldmädel“ mit Maria<br />

Beling und Hans Söhnker in den Hauptrollen zu<br />

bieten. Die Außenaufnahmen waren im Herbst 1933<br />

in Wolfach im Kinzigtal gedreht worden, die Musik<br />

stammte von Leon Jes<strong>se</strong>l. Nicht nur beim Publikum<br />

wurde der Film, eine Absage an das Asphalt-Treiben<br />

der Großstadt, ein Rie<strong>se</strong>nerfolg. Trotz der Beliebtheit<br />

der Operette auch bei prominenten Nazis wie Adolf<br />

Hitler und Heinrich Himmler wurden alle Werke von<br />

Léon Jes<strong>se</strong>l von 1938 an wegen <strong>se</strong>iner jüdischen<br />

Abstammung verboten. Im Dezember 1941<br />

verhaftete ihn die Gestapo. Jes<strong>se</strong>l starb kurze Zeit<br />

später an den Folgen der in der Haft erlittenen<br />

Misshandlungen.<br />

Gemeinsam mit der Kreisleitung der NSDAP<br />

prä<strong>se</strong>ntierten die „Casino-Lichtspiele“ im Dezember<br />

1933 den Film vom Reichsparteitag 1933 in Nürnberg,<br />

schon damals unter künstlerischer Leitung von Leni<br />

Riefenstahl. An der Kamera Sepp Allgeier. Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Die Filmjahre 1934 bis 1937 waren in der „Casini-Lichtspielen hauptsächlich von Komödien und<br />

leichter Unterhaltung geprägt – mit etlichen Lustspielen mit Heinz Rühmann (auch Karl Valentin und<br />

Liesl Karstadt kamen u.a. mit „Kirschen in Nachbars Garten“ zum Zug). Besonders Magda Schneider,<br />

aber auch Marianne Hoppe, Olga Tschechowa und Adele Sandrock durften mit einigen Auftritten<br />

das Frauenbild jener Jahre bestimmen.<br />

Dazwischen gab’s auch mal den ersten deutschen<br />

Fliegerfilm mit Ernst Udet „Wunder des Fliegesn“ (an der<br />

Kamera der in Freiburg ausgebildete Hans Schneeberger)<br />

oder einen Film zur deutschen Kolonialgeschichte wie „Die<br />

Reiter von Deutsch-Ostafrika“ zu <strong>se</strong>hen. Im Juli 1936<br />

konnten sich die „Casino-Lichtspiele“ die <strong>Freiburger</strong><br />

Erstaufführung des Boxkampfs von Max Schmeling gegen<br />

den Farbigen Joe Louis sichern – „ein deutscher Sieg!“, wie<br />

der K.o.-Erfolg in der Anzeige bejubelt wurde. Als Schmeling<br />

zwei Jahre später von Joe Louis in der ersten Runde k.o.<br />

geschlagen wurde, herrschte in Deutschland allgemein<br />

Schweigen.<br />

Ausländische Filme standen jetzt weniger auf dem<br />

Programm. Ein Höhepunkt war im Oktober 1936 der US-Film<br />

Einer der ersten Katastrophenfilme lief im Januar 1937 in den „Casino-<br />

Lichtspielen“. Hervorragende Trickaufnahmen vom Erdbeben 1906 und Stars<br />

wie Clark Gable lockten viele <strong>Freiburger</strong> ins Kino .Anzeige vom 13. Januar 1937<br />

in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg


„Meuterei auf der Bounty“ mit Charles Laughton und Clark Gable. Auch der Revue-Film „Zum<br />

Tanzen geboren“ mit Eleanore Powell kam im April 1937 in Freiburg gut an. Zum Ansturm an der<br />

Kinokas<strong>se</strong> führte 1937 der Film „San Franzisko“ mit Clarke Gable, Jeanette Mac Donald und Spencer<br />

Tracy. Die Trickaufnahmen über das gewaltige Erdbeben 1906 in San Francisco waren schon so<br />

ausgefeilt, dass der Film sich lange in den Kinos hielt – länger als der Hit „San Francisco“, der 1937<br />

auch in Freiburg wohl ebenfalls oft geträllert wurde.<br />

Ein Hauch Tragik umgab die tschechische<br />

Schauspielerin Lida Baarova, die der Chef der<br />

„Casino-Lichtspiele“ wohl besonders schätzte. So<br />

waren alle drei Filme, die Baarova in den Jahren<br />

1937 und 1938 drehte, im Casino zu <strong>se</strong>hen:<br />

„Patrioten“ mit Matthias Weimann, „Die<br />

Fledermaus“ nach der Operette von Johann<br />

Strauß mit Hans Söhnker und „Spieler“ mit dem<br />

aus Freiburg stammenden Schauspieler Albrecht<br />

Schoenhals.<br />

„Der Spieler“ war Lida<br />

Baarovas letzter Film in<br />

Deutschland. Seine<br />

Uraufführung fand am 1.<br />

September 1938 in<br />

Stuttgart statt. Zwei<br />

Wochen später lief der<br />

Film bereits in Freiburg –<br />

noch vor Berlin, wo er<br />

erst am 27. Oktober<br />

1937 erstmals zu <strong>se</strong>hen<br />

war.<br />

Lida Baarova 1938 in ihrem<br />

letzten Film „Der Spieler“.<br />

Die Goebbels-Geliebte<br />

musste danach das Land<br />

verlas<strong>se</strong>n.<br />

Foto:<br />

Erich Graf, Schriftleiter SZ-Foto/Bridgeman Images<br />

des <strong>Freiburger</strong> NS-Blatts<br />

„Der Alemanne“ war von Lida Baarova ebenfalls<br />

<strong>se</strong>hr angetan: „Schönheit und Stolz, verhaltene<br />

Leidenschaft und <strong>se</strong>elische Zerris<strong>se</strong>nheit sind von<br />

die<strong>se</strong>r bezaubernden Künstlerin wunderbar zum<br />

Ausdruck gebracht,“ stellte er in <strong>se</strong>iner<br />

Besprechung vom 14. September 1938 fest.<br />

Mit die<strong>se</strong>r Anzeige vom 13. September 1938 warben die<br />

„Casino-Lichtspiele“ für den letzten Film der tschechischen<br />

Schauspielerin Lida Baarova. Abbildung: Universitätsbibliothek<br />

Freiburg<br />

Doch dann das: „Bei der Premiere in Berlin kam<br />

es, so eine „Spiegel“-Geschichte vom 22.<br />

November 2010. „zu Tumulten im vollbe<strong>se</strong>tzten<br />

Kinosaal, bestellte Krawallmacher riefen: ‚Raus,<br />

Ministerhure, raus!‘ Die Schauspielerin erlitt<br />

einen Nervenzusammenbruch, der Streifen<br />

wurde sofort abge<strong>se</strong>tzt, es war ihr Ende als<br />

Künstlerin im Nazi-Deutschland. Bevor sie nach


Prag flüchten konnte, hatte ein Vertragsarzt der Ufa ihr attestiert, sie leide an einem<br />

‚Herzklappenfehler‘. Eine bestellte Diagno<strong>se</strong>.“<br />

Was war passiert? Jo<strong>se</strong>ph Goebbels hatte<br />

<strong>se</strong>it 1936 ein Verhältnis mit der, wie er<br />

mal schrieb, „vollendet schönen Frau“ und<br />

wollte sich von Magda Goebbels scheiden<br />

las<strong>se</strong>n. Die<strong>se</strong> bat Hitler um Hilfe, der<br />

Goebbels anwies, die Beziehung zu der<br />

damals 24jährigen Lida Baarova zu<br />

beenden. Schließlich wurde die Familie<br />

von Jo<strong>se</strong>ph und Magda Goebbels mit<br />

ihren damals vier Kindern in Zeitungen<br />

und Wochenschauen als<br />

nationalsozialistische Musterfamilie<br />

geprie<strong>se</strong>n. Goebbels gab nach – und Lida<br />

Baarova musste verschwinden.<br />

1938 und 1939 lag das Programm der<br />

„Casino Lichtspiele“ ganz auf Parteilinie.<br />

Am 13. Mai 1938 und danach konnte<br />

Gustav Vollmer mit Leni Riefenstahls<br />

zweiteiligem grandio<strong>se</strong>m Film über die<br />

Olympischen Spiele 1936 in Deutschland<br />

auftrumpfen – zur „Festvorstellung“ um 9<br />

Uhr abends waren nur Parteigenos<strong>se</strong>n aus<br />

den <strong>Freiburger</strong> Ortsgruppen geladen.<br />

Im November 1938 gab es den<br />

„Tonfilmbericht“ über die Münchner<br />

Konferenz und deren Folgen<br />

„Sudetendeutschland kehrt heim“. Im<br />

Dezember 1938 folgte „Helden in<br />

Spanien“ über den Spanischen<br />

Bürgerkrieg und das „blutrünstige Treiben<br />

der Roten“. Im Januar 1939 kam der Film<br />

„Pour le Merite“ ins Kino, ein NS-<br />

Propagandafilm von Karl Ritter. Er<br />

propagierte laut wikipedia die<br />

Dolchstoßlegende, die die militärische<br />

Niederlage im Ersten Weltkrieg auf einen<br />

angeblichen Verrat in der Heimat<br />

abschiebt. Zugleich beschrieb er die<br />

ehemaligen Frontkämpfer, in die<strong>se</strong>m Fall<br />

Piloten, als Wegbereiter des<br />

Nationalsozialismus in Deutschland und<br />

glorifiziert die illegale Aufrüstung der<br />

Wehrmacht.<br />

„Olympia- Fest der Völker“ – den Film von Leni Riefenstahl über die<br />

Olympischen Spiele 1936 in Deutschland gab es am 21. Mai 1938 in den<br />

„Casino-Lichtspielen“ zu <strong>se</strong>hen. Abbildung: Unibibliothek Freiburg


Im Mai 1939 durfte der Kreisverband des Reichskolonialbunds in den „Casino-Lichtspielen“ mit<br />

<strong>se</strong>inem Expeditionsfilm „Un<strong>se</strong>r Kamerun“ für die Wiederbelebung des Kolonialgedankens in<br />

Freiburg werben. Und dann begann auch in den „Casino-Lichtspielen“ die große Zeit des Regis<strong>se</strong>urs<br />

Veit Harlan und <strong>se</strong>iner Frau Kristina Söderbaum, wegen ihrer oft tragischen Rollen auch als<br />

„Reichswas<strong>se</strong>rleiche“ verspottet. Im März 1939 prä<strong>se</strong>ntierte Gustav Vollmer „Das unsterbliche<br />

Herz“ mit Heinrich George an Söderbaums Seite, im Mai 1939 folgte „Jugend“, ein Harlan-Film über<br />

die unglückliche Liebe zweier Jugendlicher – und im Dezember 1939 „Die Rei<strong>se</strong> nach Tilsit“ mit Fritz<br />

van Dongen, die Geschichte einer unglückliche Dreierbeziehung – diesmal mit glücklichem Ende.<br />

Die „Casino-Lichtspiele“ im Zweiten Weltkrieg<br />

Im Jahr danach sollte von Veit Harlan „Jud Süß“ folgen, der jedoch nicht in den „Casino-<br />

Lichtspielen“ gezeigt wurde – so wenig wie der anti<strong>se</strong>mitische Hetzfilm „Der ewige Jude“ oder auch<br />

„Die Rothschilds“. Es scheint so, als ob beim Thema Juden für Gustav Vollmer das Ende der NS-<br />

Fahnenstange erreicht war. Im September 1941 offerierten die „Casino-Lichtspiele“ mit „Pedro soll<br />

hängen“ einen weiteren Harlan-Film.<br />

„Kolberg“, Veit Harlands letzter Film für Goebbels (er war der mit 8,8 Millionen RM teuerste<br />

deutsche Farbfilm überhaupt) kam am 30. Januar 1945 in Berlin und in bedrohten Städten im Osten<br />

in die Kinos und sollte der Bevölkerung Mut zum Durchhalten machen. Der Film über den<br />

heldenhaften Kampf der Stadt Kolberg im Jahr 1807 gegen die Truppen Napoleons kam aber zu spät<br />

– und in Freiburg gar nicht mehr an. In den „Casino-Lichtspielen“ lief am 12.April 1945, einem der<br />

letzten Tage vor Einmarsch der französische Armee in Freiburg, der Opernfilm „Rigoletto“. Das<br />

passte irgendwie.<br />

Der Krieg fand auch im Saal der „Casino-Lichtspiele“ statt. Links<br />

„Spähtrupp Hallgarten“ am 16, Mai 1941, oben „Stukas“, der Film<br />

über die neuen Sturzkampfbomber, am 29. August 1941.


Bis dahin bot Gustav Vollmer <strong>se</strong>it Kriegsbeginn am 1. September 1939 <strong>se</strong>ine bekannte Mischung aus<br />

Liebesfilmen und Lustspielen, hier etwas Abenteuer, da etwas Walzer<strong>se</strong>ligkeit, dort etwas<br />

Historisches – und wenn es im Angebot war, auch durchaus Politisches und Militärisches im Sinne<br />

der NSDAP.<br />

Dazu gehörte neben ausgewie<strong>se</strong>nen<br />

Kriegsfilmen (siehe vorige Seite) auch<br />

Propagandafilme wie „Ohm Krüger“, für<br />

des<strong>se</strong>n Hauptrolle sich Emil Jannings einmal<br />

mehr nicht zu schade war. Wikipedia über<br />

Film und Darsteller: „‘Ohm Krüger‘ ist ein<br />

deutscher Historienfilm von Hans Steinhoff<br />

aus dem Jahre 1941. Aus<br />

nationalsozialistischer Sicht werden der<br />

Burenkrieg und das Leben des<br />

südafrikanischen Politikers Paul Kruger<br />

geschildert. Der antibritische<br />

Propagandafilm zählte zu den<br />

aufwendigsten Filmproduktionen des<br />

nationalsozialistischen Deutschlands und<br />

wurde ein großer Publikum<strong>se</strong>rfolg. Dem<br />

Film wurde das Prädikat ‚Film der Nation‘<br />

verliehen.“ Hauptdarsteller Emil Jannings,<br />

auch für die Produktion zuständig, erhielt<br />

für <strong>se</strong>ine Leistung von Jo<strong>se</strong>ph Goebbels den<br />

„Ehrenring des Deutschen Films“.<br />

Am 10. April 1941, als in den „Casino-Lichtspielen“ der Film „Ohm<br />

Krüger“ anlief, lief auch der Luftkrieg gegen England auf Hochtouren<br />

– Emil Jannings sollte für Stimmung gegen die Briten sorgen – und<br />

Marika Rökk, frisch. Blond und tanzlustig, für gute Stimmung im<br />

Land. Anzeige vom 11. April 1942. Abbildungen: Unibibliothek FR


Das „Casino“-Gebäude in der früheren Belfortstraße 3, heute Humboldtstraße im Januar <strong>2023</strong>. Heute ist es weder Varieté noch<br />

Lichtspielhaus, heute beherbergt der Komplex Spielhallen, eine Diskothek, zwei Tanzschulen, ein Modegeschäft sowie ein<br />

Einrichtungshaus. Außerdem dient einer der einstigen Kinosäle einer Freikirche als Versammlungsstätte. Fotos: Bernd Serger<br />

Hier endet mein Beitrag zur Geschichte der „Casino-Lichtspiele“. Noch<br />

kurz <strong>se</strong>i erwähnt, wie es weiterging. Die Der Luftangriff auf Freiburg im<br />

November 1944 verschonte bis auf Ausnahmen das Gebiet südlich des<br />

Martinstors und damit auch die Belfortstraße.<br />

Die französische Armee nutzte ab 1945 den Theatersaal für ihre<br />

Zwecke, das Kino konnte zu den anderen Uhrzeiten weitergehen,<br />

erstmal von der Stadtverwaltung, später von Andreas Döllinger<br />

betrieben. Gustav Vollmer erhielt 1947 wieder Zugriff auf das Kino und<br />

führte das Lichtspielhaus bis 1967. Nach <strong>se</strong>inem Tod übernahmen <strong>se</strong>ine<br />

Töchter das Anwe<strong>se</strong>n, gaben das Lichtspieltheater, in diver<strong>se</strong><br />

Kinoräume aufgeteilt, aber 1998 auf. Bis dahin hatte es noch die „Ehre“<br />

erworben, Freiburgs erstes Porno-Kino aufgemacht zu haben.<br />

„Casino Freiburg“ meint heute<br />

Spielcasino Freiburg.<br />

Die „Harmonie-Lichtspiele“ in der Grünwälderstraße 18<br />

Die „Harmonie-Lichtspiele“ gehören zu jenen fünf <strong>Freiburger</strong> Kinos, die es bis in den Zweiten<br />

Weltkrieg gab. Obwohl eigentlich erst 1927 gegründet, hatte die „Harmonie“ schon eine rege<br />

frühere Geschichte der lebendigen Bilder zu bieten – und als bürgerliche Bildungsvereinigung sogar<br />

eine revolutionäre Vergangenheit.


Karl von Rotteck, der Mitgründer der<br />

„Harmonie-Le<strong>se</strong>ge<strong>se</strong>llschaft“ im Jahr 1835,<br />

aus der letztlich auch die „Harmonie-<br />

Lichtspiele“ hervorgingen. Foto: wikipedia<br />

Es war der <strong>Freiburger</strong> Karl von Rotteck, ein Gelehrter, Historiker,<br />

Autor und Politiker, der 1835 die „Harmonie-Le<strong>se</strong>ge<strong>se</strong>llschaft“<br />

mit begründete – eine Abspaltung (von wegen Harmonie !) der<br />

damals führenden „Mu<strong>se</strong>ums-Ge<strong>se</strong>llschaft“. Sie war Rotteck, zu<br />

jener Zeit auch Bürgermeister, als bekennendem Liberalen zu<br />

unpolitisch. Peter Kalchthaler schildert die Trennung in <strong>se</strong>inem<br />

Beitrag zur 200jährigen Geschichte der „Mu<strong>se</strong>umsge<strong>se</strong>llschaft“<br />

so: „Der Bruch, der 1835 mit der Gründung der ‚Bürgerlichen<br />

Le<strong>se</strong>ge<strong>se</strong>llschaft‘ oder ‚Harmonie‘ zum Ausdruck kam, hatte <strong>se</strong>ine<br />

Ursache im Unvermögen des von gehobenen Bürgertum<br />

geprägten ‚Mu<strong>se</strong>ums‘, die aufstrebende Mittelschicht aus<br />

Handwerkern und Kaufleuten in den Verein zu integrieren.“ Die<br />

Zusammen<strong>se</strong>tzung der Mitglieder mit ihrem Schwerpunkt auf<br />

Beamten, Akademikern, Klerus, Adel und Militär spiegele dies<br />

wieder.<br />

1838 hatte die „Harmonie“, so Kalchthaler, 380 Mitglieder,<br />

darunter gerade die im „Mu<strong>se</strong>um‘ unterreprä<strong>se</strong>ntierten<br />

Handwerker, Gastronomen, Händler und Fabrikanten: „Während man dort die Ideale der<br />

freiheitlichen Bürgerbewegung, die 1848 in den Wunsch nach der Republik und die Revolution<br />

mündeten, hochhielt, wandte sich das ‚Mu<strong>se</strong>um‘ zunehmend dem regierungstreuen, allenfalls<br />

konstitutionell ausgerichteten Lager zu. In den politisch und ge<strong>se</strong>llschaftlich turbulenten Jahren des<br />

Vormärz und der Revolution spielte das ‚Mu<strong>se</strong>um‘ keine Rolle. Während die ‚Harmonie‘ nach dem<br />

Scheitern der Revolution schließlich 1852 verboten wurde (Neugründung 1854), ehrte Prinz<br />

Friedrich von Baden das <strong>se</strong>inem Haus gegenüber loyale ‚Mu<strong>se</strong>um‘ 1850 mit <strong>se</strong>iner Mitgliedschaft.“<br />

Kein Wunder, stammten doch die Sen<strong>se</strong>n, mit denen die badischen Revolutionäre 1848 zum Kampf<br />

gegen die Regierungstruppen aus Freiburgs Stadttoren zogen, aus dem Lager der „Harmonie“.<br />

Doch vom revolutionären Schwung war nach der<br />

blutigen Lektion von 1948 in den Jahren danach in der<br />

„Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ kaum mehr etwas zu spüren.<br />

Ähnlich wie in der „Mu<strong>se</strong>umsge<strong>se</strong>llschaft“ traf man sich<br />

zur Lektüre von Zeitschriften, Magazinen, Büchern aus<br />

der eigenen Bibliothek, aber vor allem zur Ge<strong>se</strong>lligkeit.<br />

Im Gebäude der „Harmonie-<br />

Ge<strong>se</strong>llschaft“ in der<br />

Grünwälderstraße 18 gab es<br />

wohl von Anfang an einen<br />

„Traiteur“, also einen Wirt,<br />

der die Mitglieder, später<br />

auch die Allgemeinheit mit<br />

Spei<strong>se</strong>n versorgte. Hier eine<br />

Anzeige aus dem Jahr 1868.<br />

Und immer wieder ging es um das Renovieren und<br />

Erweitern des Gebäudes in der Grünwälderstraße 18,<br />

wo heute noch die „Harmonie“ zu finden ist. Im Juli<br />

1870 konnte die „Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ die<br />

„Aufrichtung des neuen Saalbaus“ mit einer<br />

Gartenmusik feiern – und auch die im Verein angesagte<br />

Mildtätigkeit bewei<strong>se</strong>n: der Erlös des Konzerts ging an die Opfer eines Großbrands in Mambach.<br />

Ge<strong>se</strong>lligkeit, Musik und Tanz waenr in der „Harmonie-<br />

Ge<strong>se</strong>llschaft“ groß geschrieben. Hier die Einladung zu<br />

einem Ball vom 7. Januar 1860 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“. Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg


Von revolutionärer Stimmung keine Spur mehr: 1880 feierte die<br />

„Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ mit einem Fest-Bankett eine „Sedand-<br />

Feier“ zum zehnjährigen Gedenktag der Wiederherstellung des<br />

Deutschen Reiches. Anzeige vom 29. August 1880 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

1874 vermeldete die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“,<br />

dass die „Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ ihr Domizil<br />

im Lauf der letzten Jahre „zu einem wirklich<br />

schönen Ge<strong>se</strong>llschaftshaus herrichten ließ“.<br />

1876 widmete das Blatt dem Haus einen<br />

weiteren Beitrag: „Es hat wohl nicht leicht ein<br />

Verein hier schönere Räume zu gewöhnlicher<br />

Bewegung oder zu größerem Vergnügen und<br />

Unterhaltungen als die Harmoniege<strong>se</strong>llschaft.<br />

In zwei Stockwerken befinden sich neben den<br />

geräumigsten Säle zweckmäßige Wirthsräume<br />

mit Billards, mit einer ganz ausgezeichneten<br />

Kegelbahn und angenehmem Garten, in<br />

welchem immerhin eine große Anzahl Leute<br />

bei der Abendkühle sich niederlas<strong>se</strong>n<br />

können.“ Und nicht nur das: „Jeden Sommer<br />

finden auf der Harmonie sog.<br />

Abendunterhaltungen im Garten und in den<br />

Sälen statt. Gute Musik, außerordentliche Lampions und bengalische Beleuchtung des Gartens mit<br />

kurzen Vorstellungen auf dem Ge<strong>se</strong>llschaftstheater und nachher Tanz für alle, welche sich daran<br />

belustigen wollen.“<br />

Und das Bauen und Loben ging weiter: „Der große Saal der ‚Harmonie‘ ist farbenprächtig im besten<br />

Renaissance-Style wieder erstanden und macht der<strong>se</strong>lbe einen überraschenden Eindruck gerade auf<br />

jene Pessimisten, die da predigen, dem deutschen Bürger <strong>se</strong>i jeder Sinn für etwas Bes<strong>se</strong>res<br />

abhanden gekommen“, freut sich die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ im November 1881.<br />

Während der Verein in den Jahren danach mit <strong>se</strong>inen Sommerfesten am Wald<strong>se</strong>e große Erfolge<br />

feierte, ging es 1888 mit dem Vorhaben eines völligen Umbaus und der Erweiterung in der<br />

Grünwälderstraße nicht so recht voran. Ein Architektenwettbewerb scheiterte, da kein Entwurf auf<br />

das schmale Budget einging. Weshalb die Mehrheit des Vereins sich entschloss, den höheren<br />

Baukosten von 110.000 Mark zuzustimmen – in der Hoffnung, die Mitglieder und Gönner würden<br />

die Mehrkosten durch Anleihen finanzieren. Dies gelang - und Ende 1891 konnte die neue<br />

„Harmonie“ mit einem Festspiel eingeweiht werden: im neuen großen Saal, der nun eine elf Meter<br />

breite Bühne und ein geräumiges Foyer aufwies.<br />

Es war das dritte Festspiel, das die Ge<strong>se</strong>llschaft im Lauf weniger Jahre auf die Bühne brachte: das<br />

erste fand 1885 zum 50jährigen Bestehen des Vereins statt, das zweite ein Jahr später „zum Einzug<br />

des Erbgroßherzoglichen Paars in Freiburg“ – offensichtlich ein Zeichen der Versöhnung. Stadtrat<br />

Hugo Ficke, der die Bauleitung übernommen hatte, stellte in <strong>se</strong>iner Festrede fest, dass sich die<br />

„Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ in der Stadt stets für die „Ausgleichung der Gegensätze“ einge<strong>se</strong>tzt habe:<br />

„Im gegenwärtigen sozialen Kampf ist der enge Anschluß aller Derer, die einer nationalen<br />

Gesinnung sind, an die bestehenden Bürgerheim dringend nöthig“, zitierte ihn die „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ am 3. Januar 1892.<br />

Was beim Rückblick in die Geschichte der „Harmonie“ in der Grünwälderstraße auffällt, ist der von<br />

Anfang rege Wech<strong>se</strong>l der Wirtsleute. Kaum ein Wirt hielt es in den ersten Jahrzehnten länger als ein<br />

paar Jahre aus – dies obwohl schon recht früh der Vorstand der Ge<strong>se</strong>llschaft einsah, dass das<br />

Restaurant ohne Öffnung für die Allgemeinheit nicht zu betreiben war. Besonders schwer tat sich


Am regen Wech<strong>se</strong>l der Wirtsleute in der „Harmonie“<br />

war 1902 auch G. A. Trescher beteiligt – obwohl etliche<br />

Vereine dort ihr Stammlokal hatten.<br />

wohl die Witwe A. Brandt, die im Oktober 1893 die<br />

„Harmonie“ übernahm. Im Mai 1895, also keine zwei<br />

Jahre danach, wurde über ihr Vermögen das<br />

Konkursverfahren eröffnet – und bereits im<br />

September wurde Jean Weber als neuer Wirt<br />

begrüßt.<br />

So ging es weiter. Der Wirt G. A. Trescher, der im<br />

Oktober 1901 noch die Anzeige (links) in die<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ rücken ließ, machte im<br />

September 1902 schon wieder einem neuen Pächter<br />

Platz – dies obwohl mehr und mehr Vereine wie der<br />

Gewerbeverein oder die Räuberhöhle die „Harmonie“<br />

zu ihrem Stammlokal au<strong>se</strong>rkoren hatten. Nachfolger<br />

von Trescher wurde Albert Häussler, der auf eine langjährige Zeit als Wirt in Freiburg verwei<strong>se</strong>n<br />

konnte – so im Offizierskasino und, etwas pikant, im Lokal der „Mu<strong>se</strong>umsge<strong>se</strong>llschaft“.<br />

Dier ersten Andeutungen eines Filmtheaters in der „Harmonie“ konnte man dann schon im Februar<br />

1903 der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ entnehmen. Der <strong>Freiburger</strong> Flottenverein lud damals zur<br />

„allgemeinen kinematographischen Vorführungen“ in den Saal des Ge<strong>se</strong>llschaftshau<strong>se</strong>s ein. „Wie<br />

man uns mitteilt“, war danach am 20. Februar 1903 in der FZ zu le<strong>se</strong>n, „erwecken die gelungenen<br />

Bilder aus dem Seeleben u. von besonderen Anläs<strong>se</strong>n lebhaftes Interes<strong>se</strong>.“<br />

Im März 1904 sah sich die „Harmonie“<br />

genötigt, in einer Anzeige für die<br />

Aufführung eines „lebend, sprechend<br />

aufgeführten Passionsspiels“ den Hinweis<br />

anzufügen „Kein Kinematograph“.<br />

Doch dann tauchte im Jahr 1906 in der<br />

„Harmonie“ plötzlich ein richtiges Kino<br />

namens „Urania-Theater“ auf, das im<br />

großen Saal „täglich große<br />

kinematographische Vorstellungen in hier<br />

noch nie ge<strong>se</strong>hener, vorzüglicher<br />

Aufführung“ ankündigte. Für die damals<br />

unverzichtbare musikalische Begleitung der<br />

Filmchen, die es gab, hatte man eine<br />

Abteilung des Artillerie-Regiments Nr. 76<br />

gewinnen können. Es gab laut Anzeige vom<br />

2. Oktober 1906 eine Vorstellung am Tag:<br />

„Anfang 8 Uhr, Ende 10 ½ Uhr“. Dem<br />

Wie von einem richtigen Kino mutet die Anzeige vom 2. Oktober 1906<br />

in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ an, mit der das neue „Uranie-Theater“ für<br />

<strong>se</strong>ine Kinematographischen Vorführung im Saal der „Harmonie“ warb.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Unternehmen war wohl nur eine kurze Dauer beschieden, denn ins <strong>Freiburger</strong> Adressbuch 1906 oder der<br />

Jahre danach schaffte es das „Urania-Theater“ nicht.


Danach fiel mir bei meinen Recherchen in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ für die folgenden Jahre keine<br />

weiteren Versuche auf, in der „Harmonie“ ein Kino zu<br />

installieren. Die Ge<strong>se</strong>llschaft lebte weiter auf der<br />

Grundlage von Mitgliedsbeiträgen, noch mehr aber von<br />

der Verpachtung ihrer Räume an Wirte, Vereine und<br />

Verbände ganz unterschiedlicher Ausrichtung – und von<br />

eigenen Veranstaltungen in den diver<strong>se</strong>n Sälen.<br />

Besonders an Fastnacht war <strong>se</strong>it Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts immer Hochbetrieb in der<br />

Grünwälderstraße – und das blieb bis heute so.<br />

Im Februar 1914 lud Wirt Paul Bogner für drei Tage<br />

Fastnacht und „Harmonie“ – das war schon <strong>se</strong>it Mitte des<br />

19. Jahrhunderts eine Einheit. Hier als Beispiel eine<br />

Anzeige vom 20. Februar 1914 aus der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“. Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

hintereinander zu „großen Redouten“ in die „größten<br />

und schönsten Säle Freiburgs“ ein. Die Ballmusik lag in<br />

den Händen der Infanteriekapelle der <strong>Freiburger</strong><br />

Garnison.<br />

Dann wurde es ernst: der Erste Weltkrieg<br />

begann. Und siehe da: Auch im Saal der<br />

Gaststätte „Harmonie“ wurden wieder Filme<br />

vorgeführt. Am Sonntag 6. Februar 1916<br />

zeigte man in zwei Vorstellungen: „Mit der<br />

Kino-Kamera im Weltkriege“. Zum Inhalt war<br />

zu le<strong>se</strong>n: „Die Durchbruchschlachten in<br />

Galizien. Tarnov – Gorlice – Brest-Litowsk.<br />

Lebende Originalaufnahmen und Schilderung<br />

der offiziell vom Großen Generalstab der<br />

Armee zugelas<strong>se</strong>nen kinotechnischen<br />

Abteilung der Expreß-Film (Inhaber Robert<br />

„“Mit der Kino-Kamera im Weltkriege“ – die Kriegsaufnahmen des<br />

<strong>Freiburger</strong>s Robert Schwobthaler waren im Februar 1916 auch in der<br />

„Harmonie“ zu <strong>se</strong>hen.<br />

Schwobthaler, Freiburg). Verbindender Text gesprochen von Herrn von Klinkowström, Filmlänge 2<br />

Kilometer. Ein lebendes Gesamt-Gemälde die<strong>se</strong>r 4 Wochen tobenden historischen Schlachten, wo<br />

es gelang, die Rus<strong>se</strong>n entscheidend zu schlagen, Galizien zu befreien und vorzustoßen in das Herz<br />

Russlands. Im Gegensatz zu den Stellungskriegen in den Voge<strong>se</strong>n zeigt die<strong>se</strong>s neue Filmwerk den<br />

Bewegungskrieg in allen <strong>se</strong>inen Pha<strong>se</strong>n: die großen Mör<strong>se</strong>r in voller Feuertätigkeit, Verfolgung der<br />

Rus<strong>se</strong>n durch Honwed Husaren usw. usw. Einzig dastehend: Lebende Bilder, aufgenommen vom<br />

Doppeldecker aus über den russischen Stellungen und im Fes<strong>se</strong>lballon“.<br />

Man sieht: der weltläufige <strong>Freiburger</strong> Kinopionier Robert Schwobthealer, den wir schon von <strong>se</strong>inen<br />

Kontakten zu „American Biograph“, „Colos<strong>se</strong>um“ und „Friedrichsbau-Lichtspielen“ kennen, hatte<br />

auch die „Harmonie“ mit <strong>se</strong>inen Kriegsaufnahmen beliefert – wohl nicht zuletzt wegen der vielen<br />

Plätze im großen „Harmonie“-Saal.<br />

Danach war dann mal wieder Pau<strong>se</strong>. Bis 1927 die „Harmonie-Lichtspiele“ als „richtiges“ Kino<br />

eröffnet wurde, gab es noch einige Zwischenschritte – und einige Probleme zu überwinden. So galt<br />

es bei der Generalversammlung der „Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ im Mai 1920 die Frage zu<br />

beantworten, ob der Verein <strong>se</strong>in Ge<strong>se</strong>llschaftshaus nicht bes<strong>se</strong>r verkaufen sollte, da in der<br />

wach<strong>se</strong>nden Not in der Stadt nach Ende des Kriegs Säle für Lustbarkeiten nicht gefragt waren. Es


gab Verhandlungen mit der Universität, die in der Grünwälderstraße ein Studentenheim einrichten<br />

wollte. Doch der geforderte Preis verhinderte den Handel.<br />

Auch die Idee von Eduard Poppen, dem Verleger der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ und Mitglied des<br />

Vorstands, statt dem Gebäude ein großes Bürgerhaus für Freiburg zu errichten, kam wohl zur<br />

falschen Zeit. Die Mitglieder entschlos<strong>se</strong>n sich in der Versammlung, zweigleisig zu fahren: Einer<strong>se</strong>its<br />

öffnete man ein Fonds mit dem Ziel, mit 100.000 Mark genug Kapital einzusammeln, um größere<br />

Instand<strong>se</strong>tzungsarbeiten zu ermöglich, anderer<strong>se</strong>its gab man dem Vorstand freie Hand für weitere<br />

Verkaufsverhandlungen. An Stelle des Ge<strong>se</strong>llschaftshau<strong>se</strong>s dachte man dabei, wie zu le<strong>se</strong>n war, „an<br />

ein anderes kleineres Objekt, das sich als Klubhaus der Ge<strong>se</strong>llschaft bes<strong>se</strong>r eignen würde“.<br />

Immerhin konnte der Vorstand einen Erfolg vermelden: die Zahl der Mitglieder war wieder von 196<br />

auf 403 gestiegen.<br />

Im Jahr 1919 übernahm Robert Ihli das „Harmonie-<br />

Restaurant“. 1927 eröffnete er die „Harmonie-<br />

Lichtspiele“, die er bis 1986 betrieb. Die Anzeige<br />

stand am 2. Dezember 1919 in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“.<br />

Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

hieß der Verein bis zum Krieg<strong>se</strong>nde „Karl-Von-Rotteck-Ge<strong>se</strong>llschaft“.<br />

In einer Anzeige vom 19. Februar 1919 für das „Harmonie-<br />

Restaurant“ war schon ein Name aufgetaucht, der für die<br />

weitere Geschichte der „Harmonie“ und vor allem auch<br />

der „Harmonie-Lichtspiele“ eine entscheidende Rolle<br />

spielen sollte: Robert Ihli. Er muss damals das Lokal frich<br />

„als Inhaber“ übernommen haben, denn im Adressbuch<br />

1919 ist er noch als „Robert Ihli, Kantinenwirt“ aufgeführt.<br />

Im Adressbuch 1920 steht hinter <strong>se</strong>inem Namen schon die<br />

Adres<strong>se</strong> Grünwälderstraße 18 – „Wirt, Harmoniesäle“.<br />

A propos „Harmonie“. Im Jahr 1921 hat sich die<br />

„Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ umbenannt in<br />

„Bürgerge<strong>se</strong>llschaft Karl-von-Rotteck“. Über den Grund<br />

konnte ich nichts erfahren. Das blieb so bis in die NS-Zeit.<br />

Dann waren Bürger nicht mehr gefragt, sondern nur noch<br />

Volksgenos<strong>se</strong>n. Aber immerhin wollten die Nazis am<br />

großen Demokraten Karl von Rotteck nicht kratzen. So<br />

Im Adressbuch 1921 (links) ist die „Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ noch,<br />

wie üblich in Klammern, als Hausbesitzer eingetragen. Im<br />

Adressbuch 1922 ist unter der Adres<strong>se</strong> Grünwälderstraße 18 nur<br />

noch Robert Ihli als Wirt ausgewie<strong>se</strong>n.<br />

Ob die Ge<strong>se</strong>llschaft das Anwe<strong>se</strong>n Grünwälderstraße 18, wie 1920 besprochen, tatsächlich verkauft<br />

hat (an Robert Ihli?), müsste man noch genauer klären. Jedenfalls taucht Robert Ihli <strong>se</strong>it 1922 nur<br />

noch, gemeinsam mit einem Hausmeister, unter die<strong>se</strong>r Adres<strong>se</strong> im Adressbuch auf. Im Gegensatz zu<br />

etlichen <strong>se</strong>iner Vorgänger muss er eine glückliche Hand in wirtschaftlichen Dingen gehabt haben,<br />

denn im Adressbuch 1943 ist er als Besitzer des Nachbargebäudes Grünwälderstraße 16<br />

ausgewie<strong>se</strong>n – unter der Adres<strong>se</strong> Grünwälderstraße 16-18 firmieren heute noch die „Harmonie-<br />

Lichtspiele“.


Wie die <strong>Kinogeschichte</strong> der „Harmonie“ im Jahr 1924 langsam richtig losging<br />

Im Dezember 1924 machten die „Badischen Lichtspiele“ im „Harmonie-Saal“ auf sich aufmerksam. Die „Badischen Lichtspiele für<br />

Schule und Volksbildung“ boten in den nächsten beiden Jahren Kulturfilme mit Niveau. Am 9. Dezember 1924 kündigte Robert Ihli,<br />

der Mann im Hintergrund, in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ das interessante Werk „Der Film im Film“ an. Am 13. Dezember folgte der<br />

Hinweis auf den Märchenfilm „Tischlein deck dich“.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Doch zurück zur<br />

<strong>Kinogeschichte</strong> der<br />

„Harmonie“. Sie beginnt<br />

1924 – nicht wie bisher<br />

angenommen im Jahr 1927.<br />

Unter der Bezeichnung<br />

„Badische Lichtspiele“<br />

wurden spätestens ab<br />

Dezember 1924 im großen<br />

Saal der „Harmonie“<br />

regelmäßig Kulturfilme<br />

gezeigt.<br />

Kaum gegründet, musste sich die Firma<br />

„Badische Lichtspiele für Schule und<br />

Volksbildung GmbH“ schon einer<br />

unliebsamen Konkurrenz erwehren. Anzeige<br />

vom 24. Januar 1925 in der FZ.<br />

Es müs<strong>se</strong>n nach<br />

überstandener Notzeit und<br />

Inflation kulturbeflis<strong>se</strong>ne<br />

Jahre in Freiburg gewe<strong>se</strong>n<br />

<strong>se</strong>in, denn bereits Ende<br />

Januar hatten sich die „Badischen Lichtspiele“ einer<br />

ungeliebten und wohl auch etwas verdächtigen Konkurrenz zu<br />

erwehren. Am 24. Januar 1925 gab die Firma „Badische<br />

Lichtspiele für Schule und Volksbildung GmbH“ in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ eine „Erklärung“ ab, in der festgestellt<br />

wurde, dass man „mit einem Unternehmen, das den Namen<br />

un<strong>se</strong>rer gemeinnützigen Ge<strong>se</strong>llschaft nachahmt und sich<br />

‚<strong>Freiburger</strong> Kultur-Lichtspiele für Schule und Volks-Belehrung<br />

Saurier waren damals schon eine Attraktion<br />

in den Lichtspielhäu<strong>se</strong>rn, so auch in den<br />

„Badischen Lichtspielen“. Anzeige vom 10.<br />

April 1926 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“


nennt, nichts gemein“ habe. Die Kulturfilme in der „Harmonie“ endeten im Jahr 1926 – und die<br />

„Badischen Lichtspiele“ schafften es auch nie, unter der Rubrik „Lichtspieltheater“ in die<br />

Adressbücher zwischen 1924 und 1926 aufzutauchen. Es waren schließlich die „Casino-Lichtspiele“<br />

in der Belfortstraße 3, die im Jahr 1927 die Serie der Kulturfilme in Freiburg fort<strong>se</strong>tzten. Robert Ihli<br />

hatte nun mit dem großen Saal der „Harmonie“ etwas anderes vor.<br />

Am 22. Oktober 1927 wurden in der Grünwälderstraße 18 die „Harmonie-Lichtspiele“ eröffnet. Betrieben wurde das Kino vom alten<br />

„Harmonie“-Wirt Robert Ihli, der das Filmspielhaus bis 1986, also fast 60 Jahre, leitete, ehe es 1987 die Ufa übernahm, die sie 2008 an<br />

Michael Wiedemann übergab. Anzeige vom 19. Oktober 1927 aus der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Robert Ihli, der 1919 als Wirt der „Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“ begonnen hatte, eröffnete am 22.<br />

Oktober 1927 die „Harmonie-Lichtspiele“. Und er griff, was die Anpreisung „<strong>se</strong>iner“ neuen<br />

Lichtspielstätte anging, gleich zum Superlativ. Sein Haus <strong>se</strong>i das „besteingerichtete Theater am<br />

Platz“, heißt es in der Eröffnungsanzeige. Und weiter: „Wir haben keine Kosten und Mühen<br />

gescheut, um den Besuchern künstlerisch hochwertige Filme zeigen zu könne, und zwar nur<br />

Erstaufführungen für Freiburg. Was die Einrichtung des Theaters anbelangt, so wurde alles getan,<br />

um den Besuchern den Aufenthalt so angenehm als möglich zu gestalten. Eine bequeme<br />

Bestuhlung, gute Entlüftung sowie eine einwandfreie Vorführung durch einen Ufa-Doppel-Projektor<br />

sind die technischen Vorteile, welche Ihnen un<strong>se</strong>r Theater bietet.“<br />

Eröffnet wurde das Kino mit dem Hans Sachs-Film „Der Meister von Nürnberg“, dem „jetzt größten<br />

Film der deutschen Winterproduktion“. Regie und Drehbuch der Adaption der Wagner-Oper hatte<br />

Ludwig Berger übernommen, der <strong>se</strong>iner jüdischen Abstammung wegen 1933 emigrieren musste,<br />

später nach Deutschland zurückkehrte und ein Pionier des Fern<strong>se</strong>hspiels wurde. In Bayern stieß der


Film, so liest man in der Anzeige weiter, auf den Widerstand<br />

von Kinogegnern – und nicht nur das: „Bedauerlicherwei<strong>se</strong><br />

hatte auch ein Teil der hiesigen Pres<strong>se</strong> den Film, ohne ihn<br />

ge<strong>se</strong>hen zu haben, angegriffen. Wir bitten das verehrliche<br />

Publikum, über die<strong>se</strong>n Film <strong>se</strong>lbst urteilen zu wolle.“ Zur<br />

Eröffnung spielte das verstärkte Orchester der „Harmonie“<br />

unter der Leitung des Kapellmeisters Max Woche.<br />

Im „schönsten Erstaufführungstheater Freiburgs“ liefen<br />

danach u.a. folgende Filme: „Die Lindenwirtin am Rhein“<br />

(Oktober), „Feme“ von Richard Oswald nach dem Roman von<br />

Vicky Baum, der Fußballfilm „Der König der Mittelstürmer“<br />

mit Paul Richter und als Nachtsondervorstellung der<br />

Boxkampf von Jack Demp<strong>se</strong>y gegen Gene Tunney (November),<br />

im Dezember 1927 folgten der „Aufklärungsfilm“ von Erik<br />

Erik<strong>se</strong>n „Der Weg der Tränen“ mit Kurt Gerron als Bö<strong>se</strong>wicht,<br />

„Alpentragödie“ von Robert Land (an der Kamera der<br />

<strong>Freiburger</strong> Sepp Allgeier), der US-Film „Diebstahl“ mit Corinne<br />

Griffith, „Napoleon Bonaparte“, eine französische Produktion,<br />

und als Beigabe ein Film über den <strong>Freiburger</strong> Ro<strong>se</strong>nmontags-<br />

Umzug.<br />

Ein Höhepunkt war im Mai 1928 der Monumentalfilm von<br />

Cecile B. de Mille „König der Könige“. Danach legten die<br />

„Casino-Lichtspiele“ wohl eine Sommerpau<strong>se</strong> ein. Kurz nach<br />

der „Wiedereröffnung“ im August sah sich Robert Ihli<br />

veranlasst, sich mit einem „offenen Wort“ an die<br />

„verehrlichen Einwohnerschaft Freiburgs u. Umgebung“ zu<br />

wenden, damit sie sich „nicht durch oberflächliche.<br />

Marktschreierische Reklame, die nur den Zweck hat, das<br />

Publikum irre zu führen, beeinflus<strong>se</strong>n“ lässt.<br />

Wen Ihli damit nun genau meinte, schrieb er nicht –<br />

wahrscheinlich meinte er die „Casino-Lichtspiele“ von Gustav<br />

Vollmer. Wobei solche Vorwürfe, wie wir wis<strong>se</strong>n, auch von<br />

anderen Kinobetreibern erhoben wurden. „Die Harmonie-<br />

Lichtspiele haben nicht den Ehrgeiz“, so Ihli am 1. September<br />

1928 weiter, „der verehrlichen Einwohnerschaft durch schöne<br />

Redensarten vorzumachen, das beste Kino Deutschlands zu<br />

<strong>se</strong>in, die größten Mas<strong>se</strong>nbesuche zu haben oder gar alle guten<br />

Filme der Weltproduktion zu besitzen. Das wäre ein<br />

Reklameschmu, mit dem wir uns bei jedem vernünftigen<br />

Menschen lächerlich machen würde.“<br />

Ihli stand in <strong>se</strong>iner Philippika vom 1. September 1928 in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ jedoch nicht an, <strong>se</strong>lbst für sich in<br />

Das Programm des Doppel-Schlagers, also der Vorstellungen mit zwei Filmen<br />

nacheinander, machte sich auch Robert Ihli zu eigen, wie die<strong>se</strong> Anzeige vom 24.<br />

August 1928 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ zeigt. Oft nahm nicht nur Ihli als<br />

zweiten Hauptfilm einen Western. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg


Anspruch zu nehmen, „den Besuchern vom Besten nur das Beste“ zu bieten. Das Wort<br />

„Mas<strong>se</strong>nbesuch“ lehnte er ab, wollte aber dann doch auf einen Hinweis „auf die täglich mehr<br />

zunehmende, für die kurze Zeit un<strong>se</strong>res Bestehens verhältnismäßig <strong>se</strong>hr große Stammkundschaft“<br />

zu verzichten.<br />

Auch die „Casino-Lichtspiele“ wollten von den für das Ende<br />

der 20er Jahre typischen Aufklärungsfilmen, die damals<br />

offenbar echte Kas<strong>se</strong>nschlager waren, profitieren. Im<br />

September 1928 lief in der Grünwälderstraße der Film<br />

„Ge<strong>se</strong>tze der Liebe“, bearbeitet von Dr. Magnus Hirschfeld<br />

in Verbindung mit dem Institut ffür Sexualwis<strong>se</strong>nschaft in<br />

Berlin. Wie in anderen <strong>Freiburger</strong> Kinos, wo man 1928 noch<br />

wagte, auf den Juden und Homo<strong>se</strong>xuellen Hirschfeld<br />

zurückzugreifen, wurde dem Film ein Vortrag – hier von Dr.<br />

Heinz Roos, einem Sexualwis<strong>se</strong>nschaftler aus Frankfurt –<br />

vorgeschaltet.<br />

Bisweilen vermietete<br />

Robert Ihli <strong>se</strong>in<br />

Lichtspielhaus auch an<br />

andere Veranstalter, an<br />

Firmen wie Persil oder<br />

Vereine wie dem ADAC,<br />

der am 28. Januar 1929 zu<br />

einer Dokumentation über<br />

<strong>se</strong>ine Länderfahrt oder das<br />

Internationale Rennen um<br />

den ADAC-Bergrekord<br />

1928 auf dem<br />

Schauinsland einlud – bei<br />

freiem Eintritt,<br />

Natürlich tummelten sich<br />

in den „Harmonie-<br />

Lichtspielen“ wie in den<br />

anderen Kinos der Stadt<br />

auch die Komödianten aus<br />

den USA wie Harold Lloyd,<br />

Buster Keaton und Charlie<br />

Sexuelle Aufklärung mit Film und Vortrag gab es<br />

auch in den „Harmonie-Lichtspielen“. Anzeige in<br />

der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ vom 15. September 1928.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Chaplin. Am 18. Oktober 1929 gelang es Robert Ihli, die Darsteller<br />

der Lustspiel-Serie „Pat und Patachon“ nach Freiburg zu holen. Carl<br />

Schenstrøm (1881–1942) als langer Pat und Harald Mad<strong>se</strong>n (1890–<br />

1949) als kleiner, dicker Patachon drehten zwischen 1921 und 1940<br />

mehr als 50 Filme. Was die beiden in Freiburg zur Vorstellung ihres<br />

1926 fertiggestellten Films „Pat und Patachon auf hoher See“<br />

beigetragen haben, ist nicht bekannt. Der Direktor der „Harmonie-<br />

Lichtspiele“ versprach in <strong>se</strong>iner Anzeige in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

immerhin, dass die beiden in „einer urkomischen Szene die Herzen


der Besucher im Sturm erobern werden“. Als zweiten Teil des „Doppel-Schlagers“ gab es den Film<br />

„Zirkus“ von Charlie Chaplin zu <strong>se</strong>hen.<br />

Anzeige vom 16. Januar 1930<br />

in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“<br />

für den Chaplin-Film.<br />

„Trotz Tonfilm überall das<br />

größte Geschäft der Saison“ – so<br />

warb Robert Ihli im Januar 1930<br />

für den Film „Abenteuer“ von<br />

Charlie Chaplin. Am Tag zuvor<br />

ließ er die Kinofreunde etwas<br />

raten, was da in den „Harmonie-<br />

Lichtspielen“ zu erwarten ist.<br />

Den Film „Abenteuer“, der dann<br />

gezeigt wurde, gibt es in der<br />

Liste der Chaplin-Filme gar nicht.<br />

Womöglich war es ein<br />

Zusammenschnitt beliebiger<br />

Stummfilme oder aber man<br />

zeigte den 1917 entstandenen<br />

Streifen „Der Abenteurer“.<br />

Sicher nicht ganz unproblematisch<br />

waren für die „Harmonie-<br />

Lichtspiele“ die Zwangspau<strong>se</strong>n<br />

Jedes Jahr an der Fasnet mussten die „Harmonie-<br />

Lichtspiele“ pausieren – die „Harmonie gehörte<br />

dann ausschließlich den Narren.<br />

während der Fasnet-Saison in Freiburg. In allen Sälen war dann närrisches Treiben angesagt. Doch<br />

nicht nur die Narren konnten sich in der „Harmonie“ ausbreiten, auch andere Vereinigungen<br />

wurden eingeladen, das große Haus zu nutzen – gegen Geld natürlich. Die Zwangspau<strong>se</strong> im Jahr<br />

1930 dauerte einen ganzen Monat. Und wurde zünftig am 7. März 1930 als<br />

„Weltschlagerprogramm“ mit Charlie Chaplins Meisterwerk „The Pilgrim“ beendet.<br />

Am 15. März 1930 konnte Robert Ihli einen weiteren berühmten<br />

Gast persönlich in <strong>se</strong>inem Kino prä<strong>se</strong>ntieren: Ludwig Trautmann<br />

(1885-1957), den „ersten deutschen Filmschauspieler und<br />

Meisterrezitator“. Er war von 1912 bis 1924 in rund 200 Filmen und<br />

Filmchen aufgetreten, reiste aber <strong>se</strong>itdem nur noch als<br />

Vortragskünstler durch die Lande – als personifizierte<br />

<strong>Kinogeschichte</strong>.<br />

„Kurz nach Anbruch der Tonfilmzeit erschien er“, so liest man bei<br />

wikipedia, „wieder in einigen Nebenrollen. Sein frühes Anbiedern<br />

bei den Nationalsozialisten (Parteimitglied von Juni 1933 bis<br />

Oktober 1935) brachte Trautmann keinen Karriereschub im 3. Reich,<br />

<strong>se</strong>in Schauspielstil galt als hoffnungslos veraltet. Vom 13. Juli bis 12.<br />

Oktober 1935 wurde er wegen homo<strong>se</strong>xueller Handlungen aufgrund<br />

von § 175 im KZ Columbia und im KZ Lichtenburg bei Torgau<br />

inhaftiert“. Danach floh er in die Schweiz und nach Frankreich,<br />

„Ludwig Trautmann ist zusammen mit Henny Porten der Mitgründer des deutschen Films“ –<br />

so stellten die „Harmonie-Lichtspiele“ am 15. März 1930 den Vortragsrei<strong>se</strong>nden in Sachen<br />

Filmgeschichte in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ vor. Er gab „persönlich unentgeltlich<br />

Autogramme im Foyer“ des Kinos.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg


kehrte 1939 aber zurück und verbüßte eine zweite Haftzeit als Homo<strong>se</strong>xueller. Er überlebte das NS-<br />

Regime, aber <strong>se</strong>ine Karriere war dahin.<br />

Die „Harmonie-Lichtspiele“ und der Kampf um den Tonfilm<br />

Im April 1930 sah sich Robert Ihli genötigt, zu erklären,<br />

warum in den „Harmonie-Lichtspielen“ immer noch keine<br />

Tonfilme gezeigt werden. Anzeige vom 23. April 1930 in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Freiburg<br />

Abbildung: Unibibliothek<br />

Natürlich musste Robert Ihli irgendwann auf die<br />

Tatsache reagieren, dass Ende November 1929 im<br />

„Zentral-Theater“ in der Schiffstraße 9 der erste<br />

deutsche Tonfilm „Atlantic“ zu <strong>se</strong>hen - und zu hören<br />

war. In der „Harmonie“ liefen im Frühjahr 1930 nach<br />

wie vor nur Stummfilme – und Ihli wollte daran<br />

festhalten. Am 25. März 1930 startete er ein „Werbe-<br />

Programm“ und schrieb dazu, dass die<strong>se</strong> Aktion „für<br />

den hohen künstlerischen stummen Film“ bewei<strong>se</strong>n<br />

soll, „daß trotz des Tonfilms die stumme Filmkunst in<br />

ihrer künstlerischen Vollendung nicht zu überbieten<br />

ist“. Um speziell für den Stummfilm „Donna Juana“ mit<br />

Elisabeth Bergner zu werben, konnte jeder zahlende<br />

Besucher der Nachmittagsvorstellung eine Person<br />

kostenlos mitbringen. Zu hören war während des Films<br />

die Musik der Hauskapelle um den Kapellmeister Max<br />

Woche.<br />

Einen Monat später, am 23. April 1930, griff Ihli das<br />

Thema Tonfilm noch einmal und nun grundsätzlich auf:<br />

„Warum bringen die Harmonie-Lichtspiele als modern<br />

geleitetes Lichtspielhaus noch keine Tonfilme? – So<br />

lauten die Fragen, die täglich bei uns einlaufen.“ Er<br />

<strong>se</strong>he sich dadurch genötigt, „in aller Öffentlichkeit“<br />

eine Erklärung dazu abzugeben. Sie lautete:<br />

„Wir sind keine Gegner des Tonfilms! Wir haben uns<br />

eingehend mit dem Tonfilm-Problem befasst und<br />

das<strong>se</strong>lbe geprüft. Dabei haben wir die Überzeugung<br />

gewonnen, daß die Aufnahme und Wiedergabe auch<br />

bei den besten bis heute auf dem Markt befindlichen<br />

Apparaten noch <strong>se</strong>hr mangelhaft ist. Die meisten<br />

Krei<strong>se</strong> suchen eine Erbauung und Erholung im<br />

Lichtspieltheater, gerade jetzt in der aufregenden und<br />

tempora<strong>se</strong>nden Zeit und keine Folter wie bei<br />

Tonfilmen, wo Auge und Ohr in ständiger Aufregung<br />

sind, um die meist <strong>se</strong>hr unverständlichen Worte<br />

verstehen zu können. Vor allem ist die Musik noch<br />

heute in den meisten Fällen nicht anderes als ein<br />

Schallplattenwiedergabe. Wieviel mehr kann der<br />

Tonfilm <strong>se</strong>in! Heute ist er ein Knabe mit immer noch<br />

unreifem und ungezogenem Benehmen. Des Wortes<br />

mächtig, mißbraucht er das Wort!“


Immer neue Erfindungen würden auf die<strong>se</strong>m Gebiet noch gemacht und neue Patente angemeldet,<br />

fuhr Ihli fort. „Sobald die<strong>se</strong> Anfangsstufen des Tonfilms überwunden sind, werden auch wir un<strong>se</strong>ren<br />

Besuchern den guten Tonfilm zur Vorführung bringen“, versprach er. Doch bis dahin gelte für die<br />

„Harmonie-Lichtspiele“ die Parole: „Keine Tonfilme! Keine mechanische Musik! Der gute stumme<br />

Film mit erstklassigem Orchester, denn das Schweigen ist der Film bester Teil!“<br />

So ganz sicher fühlte sich Robert Ihli mit <strong>se</strong>iner Haltung<br />

nicht, die den damaligen Stand der Tonfilm-Technik<br />

sicher schlechter machte als sie war. So wagte er den<br />

Schritt nach vorn und lud die Kinofreunde, über das<br />

abzustimmen, was sie im Kino haben wollen. „Wir<br />

veranstalten ab heute, den 24. April bis Donnerstag, 1.<br />

Mai eine Abstimmung in un<strong>se</strong>rem Theater. Jeder<br />

Besucher erhält an der Kas<strong>se</strong> einen Stimmzettel, auf<br />

dem er angeben kann, ob er für den stummen oder<br />

Tonfilm stimmt. Das Ergebnis werde wir in aller<br />

Öffentlichkeit bekanntgeben.“<br />

Am 3. Mai 1930 verkündete Robert Ihli (siehe Anzeige oben) das Ergebnis der Abstimmung – und<br />

das sicher mit Freude: „Der stumme Film hat einen hohen Sieg davongetragen“. Von den<br />

abgegebenen Stimmen sprachen sich knapp 80 Prozent für den Stummfilm aus, nur 17 Prozent<br />

votierten für den Tonfilm. Manche Kinofreunde fügten auf ihrem Stimmzettel einen Kommentar<br />

hinzu. „Tonfilm nimmt alles Schöne (inneres Erlebnis) weg“, lautet einer. Noch entschiedener der<br />

zweite: „Der Tonfilm heilt mich vom Kino.“<br />

Am 11. November 1930 wurde auch in den „Harmonie-Lichtspielen“ der<br />

erste Tonfilm gezeigt, ein Jahr nach der ersten <strong>Freiburger</strong> Tonfilm-<br />

Vorführung im „Zentral-Theater“. In der Anzeige in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ begründete Robert Ihli die<strong>se</strong>n Schritt ausführlich mit den<br />

technischen Fortschritten der letzten Monate.<br />

Abbildungen:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Doch im Spätjahr 1930 war es dann auch in<br />

den „Harmonie-Lichtspielen“ soweit: der<br />

Tonfilm hielt Einzug. Robert Ihli stellte dies<br />

am 11. November 1930 unter das Motto:<br />

„Immer vorwärts, nicht zurück. Die rechte<br />

Tat zur rechten Zeit!“ Die Technik des<br />

Tonfilms habe inzwischen ganz bedeutende<br />

Fortschritte gemacht, „so dass wir den<br />

jetzigen Augenblick für gekommen<br />

erachten, auch bei uns den ersten Tonfilm<br />

zu starten.“ Mit den Film „Die<br />

Lindenwirtin“ von Georg Jacoby mit Käthe<br />

Dorsch in der Hauptrolle hatte Ihli einen<br />

Film ausgewählt, der gleich <strong>se</strong>chs<br />

musikalische „Hauptschlager“ zu bieten<br />

hatte, darunter das Lied „Du bist mein<br />

Morgen – und mein Nachtgebetchen“.<br />

Man habe nach eingehendem Studium eine Apparatur ermittelt, so Ihli zur Begründung, welche<br />

eine Glanzleistung der deutschen Technik <strong>se</strong>i: die Kinoton-Großverstärker-Apparatur, hergestellt<br />

von den Fabriken Lorenz AG und Zeiss-Ikon-Ernemann, der in den letzten Monaten in mehr als 400<br />

deutschen Theater installiert worden <strong>se</strong>i.


In den nächsten Monaten<br />

konnten <strong>Freiburger</strong><br />

Kinofreunde in den „Casino-<br />

Lichtspielen“ gleich drei<br />

Tonfilme mit Greta Garbo<br />

(„Greta Garbo spricht<br />

Deutsch!“) genießen. Mit der<br />

<strong>Freiburger</strong> Erstaufführung von<br />

„Der blaue Engel“ im<br />

„Harmonie-Kino“ hatte es nicht<br />

geklappt. Nun sicherte sich<br />

Robert Ihli 1931 und 1932<br />

gleich drei Filme mit Marlene<br />

Dietrich: im November 1931<br />

„Herzen in Flammen“ oder auch „Marokko“ mit Gary Cooper und Alphon<strong>se</strong> Menjou, im Dezember<br />

1931 den Spionagefilm „X 27“ mit Victor Mc Laglen und im Mai 1932 „Schanghai-Express“ mit Anna<br />

May Wong, alle drei in der Regie von Jo<strong>se</strong>f von Sternberg, mit dem Marlene Dietrich 1930 in die<br />

USA emigrierte.<br />

Fasnet hieß in Freiburg 1932 noch Fasching – so<br />

wenigstens in der „Harmonie“, wo im Februar<br />

1932 die Kinofreunde mal wieder keine Chance<br />

hatten. Abbildungen: Universitätsbibliothek FR<br />

Das „Harmonie“-Gebäude in der Grünwälderstraße in den 1930er Jahren. Rechts<br />

das Haus Grünwälderstraße 16, das Robert Ihli in den 1920er Jahren zusatzlich<br />

erworben hat – heute ist das Gebäude Teil der „Harmonie-Lichtspiele“. Foto: aus<br />

Siebold-Schindelbeck „Eine Bank wie keine andere“, Promo Verlag FR 2007,


Zum fünfjährigen Bestehen veröffentlichten die „Harmonie-Lichtspiele“ am 15. September 1932 das Programm der Spielzeit<br />

1932/1933 – auch diesmal mit einem Seitenhieb auf die Konkurrenz (gemeint waren wieder die „Casino-Lichtspiele“), der man<br />

gern attestierte, die meisten Filme zu zeigen, während in der „Harmonie“ die besten liefen. Abbildung: Unibibliothek FR


Die „Harmonie-Lichtspiele“ in der NS-Zeit<br />

Das erste Lebenszeichen <strong>se</strong>tzten die „Casino-Lichtspiele“ im Februar<br />

1933 mit dem Musikfilm „Glück über Nacht“ mit Magda Schneider in<br />

der Hauptrolle. Die Musik stammte von Paul Abraham, die Regie<br />

hatte Max Neufeld – beides Juden, die später aus dem Land fliehen<br />

mussten.<br />

Am 19. März 1933 lud die „Harmonie“ mit einer Anzeige in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ zu einem „Großen Vaterländischem Konzert“ mit<br />

ehemaligen Militärmusikern in die unteren Säle des Gebäudes. Was<br />

hatte das zu bedeuten?<br />

Nun, am 30. März prä<strong>se</strong>ntierte Robert Ihli<br />

den Film „Heute kommt’s drauf an“ mit<br />

Hans Albers und Luisa Rainer. Regie: Kurt Gerron. Wie Gerron hatten zu<br />

die<strong>se</strong>r Zeit etliche der an die<strong>se</strong>m Streifen beteiligten Künstler, darunter<br />

alle vier jüdischen Komponisten und Liedschreiber sowie die Big Band<br />

Stefan Weintraubs, Deutschland bereits verlas<strong>se</strong>n und waren in die<br />

Emigration gegangen. Ob Ihli das bekannt war?<br />

Am 20. April 1933 veranstaltete die „Harmonie“ zu Adolf Hitlers<br />

Geburtstag ein „Konzert mit Tanz“, bei dem die Herren mit dunklem<br />

Anzug erwartet wurden. Am 3. Mai gab es zum normalen Film als<br />

Sonder-Einlage den „großen Sondertonfilm ‚Der 1. Mai in Berlin‘ mit den<br />

gewaltigen Kundgebungen und Aufmärschen“ in der Reichshauptstadt.<br />

Am 26. Mai zeigten die „Harmonie-Lichtspiele“ die erste filmische<br />

Selbstdarstellung der NSDAP unter dem Titel „Deutschland erwacht“, in<br />

dem die ganzen Nazigrößen im Film zu <strong>se</strong>hen waren.<br />

Mit zwei Musikfilmen machte Robert Ihli im Herbst 1933 wieder auf <strong>se</strong>in<br />

Kino aufmerksam. Am 15. September 1933 stand der Film „Lei<strong>se</strong> flehen<br />

meine Lieder“ mit Hans Jaray als Schubert und Lui<strong>se</strong> Ullrich auf dem<br />

Programm, es war das Regiedebut von Willi Forst. „Wir zeigen Ihnen ab<br />

heute das edelste Tonwerk, das im neuen Deutschland geschaffen wurde,<br />

gleichzeitig mit der Berliner Uraufführung, der Reichsminister Dr. Göbbels<br />

beiwohnte und <strong>se</strong>lbst Zeuge der enthusiastischen Beifallsstürme war, die<br />

immer wieder die Vorstellung unterbrachen“, so Ihli in der Anzeige in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Es folgte am 6. Oktober „Der Walzerkrieg“, ein<br />

Ludwig Berger-Inszenierung mit Willy Fritsch und Renate Müller in den<br />

Hauptrollen.<br />

Plakat für „SOS Eisberg“ im<br />

Wiener Kino Apollo, wo am 19.<br />

Oktober 1933 die<br />

Uraufführung in Österreich<br />

war.Foto: wikipedia<br />

Am 10. Oktober 1933 war „SOS Eisberg“ des <strong>Freiburger</strong> Regis<strong>se</strong>urs Arnold<br />

Fanck an der Reihe. Wegen des zu erwartenden Ansturms ließ Robert Ihli<br />

den Film gleich in zwei <strong>Freiburger</strong> Kinos laufen: in den „Harmonie-<br />

Lichtspielen“ und im „Union-Theater“ (dazu später). In dem Film über die<br />

Rettung einer Expedition in Grönland spielte Leni Riefenstahl einmal mehr<br />

die Hauptrolle. Im Abspann des Films wurde Drehbuch-Mitautor Friedrich<br />

Wolf wegen des<strong>se</strong>n jüdischer Herkunft und <strong>se</strong>iner Mitgliedschaft in der


KPD nicht erwähnt. Der ebenfalls jüdische und politisch links orientierte Komponist der Filmmusik,<br />

Paul Dessau, war zum Zeitpunkt der Uraufführung bereits mit <strong>se</strong>iner Familie nach Frankreich<br />

emigriert.<br />

Am 26. September 1935 zeigte sich Robert Ihli dankbar. „Durch die dankenswerte Förderung und<br />

Unterstützung der deutschen Filmkunst von <strong>se</strong>iten des Staates ist das Filmtheater heute eine<br />

Unterhaltungs-, Aufklärungs- und Bildungsstätte des gesamten deutschen Volkes. Die Filmkunst<br />

wurde zur Volkskunst.“ Das erfolgreichste Spieljahr <strong>se</strong>it Bestehen des Theaters <strong>se</strong>i nun<br />

abgeschlos<strong>se</strong>n. Eine fast ununterbrochene Erfolgs<strong>se</strong>rie der bedeutendsten Spitzenfilme der<br />

Weltproduktion habe den „Casino-Lichtspielen“ ein treues Stammpublikum gesichert und das<br />

Vertrauen der großen Filmproduzenten gefestigt. Und so könne er nun auch für die nächste Zeit<br />

eine Überraschung ankündigen.<br />

Die Überraschung war der Umbau des Lichtspielhau<strong>se</strong>s. In<br />

einer Anzeige vom 20. Oktober 1934 heißt es dazu: „Heute<br />

Abend werden sich die Tore der Harmonie wieder öffnen<br />

und die Besucher der großen Trenkerfilms ‚Der verlorene<br />

Sohn‘ werden in ein festlich neugestaltetes Haus Einzu<br />

halten. Bis zur letzten Minute wurde fieberhaft an der<br />

Fertigstellung des Neu- und Umbaues gearbeitet, des<strong>se</strong>n<br />

Leitung dem <strong>Freiburger</strong> Architekten Diplom-Ingenieur Fehr<br />

unterstand. Für heute nur soviel: Das Bühnenhaus hat<br />

modernste Form bekommen und durch Ausbau des Saales<br />

wurde die Zahl der Sitzplätze um 180 auf 600 erhöht.<br />

Neuerungen und Verbes<strong>se</strong>rungen erfuhren auch die<br />

Beleuchtungsanlagen usw., kurz wir haben in Freiburg ein<br />

weiteres ganz modernes Lichtspielhaus bekommen, das<br />

darüber hinaus durch die Neugestaltung des Bühnenhau<strong>se</strong>s<br />

auch den Charakter eines Kammerspielhau<strong>se</strong>s erhielt.“<br />

Im Oktober 1934 wurde das Gebäude der<br />

„Harmonie-Lichtspiele“ umgebaut. Robert Ihli ließ<br />

den Saal erweitern, womit die Kapazität der Sitze<br />

nun auf 600 erhöht werden konnte. Anzeige vom<br />

15. Oktober 1934 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Das weitere Programm der „Harmonie-Lichtspiele“ war in den<br />

nächsten Jahren vor allem auf Unterhaltung ausgerichtet: mit<br />

Lustspielen, Liebesfilmen, dazwischen etwas Abenteuer, alles auf<br />

Parteilinie – die Zahl der ausländischen Filme nahm auch hier ab.<br />

Ein typischer Film aus der Mitte der 30er Jahre war „Rendezvous in<br />

Wien“. Ein musikalisches Lustspiel von Viktor Janson über den<br />

hindernisreichen Weg eines jungen Wiener Komponisten zum Erfolg<br />

im Beruf und zum Glück in der Liebe. Prominent be<strong>se</strong>tzt mit Magda<br />

Schneider, Wolf Albach-Retty, Leo Slezak und Adele Sandrock – und<br />

absolut harmlos.<br />

Ähnlich war im Juli 1938 der Kriminalfilm „Einer zuviel an Bord“ mit<br />

Lida baarova und Albrecht Schoenhals einzuschätzen. Anspruchslos<br />

war auch der Film „Das Schloss in Flandern“ mit Martha Eggert, eine<br />

hanebüchene Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg über eine<br />

weisgesagte Liebe und die Probleme, die es damit gab. Ende Januar<br />

Magda Schneider, die Mutter von Romy Schneider, war in den 30er Jahren eine<br />

vielbeschäftigte Schauspielerin in harmlo<strong>se</strong>n Liebes- und Musikfilmen – wie in dem Film<br />

„Rendezvous in Wien“, der am 21. Mai 1936 in den „Casino-Lichtspielen“ lief. Abbildung:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg


1937 lief „Die Frau des Anderen“ in den „Casino-Lichtspielen“, ein Abenteuerfilm über eine Frau<br />

zwischen zwei Männern.<br />

„Der Tiger von Eschnapur“ und „Das indische Grabmal“, der<br />

zweite Teil der Geschichte, waren opulente Abenteuerfilme des<br />

Regis<strong>se</strong>urs Richard Eichberg, die - teils unter Lebensgefahr in<br />

Indien gedreht - mit vielen Aufnahmen indischer Paläste und<br />

Landschaften, prächtigen exotischen Kostümen und Tänzen,<br />

märchenhaft anmutenden Interieurs und Kulis<strong>se</strong>n den Zuschauer<br />

in eine fremde Welt entführen – und in Gestalt der furio<strong>se</strong>n<br />

Tänzerin La Jana auch verführen sollten. „Der Tiger von<br />

Eschnapur“ lief am 21. Januar 1938, „Das indische Grabmal“ am<br />

3. Februar 1938 im „Harmonie-Kino“ – beides, so Robert Ihli in<br />

einer Anzeige, „mit phantastischem Erfolg“ auch in Freiburg.<br />

Am 24. Februar 1938 stand die amerikanische Filmkomödie „Der<br />

Mann mit dem Kuckuck“ mit Jean Harlow und Robert Taylor an<br />

der Grünwälderstraße auf dem Programm– „in deutscher<br />

Sprache“, wie betont wurde. Im März folgte „Urlaub auf<br />

Ehrenwort“, eine Geschichte von fünf Soldaten im Ersten<br />

Weltkrieg und ihre Erlebnis<strong>se</strong> bei ihrem Fronturlaub zu Hau<strong>se</strong>.<br />

Der Film entstand auf Initiative von Jo<strong>se</strong>ph Goebbels, der auch<br />

die Herstellung kontrollierte und Änderungen veranlasste.<br />

Regis<strong>se</strong>ur war der einschlägig bekannte Karl Ritter.<br />

Am Zuschnitt des Programms änderte sich auch wenig, als im<br />

September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite<br />

Weltkrieg begann. Es fällt auf,<br />

dass neben den „Friedrichsbau-<br />

Lichtspielen“ besonders die<br />

„Harmonie-Lichtspiele“ ,<br />

gefördert von der Deutsch-<br />

Italienischen Film-Union, gerne<br />

italienische Filme zeigte – so<br />

Musikfilme mit dem Tenor<br />

Benjamino Gigli oder der<br />

Sopranistin Toti Dal Monte,<br />

aber auch Abenteuerfilme wie<br />

„Der Kavalier mit der Maske“<br />

mit Gino Cervi und Lui<strong>se</strong> Ferida.<br />

Das ging bis ins Jahr 1942, dann<br />

war klar, dass es wegen der<br />

Rückschläge im Krieg gegen die Sowjetunion auch in der Beziehung zu Italien kri<strong>se</strong>lte.<br />

Anzeige vom 8. November 1940 in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Toti Dal Monte war<br />

ein internationaler Opernstar.<br />

Abbildungen: Unibibliothek Freiburg<br />

Anzeige vom 15. Dezember1941 in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Gino Cervi spielte<br />

später den roten Bürgermeister in den<br />

„Don Camillo“-Filmen.<br />

1939 war in den „Casino-Lichtspielen“ auch das Jahr der Zarah Leander. Mit Willy Birgel war sie im<br />

Januar in dem Film „Der Blaufuchs“ zu <strong>se</strong>hen. Im September dann die Sudermann-Verfilmung<br />

„Heimat“ mit Heinrich George und im Dezember „Das Lied der Wüste“ mit Gustav Knuth.


„Aufruhr in Damaskus“ mit Brigitte Horney<br />

war der erste deutsche Durchhaltefilm – dabei<br />

war im März 1939 noch gar kein Krieg.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Ähnlich häufig verzeichnet<br />

das Archiv Filme mit Brigitte<br />

Horney in den „Harmonie-<br />

Lichtspielen“. Es begann im<br />

März 1939 mit dem ersten<br />

Durchhaltefilm „Aufruhr in<br />

Damaskus“ mit Joachim<br />

Gottschalk, mit dem sie in<br />

vier Filmen<br />

zusammenarbeitete.<br />

Gottschalk, mit einer Jüdin<br />

verheiratet, sollte sich auf<br />

Geheiß von Goebbels von ihr<br />

trennen. Er weigerte sich,<br />

wählte mit ihr im November<br />

1941 den Freitod – und<br />

Brigitte Horney ging, trotz<br />

Verbot, zu <strong>se</strong>iner<br />

Beerdigung.<br />

„Harmonie-Lichtspielen“) hatte sie mit Willy Fritsch die Hauptrolle.<br />

Heinz Rühmann und <strong>se</strong>ine lustigen<br />

Filme waren auch in den „Harmonie-<br />

Lichtspielen“ umso mehr gefragt, je<br />

schlechter die Stimmung im Lande<br />

wurde Hier eine Anzeige vom 5. Mai<br />

1942 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Im April 1939 lief im<br />

„Harmonie-Kino“ der Horney-Film „Der Gouverneur“ mit Willy<br />

Birgel, im Juli „Verklungene Melodie“ ebenfalls mit Willy<br />

Birgel.<br />

Noch häufiger war in den „Harmonie-Lichtspielen“ nur noch<br />

Heinz Rühmann zu <strong>se</strong>hen, von dem von Ende 1938 bis Mitte<br />

1942 <strong>se</strong>chs Komödien die Kinofreunde erfreuten. Liebling des<br />

Publikums in jener Zeit war auch Marika Rökk, die nicht nur<br />

mit ihren Tänzen begeisterte.<br />

Die in Ungarn aufgewach<strong>se</strong>ne<br />

Schauspielerin bildete in<br />

ihren Filmen mit Johannes<br />

Heesters ein Traumpaar. In<br />

dem ersten deutschen<br />

Farbfilm aus dem Jahr 1941<br />

„Frauen sind doch bes<strong>se</strong>re<br />

Diplomaten“(er lief im Mai<br />

1942 in geschlos<strong>se</strong>nen<br />

Vorstellungen in den<br />

Es gab Kinos in Freiburg, die mehr typische NS-Propagandafilme in<br />

ihrem Programm hatten als die „Harmonie-Lichtspiele“, gerade<br />

auch nach Kriegsbeginn. Was nicht heißt, dass Robert Ihli der<br />

NSDAP fernstand oder gar die Partei bekämpfte. Im Gegenteil: Er<br />

scheute sich nicht, wie schon anderer Stelle die<strong>se</strong>r <strong>Kinogeschichte</strong><br />

dargestellt, die von Jo<strong>se</strong>ph Goebbels lancierten anti<strong>se</strong>mitischen<br />

Marika Röck spielte als quirlige<br />

Hauptdarstellerin im ersten deutschen<br />

Farbfilm im Mai 1942 in den<br />

„Harmonie-Lichtspielen“.


Filme in <strong>se</strong>inem Lichtspielhaus aufzuführen. Veit Harlans infames Werk „Jud Süß“ erzielte im<br />

Oktober 1940 mit den größten Publikum<strong>se</strong>rfolg in den „Casino-Lichtspielen“. We<strong>se</strong>ntlich kürzer lief<br />

„Die Rotschilds“, das Machwerk über die Dynastie der jüdischen Bankiersfamilie.<br />

Ansonsten liefen noch<br />

einige Propagandafilme der<br />

Partei an der<br />

Grünwälderstraße. So etwa<br />

der Film „Jungens“, der am<br />

6. Juni 1941 in den<br />

„Harmonie-Lichtspielen“<br />

vorgeführt wurde. Er war<br />

ein 1941 fertig gestellter<br />

deutscher Jugendfilm von<br />

Robert A. Stemmle. Der<br />

Film schildert die sozialen<br />

Missstände in einem<br />

kleinen Ost<strong>se</strong>edorf. Die<br />

männlichen Gegenspieler<br />

werden von Albert Hehn als<br />

fortschrittlichem Lehrer<br />

und Hitlerjugend-Führer<br />

und Eduard Wandrey als<br />

ausbeuterischem Gastwirt gespielt. „Jungens“ war ein Beispiel<br />

für den Kinder- und Jugendfilm im Nationalsozialismus. Der<br />

Hauptdarsteller Albert Hehn war übrigens der Vater von Sascha<br />

Hehn, den man aus der Fern<strong>se</strong>h<strong>se</strong>rie „Schwarzwaldklinik“<br />

kennt.<br />

Am 17. Januar 1941 prä<strong>se</strong>ntierte Robert Ihli mit<br />

„Blutbrüderschaft“ einen weiteren NS-Propagandafilm.<br />

Hauptdarsteller war <strong>se</strong>ltsamerwei<strong>se</strong> Hans Söhnker, den<br />

eigentlich wenig mit der NSDAP verband und der in jener Zeit<br />

gemeinsam mit anderen Filmleuten in <strong>se</strong>inem Wochenendhaus<br />

am Wünsdorfer See jüdische Menschen verbarg. Dadurch geriet<br />

er <strong>se</strong>lbst mehrfach auf die schwarze Liste der Gestapo. Der Film<br />

„Blutbrüderschaft“ verband auf etwas skurrile Wei<strong>se</strong> der Ersten<br />

Weltkrieg mit dem<br />

Beginn des Zweiten<br />

Weltkriegs,<br />

gespiegelt in der schwierigen Freundschaft zweier<br />

Männer, die sich im September 1939 beim<br />

gemeinsamen Einmarsch wiederfinden.<br />

Das Programm der „Harmonie-Lichtspiele“ vom 17. Juni 1943.<br />

Deutschland befand sich im „totalen Krieg“ – auch das NS-Blatt „Der<br />

Alemanne“ musste Papier sparen und so schrumpften die Kinoanzeigen<br />

(rechts) immer mehr zusammen. Das Kinoprogramm war auf „heitere<br />

Geschichten“ programmiert, um die Deutschen von den Rückschlägen im<br />

Krieg abzulenken. Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg


Am 3. April 1945, etwa drei Wochen vor dem Einmarsch der Franzo<strong>se</strong>n in<br />

Freiburg, sah der Bestand an geöffneten Kinos in Freiburg noch so aus.<br />

Ausschnitt aus dem NS-Blatt „Der Alemanne“, der einzigen verbliebenen<br />

Zeitung der Stadt. Die „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ musste im Februar 1943 ihr<br />

Erscheinen einstellen. Abbildung: Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Beim verheerenden Luftangriff der<br />

Engländer auf Freiburg am 27. November<br />

wurde die Grünwälderstraße kaum<br />

getroffen – wie die „Friedrichsbau-<br />

Lichtspiele“ und das „Union-Theater“<br />

konnten auch die „Harmonie-Lichtspiele“<br />

nach wenigen Tagen wieder ihren Betrieb<br />

aufnehmen. Das galt bis in den April 1945<br />

– und bis die Französische Armee Freiburg<br />

be<strong>se</strong>tzt hatten.<br />

Dann war erstmal Pau<strong>se</strong>. Im September<br />

1945 durfte Robert Ihli <strong>se</strong>ine „Harmonie-<br />

Lichtspiele“ wieder eröffnen – und er<br />

betrieb das Kino bis in <strong>se</strong>in hohes Alter, bis ins Jahr 1986. Wie es weiterging, ist auf dem <strong>se</strong>hr<br />

verdienstvollen Internetportal http://www.allekinos.com unter dem Stichwort „Harmonie“ kurz<br />

zusammengefasst: „Aus Altersgründen und, weil es für ihn zwischen den Großbetreibern UFA und<br />

Palastbetrieben immer schwieriger wurde, attraktive Filme für das große Art-Deco-Filmtheater zu<br />

finden, schloss Robert Ihli das mittlerweile auch renovierungsbedürftige Haus mit dem Disney-Film<br />

"Taran und der Zauberkes<strong>se</strong>l".<br />

Der Komplex wurde 1987 von der UFA erworben und unter strengen Auflagen des<br />

Denkmalschutzes abgeris<strong>se</strong>n. Die<strong>se</strong> sahen den Erhalt der Fassade und der Gewölbekeller ebenso vor<br />

wie der Reste der Stadtmauer an der Rück<strong>se</strong>ite, wo sich heute der Notausgang der "Harmonie 2"<br />

befindet. Außerdem musste man mit dem Neubau ein Jahr warten, um das Gelände archäologisch<br />

zu untersuchen. Im Oktober 1992 wurden die „Harmonie-Lichtspeile“ mit fünf Kinosälen, einem<br />

multifunktionalen Saal ("Podium") sowie Gastronomie neu eröffnet. Das Foyer hinter der<br />

ehrwürdigen Fassade wurde als glasüberdachtes Atrium gestaltet, Kino 2 verfügt, was für einen<br />

Neubau ungewöhnlich ist, über einen Balkon.<br />

Zwischen 2005 und 2007 wech<strong>se</strong>lten die Besitzer, bis zuletzt die Cinemaxx-Gruppe das Kino 2008 an<br />

Michael Wiedemann, der damals auch ie „Friedrichsbau-Lichtspiele“ und den „Kandelhof“,<br />

übergab. Die<strong>se</strong>r gab die drei Kinos im Jahr 2017 an Ludwig Ammann und Michael I<strong>se</strong>le weiter, die<br />

sie weiterhin betreiben – hoffentlich.<br />

Die „Harmonie“ im Januar <strong>2023</strong>. Das<br />

gelbe Gebäude mit der Adres<strong>se</strong><br />

Grünwälderstraße 18 und dem<br />

Wirtshausschild ist das traditionelle<br />

Haus der „Harmonie-Ge<strong>se</strong>llschaft“<br />

gewe<strong>se</strong>n, die 1835 von Karl von Rotteck<br />

gegründet wurde. Das Haus davor mit<br />

der Nummer 16 hatte Robert Ihli in den<br />

1920er Jahren erworben. Heute ist hier<br />

das Foyer der „Harmonie-Lichtspiele“.<br />

Foto: Bernd Serger


Die „Union-Lichtspiele“ musste erstmal das „Lichtspielhaus Wiehre“ ablö<strong>se</strong>n<br />

Robert Ihli, der Gründer und Chef der „Harmonie-Lichtspiele“, hat 1929 auch die „Union-<br />

Lichtspiele“ in der Schützenalle 7 gegründet. So liest sich bisher die Geschichte des „Union-<br />

Theaters“, so wenig darüber bisher auch zu erfahren war. Doch ganz so einfach ist es nicht.<br />

Denn die Geschichte beginnt ganz anders. Am 11.<br />

Januar 1929 tauchte in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ eine<br />

<strong>se</strong>ltsame Anzeige auf. „LiWi?“ wurde da mit großen<br />

Lettern gefragt – viel kleiner war dann die Auflösung zu<br />

le<strong>se</strong>n: „Liwi ist die Abkürzung für das neue<br />

Lichtspielhaus Wiehre, Schützenalle 7,<br />

Straßenbahnhaltestelle Bürgerwehrstraße.“ Und dann<br />

die kes<strong>se</strong> Behauptung: „Liwi ist das modernste<br />

Lichtspieltheater am Platze!“ Wer modern mit neu<br />

gleich<strong>se</strong>tzte, konnte dem zustimmen, denn „Liwi“ war<br />

das neueste Kino der Stadt.<br />

Wer in die Adressbücher von damals schaut, wundert<br />

sich, dass das „Lichtspielhaus Wiehre“ schon in der Ausgabe 1928/1929 auftauchte, denn meist<br />

wurden die Daten für die Adressbücher schon im Herbst des Vorjahrs eingesammelt. Wie auch<br />

immer, zu le<strong>se</strong>n ist in die<strong>se</strong>r Ausgabe, daß der Kaufmann Georg Echter Inhaber die<strong>se</strong>s Kinos war.<br />

Über ihn ist in den Adressbüchern leider nichts weiteres zu erfahren – er hatte wohl keinen<br />

Wohnsitz in Freiburg.<br />

Die in der ersten Anzeige für den 12. Januar 1929 um 18 Uhr<br />

angekündigte Eröffnung des „Liwi“ wurde zu einem Desaster. Ein<br />

Journalist der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“, als „Hochwohlgeboren“<br />

eingeladen, glossierte zwei Tage später, was passiert war: Er<br />

hatte mit Mühe im Nebel und im Dunklen die Nummer 7 der<br />

Schützenallee gefunden – „der Forschungsdrang treibt mich in<br />

fröhlicher Abenteuerlust in einen finsteren Hof, in dem sich<br />

einige Personen bewegen, mit Taschenlampen ihren Weg<br />

suchend. Über einen nicht markierten Erdaushub gelangen wir an<br />

eine Türe, die nach zagen Öffnen Einblick gewährt in einen<br />

rabenschwarzen Raum, dunkeldicht und düster, unirdisch wie<br />

alle Welten jen<strong>se</strong>its menschlicher Begriffe. Enttäuscht, verstimmt<br />

und ärgerlich suche ich mir mit anderen Eingeladenen den Weg<br />

ins Freie, ins Licht … Abergläubische Zeitgenos<strong>se</strong>n <strong>se</strong>hen in einer<br />

über den Weg laufenden Katze das Anzeichen eines<br />

Von Robert Ihli ist im Adressbuch 1929,<br />

was die Schützenallee anlangt, noch<br />

nichts zu le<strong>se</strong>n Hier wird der Kaufmann<br />

Georg Echter als Inhaber des<br />

„Lichtspielhau<strong>se</strong>s Wiehre (Li-Wi)<br />

aufgeführt. Abbildungen:<br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Mißgeschicks, ich betrachte sie als Glücksbringerin und so will ich hoffen und wünschen, daß die<br />

von der Baupolizei am Samstagabend nicht genehmigte Eröffnung ein gutes Vorzeichen für das<br />

Lichtspielhaus Wiehre ist und daß die mysteriö<strong>se</strong>n Worte sich wandeln von Liwi-Wo? In Liwi-da.“<br />

Zwei Tage nach der amtlich verhinderten Eröffnung kündigte „Liwi“ die „aus technischen Gründen“<br />

verschobene Eröffnung für den 16. Januar um 20.15 Uhr an. Die Einladungskarten für die<br />

geschlos<strong>se</strong>ne Vorstellung um 18.15 Uhr behielten, so hieß es ganz unschuldig, ihre Gültigkeit. Die<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ ersparte sich einen weiteren Versuch der Teilnahme, jedenfalls ist in den<br />

nächsten Ausgaben nichts darüber zu finden.


Umso eifriger nutzen nun das „Lichtspielhaus Wiehre“ die<br />

FZ als ihr Werbemedium. Und kündigte gleich an, dass der<br />

erste Film, der zu <strong>se</strong>hen war, eine „Erstaufführung“ für<br />

Freiburg <strong>se</strong>i. Gezeigt wurde das Lustspiel „Ein Mädel mit<br />

Temperament“ mit Maria Pandler in der Hauptrolle. Der<br />

Film löste bei der Kritik zwiespältige Reaktionen aus.<br />

Gelobt wurde einhellig die Flugkünste von Ernst Udet, der<br />

in dem Film - mit Unterstützung der Lufthansa - einige<br />

<strong>se</strong>iner Kunststücke vorführen konnte.<br />

Auch Georg Echter war um Superlative nicht verlegen. Am<br />

26. Januar kündigte er den Film „Wo die Alpenro<strong>se</strong>n<br />

blüh’n“ unbekümmert als „besten deutschen Alpenfilm“<br />

an – und das in Freiburg, wo der Bergfilm mit tollen<br />

Kameramännern <strong>se</strong>inen Ursprung hatte.<br />

Anfang Februar bot das „Liwi“ zu günstigen<br />

Eintrittsprei<strong>se</strong>zwischen 60 und 90 Pfennige den<br />

Fußballfilm „Die Schlauberger“ mit William Haiden an.<br />

Mit Unterhaltungsfilmen ging es weiter, bis das Kino<br />

Anfang März in Freiburg für richtige Furore sorgte:<br />

Gemeinsam mit Direktor Walther Kelling vom deutschen<br />

Ableger des US-Filmproduzenten A.W.K. veranstaltete<br />

das „Liwi“ einen Filmwettbewerb für <strong>Freiburger</strong> Frauen.<br />

Das mit Verzögerung gestartete Eröffnungsprogramm<br />

des „Lichtspielhau<strong>se</strong>s Wiehre“. Anzeige vom 16. Januar<br />

2019 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“.<br />

Dabei ging es darum, Filmaufnahmen von<br />

<strong>Freiburger</strong>innen zu machen, die zum Film wollen<br />

und sich das auch zutrauen. Die Aufnahmen<br />

<strong>se</strong>ien kostenlos und würden „in streng dezenter<br />

Form“ über die Bühne gehen. Da der Ansturm<br />

wohl nicht so groß war, <strong>se</strong>tzte Kelling die<br />

Bedingungen herab – immerhin konnten die<br />

beiden Veranstalter für die Damen 34 Prei<strong>se</strong><br />

ausloben, die <strong>Freiburger</strong> Firmen bereitstellten –<br />

darunter etliche jüdische Firmen, was damals<br />

schon nicht mehr <strong>se</strong>lbstverständlich war.<br />

Am Wochenende 6. und 7. April fanden im Hotel<br />

Kopf die Aufnahmen statt – <strong>se</strong>lbst hier konnten<br />

sich noch Damen anmelden. Das Ergebnis, also<br />

die Filme der 40 teilnehmenden Frauen, war<br />

vom 16. April 1929 im „Lichtspielhaus Wiehre zu<br />

<strong>se</strong>hen. Die Kinobesucher erhielten an der Kas<strong>se</strong><br />

einen Zettel, worauf sie eintragen konnten,<br />

Im März 1929 sorgte das „Liwi“ in der Stadt mit einem<br />

„Filmwettbewerb für die <strong>Freiburger</strong> Damenwelt“ für Auf<strong>se</strong>hen –<br />

und für Interes<strong>se</strong>n an dem neuen Kino in der Oberwiehre.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg


Was im August<br />

1929 geschah,<br />

kann man nur<br />

vermuten. Am 30.<br />

Drei Jahre nach der <strong>Freiburger</strong> Erstaufführung in den<br />

„Casino-Lichtspielen“ prä<strong>se</strong>ntierte das „Liwi“ Chralie August wurde in<br />

Chaplins „Goldrausch“ in <strong>se</strong>inem Kino. Abbildungen:<br />

der „<strong>Freiburger</strong><br />

Universitätsbibliothek Freiburg<br />

Zeitung“ ein<br />

überraschender<br />

Wech<strong>se</strong>l publik: aus dem „Lichtspielhaus Wiehre“ wurden die<br />

„Union-Lichtspiele“. Ob das noch unter der Leitung von Georg<br />

Echter geschehen ist, bleibt offen. Im Adressbuch von 1931 ist<br />

erstmals ein Inhaber des „Union-Kinos“ ausgewie<strong>se</strong>n: der<br />

Kaufmann Franz v. d. Berg. Die nächsten Jahre wird das<br />

Lichtspielhaus nur ohne Besitzer aufgeführt. Erst im<br />

Adressbuch 1935 taucht Robert Ihli erstmals als Inhaber auf –<br />

und das noch falsch geschrieben.<br />

Kleines Zwischenspiel:<br />

Fast zehn Jahre vor der<br />

Gründung der „Union-<br />

Lichtspiele“ in der<br />

Schützenallee gab es<br />

schon einmal ein „Union-<br />

Theater“ in Freiburg. So<br />

nannte sich der<br />

„Weltkinematograph“ in<br />

der Kai<strong>se</strong>rstraße 68 am<br />

13. September 1921<br />

(siehe Anzeige links), als die<strong>se</strong>s Kino in <strong>se</strong>inen letzten Zügen lag<br />

und dann einem Schuhgeschäft Platz machte.<br />

Was bei dem „Lichtspielhaus Wiehre“ falsch lief, ist letztlich nicht bekannt. Am 30.<br />

August 1929 jedenfalls meldeten sich in der Schützenallee 7 die „Union-<br />

Lichtspiele“ mit ihrer Eröffnungsanzeige in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“. Robert Ihli<br />

war an die<strong>se</strong>r Gründung nicht beteiligt. Sein Einstieg kam spätestens im Jahr 1934.<br />

Zettel, auf dennen sie ankreuzen konnten, welche<br />

„Schauspielerin“ ihnen am besten gefällt. Letztlich<br />

wurden, so offenbart eine Anzeige gegen Ende April,<br />

16 <strong>Freiburger</strong> Damen ausgezeichnet. Dass eine von<br />

ihnen im Filmbetrieb Karriere gemacht hätte, ist nicht<br />

bekannt.<br />

Das „Lichtspielhaus Wiehre“ griff im Lauf der Monate<br />

mehr und mehr zur Zweitauswertung von Filmen – wie<br />

etwa Anfang Juli zu Charlie Chaplins „Goldrausch“.<br />

Man mag das schon als Anzeige der Kri<strong>se</strong> deuten, es<br />

könnte aber auch einfach das neue Geschäftsprinzip<br />

gewe<strong>se</strong>n <strong>se</strong>in.<br />

Im August 1929 kam dann das „Union-Kino“


In den ersten Jahren<br />

liefen in den „Union-<br />

Lichtspielen“ nur von<br />

Freitag bis Sonntag die<br />

Filme – und dann auch<br />

nicht so häufig wie in<br />

anderen Kinos. Eine<br />

Anzeige des Hausbesitzers<br />

Otto Zimmermann am 18.<br />

Februar 1930 in der<br />

„<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ offenbarte, was unter der Woche<br />

sonst im Hinterhof der Schützenallee lief. Der Kino-Saal<br />

wurde auch an Vereine, Korporationen und<br />

Ge<strong>se</strong>llschaften vermietet. Interessant die Hinwei<strong>se</strong>:<br />

„Gute Bestuhlung, beste Belüftung, Gelegenheit für<br />

Lichtbilder, Musikaufführungen usw. (Klavier und<br />

Harmonium vorhanden). Bescheidene Miete.“ Die<br />

richtigen „Kracher“ fehlten zwar im Programm der „Union-Lichtspiele“, doch eine Anzeige vom 4.<br />

April 1930 offenbarte, dass in dem Kino durchaus auch „Erstaufführungen“ für Freiburg zu <strong>se</strong>hen<br />

waren.<br />

Womit es etwas klemmte, war der Schritt zum Tonfilm, den ja das „Zentral-Theater“ als erstes Kino<br />

in Freiburg bereits im November 1929 vollzogen hatte. Dass es in den „Union-Lichtspielen“ mehr als<br />

eine Harmonium-Begleitung gegeben hat, ist den Hinwei<strong>se</strong>n in den Anzeigen zu entnehmen – so am<br />

30. August 1930, wo es hieß: „Die Filme werden durch die bekannte Unions-Kapelle illustriert.“<br />

Am 19. Dezember 1933 meldeten die „Union-Lichtspiele“ eine „neue<br />

Tonfilm-Wiedergabeapparatur“ in ihrem Kinosaal. Also muss es vorher<br />

schon eine alte gegeben haben. Die<strong>se</strong> Anzeige offenbart auch, dass damals<br />

mit „Danton“ ein Film gezeigt wurde, der bereits im Januar 1931 in Berlin<br />

uraufgeführt wurde. Aber die schauspielerischen Leistungen von Fritz<br />

Kortner als Danton und Gustav Gründgens als Robespierre waren jede<br />

Wiederholung wert.<br />

Die <strong>Freiburger</strong> Historikerin Carola Schark widmete im Jahr 2003 dem<br />

„Union-Theater“ in der „Badischen Zeitung“ einen Beitrag, in dem sie auf<br />

die Situation im Jahr 1935 einging: „Zwar brachten sowohl Friedrichsbau<br />

als auch Union 1155 Vorstellungen, doch bot das Haus an der Kai<strong>se</strong>rstraße<br />

703 Plätze. Das Union-Lichtspielhaus dagegen zählte 213 Plätze. Den<br />

Einnahmen nach schlug die Innenstadt die Wiehre gar um 200 000 Mark.“<br />

Die Blütezeit des „Union-Theaters“, wie sich das Kino <strong>se</strong>it Ende 1933<br />

nannte, lag laut Schark paradoxerwei<strong>se</strong> in den 40er Jahren, als alles<br />

öffentliche Leben darnieder lag: „Die Menschen suchten Zerstreuung und<br />

sorgten für volle Säle. Freilich freute das auch die Reichsfilmkammer:<br />

Propagandastreifen ließen sich so mühelos ans Volk bringen.“<br />

Einen Klassiker der Filmkunst prä<strong>se</strong>ntierte das „Union-Theater“ am 19. Dezember 1933 – das war<br />

auch ein Signal gegen die Diktatur, dargestellt vom jüdischen Schauspieler Fritz Kortner.<br />

Abbildungen: Universitätsbibliothek Freiburg


Das ist eine Collage aus<br />

Anzeigen, die das „Union-<br />

Theater“ in den 1930er und<br />

1940 Jahren in der „<strong>Freiburger</strong><br />

Zeitung“ und im „Alemanne“<br />

geschaltet haben - oft, aber<br />

nicht nur für Wiederaufnahmen.<br />

Abbildungen: Unibibliothek FR


Die<strong>se</strong> Anzeige vom 17. Oktober 1941 in der „<strong>Freiburger</strong> Zeitung“ zeigt die fünf <strong>Freiburger</strong> Kinos, die<br />

es bis zum 27. November 1944, dem Tag des Luftangriffs, in der Stadt gegeben hat. Heute existieren<br />

davon noch zwei: die „Friedrichsbau-Lichtspiele“ und die „Harmonie“. Das „Zentral-Theater“ wurde<br />

durch Bomben fast völlig zerstört, die „Casino-Lichtspiele“ wurde vor allem in den 1980er<br />

heruntergewirtschaftet – und 1998 endgültig geschlos<strong>se</strong>n. Und das „Union-Theater“? Das konnte<br />

sich in den 1970er Jahren noch weniger behaupten und ist mit den Worten <strong>se</strong>ines langjährigen<br />

Besitzers Robert Ihli im Dezember 1981 „einfach entschlafen“. Heute ist der Saal wieder Lagerraum.<br />

alte Schild Schützenallee 7.<br />

Schützenallee 7,<br />

Hinterhof, im<br />

Januar <strong>2023</strong>.<br />

Links oben der<br />

Eingang zum<br />

„Kino-Saal“,<br />

rechts der Saal<br />

von außen. Links<br />

der Anbau für<br />

den Projektor,<br />

rechts oben das<br />

Fotos: Bernd Serger


Quellen:<br />

https://www.google.de<br />

https://de.wikipedia.org<br />

http://www.allekinos.com<br />

Burkhardt, Marga Dr.: „<strong>Freiburger</strong> Kinolandschaft bis 1919 - Camera obscura und Kai<strong>se</strong>r-Panorama“, aus:<br />

https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Burkhardt-<strong>Kinogeschichte</strong>.htm<br />

Dittrich Wolfgang: „Fakten und Fragmente zur <strong>Freiburger</strong> Filmproduktionsgeschichte 1901-<br />

1918“,(Originalbeitrag aus 1998, zuletzt aktualisiert 11.12.2013), aus: https://www.freiburgpostkolonial.de/Seiten/Dittrich-Film.htm<br />

Haumann Heiko, Schadeck Hans (Hg.): „Geschichte der Stadt Freiburg, Band 3, 2. Ergänzte Auflage, Konrad<br />

Theiss Verlag Stuttgart 2001<br />

Ho<strong>se</strong>mann, Klaus W.: „Seinerzeit bahnbrechend – heute verges<strong>se</strong>n. Filmschaffen in Freiburg“, in: <strong>Freiburger</strong><br />

Almanach 1991, Verlag Poppen & Ortmann<br />

Kalchthaler Peter: „Freiburg und <strong>se</strong>ine Bauten – Ein kunsthistorischer Stadtrundgang“, Promo-Verlag Freiburg,<br />

1994<br />

Kalchthaler Peter: „Ein edles Bedürfnis des Geistes… - Vor 200 Jahren wurde die <strong>Freiburger</strong><br />

Mu<strong>se</strong>umsge<strong>se</strong>llschaft gegründet“, in: <strong>Freiburger</strong> Almanach, 2008<br />

Lies<strong>se</strong>m-Breinlinger, Renate: „Biografie von Robert Isidor Schwobthaler“ aus: Badische Biographien NF 5<br />

(2005), 257-259, in: https://www.leo-bw.de/detail/-<br />

/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/1012770621/Schwobthaler+Robert+Isidor<br />

Mann Thorsten: „Astrologie im Kinosaal: Elsbeth Ebertin und der Film „In den Sternen steht es geschrieben“<br />

(1925), https://okkultesfreiburg.de/locus/9<br />

Schark Carola: “Fürs Union-Kino gab's kein Happyend”, Badische Zeitung, 31. März 2003<br />

Wolf Günther: „Streiflichter aus einem Jahrhundert Lichtspiele im Friedrichsbau“, Schau-ins-Land: Jahresheft<br />

des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland, 2012, http://dl.ub.unifreiburg.de/diglit/schauinsland2012/0159/ocr?sid=1f9a31f5a5483b6cc87dc47a56445854

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!