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Industrieanzeiger 07.2020

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technik & wissen<br />

ser recycelt werden können als Duroplaste,<br />

sondern auch weil sie sich aufschmelzen,<br />

funktionalisieren und erneut verfestigen lassen.<br />

Darauf zielt das Projekt FlexHyJoin ab.<br />

Das Institut für Verbundwerkstoffe (IVW)<br />

und das Centro Ricerche Fiat S.c.p.A. arbeiten<br />

an einem großserientauglichen Hybridfügeverfahren,<br />

das ohne Additive auskommt.<br />

Verbindungselemente wie Schrauben,<br />

Nieten oder Klebstoff sollen entfallen.<br />

Ein solcher vollautomatischer Füge -<br />

prozess könnte der Schlüssel für zukünftige<br />

Hybrid-Komponenten aus Metall und faserverstärkten<br />

Thermoplasten sein – und den<br />

Leichtbau revolutionieren. Laut den<br />

Projektpartnern gibt es „derzeit keinen<br />

anderen Ansatz, der die drei Kernanforde-<br />

turierten Stahlblechen unter Druck verbunden.<br />

Die dafür nötige Hitze liefert der Laser<br />

oder wird induktiv erzeugt – beim Demon -<br />

strator kommen beiden Methoden zum Einsatz.<br />

Der Dachspriegel entsteht in einer<br />

Gesamt-Taktzeit von 140 s.<br />

Im FlexHyJoin-Prozess steckt Knowhow<br />

vieler Partner. Die Organobleche stammen<br />

von Bond Laminates. Die Produktionsanlage<br />

mit Industrieroboter-Handling und<br />

IR-Thermographie zur Fertigteilprüfung<br />

entwickelte Edag Engineering und wurde<br />

von der Fill GmbH gebaut. Das Fraunhofer<br />

ILT und Leister Technologies erarbeiteten<br />

die Laserlösungen. Bis mindestens Ende<br />

2021 soll die Anlage bei HBW Gubesch stehen<br />

bleiben, um Kunden zu überzeugen.<br />

Prototyp eines hybriden Kunststoff-Aluminium-Motors<br />

(ausgehend von einem VW 1.5-liter L TSI-EVO mit<br />

110 kW). Bild: Volkswagen<br />

Materialmix in der Corvette<br />

rungen Gewichtsreduzierung, Kosten- und<br />

Zeiteffizienz und Haftfestigkeit ausreichend<br />

erfüllt“.<br />

Als Demonstrator stellten die Projektpartner<br />

eine Dachversteifungs-Komponente<br />

(Dachspriegel) für den Fiat Panda her. Hierzu<br />

wurden 0,7 mm dicke Stahlteile zunächst<br />

selektiv mit 215 μm tiefen und 75 μm breiten<br />

Hinterschnittlinien laserstrukturiert, um<br />

sie dort später mit Thermoplast form- und<br />

materialschlüssig zu verbinden. Die eigentliche<br />

Komponente entsteht auf einer Presse<br />

der HBW Gubesch Thermoforming GmbH<br />

in Wilmersdorf: Organobleche aus GFverstärktem<br />

PA6 werden aufgewärmt, umgeformt<br />

und anschließend mit den vorstruk-<br />

Die GM Chevrolet<br />

Corvette Stingray erhielt<br />

bereits 2019 einen<br />

Innovationspreis der<br />

Society of Plastics Engineers<br />

(SPE). Sie ist<br />

gekennzeichnet durch<br />

einen intensiven<br />

Mate rialmix.<br />

Bild: General Motors<br />

In dem hoch ambitionierten Projekt<br />

LeHoMit-Hybrid soll bis Ende März 2020<br />

ein Pkw-Mitteltunnel entstehen. Porsche<br />

und Volkswagen kooperieren darin mit der<br />

Open Hybrid Lab Factory in Wolfsburg<br />

(OHLF), dem Institut für Konstruktionstechnik<br />

(IK) der TU Braunschweig und dem<br />

Verbundwerkstoff-Spezialisten Invent.<br />

„Unser übergeordnetes Ziel ist es, das<br />

neue Bauteil in den ganz normalen Fahrzeugrohbau<br />

zu integrieren“, sagt Dr. Olaf<br />

Täger aus der Volkswagen-Konzern -<br />

forschung. „Wenn Kunststoff-Verbund -<br />

materialien ohne erheblichen Mehraufwand<br />

die bestehenden metallbasierten Fertigungsprozesse<br />

durchlaufen können, ist das ein<br />

Durchbruch für den Einsatz von Leichtbauteilen.“<br />

Denn es ist dann nicht mehr notwendig,<br />

den Montageprozess für die hybriden<br />

Komponenten zu verändern oder gar<br />

neue Fabriken zu bauen.<br />

Bei dem Mitteltunnel handelt es sich um<br />

ein Hybridbauteil in Reinkultur. Gerade darum<br />

ist es anspruchsvoll. Gefertigt wird die<br />

Komponente in einem Spritzgießwerkzeug<br />

von Schneider Form auf einer Spritzgieß -<br />

maschine von Engel Austria mit vertikalem<br />

Öffungshub. Der Tunnel besteht aus Organoblech<br />

mit GF- und CF-Tapeverstärkung,<br />

kombiniert mit spritzgegossenen Rippen,<br />

einem warmgeformten Stahleinsatz und<br />

Krafteinleitungselementen. Die CF-Tapes<br />

dienen selektiv als Verstärkungslagen, um<br />

Crash-Lasten aufzunehmen.<br />

Die hybride Komponente muss Temperaturen<br />

bis zu 200 °C in der Fertigung standhalten,<br />

da sie mit der Stahlkarosserie die<br />

kathodische Tauchlackierung (KTL) und<br />

anschließend die Ofentrocknung durchläuft.<br />

Bis zum Projekt-Ende im März soll<br />

der Tunnel optimiert sein und Crashtests bei<br />

Porsche unterzogen werden.<br />

Bei einer Gewichtseinsparung von 20 %<br />

bis 25 % ersetzt der hybride Tunnel sieben<br />

Stahl- und Aluminiumteile im Porsche<br />

Boxster und reduziert darüber hinaus<br />

Handling- und Fügevorgänge. Diese Ergebnisse<br />

tragen dazu bei, zusätzliche Massen<br />

durch alternative Antriebe und Assistenzsysteme<br />

für das autonome Fahren zumindest<br />

teilweise zu kompensieren. „Wir wollen mit<br />

dem Projekt einen Beitrag zur weiteren Verbreitung<br />

des Leichtbaus leisten – und damit<br />

34 <strong>Industrieanzeiger</strong> 07.20

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