Patti SmithDieNimmermüdeIhr Debüt „Horses“ aus dem Jahr1975 machte sie zur „Patin desPunkrocks“, aber die Karriere derPatti Smith hat viel mehr Facetten: Sieist Poetin, Autorin, Sängerin, Style-Ikone, Feministin, Songwriterin undeine nimmermüde Entdeckerin. ImJuni kommt sie mit ihrer Band fürfünf Konzerte nach Deutschland. Zeitfür einen Blick auf das Leben und dieKunst der Patti Smith. Text: MichaelSchütz32
Es sind zu Recht schon vieleTexte über diese Ausnahmekünstleringeschriebenworden. Die besten davonstammen von Patti Smithselbst: das wilde und wundervolle„Just Kids. Die Geschichte einerFreundschaft“ über ihr Leben mit demFotografen Robert Mapplethorpe unddas assoziative, mit vielen Polaroidsverschönte „M Train“, in dem Patti Smithmal zärtliche, mal böse, mal wunderschöneSätze findet. Auch R.E.M.-SängerMichael Stipe schreibt in den Textenseines Fotoportraitbuchs „Two TimesIntro: On the Road with Patti Smith“einige sehr schöne Worte über dieseFrau, der er sich als Fan näherte und dieihn als Freund in ihren Kreis aufnahm.Er nennt sie liebevoll und ehrfürchtig:die „Queen of Cool“.Journalistische Texte wie dieser habendagegen einen schweren Stand: Zumeinen, weil Patti Smiths Leben und WirkenBuchlänge bräuchte, zum anderen,weil man zu oft der Versuchung erliegt,die immer gleichen spektakulären Geschichten,Begegnungen und Konzertenachzuerzählen. Als Patti Smith im vergangenenJahr der WochenzeitungNew Statesman ein Interview gab, sagtesie der Journalistin nach einer Weile miteinem breiten Lächeln: „EntschuldigenSie, aber irgendwie müssen wir dieseKonversation jetzt auf mein Buch richten.Das ist der Grund, warum ich hierbin. Ich kann nicht jedes Mal wiedermein ganzes Leben durchkauen, auchwenn das alle hören wollen. Ich genießeunsere Konversation sehr, aber wir solltenjetzt über das Buch sprechen.“ EineAnekdote, die bei anderen vermutlichunsympathisch gewirkt hätte, hier abereine Frau zeigt, die keine Zeit mehr vergeudenwill, wenn es um ihre Kunst geht.Und damit ist eben nicht nur die Musikgemeint, die Patti Smith damals zurPunk-Vorreiterin und Rock-Ikonemachte. Obwohl auch sie dem Trendnachgab, Alben-Jubiläen mit einer TourFEATUREzu zelebrieren und eine Reihe von „40years of ‚Horses“-Konzerten spielte,kamen im letzten Jahr gleich zwei faszinierendeAlben, die maßgeblich vonPatti Smiths Stimme und Worten geprägtsind: „The Peyote Dance“ und„Mummer Love“. Smith musiziert daraufmit dem New Yorker Electronic-Projekt Soundwalk Collective, mit demsie schon 2016 den Nico-Tribut „KillerRoad“ aufnahm. Während „The PeyoteDance“ sehr folkig daherkommtund oft Spoken-Word-Elemente nutzt,ist „Mummer Love“ eine faszinierendeKlangreise, an der auch KomponistPhilip Glass, Ethio-Jazz-LegendeMulatu Astake und eine Gruppe Sufi-Musiker beteiligt sind. Das Ergebnis:außerweltlich schöne Musik, wie mansie selten zu hören bekommt.Die Tour, die Patti Smith kürzlich fürdiesen Sommer ankündigte, wird jedocheher die rockige Seite ihres Schaffenszelebrieren. Das verspricht schondie angekündigte Besetzung: GitarristLenny Kaye saß schon neben PattiSmith, als sie noch gar nicht wusste,dass sie mal den Punk mit erfindensollte. 1971 begleitete Kaye sie mit seinemSpiel bei einer Lesung und wurde1975 Komponist und Gitarrist der PattiSmith Group. Interessanterweise zähltKaye auch zu den ersten, die das Wort„Punk-Rock“ in einem Text benutzten.Am Schlagzeug sitzt Dee Daugherty,ebenfalls Gründungsmitglied der Band.Und Tony Shanahan ist dabei, der zwar„erst“ seit 25 Jahren für Smith Bass undKeyboard spielt, dafür aber auch beiihren anderen Projekten und Auftrittenmeist in der Besetzung ist.Als Patti Smith 1975 ihre Band gründetewar sie eigentlich eher Beat-Poetin alsSängerin. Ihre ersten Gedichtbändeerschienen 1972, aber da hatte sieschon in Magazinen wie Creem ersteTextspuren gelegt. Zu der Zeit lebtesie in Manhattan und war mit AllanLanier von Blue Öyster Cult liiert, für diesie einige Songtexte lieferte. Nach undnach merkte Smith, dass ihre Worte inVerbindung mit Musik eine ganz andere,wildere Kraft entwickeln konnten.In einem Interview aus dem letztenJahr sagt sie über diese Erfahrung: „Ichkonnte fies wie eine Schlange sein aufder Bühne. Aber nicht immer. Ich konnteliebend sein, aber auch bösartig. Sowas musste spontan passieren. Wennich eine Gitarre zertrümmerte, odermeinen Fuß in einen Verstärker rammte,oder jedem im Raum sagte, er solle sichverpissen – dann passierte das ganznatürlich. Das war keine Attitüde.“Die perfekte Musik dazu lieferte PattiSmith auf ihrem Debüt „Horses“, dessenCover-Fotografie von ihrem FreundRobert Mapplethorpe (der leider 1989an AIDS verstarb) stammt. Smith selbstnannte den Sound in den Interviewszum 40. Jubiläum lakonisch: „Drei-Akkord-Rockverschmolzen mit der Kraftdes Wortes.“ Die streng religiös erzogenePatti Smith beginnt diesen Punk-Urknall mit den Worten „Jesus diedfor somebody’s sins but not mine.“ Inden Jahren danach folgten mit „RadioEthiopia“ (1976), „Easter“ (1978) und„Wave“ (1979) weitere gefeierte Albenund mit „Because The Night“, den siemit Bruce Springsteen schrieb (und alsVorabsingle von „Easter“ veröffentliche),ihr bis heute vielleicht größter Hit.Aber es waren vor allem ihre unberechenbarenKonzerte, die Patti Smithzur Ikone machten. Autor William S.Burroughs schwärmte einmal: „PattiSmiths Wirkung auf das Publikum istelektrisch. Man kann das höchstens mitVoodoo- oder Umbanda-Ritualen vergleichen,wo das Publikum auch Teil vonetwas Größerem wird und das irdischeSein kurz hinter sich lassen kann.“ Derbritische NME schrieb in einer hymnischenBesprechung ihres Auftritts imRoundhouse in Camden im Mai 1976:„Sie kommt federnd und kraftstrotzendauf die Bühne, wie Muhammad Ali,wenn er in den Ring steigt.