Volksblatt Sonderausgabe - Markus ist 60
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Best of Markus E.
„Eine Meinung haben“
Reinhold Gruber
Es wäre eine Lüge, den genauen
Tag zu sagen, an dem sich die
Wege von Markus und mir zum
ersten Mal gekreuzt haben. Das
Jahr sollte 1988 gewesen sein.
Ich war zu diesem Zeitpunkt
mit meinen 24 Jahren schon ein
„altgedienter Kämmerer“ in der
von Hans Großwindhager geleiteten
Presseabteilung. Da kam
also ein „Neuer“ zu uns. Von
Anfang an war er mir sympathisch,
wenngleich er etwas an
sich hatte, dass mich leicht stutzig
machte. Theologie hatte er
studiert, was in mir zum einen
die Frage aufkeimen ließ, was
ein Theologe im Journalismus
macht – damals dachte ich noch,
dass Öffentlichkeitsarbeit gleich
Journalismus ist. Und zum anderen
hielt ich Theologen grundsätzlich
für kreuzbiedere Typen,
die dem realen Leben etwas
entrückt sind, weil sie ja auf
einer Ebene darauf blicken. Also
auf das Leben.
Markus entsprach diesem Bild,
das aus dem Vorurteil gemalt
ist, natürlich durch und durch
nicht. Wir hatten schnell eine
Ebene zueinander gefunden, die
über das rein Arbeitstechnische
rasch hinaus ging. Wir freundeten
uns an, verstanden uns einfach
gut. Dass er auch mit dem
Theater Kontakt hatte, verschaffte
mir an seiner Seite im
Phönix Kontakte zur für mich
damals großen Welt der Kulturschaffenden.
Die erste persönliche
Begegnung mit Josef Hader
habe ich Markus zu verdanken.
Als ich dann zu Jahresbeginn
1989 meinen Abflug aus der damals
noch Handelskammer genannten
WKO von heute machte,
war ich froh, über die Chance,
endlich zu einer Tageszeitung
kommen. So ging ich zum
Volksblatt. Und verlor Markus
natürlich nicht aus den Augen.
Man sah sich ja beruflich immer
noch.
Als sich ein Jahr später die Möglichkeit
eines Jobs im Lokalressort
des Volksblattes auftat,
schlug ich Markus vor. Ich holte
ihn praktisch nach, was so
wahrscheinlich nicht stimmt,
aber in meinem Empfinden so
war. Nun waren wir also wieder
zusammen und konnten bei der
Parteizeitung zeigen, dass wir,
die damals jungen Wilden, die
alten Strukturen aufbrechen
wollten. Das begann schon damit,
dass unser Selbstverständnis
immer davon geprägt war,
dass man ausprobieren muss,
um zu lernen und zu sehen, was
möglich ist. Und starren Hierarchien
zu folgen, das war und ist
nicht die Sache von uns gewesen.
Nie. Da sind sich Markus
und ich unausgesprochen wohl
bis heute sehr einig.
Es begannen knapp fünf intensive
Jahre, in denen wir in zwei
kleinen Büros dich nebeneinander
gearbeitet haben. Der Polizeifunk
dröhnte durch die
Räumlichkeiten, Telefone, damals
noch dem Festnetz verbunden,
wurden mittels
Schwenk-Arm geteilt, und wir
arbeiteten und lebten in der Redaktion
miteinander wie eine
Familie. Wir verbrachten ja so
viel Zeit hier und wir wälzten
Pläne.
Wir haben uns immer als Team
verstanden und das habe ich an
Markus stets geschätzt. Er ist
ein Teamplayer, der aber auch
die Fähigkeit besitzt, voran zu
gehen, zu führen, anzuleiten, zu
managen. So wurde er mein
Chef, was ich aber nie so empfand.
Wir fühlten uns stets
gleichberechtigt, wollten miteinander
das Beste für die Zeitung
und für uns. Und angesichts
der thematischen Breite
von der Lokalpolitik über die
klassische Chronik bis zur
Weltchronik – und das mit
einer Handvoll Personal – hatten
wir stets alle Hände voll zu
tun. Ganz abgesehen davon,
dass man als Redakteur der
„kleinen Parteizeitung“ viele
Kontakte und Zugänge brauchte,
um überhaupt zu Geschichten
zu kommen.
Markus hat sich in all den Jahren
der direkten Zusammenarbeit
als echter Freund erwiesen. Gemeinsam
durch dick und dünn
zu gehen, war unsere Devise.
Was ich von ihm gelernt habe,
ist das Kommentieren. Diese
Kunst des Journalismus hat er
mich gelehrt. Wiederholt sind
meine Kommentarversuche
nach dem Gegenlesen von ihm
zu mir zurückgewandert, um sie
zu verbessern. Sehr oft war der
Wunsch nach Verbesserung
vom Spruch getragen, wonach
im Wort Meinungsbeitrag, was
ja ein Kommentar sein sollte,
wenn nicht muss, der Begriff
Meinung steht. „Du musst eine
Meinung haben, sonst brauchst
du keinen Kommentar zu
schreiben.“ Diesen Satz von
Markus habe ich mir gemerkt.
Irgendwann habe ich ihn auch
beherzigt und kann mich noch
an jenen Moment erinnern, als
nach dem Gegenlesen sein
Urteil sinngemäß lautete: Das ist
ein guter Kommentar. Punkt.
15
Fertig.
Für diese Anleitung, die ich nie
als Kritik verstand, bin ich ihm
bis heute dankbar. Und ich habe
diese Sichtweise seit einem
Vierteljahrhundert an viele junge
Kollegen weiter gegeben.
Gelernt habe ich von ihm auch
noch etwas anderes: Dass man
nämlich Labello permanent im
Einsatz haben kann. Für mich
war sein regelmäßiger Griff zum
Labello-Stift und sein sehr intensiver
Lippeneinsatz vergleichbar
mit der Sucht des Rauchers.
Auch wenn er mir natürlich erklärt
hat, warum das so ist, so
blieb es mir doch ein Rätsel.
Und wenn ich heute noch einen
Labello-Stift irgendwo herum
liegen sehe, denke ich als erstes
an Markus?
1995, Ende Jänner, kam der Moment,
den wir beide in vielen
Gesprächen zuvor vorhergesehen
hatte. Es wird der Zeitpunkt
kommen, dass einer von
uns ein Angebot von einer anderen
Zeitung bekommen und
gehen wird. Und der andere
wird hierbleiben. Es kam so.
Das Angebot bekam ich, ich ging
zu den OÖN und dachte mir
immer, dass ich Markus bald
nachholen würde. So wie es
beim Volksblatt auch war. Es
kam anders.
Geblieben ist eine Freundschaft,
die sich nicht daran misst, wie
oft man sich sieht oder hört –
das ist bei uns leider wirklich
überschaubar. Aber diese Verbindung
ist geblieben, hat sich
auf unsere Familien übertragen
und heute kann ich mit Fug und
Recht sagen: Mein alter Freund,
ich wünsche dir alles Gute zum
Runden und ich garantiere dir
eines: Diesmal folge ich dir. Garantiert.