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bis hin in die einzelnen US-Bundesstaaten.

Das machte ihn berühmt und in der politischen

Publizistik sehr begehrt.

Doch 2016 war alles anders. Nate Silver

versagte völlig und hielt Hillary Clinton für

die wahrscheinliche Wahlsiegerin. Heute

arbeitet er dennoch für mehrere Medien

als Statistik-Spezialist (z. B. fivethirtyeight.

com), ist aber sehr vorsichtig geworden,

was Voraussagen betrifft. Politische Wahlen,

so die Lehre von 2016, scheinen seit

einigen Jahren anders zu funktionieren als

früher; die Ergebnisse hängen mehr von

brachialen Strategien in den Medien oder

gar von ausländischen Eingriffen ab. Die

Stochastik des Wahlgeschehens franst an

den Rändern aus, chaotisiert sich und hat

immer mehr mit Personen und immer weniger

mit Parteien zu tun. Besonders stark

ist dieser Effekt in Ländern mit Mehrheitswahlrecht.

«Alle Zahlen verraten

uns, dass die Loyalität

der Fans von Trump

ungewöhnlich konstant

hoch ist.»

Es lässt sich also kaum etwas mit reiner

Wahlarithmetik ausrichten. Was aber ist

mit einer prognostischen Einschätzung

der Kohärenz der Trump-Bewegung? Wie

tief reichen die sozioökonomischen Wurzeln,

die zu Trumps Wahlsieg führten, und

wie weit hat sich das in den letzten zwei

Jahren verändert? Alle Zahlen verraten

uns, dass die Loyalität der Fans von Trump

ungewöhnlich konstant hoch ist. Seine Beliebtheit

schwankt nur wenig um die

36-Prozent-Marke. Das ist eher niedrig,

aber erstaunlich konstant – eine Art Wagenburg

hat sich hier gebildet. Trump hat

das, was man eine «betonharte Gefolgschaft»

nennt. Allerdings ist die nicht die

Mehrheit. Was in einem postdemokratischen

System allerdings wenig bedeutet.

Matthias Horx

Sind die Motive, die seine Wähler antrieben,

geringer geworden? Die Methode

Trump wird getragen von der Verzweiflung

von Millionen Menschen über die Enttäuschung

ihres Lebensmodells, ihrer Ziele,

ihrer Träume. Der amerikanische Traum

selbst ist in einer tiefen Krise, und das wütende

Leugnen dieser Tatsache brachte

Trump ins Weisse Haus. Seine Kern-Wählergruppen

aus den Rust Belts des mittleren

Westens und aus den rechten und reaktionären

Milieus stehen heute noch

stärker hinter ihm.

Die Auswirkungen seiner Politik sind weder

im Positiven noch im Negativen real

spürbar – es handelt sich sowieso überwiegend

um Symbolpolitik, die nicht auf

Veränderung, sondern auf rhetorischer

Wirkung und Feindschaft basiert.

Der Wagenburg-Effekt, der durch «narrativen

Illusionismus» entsteht, ist soziopsychologisch

weitgehend erforscht: Er hat

etwas mit der menschlichen Eigenschaft

zu tun, enttäuschte Erwartungen nicht eingestehen

zu können. Und mit dem tribalen

Erbe der Spezies homo sapiens: In traumatischen

Bedrohungsgefühlen versammeln

wir uns um den vermeintlich Stärksten

und Lautesten – den, der am lautesten

trommeln kann.

Allerdings bietet gerade das auch die

Möglichkeit für einen Gegeneffekt. Die

letzten Präsidentenwahlen wurden weitgehend

von der Wahlabstinenz der Unentschiedenen

geprägt. Jetzt könnte es anders

kommen – die Polarisierung schwappt

zurück zugunsten einer Anti-Trump-Allianz.

83 Prozent der Anhänger der Demokraten

betrachten die Entfernung von Trump aus

dem Amt als enorm wichtig (und 43 Prozent

der neutralen Wähler). Das Momentum,

das Trump an die Macht hievte,

scheint gebrochen.

Eine Charakterwahl also, in der es nicht um

Politik, sondern um die Negierung (oder

Verherrlichung) einer Person geht. In der

jüngsten These der demokratischen Kandidatin

Elizabeth Warren, dass nur eine Frau

Trump schlagen kann, ist etwas Wahres.

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