Unter dem Jerusalemer Kreuz
Württemberger In Palästina
Württemberger In Palästina
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silberner Streifen am Horizont lag, und das Abendrot den
Himmel überzog, spielte ich die Lieder voller Inbrunst wieder
und wieder und wurde dabei sehr traurig, weil ich das Meer
nie von der Nähe sehen, nie am Strand rennen und mich nie
in die Wellen stürzen konnte. Dann war mir so richtig bewusst,
dass wir alle in einem Lager gefangen waren, aus dem es kein
Entrinnen gab.
Von hier oben konnte ich auch in der Ferne die Häuser von
Tel-Aviv erkennen, die wie rechteckige, mehr graue als weiße
Würfel in der Landschaft standen.
Mehr interessierten mich allerdings die dicht mit Laub bewachsenen
Bäume, die sich vor mir leicht im Wind wiegten.
Hunderte von Vögeln, hauptsächlich Distelfinke, schwirrten
aufgeregt um die Bäume herum, um schließlich darin einen
Schlafplatz für die bevorstehende Nacht zu finden.
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, einen schlafenden
Vogel zu fangen. Das wäre das Einfachste der Welt.
Ich schlich zu einem der Bäume und versuchte, den ersten Ast
zu erhaschen, um mich hochzuziehen. Doch schon beim geringsten
Geräusch fing das Gezwitscher an, und die Vögel
schwirrten alle zusammen wie auf Kommando aus dem Baum
heraus und flogen aufgeregt mit den Flügeln flatternd weg.
Was mir mit einigen Schwalben gelungen war, gelang mit diesen
cleveren Vögelchen nicht.
Die Schwalben verbrachten die Nacht gewöhnlich im Pferdestall
von Wellers. An der Decke des Stalls waren Doppel T-
Träger aus Eisen eingezogen. Auf den unteren Flanschen saßen
sie in Reih und Glied ganz nah aneinandergedrückt, um
sich vielleicht gegenseitig zu wärmen.
Ich war von der Außenwand zum offenen Oberlicht hochgestiegen.
Die Schwalben saßen auf dem Flansch nicht einmal
einen halben Meter von meinem Kopf entfernt. Vorsichtig
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