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Loxton ist überall

Eine Reise von Kapstadt zum Addo Elephant Park

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Inspirationen aus der Halbwüste Karoo

und weitere Aufzeichnungen aus meinem Tagebuch

Siegfried Kuebler

Spandau Koppe im Valley of Desolation


© Copyright 2020

by

Siegfried Kuebler

Zur Grundel 18

D 88662 Überlingen

2


... Loxton ist überall ...

Erlebtes und Erfundenes

aus meinem Tagebuch 2018/19

von Siegfried Kuebler

Privatdruck

Die Auflage dieses Büchleins

ist auf 50 Exemplare begrenzt.

Es ist im Handel nicht erhältlich

und wird nur an gute Freunde verschenkt.


Ich möchte mich bei

Regine,

meiner Frau, für ihre Mithilfe bedanken. Ihre

eigenständigen Recherchen auf den von uns besuchten

Weingütern waren wertvolle Ergänzungen.

Auch

Dr. Gerard Tangerding,

ein Freund und Nachbar in unserer Zevenwacht

Village, gab mir bei der Durchsicht dieses Büchleins

interessante Hinweise und wertvolle Anregungen.

Ein herzliches Dankeschön.


Inhaltsverzeichnis:

Loxton ist überall

Gedanken über den Wein

Wine Estate Backsberg

Wine Estate Hazendal

Wine Estate Leeu

Bücher des Autors


Für Regine


Loxton ist überall

Von „Zevenwacht“ auf Umwegen zum

„Addo Elephant National Park“

Außergewöhnliches von der Straße aus gesehen

und kommentiert

von

Siegfried Kuebler


Von Kapstadt zum Addo Elephant Park

Loxton

Sutherland

Beaufort West

Graaff-Reinet

N7

N12

N1 N9

Grahamstown

Worcester

Matjesfontein

Paarl

Stellenbosch

Swellendam

Hermanus

Kapstadt

Prince Albert

Oudtshoorn

Knysna

George

Plettenberg

Mossel Bay

Addo Elephant Park

N2

Port Elizabeth

St. Francis Bay

Atlantik

Kap Agulhas

Indischer Ozean

My Graphics/Elephantroute 3

Route rot eingezeichnet

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Loxton ist überall

Loxton? Noch nie davon gehört? Das ist nicht verwunderlich,

denn es ist eine kleine Siedlung mit wenigen hundert Einwohnern

mitten in der Großen Karoo, der weiten dünnbesiedelten

Halbwüste in Südafrika, größer als die bekanntere Kalahari nördlich

davon, die bis nach Namibia hineinreicht. Um 1900 war Loxton

noch eine Farm gewesen, die einem gewissen A.E. Loxton,

dem Namen nach angelsächsischer Herkunft, gehörte und die

ihm von der Dutch Reformed Church abgekauft wurde, die darauf

eine Pfarrei einrichtete für die in der Gegend angesiedelten

Farmerfamilien, die Schafszucht betrieben.

Viele Häuser in Loxton weisen eine Besonderheit auf. Sie sind

- natürlich nicht alle - trägerfrei gebaut, mit Kuppeln, die wie

Miniaturmoscheen anmuten. Bienenstockartig, lustig anzusehen,

Corbelled Houses auch genannt. Die ersten sollen schon von nomadisierenden

aus Europa stammenden Farmern um 1800 gebaut

worden sein. Die meisten Häuser sind aber wie üblich in

solchen südafrikanischen Dörfern gemauert und mit Wellblechdächern

versehen.

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In der Mitte des Dorfes steht eine schmucke Kirche mit einem

spitzen Kirchturm, wie nach der Vorgeschichte von Loxton nicht

anders zu erwarten ist. Heute noch wird, wie schon seit der Gründung

Schafzucht betrieben, aber die Farmer bauen auch Knoblauch

an.

Was ist so besonderes an diesem einfallslosen und abgelegenen

Dorf, dass es so in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen

gerückt wird? Was kann man hier schon entdecken?

Man kann sich beispielsweise auf der vorgebauten Veranda eines

Hauses setzen und auf der staubigen Dorfstraße vorbeitrottende

Menschen jeder Hautfarbe beobachten, die es nicht eilig

haben, wenn man die schreienden Kinder ausklammert, von denen

es viele gibt. Hunde, Kühe, Pferde, Maultiere und sogar Esel,

die seltener geworden sind. Man kann auf ausgetrockneten Pfaden

in die Halbwüste aufbrechen, sienabraun, seit Monaten keinen

Tropfen Wasser gesehen. Sukkulenten am Wegesrand entdecken,

die gelernt haben, der Trockenheit zu widerstehen.

Dieses Gebiet um Loxton ist auch reich an Fossilien. Auf der

Melton Wold Guest Farm zum Beispiel können Besucher das

Fossil eines 250 Millionen Jahre alten Bradysaurus besichtigen.

Bradysaurus war eine Gruppe früher Reptilien, die in Südafrika

mit massiven Körpern, starken Gliedmaßen und riesigen Schädeln

gefunden wurden. Sie durchstreiften die Karoo, die einst

ein riesiges Binnenmeer war. Das sandige, schlammige Gebiet,

das Habitat der Bradysaurus, hat sich jetzt in Sandstein und

Schlammstein verwandelt. Die Felsen der Karoo bewahren jedoch

noch zahlreiche andere Fossilien, die die frühe Entwicklung

von Schildkröten, Dinosauriern und Säugetieren zeigen. Es

ist die einzige Region der Welt mit einer derartigen Vielfalt von

Reptilienfossilien. Es ist eine Schatztruhe des historischen und

geologischen Lebens.

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Beim Wandern Ruhe finden, denn die Zeit steht hier still. Zeit

zum Nachdenken. Braucht man die überhaupt? Je mehr man nachdenkt,

desto mehr drehen sich die Gedanken im Kreis. Neue

Erkenntnisse entstehen meistens nicht. Neues und Lösungen

kommen in der Regel von draußen. Durch Ereignisse und Erlebtes,

durch Auseinandersetzungen und Austausch mit anderen

Menschen. Nicht von Innen. Trotzdem, es gibt Menschen, die

einmal Abstand vom ihrem regelmäßigen Ablauf brauchen. Wie

man so schön sagt: sich selbst wiederfinden wollen.

Und hier ist ein besonderes Beispiel zu erwähnen: Der berühmteste

Gegenwartschriftsteller Südafrikas Deon Meyer, der jedes

Jahr einen neuen Thriller schreibt (bisher wenigstens) und Millionen

Leser auf der ganzen Welt hinter sich hat, kommt einmal

im Jahr nach Loxton, um hier sich eine Auszeit zu nehmen, wie

später in diesem Büchlein noch näher erläutert wird. Loxton ist

sein Rückzugsgebiet geworden. Dadurch ist es in Südafrika bekannt

geworden und manche seiner Leser wollen es dann auch

kennen lernen.

Wir alle brauchen wahrscheinlich irgendwann ein Loxton. Eine

Metapher. Und dieses Loxton kann überall sein. Es muss nicht in

der Weite der Karoo liegen.

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Von „Zevenwacht“ auf Umwegen zum „Addo Elephant

National Park“, wäre wahrcheilich der treffernde Titel gewesen

„Sie sind schon wieder hier? Wir hätten Sie viel später erwartet.

Wir dachten, Sie bleiben ganz in ihrer neuen Heimat, in Südafrika.“

„Haben Sie wieder ein Büchlein geschrieben, in dem Sie Ihr

Erlebtes und Ihre Erfahrungen wiedergeben? Mit Beschreibungen

und Bildern von Weingütern und dazu irgendwelche erfundenen

Geschichten? Das letzte von Ihnen habe ich gelesen. Es

ist streckenweise ganz interessant, aber ein Siegfried Lenz ist es

natürlich nicht.“

Ich habe natürlich nie den Anspruch gehabt, wie einer aus der

1947 - Gruppe schreiben zu können. Aber immerhin macht mir

Weingut Zevenwacht (übersetzt aus dem Holländischen: sieben

Erwartungen) – ein begehrtes Fotomotiv

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das Schreiben Spaß, wenn ich auch nicht so viele Konjunktive

verwende wie unser Martin Walser, der auch wie wir in Nußdorf

wohnt. Wenn ich mein eigenes Büchlein in Jahren wieder lese,

brechen weitere Erinnerungen aus dieser Zeit auf. Es wirkt dann

wie ein Katalysator für längst Vergessenes.

Dieses Jahr ist es ein Büchlein mit dem Titel Loxton ist überall

geworden. Loxton liegt in der Karoo, eine Halbwüste in Südafrika,

die die Hälfte des Landes einnimmt? Etwas zu schreiben, das

Sie als Leser interessieren könnte, ist bei der heutigen Überfütterung

an Lesestoff, Videos, Blogs auf sozialen Netzwerken, Fernsehsendungen

und anderem nicht einfach. Das eine oder andere

mag vielleicht dann doch für Sie überraschend sein, weil sich das

Geschriebene auf Südafrika bezieht, ein Land, das noch viele Geheimnisse

birgt und dabei in vielen Farben schillert. Es bezeichnet

sich ja selbst zutreffend als Regenbogennation wegen seiner Menschen,

die ein ganzes Farbenspektrum umfassen, und seiner farbenintensiven

Landschaften. –

Ich erinnere mich an meine Schulzeit in der Seuse Oberrealschule

in Überlingen. Kurz nach dem Krieg in der französischen

Besatzungszone nahmen die Franzosen Einfluss auf den Schulplan.

So wurde die English Constitution, the Magna Charta, ganz

oben auf den Schulplan gestellt. Weg von der Diktatur, hin zur

Demokratie. Weg vom Ducken, hin zur Freiheit. Auch die Ilias

von Homer stand im Deutschunterricht weit vorne.

Unser Deutschlehrer Ehret, ein liebenswerter Choleriker, ich

weiß selbst nicht, ob es so etwas überhaupt gibt, aber immerhin

konnte er zu seinem Vorteil wenigstens einen schwachen alemannischen

Dialekt in die Waagschale werfen, nahm mit uns die Ilias

durch. Er wählte eine deutsche Übersetzung, die die ursprüngliche

Versform berücksichtigte, die ja den Charakter des Epos ausmacht,

in daktylischen Hexametern, eine lange Silbe gefolgt von

zwei kurzen, sechs Mal hintereinander.

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Doch zum Sinn dieser Abschweifung.

Priamos Herrscher von Troja, ließ sich von der entführten schönen

Helena auf der Mauer von Troja stehend, die griechischen

Helden beschreiben, die vor der Festung lagerten. Die Mauerschau.

Ein literarischer Kunstgriff, schnell und effektiv die Protagonisten

einer Geschichte vorzustellen. Agatha Christie ist eine Meisterin

in dieser Kunst geworden, wenn sie ihre Darsteller in einem

Raum zusammenkommen lässt, die sich dann sozusagen gegenseitig

vorstellen.

Eine Mauerschauvariante wurde für das Geschriebene angewendet.

Keine Mauerschau im eigentlichen Sinne, sondern eine

Schau über den Straßenrand hinweg. Was sehe ich von der Straße

aus? Was weiß ich darüber? Welche Geschichte hängt daran? Was

denke ich, was fühle ich? Wie kann ich das meinem Leser rüberbringen?

Wenn wir im Frühjahr in unsere Heimatstadt Überlingen zurückkehren,

ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir solche Kommentare

über unseren Aufenthalt in Südafrika und über meine

literarischen Versuche von Bekannten hören, wenn wir im Café

Brazilia an der Seepromenade sitzen und einen Cappuccino zu

uns nehmen. Was sollen sie auch sonst zur Begrüßung sagen?

Eben „Small Talk“.

Es stimmt ja, wir verbringen den deutschen Winter schon seit

vielen Jahren in Südafrika. Wir entfliehen der Kälte, dem Nebel

und der Nässe am See und sonnen uns in Kapstadt, wo uns der

Sommer empfängt, fast an jedem Tag tiefes Blau schon in den

Morgenstunden den Himmel überspannt und die Temperaturen

bei 20 bis 30 °C liegen.

Wir haben uns, nachdem wir einige Sommer zur Miete gewohnt

hatten, dann für den Kauf eines kleinen Häuschens entschieden,

das in einer bewachten umzäunten Anlage liegt auf dem weitläufigen

Gebiet eines Weinguts. Es hat ganz oben auf einem Hügel

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Am Eingang zu unserem Haus: Winery Kuebler.

Einladung zu einem Zevenwacht Cabernet Sauvignon

oder einem Sauvignon Blanc.

15


Unser Haus - Bordeaux Cresent, House No. 25

16


Hauseingang, Doppelgarage links

Die mit Bougainvilleen überwachsene „Stoep“ (Terrasse)

17


sein Herrenhaus, im kapholländischen Stil vor einem Weiher gebaut,

ein Bild, das zu einem begehrten Fotomotiv für Touristen

und auch Einheimische geworden ist. Die bewachte Anlage mit

hundert Häusern hat den Namen Zevenwacht Village bekommen.

Das besondere Flair entsteht durch die vielen mächtigen

Steinpinien und die um die Häuser liebevoll angelegen Gärten

mit Büschen, Bäumen und blühenden Pflanzen.

Ein Kleinod am Kap. In den 1990er Jahren war man noch großzügig

mit dem Platz umgegangen. Auf dem freien Gelände vor

den Zäunen der Village und zwischen den Häusern hätten noch

weitere hundert Platz gehabt. Ein Clubhaus wurde erstellt, ein

Swimmingpool und ein Tennisplatz. Vom Flughafen (Cape Town

International Airport), in östlicher Richtung etwa 20 km vom

Stadtzentrum entfernt, gelangt man in etwa 20 Minuten zu unserer

Village. Man nimmt zunächst die Nationalstraße N2, die direkt

nach Somerset West im Osten führt, biegt nach wenigen

Kilometern in die Schnellstraße R300 ein und nimmt dann die

M12, auch ‚Stellenbosch Arterial Road‘ genannt, die Langverwacht

Link Road und schon ist man am Ziel. Klingt einfach und doch

haben sich schon viele unserer Besucher verfahren. Aber es gibt

ja das Navi.

Auf einem der gezeigten Bilder ist die Google-Earth-Ansicht

unserer Village zu sehen. Unser Häuschen ist weiß umrandet. So

klein ist es auch wieder nicht. Man darf dazu anmerken, dass

keines der Häuser unterkellert ist. Wir haben keine Treppe, auch

keine Stufen im Haus. 160 qm Wohnfläche und zwei Garagen.

Eine 20 Meter lange „Stoep“ (Afrikaans), eine offene Terrasse,

ist auf der Nordseite angelegt. Mit Bougainvilleen überwachsen.

Zünftige Grillpartys kann man hier feiern! Mit zarten Filetsteaks

von Charolais Rindern aus der Karoo, wo es für die Rinder nur

trockenes Gras, mit allen möglichen duftenden Kräutern aufgewertet,

zu fressen gibt. Nicht zu vergessen natürlich etwas vom

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Regine zum Braaiempfang auf der Terrasse

Sigi empfängt die Gäste an der Tür

19


Zevenwacht Village - Google Earth (2018)

Unser Haus weiß eingerahmt

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wichtigsten: der Zevenwacht Rotwein Cabernet Sauvignon, in

neuen französischen Eichenfässern gereift, mindestens fünf Jahre

alt, dekantiert und im bauchigen Glas serviert, wo sich das Aroma

nach Cassis nochmals fangen kann und den Gaumen zu betören

beginnt, schon bevor dem ersten Schluck. Allein der Duft

bringt einen ins Schwärmen.

Nordseite? Wir müssen umdenken. Mir ist es zunächst schwergefallen.

In Deutschland wollen wir, dass unser Haus nach Süden,

vielleicht auch noch nach Südwesten ausgerichtet sein soll.

Auf der Südhalbkugel ist es natürlich umgekehrt. So liegt z. B.

Kapstadt am Nordhang des Tafelbergs und Camps Bay, der vornehme

und teuerste Stadtteil von Kapstadt, ist nach Nordwesten

ausgerichtet.

Unsere Stoep, also unsere Terrasse, zeigt demzufolge natürlich

auch nach Norden. Da wir nur im Spätfrühjahr/Sommer in unserem

Häuschen wohnen, fällt einem das gar nicht weiter auf,

weil die Sonne im Sommer bei dem Breitengrad von 34 ° hoch

am Himmel steht und nur schräg auf die Terrasse, die durch eine

Markise zusätzlich geschützt ist, einfällt und schon gar nicht durch

die Fenster ins Haus. Auf der Nordhalbkugel würde der Breitengrad

dem von Djerba entsprechen.

Auf der Terrasse haben wir einen aus Aluminium gegossenen

und zusammengeschweißten Tisch in beachtlicher Größe stehen,

der weiß lackiert ist und jedem Wetter standhält. Auch die Stühle

sind gegossen. Diese Art von ‚Outdoor-Gartenmöbel‘ ist bei uns

in Deutschland so gut wie unbekannt, aber in Südafrika weit verbreitet.

An dem Tisch haben zehn Personen Platz. Manchmal

reicht das nicht und wir holen einen weiteren Tisch aus der Garage

hinzu. So haben wir bei unseren Grillpartys oder zu Silvester

im Freien bei sommerlichen Temperaturen schon bis zu 20

Personen bewirtet. Zu den Steaks bereitet Regine köstliche zu

Würfel geschnittene Bratkartoffeln mit roten Zwiebeln in einer

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elektrisch beheizten Pfanne mit einem halben Meter Durchmesser

zu. Für den besonderen Geschmack in Butterschmalz und

Speckwürfelchen gebraten.

Nicht so einfach, denn man muss sich dazu goldfarbene ‚Mediterranian

Potatoes‘ besorgen, die nicht jeder Supermarkt zum

Verkauf anbietet. Die hier üblichen Kartoffeln mit ihrer weißen

Fruchtfarbe schmecken uns Deutschen nicht besonders gut.

Was nicht fehlen darf sind in Aluminiumfolie eingewickelte

mit Butter und Salz bestrichene vorgekochte Zuckermaiskolben,

die am Rand des Grillrosts den letzten „Grilltouch“ bekommen.

Salate bringen die Nachbarn. Unübertroffen ist Regines Tomatensalat,

fleischige Tomaten in Scheiben geschnitten, mit Essig

und Öl angemacht und dann als Überraschung ein halbes Glas

mit Humus untergemengt, wahlweise geht auch Tahin. Die libanesische

Küche lässt grüßen! Probieren Sie dies doch einmal.

Auch das Grillen selbst hat so seine Tücken. Grillen ist eine

Art Nationalsport in Südafrika. Dafür gibt es einen besonderen

Ausdruck: Braai. „To make a braai.“

Der Südafrikaner verwendet Holzkohle, aber auch Hartholzscheite.

Besonders ‚Rooikrans‘ eignet sich hierzu und auch ‚Kameeldoring‘

(Kameldorn - eine Akazienart). Lamm wird bevorzugt

und natürlich darf Chicken nicht fehlen. Beides erschwinglich

für die Einheimischen. „Snoek, (Snug ausgesprochen), eine

Art von Schlangenmakrelen mit einer Länge von etwa 80 cm, oft

am Straßenrand auf der Ladefläche eines Bakkies (in Afrikaans

für Kleintransporter) für wenig Geld zum Verkauf angeboten,

eignet sich wegen seines Fettgehalts vorzüglich zum Grillen.

Wir haben einen Webergrill. Vielleicht haben Sie schon einmal

einen solchen gesehen? Es ist der, der mit einem rundgewölbten

Deckel mit Lüftungsschlitzen abgedeckt werden kann. Viele Male

hat er sich schon bewährt. Eigentlich immer nicht abgedeckt.

Eine Dreiviertelstunde nach dem Anzünden entsteht eine herr-

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liche, durchgehende Glut. Das von Regine vorbereitete, leicht in

Öl eingelegte Fleisch wird mit einer südafrikanischen Gewürzmischung

bestrichen. Das Fleisch, wenn es sich nicht gerade um

ein Filet handelt, soll mindestens 28 Tage lang abgehangen sein

(auf Englisch ‚matured‘), liegt in einer Schüssel bereit. Nichts

kann schiefgehen. Auf den Rost auflegen, gleich umdrehen und

immer wieder, damit das Öl nicht abtropfen kann und nicht in

der Glut Flammen hochschlagen können. Nach drei bis fünf

Minuten alle Steaks vom Rost nehmen und in einen schweren

gusseisernen Potjie (Topf) legen. Deckel zu und fünf Minuten

nachgaren lassen. Dann ist man sicher, dass die Steaks nicht zu

‚englisch‘ sind, sondern durch und durch rosa mit einer tief braunen

Kruste von der Glut außen herum und den dunklen Streifen

von dem Rost, die nicht fehlen sollten.

Im Potjie sammelt sich am Boden köstlicher Bratensaft, den

man beim Servieren über das Steak träufeln kann.

Wie viele Gäste haben wir in den vielen Jahren jetzt schon so

verwöhnt? Aus unserem Dorf mit etwa 150 Bewohnern? Unsere

großen Familien, die uns hier schon besucht haben? Manche

Golfer, die wir auf den Plätzen Kapstadts kennen gelernt und

gelegentlich auch eingeladen haben? Nicht zu vergessen die vielen

Besucher aus unserem Heimatgolfclub Überlingen-Owingen,

die sich Südafrika einmal ansehen wollten oder zum Golfspielen

hierherkamen?

Manche von ihnen halfen mir beim Grillen, mit einem ‚Windhoek

Lager‘, ein beliebtes Bier in Südafrika, in der Hand. Der

Wein kommt dann später erst zum Essen hinzu. Viele unterschiedliche

Charaktere haben wir dabei kennengelernt. Manche Story

kann man da erzählen. Einer von ihnen, nicht gerade der beste

Golfspieler, war vom Wein in diesem Land, wir gehören ja zum

Stellenbosch Einzugsgebiet mit bestimmt 300 Weingütern, ganz

begeistert und im besonders von dem zu Beginn von uns zum

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Anstoßen eingeschenkten ‚MCC Champagner Kaapse Vonkel‘

(der funkelnde Kap Champagner), den angeblich Barack Obama

zu seiner Inauguration getrunken haben soll.

Aber als er dann unseren Wein den Zevenwacht Cabernet Sauvignon

mit seinen 15 % gekostet hatte, war kein Halten mehr

möglich. Die große Steinpinie gegenüber mit ihren verschachtelten

Ästen begann in seinen Augen zu tanzen. Die Äste schienen

sich selbstständig zu machen, verschlangen sich ineinander. Schienen

nach ihm zu greifen, um ihn in ihren Tanz mit einzubeziehen.

Er stand auf, taumelte zur Toilette. Später fand ich ihn schnarchend

auf unserem Sofa liegen. Das kommt in den besten Familien

vor. Am nächsten Morgen konnte er sich an das köstliche

Essen, den Wein und den Baum nicht mehr erinnern.

Wie schade!

Ein anderer Gast, durch den Wein redselig geworden, schwärmte

von seiner Leidenschaft der Musik von Gustav Mahler (1860-

1911). Über hundert CDs habe er schon von seiner Musik gesammelt.

Alles, was er über den Komponisten finden konnte, habe

er gelesen. Mahler sei nicht nur Komponist, sondern auch ein

gefragter Dirigent gewesen. Zehn Jahre lang (1897-1907) sei er

erster Kapellmeister und Direktor des Wiener Opernhauses gewesen.

Sein persönliches Lieblingsstück sei die symphonische

Schlittenfahrt, also die vierte Symphonie des Komponisten.

Manche können mit ihrem Erzählen nicht mehr aufhören, wenn

sie mit ihrem Lieblingsthema einmal begonnen haben. Er merkte,

wie die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer nachließ.

„Doch das ist nicht alles,“ fuhr er aufgeregt fort. „Das Interessanteste

in Mahlers Leben war dann schließlich doch seine 18

Jahre jüngere Frau. Sie haben sicher schon von der Femme fatale

des 20. Jahrhunderts gehört?“ Er schien mit dieser Variante die

Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zurückzugewinnen.

„Nach Mahlers Tod heiratete sie, geborene Alma Schindler

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(1879-1964), den Bauhausarchitekten Walter Gropius (1915) und

später (1929), nach ihrer Scheidung von Gropius, den Dichter

Franz Werfel. Sie war sogar die Geliebte des Malers Oskar Kokoschka

und weiterer prominenter Männer. Magisch zog sie große

Künstler in ihren Bann, war die Muse vieler berühmter Männer.

Ein lesenswertes Buch über sie heißt Witwe im Wahn.“–

Dann hatten wir einen Holländer zu Gast, der auch in der Village

wohnte. Er erzählte, dass er in den regnerischen Wintermonaten

mit dem Pinsel in der Hand vor seiner Staffelei sitzen und

Schiffe malen würde. Hintergrund sei meistens der Rotterdamer

Hafen mit seinen Molen und Kränen. Als gelernter Grafiker würde

Ellis van Eck: ‚Die Rose of Sharon‘ in der False Bay, dahinter der

Hangklip, der früher von den aus Batavia ankommenden Segelschiffen

immer wieder mit dem Kap der Guten Hoffnung verwechselt

worden war.

25


Ellis van Eck, Bleistiftzeichnungen

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er sich auch an akribischen Bleistiftszeichnungen versuchen, die

eine besondere Wirkung auf den Betrachter ausübten.

Da kann ich dem schlanken großen Mann mit wettergebräuntem

Gesicht, mit wenigen Falten seinem Alter von fast 77 Jahren

entsprechend, aber immer mit einem schelmischen Lächeln im

Gesicht und einem flotten Spruch auf der Zunge, in dem oft in

einem Satz gleich drei Sprachen vorkommen können, nämlich

Holländisch, Englisch und Deutsch, nur zustimmen. Zwei seiner

Bleistiftzeichnungen sind abgebildet, die er uns überlassen hat.

Er ist auch einer meiner Leser, der meine Büchlein mit Interesse

Seite für Seite liest. Als ich ihm das Büchlein ‚Geschichten

aus Fuerteventura‘ schenkte, gefiel ihm die Geschichte ‚Die Rose

of Sharon‘, der Name der Brigantine, die vor Jahren am Strand

von Fuerte auflief, so gut, dass er die beschriebene Situation auf

einem Bild festhielt, für den Hintergrund aber die False Bay mit

dem dahinterliegenden Hangklip wählte. Als wir dann im November,

wie jedes Jahr um diese Zeit, in unserem Häuschen ankamen,

stand das Bild als Geschenk und als Überraschung vor

dem Kamin. „Für Ziggy“ von Ellis. Oft schreiben so auch die

Amerikaner meinen abgekürzten Vornamen. Richtig ist selbstverständlich:

Sigi. –

Wir hatten noch einen anderen Besucher, dem der Zevenwacht

Cabernet Sauvignon mit einem Filet Steak verfeinert schmeckte.

Er war, bevor er pensioniert worden war, als Professor für das

Alte Testament an der Universität Johannesburg tätig und unterrichtete

Studenten aller drei großen Religionen, Christen, Juden

und Moslems. Ein echter Bure mit großen breiten Händen, die

zupacken konnten, und einer sanften Persönlichkeit, die einem

zu Herzen ging. Er hatte an jenem Grillabend nicht viel gesprochen,

doch am nächsten Tag hatte er mir einen Aufsatz gebracht,

den er in einer theologisch wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht

hatte. Es ging um den Psalm 104, der etwas Besonderes

27


ist. Übersetzt mit meinem Englisch und mit meinen wenigen theologischen

Kenntnissen habe ich folgendes in mein Tagebuch

geschrieben, das seine gewählten Worte nur unvollständig in

Deutsch wiedergeben können.

Das Original lautete:

Johan Coetzee, Bodily Interpretation of Psalm 104.

„Die ideale Neigung unseres Körpers ist sich mit allen Dingen

zu manifestieren. Das ist nur natürlich für uns, um uns eine angenehme

und spannungsfreie Umgebung zu schaffen, in der wir

leben und arbeiten können. Deshalb streben wir nach positiven

Erfahrungen, negative versuchen wir in positive umzuwandeln.

Der natürliche Wunsch für uns Menschen ist, Freude zu erfahren.

Wie in dem Psalm 104 deutlich gemacht wird, ist die Freude

extrem nützlich für unser Wohlergehen und trägt auch dazu bei,

dass wir in einer positiv eingestellten und friedlichen Welt leben

Regine und ich

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können. Freude ist auch eine wirksame Waffe, um Aggressionen

in positive Erfahrungen zu verwandeln, das Böse zu bekämpfen

ist das Ziel. Lass die Freude in deinem Leben die Oberhand gewinnen.

Dieser wunderbare Psalm zeigt eine Umgebung für ein

positives und ethisches Benehmen auf, und zwar in jeder Ebene

unserer Gesellschaft. Verbinden wir die menschliche Freude als

Metapher für die göttliche Freude. Der Palm beschreibt die Gründe

und die Richtung für die menschliche Freude.“

Als ich von dieser ‚Weisheit‘ meinem südafrikanischen etwa

35-jährigen Arzt erzählte, auch ein streng protestantisch gläubiger

Bure, meinte er, dass die erste und wichtigste Aufgabe

allerdings für uns Menschen sei, Gott in allen Aspekten und Lagen

zunächst einmal ergeben zu dienen. So können die Meinungen

gläubiger Menschen auseinandergehen. –

Wir haben auf dieser Terrasse, wie bereits erwähnt, schon so

manche Silvesterabende gefeiert. In den ersten Jahren sind die

Gäste schon um 18 Uhr erschienen. Aber es dauert lange, bis es

schließlich zwölf ist.

In späteren Jahren haben wir die Einladung auf 20 Uhr verlegt.

Vier Stunden Essen und Wein. Den Tafelberg können wir

von der Terrasse mit dem Lions Head daneben sehen, aber für

das Feuerwerk dort sind wir zu weit entfernt. In unserer Village

werden auch keine Raketen gezündet. Kein Feuerwerk. Mit den

trockenen Pinien mit ihren ölhaltigen Nadeln wäre das zu gefährlich.

Wie wollte man auch einen solch brennenden 25 Meter

hohen Baum löschen? Selbst der Wasserdruck wäre zu niedrig,

um mit dem Spritzstrahl so hoch zu kommen. Was bleibt sind

die knallenden Sektkorken um Mitternacht.

Aber damit ist noch lange nicht Schluss. Silvester in Deutschland

ist infolge der Zeitumstellung eine Stunde später. Also jetzt

das deutsche Fernsehen anstellen. Und dann nochmal knallende

Sektkorken. Um halb drei gehen die ersten Gäste. Alle helfen

29


beim Abräumen mit. Noch ein Absacker im Wohnzimmer auf

den Sofas um den Couchtisch. Die letzte Spülmaschine läuft. Es

ist vier.

Der Neujahrstag ist gelaufen, wie man leicht nachvollziehen

kann. Katerstimmung. Wasser trinken. Eine 500er Aspirin.

Unsere üblichen Grillpartys beginnen an anderen Tagen um

18 Uhr und gehen bis 22 Uhr. In Südafrika gilt ein ungeschriebenes

Gesetz: Nach vier Stunden bedankt man und verabschiedet

sich. Ein zusätzliches Zeichen kann der Gastgeber noch setzen,

indem er einen Espresso oder Kaffee anbietet.

Dieses Jahr soll es anders laufen. Wie wäre es mit einem Ausflug

auf verschlungen Wegen zum Addo Elephant Park? Mit unserem

alten Toyota Avensis, der noch gut in Schuss ist? Über 800

km zu fahren.

Drei Tage planen wir ein. Dort können wir für den Silvestertag

eine Safari buchen, die den ganzen Tag in Anspruch nehmen wird.

Danach ein gutes Essen im Hotel, dazu ein oder zwei Windhoek

Lager Light hinunterschütten, um den Staub der Jeepfahrt runterzuspülen.

Todmüde ins Bett fallen und das Neue Jahr nach

einem gesunden Tiefschlaf beginnen.

„Wäre das auch für dich okay?“, fragt mich Regine.

Wir fahren also früh am 28. Dezember 2017 los. An der Pforte

winkt uns die Schwarze freundlich zu und öffnet das Gate. Regine

reicht ihr die überschüssigen Lebensmittel aus dem Kühlschrank,

die sonst verderben würden. Als Dank ein breites offenes

Lachen, das blendend weiße Zähne offenbart.

Wir fahren die Langverwacht Road entlang bis zu der Kreuzung,

wo rechts die Saxdowns Road beginnt. Nach drei Minuten

Fahrt biegen wir nach links ab in die Bottelary Road. In Südafrika

herrscht Linksverkehr und andere Verkehrsregeln wurden

höchstwahrscheinlich von den USA übernommen. Rechts vor

links oder in diesem Fall links vor rechts gibt es an Kreuzungen

30


Die große Halle des ‚Shoprite Distribution Centers‘

nicht. Nach Vorfahrtsschildern hält man vergebens Ausschau.

Kommt man an eine Kreuzung, hat derjenige Vorfahrt, der auch

als Erster angekommen ist. Grundsätzlich gilt: an jeder Kreuzung

einen Fullstop. Einmal geübt, funktioniert diese Regelung

wunderbar. Auch dann, wenn an einer Ampelanlage der Strom

ausgefallen ist, was in Südafrika häufig vorkommt. Keiner muss

wirklich lange warten.

Kurz nach der Soneike Mall auf der linken Seite kommt die

Auffahrt zur Schnellstraße R300, die uns direkt zur Nationalstraße

N1 führt, die längste Straße in Südafrika von Kapstadt bis zur

Grenze nach Simbabwe im Norden. Sie ist streckenweise autobahnähnlich

ausgebaut.

Rechts von dem Abschnitt, den wir jetzt auf der R300 fahren,

liegt der neuere Stadtteil Brackenfell, der sich durch Gewerbe-

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und Industrieansiedlungen auszeichnet. Gleich rechts, wenige

hundert Meter von der Straße entfernt, liegt eine flache Halle im

braun vertrockneten Grassgelände, die mich immer wieder durch

ihre Größe fasziniert, wenn wir hier vorbeifahren. Sie soll etwa

750 m lang sein und 180 m breit. Die Nutzfläche in der Halle soll

123000 qm betragen. Zwanzig Fußballfelder hätten darin Platz.

Ich kann mich erinnern, dass während des Baus, 2016 begonnen

und nach nur einem Jahr schon fertiggestellt, ein Riesenschild

aufgestellt war, das besagte, dass hier die größte Halle von ganz

Afrika entstehen würde. Diese Halle ist die größte des Shoprite

Distribution Centers, auch genannt Cilmor Distribution Center

nach dem ehemaligen Farmer Cecil Morgan, dem das Land zuvor

gehörte. Mehrere etwas kleinere Gebäude fügen sich dahinter an.

Von hier werden die Shoprite und Checkers Supermärkte in der

Kapstadt Region versorgt. Auch Pepkor, die Supermarktkette für

preiswerte Kleidung. Dem Architekten Steyn le Roux Truter

wurde die Aufgabe gestellt, eine effektive Lösung zu finden, um

den logistischen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig

ein äußeres Erscheinungsbild zu kreieren, das dem Komplex

eine entsprechende ästhetische Prominenz verleiht. Kompliment.

Gut gelungen.

Als Konstruktionsmaterial kam nur Stahl bei dieser extremen

strukturellen Leichtbauweise infrage. Auch für das gewölbte Dach.

An diesem Beispiel sieht man, dass Südafrika mit seinen Ingenieuren

und Architekten durchaus mit den weiter entwickelten Industriestaaten

mithalten und gelegentlich sogar übertreffen kann.

Doch wer steckt eigentlich hinter Shoprite, Checkers und Pepkor?

Christo Wiese, 1941 in Upington am Orange River in der

Northern Cape Province von Südafrika geboren, erhielt seinen

Bachelor of Arts für Jura an der Universität von Kapstadt und

später wurde ihm die Ehrendoktorwürde für Handel von der Uni-

32


versität Stellenbosch verliehen. Er ist einer der reichsten Männer

Südafrikas, ein Dollar Milliardär. (2012 etwa 3 Milliarden Dollar).

Die genannten Supermarktketten überziehen das ganze Land

mit Tausenden von Läden. Die Lebensmittelkette Checkers ist

bei der schwarzen Bevölkerung, die oft über ein sehr geringes

Einkommen verfügt, besonders beliebt. Große Auswahl, gute

Qualität und billig. Wiese war auch zeitweise Chairman der Steinhoff

AG, die in den vergangenen Jahren an den Börsen in Frankfurt

und Johannesburg durch hohe Umsätze aufgefallen ist, bis

schließlich der Kurs zusammenbrach. Die anfangs gemachten

Versprechungen dieses Möbel-Konglomerats wurden, wie so oft

bei neu an der Börse platzierten Unternehmen, nicht eingehalten

und viele gutgläubige, und danach getäuschte Investoren haben

so den Großteil ihrer Einlage verloren.

Wie eigentlich fast alle südafrikanischen Milliardäre besitzt auch

Wiese ein spektakuläres Weingut nördlich von Somerset West im

Schatten des Helderbergs: Laurensford. Es zieht sich tief in das

Tal hinein, durch das sich der Fluss Laurens (im Sommer mehr

Flüsschen als Fluss) schlängelt, der danach auch Somerset West

durchquert. Das Weingut Lourensford ist ohne Zweifel eines der

schönsten Vorzeigegüter in ganz Südafrika. Mancher Filmregisseur

schon nutzte das prachtvolle Weingut als Kulisse für seinen

Film.

Gibt es einen südafrikanischen Milliardär, der sich nicht irgendwann

ein Weingut im Weinland um Kapstadt zulegt? Eine Art

von Visitenkarte? Aushängeschild? Wer hat die besten Weine, wer

das schönste Gut?

Noch eine kleine Geschichte über ‚Christo‘ wie er in Südafrika

oft genannt wird. Er soll im Jahre 2009 von England nach Luxemburg

geflogen sein. Beim Boarding entdeckte der Zoll in seinem

Gepäck eine Million Dollar in bar. Offensichtlich wollte er

das Geld auf einem Luxemburger Konto verschwinden lassen.

33


Er ging dabei ein hohes Risiko ein. Für eine eigentlich relativ

geringe Summe für einen Milliardär (~0,3 Promille seines Vermögens).

Meinen Sie nicht auch?

Doch wir fahren weiter auf die N1, hier hinter Kapstadt noch

eine vierspurige Autobahn. Der Mittelstreifen ist mit hohen rot

und weiß blühenden Oleanderbüschen bewachsen auf einer Strecke

von etwa 40 km zwischen Kapstadt und Paarl. Prächtig anzusehen.

Aber die Südafrikaner mögen dieses Gewächs nicht. Es

steht auf der Liste der nicht erwünschten Pflanzen, der sogenannten

Aliens, die von anderen Kontinenten eingeführt worden

sind, an einer der ersten Stellen.

Die Robustheit der Pflanze gegenüber extremen klimatischen

Bedingungen und ihre weitgehende Unempfindlichkeit gegen

Schädlinge durch ihre hohe Giftigkeit aller ihrer Bestandteile,

führen dazu, dass sie einheimische, sogenannte indigene Pflanzen

verdrängt und ihnen ihren Lebensraum nimmt (Alien Weeds

and Invasive Plants - gebietsfremde Unkräuter und Pflanzen).

Deshalb versucht man sie, genauso wie den Eukalyptusbaum

(besonders die zumeist vorkommende Art „Blue Gum“ - leicht

bläuliche Stammrinde, kleine weiße Blüten), aus dem Land zu

verbannen. Doch die Oleander Allee auf dem Mittelstreifen ist

schon zu einer Art „Wahrzeichen“ dieses Streckenabschnitts geworden

und wird geduldet. Nicht nur das: sie muss auch gepflegt

werden d. h. zurückgeschnitten und im Sommer bewässert, denn

selbst diese robuste Pflanze kann lange Trockenperioden, die in

der Kapstadt Region durchaus im Sommer vorkommen können,

nicht ohne Wasser überstehen.

Rechts weit hinten am Horizont erkennen wir jetzt die Stellenbosch-

und Drakensteinberge. Davor der mächtige Simonsberg,

der, so sehe ich das zumindest, das Zentrum des Weinlands im

Western Cape bildet. In der Mitte eines gleichwinklig sich gedachten

Dreiecks, das von Franschhoek, Stellenbosch und Paarl

34


Weingut Babylonstoren am Fuß des Simonsberges

Sprachendenkmal

35


gebildet wird, jeweils etwa 35 km voneinander entfernt, ragt er in

den Himmel mit seiner charakteristischen Hexennase. Natürlich

ist er in seiner Ausdehnung nicht mit dem Tafelbergmassiv zu

vergleichen, aber er ist immerhin 1400 m hoch, der Tafelberg

hingegen nur 1000 m.

Wie viele Weingüter haben Regine und ich schon in dieser

Gegend besucht, Weinproben gemacht, wahre und unwahre Geschichten

gehört, über die Güter geschrieben und unzählige Fotos

aufgenommen?

Von fast allen hat man von irgendeinem Blickwinkel den Simonsberg

gesehen oder das Gut lag an einer seiner Hänge. Manch

wilde Geschichte kursierte in der Vergangenheit um den Berg.

Eine davon erzählte von einem deutschen Söldner der damaligen

East Indian Company, der behauptete, an einem Hang des Bergs

Gold gefunden zu haben, worauf die Stellenburger Bürger, ausgerüstet

mit Pickel und Schaufeln, zu Scharen aufbrachen, um

nach dem begehrten Metall zu schürfen, das schnellen Reichtum

versprach. Warum nicht auch hier, nachdem im Norden des Landes

Gold und Diamanten gefunden worden waren? Keine einzige

Unze haben sie gefunden. Sie waren einem Betrug aufgesessen.

Das Gold, das der Berg wirklich birgt, liegt in den Trauben, die

an seinen Hängen und Tälern in ungeahnter Qualität in der mit

verwittertem Granit angereicherten Erde und dem kühlen Wind

von der False Bay prächtig gedeihen können.

Eines dieser Weingüter können wir am Nordhang des Bergs

erkennen. Es hat den Namen Babylonstoren. Eine der ältesten

Farmen bis auf das Jahr 1692 zurückgehend. Die jetzigen Eigentümer,

Koos Bekker mit seiner Frau Karen Roos, haben einen

unvergleichlichen Garten angelegt, in dem man die gängigen

Gemüsearten und Früchte, die in der Kapregion wachsen können,

bewundern kann. Es sollen über dreihundert Pflanzenarten

36


sein, von Blutorangen angefangen, über Spargel, Rebsorten bis

hin zu Pilzen. Sie nahmen sich hierfür die Gardens zum Vorbild,

die vor 300 Jahren in der Mitte des heutigen Kapstadts von der

East Indian Company angelegt worden waren, um ihre Schiffe

auf ihrem Weg nach Batavia in Indonesien mit frischem Gemüse,

Obst und Wein zu versorgen. Heute ist Gardens ein Stadtteil

der Stadt.

Koos Bekker ist Generaldirektor von Naspers, einer der Großen

im internationalen Medienbereich. Es ist seine Frau, die sich

um das Gut und den inzwischen weit über die Grenzen Südafrikas

bekannten Garten kümmert.

Ein kleiner Hügel nicht weit von der Farm hat wegen seines

Aussehens den Namen Babel erhalten. So ist wahrscheinlich auch

der außergewöhnliche Name Babylonstoren entstanden. Aber für

das angegliederte Fünfsternerestaurant wurde dann doch der

Name Babel gewählt.

Benachbart ist das Weingut Backsberg, gegründet von einem

im Jahr 1902 aus Litauen eingewanderten jungen Mann namens

Charles Back. Heute noch im Familienbesitz, ist das Weingut ein

Anziehungspunkt für viele Gäste geworden, die gegrilltes Lamm

mögen. Dazu einen Backsbergwein unter schattigen Bäumen.

Perfekt für ein bleibendes, originelles Erlebnis in Südafrika!

Wie Perlen an einer Schnur reiht sich ein Weingut an das andere

rings um den Berg. Manche von ihnen haben Weltruf erlangt.

Wir sehen, dass eine Parallelstraße vielleicht nur 100 Meter

entfernt zu der N1 verläuft. Es ist die R101, die Old Paarl Road,

die, bevor die N1 gebaut war, die Hauptverbindungsstraße zwischen

Kapstadt und Paarl darstellte. Sie ist gesäumt mit gewerblichen

Gebäuden, Reparaturwerkstätten und natürlich auch Weingütern,

denn immer noch begleiten uns Weinreben, die jetzt im

flachen Land angebaut sind. Hier kommt eines mit einer über-

37


Backsberg

großen Flasche davor, die als Blickfang dienen soll. Acht Meter

hoch?

Ein Freund von mir, bestimmt schon zum 20ten Mal als Langzeittourist

in Südafrika, erklärte mir, dass er seinen Wein nur hier

kaufe. Er habe schon viele andere Weine ausprobiert. Der Simonsvlei

Cabernet Sauvignon von hier, drei Jahre gelagert, sei hervorragend

und auch billig, wobei ich annehme, dass das letztere

ausschlaggebend für sein Urteil war.

Auf der linken Seite ragen elegante Nadeln oder besser ausgedrückt

Obelisken in den Himmel. Aus Beton gegossen in verschiedenen

sich zuspitzenden konvexen und konkaven Strukturen.

Es ist das Sprachendenkmal, das der Afrikaans Sprache gewidmet

ist. Offiziell heißt es „Taal Monument“, wobei das Wort

Taal auf Afrikaans Sprache heißt. Es wurde 1975 zur Erinnerung

an den hundertsten Jahrestag der Sprachenbewegung in Südafri-

38


ka von der damaligen Apartheidregierung eröffnet, die diese Sprache

für alle Südafrikaner favorisierte. Heute ist Afrikaans eine

der elf offiziell anerkannten Sprachen Südafrikas, neben Englisch

die meistgesprochene, auch von Coloureds und der schwarzen

Bevölkerung, und sie ist überraschenderweise auch die jüngste

gesprochene Sprache weltweit.

Bautechnisch ist das Sprachendenkmal ein Meisterwerk. Jan van

Wyk war der Architekt. Vor dem Hintergrund des mächtigen,

halbkugelförmigen Paarlfelsens aus Granit ist es ein unvergessliches

Bild. „For stunning, breath-taking photographs“, wie ein

Reiseführer dies auf English formulierte. Manche behaupten, dass

nach einem Regen bei entsprechendem Sonnenstand der Fels so

glitzern würde, als sei er mit Tausenden von Diamanten besetzt.

Der von Wind und Wetter über 500 Millionen Jahre rund geschliffene

Fels soll der zweitgrößte dieser Art auf unserer Erde

sein. Paarl steht für Perle. Daher auch der Name für die Stadt an

seinem Fuß. Der Fels überragt die Stadt um 300 Meter, so hoch

wie der Eiffelturm. Viele leichte Wege führen zu seinem Gipfel,

manche aber sind so steil, dass sie auch für geübte Kletterer eine

Herausforderung darstellen.

Das historische Paarl, verdeckt und kaum auszumachen von

der N1, hat etwa 200 000 Einwohner. Es ist die drittälteste Stadt

Südafrikas nach Kapstadt und Stellenbosch. Hier dreht sich das

Leben um den Anbau und die Verarbeitung von Wein. Weingüter

eins am anderen. Die zwei größten sind hier beheimatet.

Zuerst nennen wir Nederburg. Schauen Sie einmal bei Edeka

in die Weinabteilung. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie

einen Wein mit dem Label Nederburg finden. Als wir eine Führung

durch die weitläufige Anlage machten und Fragen nach der

Verarbeitung stellten, klärte uns der Winemaker, der übrigens

Weinbau und Önologie an der Hochschule Geisenheim/Rhein

studiert hatte, mit einem versschmitzten Lächeln auf.

39


Weingut Nederburg in Paarl

„Wir produzieren nach der Spezifikation, die uns der Kunde

übergibt. Alle Parameter sind darin aufgeführt. Alkoholgehalt,

Farbe, Geschmack, Säure, Kork- oder Schraubverschluss, Art und

Dauer der Lagerung, natürlich auch welche Rebsorte und die

Preisspanne, die man zu zahlen gewillt ist. Ist eine Cuvée gewünscht?

Art und Aussehen des Labels. Wir liefern den Wein

nach den Wünschen unseres Kunden, wobei es sich natürlich um

eine größere Lieferung mit mehreren Tausend Flaschen handeln

muss.“

Die Industrialisierung geht also auch am Wein nicht vorbei.

660 000 Kisten Wein werden jährlich von hier in alle Welt verschickt.

Ein Teil unserer Weinromantik müssen wir hier lassen.

Wir kamen am Boden der Realität wieder einmal an. Aber selbstverständlich

ist es nicht so, dass alle Weine, die hier produziert

40


werden, solchen Vorgaben entsprechen müssen. Es gibt auch exklusive

eigene Weine, die den Charakter und die Tradition des

fast 230 Jahre alten Weinguts widerspiegeln. Weine, in denen sich

die Kunst des Winzers offenbart, in denen er seiner Fantasie freien

Lauf lassen kann, mit Tropfen, die den Gaumen zum Schwelgen

bringen, besonders bei den Rotweinen, aber auch bei einem Chenin

Blanc, einem Weißwein, der gerade eine stürmische Renaissance

in Südafrika erlebt.

Tradition? Die geht auf den deutschen Einwanderer Philip

Walvaart zurück, der das Land am vorbeifließenden Berg Rivier

im Jahre 1791 erwarb und Wein anpflanzte.

Doch das größte und bedeutendste Weingut Südafrikas ist auch

hier angesiedelt. Die KWV - Kooperatiewe Wijnbouwers Vereniging

van Zuid-Afrika (Kooperative Weinbauer Vereinigung von

Südafrika). Ursprünglich gegründet, um den Weinbauern als Genossenschaft

die Überproduktion abzunehmen und daraus

gegebenenfalls Brandy und Gin zu brennen, ist sie nach der Apartheidregierung

selbstständig geworden (zu einer an der Johannesburger

Börse gehandelten Aktiengesellschaft). Sie behielt aber

den weltweit bekannten Namen KWV bei, der auch auf Flaschen

in den Regalen deutscher Supermarktketten zu finden ist.

Um die 50 Millionen Liter Wein sollen durchschnittlich im Jahr

erzeugt werden. Die ‚Weinkeller‘ sind hier überirdisch angelegt,

natürlich klimatisiert, und nehmen die unglaublich große Fläche

von 22 Hektar ein. Sie sind im Guinness Buch der Rekorde als

größte der Welt aufgeführt. 120 Millionen Liter Wein können hier

gelagert werden. Der beste Überblick über diese Weinkeller erhält

man natürlich von unserem Paarl Felsen aus, nicht nur das,

sondern auch über das ganze Weinstädtchen Paarl und die Bergketten

ringsherum.

Sie sind es, die den besonderen Charme der Landschaft ausmachen.

Was wäre das ‚Weinland‘ ohne diese Kulisse mit ihren

41


Luxus Hotel La Grande Roche in Paarl

braunen und grünen Farbtönen, die so farbintensiv, durch die

Helligkeit des Landes noch verstärkt, das Auge verwöhnen?

Man nennt die Berge im südlichen Afrika, die kaum über 2000

Meter hinausgehen, geologisch die Große Randstufe (englisch

Great Escarpment), ein Steilabfall, der das Binnenhochland gegen

die Küstenebenen zum Atlantischen und Indischen Ozean

abgrenzt. Sie beinhaltet einige der geologisch ältesten Gebiete

der Erde. Sie entstand nach dem Auseinanderbrechen des Urkontinents

Gondwana vor etwa 120 Millionen Jahren, wobei auch

Afrika selbst als eigenständiger Kontinent geboren wurde.

In der Kapregion ist diese Abbruchkante besonders auffällig.

Die Bergkette vom Tafelberg bis hinunter zum Kap der Guten

Hoffnung ist ein gutes Beispiel hierzu und natürlich auch die

Bergkette, die sich entlang der Küste von Kapstadt bis nach Port

42


Elizabeth hinzieht auf fast 800 km Länge. Sie bildet auch eine

Art Regenbarriere, die verhindert, dass es in der dahinterliegenden

Karoo zu nennenswerten Niederschlägen kommt.

Teilweise bestehen die Berge aus Gestein mit einem Alter von

über zweieinhalb Milliarden Jahren, das von einem relativ kleinen

Kontinent stammen soll, der bereits existierte, bevor sich

Gondwana formte. Nirgendswo auf unserer Erde kann Wein auf

einem Boden wachsen, der ein solches Alter aufweisen kann.

Vielleicht ist das auch ein Grund für die unverwechselbaren Aromen

südafrikanischer Weine.

Die Randstufe (Randschwellengebirge) schließt im Norden die

Große Karoo und das Kalahari Bassin ein, die unter dem Namen

Highveld (Hochplateau) zusammengefasst sind und als Halbwüsten

bezeichnet werden können.

Was bietet Paarl noch? Am Fuß des ‚Felsens‘, den man auf

dem Bild von La Grande Roche gerade noch erkennen kann, liegt

ein kleines Hotel, das sich für einige Tage Urlaub anbietet. In

diesem traumhaften Boutique Luxus Hotel verschmelzen Geschichte

und Fantasie zu einer einmaligen Erfahrung, nicht zuletzt

auch wegen der exzellenten Küche, die über die Grenzen des

Landes bekannt geworden ist: La Grande Roche.

Stilvoll geht es hier zu. Alte holländische Möbel, gezimmert

aus dem begehrten Holz des einheimischen Yellowwoodbaums,

der ausgewachsen (der Stamm kann bis zu 3 m im Durchmesser

betragen) nur noch selten in der Natur vorkommt. Er ist zum

Nationalbaum Südafrikas wegen seiner Größe und seiner Schönheit

erklärt worden.

Eingedeckte Tische mit zu Vögeln gefalteten Servietten, silberne

Kerzenleuchter und wertvolles Porzellan. Gelernte Kellner

in schwarzen Anzügen und gestärkten weißen Hemden lesen

dem Gast jeden Wunsch von den Augen ab. In der Mitte des

Raums steht ein Steinway Flügel in Schwarz hochglanzpoliert.

43


Man fühlt sich in das alte Südafrika vor 200 Jahren zurückversetzt.

Das Gebäude selbst ist, wie nicht anders zu erwarten, im

kapholländischen Stil errichtet mit einem reetgedeckten Dach,

einem geschwungenen Giebel in der Mitte über dem Eingang,

links und rechts davon die Sprossenfenster mit aufklappbaren

Läden. Wenn man Freunden etwas Besonderes bieten möchte,

wird man dort zum Lunch einen Tisch bestellen. Dazu eine kleine

Geschichte.

Erich Wanner war 34 Jahre lang leitender Unilever Koch in

Hamburg. Im Ruhestand verbringt er gewöhnlich die Hälfte des

Jahres mit seiner Frau Marianne in ihrem Haus in Zevenwacht,

nicht weit von uns, um dem deutschen Winter zu entgehen. Das

Kochen ist seine große Leidenschaft geblieben. Die Küche im

Grande Roche hat es ihm nicht ohne Grund angetan. Seit Jahren

gönnen sie sich zwei Tage über Silvester und Neujahr in diesem

kleinen Luxushotel. Am Silvesterabend hervorragend essen und

ausgesuchten Wein genießen. Auf das Neue Jahr wird mit einem

ausnahmsweise französischem und nicht südafrikanischen Champagner

in einem stilvollen Ambiente angestoßen. Mit einem Veuve

Clicquot brut mit dem berühmten gelben Label. Das Neue Jahr

kann beginnen!

Paarl ist auch der Geburtsort von Deon Meyer (geb. 1958),

dem populärsten und meistgelesenen Schriftsteller Südafrikas. Er

belegt in den USA und Europa erste Plätze in den Bestsellerlisten.

Er schreibt seine Bücher, es sind bis jetzt etwa zwanzig Thriller,

nach wie vor in Afrikaans und nicht in Englisch. Uns Deutschen

ist er z. B. durch seine hier herausgegriffenen Bestseller

Der Atem des Jägers, Tod vor Morgengrauen, Cobra und Ikarus bekannt

geworden. Er ist auch als Drehbuchautor und Filmregisseur tätig.

Eines seiner letzten Werke Trackers soll demnächst als dreiteilige

Thrillerserie im ZDF zu sehen sein, die die gesamte Länge

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und Breite Südafrikas abdeckt und in Kapstadt in einer gewalttätigen

Verschwörung mit organisierter Kriminalität, Diamantenschmuggel,

Staatssicherheit, Nashörnern, der CIA und einem internationalen

Terroristen-Plot mündet.

Doch lassen Sie uns auf unsere Fahrt auf der N1 zurückkommen.

Wir überqueren jetzt eine Brücke über den Bergriver. Jetzt

ist Sommer und der Fluss führt wenig Wasser. Der Flusslauf ist

fast ganz von Büschen und Schilf verdeckt. Er kommt aus Süden,

aus dem 35 km entfernten Franschhoek, wo auch der Bergriverdamm

in der Nähe ist. Der Damm ist übrigens auch in die

Wasserversorgung Kapstadts mit einbezogen.

Es gibt in der Kapregion keine großen Flüsse. Der Bergriver

kann allerdings in der Regenzeit im Winter bis auf eine Breite

von 20 m anschwellen, aber im Sommer ist er eher ein mittlerer

Bach, wie wir viele in Deutschland haben. Nach 300 km, an Paarl

und Wellington vorbei, fließt er schließlich durch die trockene

Karoo als Rinnsal weit nördlich von Kapstadt in der St. Helena

Bucht in den Atlantik.

Auf seiner Reise hat er als Wasserquelle vielen landwirtschaftlichen

Anwesen gedient und auch die beiden Golfplätze Pearl

Valley (Championship Golfplatz und die Nr. 1 in der Kapregion)

und Boschenmeer mit Wasser versorgt. Mindestens sorgt er dort

für genügend Grundwasser, was gefördert werden kann.

Zur rechten Seite sehen wir jetzt an die N1 grenzend die grünen

Parcours des Golfplatzes Boschenmeer. Dieser alte Golfplatz

hat früher Old Paarl Golf Club geheißen. Er wurde 1908

zuerst an anderer Stelle gegründet und dann hierher verlegt.

Er war einer der ersten Golfplätze, die wir in Südafrika gespielt

haben. Im Jahr 2003. Damals hatte er zwei mal neun Loch

und noch seinen alten Namen. Das Clubhaus war eine große

Holzbaracke, Umkleideräume und sanitäre Anlagen auf das Notwendigste

beschränkt. Zwei Jahre später war ein großartiges Club-

45


Boschenmeer Golf Estate

haus entstanden, über zwei Stockwerke mit Konferenz-, Aufenthalts-

und Umkleideräumen, großer Freiterrasse mit einem Restaurant

und natürlich einem Pro Shop für die Golfer.

Gleichzeitig sind Wohnhäuser auf der Anlage wir Pilze aus der

Boden geschossen, aber gekonnt zwischen den Golfbahnen eingefügt,

so dass der Spielbetrieb in keiner Weise gestört ist. Und

weitere neun Löcher sind hinzugefügt worden, die, so behaupten

viele Golfer, zu den schönst angelegten und landschaftlich interessantesten

Bahnen Südafrikas gehören sollen. Hier dominiert

das Landschaftspanorama mit dem Simonsberg, den Groot- und

Kleindrakensteinbergen und dem Paarlfelsen. Ringsum blickend

einfach atemberaubend. Das Loch 22, ein Par 5, wurde zum ‚Signature

Hole‘ der Anlage gekürt. Hier erreicht man den höchsten

Punkt des Estates und kann sogar bei klarer Sicht die Silhouette

des 60 km entfernten Tafelbergs erkennen.

Am letzten Loch umrundet man einen großen Teich, der an

den Rändern mit Büschen, Schilf und großen Bäumen bewachsen

ist. Schwärme von Vögeln haben hier ein Naturparadies zum

Nisten entdeckt.

Ein neuer Name wurde für die Anlage gefunden: Boschenmeer

Golf Estate. So entstand der erste 27 Loch Golfplatz am Kap.

46


Für ihre Bahnen haben sie folgende Namen gewählt. Die ersten

Neun: „Berg River Nine“, die zweiten „Paarl Nine“ und die dritten

„Boschenmeer Nine“. –

Die Golfer müssen auf den Plätzen um Kapstadt im Sommer

fast immer mit Wind rechnen. Der Southeaster bläst fortwährend.

Der Golf Platz Millnerton direkt am Meer nördlich von

hat einen besonderen Ruf wegen des dort herrschenden Windes.

Wir haben auf dem Platz schon bei einer Windstärke von 10 gespielt.

Mein Ball ist gegen den Wind keine zwanzig Meter geflogen.

Ich hatte das Gefühl, dass er im Wind zum Stehen gekommen

war.

Aber in Boschenmeer? Nur 50 km entfernt. Meistens kein

Hauch zu spüren. Der Southeaster hat hier ausgeblasen. Deshalb

ist der Platz bei den Golfern auch so beliebt. Aber dafür die Temperaturen

im Sommer! Sie sind oft 10 Grad höher als am Meer.

Regine und ich haben in Boschenmeer bestimmt schon einhundert

Mal gespielt. Einmal bei sogar bei 45 Grad im Schatten. Das

war mörderisch und wir werden das auch nicht mehr tun.

Noch eine Anmerkung. Etwa 15 km weiter südlich im gleichen

Tal mit dem Namen Val de Vie, das von dem Bergriver durchflossen

wird, ist das relativ junge und exquisite (etwa 2003) Golfestate

Pearl Valley angesiedelt. Ein Jack Nicklaus Signature Golfplatz.

Der Name wurde auch von dem Paarlfelsen übernommen,

aber jetzt in Englisch geschrieben. Natürlich nicht zu verwechseln

mit dem Old Paarl Golfplatz. Angrenzend an Pearl Valley ist

das Val de Vie Estate, dessen exklusive Häuser sich um einen

Poloplatz reihen.

Ein Straßenschild weist uns darauf hin, dass einer Maut unterliegender

Tunnel vor uns liegt. Der Huguenot Tunnel, etwa vier

km lang. Er durchsticht die Du Toitskloof Berge, die Paarl von

dem nordöstlich gelegenen Worcester trennen. Übrigens ist die

Du Toits Peak (Bergspitze) die höchste, dem Meer zugewandte

47


Erhebung im Western Cape mit 2000 m. Eine Passstraße umgeht

den Tunnel. Durch den Tunnel zu fahren verkürzt die Fahrzeit

um nicht ganz eine halbe Stunde. Die Umgehungsstraße war

zuerst schon in den 1930er Jahren geplant, da der weiter nördlich

gelegene Bainskloof Pass, auf den wir zurückkommen werden,

beschwerlich zu fahren und auch für schwere Fahrzeuge ungeeignet

ist. Die Bergkette im Norden ganz zu umfahren würde

einen Umweg von mindestens 100 bis 170 km bedeuten.

Schließlich begannen die Arbeiten mitten im Weltkrieg zwischen

1942 und 1945, denn es standen jetzt italienische Kriegsgefangene

(wahrscheinlich aus dem Libyenfeldzug) zur Verfügung,

die von den Engländern nach Südafrika verlegt worden waren.

Die Arbeiten wurden nach dem Krieg mit einheimischen Arbeitern

fortgesetzt, bis 1948 der Pass eröffnet werden konnte.

Die Idee des Tunnels wurde jedoch nicht aufgegeben. Die deutsche

Firma Hochtief AG hatte 1980 die Federführung für den

Tunnelbau erhalten. 1988 fuhren dann die ersten Fahrzeuge durch

die vier Kilometer lange Röhre. So lange hat es schließlich durch

den harten Granit und den mit Quarz durchsetztem, gealterten

Sandstein dann doch gedauert.

Sollen wir auf unserer Fahrt den Umweg über den Berg nehmen?

Viel interessanter als durch den Tunnel! Oder sollen wir

gleich den weiter nördlich liegenden Bainskloof Pass fahren, der

zu einer der landschaftlich schönsten Strecken am Western Cape

zählt und schon 1853 eröffnet wurde, einer der interessantesten

Gebirgspässe am Kap.

Wir verlassen die N1 und fahren nach Wellington nordöstlich

von Paarl, von wo die geteerte Straße zum Bainskloof Pass abbiegt.

Früher hatte die Stadt, erst 1837 gegründet, auch Limietvallei

(Grenztal) und Wagenmakersvallei (Kutscherbauer-Tal) geheißen.

‚Wagenmacher‘ waren gefragt, nachdem der Pass geöffnet

worden war. Der Pass, eine schmale Schotterpiste mit Stei-

48


nen und hervorstehenden Felskuppen gepflastert, führte dazu,

dass manches Rad von Pferdekutschen und Ochsenwagen der

Belastung nicht standhielt und brach und es so für einen Wagner

Arbeit in Hülle und Fülle gab. Auch neue Wagen waren gefragt,

denn es setzte ein reger Güterverkehr über den Pass nach Tulbagh,

Ceres und Worcester ein, nachdem diese Orte nicht nur

über den ca. 100 km langen Umweg um die Berge herum zu erreichen

waren.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Weg von Kapstadt

in den Nordosten mühsam, weil die mächtige Bergkette hinter

Paarl ein unüberwindbares Hindernis darstellte. Reisende mussten

damals mit Pferd- und Ochsenwagen zunächst 70 km weiter

nach Osten reisen, um über den Roodezand Pass nördlich von

Tulbagh das Gebirge zu überwinden. Dann ging es wieder 40 km

das Tulbagh Valley zurück nach Süden, weiter durch das Breede

River Valley und schließlich wieder 70 km am Hex River entlang

in die Karoo, um schließlich nach Ceres und Worcester zu gelangen.

Der Schotte Andrew Geddes Bain hatte sich damals in Südafrika

einen Namen als Baumeister gemacht. Er nutzte seine Naturbegabung

und sein besonderes Gespür zum Zeichnen und

Entwerfen von Straßen durch unwegsame Gebiete, die schließlich

in seinem Meisterwerk mit dem Bau dieses Passes voll zum Ausdruck

kamen, der dann auch seinen Namen bis heute tragen sollte.

49


Am Bainskloof Pass: Wilde Landschaft, Straße gelegentlich mit

Felsüberhängen

50


Er hatte erkannt, dass sich eine Schlucht nach Osten durch die

Berge bahnte, rechts die Slanghoekberge und links die Limietberge,

entlang der er sich eine Schotterstraße, mehr Piste als Straße,

vorstellen konnte, die eine enorme Abkürzung von Wellington/Paarl

nach den genannten Orten darstellen würde. Der Bau

war eine Herausforderung für den genialen Baumeister Bain. Vier

Jahre hat es gedauert, bis im Jahr 1853 die Straße dann für den

ersten Ochsenwagen freigegeben wurde. 350 Männer waren hier

tätig und sprengten die Felsen mit Gewehrpulver, das viel effektivere

Dynamit war noch nicht erfunden.

Abgesehen von der Asphaltdecke ist die Straße bis heute unverändert

geblieben und wurde zum Nationaldenkmal erklärt.

Nur ein kleines Stück Tunnel auf halber Höhe, welches eine

Bergnase umging, ist heute nicht mehr benutzbar und durch eine

Straßenschleife ersetzt worden.

Die schmale Straße steigt schnell an. Am Wegesrand blühen

Blumen, weiß, pink und gelblich. Libellen schwirren umher, Vögel

nisten in den hohen Eukalyptusbäumen, die bis hinunter ins

Tal wachsen und die Landschaft mit den dazwischenstehenden

Pinien in einem satten Grün erscheinen lässt. Es ist nicht still in

diesem Wald. Man glaubt nicht, wie laut Vögel sein können. Wir

kommen an einem riesigen, rot blühenden Baum vorbei. Blüht

Disa Blume, eine Orchideenart,

die wild in

dieser Gegend wächst.

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so schön und so leuchtend wie ein Flamboyant, aber es ist ein

Eukalyptusbaum. Diese blühende Sorte nennen die Südafrikaner

‚red flowering gum‘.

Einige bunt gekleidete Radler strampeln die mit Schlaglöchern

überzogene Straße hoch. Atmen schwer. Dann der Streit eines

Vogelpärchens über den Nestbau. Das Männchen hat es nicht

leicht. Wenn das von ihm mühevoll gebaute Nest nicht den Vorstellungen

seiner Partnerin entspricht, rupft sie es einfach mit

lautem Geschrei wieder auseinander und er kann mit dem Bau

von Neuem beginnen. Seine Geduld wird auf die Probe gestellt.

Aber auch das Schreien von Pavianen dröhnt zu uns herauf.

Hier ist ein Schild: Don‘t feed the Baboons, so nennen die Südafrikaner

diese frechen Affen, die vor uns die Straße mit ihren Jungen

bevölkern und uns das Weiterfahren versperren. Der Oberaffe,

ein riesiges Exemplar, lässt sich den Kopf graulen. Flöhe?

Läuse? Er ist der Chef der Familie. Sein roter Hintern unterstreicht

seine Stellung und sein hässliches Gebiss mit großen

weißgelblichen Zähnen passt dazu. Gibt es überhaupt hässliche

Tiere? Lassen wir das dahingestellt sein. Die verspielten Jungen

sind jedenfalls niedlich.

Eine weit ausgezogene Kurve liegt vor uns mit einer Ausweichmöglichkeit,

eine Art Bucht. Mr. Bain hatte diese Buchten eingeplant.

Setzen wir uns in die Zeit zurück, als die Passstraße eröffnet

wurde. Pferdewagen, mit vier Pferden davor. Ochsenkarren

mit bis zu acht Ochsen davor. Wenden unmöglich auf der engen

Schotterpiste, ein anderes Gefährt ähnlicher Größe überholen

geht auch nicht. Rückwärtsfahren? Wie will man acht Ochsen im

Joch dazu bewegen, rückwärts zu gehen. Kein Ochse macht auch

nur einen Schritt zurück, noch weniger als ein Esel, aber acht

Ochsen gleichzeitig? Da müssen schon Ausweichbuchten

mindestens alle 500 Meter vorhanden sein.

Bald haben wir die Passhöhe Eerste Tol erreicht. 594 Meter.

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Worcester Golfplatz

Loch 4 vom Abschlag aus gesehen

Loch 4,

Abschlag rechts unten, Grün mit Loch und Fahne links oben

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‚Gemini‘ Ziehtrolley, mit einem Sitz und

mit Röhren für die Golfschläger, deren

Schäfte als Lehne dienen. Erfunden von

Isemann Sports Equipment. Zusammenklappbar

passt es in jeden Kofferraum.

Südafrikanischer Erfindungsgeist. Jeder

zweite Golfer besaß damals ein solches

„verrückt‘ aussehendes Gefährt. Heute

ist es von den Plätzen verschwunden.

Zum Sitzen ideal

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Einige Häuser, stehen noch da, ehemalige Zollstation und Händlerbuden?

Ein Verkaufsladen für Getränke. Ein Aussichtspunkt

unterhalb des Gipfels gestattet einen letzten weiten Blick ins Bergriver

Valley.

Die Passstraße windet sich nun bei der Talfahrt auf der R303

durch ein enges, malerisches und abseits der Felsen üppig grünes

Tal. Im Talgrund fließt der Witterivier. An den Hängen blühen

gelbe Sträucher und pinkfarbene Blütenkissen bilden Farbkleckse

in den steilen Felswänden. Auch blühen hier die selten gewordene

Disa Orchidee und die King Protea.

Zahlreiche kleine Bäche stürzen von den Hängen in die tiefe

Schlucht. Manche Schilder am Straßenrand weisen auf Wandertouren

hin, die entlang dem munter dahinfließenden Fluss verlaufen.

Reine, unverfälschte Natur. Ohne Rummel. Den Fluss hat

man für sich allein und sein beruhigendes Plätschern. Er ist bräunlich

gefärbt. Die Fynbosplanzen mit ihren Blättern sind schuld

an seiner Färbung.

Einige bizarre Felsen stehen als ‚Naturdenkmäler‘ am Straßenrand.

An mehreren Stellen hat man auf einer Seite die schroffe

Felswand, auf der anderen, der Talseite, steht ein massiger Felsenturm

wie ein urzeitlicher Wächter. Andere folgen mit Namen

wie die Montague Rocks, die Bell Rocks und den eindrucksvollen

Steinbogen Dacres Pulpit.

Manche Wanderwege können anspruchsvoll sein z. B. der Limietberg

Trail. Man soll an einem Wasserfall vorbeikommen. Neben

Antilopen sollen auch schon Leoparden gesichtet worden

sein. Ein Gebiet, in dem auch der Karakal zu finden ist, eine

mittelgroße Raubkatze, deren Abbild in südafrikanischer Werbung

immer wieder entdeckt werden kann z. B. auf einem Weinlabel.

Wir kommen an einem Schrein, auf Arabisch einem Kramat,

direkt am Seitenrand der Straße vorbei, wo ein Moslem mit dem

55


Liste der Golfplätze in der Kapstadtregion

(etwa zwei Autostunden im Umkreis)

Legende: rot - noch nicht von uns gespielt, fett - oft von uns gespielt, fett kursiv -

einige Male gespielt, kursiv - nur einmal von uns gespielt

Arabella Golf Club, 18 Loch, 4,5 Sterne

Atlantic Beach Golf Club, 3,5 Sterne

Bellville Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne

Caledon Golf Club, 9 Loch

Ceres Golf Club, 9 Loch, 3,5 Sterne

Citrusdal Golf Club, 9 Loch

Clovelly Country Club, 18 Loch, 4,5 Sterne

Darling Golf Club, 9 Loch

Devonvale Golf and Wine Estate, 18 Loch, 3,5 Sterne

De Zalze Winelands Golf Estate, 18 Loch, 4 Sterne

Durbanville Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne

Erinvale Golf Club, 18 Loch, 4 Sterne

Helderberg Village Golf Club, 9 Loch, 3 Sterne

Hermanus Golf Club, 27 Loch, 4 Sterne

King David Golf Club (merged with Mowbray in 2016), war 18 Loch, 3 Sterne

Kleinmond Golf Club, 9 Loch, 4 Sterne

Kuilsrivier Golf Club, 18 Loch, 2,5 Sterne

Langebaan Golf Estate, 18 Loch, 3,5 Sterne

Malmesbury Golf Club, 9 Loch, 2,5 Sterne

Metropolitan Golf Club, 9 Loch, 3,5 Sterne

Milnerton Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne

Mowbray Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne

Paarl Golf Club, now Boschenmeer, 27 Loch, 3,5 Sterne

Parow Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne

Pearl Valley Signature Golf Estate, 18 Loch, 5 Sterne

Rondebosch Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne

Royal Cape Golf Club, 18 Loch, 4 Sterne

Shelley Point Golf Club, 9 Loch, 3,5 Sterne

Simon's Town Golf Club, 9 Loch, 2 Sterne

Somerset West Golf Club, 18 Loch, 2,5 Sterne

Steenberg Golf Club, 18 Loch, 4,5 Sterne

Stellenbosch Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne

Strand Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne

Theewaterskloof Golf Estate, 9 Loch, 2,5 Sterne

Wellington Golf Club, 9 Loch, 2,5 Sterne

Worcester Golf Estate, 18 Loch, 3 Sterne

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Sheikh Sulaiman - Schrein

Namen Sheikh Sulaiman begraben worden sein soll und zwar um

1850. Er soll aus Mekka in Saudi-Arabien stammen und sein Sohn

soll der erste Iman in Worcester geworden sein, wo er auch eine

Moschee gebaut haben soll. Interessant ist zu beobachten, dass

dieser Schrein von vielen Moslems als eine Art Wallfahrtsort heute

noch besucht und auch mit bunten Tüchern und Teppichen geschmückt

wird. Seitlich auf dem Steinblock ist dann auch zu lesen

in Afrikaans: Die Karmat.

Die Straße ist eng. Ausweichmanöver bei Gegenverkehr gelegentlich

schwierig. Eine Bekannte, die uns begleitete und unter

Höhenangst litt, bekam einen Scheißausbruch und zitterte am

ganzen Leib. Sie war nicht fähig, in die Schlucht hinabzuschauen.

„Nie wieder eine solche Fahrt,“ stieß sie keuchend hervor.

Schließlich waren wir am Ende der Passstraße angelangt, die

57


So blüht der botanische Sukkulentengarten im Frühjahr

übrigens unter Denkmalschutz steht. Die Strecke war etwa 30 km

lang. Das Ende stellt die Darling Bridge dar, die sich über den

Breede Fluss spannt.

Die fruchtbare Breede Flussebene breitete sich vor uns aus.

Wieder mit Reben bepflanzt, aber auch Getreidefelder sind auszumachen

und Obstplantagen. Wir biegen wieder auf die N1 ein.

Das Städtchen Worcester liegt vor uns, das wir vom Golfen her

kennen. Ausgesprochen wird dieses Wort ‚Wuster‘ wie auch die

bekannte Worcestershire Sauce, ein Wort, bei dem wir Deutschen

uns oft die Zunge verrenken wollen.

Dieses Gebiet, aber auch das weiter nordöstlich gelegene Hex

Valley ist sehr fruchtbar, da die jährliche Regenmenge etwa

300 mm betragen soll und Dämme vorhanden sind, in denen das

Regenwasser im Winter von den Hex-River-Bergen, in denen auf-

58


Hex River Tal

Schneebedeckter Matroosberg nördlich von Worcester

59


grund ihrer Höhe die Regenmenge viel höher ist, kommend gespeichert

wird und in den trockenen Sommermonaten für die

Bewässerung der Anpflanzungen zur Verfügung steht.

Die Hex-River-Berge, die zum Kap-Faltengürtel gehören (erinnern

Sie sich an die bereits geschilderte Abbruchkante - Great

Escarpment) liegen nicht weit im Nordosten von Worcester,

vielleicht 60 km entfernt. Die höchste Erhebung ist der Matroosberg

(Afrikaans von Matrose) mit 2250 Metern (ü. M.). Seine

Silhouette soll von einem gewissen Sichtwinkel aus die eines Seemanns

neben einem Schiff ähneln. Im Winter ist der Berg häufig

schneebedeckt; am Nordhang befindet sich ein kleines Skigebiet,

das Sitz des südafrikanischen Skiverbandes ist.

Das Hex Valley selbst kann man vielleicht sogar als einen der

fruchtbarsten Streifen Land in ganz Südafrika bezeichnen. Im

Jahr 1875 wurden schon die ersten Tafeltrauben von hier nach

Europa exportiert. Heute sind es mehr als 17 Millionen Kartons,

fast die Hälfte des jährlichen Exports von ganz Südafrika.

Deutsche Siedler sollen es gewesen sein, die um 1860 mit ihren

landwirtschaftlichen Kenntnissen und ihrem Fleiß das Land

zu kultivieren begannen, Obstplantagen anlegten und Weinanbau

betrieben. Zunächst hatten sie sich auf Rosinen spezialisiert,

wegen des Preisverfalls sind sie dann auf die Herstellung von

Wein und auf Tafeltrauben umgestiegen. Nicht nur im Hex River

Valley, sondern vor allen Dingen im Breede River Valley, das

längst das Stellenbosch und Paarl Anbaugebiet in der Weinproduktion

mit etwa 25 % der in Südafrika produzierten Menge hinter

sich gelassen hat.

Das Klima in Worcester kann man der Karoo Halbwüste zurechnen.

Wir sehen auch schon ein Schild, das auf den ‚Karoo

Desert National Botanical Garden‘ hinweist. Dieser Park ist einmalig

in der südlichen Hemisphäre. Wir machen den ersten Stopp.

Vielleicht hat es im Park ein Restaurant. Ein junger Mann, offen-

60


bar ein Parkangestellter, fängt uns ab. Er beginnt sofort mit seinem

einstudierten Vortrag. Seine schwarzen Augen glänzen und

Schweißperlen bilden sich auf seinen freien schwarzen Armen.

Es ist Hochsommer und die Temperaturen nähern sich 40 °C.

„Dieser botanische Garten hat sich auf sukkulente Pflanzen

der Karoo spezialisiert, die lange Zeit ohne Wasser auskommen

können, weil sie in ihren Blättern Wasser speichern. Tausende

von ihnen blühen in unserem Frühjahr, also im August/September,

in einer unvorstellbaren Blütenpracht. Im Hochsommer sind

die Blüten verblüht, trotzdem ist ein Besuch lohnenswert. Hier

werden über 300 seltene und gefährdete Sukkulenten Arten, auch

gezüchtet, und so vor dem Aussterben bewahrt. Der Garten wurde

1921 in Matjiesfontein gegründet und zog dann 1946 nach

Worcester um. Wüstenpflanzen sind einmalig schön, ein Rundgang

wird Sie überzeugen.“

Für seine Mühe geben wir ihm einige Rand. Wir entdecken das

Restaurant, Kokerboom Restaurant & Cocktail Bar. Bei der Hitze

brauchen wir einen kühlen Drink, am besten Mineralwasser

mit Gas, eisgekühlt, und keinen Cocktail, auch keinen süßen alkoholfreien.

Als Spezialität wird angezeigt: Homemade Bobotie. Das

könnten wir probieren. Bobotie gilt als südafrikanisches Nationalgericht

– sicher zu Recht, denn in diesem gewürzten Hackfleischauflauf

verbinden sich die vielfältigen kulinarischen Richtungen

des Landes, hauptsächlich sind es die malaiischen Gewürze,

die Zugabe von Chutney und der süße Geschmack, die

den vielen verschiedenen Rezepturen gemeinsam sind. Beim

Bobotie kam offenbar das Grundrezept für einen Hackfleischauflauf,

Lamm oder Rind, von den holländischen Siedlern, die

Malaien steuerten Gewürze, Chutneys und die Süße bei. In einem

der herausgegriffenen Rezepte sind z. B. enthalten:

Rinderhack, Zwiebeln, Knoblauch, Milch, Butter, Curry, Salz,

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Pfeffer, Essig, Weißbrot, Aprikosenmarmelade, Mandeln, Eier,

Lorbeerblätter.

Gleich neben dem botanischen Garten ist die Auffahrt zum

Worcester Golf Course, auf dem wir schon oft gespielt haben.

Einmal im Jahr mindestens. Als wir zum ersten Mal 2003 in Südafrika

einen Golfurlaub machten, hatte ich mir vorgenommen,

mit Regine zusammen, alle Plätze im Kapstadtgebiet wenigsten

einmal zu spielen. Spitzenplätze und Bauernplätze. 18-Loch-Plätze

und 9-Lochplätze. Worcester war mit auf der Liste.

Für die deutschen Golfurlauber war damals Worcester ein Geheimtipp.

Nicht wegen seiner Schönheit, eingebettet in hügeliges

‚pristines‘ Halbwüstenland mit Wassertümpeln an jedem zweiten

Loch, sondern wegen den niedrigen Aufnahmegebühren für

eine Mitgliedschaft. Das Vorlegen eines Mitgliedkärtchen in einem

südafrikanischen Klub, reduziert in der Regel die Spielgebühr

(Greenfee, die zu bezahlende Gebühr für eine Runde) in

anderen Clubs um 20 bis 35 %.

Golfer können sehr knickrig sein. Es gibt Leute, die ihren verschlagenen

Ball im Gestrüpp eine Viertelstunde lang suchen,

ungeachtet der Gefahr, dass eine äußerst giftige Schlange, um

sich zu tarnen mit einer Zeichnung wie verwelktes Laub, unbeweglich

lauert. Getreten, beißt sie blitzschnell zu. Die Puffotter.

Dabei kann man gebrauchte Bälle im Pro Shop oder von den

Arbeitern auf dem Platz umgerechnet das Stück für 30 Cents

kaufen.

Wenn einer sich damit brüstet, wie billig er in Worcester Mitglied

geworden sei, überlege ich mir, ob ich mit ihm in einem

teuren Restaurant zum Essen gehen sollte. Wird er dann auch

am Trinkgeld sparen, das die einzige Einnahmequelle für die

zumeist nicht auf der Gehaltsliste des Restaurants stehenden farbigen

Kellner ist und in Südafrika zwischen 10 und 15 % betragen

sollte?

62


Das erste Mal haben wir dann 2005 in Worcester gespielt. Ich

hatte noch ein Ziehtrolley für meine Schläger. Es war von einer

besonderen Konstruktion, sah wie eine kleine Stalinorgel aus. Es

hatte sogar einen Sitz. Die Golfschläger waren in Röhren gesteckt.

Die Schäfte dienten als Lehne. Ein Südafrikaner erklärte mir stolz,

dass dies eine südafrikanische Erfindung und sonst nirgendwo

auf der Welt zu kaufen sei. Heute sind die Trolleys auf den Plätzen

so gut wie verschwunden.

Horst und Klaus, beide Langzeitgolfurlauber aus Deutschland,

waren unsere Spielpartner. Gleich am ersten Loch schoss Horst

seinen Ball in einen Teich. Er verzog sein Gesicht. Ballverlust.

Aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Am Ende des Spiels,

das sich über vier Stunden hinziehen sollte, hatte er 22 Bälle im

Wasser versenkt. Man musste ihm nur zurufen: „Horst, pass auf!

Auf der linken Seite ist ein Teich!“ und schon bog sein fliegender

Ball, wie von einem Magneten angezogen, auf das Wasser zu,

um mit einem plätschernden Aufschlag darin zu versinken.

Er schnaubte: „Nie wieder werde ich diesen Platz spielen.“

Klaus hingegen spielte wie ein Profi. Er verkniff sich einen Kommentar.

Der Platz wurde von Gary Player, ein 1935 in Johannesburg

geborener südafrikanischer Profi-Golfspieler, entworfen. Weltweit

sind es über 300 Golfanlagen, die seine Handschrift tragen.

Gary Player und Jack Nicklaus sind wohl die bekanntesten Golfplatzdesigner,

beides natürlich ehemalige Golfchampions. Jack

Nicklaus, geboren 1940 in den USA, ist sogar mit 18 Major-Siegen

der erfolgreichste Golfspieler der Golfgeschichte.

Und das Loch 4 ist das schwerste und vielleicht das schönste

auf diesem Platz. 400 Meter bis zum Loch. Klaus schlägt ab,

ungewöhnlich für einen so guten Spieler mit einem 3 er Hybrideisen,

mit einem Schläger, den er sich vor einigen Tagen zugelegt

hat, und den er einfach ausprobieren muss. Der Ball fliegt und

63


fliegt und landet tief unten im Tal. Nochmal den Hybrid und der

Ball rollt aufs Grün. Zwei Schläge mit je 200 Meter. Er nimmt

seinen Putter mit dem überdimensional dicken Griff und der Ball

rollt ins Loch. Drei Schläge. Ein Birdie! Horst verzieht sein Gesicht

zu einem erzwungenen Lächeln, das Anerkennung ausdrücken

sollte. Es gelang ihm kaum, denn er brauchte zum Einlochen

12 Schläge. Diese Erinnerungen kamen auf, als ich das einfache

Clubhaus wiedererkannte.

Doch wir fahren weiter. Wir verlassen die N1 und biegen in

die R60 ein, die uns nach Robertson führen soll zu der in Südafrika

legendären Straße ‚Route 62‘. Die Fahrt auf der R60 hat nichts

Spektakuläres zu bieten. Ebenes Gelände. Trocken und steppenartig,

eben die Kleine Karoo. Aber hin und wieder taucht ein

grünes Weinfeld mit saftigen Reben auf. Nicht weit fließt eben

der Breederiver vorbei, der eine Bewässerung ermöglicht. Doch

je näher wir der Stadt kommen, umso mehr Reben entdecken

wir. Wir nähern uns dem ‚Madeba Weingut‘, das dem Pionier und

einem der reichsten Männer Südafrikas gehörte, Graham Beck.

Es ist eines der Weingüter, in dem die berühmten Graham Beck

Weine gekeltert werden.

Das Weingut erstreckt sich über ein ausgedehntes Tal und wird

durch die Flüsse Breede und Finch in zwei Hälften unterteilt und

seitlich von dem majestätischen Bergzug, den Langeberg Mountain,

flankiert. Die beiden sich auf dem Weingut befindenden

hochmodernen Weinkeller zeigen eine attraktive und neuartige

Interpretation einer avantgardistischen Architektur. Orangefarbene

Wände und ein langes, geschwungenes, grünes Dach verschmelzen

auf wunderbare Art mit der umliegenden Landschaft,

während die Innenanlagen reichlich das tiefrote Purpur der einheimischen

Vygie (eine indigene rot blühende Pflanze), das Dunkelgrün

der Fynbospflanzen und das Orange von Sand und Bo-

64


Weingut ‚Madeba‘ Graham Beck

Graham Beck als Hundeliebhaber

Graham Beck Brut

65


den des Klein-Karoo-Gebietes widerspiegeln, wie mir von einem

früheren Besuch noch in Erinnerung ist.

Graham Joshua Beck kurzgefasst:

Geboren 05-12-1929 in Südafrika. Gestorben 27-07-2010.

Graham Beck war Gründer der ‚Graham Beck Wines‘ und ein

Pionier als südafrikanischer Winemaker. Er war auch Vorsitzender

der Kangra Coal Limited und Welgedacht Exploration Limited,

die Leistungen für die Kohleindustrie in Südafrika erbrachten.

Er besaß mehrere Weingüter, wobei Madeba mit seinen 169

Hektar das größte ist. Die Kangra Gruppe übernahm 2010 dann

sogar das geschichtsträchtige Steenberg Wein- und Golfestate an

den südlichen Ausläufern des Tafelbergs, eine der ersten Adressen

am Kap.

Graham Beck wurde als ‚South Africa’s Sparkling Wine King‘

bezeichnet. Pieter Ferreira, seit 1990 sein Kellermeister, galt als

bester südafrikanischer Schaumwein-Spezialist. Man sagt ihm

nach, er habe ‚Bläschen im Blut‘ und deshalb trüge er auch den

Spitznamen Mr. Bubbles.

Die feine ‚Perlage‘ hat prominente Genießer. Im Jahre 1994

feierte Nelson Mandela mit dem Graham Beck Brut seine Amtseinführung.

Michele Obama wählte zum Anstoßen auf den Wahlsieg

ihres Mannes im Jahre 2009 den Graham Beck Brut Cap

Classique Sekt 2005, für den die Weinsorten Chardonnay und

Pinot Noir die Grundweine darstellen. Der Kalkboden in dieser

Region der ‚Kleinen Karoo‘ ist für den Chardonnay in besonderer

Weise geeignet. Ein Wahlspruch der Graham Beck Winemaker

ist: ‚Qualität ist nicht das Ziel, es ist eine Reise.‘

Graham Becks letzter Wunsch war eine Bestattung in Jerusalem,

seinem jüdischen Glauben huldigend.

Wir kommen in das Städtchen Robertson, Brandy-Hauptstadt

Südafrikas, aber auch Schampus MCC nach Champagnerart und

einen fantastischen Cabernet Sauvignon kann man hier genie-

66


ßen. Das Tor zur Route 62. Es wurde 1853 gegründet und benannt

nach dem schottischen Pastor William Robertson. Hier

wurde schon damals Landwirtschaft betrieben, aber auch Wagenbauer

waren ansässig. Dieser Berufszweig kam zum Erliegen,

als mehr und mehr auf der Schiene transportiert wurde.

Auf der Durchfahrt sehen wir ein Hinweisschild ‚Robertsson

Winery‘ mit dem Logo RW. Das muss der Weinkeller für eines

der umsatzstärksten Weingüter der Region sein. Aber wir halten

vergeblich Ausschau nach einem Herrenhaus mit kapholländischer

Architektur, mit einem Giebel und reetgedeckten Dach.

Bei einer unserer Partys vor Jahren hatte ich eine hübsche junge

Dame in Zevenwacht kennengelernt. Mrs Niemann mit ihrem

Mann. Als Tischnachbarin erzählte sie mir voller Stolz, dass sie

für den Vertrieb der RW Weine eingestellt worden sei und das

ganze Land bereise. Die Robertson Winery habe für den Cabernet

Sauvignon von Platters 4 Sterne bekommen, was wenige Rotweine

in Südafrika bisher geschafft hätten.

Am nächsten Morgen stand eine Flasche, natürlich ein RW

Cabernet Sauvignon vor der Tür. Fünf Jahre gealtert. Barrique

ausgebaut. Ich habe selten einen solch vollen Cabernet getrunken,

der den Gaumen füllte und eine tiefrote Farbe hatte, die das

bauchige Weinglas zum Leben erweckte.

Aber in dieser Gegend gibt es natürlich noch viele andere Weingüter,

manche sogar mit einem traditionellen kapholländischen

Herrenhaus. Eines, das noch erwähnenswert erscheint, ist die

Rooiberg Winery. Afrikas größter roter Stuhl steht vor den Toren

dieses Weinguts als weithin sichtbarer Blickfang. Flaggschiffweine

sind der preisgekrönte Sauvignon Blanc, Cape White, der

Rooiberg Pinotage, der rauchige Shiraz und der Muskateller.

Das nächste Städtchen ist Montagu, eines der vielen an der

R62, die entlang der Strecke wie Perlen aufgereiht sind. Zuerst

müssen wir den Cogman‘s Kloof Pass über die ‚Langeberge‘ über-

67


Rooiberg Winery

queren, der heute gut ausgebaut ist. Die Straße folgt dem Kingna

Fluss, der vor dem Ausbau häufig für Überschwemmungen sorgte

und die Überquerung mühsam machte, manchmal sogar verhindern

konnte. Das Erreichen von Montagu war damals beschwerlich.

Die Ochsenwagen versanken oft im Schlamm und

manchmal war der beste Weg das Flussbett, aber auch da versanken

die Räder. Cogman war ein Khoikhoi Fürstentum, bevor die

weißen Einwanderer das Land ab 1725 zu besiedeln begannen

und die Ureinwohner, hauptsächlich durch eingeschleppte Krankheiten,

wie z. B. die Masern, gegen die sie keine Abwehrstoffe

wie wir in Europa im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hatten,

dezimiert und letztlich auch vertrieben wurden.

Der Pass wurde unter der Leitung von Thomas Bain gebaut,

Sohn des legendären Andrew Geddes Bain. Er setzte so die Tra-

68


Kurzer Tunnel am Cogman‘s Kloof Pass

Hardys Restaurant in Barrydale

69


dition seines Vaters in gekonnter Weise fort. Die unterbrochenen

Arbeiten wurden im Jahr 1873 wiederaufgenommen. Vorteilhaft

erwies sich, dass jetzt in begrenzter Menge Dynamit zum

Sprengen des harten Felsen eingesetzt werden konnte, natürlich

viel effektiver als das bisher verwendete Schießpulver.

Montagu hat eine Kirche, die nie fehlen wird, auch bei sehr

kleinen Städtchen. Die ‚Burghers‘ nehmen ihren Glauben ernst.

Die Dutch Reformed Church. Vielleicht ist die Strenge des ‚Calvinismus‘

in ihrem Glauben gelegentlich zu spüren.

Der Ursprung von Montagu war 1851 die Farm ‚Uitvlugt‘ (übersetzt

etwa ‚weit draußen gelegen‘). Die Stadt zeichnet sich durch

ihre heißen Heilquellen aus (bis 45 °) und ihre malerische Bergkulisse.

Landwirtschaft wird großgeschrieben. Getreidefelder

wechseln sich mit Weinreben und Obstplantagen ab.

Vielleicht habe ich es noch nicht erwähnt, dass meine Frau

Regine den in die Jahre gekommenen Toyota steuert. Dadurch

kann ich ungestört beobachten, was sich links und rechts der Straße

tut, und gelegentlich einen Blick in einen Reiseführer werfen.

Sie fährt nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam, hat eine

schnelle Reaktion und messerscharfe Augen. Ich glaube auch, dass

ich ein guter Beifahrer bin, mindestens sagt sie das hin und wieder.

Ratschläge und andere Kommentare erspare ich mir und ihr.

Bei manchen unerwarteten Bremsmanövern, bremse ich

allerdings unwillkürlich auf meiner Seite mit. Jahrelanges Autofahren

hat mich eben auch geprägt.

Die Route 62 wird gelegentlich mit der berühmten Route 66

im Mittleren Westen der USA verglichen. Man kommt hier wie

dort an kleinen, ländlichen, idyllischen Orten vorbei, die zu einer

Pause einladen. Zum Beispiel in Barrydale, Ladismith oder im

‚Die Dorpshuis‘ in Calitzdorp, bis man schließlich die Stadt der

Strauße Oudtshoorn erreicht. Wir übernachten in einem Guesthouse

am Fuß des Swartbergs nördlich der Stadt mit dem schö-

70


Auf der langen Fahrt eine Pause einlegen und ein Eis essen

71


nen deutschen Namen ‚Altes Landhaus‘. Es ist nach südafrikanischem

Standard ein Fünfsterne-Gasthaus für höchstens zwölf

Gäste mitten in Obstplantagen. Jetzt sind die Pflaumen reif, alle

faustgroß, ‚ready to eat‘. Ein wundervoller Garten umgibt die

Anlage in unverfälschter Natur, ohne Straßenlärm, nur die Vögel

zwitschern. Versteckt hinter Bougainvilleenbüschen, entdecken

wir einen kleinen Swimmingpool. Da kommt der Waiter schon

mit einem Korb voller violettfarbenen Pflaumen. Allein der Anblick

genügt schon, um einem das Wasser im Mund zusammenlaufen

zu lassen. Der Schwarze hatte ein breites Lächeln, eingerahmt

von weißen Zähnen. Man sah ihm an, dass er uns etwas

erzählen wollte. Ich fragte ihn also:

„Swartberg heißt doch der Schwarze Berg? Warum?“

„Sir, bei Regen im Winter, wenn kein Schnee liegt, bekommen

die Felsen ein düsteres, schwärzliches Aussehen. Fast angsteinflößend.

Es gibt einige mysteriöse Geschichten, die unsere Leute

erzählen. Von ‚way back‘ überliefert.“

„Erzählen Sie,“ munterte ich ihn auf.

„Ein alter Mann hatte eines Tages den beschwerlichen Aufstieg

auf sich genommen, um nach Wildhonig zu suchen. Er war

erfolgreich gewesen und hatte seinen Krug schon gefüllt, als ein

dichter Nebel aufzog. Er verlor die Orientierung, denn ausgetretene

Wege gab es damals noch nicht. Er schlitterte auf den regennassen

Steinen und stolperte den Abhang hinunter, als er

plötzlich den Halt unter den Füßen ganz verlor. Durch eine Öffnung

im Boden fiel er einige Meter tief in eine Höhle, verletzte

sich dabei aber nur leicht, die sich im schwachen Licht durch die

Öffnung herabfallend als eine ungewöhnliche Kathedrale entpuppte.

Er schaute sich verwundert um. Überall weiße Gestalten,

die in bizarren Formen vom Boden herausragten und auch

von der Decke herabhingen. Sie tropften, als ob sie weinen würden.

Sie leben doch nicht. Es sind nur Steine, sagte er sich. Trotz-

72


Altes Landhaus am Fuß des Swartbergs

Am Frühstückstisch im Alten Landhaus

73


dem lief ein Schauer seinen Rücken hinunter. Die Höhle war wie

ein kaltes Zauberland mit einer Architektur, die sich das menschliche

Gehirn nicht ausdenken konnte, geschweige denn gestalten.

Nur die Natur konnte solche Formen bilden. Endlose Labyrinthe

nach allen Seiten. Und dann das beunruhigende Rauschen

von unterirdischen Flüssen.

Wo war er gelandet? Was hatte das zu bedeuten?

Er irrte in der Höhle umher nach allen Richtungen, doch es

war nun finster, weil weiter innen in der Höhle die obere Öffnung

für den Lichteinfall fehlte. Einige Tage verbrachte er damit,

einen Ausgang zu finden. Erst sang er laut, um seine Angst

zu übertönen, wie ein Kind, das durch einen dunklen Wald läuft.

Dann wurde seine Stimme zu erstickten Schreien, die hundertmal

widerhallten und ihn selbst erschreckten.

Die ursprüngliche Öffnung, die er wieder entdeckt hatte, konnte

er an den messerscharfen, gezackten Wänden nicht mehr erklimmen.

Sollte er in dieser Höhle verrecken, elendig verhungern?

Der Honig war zunächst seine Rettung, Wasser hatte es in der

Höhle ja genug.

Nach tagelangem Umherirren, fand er schließlich einen Ausgang,

zwischen Felsvorsprüngen verborgen. Als er das Tageslicht

wieder erblickte, war es dunkel in seinem Geist geworden. Er

hörte überall nur noch den Widerhall seiner von Todesangst geprägten

eigenen Stimme, seiner Schreie. Er erzählte wirres Zeug,

wenn er von seinen Stammesgenossen gefragt wurde.

Er erzählte von wunderschönen Kirchen, Kathedralen und von

versteinerten weißen Menschen, die aus dem Boden zu wachsen

schienen und die von der Decke herabhingen. Mitleidig schüttelten

seine Zuhörer nur noch mit ihren Köpfen und hörten ihm

schließlich gar nicht mehr zu. Er hatte offensichtlich seinen Verstand

verloren.

Doch wir vermuten heute, dass er in die Cango Tropfstein-

74


höhlen gefallen war und in den Stalagmiten und Stalaktiten tote

Menschen herabhängend und aufgestellt in einer großen Kathedrale

sah. Das Wort Cango soll übrigens aus der Khoisan Sprache

kommen und ‚Wasser zwischen den Hügeln‘ heißen.

In dieser großen heute zugänglichen Kathedrale werden heute

bei bengalischer Beleuchtung gelegentlich Konzerte gegeben, bei

einer natürlichen Akustik, die wahrscheinlich nur solche Höhlen

bieten können. Die Cango Kathedrale soll größere Ausmaße haben

als die des Kölner Doms, so behauptete zumindest ein deutscher

Tourist, den ich durch die Höhle führen durfte. Manche

Zuhörer sollen bei einem solchen Konzert in einen solch emotionalen

Zustand verfallen, dass sie meinen, nach Verklingen des

letzten Akkords noch im andauernden Widerhall die unheimlichen

Schreie des Verirrten heraushören zu können.

Wie Sie sicher wissen sind die Cango Tropfsteinhöhlen die erste

Sehenswürdigkeit in unserer Region und sie sind die größten in

Südafrika.

Die riesigen Tropfsteinhöhlen wurden 1780 entdeckt. Über

40 km lang sind ihre verzweigten Gänge, wovon für die Allgemeinheit

nur 1,2 km zugänglich sind. Die Höhle ist immer noch

nicht gänzlich erforscht.“

Er holte nach seinen Ausführungen tief Luft. Ich war erstaunt

über sein Wissen. Sicher hatte er diese abenteuerliche Story heute

nicht zum ersten Mal erzählt.

Nicht weit von hier verläuft die R328, die 30 km ungeteert, als

bei Regen nicht zu befahrende Schotterpiste, direkt über den

Swartbergpass von Oudtshoorn nach dem verträumten Prince

Albert mit seinen historischen Gebäuden und gastfreundlichen

Einwohnern führt. Er soll einer der spektakulärsten, nicht geteerten

Pässe von ganz Südafrika sein. Sie dürfen raten: zwischen

1881 und 1886 von Thomas Bain geplant und von Strafgefangenen

gebaut.

75


Blick auf den Indischen Ozean vom Traumhaus des Hubert Auer,

‚Auers Rock‘ in Wilderness, davor die Touw-Lagune

Ein Freund von uns hatte den Pass mit seinem alten Mercedes,

Baujahr 1975, überquert. Er berichtete, dass die Räder mehrmals

durchdreht hatten. Die Gefahr bestand, dass das Fahrzeug an

manchen Abschnitten ganz zum Aufsetzen kam. Naja, bei dem

Zustand seines Wagens, dessen Stoßdämpfer ausgeleiert waren

und ihre Aufgabe schon lange nicht mehr erfüllen konnten, war

die Fahrt ganz schön mutig gewesen.

Die Swartbergkette trennt die Kleine Karoo im Süden von der

großen im Norden. Hinter jeder der vielen Kurven verbirgt sich

ein neuer Ausblick auf bizarre Felsformationen in unbeschreiblichen,

braunen Farbnuancen, wie sie nur die Natur schaffen kann

und vielleicht auch nur in einer solchen Gegend.

Aber auch wir sind den Pass im Jahre 2005 bei unserem ersten

Urlaub, den wir damals an der Gartenroute verbrachten, gefah-

76


ren. Allerdings hatten wir einen Toyota Carolla, einen Mietwagen

mit Vorderradantrieb. Die Schotterpiste ist heute vielleicht etwas

besser ausgebaut, aber damals rutschte der Wagen, natürlich leichter

und besser zu steuern als der schwere Mercedes unseres Freundes,

hin und wieder auf den glatten Steinen seitlich weg und Regine

bat mich, das Steuer zu übernehmen. Sie meinte, dass ich

die besseren Nerven hätte, was ich natürlich bezweifelte.

Wie wir an die Gartenroute kamen? Hoffentlich wird jetzt meine

Schilderung nicht zu ausführlich.

Die Bekannten, die mit ihrem Mercedes den Pass gefahren

waren, hatten uns erzählt, dass sie einige Wochen in Wilderness

in einem wunderbaren Haus mit einer unvergleichlichen Aussicht

über das Meer verbracht hatten. Wir traten mit dem Hausbesitzer

in Verbindung und mieteten nach dieser Empfehlung das Haus

für einige Wochen. Das war im südafrikanischen Sommer 2005.

Die Südafrikaner kommen ins Schwärmen, wenn der Ressortort

Wilderness erwähnt wird, so wie ein Hamburger bei dem Wort

Sylt. Wilderness liegt an der Gartenroute am Indischen Ozean,

nicht weit von George entfernt, etwa 400 km östlich von Kapstadt.

Kurz vor Wilderness mit dem Auto kommend, fuhren wir

durch eine tiefe, kurvenreiche Schlucht. Danach über die vor uns

liegende Brücke, die den Kaaiman-Fluss überspannt. Er fließt träge

dahin zwischen hoch aufragenden Hügeln, deren Abhänge mit

dichten, mit Schlingpflanzen überwucherten Laubbäumen bewachsen

sind, die wie Trauerweiden auf uns wirkten, nur eben

saftig grün. Regentropfen glitzerten in der Sonne, fielen träge

von den an den Bäumen hängenden Lianen auf die Farne am

Waldboden.

Es ist ein echter Regenwald, den wir hier niemals vermutet hätten.

Dieses leuchtende Grün schmeichelt dem Auge. Ich nahm

die Sonnenbrille ab, um dieses Grün auf mich einwirken zu las-

77


Swartbergpass

sen. Dieses Grün erinnerte mich irgendwie an meine Jugend, als

ob ich damals die Farben intensiver wahrgenommen hätte.

Der Kaaiman kommt von den Outeniqua Bergen, die sich hinter

George erheben. Oft sind sie in Wolken eingehüllt, versperren

ihnen den Weg in die dahinterliegende Kleine Karoo mit dem

Swartberg, der im Sommer keinen Regen oder Nebel kennt. In

der Sprache der Ureinwohner, der Khoisan, heißt Outeniqua „Männer,

die Honig tragen“.

Hier scheint eine Verbindung zu dem Unglücklichen zu bestehen,

der in die Kathedrale gefallen war. Er war ja auch auf der

Suche nach Honig.

Einer der vier Golfplätze von Fancourt, die wohl bekannteste

Golfdestination Südafrikas am Fuß dieser Berge, erhielt dann auch

den schönen, aber für uns fast unaussprechlichen Namen Quteniqua.

Die ganze Fancourt Anlage gehört übrigens Frau Plattner, der

Frau des Mitbegründers des deutschen Softwaregiganten SAP.

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Braun- und Grüntöne

Wenn man als Golfer in Südafrika war und zu Hause davon erzählt,

wird man von Kennern sicher gefragt:

„Haben Sie auch in Fancourt gespielt? Den Outeniqua-, den Montagu-

oder gar den Links-Course, alle mit der Handschrift von Gary

Player? Auch Bramble Hill?“

Die nächste Kurve gab den Blick auf Wilderness frei. Atemberaubend.

Der breite goldgelbe Strand liegt unter der Glocke des

blauen Himmels vor uns, verliert sich in der Weite, löst sich auf

im Meer und in den Head-Hügeln von Pezula hinter Knysna. Von

weit draußen, wo Wale das Meer durchkreuzen und Delfine

miteinander spielen, kommen die Brecher herein, überschlagen

sich wieder und wieder mit schwerem, dumpfem Getöse, sodass

man sogar im Auto sitzend meint, die Erde unter einem würde

beben. Der ganze Strand scheint in weißen Wellenbrechern unterzugehen.

Weiße Gischt steigt auf. Salznebel schweben in der

Luft. Selbst die mächtigsten Wellen gehen in diesem Weiß unter,

haben keine eigenen Konturen mehr.

Dieses weiße Erlebnis, dieser Anblick stehen für Wilderness mit

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Golfplätze an der Gartenroute

= Golfplätze (18 Loch)

= Ortschaften

Oudtshoorn

Oudtshoorn Golf

Outeniqua Bergkette

Regensperre nach Oudtshoorn

Fancourt (Outeniqua, Montegu, Links und

Bramble Hill (aufgegeben)

George

George Gol f

Kingswood Golf

Pinnacle Point

Mosselbay Golf

Mosselbay

Oubaai Golf

Wilderness

Nationalstraße N2

Indischer Ozean

Knysna Golf

Simola Golf

Knysna

Pezula Golf

Plettenberg

Goose Valley Golf

Plettenberg

Gol f

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dem zutreffenden Beinamen „Juwel der Garden Route“. Es ist

genau dieser Blick aufs Meer, der den Preis für Baugrundstücke

hochtreibt, das weiß jedes Kind. Aber unser Schweizer Freund

René sagt:

„Wenn weiße Gischt zu sehen ist, kann auch ein Europäer in

dem für ihn so billigen Südafrika ein solches Grundstück nicht

mehr bezahlen.“

Aber zunächst mussten wir uns für das Anmieten von dem

herrlichen Haus ‚qualifizieren‘. Hubert Auer, Österreicher und

schon Jahrzehnte als Bauunternehmer in Südafrika tätig, hatte

sich zum Ziel gesetzt, ein Haus nach seinen Vorstellungen in der

besten Aussichtslage von Wilderness zu bauen. Er nannte es Auers

Rock, wahrscheinlich als Wortspiel auf den australischen Ayers

Rock gedacht. Er erfüllte sich mit diesem Bau einen Jugendtraum.

Zweistöckig, aus Klinkersteinen fachmännisch gemauert, mit einem

flach geneigten Giebeldach, mitten im Regenwald an die

Felsen angeschmiegt, fügt es sich nahtlos in die Landschaft ein.

Mit einer Traumsicht über den Regenwald, die Lagune, die Dünen

von Wilderness und das Meer. Mit starken Farben, wie sie

nur von der südafrikanischen Sonne hervorgebracht werden können.

An der Einrichtung hatte er nicht gespart. Er hatte alte Stilmöbel

aus Österreich importiert und deshalb wollte er zuerst die

Mieter kennen lernen, um einigermaßen sicher zu gehen, dass sie

auch sorgsam mit seinem Eigentum umgehen werden. Seine Einstellung

war: Am besten lernt man die Menschen bei einem Golfspiel

kennen.

Er lud uns zum Golfen auf den altehrwürdigen Platz von George

ein. Alter dichter Baumbestand. Parkähnliche Anlage, mit

dazwischenliegenden Seen. Urwaldartiges Ambiente, Blumen,

Blüten, Farne, Lianen, Vogelgezwitscher.

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„Wie gefällt Euch dieser Platz? Die alten Engländer wussten,

wie man Golfplätze baut. Schon 1886 gegründet. Dies ist mein

Heimatplatz,“ sagte er und schlug ab.

Er ist kräftig gebaut. Schlägt weit. Seine blauen Augen strahlten.

Er erinnerte mich an jemanden. An John Wayne? Nicht ganz

so groß vielleicht, aber genauso ein Naturbursche.

Bei meinem nächsten Schlag flog ein großes Grasbüschel aus

dem Boden. Er beobachtete mich, ob ich das Büschel samt der

Erde an der Ausschlagstelle wieder einsetzte und festtrat, wie sich

das für Golfspieler gehört. Nach dem Spiel sagte er trocken, dass

wir uns für das Mieten seines Hauses qualifiziert hätten.

Wieder haben wir etwas dazugelernt. So kann man auch die

Sorgfalt eines Menschen testen, wie er mit Dingen umgeht, die

ihm anvertraut sind, aber nicht gehören. Wir fuhren zum Haus,

Beispiel eines Federpalasts in Oudtshoorn

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Gefärbte Straußenfedern sind heute noch gefragt

Das C.P. Nel Museum in Oudtshoorn

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einer schmalen, gewundenen Straße folgend. Abgelegen, einsam

am Hügel, hoch über Wilderness.

Wir öffneten das Einfahrtstor, stellten den Corolla unter der

Terrasse ab. Stiegen die Stufen zur oberen Etage hoch. Die riesige

Terrasse, mit warmen, roten Klinkersteinen ausgelegt, überraschte

mit einem kleinen Swimming-Pool, dessen Wasseroberfläche

sich von der arbeitenden Umwälzpumpe kräuselte. Die

Fenster des Hauses gingen bis zum Terrassenboden herunter. Wir

lehnten uns über das Geländer. Die frische Brise vom Meer blies

uns ins Gesicht. Tief unter uns liegt der Regenwald, dicht, fast

unheimlich. Ist das nicht ein Gummibaum? Seine Blätter sind

riesig, sie schimmern, als wären sie mit Wachs poliert. Vögel

zwitscherten, hüpften aufgeregt hin und her. Flog dort nicht einer

der roten, selten zu sehenden Knysna Papageien? Schmetterlinge

schwebten in bunten Farben von Baumkrone zu Baumkrone.

Unser Blick glitt über die Lagune, über die Häuser von Wilderness

mit den bunten Dächern, bis er sich in den weißen Schaumkronen

des Indischen Ozeans verlor. Das dumpfe Überschlagen

und Heranrollen der Wellen dröhnt bis hierher. Noch nie hatte

ich eine solche Sicht von einem Wohnhaus aufs Meer gehabt.

Auch nicht von dem Haus eines Allgäuers, der mich in früheren

Jahren zu sich über den Hügeln von Santa Barbara in Kalifornien

eingeladen hatte und behauptete, dass der Blick von hier über

den Pazifik der schönste sei, den es auf der Welt gäbe.

Diese Aussage hatte sich in mein Gehirn eingebrannt. Dieser

Blick war bisher für mich das Nonplusultra aller Aussichten gewesen.

Doch dieser hier von diesem Haus? Überbot alles, auch

Santa Barbara.

Wir fühlten uns in dieser Umgebung prächtig und verbrachten

hier vielleicht die schönsten Tage unseres bisherigen Zusammenseins.

Nun gut, der Einführung genug. Eines Tages, es hatte leicht zu

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regnen begonnen, entschlossen wir uns kurzerhand den nördlich

gelegenen Swartbergpass zu erkunden. Nach dem Quteniqua Pass

hellte es sich sofort auf, keine Wolke mehr am Himmel, abgefangen

von der Bergkette, in Wilderness noch Regenwald, 40 km

weiter nur noch trockene Savanne auf der die Strauße noch die

letzten Graswurzeln aus der vertrockneten Erde mit ihren knorrigen

Schnäbeln ziehen, deren hässlicher Anblick noch von ihren

Beinen und hornigen Krallen übertroffen wird. Ein Schlag mit

diesen Füßen, richtig ausgeführt, kann einen Menschen lebensgefährlich

verletzten, wie man sich leicht vorstellen kann. An

Oudtshoorn vorbei und die Schotterpiste lag vor uns, die uns

über den Swartberg führen sollte. Die R328.

Wie gesagt hatte ich das Steuer übernommen. Wichtig beim

Fahren, gefühlvoll, wenig Gas geben, dann kommt der Wagen

nicht so schnell ins Schlittern bei der steil ansteigenden Piste.

Manche glauben allerdings, dass man eher mit durchgetretenem

Pedal fahren solle und so die Schlaglöcher besser bewältigen könne.

Da kommt auch schon wieder einer angebraust. Mit dröhnendem

Motor. 40 Jahre alt wird er sein, in einem älteren Cabrio.

Neben ihm eine junge Blondine, die bei jedem Satz, der der Wagen

macht, laut aufjauchzt. Der Vierzigjährige will ihr noch beweisen,

was für ein Kerl er ist, was vielleicht nur noch mit der PS

Zahl des Wagens möglich ist. Ein Anblick, der sich schon lange

in meinem Kopf abgespeichert hat. Die zweite Jugend bricht aus.

Angeber Gehabe.

Mich ärgerte aber die Staubwolke, die das Gefährt produzierte.

Hunderte von Metern lang. Und wir sollen der folgen.

Doch schon kommen die ersten Kehren. Eng, bei schmaler

Straße, steil. Abgrund auf der linken Seite. Soll das 30 km so

weitergehen, bis wir den Pass dann überquert haben? Hinter jeder

Kurve begeistert eine andere Steinformation in einer Palette

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von braunen Farbtönen, die in der Sonne zu vibrieren scheinen.

Aufsteigende flimmernde Luft? Heiß ist es, vierzig Grad? Die

Klimaanlage arbeitet am Limit. Zu klein ausgelegt für dieses Klima.

Aber für den Vierzigjährigen mit dem Dreitagebart und seinem

Draufgängertum beginnt das Problem. Der Kühler seines

Wagens kocht. In einer etwas weiteren Kehre steht dann sein Wagen

zischend und dampfend. Wasser bräuchte er jetzt, um den

Kühler aufzufüllen, sonst wäre sein Ausflug mit seiner Begleitung

zu Ende. Ihr Jauchzen hat aufgehört. Feilt sich die Nägel.

Wir können den Fünfliterkanister Wasser entbehren. Eigentlich

zum Trinken und nicht zum Auffüllen eines Kühlers. Das

Durchdrücken des Pedals lohnt sich also doch nicht immer.

Wir fahren weiter und genießen die Ausblicke. Wir erreichen

den höchsten Punkt. Etwas 1600 m ü. M. Hier geht eine Schotterpiste

ab nach Gamkaskloof (‚Die Hel‘, die Hölle). Sie soll 50 km

lang sein und entlang des Swartbergkammes führen. Allradantrieb

ist angesagt, wenn man dieses Abenteuer wagen will. Ein

Motorrad oder ein Mountainbike? Am Ende soll die Piste in einem

grünen, fruchtbaren Tal enden. Erst 1962 wurde Gamkaskloof

durch diese Piste zugänglich.

Das Hochplateau haben wir jetzt hinter uns gelassen. Wir kommen

durch eine enge Schlucht mit rotem Felsgestein, das wieder

andere Farbnuancen bietet.

Dann sehen wir das Städtchen Prince Albert vor uns liegen

und freuen uns schon auf einen kalten Drink und einen Kaffee.

Drei Stunden waren wir unterwegs. Wir sind auch langsam gefahren

und wir haben, das kann man sich denken, einige längere

Fotostopps eingelegt.

Nun bestand die Frage: Zurück nach Oudtshoorn wie auf dem

Hinweg über den Swartberg Pass oder die 70 km längere Strecke

durch die Meiringskloof Schlucht auf einer durchgehend asphal-

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tieren Straße am Rand der östlichen Ausläufer der Swartbergkette?

Wir wählen den längeren Weg. Spektakuläre Sicht. In weit angelegten

Serpentinen geht es die Schlucht entlang. Mit einem Zwischenstopp

an einem kleinen Wasserfall, wo klares, trinkbares

Wasser sich in einem Tümpel sammelt, ungewöhnlich, dass es im

diesem trockenen Sommer hier noch Wasser gibt, das aus einer

Quelle entspringt.

Schließlich gelangten wir nach Oudtshoorn. Einst berühmt als

die Straußenhauptstadt der Welt, liegt die Kleinstadt mitten in

der Weite der Karoo. Kaiser, Könige und die High Society

schmückten sich im 19. Jahrhundert mit Straußenfedern die hier

produziert wurden. Man denke nur an die Folies Bergère in jener

Zeit, die ihre Blößen damals mit wedelnden meist weißen Straußenfedern

zu verdecken suchten und dabei den Reiz für die männlichen

Zuschauer noch erhöhten.

Ich erinnere mich noch gut an jene Zeit, als wir in Oudtshoorn

ankamen. Wir waren Golfanfänger und jeder Platz reizte uns zum

Spielen. Wir hatten dann einige Jahre später, im Jahre 2008, den

Platz zum ersten Mal gespielt, als wir das Haus von Hubert, weil

es so außergewöhnlich war, nach einmal gemietet hatten.

Aber nicht nur aus diesem Grund, sondern auch weil die Gartenroute

von Mossel Bay angefangen bis Plettenberg zu einem

Golfplatzeldorado geworden war. Die Keimzelle kann der alte

Golfplatz von George, eine der größeren Städte an der Gartenroute,

gewesen sein. Ein einziger Park. Überall, wo englischstämmige

Weiße ansässig waren, sind frühzeitig Golfplätze in Südafrika

entstanden, der George Platz schon 1908.

So zählt der Mossel Bay Golfplatz auch dazu, der schon 1905

gegründet worden war. Im Jahr 2000 wurde dann Fancourt Golf

geplant und gebaut.

Wie bereits zuvor erwähnt, ist Fancourt eine der Topadressen

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für Golfer weltweit geworden. Vier Plätze wurden eröffnet. Outeniqua,

Montequ, The Links und Bramble Hill (Hügel der Brombeeren).

Auf den ersten drei Plätzen bekommt man nur eine Spielberechtigung,

wenn man Hotelgast der Anlage ist, zumindest war

das so, als wir dort waren. Den Bramble Hill Platz konnte man

jedoch gegen eine Benutzungsgebühr (Greenfee) spielen. Vor einigen

Jahren wurde er jedoch geschlossen, schade, denn damals

war es der Platz, den Regine und ich wegen seiner interessanten

Aufteilung am liebsten gespielt haben, bestimmt 30 Mal.

An der Gartenroute zwischen Mossel Bay und Plattenberg gibt

es inzwischen 14 Golfplätze, wenn man den Oudtshoorn Platz

hinzuzählt, der eigentlich in der Kleinen Karoo liegt. Einige davon

mit atemberaubender Topografie. Als herausragendes Beispiel gilt

Pinnacle Point. Fast jeder zu schlagende Ball muss eine Schlucht

überwinden. Das alles an Klippen dem Meer entlang.

Simola hingegen, etwas im Landesinnern, besticht durch seine

Aussichten in das weite Land, die einem das Herz öffnen können.

Pezula, schon zur Legende geworden, ist schon des Öfteren

zum schönsten Platz Südafrikas gekürt worden. Die Golfbahnen

gehen auch am Meer entlang. Manche haben Bunkerlandschaften,

die sicher manchen Golfer schon zur Verzweiflung getrieben

haben. Er ist so weitläufig angelegt, dass ein Elektrogolfcart

zum Fahren vorgeschrieben ist.

Ich habe mir die Mühe gemacht, eine Übersichtkarte zu zeichnen,

auf der die 14 Golfplätze mit einem blauen Kreis markiert

sind, weiter vorne in diesem Büchlein gezeigt.

Es war also nicht das Haus von Hubert Auer allein, das uns

wieder an die Gartenroute gezogen hat, sondern auch die einmaligen

Plätze, die uns schon beim ersten Mal so begeistert und

bleibende Eindrücke hinterlassen hatten. Aber es gab auch Schattenseiten.

Es regnet an der Gartenroute immer wieder, und

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manchmal tagelang ohne Unterlass. Golfen kann man dann vergessen.

Das Autokennzeichen für die Gartenroute ist auch CAW. Manche

bösen Zungen interpretieren das dann so: „cold and wet“.

Was tut man, wenn man nach dem Aufwachen aus dem Fenster

schielt und der Himmel mit Regenwolken verhangen ist? Kein

Golf heute? Es gibt einen Ausweg. Wir fahren nach Oudtshoorn.

Über den Outeniqua Pass, der wie eine Regensperre wirkt. Überquert

und die Sonne strahlt. Und der Oudtshoorn Golfplatz bietet

sich zum Spielen an.

Wie erwartet brannte die Sonne aus einem strahlend blauen

Himmel hernieder. Die stehende Luft trocken, staubig mit feinem

roten Sand. Das Clubhaus ist aus hochgebrannten roten

Klinkern gemauert. Die Fugen aus grauem Zement. Fußwege

rings herum aus demselben Material. Innen dunkel. Kleine Fenster,

Holzverkleidung mit dunkler brauner Farbe gestrichen. Klobige

dunkelbraune Batavia Fliesen. Mich würde es nicht wundern,

wenn sie noch aus den Anfangsjahren aus einem anderen

alten abgerissenen Federpalast stammten.

Theke nicht abgewischt, Bierflecken. Es riecht nach gebratenem

Speck und angebrannten Spiegeleiern. Der Barkeeper, gutgenährt

und richtig schwarz, grüßt uns freundlich, lacht breit.

Seine weißen Zähne strahlen. Er denkt wohl: Endlich wieder

einmal zahlende Gäste. Vielleicht fällt etwas Trinkgeld für mich

ab.

Ein geschnitztes Schild an der Wand informiert uns, dass es

diesen Golfclub schon seit 1906 gibt. Wir bezahlen für die Runde.

Kaum zu glauben, wie billig das Greenfee hier ist. Umgerechnet

fünf Euro pro Person. Wir sind auf den Platz gespannt.

Der Abschlag auf der ersten Bahn ist kaum zu erkennen. Nur

vertrocknetes Gras, zur Kennzeichnung des Abschlags eine blaue

Plastikkugel. Etwas weiter vorne eine rote für die Damen.

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Ameisenhügel überall. Kleine rote Ameisen, die sich nichts

gefallen lassen. Sie klettern flink meine behaarten Beine hoch.

Sie stechen, besonders dann wenn mein Golfeisen ihren Hügel

trifft. Hin und wieder ist ein Streifen grünes Gras zu sehen. Das

sollen die Fairways sein? Keine Teiche. Es gibt zu wenig Wasser,

dafür trockenes Rough und dahinter stacheliges Gebüsch. Ein

Ball, darin verloren, findet man nicht so schnell wieder. Man sucht

ihn auch besser nicht, denn es soll von Kobras wimmeln.

Wirklich keine Alternative zu den Plätzen, die wir bisher gespielt

haben. Hat sich der Ausflug wirklich gelohnt?

Aber für einen Botaniker vielleicht doch interessant. Akazien

stehen im Gelände weit verstreut. Erstaunlich grün. Ein Baum,

der sich wie kaum ein anderer an die Trockenheit gewöhnt hat.

Seine Wurzeln sollen bis 35 Meter tief ins Erdreich vordringen

und den letzten Tropfen Wasser finden. Auch einige Olivenbäume

sind angepflanzt, der in seinen Eigenschaften der Akazie nicht

nachsteht.

Tamarisken Sträucher sind auszumachen, die an ihren Blättern

Salzausblühungen haben. Und Fynbos überzieht einige Flecken

Erde. Natürlich nicht in der Vielfalt und in der Pracht wie auf

dem Golfplatz in Keinmond in der Nähe von Hermanus oder

auf der Kaphalbinsel, aber ein Botaniker erkennt vielleicht, dass

es hier eine besondere Sorte gibt. Manche Pflanzen dieser Gattung

haben hier sogenannte Tubes, das sind weißlich dicke Wurzeln,

die gekocht wie Kartoffeln schmecken und Kohlehydrate

enthalten.

Der Mensch braucht zum Überleben eben Kohlehydrate und

Proteine. Vor 140 000 Jahren sollen kurz nach der Eiszeit in Höhlen

an der Gartenroute bei an den Abhängen des Pinnacle Golfplatzes

Menschen auf der Flucht vor dem Eis überlebt haben.

Die Tubes sollen dabei eine wichtige Rolle gespielt haben, wäh-

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Regen in der Karoo bei Loxton

rend sie die Proteine von Muscheln in den Höhlen und vom Meer

bezogen haben sollen.

Diese Erinnerungen tauchten auf, als wir diesmal wieder von

der anderen Richtung in das Städtchen kamen. Oudtshoorn ist

immer noch das Zentrum der südafrikanischen Straußenindustrie,

die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Glanzzeit hatte. Von

dieser legen noch einige „Federpaläste“ der „Straußenbarone“

Zeugnis ab. Es war eine reiche Stadt, denn die Federn erzielten

damals hohe Preise.

Der Anteil der weißen Bevölkerung ist für eine südafrikanische

Stadt relativ hoch. Er liegt bei rund 13 %. 77 % sind Coloureds

und der Rest mit schwarzer Hautfarbe. Zu den Sehenswürdigkeiten

gehören neben den ehemaligen „Federpalästen“ das C.

P. Nel Museum im Stadtzentrum sowie einige Straußenfarmen

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außerhalb der Stadt. Die Gemeinde ist benannt nach Baron van

Rheede van Oudtshoorn, früherer Gouverneur des Kaps um 1770.

Die Stadt hat heute rund 80 000 Einwohner. Nicht zu übersehen

ist das C.P. Nel Museum in ‚der Baron van Rheede Straße‘. Das

markante Sandsteingebäude mit seinem aufragenden Uhrenturm

wurde im Jahre 1906 als Boys’ Highschool errichtet. Heute beherbergt

es ein Museum zur Stadtgeschichte von Oudtshoorn,

zur Straußenzucht und zum ländlichen Leben in der Karoo.

Wie man leicht erraten kann, ist die Straußenzucht auf den

Farmen rings um die Stadt immer noch ein wichtiger wirtschaftlicher

Faktor. Das Fleisch des Vogels ist begehrt und natürlich

auch die Federn, die in jüngster Zeit eine Art Renaissance erleben.

Und die Haut?

Das Straußenleder ist wegen seiner Noppenstruktur und seiner

Unverwüstlichkeit wertvoll für Taschen, Schuhe, Gürtel,

Geldbörsen, Möbel u.a. und hochpreisig angesiedelt.

In freier Wildbahn hat der Strauß natürlich auch Feinde. Geparden,

Löwen und Leoparden. Der Strauß rettet sich durch

Weglaufen. Er ist 70 km/h schnell und kann eine Geschwindigkeit

von 50 km/h eine halbe Stunde lang aufrechterhalten. Keine

der genannten Katzen kann das, obwohl sie im Angriffsmodus

schneller sind. Dem Strauß kommen seine großen Augen zugute.

Die größten aller Landlebewesen, auch größer als die eines Elefanten.

Mit seinem gestreckten Hals kann er einen Angreifer schon

in 3 km Entfernung ausmachen. Genug Zeit, um uneinholbar zu

fliehen. Die Männchen, Hähne genannt, haben ein schwarzes

Gefieder. Sie brüten in der Nacht, angepasst an die Dunkelheit.

Die Weibchen, Hennen genannt, tragen dagegen ein erdbraunes

Gefieder und brüten am Tag.

Wenn wir jetzt schon einmal in der Hauptstadt der Strauße

sind, sollten wir hier einmal ein Straußensteak probieren. In einer

Seitenstraße finden wir ein Restaurant: das Jemima’s.

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Vertrocknete Sträucher

Das Fleisch des Straußes hat einen ganz eigenen Geschmack,

etwas süßlich. Angeschnitten, zeigt es eine rötliche Farbe. Serviert

mit Couscous und Butternutgemüse. Es ist fest, durchgebraten

und trotzdem sehr zart. Es soll sehr gesund sein. Trotzdem,

nicht jedermanns Sache. Ein Filetsteak schmeckt mir besser.

Wir werden jetzt die N9 weiterfahren nach Graaff Reinet. Die

Strecke soll nichts Außergewöhnliches bieten. Über 300 km. Bestimmt

vier bis fünf Stunden. Trockene Savanne um diese Jahreszeit,

hin und wieder welliges Gelände. Kaum einmal eine Ortschaft,

auch keine kleineren. Diese Gegend bietet einfach keine

Lebensgrundlage für irgendwelche Bewohner. Zu trocken selbst

für eine bescheidene Landwirtschaft. Die Landschaft ähnelt der

von Matjiesfontein nach Sutherland oder der von Bloemfontein

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nach Loxton. Sutherland ist dem Leser schon aus früheren Berichten

vielleicht noch in Erinnerung. Dort stehen auf einer Anhöhe

von etwa 1500 m Höhe etwa 20 Observatorien, weil hier

die Bedingungen für die Beobachtung des südlichen Sternenhimmels

optimal sind. Im Umkreis von etwa 100 km gibt es nämlich

keine ‚Lichtluftverschmutzung‘.

Aber Loxton?

Dieser kleine Ort im Northern Cape hat nicht viel zu bieten.

Ein kleines Café, wo man auch Brot und Milch kaufen kann, wo

einige verlumpte Gestalten Karten spielen, einige kleine Häuschen,

verschlafen, eine kleine Kirche, wo sich die wenigen Bewohner

am Sonntagmorgen zum Gottesdienst treffen. Nicht

einmal eine Tankstelle hat es hier. Doch Loxton ist durch Deon

Meyer bekannt geworden.

Er ist der erfolgreichste südafrikanische Kriminalschriftsteller,

weit über die Grenzen Südafrikas bekannt, und er hat Loxton

entdeckt. Wenn er sich erholen will von seinem anstrengenden

Beruf (Schreiben unter dem Zeitdruck eines Verlags kann recht

nervenaufreibend sein), setzt er sich in Stellenbosch, wo er seine

Familie hat, kurzerhand auf seine BMW, genießt den warmen

Fahrtwind bei hoher Geschwindigkeit um die Ohren und ist in

wenigen Stunden in Loxton in seinem gewählten Hideaway-Versteck.

Von Gestalt ein Hüne, durch und durch ein echter Südafrikaner

mit dem unverwechselbaren Hintergrund als Bure. Er liebt

die Afrikaans Sprache und schreibt seine Bücher (überwiegend)

auch in dieser seiner Muttersprache. Bei einem Interview ließ er

verlauten:

„Eine Harley-Davidson möchte ich nicht fahren. Ihr tiefer rudimentärer

Sound, an eine Tuba erinnernd, mag für manche

Motorradfans wie Musik klingen, aber für mich ist das feine Geräusch

der BMW, nicht ganz so tief angesiedelt wie das der Harley,

wie ein Konzert von Mozart in meinen Ohren, meinem Lieb-

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lingskomponisten, generiert von perfekt eingeschliffenen Motorventilen,

und einer Laufkultur, die nur hohe Ingenieurskunst hervorbringen

kann. Eine BMW ist eben eine BMW.“

Loxton, auf einer Landkarte kaum zu finden, ist ein verlassenes

Nest in der Karoo etwa 100 km nördlich von der größeren

Stadt Beaufort West. Hier kümmert sich keiner um ihn. Er ist

sozusagen ‚unbekannt‘ geworden. Keine Reporter mit ihren Standardfragen:

„Wann erscheint ihr nächstes Buch? Wieder einmal

eine Benny Griessel Story?“

Er kann auf seine offene Terrasse sitzen, eine Dose Windhoek

Lager in der Hand, sich zurücklehnen und einfach zusehen, wie

ein Esel auf der Straße gelangweilt dahintrottet oder wie einige

Straßenhunde miteinander raufen. Abschalten, dann die letzten

Kapitel seines neuen Buchs im Geiste vorbeiziehen lassen. Er

muss neue Kraft für neue Gedanken schöpfen. Wieder zu sich

selbst finden, wie man heutzutage so oft zu sagen pflegt. Beispiele

hierzu gibt es genug. Jeder von uns muss manchmal sein

eigenes ‚Loxton‘ finden. War nicht auch Jesus in der Wüste? Vierzig

Tage und vierzig Nächte lang?

Ein Buch von Deon Meyer schon einmal gelesen? ‚Das Herz

des Jägers‘ oder ‚Tot vor Morgengrauen‘, um nur zwei von seinen

vielen Büchern herauszugreifen. Spannung pur. Eingebettet

in die Kulisse und das Spannungsfeld des neuen Südafrikas nach

der Apartheid.

Noch nie von seinen Protagonisten gehört? Meistens abgehalfterte

Bodyguards oder Polizisten mit Alkoholproblemen, die sich

auch auf ihre Ehe und Beruf auswirken. Bodyguard Lemmer,

Bennie Griessel, Mat Joubert. Seine gelegentliche Anwesenheit

in Loxton hat sich natürlich herumgesprochen und ist durch ihn

zu einem Anziehungsort für manche seiner neugierigen Leser

geworden. Was macht dieser Ort für ihn so attraktiv?

95


Straße N9

Die weitere Fahrt auf der N9 ist lang. Kein Verkehr. Vielleicht

alle Viertelstunde ein entgegenkommendes Fahrzeug.

Kaum zu glauben, dass sich diese Halbwüste jeden August in

ein farbenfrohes Blütenmeer verwandelt.

Regine und mir geht es ähnlich: irgendwie geht von dieser kargen

Landschaft ein besonderer Reiz aus. Etwas Geheimnisvolles.

Etwas die Seele Bewegendes. Auf einer deutschen Landstraße

zuhause kommt so ein Gefühl nicht auf. Und wenn die Landschaft

noch so schön ist, mit Flüssen durchzogen und Schlössern

an den Hängen, was man hier vergebens sucht.

Ist es dieses ursprüngliche, trockene Land, mit dürrem braunen

Gras überzogen, mit Steinen dazwischen, noch nie durch

Menschenhand bearbeitet, noch nie durch einen Pflug aufgerissen

und dabei verletzt, was diesen Reiz ausmacht? Ist es das, wa-

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rum wir so fühlen? Oder weil bei der nächsten Kurve eine Überraschung

wartet? Vielleicht ein Springbock? Oder eine Puffotter

fast unsichtbar am Straßenrand lauert?

Doch wie können wir die Stille ‚hören‘, wenn wir im Auto sitzen

und fahren? Immer wieder laden Parkbuchten zum Rasten

ein. Rohe Holztische mit ebensolchen Bänken. Einige Eukalyptusbäume

spenden Schatten. Diese ursprünglich aus Australien

eingeführten ‚Aliens‘ sind zwar verpönt in diesem Land. Sie verdrängen

einheimische Pflanzen. Sie sind aber wie geschaffen für

dieses Klima. Sie stellen ihre Blätter so zur Sonne, dass möglichst

wenig Fläche dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt ist. Dadurch

verdunstet weniger. Auch hilft deren ledrige ölige Blattbeschichtung.

Bei den in diesen Gegenden regelmäßig auftretenden Buschbränden,

widersteht ihre Rinde dem Feuer, indem sie langsam

abbrennt, und dadurch, ähnlich wie bei dem Wärmeschild einer

in die Atmosphäre wieder eintretenden Raumkapsel, den darunterliegenden

Stamm schützt.

Außerdem ist dieser Baum dafür bekannt, dass er das letzte

Wasser aus dem Boden zieht und es allen anderen Pflanzen in

seiner Nähe abgräbt. Die Südafrikaner nennen ihn ‚Blue Gum‘

(blauer Gummibaum) wegen seiner bläulich schimmernden Blättern.

Eine ideale Pflanze für eine solche Parkbucht, die auch extreme

Trockenperioden überstehen kann und absolut keiner Pflege

bedarf.

Regine lenkt den Wagen in eine solche Parkbucht. Wir setzen

uns. Jetzt ist der Moment gekommen, die Stille zu ‚hören‘! Sind

wir innerlich bereit? Ja, es ist still. Wir könnten in Loxton sein.

Aber ich höre die kreischenden Stimmen der Kartenspieler in

dem Café. Oder ist es etwas Anderes? Kein Flugzeug, kein Auto!

Kein Zirpen von Grillen? Oder doch? Der Geruch des Eukalyptusöls

würde sie verscheuchen. Angestrengtes Lauschen. Ich höre

sie aber. Ganz leise. Dann bin ich mir einfach nicht mehr sicher,

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ob ich überhaupt etwas höre. Wahrscheinlich höre ich meinen

eigenen Tinnitus, selbst generiert. Wie schade. Ich wollte in dieser

Halbwüste, in dieser menschenleeren Einsamkeit, einmal

wenigstens die ‚Stille‘ erleben, einmal mein eigenes Loxton. Oder

habe ich das Loxton des Deon Meyers missinterpretiert?

Er sucht gar nicht die Stille. Er sucht einfach Zeit für sich.

Zum Nachdenken. Und manchmal muss man über den nächsten

Zug lange nachdenken. Manche brauchen Tage. Allein ein mittelmäßiger

Schachspieler braucht gelegentlich zwei Stunden für

einen Zug. Wenn es keine Zeitbegrenzung gäbe, könnte er noch

viel länger über diesen einen Zug nachdenken.

Plötzlich steigt mir Uringeruch in die Nase. Parkbuchten haben

das an sich. Die Stimmung ist weg.

„Lass uns weiterfahren,“ sage ich zu Regine.

Die Landschaft ändert sich nicht. Überall könnte auf dieser

Strecke am Straßenrand ein Loxton kommen. Die Kleine Karoo

ist voll davon. Doch oft ohne ein Café.

Was wollen wir denn überhaupt in Graaff Reinet? Eine Kleinstadt,

die sicher nicht viel zu bieten hat. Das ist doch ein Umweg

zum Addopark. Unsere Freunde haben uns aber berichtet, dass

ganz in der Nähe das Valley of Desolation sei. Das Tal der Trostlosigkeit.

Das würde sich lohnen. Eine landschaftliche Oase inmitten

der flachen Halbwüste. Im Camdeboo National Park gelegen.

Wir kommen an. Die Anhöhe ist etwa 150 hoch. Wir fahren

bis zum Parkplatz. Bis zum ausgeschilderten Aussichtspunkt sind

es noch fünf Minuten zu gehen.

Direkt vor uns ragen bizarre Felsformationen, wie zerklüftete,

verwitterte Säulen zum Himmel. Atemberaubend. Vor hundert

Millionen Jahren sollen sie durch Vulkanismus entstanden sein,

so die Meinung von Geologen, und dann durch Erosion ihre heutige

Form erhalten haben.

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Valley of Desolation

Von hier blicken wir ringsum tief in die Ebene, die nichts Anderes

zu bieten hat als unfruchtbares, braunes ausgedorrtes Land,

soweit das Auge reicht. Die Voortrekkers, Vorhut der damals (1835

bis 1841) nach Norden ziehenden Buren auf der Suche nach

fruchtbarem Land, tauften dann dieses Gebiet mit dem erwähnten

Namen: Tal der Trostlosigkeit. Aber das englische Wort ‚desolation‘

hat noch mehrere Bedeutungen. Ein Ort kann so bezeichnet

werden, der ‚leer‘ ist, ohne Leben, der nichts Liebenswertes

besitzt. Auch Verlassenheit, Verwüstung, Einsamkeit,

Hoffnungslosigkeit sind Übersetzungen.

Ein fantasievoller Engländer bezeichnete die verrückten durch

Erosion geformten Strukturen aus Basalt als zu Stein gewordene

Kobolde, die der Natur einen Streich spielen wollten.

Eine ähnliche Landschaft hatte ich schon einmal vor meinem

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inneren Auge gesehen. Sie hatte sich gebildet, als ich das Buch

von Henno Martin vor vielen Jahren las: ‚Und wenn es Krieg

gibt, gehen wir in die Wüste‘.

Zwei deutsche, frisch promovierte Geologen, nämlich Henno

Martin und sein Freund Hermann Korn, brachen 1935 auf, um

in der ehemaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika,

(heute Namibia – ‚weiter Platz‘ in der Sprache der Khoi), die

damals im Auftrag des Völkerbundes unter Verwaltung der Südafrikanischen

Union stand, zunächst im Naukluftgebirge nach

Wasservorkommen zu suchen für die dort ansässigen Farmer.

Sie wurden aber vom Zweiten Weltkrieg überrascht. Sie wollten

nicht, wie alle anderen Deutschen, interniert werden. Nach

dem Überfall auf Polen 1939 war nämlich Südafrika eines der

ersten Länder, die dem Deutschen Reich den Krieg erklärten.

Sie flohen in die Wüste, wo sie im Naukluftgebirge versuchten

zu überleben. Nach etwas über zwei Jahren mussten sie aufgeben.

Die Beschreibungen der gebirgigen, wasserlosen Landschaft

mit Schluchten, Felsen und Abgründen haben sich in mir eingeprägt

und waren hier wieder an diesem Ort lebendig geworden.

Henno Martin hat dann seine Erlebnisse zusammen mit seinem

Gefährten und seinem Hund Otto zu Papier gebracht und dabei

auch viele Gedanken einfließen lassen, die die Nachhaltigkeit der

Natur betreffen und das Überleben in einer kargen Wildnis.

Für jeden, der Namibia bereisen und entdecken möchte, ist

zuvor das Lesen dieses außergewöhnlichen Buches eine einmalige

Einführung und er wird vom ersten Tag an dieses so trockene

Land mit anderen Augen sehen. Henno Martin war dann nach

dem Krieg zunächst als Professor an der Universität Kapstadt

tätig und nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1965 zum Professor

für Geologie an die Universität Göttingen berufen worden.

Er verfasste ein wissenschaftliches Werk mit dem Titel ‚Mensch-

100


Windräder zur Wasserförderung

Agaven, die zum Himmel ragen

101


heit auf dem Prüfstand“, was zu einem Standardwerk auf diesem

Gebiet, vor allen Dingen weit vorausblickend über die Nachhaltigkeit

der Naturressourcen auf unserer Erde, werden sollte.

Untertitel: Einsichten aus 4,5 Milliarden Jahren Erd-, Lebensund

Menschheitsgeschichte, erschienen 1992.

Nachstehend ein Auszug aus seinem ersten Buch das Naukluftgebirge

betreffend:

„Unten begann dann der Irrgarten von scharfen Schluchten

und gerippten Glimmerschieferplatten – hier war alles nackter

Fels, ein unwegsames Gewirr scharfer Schichtrippen und seidig

glänzender Schieferplatten. Die niedrigen grauen Fahlbüsche und

die vereinzelt wachsenden kahlen Balsamsträucher glichen kaum

lebenden Pflanzen. Es schien uns ein Wunder, dass in dieser heißen

Felsenwildnis überhaupt etwas Lebendiges existieren konnte.“

Vielleicht war diese Abschweifung zu weit gezogen, aber Gedanken,

die kommen, kann man nicht immer lenken. Der Leser

möge mir verzeihen.

Von dem Aussichtspunkt hatte man auch einen Blick auf die

im Tal liegende Stadt Graaff-Reinet. Wir hatten dort das geschichtsträchtige

Drostdy Hotel gebucht.

Drostdy, auf Deutsch Landdrostei in Norddeutschland geläufig,

ist eine Art Regierungsbezirk, in dem die öffentlichen Ämter

zusammengefasst sind. So war dieses Gebäude viele Jahre Sitz

des von Buren gestellten Magistrats (bevor die Briten die Administration

übernahmen) und diente auch als Unterkunft für bedeutende

Persönlichkeiten, die in die Stadt kamen, so z. B. Lord

Charles Somerset (Somerset West bei Kapstadt verdankt ihm ihren

Namen 1819) damals Gouverneur der britischen Kap Kolonie.

Die Unterkunft war erstklassig, eben die versprochenen fünf

102


Sterne, und entsprach ganz unseren Erwartungen. Wir lernten

ein südafrikanisches Ehepaar aus Johannesburg mit dem Namen

Coetzee kennen, die uns Einiges über das Städtchen mit seinen

etwa 35 000 Einwohner erzählten. Coetzee ist ein sehr geläufigerer

Name in Südafrika, nicht zuletzt wegen des gleichnamigen

südafrikanischen Schriftstellers, der 2003 den Literaturnobelpreis

erhalten hat.

In Graaff Reinet gibt es viele Baudenkmäler im viktorianischen

oder kapholländischen Stil. Ein Städtchen mit historischem Hintergrund.

Wichtigster Wirtschaftszweig ist immer noch die Viehzucht,

aber auch der Weinanbau. Sie ist die viertälteste Stadt Südafrikas,

1786 gegründet. Benannt wurde sie zu Ehren des niederländischen

Gouverneurs Cornelis Jacob van de Graaff und seiner

Frau Hester Cornelia Reinet.

Die Buren in Graaff-Reinet rebellierten 1795 gegen die Niederländische

Ostindien-Kompanie und gründeten die Republik

Graaff-Reinet, die erste Burenrepublik. Die englischen Missionare

in der Gegend wurden 1801 von den Buren verjagt. Sie waren

gegen die Missionare eingestellt, die die Ureinwohner, die

Khoikhoi, erziehen und zum Christentum bekehren wollten, ganz

im Gegensatz zu ihrer eigenen nicht missionierenden religiösen

Einstellung, der Dutch Reformed Church angehörend.

Zeugnis des tiefen Glaubens der Buren und heute auch der

Coloureds und Schwarzen ist die überdimensionale große Kirche

in der Stadt, die das Zentrum beherrscht. Als ich vor ihr

stand, bekam ich Beklemmungen, vielleicht durch die Nüchternheit

des Stils oder die bedrückende, unmittelbare Nähe. Die

Hauptstraße der Stadt endet an der Kirche, als ob sie die Anlaufstelle,

die Kulmination der Straße bilden würde, was sie in Wirklichkeit

auch tut. Jedenfalls ist Graaff Reinet nicht ein Ort, in

dem ich leben wollte.

Das Ehepaar Coetzee hatte noch mehr zu berichten.

103


Drostdy Hotel

Unterkunft in Bungalows

104


„Wenn Sie schon hier sind, müssen Sie unbedingt noch einen

Abstecher in das kleine, skurrile Karoo Nest Nieu-Bethesda machen.

Nicht weit von hier. Dort sollten Sie das Owl Haus besuchen

(Eulenhaus). Hier lebte die exzentrische Künstlerin Helen

Martin. Unter schwerer Arthritis leidend und fast vollständig erblindet,

nahm sie sich 1976 im Alter von 78 Jahren das Leben.

Helen Martin hinterließ der Nachwelt einen reichen Schatz an

seltsamen Skulpturen. Viele Eulen sind dabei, aber auch Kamele,

Schlangen, Fabelwesen, eigenartige Tierfiguren mit riesigen offenen

Augen und andere mystisch-afrikanische Plastiken. Die

Skulpturen sind vor allem aus Zement, Glas und Eisen gefertigt

und stehen im Garten des Hauses.“

Man muss ja nicht jede Empfehlung annehmen, die man auf

einer solchen Tour von Leuten bekommt, die man einmal beim

Essen getroffen hat.

Wir nahmen uns vor, am nächsten Tag nach Port Elizabeth

weiterzufahren, die R75. Nicht ganz 300 km. Fünf Stunden?

Was hat diese Straße zu bieten? Nicht viel. Fortsetzung der

Karoo. Ziemlich flach und trocken. Einige ausgebüxte Agaven,

die die letzte Kraft gesammelt haben, um noch Blüten hochwachsend

in den Himmel zu treiben und dabei Samen zum Erhalt

ihrer Art zu verteilen. Dann waren da am Straßenrand einige Euphorbien,

herrlich weißblühend, zu sehen. Ungewöhnlich für die

Karoo. Die Landschaft schien jetzt etwas grüner zu werden, je

weiter wir nach Süden kamen. Es gab größere Büsche und am

Horizont tauchten sogar einige flache Hügel auf.

Zuerst dachte ich ‚alles nur Loxton, alles nur eine Fortsetzung

von Loxton‘. Loxton braucht man aber nicht mehr, wenn man

lange genug dort war und dem Esel mit seinen fallenden Äpfeln

auf der Dorfstraße lange genug zugesehen und dabei die Geschichte,

über die man nachdenken wollte, zu Ende gebracht hat.

Geschichten sind nicht immer einfach zu erfinden. Anders ver-

105


hält es sich, wenn man eine Begebenheit schildern kann. Da ist

das meiste vorgegeben. Der Kristallisationspunkt liegt meistens

auf einer eigenen Erfahrung, etwas was man auf einer Reise erlebt,

im Film gesehen, was man gelesen und vielleicht etwas abgewandelt

hat. Selten ist der Ursprung auf reine Fantasie zurückzuführen.

Zu Ende denken, zu Ende erfinden? Da ist es schon eher wie

in einem Schachspiel. Mit jedem Zug vervielfachen sich die Möglichkeiten.

Das ist dann die vielgepriesene Freiheit, die man in

Loxton hat.

Geschichten erfinden ist nicht einfach. Ich erinnere mich noch

an die Abende, als die Kinder zu Bett waren und sie mich baten,

doch eine Geschichte zu erzählen. Einfach ist es aus einem Märchenbuch

vorzulesen. Aber aus dem Stegreif eine Geschichte erfinden?

Ja, die roten Indianer müssen herhalten und dann die

Gelben. Aber die Blauen die waren wirklich gefährlich. Warum

gefährlich? Ja, sie raubten die Frauen der roten Indianer und sperrten

sie in schwarze Zelte. Damit war ich dann auch schon am

Ende. Wie geht es weiter, stand auf den Gesichtern der Kleinen.

Jetzt aber müsst ihr schlafen. So oder so ähnlich war es dann

immer mit solchen erfundenen Geschichten. Die Farben der Indianer

sorgten für die Spannung.

Das Ende einer Geschichte könnte jedoch auch so aussehen:

Die Geschichte fängt wieder von vorne an. Eine Endlosschleife.

Enttäuschend?

Das Ende könnte zu einer Erkenntnis führen. Wirklich zu einer

neuen Erkenntnis?

Sie könnte in einer Überraschung enden. Dies könnte lustig

sein.

Sie könnte in einer Liebesnacht ihren Höhepunkt erreichen.

Verführerisch? Jedenfalls nicht unbedingt langweilig.

Sie könnte in einer kriminellen Tat enden. Welche Kategorie?

106


Diebstahl, Körperverletzung, Totschlag oder Mord? Dies ist die

interessanteste Variante für die meisten Leser.

Wenn die Geschichte geschrieben oder in YouTube verewigt

ist, wird Loxton langweilig und ein bisschen Las Vegas könnte

man doch schon eher wieder gebrauchen, sich an einfachen Dingen

erfreuen, wie an Spielautomaten, Black Jack oder an einer

Burleske Show.

Die meistens einstöckigen Häuser in den Städtchen, die wir

durchqueren, sind entlang der Hauptstraße gebaut, weshalb sie

sich in die Länge ziehen. Die üblichen Tankstellen sind natürlich

vorhanden, wie Sasol oder BP, Läden wie Pep, Pick & Pay, Checkers

und das Immobilienbüro PAM-Golding fehlt auch nicht.

Hin und wieder ist sogar ein B&B zu entdecken.

Wir kommen jetzt in das Orange Country. Orangen, Mandarinen

Zitronen und Grapefruit. Plantagen soweit das Auge reicht.

Das Land ist fruchtbar. Wasser zur Bewässerung steht auch zur

Verfügung. Der Sundays River. Das Eastern Cape ist die ärmste

Provinz in Südafrika. Es ist die Heimat der Xhosas, sprachlich zu

dem schwarzen Stamm der Bantu gehörend, zahlenmäßig nach

den Zulu die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe in Südafrika. Nelson

Mandela war ein Xhosa.

Offensichtlich hat sich die in Port Elizabeth konzentrierte

Autoindustrie nicht so stark auf den Lebensstandard der Bevölkerung

ausgewirkt, wie man das vielleicht hätte annehmen können.

Immerhin haben VW, Ford, GM, Daimler, BMW und Toyota

ihre Werke hier und produzieren Wagen für den südafrikanischen

Markt.

Wir sind jetzt in unserem Hotel angekommen. Heute am 30 Dezember

2017. Cosmos La Cousine. Es liegt im Sundays River

Tal, inmitten von Orangen Hainen, nur wenige Kilometer vom

Addo Park entfernt. Wir beziehen unser Bungalow in einer weitläufigen

Anlage. Afrika Feeling pur. Für Morgen, am Silvester-

107


Auf dem Weg zu einem Schlammbad

Ein Elefantenbulle geht einsame Wege

108


Elefanten bis zum Horizont

Über hundert Elefamten in einer Herde

109


Nachdenklich beim Braai

Die Elefantengruppe kommt uns entgegen

110


tag, haben wir eine ganztägige Safari gebucht. Wir entdecken auch

schon auf der Straße einen in die Tage gekommenen Geländewagen,

dessen erhöhte Ladefläche für acht Personen Platz bietet.

Umrandet mit zwei Zoll starken verzinkten Stahlrohren, die die

Insassen vor neugierigen Elefanten schützen soll. Na ja, wir werden

sehen. Bevor ich das Fahrzeug bestiegen habe, nur vom Ansehen,

schmerzt mir schon der Rücken.

Wie bei vielen Hotels in dieser Preisklasse in Südafrika wechseln

die Besitzer häufig. Wenn man heute im Internet nachschaut,

findet man schon wieder einen neuen Namen für dieses Hotel.

Damals wurde es von einer gewissen Elzona Deetlefs geführt,

die sich für ihre kulinarischen Fähigkeiten über die Grenzen von

Südafrika hinaus einen Namen gemacht hat. Am diesem Abend

gab es ein Fünf-Gänge-Menü., das in einem Elandsteak gipfelte.

Eland, die größte Antilopenart, soll auch das beste Fleisch bie-

In Schlammlöchern fühlen sich Elefanten wohl

111


ten. Diese Antilope kann so groß wie ein Rind werden und bis zu

1000 kg schwer. Wir aßen im Freien unter einer Terrasse, nebenan

plätscherte ein kleiner Wasserfall, der einen grün eingewachsenen

Brunnen speiste. Einen Cabernet Franc dazu? Die richtige

Mischung für einen romantischen Abend.

Am 31. hieß es früh aufstehen. Unser Guide und Fahrer stand

schon bereit im beigen Safarilook und einem breitrandigen, vor

der Sonne schützenden Segeltuch-Hut und daneben die sechs mitfahrenden

Gäste in ähnlicher Aufmachung. Nachdem wir Platz

genommen hatten, bemerkte ich erst, durch die helle Stimme aufmerksam

geworden, dass es sich bei unserem Guide um eine junge

Dame handelte.

„Ich heiße Judy und ich werde Sie heute begleiten. In dem gekühlten

Container neben mir gibt es Wasser in Flaschen. Sie können

sich bedienen. Trinken ist wichtig an einem heißen Tag wie

Braai Feuerstelle

112


Leopard - aus 250 m Entfernung aufgenommen

heute. Scheuen Sie sich nicht zu fragen, denn dafür werde ich

auch bezahlt, dass ich Ihre Fragen beantworte.“

Näher betrachtet, entdeckte ich auch schon ihre roten Haare,

die unter dem Hut dicht hervorquollen, und die Sommersprossen

in ihrem Gesicht, die sich trotz ihrer Bräune von dem dauernden

Aufenthalt in Freien bei der unerbittlich scheinenden

Sonne, sichtbar absetzen konnten. Die junge Frau hätte direkt

aus Dublin stammen können.

Sie gibt Gas, an Temperament fehlt es ihr offensichtlich nicht,

das Vehikel stöhnt auf, schießt rumpelnd nach vorn über die

Schotterstraße hinweg und biegt in die Asphaltstraße ein. Etwas

besser, fährt ruhiger, aber das wird sich sicher wieder im Park

ändern. Wie befürchtet, schmerzt mein Kreuz jetzt schon! Und

113


das soll jetzt 10 bis 12 Stunden so weitergehen, bis wir wieder

zurück im Hotel sind?

Wir passieren den Eingang zum Addo Park. Der Park wurde

1931 zum Schutz der elf letzten überlebenden Kap-Elefanten

der Region eingerichtet, die kleiner sind als die weiter nördlich

lebenden.

Der Park wurde zu einem Publikumserfolg. Jetzt schon dehnt

er sich über 1600 qkm aus, größer als zweimal die Bodenseefläche.

In den nächsten Jahren soll er sich noch mehr als verdoppeln.

Den Addo Park kann man in fünf sogenannte ‚Biome‘, eine

jeweils typische, voll entwickelte eigene Pflanzenwelt einteilen:

1 – Busch- und Gestrüppregion

2 – bewaldete Region

3 – überwiegend mit Sukkulenten bewachsener Teil (saftreiche

Pflanzen, die in Pflanzenteilen wie Stängeln, Blättern aber auch

in Wurzeln Wasser speichern können)

4 – Karoo

5 – Flächen, die überwiegend mit dem typischen Fynbospflanzen

der südlichen Karoo bewachsen sind und zuletzt der Teil

mit den typischen nördlicheren Nama Karoo Pflanzen.

Das ist aber noch nicht alles:

Auf der Internetseite: www. getaway.co.za lesen wir (aus dem

Englischen auszugsweise übersetzt):

‚Seit einigen Jahren erstreckt sich der Park bis an den Indischen

Ozean in eine Dünenlandschaft, der größten und eine der

unbekanntesten in der ganzen südlichen Hemisphäre. Der Strand

ist bis zu 5 km breit. Um die Dünen zu durchwandern, sollte

man sich zwei Tage Zeit nehmen.‘

Ja, der Addo Park hält viele Überraschungen für den Besucher

bereit.

Judy erzählte in ihrem Afrikaans-Akzent gesprochenem Englisch,

dass 600 Elefanten im Park lebten. Aber das seien zu viele.

114


Der Park könne höchstens 400 ernähren. Die nachwachsenden

Büsche, Bäume und das Gras könnten den Hunger der Riesen

nicht decken. Wenn es den schnellwüchsigen in seinen Blättern

wasserspeichernden Speckbaum nicht gäbe, wäre die Versorgung

der Elefanten im Park noch schwieriger. 150 kg brauche jeder am

Tag. Auch trampelten sie viel nieder, wenn etwas neu zu wachsen

begänne. Manche endemischen Pflanzen im Park seien schon

bedroht. Guter Rat sei teuer. Man wolle sie ja nicht abschießen.

Aber es gäbe eine Verhütungsimpfung für die Elefantenkühe

mittels eines Betäubungspfeils. Die empfängnisverhütende Wirkung

würde zwölf Monate anhalten. Aber natürlich würden nicht

alle empfängnisbereiten Kühe geimpft. Was man nicht erwarten

konnte sei, dass sich dadurch das Verhalten der Elefantenbullen

auch geändert hätte. Das Kämpfen der Bullen untereinander um

das Vorrecht der Begattung hätte deutlich nachgelassen, obwohl

Safari-Geländewagen

115


sie zwischen geimpften und ungeimpften Kühen nicht unterscheiden

könnten.

Sie fuhr fort: „In einem Park wie diesem leben die Tiere eben

doch nicht wie in der freien Wildnis. Viele im Lauf der Evolution

erworbenen Eigenschaften gehen verloren. Die Kap-Elefanten

hatten, bevor die Europäer kamen, einen Lebensraum, der

bis in die ausgedehnten Urwälder bei Knysna reichte. Und die

Leitkuh kannte jeden Winkel dieses sich vielleicht über 800 km

erstreckenden Gebiets, jedes Wasserloch, jede Gruppe von süßen

Früchte tragenden Bäume. Eigenschaften, die im jetzigen

Park verloren gegangen sind, aber auch nicht zum Überleben der

Herde in der eingezäunten Umgebung benötigt werden.“

Dann meinte sie, dass die Antibabypille bei den Menschen auch

angebracht sei. Die Erde könne nicht sieben Milliarden auf Dauer

ernähren. Andere lebensnotwendige Ressourcen würden unwiederbringbar

verbraucht, ganz zu schweigen von der Zerstörung

der Umwelt. Weniger Menschen, sei die beste Methode den

CO2 Ausstoß in Grenzen zu halten, damit sich die Erde nicht

weiter erwärmt mit Folgen, die wir als normale Bürger gar nicht

abschätzen könnten. Wie viele Tonnen Öl würde ein Mensch in

seinem Leben verbrauchen? 10 000 Tonnen?

Sie drehte sich beim Sprechen um und ich sah ihre grünen

Augen blitzen. Nach ihren Bewegungen und Verhalten zu urteilen,

wäre sie wahrscheinlich lieber ein Junge geworden.

Sie fuhr fort: „Die anderen im Park lebenden Tiere Kudus,

afrikanische Büffel, Elandantilopen, Kuhantilopen, Buschböcke,

Warzenschweine, Steppenzebras und Spitzmaulnashörner wollten

ja auch leben. In einigen Randgebieten, leben auch Bergzebras,

Weißschwanzgnus, Oryxantilopen und Springböcke. Am

Sundays River gibt es Flusspferde. Seit 2003 sind auch Löwen im

Park angesiedelt, so dass man die sogenannten Big Five im Park

antreffen kann. Fleckenhyänen wurden ebenfalls eingebracht und

116


auch die Wiederansiedlung von Wildhunden und Geparden ist

geplant.

Bei der Ansiedlung der Löwen hat man auf Löwen aus der

Kalahari zurückgegriffen und nicht auf Löwen aus dem Krüger

Nationalpark, die zum Teil den Tuberkulose Bazillus in sich tragen

und den sie auf Büffel im Addo übertragen könnten. Die

letzte Zählung im Park käme auf neun Löwen. Die Löwen sind

bei ihrer Beute nicht wählerisch. Wildebeest, Impala, Zebras, Giraffen

(Anmerk.: Im Addopark gibt es allerdings keine Giraffen,

wenn man welche sehen will, muss man das benachbarten Shamwari

Private Game Reserve besuchen) Büffel, Warzenschweine,

selten auch Nashörner und Flusspferde. Sie verschmähen

keineswegs auch Hasen, Vögel oder Reptilien. Sie haben, wenn

Addo Elephant National Park

R 75

Shamwan Park

Amakhala Park

Port Elizabeth

Indischer Ozean

Neben dem Addo Park der Shamwan- und der Amakhala Park

117


der Hunger übermächtig wird, sogar schon Elefanten angegriffen.

Die Philosophie im Park sei ein Gleichgewicht bei den Tieren

zu halten. Wenn die Löwen nichts mehr zu fressen hätten, würden

sie sich auch nicht mehr vermehren. Die natürliche Vermehrung

der Tiere sei doch an die Lebensumstände gekoppelt. Sie

seien sich im Park selbst überlassen. Es wird kein Futter verteilt.

Der Addo Mistkäfer, nicht flugfähig, würde man hier auch finden.

Er sei vom Aussterben bedroht. Er lebt von den Exkrementen

der Elefanten, aber auch von denen der Büffel.“

Parkbesucher kommen auf ihre Kosten. Judy weiß genau, wo

sich die Herden aufhalten. Sie spricht sich per Handy mit ihren

Kollegen ab. Sie geben sich gegenseitig Tipps. In einem solch im

Vergleich zum Krüger Nationalpark viel kleineren Park, sind die

Tiere auch auf einem viel engeren Raum anzutreffen. Der Park

ist gemanagt, und der Krügerpark ist das nicht in gleicher Weise.

Es kann vorkommen, dass man bei einer Fahrt durch den Krüger

Nationalpark erst nach Stunden eine Herde oder überhaupt

größere Tiere zu sehen bekommt.

Einer ihrer Kollegen hatte einige Löwen ausgemacht und gab

ihr deren Position durch. Sie legte los, haute einen Gang rein, so

dass das Getriebe schrill krachte. Das schwere Vehikel schlitterte

den Hang hinunter auf den glatten Felswölbungen des Wegs, der

schon lange keine Schotterstraße mehr war. Alle losen Steine

waren schon von den Fahrzeugen zuvor weggeschleudert worden.

Ich war mir nicht sicher, ob das Abspringen doch sicher

war, trotz der angekündigten Löwen, als mit dem Fahrzeug zusammen

in den sich auftuenden Abgrund zu stürzen. Wir Menschen

passen in der Größe und in unseren Bewegungen nämlich

auch in das Beuteschema der Löwen.

Als wir schließlich ankamen, sahen wir den Faulpelz mit seiner

118


zerzausten Mähne hechelnd am Boden liegen. Ihm setzte die Hitze

offenbar auch zu.

Für uns ist der Addopark geradezu ideal. Viele Tiere, tolle hügelige

Landschaft, alles übersehbar. Zur unserer Überraschung

lenkte sie das Gefährt in ein kleines mit einem Zaun geschütztes

Camp, wo ein Braai auf uns wartete. Knusprig gebratene Hühnchenschlegel

und eine Flasche kühles Windhoek Lager. Zwei

schwarze Ranger hatten dies für unsere Gruppe vorbereitet.

Die beiden setzten sich zu uns und ich erlaubte mir die Frage,

ob es im Park schon vorgekommen sei, dass Menschen von Löwen

angegriffen wurden.

„Nein nicht direkt. Aber auf der angrenzenden Farm sei der

Eigentümer vor vielen Jahren durch einen Löwen umgekommen.

Er sei damals Leiter des Parks gewesen und mit den Tieren aufgewachsen.“

Dann erzählte der andere, der auch zu Wort kommen wollte,

dass die Löwen wohl auch Feinde im Park hätten. „Feinde?“, fragte

ich überrascht. Es sei gar nicht so lange her, dass man zwei verlassene

Löwenbabys gefunden hätte. Nicht weit entfernt von ihnen

war ihre Mutter tot unter einem Busch gelegen. Von einer

Schlange gebissen.

Doch jeder Tourist will die Big Five sehen, also Löwe, Leopard,

afrikanischer Büffel, Nashorn und Elefant. Judy schaffte

es, uns alle zu zeigen bis auf den Leoparden, wovon es im Park

nicht viele gibt und die sich gut tarnen und verstecken können,

auch auf Bäumen.

In meinen vielen Aufenthalten in Südafrika und Namibia habe

ich in der Wildnis erst einen Leoparden gesehen. Ein Guide machte

uns in Namibia auf das Tier aufmerksam. Wir drehten die

Autoscheibe herunter. Ganz weit da hinten würde ein Leopard

auf einem Baumstamm liegen. Etwa 250 Meter entfernt. Ich konnte

nichts erkennen, auch wenn ich mich noch so anstrengte und

119


meine Augen zu fokussieren suchte. Keine Bewegung. Nichts.

Ich holte meine Kamera heraus, die ein langes Teleobjektiv besitzt.

Jetzt hatte ich den Burschen im Visier. Drückte ab. Und

hatte ein Bild, das aus 250 Meter Entfernung aufgenommen worden

war. Ein seltenes Glück. Hier im Addopark einen Leoparden

fotografieren zu können, ist höchst unwahrscheinlich.

Man kommt ins Grübeln. In gewisser Weise werden die Tiere

in einem solchen Park auch gehalten. Ganz auf sich gestellt sind

sie nicht, denn es ist ein Zaun vorhanden. Viele von ihnen können

sich dennoch natürlich entwickeln. Ein untrügerisches Indiz

dafür ist, wenn sie sich weiterhin natürlich vermehren. Zu einem

Zoo ist der Unterschied gewaltig. Bei den meisten Tieren ist hier

die natürliche Begattung unterbrochen. Sie müssen, um Nachwuchs

zu bekommen, künstlich befruchtet werden. Ein Zoo ist

für Kinder etwas Schönes. Aber für die Tiere? Die Evolution ihre

Art, über Hunderttausende von Jahren schon anhaltend, ist nicht

wirklich unterbrochen oder doch?

Da fällt mir gerade ein Zitat von Albert Schweitzer ein, das

mir noch in seiner Aussage in Erinnerung war, aber den genauen

Wortlaut im Internet nachschlagen musste:

„Der denkend gewordene Mensch erlebt die Nötigung, allem

Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegen

zu bringen wie dem seinen. Er erlebt das andere Leben in dem

seinen. Als gut gilt ihm, Leben erhalten, Leben fördern, entwickelbares

Leben auf seinen höchsten Wert bringen. Als böse:

Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten.

Dies ist das denknotwendige, universelle, absolute

Grundprinzip des Ethischen.“

Was war nun meine Erkenntnis neben den Worten von Albert

Schweitzer von dem Besuch im Addo?

Die Errichtung und Betreiben eines solchen Parks ist aus meiner

Sicht gerade noch vertretbar. Es gibt in einem solchen Park

120


Parallelen mit dem Leben der Menschen auf unserer Erde. Es

sind zu viele für unseren einzigartigen Planeten, der nicht für so

viele Menschen geschaffen ist, und entsprechende Auswirkungen

werden sich über kurz oder lang einstellen. Erwärmung der

Erde, Abnahme des Sauerstoffs zum Atmen, Ansteigen des Meeresspiegels,

häufigere Stürme und Naturkatastrophen, wichtiger

Ressourcen werden aufgebraucht sein. Was können wir tun?

Verhütungsmittel gibt es, damit weniger Menschen geboren

werden. Aufklärung und Ausbildung müssen stärker gefördert

werden. Welche Frau, die schon drei Kinder hat, will noch mehr

haben, wenn die drei schon nicht ernährt werden können? Die

Frauen müssen gestärkt und gehört werden. Die Religionen sind

gefragt. Sie sollten ihre Einstellung in dieser Beziehung ändern,

was natürlich, das ist mir auch klar, nach heutiger Sicht, ein frommer

Wunsch bleiben wird.

Doch der Tag ging zu Ende. Auf der Heimfahrt, kurz vor unserem

Hotel, explodierte irgendetwas und Judy hatte alle Mühe

den Wagen auf der Straße zu halten. Ein Vorderreifen war geplatzt.

Auch das noch am letzten Tag des Jahres. Wir gingen den

letzten Kilometer zu Fuß und kamen geschafft von dem langen

Tag in der Hitze in unserem Hotel an. Die Sylvester Party hatte

begonnen. Der Sekt floss schon in Strömen.

Was wünschen wir uns für das Neue Jahr? Nochmals eine solche

Fahrt in einen anderen Park? In den danebenliegenden Amakhala

Game Reserve Park? Warum nicht? Dann wollen wir aber

auch Giraffen sehen, schon wegen ihrer interessanten Muster an

ihren eleganten Hälsen.

121


Bevor wir zu den südafrikanischen

Weingütern kommen, sei es mir erlaubt,

noch einige Erkenntnisse, die ich kürzlich

beim Lesen wonnen habe, und eigene

Reflexionen anzubringen.

Gedanken über den Wein

Ariadne aber schenkte Dionysos, dem Gott des Weins (lat. Bacchus)

mehrere Söhne. Einer davon hieß Oinopion, der den Weinausbau verkörperte

(oinos - Wein in Griechisch). Daher die heutigen Namen „Önologe“

für jemanden, der Weinkunde studiert hat und diesen Beruf ausübt, und

„Önologie“ für Weinkunde.

Über Wein ist schon viel geschrieben worden. Seine Geschichte

ist mit der Geschichte des Abendlandes eng verknüpft, aber

auch in anderen Kulturen spielt er eine herausragende Rolle. Selbst

in der Bibel ist er vielmals erwähnt.

Die Hochzeit zu Kana ist eine Wundererzählung aus der Bibel,

die davon berichtet, wie Jesus von Nazareth als Gast einer

Hochzeitsfeier Wasser in Wein verwandelte. Sechs Krüge sollen

es gewesen sein.

Im Evangelium des Matthäus heißt es:

„Johannes ist gekommen, aß nicht und trank nicht; so sagen sie: Er ist

besessen. Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; so sagen sie:

Siehe, was ist dieser Mensch für ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der

Zöllner und Sünder! Und doch ist die Weisheit gerechtfertigt worden aus

ihren Werken.“

122


Damit soll gesagt werden, dass Jesus, im Gegensatz zu Johannes,

sich unters Volk gemischt und ihre Angewohnheiten angenommen

hat und so einer von ihnen war. Ob wohl der Wein von

damals sauer geschmeckt hat? Davon wird nichts berichtet.

Über den Geschmack von Wein kann man streiten. Nicht von

ungefähr, denn es soll über Tausend Geschmacksnoten geben.

Der Geschmack von Wein wird oft mit dem Geschmack von

Früchten, von Blumen und anderen Düften verglichen. Warum

solche Vergleiche? Bei einem Rotwein wird die schwarze Johannisbeere

oft genannt. Warum gerade diese Frucht? Warum

überhaupt mit Früchten vergleichen? Oder mit Schokolade? Oder

mit Veilchen? Hat der Wein nicht seinen eigenen unverwechselbaren

Geschmack, der gerade seine eigene Note ausmacht? Oder

ist es vielmehr so, dass der süße, gekelterte Traubensaft durch

natürliche Hefepilze, die an den Trauben haften, zu gären beginnt

und auf dem Weg zum Essig an einer bestimmten Stelle

aufgehalten wird? Nämlich durch Zugabe von Schwefel. In einem

Stadium, wo sich Säure, Restzuckergehalt und Alkoholgehalt

optimal ergänzen, sozusagen eine Symbiose bilden. Hier zeigt

sich die Kunst des Winzers. Dem Verbraucher wäre ein Wein

ohne Schwefel natürlich lieber, er wäre bekömmlicher. Versuche

in diese Richtung sind bisher gescheitert. Sie könnten nur gelingen,

wenn der Schwefel durch eine andere noch zu findende

Chemikalie ersetzt werden würde, die auch Nebenwirkungen

hätte.

Alkohol ist ein Geschmacksträger. Die verschiedenen Aromen

kommen erst voll zur Geltung, wenn der Alkoholgehalt über

8 % liegt. Darunter sollte man nicht von Wein reden und schon

gar nicht trinken.

Können Sie die Tannine beim Rotwein herausschmecken? Sie

sind in den Schalen der Trauben enthalten. Weißwein haben sie

nicht oder sie sind nur in vernachlässigbar kleiner Menge vor-

123


handen, da die Schalen im ausgepressten Taubensaft nicht enthalten

sind. Aber sie sind die Seele des Rotweins. Keine Stieltannine,

sondern Schalentannine sollten es sein. Aus der reifen Traube.

Gut umgewälzt in der Gärung, weil die Maische das Bestreben

hat, nach oben zu kommen.

Ein bevorzugtes Terroir wäre z. B. ein Boden, der mit faustgroßen

Steinen bedeckt ist. Die Steine speichern die Wärme der

Sonne und geben sie in der Nacht ab. Die obere Schicht könnte

aus Sand und Lehm bestehen, fünf Meter über mächtigen Felsoder

wasserundurchlässigen Lehmschichten. Die Wurzeln der

Reben finden ihren Weg zu dem dort sich angesammelten Wasser.

Sie dringen mit unglaublicher Kraft in den Boden bis sie die

Feuchtigkeit finden. Der Saftfluss zum Rebstock wird erschwert.

Die Trauben aber profitieren davon. Die Komplexität der Aromen

wird so gesteigert.

Ein weiteres Geheimnis für guten Wein ist das Alter der Reben.

Je älter sie sind, umso besser der Wein. Große Weine werden

zumeist von Reben gewonnen, die vierzig Jahre oder auch

noch älter sind. Bis zu 90 Jahre. Sie haben mit 40 Jahren jedoch

längst ihren Ertragszenit überschritten.

Doch lassen Sie mich noch etwas über die Geschmacksempfindung

sagen.

In einem südafrikanischen Weinführer „Geschmack des Weines“

habe ich gelesen, welche Aromen einige in Südafrika gängigen

Rebsorten haben (oder haben sollten).

Merlot:

Süßkirsche, Marmelade, Zedernholz, Süßholz

Pinot Noir: Kirsche, Erde, Mandel, Kastanie

Riesling: Apfel, Pfirsich, Litschi, Zitrone, Grapefruit

Sauvignon Blanc: Brennnessel, Cassis, Stachelbeere, Lemon Grass

Syrah/Shiraz: Teer, Kirschmarmelade, Holzrinde, Leder

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Der bekannte deutsche Forscher Professor Hatt an der Uni

Bochum, als der „Duftpapst“ von Deutschland bekannt, sagte

in einer seiner vielen Vorträge:

„Schmecken kann man von einem Wein nur relativ wenig. Das

Riechen und Wahrnehmen der Aromen über die Nase ist das

Entscheidende.“

Manch Weinkenner wird dem Riechen zustimmen, aber die

Aussage über das Schmecken ist doch sehr ungewöhnlich und

reizt zum Widerspruch.

Die beschreibenden Attribute kann man vielleicht in folgende

Kategorien einordnen:

Geschmack:

sauer, süß, bitter

Intensität:

dünn, dicht, flach

Gaumeneindruck: prickelnd, scharf, weich

Körper:

leicht, kräftig, ölig

Gesamteindruck: unharmonisch, ausgewogen, komplex.

Doch lassen wir einen Spezialisten zu Wort kommen. Hugh

Johnson. Verfasser eines der umfassendsten Bücher über Wein,

„The Story of Wine“ 1989 erschienen bei Mitchell Beazley Publishers.

Gleich im ersten Kapitel schreibt er:

„Es war nicht das feine Bouquet des Weins oder der verweilende

Geschmack nach Veilchen oder Himbeeren in unserem

Gaumen, das unsere Vorfahren beim Trinken von Wein entdeckten.

Es war, fürchte ich sagen zu müssen, seine Wirkung.

Das ist das Resümee von Mr. Johnson, der einen Großteil seines

Lebens für Recherchen und das Schreiben seines Buches,

eng gedruckt mit 480 Seiten, über Wein verbracht hat. Eine interessante

und unerwartete Erkenntnis.

Ich habe eine Abhandlung von Lena Feuser, DPA, im Südkurier

vom 16. Aug. 2017 gefunden, die begründet, weshalb uns

ein teurer Wein besser schmeckt. Hier ist er:

125


Warum der gleiche Wein Menschen besser schmeckt, wenn er

mit einem höheren Preis ausgezeichnet ist, haben Wissenschaftler

der Insead Business School und der Universität Bonn herausgefunden.

Verantwortlich für diese Geschmackswahrnehmungen

seien mit Belohnungen verknüpfte Bereiche des Gehirns,

berichten die Forscher aus Bonn im Fachjournal „Scientific Reports“

über den sogenannten Marketing-Placebo-Effekt.

Wie erwartet gaben die Probanden an, dass der Wein mit dem

höheren Preis besser schmeckt als ein scheinbar günstigerer“,

erklärte Insead-Forscherin Hilke Plassmann. Die Aufnahmen des

Kernspintomografen ließen erkennen, dass bei höheren Preisen

vor allem das Frontalhirn und das ventrale Striatum stärker aktiviert

wurden. Während das Frontalhirn insbesondere am Preisvergleich

und damit der Erwartung beteiligt zu sein scheint, ist

das ventrale- Striatum Teil des Belohnungs- und Motivationssystems.

„Letztlich spielt uns das Belohnungs- und Motivationssystem

einen Streich“, erklärte Insead Forscherin Liane Schmidt. Es

gaukele durch höhere: Preise einen Geschmack vor, der durch

den Wein selbst nicht gerechtfertigt sei.

Wer den Wein zum Essen als sehr edlen Tropfen ankündigt,

kann erwarten, dass er Gästen besonders gut mundet. Doch

warum?

Offensichtlich arbeitet unser Gehirn aus eigener Erfahrung

auch noch in eine andere Richtung. Ist der Wein extrem teuer,

für den Normalbürger nicht bezahlbar, und wir dürfen ihn

ausnahmsweise einmal probieren, werden wir wahrscheinlich enttäuscht

sein und feststellen: Er ist gut, aber der Unterschied ist

zu einem guten Wein zu gering, um die Mehrausgabe zu rechtfertigen.

Gibt es in unserem Belohnungssystem eine obere Grenze?

126


Backsberg Wine Estate

Benachbart zu dem Weingut Backsberg ist das weit bekannt

gewordene Weingut Babylons Toren (das auch zusammengeschrieben

wird). Und das ist auch der Grund dafür, dass das Weingut

Backsberg nicht so wie viele andere hier in der Kapregion auf

eine Geschichte zurückblicken kann, die zu den Anfängen des

Einfahrt zum Weingut

127


Einfahrt zum Weingut - Weinfässer zieren den Überbau

Simonsberg im Hintergrund - weiter Blick ins Land

128


Im Freien unter Eichenbäumen

Weinbaus in Südafrika zurückgehen nämlich in die Zeit von 1685

bis 1700 als Simon van der Stel im Auftrag der East Indian Company

Land an Neuankömmlinge (mit entsprechenden Auflagen)

verteilte. Denn Backsberg war bis 1916 ein Teil von Babylonstoren.

Die Back Familie

Der junge Charles Back (auch der Erste genannt, um Verwechslungen

auszuschließen) wanderte im Jahr 1902 aus Litauen

stammend in Südafrika ein. Er soll in Litauen politisch und religiös

verfolgt worden sein.

Zunächst fand er im Hafen Arbeit, die darin bestand, das Land

aufzuschütten, was später die Waterfront werden sollte. Dann

129


Beim Wein und gegrillten Lamm im Freien

war er als Laufbursche mit dem Fahrrad unterwegs, um Waren

auszuliefern.

Schließlich eröffnete er in Paarl einen Metzgerladen. Er verkaufte

aber auch Farmprodukte aus der Region und lernte dabei

David Louw von dem Weingut Babylonstoren kennen. 1916 kaufte

er Louw ein Stück Land ab, das dann zunächst Klein Babylonstoren

genannt wurde, und pflanzte Wein an. Um das Geld für

den Landkauf aufzubringen, musste er seinen Metzgerladen in

Paarl verkaufen. Er züchtete aber auch Rinder und Schafe. Sein

Weinverkauf lief gut. In Fässern konnte er sogar seinen Wein

nach Frankreich verkaufen, weil dort nach dem ersten Weltkrieg

ein Mangel an Wein herrschte. Schon 1926 konnte er einen begehrten

Preis für seine Weine erringen.

Er entschloss sich, sein Anbaugebiet zu vergrößern und kauf-

130


Elegantes Winetasting Ambiente

te an den abfallenden Hängen des aus Granit bestehenden Paarl

Berges ein Stück Land mit dem speziellen Terroir des Granits.

Der Name der Farm war ‚Fairview‘ wegen der weiten Sicht ins

Land bis hin zum Tafelberg. Das war im Jahr 1937. Er kaufte die

Farm einem gewissen Mr. Hugo für 6500 englische Pfund ab.

Als er 1955 starb, konnte er jedem seiner zwei Söhne eine

Farm hinterlassen. Klein Babylonstoren bekam Sydney, der schon

seit 1936 seinem Vater auf der Farm half, und der, nachdem er

es übernehmen konnte, das Gut in Backsberg umbenannte, und

Cyril erbte Fairview. In den Folgejahren konnte Sidney wiederholt

die begehrte Jan Smuts Trophy für seine Weine erringen.

Der Hauptabnehmer für seine Weine in dieser Zeit war die

KWV Kooperative, die größte und marktbestimmende in der

Kapregion.

131


Lounge, Zeit für eine Weinprobe

Sein Wein wurde mit dem Namen Back‘s Wines bekannt, aber

die Preise ließen zu wünschen übrig, da die Konkurrenz mörderisch

war. Sidney entschloss sich 1969, den Markennamen für

gutes Geld zu verkaufen. Er verlegte sich auf andere Farmprodukte,

konnte aber schließlich seine Hände nicht vom Wein lassen.

Er wählte den Namen Backsberg für seine neuen Weine. 1970

eröffnete er seinen neuen Weinkeller.

1976 trat sein Sohn Michael, gerade von der Universität Stellenbosch

graduiert, in das Geschäft ein. Mit neuen Ideen und

bereit die Welt zu verändern, wie er selbst schreibt. Sein Vater

lehrte ihn: „crawl, walk and then run“ (krieche, gehe und dann

renne). Er brachte sich mit seiner Geduld und seiner Entschlossenheit

ein. Er kaufte Land hinzu, vergrößerte die Produktion

und so wurde Backsberg eines der größten von Familienmitglie-

132


Einfaches Innenrestaurant

dern betriebenen Weingütern in der Region. Schließlich trat der

Sohn von Michael Simon in das Familienunternehmen aktiv ein,

der Wirtschaftswissenschaft studiert hatte.

Das Weingut ist heute ein Anziehungspunkt für viele Gäste,

die ein familiäres Ambiente bei guter bürgerlicher Kost schätzen.

Lamm grillen in einem großen Grillkessel sonntags ist eine

besondere Attraktion. Dazu einen Backsbergwein unter schattigen

Bäumen. Perfekt für ein bleibendes Erlebnis in Südafrika!

Vielleich spielt sogar noch eine Jazzband im Freien zur Unterhaltung

der Gäste.

133


Backsberg Family Reserve

Tread Lightly - Pinotage

134


Backsberg Merlot

Auf den rund 300 ha Rebfläche der Backsberg Estate Cellars

werden vorwiegend folgende Rebsoren angebaut: Cabernet Sauvignon,

Chardonnay, Chenin Blanc (Steen), Pinotage, Sauvignon

Blanc, Sémillon und Shiraz.

Bekannte Produkte der Backsberg Estate Cellars sind der Bordeaux-Verschnitt

‚Klein Babylonstoren‘ und der aus der Rebsorte

Chenin Blanc hergestellte Brandy ‚Sydney Black‘. Dieser wurde

übrigens in London bei der International Wine and Spirit

Competition ausgezeichnet.

135


Backsberg Klein Babylons Toren - Cuveé

Alte Destillieranlage mit Kupferkesseln

136


Hazendal Wine Estate

Die Geschichte des Weinguts Hazendal

An den Bottelary Hügeln, auf etwa der halben Strecke zwischen

Kapstadt und Stellenbosch, ist dieses Weingut angesiedelt.

Schon seit drei Jahrhunderten war dieser Landstrich begehrt für

Typische Einfahrt zum Weingut

137


Einfahrt zum Weingut mit dem Bacchus Wappen

Haupthaus mit dem Marvol Museum und dem Restaurant

138


Bacchus Wappen

die frühe Landwirtschaft wegen seiner

fruchtbaren, z. T. aus altem verwitterten

Granit bestehenden Böden.

Kein Wunder, dass sich heute entlang

der Bottelary Road viele bekannte

Weingüter aneinanderreihen, wie

Hartenberg, Kaapzicht, Groenland

und Devonvale, das auch einen Golfplatz

besitzt.

Hazendal, das in den letzten Jahren

eine kostspielige und gelungene

Renovierung hinter sich gebracht hat,

ist sozusagen aus einem langen Dornröschenschlaf

erwacht.

Das alte Weingut

präsentiert sich jetzt

in neuem Glanz,

auch durch die wunderbare

Kunstgalerie

von alten russischen

Gemälden und geschichtsträchtigen

Ikonen in gelungenem

Kontrast zu

zeitgenössischen

Bildern, die von aufstrebenden

südafrikanischen

Künstlern

stammen.

139


Ein Gemälde, auf dem die alte Homestead gezeigt ist

Die Handschrift des jetzigen russischstämmigen Besitzers Dr.

Mark Voloshin ist unverkennbar, einem begeisterten Kunstkenner

und Sammler. Er hat Hazendal im Jahr 1994 gekauft (wahrscheinlich

von Michael Bosman, dem Sohn von Piet Bosman,

von dem später die Rede ist), in dem Jahr als Mandela zum Ministerpräsidenten

gewählt worden ist und das neue, heutige Südafrika

seine Geburtsstunde hatte. Ein ungewöhnlicher Mann mit

vielen Talenten. Er spricht fließend drei Sprachen. Natürlich seine

Muttersprache Russisch, English und Deutsch. Er soll um 1946

geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sein. In

Russland hat er dann Dentalmedizin studiert und danach in

Deutschland an der Leibniz Universität Hannover, wo er auch

seinen Dr. Titel erhalten hat.

Doch lassen Sie uns zu den Anfängen zurückkehren. Die

140


Geschichte von Hazendal beginnt im Jahr 1699. Der Deutsche

Christoffel Hazenwinkel stand als Berater im Dienst des damaligen

Kapgouverneurs Willem Adriaan van der Stel, der ihm 60

Hektar Land zusprach, das der Deutsche sogar kaufen konnte,

was ungewöhnlich war, da ein entsprechendes Gesetz, das den

Privatbesitz von Land gestattete, erst einige Jahre später nämlich

Puppe im Großformat vor dem Eingang zum Haupthaus

141


Bottelary Hills im Hintergrund

1704 erlassen wurde. Angeregt durch seinen Namen und die

vielen Feldhasen auf dem Gelände, hatte er dann die Farm Hazendal,

‚Tal der Hasen‘, getauft.

Willem van As folgte 1729 als Besitzer. Sein Sohn Joost soll

1781 das Jonkershuis und 1790 das Herrenhaus gebaut haben,

das sich durch seinen Rokoko-Stil-Giebel auszeichnet hatte. Ein

Kraal für die Ochsen wurde angelegt und ein Dreschzirkel, der

heute noch auf einigen Fresken im Haupthaus dargestellt sein

soll. 1813 ging die Farm in den Besitz von Hermanus Vermaak

über. Der nächste Eigentümer war die Witwe Wilhemina de Waal,

von der Izaak Bosman die Farm im Jahr 1831 kaufte. Seine Nachkommen

führten das Anwesen über fünf Generationen hinweg

und verwandelten es von einem landwirtschaftlichen Betrieb in

eine Weinfarm. Der vorletzte der Bosman Familie war Piet Bos-

142


man. Von 1941 bis zu seinem Tod

im Jahr 1982 leitete er die Farm. Er

spezialisierte sich auf Rotweine. Er

verzichtete auf die Bewässerung seiner

Reben. „Der Boden besitzt genügend

Feuchtigkeit. Der Ertrag ist

zwar geringer, dafür bekommen wir

aber eine bessere Qualität.“ Das war

seine Philosophie und seine Weine

gaben ihm recht.

Doch kehren wir zu der schillernden

Persönlichkeit des Dr. Voloshin

zurück. Er startete seine berufliche

Karriere in Deutschland, als er im

Jahre 1975 mobile Zahnarztpraxen

erfolgreich einführte, wie man sie

bisher nicht gekannt hatte. 1986 verlegte er seinen Wohnsitz nach

Südafrika, wo die Apartheit noch herrschte. Durch das internationale

Embargo, das auf Südafrika wegen seiner Apartheidpolitik

verhängt war, sah er eine Chance, die Beziehungen zwischen

seinem Heimatland Russland und Südafrika auszubauen. Die

Sowjetunion versuchte nämlich, das Embargo zum Teil zu umgehen.

Nicht nur zu umgehen, sondern die Beziehungen sogar

auszubauen, wobei es hauptsächlich um Waffenlieferungen ging,

die die Apartheidregierung so dringend brauchte.

Meine eigenen Erinnerungen bestätigen das sowjetische Vorgehen.

1989 verbrachte ich einen Urlaub auf den Kapverdischen

Inseln, nämlich auf der Insel Sal. Dort war ich in damals einzigen

guten Hotel mit etwa 3 bis 4 Sternen untergebracht. Weiter

südlich war ein weiteres Hotel abgesiedelt, ein grauer Betonkasten,

das die Russen für ihre Piloten in Beschlag genommen hatten,

denn jeden Tag landeten auf Sal mehrere russische Ilyushin

143


Moderner Weinkeller (2019)

Maschinen, um auf dem Weg nach Südafrika aufzutanken und

für das Flugpersonal eine Pause einzulegen. Das Überfliegen des

afrikanischen Kontinents war den Maschinen durch das international

verhängte Embargo untersagt. Den Piloten war die Unterkunft

und die Verpflegung in dem vorgesehenen Hotel zu schlecht,

weshalb zogen die meisten in unser Hotel um. Fast alle Russen

spielen Schach. Ein Nationalsport. Ich hatte gleich einen Partner.

Dies setzte sich die 14 Tage fort, denn einer erzählte es dem

anderen. Was transportierten wohl die vielen Maschinen? Da muss

man nicht lange raten.

Voloshin gründete 1986 die Marvol Management SA, eine Firma,

die sich zunächst auf Immobilien konzentrierte, danach auf

‚internationalen Handel‘. Sie besteht heute noch und besitzt ein

globales Portfolio von Firmen u. a. in Südafrika, Jordanien, in

den Emiraten, Russland, Georgien und in der Schweiz.

144


Wie aus einigen Internetquellen hervorgeht, deren Wahrheitsgehalt

nicht immer nachprüfbar ist, sollen damals Flugzeugersatzteile

aus Russland für die französischen Mirage Flugzeuge

geliefert worden sein. Provisionen sollen geflossen sein, natürlich

auch für Voloshin. Es soll sich um 80 Millionen

Dollar.gehandelt haben (Quelle: Mail & Guardian: Modise linked

to used MiG dealer, Paul Kirk 12. Jan. 2001). War dies der Grundstock

für sein Vermögen?

Nachdem die Apartheidregierung abgelöst worden war, sollen

die Waffengeschäfte weitergegangen sein, wobei der neue südafrikanische

Verteidigungsminister Modise (angeblich durch

Korruption) eine unrühmliche Rolle gespielt haben soll, die die

südafrikanischen Gerichte noch lange danach beschäftigten sollte.

Es ging dabei um die Lieferung von Triebwerken der russischem

MiG 29, als Ersatz für die Triebwerke in den veralteten

Mirage Flugzeugen der Südafrikaner.

Dr. Voloshin war es dann auch, als Kunstkenner und -sammler,

der eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten auf

dem Kunstsektor einleitete und auch sponserte. 1994, als die

schwarze Regierung das Ruder übernahm und die weiße Bevölkerung

nicht wusste, wie es unter der neuen Regierung weitergehen

wird, fielen die Immobilienpreise drastisch. Für wenig Geld

konnte man große Besitztümer kaufen.

Wer damals den Mut hatte, das zu tun, konnte in Folge ein

kleines Vermögen machen.

Dr. Mark Voloshin kaufte sich in diesem Jahr das Hazendal

Estate. Er verwirklichte so seinen schon lang gehegten Traum,

einen Hort mit einer langen eigenen Geschichte für seine Kunstgegenstände

zu schaffen. Viel später, dann im Jahr 2018, unterzog

er dieses Wine Estate einer gründlichen Restaurierung, indem

er die geschichtsträchtige Vergangenheit der Farm wieder

aufleben und gleichzeitig zeitgenössische Elemente mit einflie-

145


ßen ließ. Die russische Handschrift blieb dabei erhalten. Er richtete

für diesen Zweck auch das Marvol Museum of Art ein (Marvol

- Mark Voloshin). Es beherbergt über 500 Kunstwerke, vorwiegend

Gemälde, Schmuck, Ikonen und sogar einige der berühmten

glitzernden Eier von Farbergé aus Russland. Hier haben

sie einen würdigen Rahmen gefunden.

Eines davon soll er nach Ende der Apartheidregierung dem

neuen Präsidenten Nelson Mandela geschenkt haben. -

Bacchus, der Gott des Weins, wurde schon vor über 150 Jahren

von der damaligen Besitzerfamilie Bosman zum Emblem

des Weinguts erkoren zu Ehren von Hazendals Tradition als

„wine-making-excellence“, wie man auf Prospekten lesen kann

(Bacchus griechisch: Dionysos, Gottes des Weins und des Rausches).

Hazendal Weine

146


Beispiele des Weinsortiments -

Wahrzeichen ein Hase

Die Weine von Hazendal

Ein Mitarbeiter an der Wine-Tasting-Bar erklärte uns, dass 16

Hektar Land neu mit Reben angepflanzt worden sind, die noch

keinen Ertrag bringen (Unter der Leitung von Piet Bosman waren

es 73 Hektar). Die Trauben werden heute von benachbarten

Weinfarmen gekauft, wobei man darauf Wert legen würde, dass

sie aus dem Gebiet der Bottelary Hills stammen.

Die Trauben werden dann in dem neuen nach modernsten

Richtlinien geschaffenen Weinkeller gekeltert und weiterverarbeitet.

Besonderen Wert wird auf weiße Blends gelegt. Der Flaggschiffwein

ist The White Blend aus der ...

147


Christoffel Hazenwinkel - Linie

(genannt nach dem ersten Besitzer)

„The White Blend“.

Aroma: fruchtig, blumig, vegetarisch, mineralisch, würzig.

„The Blanc de Noir“

„The Red Blend“

Die Hazendal - Linie:

„Hazendal Semillon/Sauvignon Blanc“

„Chenin Blanc“

„Chardonnay“

.

Bei dem Besuch auf dem Weingut erklärten uns die Angestellten,

dass es noch ein Hazendalgut gäbe, das dem selben Besitzer

gehöre. Es sei ungefähr zwei Kilometer entfernt und liege am

Bottelary Hill. Eine Besichtigung sei nicht möglich. „Strictly

Private“. Das gesamte Areal der Farm muss riesig sein. Es erstreckt

sich fast bis zu dem Stadtteil Kuilsrivier.

Strictly Private

148


Leeu House

Collection

Franschhoek

Leeu Estates, Dassenberg Road, Franschhoek

Dieses Weingut unterscheidet sich wesentlich von anderen

konventionellen Weingütern im Weinland Stellenbosch/Franschhoek.

Schon der Beiname ‚Collection‘ ist schwer einzuordnen.

Soll er ausdrücken, dass es sich um ein größeres Anwesen han-

Leeu Estates – Franschhoek Mountains

149


Analjit Singh

delt, mit mehreren zusammen geschlossenen ‚Estates‘? Dann ist

der Name richtig gewählt. Und dieses Anwesen gibt es erst seit

2010. Keine lange Historie, wie sonst die meisten Weingüter in

dieser geschichtsträchtigen Region.

Wie kam das alles zustande? Es ist die Geschichte von Analjit

Singh, dessen Wahlspruch lautet: „Meine DNA verheißt mir zu

bauen, etwas neu zu schaffen, etwas zu entwickeln. Heraus kam

hier in Südafrika die Leeu Collection als Manifest meiner Vision

eines gepflegten Refugiums.“

Noch ein Wort zu dem Namen. „Leeu ist unser Name in Südafrika.

In Afrikaans heißt das Löwe und Singh in unserer Sprache,

in Sanskrit, auch Löwe“ (Anmerkung: Singapur Löwenstadt),

sagt Singh bei einem von ihm gegebenen Interview.

Eine von Singhs Töchter, namens Tara, besuchte kurz vor der

Fußballmeisterschaft in Südafrika 2010 die Kapstadt Region und

war besonders von Franschhoek begeistert. Sie berichtete ihrem

Vater davon, der dann zu der Fußballmeisterschaft nach Südafrika

kam und auch einen Abstecher nach Franschhoek machte.

150


Winetasting Center

Von der Schönheit des Landes war er so fasziniert, dass er

nicht lange überlegte und die Farm Klein Dassenberg im Franschhoek

Valley kaufte. „Ich erwartete niemals, dass hier ein kleines

europäisches Juwel versteckt ist.“

Es sollte ein Rückzugsgebiet (personal retreat) für ihn und seine

Familie werden. Aber dann waren schon die Samen gesät für

eine Weltklasse Destination für Gastfreundschaft und für die

Weinherstellung. Ideal gelegen, denn von diesem Städtchen aus,

umringt von braun schimmernden Bergketten, erreicht man leicht

die jungfräulichen Strände des Kaps, in nächster Nähe befinden

sich gepflegte Golfplätze und nicht weit liegt das Städtchen

Hermanus direkt am Meer, weltweit bekannt für die Walbeobachtung

vom Ufer aus, besonders in den Frühlingsmonaten, wenn

151


Gestylte Landschaft

sich hier in der Bucht die Wale aus der Antarktis herkommend

zur Paarung versammeln.

Wer aber ist dieser Mann?

1954 geboren ist er der jüngste Sohn von Bhai Mohan Singh,

Gründer der indischen Pharmafirma Ranbaxy Laboratories.

Heute ist er an vielen Gesellschaften beteiligt, hauptsächlich in

den Bereichen Versicherungen und Gesundheit. Er war auch

lange Zeit Vorsitzender von Vodafone in Indien. Er studierte

Betriebswirtschaft an der Universität von Neu-Delhi und danach

an der Universität Boston. Forbes schätzt sein derzeitiges Vermögen

(Januar 2020) auf über eine Milliarde US Dollar.

Das Anwesen zieht sich weit in das südlich von Franschhoek

gelegene fruchtbare Tal hinein. Es sind 68 Hektar, bepflanzt mit

152


Zugang zum Winetasting Center

Reben, Granatapfel-, Pflaumen- und Olivenbäumen, aber auch

alten Eichen.

Viele Gebäude sind auf dem Areal verstreut, die alle renoviert

wurden und sich jetzt im neuen Glanz repräsentieren: Indaba, für

Veranstaltungen wie Hochzeiten und Konferenzen (in Englisch

für Venues), Leeu Estates, ein Fünfsterne Boutique Hotel, Le Quatier

Français, ein Hotel mit einem Klasse Restaurant, Tuk Tuk, eine

kleine Brauerei für ‚craft‘ Bier., Everad Read, eine Kunstausstellung

von Werken zeitgenössischer aufstrebender südafrikanischer

Künstler, und natürlich ein modernes Winetasting Center für Mullineux

& Leeu Weine. Im weitläufigen Gelände findet man lebensgroße

Bronzeskulpturen der südafrikanischen Künstlerin

Deborah Bell, die Singh selbst ausgesucht hat.

Nachdem das Estate gekauft war, hatte sich Mr. Singh umge-

153


Lebensgroße Bronzeskulptur

sehen, um sich auch beim Wein einen Namen zu schaffen. Er

stieß auf Chris and Andrea Mullineux, die 2007 in der Swartberg

Region Wein anpflanzten und mit ihren Weinen sehr erfolgreich

waren, wie die nachfolgenden Bewertungen im Platter‘s zeigten.

Singh gelang es, das Paar ins Boot zu holen. Mullineux & Leeu

Family Wines, öffnete den Weg zu einem neuen Label – Leeu

Passant – mit dem neuen Standort und Weinkeller auf den Leeu

Estates in Franschhoek. Leeu Passant bedeutet sprachlich ein

herumstreifender Löwe.

Die von Singh investierte Summe soll sich auf 35 Millionen

US Dollar belaufen. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, warum

so viele Superreiche in Weingüter in Südafrika, besonders aber in

der Kapstadt Region, so viel Geld investieren. Der Weinverkauf

ist äußerst schwierig, Konkurrenz gibt es genug, so dass mit

154


Bronzeskulpturen am Eingang

einem Gewinn aus den Weinbergen kaum zu rechnen ist, wenn

man eine Rentabilitätsrechnung aufmacht.

Ist es so wie der Besitzer von dem Weingut Tokara GT Ferreira,

ebenfalls ein Milliardär, gesagt hat: „Man bekommt nur den

Return on Ego. - Die eigene Präsentation ist der Lohn.“

155


Weine des Guts:

2014, 2016 und 2019: Platter‘s – Zur Winery of the Year gewählt.

Mullineux & Leeu

Mullineux Granite Syrah

Mullineux Schist Syrah

Mullineux Iron Syrah

Leeu Passant

Leeu Passant Stellenbosch Chardonnay

Leeu Passant Dry Red Wine

156


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von

Siegfried Kuebler

Erfahrungen, nicht unbedingt zur

Nachahmung empfohlen.

Nicht für Feiglinge und Wehleidige.

Zweite erweiterte Auflage.

Dieses Büchlein wird nicht kommerziell vertrieben.



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