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Inspirationen aus der Halbwüste Karoo
und weitere Aufzeichnungen aus meinem Tagebuch
Siegfried Kuebler
Spandau Koppe im Valley of Desolation
© Copyright 2020
by
Siegfried Kuebler
Zur Grundel 18
D 88662 Überlingen
2
... Loxton ist überall ...
Erlebtes und Erfundenes
aus meinem Tagebuch 2018/19
von Siegfried Kuebler
Privatdruck
Die Auflage dieses Büchleins
ist auf 50 Exemplare begrenzt.
Es ist im Handel nicht erhältlich
und wird nur an gute Freunde verschenkt.
Ich möchte mich bei
Regine,
meiner Frau, für ihre Mithilfe bedanken. Ihre
eigenständigen Recherchen auf den von uns besuchten
Weingütern waren wertvolle Ergänzungen.
Auch
Dr. Gerard Tangerding,
ein Freund und Nachbar in unserer Zevenwacht
Village, gab mir bei der Durchsicht dieses Büchleins
interessante Hinweise und wertvolle Anregungen.
Ein herzliches Dankeschön.
Inhaltsverzeichnis:
Loxton ist überall
Gedanken über den Wein
Wine Estate Backsberg
Wine Estate Hazendal
Wine Estate Leeu
Bücher des Autors
Für Regine
Loxton ist überall
Von „Zevenwacht“ auf Umwegen zum
„Addo Elephant National Park“
Außergewöhnliches von der Straße aus gesehen
und kommentiert
von
Siegfried Kuebler
Von Kapstadt zum Addo Elephant Park
Loxton
Sutherland
Beaufort West
Graaff-Reinet
N7
N12
N1 N9
Grahamstown
Worcester
Matjesfontein
Paarl
Stellenbosch
Swellendam
Hermanus
Kapstadt
Prince Albert
Oudtshoorn
Knysna
George
Plettenberg
Mossel Bay
Addo Elephant Park
N2
Port Elizabeth
St. Francis Bay
Atlantik
Kap Agulhas
Indischer Ozean
My Graphics/Elephantroute 3
Route rot eingezeichnet
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Loxton ist überall
Loxton? Noch nie davon gehört? Das ist nicht verwunderlich,
denn es ist eine kleine Siedlung mit wenigen hundert Einwohnern
mitten in der Großen Karoo, der weiten dünnbesiedelten
Halbwüste in Südafrika, größer als die bekanntere Kalahari nördlich
davon, die bis nach Namibia hineinreicht. Um 1900 war Loxton
noch eine Farm gewesen, die einem gewissen A.E. Loxton,
dem Namen nach angelsächsischer Herkunft, gehörte und die
ihm von der Dutch Reformed Church abgekauft wurde, die darauf
eine Pfarrei einrichtete für die in der Gegend angesiedelten
Farmerfamilien, die Schafszucht betrieben.
Viele Häuser in Loxton weisen eine Besonderheit auf. Sie sind
- natürlich nicht alle - trägerfrei gebaut, mit Kuppeln, die wie
Miniaturmoscheen anmuten. Bienenstockartig, lustig anzusehen,
Corbelled Houses auch genannt. Die ersten sollen schon von nomadisierenden
aus Europa stammenden Farmern um 1800 gebaut
worden sein. Die meisten Häuser sind aber wie üblich in
solchen südafrikanischen Dörfern gemauert und mit Wellblechdächern
versehen.
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In der Mitte des Dorfes steht eine schmucke Kirche mit einem
spitzen Kirchturm, wie nach der Vorgeschichte von Loxton nicht
anders zu erwarten ist. Heute noch wird, wie schon seit der Gründung
Schafzucht betrieben, aber die Farmer bauen auch Knoblauch
an.
Was ist so besonderes an diesem einfallslosen und abgelegenen
Dorf, dass es so in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen
gerückt wird? Was kann man hier schon entdecken?
Man kann sich beispielsweise auf der vorgebauten Veranda eines
Hauses setzen und auf der staubigen Dorfstraße vorbeitrottende
Menschen jeder Hautfarbe beobachten, die es nicht eilig
haben, wenn man die schreienden Kinder ausklammert, von denen
es viele gibt. Hunde, Kühe, Pferde, Maultiere und sogar Esel,
die seltener geworden sind. Man kann auf ausgetrockneten Pfaden
in die Halbwüste aufbrechen, sienabraun, seit Monaten keinen
Tropfen Wasser gesehen. Sukkulenten am Wegesrand entdecken,
die gelernt haben, der Trockenheit zu widerstehen.
Dieses Gebiet um Loxton ist auch reich an Fossilien. Auf der
Melton Wold Guest Farm zum Beispiel können Besucher das
Fossil eines 250 Millionen Jahre alten Bradysaurus besichtigen.
Bradysaurus war eine Gruppe früher Reptilien, die in Südafrika
mit massiven Körpern, starken Gliedmaßen und riesigen Schädeln
gefunden wurden. Sie durchstreiften die Karoo, die einst
ein riesiges Binnenmeer war. Das sandige, schlammige Gebiet,
das Habitat der Bradysaurus, hat sich jetzt in Sandstein und
Schlammstein verwandelt. Die Felsen der Karoo bewahren jedoch
noch zahlreiche andere Fossilien, die die frühe Entwicklung
von Schildkröten, Dinosauriern und Säugetieren zeigen. Es
ist die einzige Region der Welt mit einer derartigen Vielfalt von
Reptilienfossilien. Es ist eine Schatztruhe des historischen und
geologischen Lebens.
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Beim Wandern Ruhe finden, denn die Zeit steht hier still. Zeit
zum Nachdenken. Braucht man die überhaupt? Je mehr man nachdenkt,
desto mehr drehen sich die Gedanken im Kreis. Neue
Erkenntnisse entstehen meistens nicht. Neues und Lösungen
kommen in der Regel von draußen. Durch Ereignisse und Erlebtes,
durch Auseinandersetzungen und Austausch mit anderen
Menschen. Nicht von Innen. Trotzdem, es gibt Menschen, die
einmal Abstand vom ihrem regelmäßigen Ablauf brauchen. Wie
man so schön sagt: sich selbst wiederfinden wollen.
Und hier ist ein besonderes Beispiel zu erwähnen: Der berühmteste
Gegenwartschriftsteller Südafrikas Deon Meyer, der jedes
Jahr einen neuen Thriller schreibt (bisher wenigstens) und Millionen
Leser auf der ganzen Welt hinter sich hat, kommt einmal
im Jahr nach Loxton, um hier sich eine Auszeit zu nehmen, wie
später in diesem Büchlein noch näher erläutert wird. Loxton ist
sein Rückzugsgebiet geworden. Dadurch ist es in Südafrika bekannt
geworden und manche seiner Leser wollen es dann auch
kennen lernen.
Wir alle brauchen wahrscheinlich irgendwann ein Loxton. Eine
Metapher. Und dieses Loxton kann überall sein. Es muss nicht in
der Weite der Karoo liegen.
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Von „Zevenwacht“ auf Umwegen zum „Addo Elephant
National Park“, wäre wahrcheilich der treffernde Titel gewesen
„Sie sind schon wieder hier? Wir hätten Sie viel später erwartet.
Wir dachten, Sie bleiben ganz in ihrer neuen Heimat, in Südafrika.“
„Haben Sie wieder ein Büchlein geschrieben, in dem Sie Ihr
Erlebtes und Ihre Erfahrungen wiedergeben? Mit Beschreibungen
und Bildern von Weingütern und dazu irgendwelche erfundenen
Geschichten? Das letzte von Ihnen habe ich gelesen. Es
ist streckenweise ganz interessant, aber ein Siegfried Lenz ist es
natürlich nicht.“
Ich habe natürlich nie den Anspruch gehabt, wie einer aus der
1947 - Gruppe schreiben zu können. Aber immerhin macht mir
Weingut Zevenwacht (übersetzt aus dem Holländischen: sieben
Erwartungen) – ein begehrtes Fotomotiv
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das Schreiben Spaß, wenn ich auch nicht so viele Konjunktive
verwende wie unser Martin Walser, der auch wie wir in Nußdorf
wohnt. Wenn ich mein eigenes Büchlein in Jahren wieder lese,
brechen weitere Erinnerungen aus dieser Zeit auf. Es wirkt dann
wie ein Katalysator für längst Vergessenes.
Dieses Jahr ist es ein Büchlein mit dem Titel Loxton ist überall
geworden. Loxton liegt in der Karoo, eine Halbwüste in Südafrika,
die die Hälfte des Landes einnimmt? Etwas zu schreiben, das
Sie als Leser interessieren könnte, ist bei der heutigen Überfütterung
an Lesestoff, Videos, Blogs auf sozialen Netzwerken, Fernsehsendungen
und anderem nicht einfach. Das eine oder andere
mag vielleicht dann doch für Sie überraschend sein, weil sich das
Geschriebene auf Südafrika bezieht, ein Land, das noch viele Geheimnisse
birgt und dabei in vielen Farben schillert. Es bezeichnet
sich ja selbst zutreffend als Regenbogennation wegen seiner Menschen,
die ein ganzes Farbenspektrum umfassen, und seiner farbenintensiven
Landschaften. –
Ich erinnere mich an meine Schulzeit in der Seuse Oberrealschule
in Überlingen. Kurz nach dem Krieg in der französischen
Besatzungszone nahmen die Franzosen Einfluss auf den Schulplan.
So wurde die English Constitution, the Magna Charta, ganz
oben auf den Schulplan gestellt. Weg von der Diktatur, hin zur
Demokratie. Weg vom Ducken, hin zur Freiheit. Auch die Ilias
von Homer stand im Deutschunterricht weit vorne.
Unser Deutschlehrer Ehret, ein liebenswerter Choleriker, ich
weiß selbst nicht, ob es so etwas überhaupt gibt, aber immerhin
konnte er zu seinem Vorteil wenigstens einen schwachen alemannischen
Dialekt in die Waagschale werfen, nahm mit uns die Ilias
durch. Er wählte eine deutsche Übersetzung, die die ursprüngliche
Versform berücksichtigte, die ja den Charakter des Epos ausmacht,
in daktylischen Hexametern, eine lange Silbe gefolgt von
zwei kurzen, sechs Mal hintereinander.
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Doch zum Sinn dieser Abschweifung.
Priamos Herrscher von Troja, ließ sich von der entführten schönen
Helena auf der Mauer von Troja stehend, die griechischen
Helden beschreiben, die vor der Festung lagerten. Die Mauerschau.
Ein literarischer Kunstgriff, schnell und effektiv die Protagonisten
einer Geschichte vorzustellen. Agatha Christie ist eine Meisterin
in dieser Kunst geworden, wenn sie ihre Darsteller in einem
Raum zusammenkommen lässt, die sich dann sozusagen gegenseitig
vorstellen.
Eine Mauerschauvariante wurde für das Geschriebene angewendet.
Keine Mauerschau im eigentlichen Sinne, sondern eine
Schau über den Straßenrand hinweg. Was sehe ich von der Straße
aus? Was weiß ich darüber? Welche Geschichte hängt daran? Was
denke ich, was fühle ich? Wie kann ich das meinem Leser rüberbringen?
Wenn wir im Frühjahr in unsere Heimatstadt Überlingen zurückkehren,
ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir solche Kommentare
über unseren Aufenthalt in Südafrika und über meine
literarischen Versuche von Bekannten hören, wenn wir im Café
Brazilia an der Seepromenade sitzen und einen Cappuccino zu
uns nehmen. Was sollen sie auch sonst zur Begrüßung sagen?
Eben „Small Talk“.
Es stimmt ja, wir verbringen den deutschen Winter schon seit
vielen Jahren in Südafrika. Wir entfliehen der Kälte, dem Nebel
und der Nässe am See und sonnen uns in Kapstadt, wo uns der
Sommer empfängt, fast an jedem Tag tiefes Blau schon in den
Morgenstunden den Himmel überspannt und die Temperaturen
bei 20 bis 30 °C liegen.
Wir haben uns, nachdem wir einige Sommer zur Miete gewohnt
hatten, dann für den Kauf eines kleinen Häuschens entschieden,
das in einer bewachten umzäunten Anlage liegt auf dem weitläufigen
Gebiet eines Weinguts. Es hat ganz oben auf einem Hügel
14
Am Eingang zu unserem Haus: Winery Kuebler.
Einladung zu einem Zevenwacht Cabernet Sauvignon
oder einem Sauvignon Blanc.
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Unser Haus - Bordeaux Cresent, House No. 25
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Hauseingang, Doppelgarage links
Die mit Bougainvilleen überwachsene „Stoep“ (Terrasse)
17
sein Herrenhaus, im kapholländischen Stil vor einem Weiher gebaut,
ein Bild, das zu einem begehrten Fotomotiv für Touristen
und auch Einheimische geworden ist. Die bewachte Anlage mit
hundert Häusern hat den Namen Zevenwacht Village bekommen.
Das besondere Flair entsteht durch die vielen mächtigen
Steinpinien und die um die Häuser liebevoll angelegen Gärten
mit Büschen, Bäumen und blühenden Pflanzen.
Ein Kleinod am Kap. In den 1990er Jahren war man noch großzügig
mit dem Platz umgegangen. Auf dem freien Gelände vor
den Zäunen der Village und zwischen den Häusern hätten noch
weitere hundert Platz gehabt. Ein Clubhaus wurde erstellt, ein
Swimmingpool und ein Tennisplatz. Vom Flughafen (Cape Town
International Airport), in östlicher Richtung etwa 20 km vom
Stadtzentrum entfernt, gelangt man in etwa 20 Minuten zu unserer
Village. Man nimmt zunächst die Nationalstraße N2, die direkt
nach Somerset West im Osten führt, biegt nach wenigen
Kilometern in die Schnellstraße R300 ein und nimmt dann die
M12, auch ‚Stellenbosch Arterial Road‘ genannt, die Langverwacht
Link Road und schon ist man am Ziel. Klingt einfach und doch
haben sich schon viele unserer Besucher verfahren. Aber es gibt
ja das Navi.
Auf einem der gezeigten Bilder ist die Google-Earth-Ansicht
unserer Village zu sehen. Unser Häuschen ist weiß umrandet. So
klein ist es auch wieder nicht. Man darf dazu anmerken, dass
keines der Häuser unterkellert ist. Wir haben keine Treppe, auch
keine Stufen im Haus. 160 qm Wohnfläche und zwei Garagen.
Eine 20 Meter lange „Stoep“ (Afrikaans), eine offene Terrasse,
ist auf der Nordseite angelegt. Mit Bougainvilleen überwachsen.
Zünftige Grillpartys kann man hier feiern! Mit zarten Filetsteaks
von Charolais Rindern aus der Karoo, wo es für die Rinder nur
trockenes Gras, mit allen möglichen duftenden Kräutern aufgewertet,
zu fressen gibt. Nicht zu vergessen natürlich etwas vom
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Regine zum Braaiempfang auf der Terrasse
Sigi empfängt die Gäste an der Tür
19
Zevenwacht Village - Google Earth (2018)
Unser Haus weiß eingerahmt
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wichtigsten: der Zevenwacht Rotwein Cabernet Sauvignon, in
neuen französischen Eichenfässern gereift, mindestens fünf Jahre
alt, dekantiert und im bauchigen Glas serviert, wo sich das Aroma
nach Cassis nochmals fangen kann und den Gaumen zu betören
beginnt, schon bevor dem ersten Schluck. Allein der Duft
bringt einen ins Schwärmen.
Nordseite? Wir müssen umdenken. Mir ist es zunächst schwergefallen.
In Deutschland wollen wir, dass unser Haus nach Süden,
vielleicht auch noch nach Südwesten ausgerichtet sein soll.
Auf der Südhalbkugel ist es natürlich umgekehrt. So liegt z. B.
Kapstadt am Nordhang des Tafelbergs und Camps Bay, der vornehme
und teuerste Stadtteil von Kapstadt, ist nach Nordwesten
ausgerichtet.
Unsere Stoep, also unsere Terrasse, zeigt demzufolge natürlich
auch nach Norden. Da wir nur im Spätfrühjahr/Sommer in unserem
Häuschen wohnen, fällt einem das gar nicht weiter auf,
weil die Sonne im Sommer bei dem Breitengrad von 34 ° hoch
am Himmel steht und nur schräg auf die Terrasse, die durch eine
Markise zusätzlich geschützt ist, einfällt und schon gar nicht durch
die Fenster ins Haus. Auf der Nordhalbkugel würde der Breitengrad
dem von Djerba entsprechen.
Auf der Terrasse haben wir einen aus Aluminium gegossenen
und zusammengeschweißten Tisch in beachtlicher Größe stehen,
der weiß lackiert ist und jedem Wetter standhält. Auch die Stühle
sind gegossen. Diese Art von ‚Outdoor-Gartenmöbel‘ ist bei uns
in Deutschland so gut wie unbekannt, aber in Südafrika weit verbreitet.
An dem Tisch haben zehn Personen Platz. Manchmal
reicht das nicht und wir holen einen weiteren Tisch aus der Garage
hinzu. So haben wir bei unseren Grillpartys oder zu Silvester
im Freien bei sommerlichen Temperaturen schon bis zu 20
Personen bewirtet. Zu den Steaks bereitet Regine köstliche zu
Würfel geschnittene Bratkartoffeln mit roten Zwiebeln in einer
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elektrisch beheizten Pfanne mit einem halben Meter Durchmesser
zu. Für den besonderen Geschmack in Butterschmalz und
Speckwürfelchen gebraten.
Nicht so einfach, denn man muss sich dazu goldfarbene ‚Mediterranian
Potatoes‘ besorgen, die nicht jeder Supermarkt zum
Verkauf anbietet. Die hier üblichen Kartoffeln mit ihrer weißen
Fruchtfarbe schmecken uns Deutschen nicht besonders gut.
Was nicht fehlen darf sind in Aluminiumfolie eingewickelte
mit Butter und Salz bestrichene vorgekochte Zuckermaiskolben,
die am Rand des Grillrosts den letzten „Grilltouch“ bekommen.
Salate bringen die Nachbarn. Unübertroffen ist Regines Tomatensalat,
fleischige Tomaten in Scheiben geschnitten, mit Essig
und Öl angemacht und dann als Überraschung ein halbes Glas
mit Humus untergemengt, wahlweise geht auch Tahin. Die libanesische
Küche lässt grüßen! Probieren Sie dies doch einmal.
Auch das Grillen selbst hat so seine Tücken. Grillen ist eine
Art Nationalsport in Südafrika. Dafür gibt es einen besonderen
Ausdruck: Braai. „To make a braai.“
Der Südafrikaner verwendet Holzkohle, aber auch Hartholzscheite.
Besonders ‚Rooikrans‘ eignet sich hierzu und auch ‚Kameeldoring‘
(Kameldorn - eine Akazienart). Lamm wird bevorzugt
und natürlich darf Chicken nicht fehlen. Beides erschwinglich
für die Einheimischen. „Snoek, (Snug ausgesprochen), eine
Art von Schlangenmakrelen mit einer Länge von etwa 80 cm, oft
am Straßenrand auf der Ladefläche eines Bakkies (in Afrikaans
für Kleintransporter) für wenig Geld zum Verkauf angeboten,
eignet sich wegen seines Fettgehalts vorzüglich zum Grillen.
Wir haben einen Webergrill. Vielleicht haben Sie schon einmal
einen solchen gesehen? Es ist der, der mit einem rundgewölbten
Deckel mit Lüftungsschlitzen abgedeckt werden kann. Viele Male
hat er sich schon bewährt. Eigentlich immer nicht abgedeckt.
Eine Dreiviertelstunde nach dem Anzünden entsteht eine herr-
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liche, durchgehende Glut. Das von Regine vorbereitete, leicht in
Öl eingelegte Fleisch wird mit einer südafrikanischen Gewürzmischung
bestrichen. Das Fleisch, wenn es sich nicht gerade um
ein Filet handelt, soll mindestens 28 Tage lang abgehangen sein
(auf Englisch ‚matured‘), liegt in einer Schüssel bereit. Nichts
kann schiefgehen. Auf den Rost auflegen, gleich umdrehen und
immer wieder, damit das Öl nicht abtropfen kann und nicht in
der Glut Flammen hochschlagen können. Nach drei bis fünf
Minuten alle Steaks vom Rost nehmen und in einen schweren
gusseisernen Potjie (Topf) legen. Deckel zu und fünf Minuten
nachgaren lassen. Dann ist man sicher, dass die Steaks nicht zu
‚englisch‘ sind, sondern durch und durch rosa mit einer tief braunen
Kruste von der Glut außen herum und den dunklen Streifen
von dem Rost, die nicht fehlen sollten.
Im Potjie sammelt sich am Boden köstlicher Bratensaft, den
man beim Servieren über das Steak träufeln kann.
Wie viele Gäste haben wir in den vielen Jahren jetzt schon so
verwöhnt? Aus unserem Dorf mit etwa 150 Bewohnern? Unsere
großen Familien, die uns hier schon besucht haben? Manche
Golfer, die wir auf den Plätzen Kapstadts kennen gelernt und
gelegentlich auch eingeladen haben? Nicht zu vergessen die vielen
Besucher aus unserem Heimatgolfclub Überlingen-Owingen,
die sich Südafrika einmal ansehen wollten oder zum Golfspielen
hierherkamen?
Manche von ihnen halfen mir beim Grillen, mit einem ‚Windhoek
Lager‘, ein beliebtes Bier in Südafrika, in der Hand. Der
Wein kommt dann später erst zum Essen hinzu. Viele unterschiedliche
Charaktere haben wir dabei kennengelernt. Manche Story
kann man da erzählen. Einer von ihnen, nicht gerade der beste
Golfspieler, war vom Wein in diesem Land, wir gehören ja zum
Stellenbosch Einzugsgebiet mit bestimmt 300 Weingütern, ganz
begeistert und im besonders von dem zu Beginn von uns zum
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Anstoßen eingeschenkten ‚MCC Champagner Kaapse Vonkel‘
(der funkelnde Kap Champagner), den angeblich Barack Obama
zu seiner Inauguration getrunken haben soll.
Aber als er dann unseren Wein den Zevenwacht Cabernet Sauvignon
mit seinen 15 % gekostet hatte, war kein Halten mehr
möglich. Die große Steinpinie gegenüber mit ihren verschachtelten
Ästen begann in seinen Augen zu tanzen. Die Äste schienen
sich selbstständig zu machen, verschlangen sich ineinander. Schienen
nach ihm zu greifen, um ihn in ihren Tanz mit einzubeziehen.
Er stand auf, taumelte zur Toilette. Später fand ich ihn schnarchend
auf unserem Sofa liegen. Das kommt in den besten Familien
vor. Am nächsten Morgen konnte er sich an das köstliche
Essen, den Wein und den Baum nicht mehr erinnern.
Wie schade!
Ein anderer Gast, durch den Wein redselig geworden, schwärmte
von seiner Leidenschaft der Musik von Gustav Mahler (1860-
1911). Über hundert CDs habe er schon von seiner Musik gesammelt.
Alles, was er über den Komponisten finden konnte, habe
er gelesen. Mahler sei nicht nur Komponist, sondern auch ein
gefragter Dirigent gewesen. Zehn Jahre lang (1897-1907) sei er
erster Kapellmeister und Direktor des Wiener Opernhauses gewesen.
Sein persönliches Lieblingsstück sei die symphonische
Schlittenfahrt, also die vierte Symphonie des Komponisten.
Manche können mit ihrem Erzählen nicht mehr aufhören, wenn
sie mit ihrem Lieblingsthema einmal begonnen haben. Er merkte,
wie die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer nachließ.
„Doch das ist nicht alles,“ fuhr er aufgeregt fort. „Das Interessanteste
in Mahlers Leben war dann schließlich doch seine 18
Jahre jüngere Frau. Sie haben sicher schon von der Femme fatale
des 20. Jahrhunderts gehört?“ Er schien mit dieser Variante die
Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zurückzugewinnen.
„Nach Mahlers Tod heiratete sie, geborene Alma Schindler
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(1879-1964), den Bauhausarchitekten Walter Gropius (1915) und
später (1929), nach ihrer Scheidung von Gropius, den Dichter
Franz Werfel. Sie war sogar die Geliebte des Malers Oskar Kokoschka
und weiterer prominenter Männer. Magisch zog sie große
Künstler in ihren Bann, war die Muse vieler berühmter Männer.
Ein lesenswertes Buch über sie heißt Witwe im Wahn.“–
Dann hatten wir einen Holländer zu Gast, der auch in der Village
wohnte. Er erzählte, dass er in den regnerischen Wintermonaten
mit dem Pinsel in der Hand vor seiner Staffelei sitzen und
Schiffe malen würde. Hintergrund sei meistens der Rotterdamer
Hafen mit seinen Molen und Kränen. Als gelernter Grafiker würde
Ellis van Eck: ‚Die Rose of Sharon‘ in der False Bay, dahinter der
Hangklip, der früher von den aus Batavia ankommenden Segelschiffen
immer wieder mit dem Kap der Guten Hoffnung verwechselt
worden war.
25
Ellis van Eck, Bleistiftzeichnungen
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er sich auch an akribischen Bleistiftszeichnungen versuchen, die
eine besondere Wirkung auf den Betrachter ausübten.
Da kann ich dem schlanken großen Mann mit wettergebräuntem
Gesicht, mit wenigen Falten seinem Alter von fast 77 Jahren
entsprechend, aber immer mit einem schelmischen Lächeln im
Gesicht und einem flotten Spruch auf der Zunge, in dem oft in
einem Satz gleich drei Sprachen vorkommen können, nämlich
Holländisch, Englisch und Deutsch, nur zustimmen. Zwei seiner
Bleistiftzeichnungen sind abgebildet, die er uns überlassen hat.
Er ist auch einer meiner Leser, der meine Büchlein mit Interesse
Seite für Seite liest. Als ich ihm das Büchlein ‚Geschichten
aus Fuerteventura‘ schenkte, gefiel ihm die Geschichte ‚Die Rose
of Sharon‘, der Name der Brigantine, die vor Jahren am Strand
von Fuerte auflief, so gut, dass er die beschriebene Situation auf
einem Bild festhielt, für den Hintergrund aber die False Bay mit
dem dahinterliegenden Hangklip wählte. Als wir dann im November,
wie jedes Jahr um diese Zeit, in unserem Häuschen ankamen,
stand das Bild als Geschenk und als Überraschung vor
dem Kamin. „Für Ziggy“ von Ellis. Oft schreiben so auch die
Amerikaner meinen abgekürzten Vornamen. Richtig ist selbstverständlich:
Sigi. –
Wir hatten noch einen anderen Besucher, dem der Zevenwacht
Cabernet Sauvignon mit einem Filet Steak verfeinert schmeckte.
Er war, bevor er pensioniert worden war, als Professor für das
Alte Testament an der Universität Johannesburg tätig und unterrichtete
Studenten aller drei großen Religionen, Christen, Juden
und Moslems. Ein echter Bure mit großen breiten Händen, die
zupacken konnten, und einer sanften Persönlichkeit, die einem
zu Herzen ging. Er hatte an jenem Grillabend nicht viel gesprochen,
doch am nächsten Tag hatte er mir einen Aufsatz gebracht,
den er in einer theologisch wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht
hatte. Es ging um den Psalm 104, der etwas Besonderes
27
ist. Übersetzt mit meinem Englisch und mit meinen wenigen theologischen
Kenntnissen habe ich folgendes in mein Tagebuch
geschrieben, das seine gewählten Worte nur unvollständig in
Deutsch wiedergeben können.
Das Original lautete:
Johan Coetzee, Bodily Interpretation of Psalm 104.
„Die ideale Neigung unseres Körpers ist sich mit allen Dingen
zu manifestieren. Das ist nur natürlich für uns, um uns eine angenehme
und spannungsfreie Umgebung zu schaffen, in der wir
leben und arbeiten können. Deshalb streben wir nach positiven
Erfahrungen, negative versuchen wir in positive umzuwandeln.
Der natürliche Wunsch für uns Menschen ist, Freude zu erfahren.
Wie in dem Psalm 104 deutlich gemacht wird, ist die Freude
extrem nützlich für unser Wohlergehen und trägt auch dazu bei,
dass wir in einer positiv eingestellten und friedlichen Welt leben
Regine und ich
28
können. Freude ist auch eine wirksame Waffe, um Aggressionen
in positive Erfahrungen zu verwandeln, das Böse zu bekämpfen
ist das Ziel. Lass die Freude in deinem Leben die Oberhand gewinnen.
Dieser wunderbare Psalm zeigt eine Umgebung für ein
positives und ethisches Benehmen auf, und zwar in jeder Ebene
unserer Gesellschaft. Verbinden wir die menschliche Freude als
Metapher für die göttliche Freude. Der Palm beschreibt die Gründe
und die Richtung für die menschliche Freude.“
Als ich von dieser ‚Weisheit‘ meinem südafrikanischen etwa
35-jährigen Arzt erzählte, auch ein streng protestantisch gläubiger
Bure, meinte er, dass die erste und wichtigste Aufgabe
allerdings für uns Menschen sei, Gott in allen Aspekten und Lagen
zunächst einmal ergeben zu dienen. So können die Meinungen
gläubiger Menschen auseinandergehen. –
Wir haben auf dieser Terrasse, wie bereits erwähnt, schon so
manche Silvesterabende gefeiert. In den ersten Jahren sind die
Gäste schon um 18 Uhr erschienen. Aber es dauert lange, bis es
schließlich zwölf ist.
In späteren Jahren haben wir die Einladung auf 20 Uhr verlegt.
Vier Stunden Essen und Wein. Den Tafelberg können wir
von der Terrasse mit dem Lions Head daneben sehen, aber für
das Feuerwerk dort sind wir zu weit entfernt. In unserer Village
werden auch keine Raketen gezündet. Kein Feuerwerk. Mit den
trockenen Pinien mit ihren ölhaltigen Nadeln wäre das zu gefährlich.
Wie wollte man auch einen solch brennenden 25 Meter
hohen Baum löschen? Selbst der Wasserdruck wäre zu niedrig,
um mit dem Spritzstrahl so hoch zu kommen. Was bleibt sind
die knallenden Sektkorken um Mitternacht.
Aber damit ist noch lange nicht Schluss. Silvester in Deutschland
ist infolge der Zeitumstellung eine Stunde später. Also jetzt
das deutsche Fernsehen anstellen. Und dann nochmal knallende
Sektkorken. Um halb drei gehen die ersten Gäste. Alle helfen
29
beim Abräumen mit. Noch ein Absacker im Wohnzimmer auf
den Sofas um den Couchtisch. Die letzte Spülmaschine läuft. Es
ist vier.
Der Neujahrstag ist gelaufen, wie man leicht nachvollziehen
kann. Katerstimmung. Wasser trinken. Eine 500er Aspirin.
Unsere üblichen Grillpartys beginnen an anderen Tagen um
18 Uhr und gehen bis 22 Uhr. In Südafrika gilt ein ungeschriebenes
Gesetz: Nach vier Stunden bedankt man und verabschiedet
sich. Ein zusätzliches Zeichen kann der Gastgeber noch setzen,
indem er einen Espresso oder Kaffee anbietet.
Dieses Jahr soll es anders laufen. Wie wäre es mit einem Ausflug
auf verschlungen Wegen zum Addo Elephant Park? Mit unserem
alten Toyota Avensis, der noch gut in Schuss ist? Über 800
km zu fahren.
Drei Tage planen wir ein. Dort können wir für den Silvestertag
eine Safari buchen, die den ganzen Tag in Anspruch nehmen wird.
Danach ein gutes Essen im Hotel, dazu ein oder zwei Windhoek
Lager Light hinunterschütten, um den Staub der Jeepfahrt runterzuspülen.
Todmüde ins Bett fallen und das Neue Jahr nach
einem gesunden Tiefschlaf beginnen.
„Wäre das auch für dich okay?“, fragt mich Regine.
Wir fahren also früh am 28. Dezember 2017 los. An der Pforte
winkt uns die Schwarze freundlich zu und öffnet das Gate. Regine
reicht ihr die überschüssigen Lebensmittel aus dem Kühlschrank,
die sonst verderben würden. Als Dank ein breites offenes
Lachen, das blendend weiße Zähne offenbart.
Wir fahren die Langverwacht Road entlang bis zu der Kreuzung,
wo rechts die Saxdowns Road beginnt. Nach drei Minuten
Fahrt biegen wir nach links ab in die Bottelary Road. In Südafrika
herrscht Linksverkehr und andere Verkehrsregeln wurden
höchstwahrscheinlich von den USA übernommen. Rechts vor
links oder in diesem Fall links vor rechts gibt es an Kreuzungen
30
Die große Halle des ‚Shoprite Distribution Centers‘
nicht. Nach Vorfahrtsschildern hält man vergebens Ausschau.
Kommt man an eine Kreuzung, hat derjenige Vorfahrt, der auch
als Erster angekommen ist. Grundsätzlich gilt: an jeder Kreuzung
einen Fullstop. Einmal geübt, funktioniert diese Regelung
wunderbar. Auch dann, wenn an einer Ampelanlage der Strom
ausgefallen ist, was in Südafrika häufig vorkommt. Keiner muss
wirklich lange warten.
Kurz nach der Soneike Mall auf der linken Seite kommt die
Auffahrt zur Schnellstraße R300, die uns direkt zur Nationalstraße
N1 führt, die längste Straße in Südafrika von Kapstadt bis zur
Grenze nach Simbabwe im Norden. Sie ist streckenweise autobahnähnlich
ausgebaut.
Rechts von dem Abschnitt, den wir jetzt auf der R300 fahren,
liegt der neuere Stadtteil Brackenfell, der sich durch Gewerbe-
31
und Industrieansiedlungen auszeichnet. Gleich rechts, wenige
hundert Meter von der Straße entfernt, liegt eine flache Halle im
braun vertrockneten Grassgelände, die mich immer wieder durch
ihre Größe fasziniert, wenn wir hier vorbeifahren. Sie soll etwa
750 m lang sein und 180 m breit. Die Nutzfläche in der Halle soll
123000 qm betragen. Zwanzig Fußballfelder hätten darin Platz.
Ich kann mich erinnern, dass während des Baus, 2016 begonnen
und nach nur einem Jahr schon fertiggestellt, ein Riesenschild
aufgestellt war, das besagte, dass hier die größte Halle von ganz
Afrika entstehen würde. Diese Halle ist die größte des Shoprite
Distribution Centers, auch genannt Cilmor Distribution Center
nach dem ehemaligen Farmer Cecil Morgan, dem das Land zuvor
gehörte. Mehrere etwas kleinere Gebäude fügen sich dahinter an.
Von hier werden die Shoprite und Checkers Supermärkte in der
Kapstadt Region versorgt. Auch Pepkor, die Supermarktkette für
preiswerte Kleidung. Dem Architekten Steyn le Roux Truter
wurde die Aufgabe gestellt, eine effektive Lösung zu finden, um
den logistischen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig
ein äußeres Erscheinungsbild zu kreieren, das dem Komplex
eine entsprechende ästhetische Prominenz verleiht. Kompliment.
Gut gelungen.
Als Konstruktionsmaterial kam nur Stahl bei dieser extremen
strukturellen Leichtbauweise infrage. Auch für das gewölbte Dach.
An diesem Beispiel sieht man, dass Südafrika mit seinen Ingenieuren
und Architekten durchaus mit den weiter entwickelten Industriestaaten
mithalten und gelegentlich sogar übertreffen kann.
Doch wer steckt eigentlich hinter Shoprite, Checkers und Pepkor?
Christo Wiese, 1941 in Upington am Orange River in der
Northern Cape Province von Südafrika geboren, erhielt seinen
Bachelor of Arts für Jura an der Universität von Kapstadt und
später wurde ihm die Ehrendoktorwürde für Handel von der Uni-
32
versität Stellenbosch verliehen. Er ist einer der reichsten Männer
Südafrikas, ein Dollar Milliardär. (2012 etwa 3 Milliarden Dollar).
Die genannten Supermarktketten überziehen das ganze Land
mit Tausenden von Läden. Die Lebensmittelkette Checkers ist
bei der schwarzen Bevölkerung, die oft über ein sehr geringes
Einkommen verfügt, besonders beliebt. Große Auswahl, gute
Qualität und billig. Wiese war auch zeitweise Chairman der Steinhoff
AG, die in den vergangenen Jahren an den Börsen in Frankfurt
und Johannesburg durch hohe Umsätze aufgefallen ist, bis
schließlich der Kurs zusammenbrach. Die anfangs gemachten
Versprechungen dieses Möbel-Konglomerats wurden, wie so oft
bei neu an der Börse platzierten Unternehmen, nicht eingehalten
und viele gutgläubige, und danach getäuschte Investoren haben
so den Großteil ihrer Einlage verloren.
Wie eigentlich fast alle südafrikanischen Milliardäre besitzt auch
Wiese ein spektakuläres Weingut nördlich von Somerset West im
Schatten des Helderbergs: Laurensford. Es zieht sich tief in das
Tal hinein, durch das sich der Fluss Laurens (im Sommer mehr
Flüsschen als Fluss) schlängelt, der danach auch Somerset West
durchquert. Das Weingut Lourensford ist ohne Zweifel eines der
schönsten Vorzeigegüter in ganz Südafrika. Mancher Filmregisseur
schon nutzte das prachtvolle Weingut als Kulisse für seinen
Film.
Gibt es einen südafrikanischen Milliardär, der sich nicht irgendwann
ein Weingut im Weinland um Kapstadt zulegt? Eine Art
von Visitenkarte? Aushängeschild? Wer hat die besten Weine, wer
das schönste Gut?
Noch eine kleine Geschichte über ‚Christo‘ wie er in Südafrika
oft genannt wird. Er soll im Jahre 2009 von England nach Luxemburg
geflogen sein. Beim Boarding entdeckte der Zoll in seinem
Gepäck eine Million Dollar in bar. Offensichtlich wollte er
das Geld auf einem Luxemburger Konto verschwinden lassen.
33
Er ging dabei ein hohes Risiko ein. Für eine eigentlich relativ
geringe Summe für einen Milliardär (~0,3 Promille seines Vermögens).
Meinen Sie nicht auch?
Doch wir fahren weiter auf die N1, hier hinter Kapstadt noch
eine vierspurige Autobahn. Der Mittelstreifen ist mit hohen rot
und weiß blühenden Oleanderbüschen bewachsen auf einer Strecke
von etwa 40 km zwischen Kapstadt und Paarl. Prächtig anzusehen.
Aber die Südafrikaner mögen dieses Gewächs nicht. Es
steht auf der Liste der nicht erwünschten Pflanzen, der sogenannten
Aliens, die von anderen Kontinenten eingeführt worden
sind, an einer der ersten Stellen.
Die Robustheit der Pflanze gegenüber extremen klimatischen
Bedingungen und ihre weitgehende Unempfindlichkeit gegen
Schädlinge durch ihre hohe Giftigkeit aller ihrer Bestandteile,
führen dazu, dass sie einheimische, sogenannte indigene Pflanzen
verdrängt und ihnen ihren Lebensraum nimmt (Alien Weeds
and Invasive Plants - gebietsfremde Unkräuter und Pflanzen).
Deshalb versucht man sie, genauso wie den Eukalyptusbaum
(besonders die zumeist vorkommende Art „Blue Gum“ - leicht
bläuliche Stammrinde, kleine weiße Blüten), aus dem Land zu
verbannen. Doch die Oleander Allee auf dem Mittelstreifen ist
schon zu einer Art „Wahrzeichen“ dieses Streckenabschnitts geworden
und wird geduldet. Nicht nur das: sie muss auch gepflegt
werden d. h. zurückgeschnitten und im Sommer bewässert, denn
selbst diese robuste Pflanze kann lange Trockenperioden, die in
der Kapstadt Region durchaus im Sommer vorkommen können,
nicht ohne Wasser überstehen.
Rechts weit hinten am Horizont erkennen wir jetzt die Stellenbosch-
und Drakensteinberge. Davor der mächtige Simonsberg,
der, so sehe ich das zumindest, das Zentrum des Weinlands im
Western Cape bildet. In der Mitte eines gleichwinklig sich gedachten
Dreiecks, das von Franschhoek, Stellenbosch und Paarl
34
Weingut Babylonstoren am Fuß des Simonsberges
Sprachendenkmal
35
gebildet wird, jeweils etwa 35 km voneinander entfernt, ragt er in
den Himmel mit seiner charakteristischen Hexennase. Natürlich
ist er in seiner Ausdehnung nicht mit dem Tafelbergmassiv zu
vergleichen, aber er ist immerhin 1400 m hoch, der Tafelberg
hingegen nur 1000 m.
Wie viele Weingüter haben Regine und ich schon in dieser
Gegend besucht, Weinproben gemacht, wahre und unwahre Geschichten
gehört, über die Güter geschrieben und unzählige Fotos
aufgenommen?
Von fast allen hat man von irgendeinem Blickwinkel den Simonsberg
gesehen oder das Gut lag an einer seiner Hänge. Manch
wilde Geschichte kursierte in der Vergangenheit um den Berg.
Eine davon erzählte von einem deutschen Söldner der damaligen
East Indian Company, der behauptete, an einem Hang des Bergs
Gold gefunden zu haben, worauf die Stellenburger Bürger, ausgerüstet
mit Pickel und Schaufeln, zu Scharen aufbrachen, um
nach dem begehrten Metall zu schürfen, das schnellen Reichtum
versprach. Warum nicht auch hier, nachdem im Norden des Landes
Gold und Diamanten gefunden worden waren? Keine einzige
Unze haben sie gefunden. Sie waren einem Betrug aufgesessen.
Das Gold, das der Berg wirklich birgt, liegt in den Trauben, die
an seinen Hängen und Tälern in ungeahnter Qualität in der mit
verwittertem Granit angereicherten Erde und dem kühlen Wind
von der False Bay prächtig gedeihen können.
Eines dieser Weingüter können wir am Nordhang des Bergs
erkennen. Es hat den Namen Babylonstoren. Eine der ältesten
Farmen bis auf das Jahr 1692 zurückgehend. Die jetzigen Eigentümer,
Koos Bekker mit seiner Frau Karen Roos, haben einen
unvergleichlichen Garten angelegt, in dem man die gängigen
Gemüsearten und Früchte, die in der Kapregion wachsen können,
bewundern kann. Es sollen über dreihundert Pflanzenarten
36
sein, von Blutorangen angefangen, über Spargel, Rebsorten bis
hin zu Pilzen. Sie nahmen sich hierfür die Gardens zum Vorbild,
die vor 300 Jahren in der Mitte des heutigen Kapstadts von der
East Indian Company angelegt worden waren, um ihre Schiffe
auf ihrem Weg nach Batavia in Indonesien mit frischem Gemüse,
Obst und Wein zu versorgen. Heute ist Gardens ein Stadtteil
der Stadt.
Koos Bekker ist Generaldirektor von Naspers, einer der Großen
im internationalen Medienbereich. Es ist seine Frau, die sich
um das Gut und den inzwischen weit über die Grenzen Südafrikas
bekannten Garten kümmert.
Ein kleiner Hügel nicht weit von der Farm hat wegen seines
Aussehens den Namen Babel erhalten. So ist wahrscheinlich auch
der außergewöhnliche Name Babylonstoren entstanden. Aber für
das angegliederte Fünfsternerestaurant wurde dann doch der
Name Babel gewählt.
Benachbart ist das Weingut Backsberg, gegründet von einem
im Jahr 1902 aus Litauen eingewanderten jungen Mann namens
Charles Back. Heute noch im Familienbesitz, ist das Weingut ein
Anziehungspunkt für viele Gäste geworden, die gegrilltes Lamm
mögen. Dazu einen Backsbergwein unter schattigen Bäumen.
Perfekt für ein bleibendes, originelles Erlebnis in Südafrika!
Wie Perlen an einer Schnur reiht sich ein Weingut an das andere
rings um den Berg. Manche von ihnen haben Weltruf erlangt.
Wir sehen, dass eine Parallelstraße vielleicht nur 100 Meter
entfernt zu der N1 verläuft. Es ist die R101, die Old Paarl Road,
die, bevor die N1 gebaut war, die Hauptverbindungsstraße zwischen
Kapstadt und Paarl darstellte. Sie ist gesäumt mit gewerblichen
Gebäuden, Reparaturwerkstätten und natürlich auch Weingütern,
denn immer noch begleiten uns Weinreben, die jetzt im
flachen Land angebaut sind. Hier kommt eines mit einer über-
37
Backsberg
großen Flasche davor, die als Blickfang dienen soll. Acht Meter
hoch?
Ein Freund von mir, bestimmt schon zum 20ten Mal als Langzeittourist
in Südafrika, erklärte mir, dass er seinen Wein nur hier
kaufe. Er habe schon viele andere Weine ausprobiert. Der Simonsvlei
Cabernet Sauvignon von hier, drei Jahre gelagert, sei hervorragend
und auch billig, wobei ich annehme, dass das letztere
ausschlaggebend für sein Urteil war.
Auf der linken Seite ragen elegante Nadeln oder besser ausgedrückt
Obelisken in den Himmel. Aus Beton gegossen in verschiedenen
sich zuspitzenden konvexen und konkaven Strukturen.
Es ist das Sprachendenkmal, das der Afrikaans Sprache gewidmet
ist. Offiziell heißt es „Taal Monument“, wobei das Wort
Taal auf Afrikaans Sprache heißt. Es wurde 1975 zur Erinnerung
an den hundertsten Jahrestag der Sprachenbewegung in Südafri-
38
ka von der damaligen Apartheidregierung eröffnet, die diese Sprache
für alle Südafrikaner favorisierte. Heute ist Afrikaans eine
der elf offiziell anerkannten Sprachen Südafrikas, neben Englisch
die meistgesprochene, auch von Coloureds und der schwarzen
Bevölkerung, und sie ist überraschenderweise auch die jüngste
gesprochene Sprache weltweit.
Bautechnisch ist das Sprachendenkmal ein Meisterwerk. Jan van
Wyk war der Architekt. Vor dem Hintergrund des mächtigen,
halbkugelförmigen Paarlfelsens aus Granit ist es ein unvergessliches
Bild. „For stunning, breath-taking photographs“, wie ein
Reiseführer dies auf English formulierte. Manche behaupten, dass
nach einem Regen bei entsprechendem Sonnenstand der Fels so
glitzern würde, als sei er mit Tausenden von Diamanten besetzt.
Der von Wind und Wetter über 500 Millionen Jahre rund geschliffene
Fels soll der zweitgrößte dieser Art auf unserer Erde
sein. Paarl steht für Perle. Daher auch der Name für die Stadt an
seinem Fuß. Der Fels überragt die Stadt um 300 Meter, so hoch
wie der Eiffelturm. Viele leichte Wege führen zu seinem Gipfel,
manche aber sind so steil, dass sie auch für geübte Kletterer eine
Herausforderung darstellen.
Das historische Paarl, verdeckt und kaum auszumachen von
der N1, hat etwa 200 000 Einwohner. Es ist die drittälteste Stadt
Südafrikas nach Kapstadt und Stellenbosch. Hier dreht sich das
Leben um den Anbau und die Verarbeitung von Wein. Weingüter
eins am anderen. Die zwei größten sind hier beheimatet.
Zuerst nennen wir Nederburg. Schauen Sie einmal bei Edeka
in die Weinabteilung. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie
einen Wein mit dem Label Nederburg finden. Als wir eine Führung
durch die weitläufige Anlage machten und Fragen nach der
Verarbeitung stellten, klärte uns der Winemaker, der übrigens
Weinbau und Önologie an der Hochschule Geisenheim/Rhein
studiert hatte, mit einem versschmitzten Lächeln auf.
39
Weingut Nederburg in Paarl
„Wir produzieren nach der Spezifikation, die uns der Kunde
übergibt. Alle Parameter sind darin aufgeführt. Alkoholgehalt,
Farbe, Geschmack, Säure, Kork- oder Schraubverschluss, Art und
Dauer der Lagerung, natürlich auch welche Rebsorte und die
Preisspanne, die man zu zahlen gewillt ist. Ist eine Cuvée gewünscht?
Art und Aussehen des Labels. Wir liefern den Wein
nach den Wünschen unseres Kunden, wobei es sich natürlich um
eine größere Lieferung mit mehreren Tausend Flaschen handeln
muss.“
Die Industrialisierung geht also auch am Wein nicht vorbei.
660 000 Kisten Wein werden jährlich von hier in alle Welt verschickt.
Ein Teil unserer Weinromantik müssen wir hier lassen.
Wir kamen am Boden der Realität wieder einmal an. Aber selbstverständlich
ist es nicht so, dass alle Weine, die hier produziert
40
werden, solchen Vorgaben entsprechen müssen. Es gibt auch exklusive
eigene Weine, die den Charakter und die Tradition des
fast 230 Jahre alten Weinguts widerspiegeln. Weine, in denen sich
die Kunst des Winzers offenbart, in denen er seiner Fantasie freien
Lauf lassen kann, mit Tropfen, die den Gaumen zum Schwelgen
bringen, besonders bei den Rotweinen, aber auch bei einem Chenin
Blanc, einem Weißwein, der gerade eine stürmische Renaissance
in Südafrika erlebt.
Tradition? Die geht auf den deutschen Einwanderer Philip
Walvaart zurück, der das Land am vorbeifließenden Berg Rivier
im Jahre 1791 erwarb und Wein anpflanzte.
Doch das größte und bedeutendste Weingut Südafrikas ist auch
hier angesiedelt. Die KWV - Kooperatiewe Wijnbouwers Vereniging
van Zuid-Afrika (Kooperative Weinbauer Vereinigung von
Südafrika). Ursprünglich gegründet, um den Weinbauern als Genossenschaft
die Überproduktion abzunehmen und daraus
gegebenenfalls Brandy und Gin zu brennen, ist sie nach der Apartheidregierung
selbstständig geworden (zu einer an der Johannesburger
Börse gehandelten Aktiengesellschaft). Sie behielt aber
den weltweit bekannten Namen KWV bei, der auch auf Flaschen
in den Regalen deutscher Supermarktketten zu finden ist.
Um die 50 Millionen Liter Wein sollen durchschnittlich im Jahr
erzeugt werden. Die ‚Weinkeller‘ sind hier überirdisch angelegt,
natürlich klimatisiert, und nehmen die unglaublich große Fläche
von 22 Hektar ein. Sie sind im Guinness Buch der Rekorde als
größte der Welt aufgeführt. 120 Millionen Liter Wein können hier
gelagert werden. Der beste Überblick über diese Weinkeller erhält
man natürlich von unserem Paarl Felsen aus, nicht nur das,
sondern auch über das ganze Weinstädtchen Paarl und die Bergketten
ringsherum.
Sie sind es, die den besonderen Charme der Landschaft ausmachen.
Was wäre das ‚Weinland‘ ohne diese Kulisse mit ihren
41
Luxus Hotel La Grande Roche in Paarl
braunen und grünen Farbtönen, die so farbintensiv, durch die
Helligkeit des Landes noch verstärkt, das Auge verwöhnen?
Man nennt die Berge im südlichen Afrika, die kaum über 2000
Meter hinausgehen, geologisch die Große Randstufe (englisch
Great Escarpment), ein Steilabfall, der das Binnenhochland gegen
die Küstenebenen zum Atlantischen und Indischen Ozean
abgrenzt. Sie beinhaltet einige der geologisch ältesten Gebiete
der Erde. Sie entstand nach dem Auseinanderbrechen des Urkontinents
Gondwana vor etwa 120 Millionen Jahren, wobei auch
Afrika selbst als eigenständiger Kontinent geboren wurde.
In der Kapregion ist diese Abbruchkante besonders auffällig.
Die Bergkette vom Tafelberg bis hinunter zum Kap der Guten
Hoffnung ist ein gutes Beispiel hierzu und natürlich auch die
Bergkette, die sich entlang der Küste von Kapstadt bis nach Port
42
Elizabeth hinzieht auf fast 800 km Länge. Sie bildet auch eine
Art Regenbarriere, die verhindert, dass es in der dahinterliegenden
Karoo zu nennenswerten Niederschlägen kommt.
Teilweise bestehen die Berge aus Gestein mit einem Alter von
über zweieinhalb Milliarden Jahren, das von einem relativ kleinen
Kontinent stammen soll, der bereits existierte, bevor sich
Gondwana formte. Nirgendswo auf unserer Erde kann Wein auf
einem Boden wachsen, der ein solches Alter aufweisen kann.
Vielleicht ist das auch ein Grund für die unverwechselbaren Aromen
südafrikanischer Weine.
Die Randstufe (Randschwellengebirge) schließt im Norden die
Große Karoo und das Kalahari Bassin ein, die unter dem Namen
Highveld (Hochplateau) zusammengefasst sind und als Halbwüsten
bezeichnet werden können.
Was bietet Paarl noch? Am Fuß des ‚Felsens‘, den man auf
dem Bild von La Grande Roche gerade noch erkennen kann, liegt
ein kleines Hotel, das sich für einige Tage Urlaub anbietet. In
diesem traumhaften Boutique Luxus Hotel verschmelzen Geschichte
und Fantasie zu einer einmaligen Erfahrung, nicht zuletzt
auch wegen der exzellenten Küche, die über die Grenzen des
Landes bekannt geworden ist: La Grande Roche.
Stilvoll geht es hier zu. Alte holländische Möbel, gezimmert
aus dem begehrten Holz des einheimischen Yellowwoodbaums,
der ausgewachsen (der Stamm kann bis zu 3 m im Durchmesser
betragen) nur noch selten in der Natur vorkommt. Er ist zum
Nationalbaum Südafrikas wegen seiner Größe und seiner Schönheit
erklärt worden.
Eingedeckte Tische mit zu Vögeln gefalteten Servietten, silberne
Kerzenleuchter und wertvolles Porzellan. Gelernte Kellner
in schwarzen Anzügen und gestärkten weißen Hemden lesen
dem Gast jeden Wunsch von den Augen ab. In der Mitte des
Raums steht ein Steinway Flügel in Schwarz hochglanzpoliert.
43
Man fühlt sich in das alte Südafrika vor 200 Jahren zurückversetzt.
Das Gebäude selbst ist, wie nicht anders zu erwarten, im
kapholländischen Stil errichtet mit einem reetgedeckten Dach,
einem geschwungenen Giebel in der Mitte über dem Eingang,
links und rechts davon die Sprossenfenster mit aufklappbaren
Läden. Wenn man Freunden etwas Besonderes bieten möchte,
wird man dort zum Lunch einen Tisch bestellen. Dazu eine kleine
Geschichte.
Erich Wanner war 34 Jahre lang leitender Unilever Koch in
Hamburg. Im Ruhestand verbringt er gewöhnlich die Hälfte des
Jahres mit seiner Frau Marianne in ihrem Haus in Zevenwacht,
nicht weit von uns, um dem deutschen Winter zu entgehen. Das
Kochen ist seine große Leidenschaft geblieben. Die Küche im
Grande Roche hat es ihm nicht ohne Grund angetan. Seit Jahren
gönnen sie sich zwei Tage über Silvester und Neujahr in diesem
kleinen Luxushotel. Am Silvesterabend hervorragend essen und
ausgesuchten Wein genießen. Auf das Neue Jahr wird mit einem
ausnahmsweise französischem und nicht südafrikanischen Champagner
in einem stilvollen Ambiente angestoßen. Mit einem Veuve
Clicquot brut mit dem berühmten gelben Label. Das Neue Jahr
kann beginnen!
Paarl ist auch der Geburtsort von Deon Meyer (geb. 1958),
dem populärsten und meistgelesenen Schriftsteller Südafrikas. Er
belegt in den USA und Europa erste Plätze in den Bestsellerlisten.
Er schreibt seine Bücher, es sind bis jetzt etwa zwanzig Thriller,
nach wie vor in Afrikaans und nicht in Englisch. Uns Deutschen
ist er z. B. durch seine hier herausgegriffenen Bestseller
Der Atem des Jägers, Tod vor Morgengrauen, Cobra und Ikarus bekannt
geworden. Er ist auch als Drehbuchautor und Filmregisseur tätig.
Eines seiner letzten Werke Trackers soll demnächst als dreiteilige
Thrillerserie im ZDF zu sehen sein, die die gesamte Länge
44
und Breite Südafrikas abdeckt und in Kapstadt in einer gewalttätigen
Verschwörung mit organisierter Kriminalität, Diamantenschmuggel,
Staatssicherheit, Nashörnern, der CIA und einem internationalen
Terroristen-Plot mündet.
Doch lassen Sie uns auf unsere Fahrt auf der N1 zurückkommen.
Wir überqueren jetzt eine Brücke über den Bergriver. Jetzt
ist Sommer und der Fluss führt wenig Wasser. Der Flusslauf ist
fast ganz von Büschen und Schilf verdeckt. Er kommt aus Süden,
aus dem 35 km entfernten Franschhoek, wo auch der Bergriverdamm
in der Nähe ist. Der Damm ist übrigens auch in die
Wasserversorgung Kapstadts mit einbezogen.
Es gibt in der Kapregion keine großen Flüsse. Der Bergriver
kann allerdings in der Regenzeit im Winter bis auf eine Breite
von 20 m anschwellen, aber im Sommer ist er eher ein mittlerer
Bach, wie wir viele in Deutschland haben. Nach 300 km, an Paarl
und Wellington vorbei, fließt er schließlich durch die trockene
Karoo als Rinnsal weit nördlich von Kapstadt in der St. Helena
Bucht in den Atlantik.
Auf seiner Reise hat er als Wasserquelle vielen landwirtschaftlichen
Anwesen gedient und auch die beiden Golfplätze Pearl
Valley (Championship Golfplatz und die Nr. 1 in der Kapregion)
und Boschenmeer mit Wasser versorgt. Mindestens sorgt er dort
für genügend Grundwasser, was gefördert werden kann.
Zur rechten Seite sehen wir jetzt an die N1 grenzend die grünen
Parcours des Golfplatzes Boschenmeer. Dieser alte Golfplatz
hat früher Old Paarl Golf Club geheißen. Er wurde 1908
zuerst an anderer Stelle gegründet und dann hierher verlegt.
Er war einer der ersten Golfplätze, die wir in Südafrika gespielt
haben. Im Jahr 2003. Damals hatte er zwei mal neun Loch
und noch seinen alten Namen. Das Clubhaus war eine große
Holzbaracke, Umkleideräume und sanitäre Anlagen auf das Notwendigste
beschränkt. Zwei Jahre später war ein großartiges Club-
45
Boschenmeer Golf Estate
haus entstanden, über zwei Stockwerke mit Konferenz-, Aufenthalts-
und Umkleideräumen, großer Freiterrasse mit einem Restaurant
und natürlich einem Pro Shop für die Golfer.
Gleichzeitig sind Wohnhäuser auf der Anlage wir Pilze aus der
Boden geschossen, aber gekonnt zwischen den Golfbahnen eingefügt,
so dass der Spielbetrieb in keiner Weise gestört ist. Und
weitere neun Löcher sind hinzugefügt worden, die, so behaupten
viele Golfer, zu den schönst angelegten und landschaftlich interessantesten
Bahnen Südafrikas gehören sollen. Hier dominiert
das Landschaftspanorama mit dem Simonsberg, den Groot- und
Kleindrakensteinbergen und dem Paarlfelsen. Ringsum blickend
einfach atemberaubend. Das Loch 22, ein Par 5, wurde zum ‚Signature
Hole‘ der Anlage gekürt. Hier erreicht man den höchsten
Punkt des Estates und kann sogar bei klarer Sicht die Silhouette
des 60 km entfernten Tafelbergs erkennen.
Am letzten Loch umrundet man einen großen Teich, der an
den Rändern mit Büschen, Schilf und großen Bäumen bewachsen
ist. Schwärme von Vögeln haben hier ein Naturparadies zum
Nisten entdeckt.
Ein neuer Name wurde für die Anlage gefunden: Boschenmeer
Golf Estate. So entstand der erste 27 Loch Golfplatz am Kap.
46
Für ihre Bahnen haben sie folgende Namen gewählt. Die ersten
Neun: „Berg River Nine“, die zweiten „Paarl Nine“ und die dritten
„Boschenmeer Nine“. –
Die Golfer müssen auf den Plätzen um Kapstadt im Sommer
fast immer mit Wind rechnen. Der Southeaster bläst fortwährend.
Der Golf Platz Millnerton direkt am Meer nördlich von
hat einen besonderen Ruf wegen des dort herrschenden Windes.
Wir haben auf dem Platz schon bei einer Windstärke von 10 gespielt.
Mein Ball ist gegen den Wind keine zwanzig Meter geflogen.
Ich hatte das Gefühl, dass er im Wind zum Stehen gekommen
war.
Aber in Boschenmeer? Nur 50 km entfernt. Meistens kein
Hauch zu spüren. Der Southeaster hat hier ausgeblasen. Deshalb
ist der Platz bei den Golfern auch so beliebt. Aber dafür die Temperaturen
im Sommer! Sie sind oft 10 Grad höher als am Meer.
Regine und ich haben in Boschenmeer bestimmt schon einhundert
Mal gespielt. Einmal bei sogar bei 45 Grad im Schatten. Das
war mörderisch und wir werden das auch nicht mehr tun.
Noch eine Anmerkung. Etwa 15 km weiter südlich im gleichen
Tal mit dem Namen Val de Vie, das von dem Bergriver durchflossen
wird, ist das relativ junge und exquisite (etwa 2003) Golfestate
Pearl Valley angesiedelt. Ein Jack Nicklaus Signature Golfplatz.
Der Name wurde auch von dem Paarlfelsen übernommen,
aber jetzt in Englisch geschrieben. Natürlich nicht zu verwechseln
mit dem Old Paarl Golfplatz. Angrenzend an Pearl Valley ist
das Val de Vie Estate, dessen exklusive Häuser sich um einen
Poloplatz reihen.
Ein Straßenschild weist uns darauf hin, dass einer Maut unterliegender
Tunnel vor uns liegt. Der Huguenot Tunnel, etwa vier
km lang. Er durchsticht die Du Toitskloof Berge, die Paarl von
dem nordöstlich gelegenen Worcester trennen. Übrigens ist die
Du Toits Peak (Bergspitze) die höchste, dem Meer zugewandte
47
Erhebung im Western Cape mit 2000 m. Eine Passstraße umgeht
den Tunnel. Durch den Tunnel zu fahren verkürzt die Fahrzeit
um nicht ganz eine halbe Stunde. Die Umgehungsstraße war
zuerst schon in den 1930er Jahren geplant, da der weiter nördlich
gelegene Bainskloof Pass, auf den wir zurückkommen werden,
beschwerlich zu fahren und auch für schwere Fahrzeuge ungeeignet
ist. Die Bergkette im Norden ganz zu umfahren würde
einen Umweg von mindestens 100 bis 170 km bedeuten.
Schließlich begannen die Arbeiten mitten im Weltkrieg zwischen
1942 und 1945, denn es standen jetzt italienische Kriegsgefangene
(wahrscheinlich aus dem Libyenfeldzug) zur Verfügung,
die von den Engländern nach Südafrika verlegt worden waren.
Die Arbeiten wurden nach dem Krieg mit einheimischen Arbeitern
fortgesetzt, bis 1948 der Pass eröffnet werden konnte.
Die Idee des Tunnels wurde jedoch nicht aufgegeben. Die deutsche
Firma Hochtief AG hatte 1980 die Federführung für den
Tunnelbau erhalten. 1988 fuhren dann die ersten Fahrzeuge durch
die vier Kilometer lange Röhre. So lange hat es schließlich durch
den harten Granit und den mit Quarz durchsetztem, gealterten
Sandstein dann doch gedauert.
Sollen wir auf unserer Fahrt den Umweg über den Berg nehmen?
Viel interessanter als durch den Tunnel! Oder sollen wir
gleich den weiter nördlich liegenden Bainskloof Pass fahren, der
zu einer der landschaftlich schönsten Strecken am Western Cape
zählt und schon 1853 eröffnet wurde, einer der interessantesten
Gebirgspässe am Kap.
Wir verlassen die N1 und fahren nach Wellington nordöstlich
von Paarl, von wo die geteerte Straße zum Bainskloof Pass abbiegt.
Früher hatte die Stadt, erst 1837 gegründet, auch Limietvallei
(Grenztal) und Wagenmakersvallei (Kutscherbauer-Tal) geheißen.
‚Wagenmacher‘ waren gefragt, nachdem der Pass geöffnet
worden war. Der Pass, eine schmale Schotterpiste mit Stei-
48
nen und hervorstehenden Felskuppen gepflastert, führte dazu,
dass manches Rad von Pferdekutschen und Ochsenwagen der
Belastung nicht standhielt und brach und es so für einen Wagner
Arbeit in Hülle und Fülle gab. Auch neue Wagen waren gefragt,
denn es setzte ein reger Güterverkehr über den Pass nach Tulbagh,
Ceres und Worcester ein, nachdem diese Orte nicht nur
über den ca. 100 km langen Umweg um die Berge herum zu erreichen
waren.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Weg von Kapstadt
in den Nordosten mühsam, weil die mächtige Bergkette hinter
Paarl ein unüberwindbares Hindernis darstellte. Reisende mussten
damals mit Pferd- und Ochsenwagen zunächst 70 km weiter
nach Osten reisen, um über den Roodezand Pass nördlich von
Tulbagh das Gebirge zu überwinden. Dann ging es wieder 40 km
das Tulbagh Valley zurück nach Süden, weiter durch das Breede
River Valley und schließlich wieder 70 km am Hex River entlang
in die Karoo, um schließlich nach Ceres und Worcester zu gelangen.
Der Schotte Andrew Geddes Bain hatte sich damals in Südafrika
einen Namen als Baumeister gemacht. Er nutzte seine Naturbegabung
und sein besonderes Gespür zum Zeichnen und
Entwerfen von Straßen durch unwegsame Gebiete, die schließlich
in seinem Meisterwerk mit dem Bau dieses Passes voll zum Ausdruck
kamen, der dann auch seinen Namen bis heute tragen sollte.
49
Am Bainskloof Pass: Wilde Landschaft, Straße gelegentlich mit
Felsüberhängen
50
Er hatte erkannt, dass sich eine Schlucht nach Osten durch die
Berge bahnte, rechts die Slanghoekberge und links die Limietberge,
entlang der er sich eine Schotterstraße, mehr Piste als Straße,
vorstellen konnte, die eine enorme Abkürzung von Wellington/Paarl
nach den genannten Orten darstellen würde. Der Bau
war eine Herausforderung für den genialen Baumeister Bain. Vier
Jahre hat es gedauert, bis im Jahr 1853 die Straße dann für den
ersten Ochsenwagen freigegeben wurde. 350 Männer waren hier
tätig und sprengten die Felsen mit Gewehrpulver, das viel effektivere
Dynamit war noch nicht erfunden.
Abgesehen von der Asphaltdecke ist die Straße bis heute unverändert
geblieben und wurde zum Nationaldenkmal erklärt.
Nur ein kleines Stück Tunnel auf halber Höhe, welches eine
Bergnase umging, ist heute nicht mehr benutzbar und durch eine
Straßenschleife ersetzt worden.
Die schmale Straße steigt schnell an. Am Wegesrand blühen
Blumen, weiß, pink und gelblich. Libellen schwirren umher, Vögel
nisten in den hohen Eukalyptusbäumen, die bis hinunter ins
Tal wachsen und die Landschaft mit den dazwischenstehenden
Pinien in einem satten Grün erscheinen lässt. Es ist nicht still in
diesem Wald. Man glaubt nicht, wie laut Vögel sein können. Wir
kommen an einem riesigen, rot blühenden Baum vorbei. Blüht
Disa Blume, eine Orchideenart,
die wild in
dieser Gegend wächst.
51
so schön und so leuchtend wie ein Flamboyant, aber es ist ein
Eukalyptusbaum. Diese blühende Sorte nennen die Südafrikaner
‚red flowering gum‘.
Einige bunt gekleidete Radler strampeln die mit Schlaglöchern
überzogene Straße hoch. Atmen schwer. Dann der Streit eines
Vogelpärchens über den Nestbau. Das Männchen hat es nicht
leicht. Wenn das von ihm mühevoll gebaute Nest nicht den Vorstellungen
seiner Partnerin entspricht, rupft sie es einfach mit
lautem Geschrei wieder auseinander und er kann mit dem Bau
von Neuem beginnen. Seine Geduld wird auf die Probe gestellt.
Aber auch das Schreien von Pavianen dröhnt zu uns herauf.
Hier ist ein Schild: Don‘t feed the Baboons, so nennen die Südafrikaner
diese frechen Affen, die vor uns die Straße mit ihren Jungen
bevölkern und uns das Weiterfahren versperren. Der Oberaffe,
ein riesiges Exemplar, lässt sich den Kopf graulen. Flöhe?
Läuse? Er ist der Chef der Familie. Sein roter Hintern unterstreicht
seine Stellung und sein hässliches Gebiss mit großen
weißgelblichen Zähnen passt dazu. Gibt es überhaupt hässliche
Tiere? Lassen wir das dahingestellt sein. Die verspielten Jungen
sind jedenfalls niedlich.
Eine weit ausgezogene Kurve liegt vor uns mit einer Ausweichmöglichkeit,
eine Art Bucht. Mr. Bain hatte diese Buchten eingeplant.
Setzen wir uns in die Zeit zurück, als die Passstraße eröffnet
wurde. Pferdewagen, mit vier Pferden davor. Ochsenkarren
mit bis zu acht Ochsen davor. Wenden unmöglich auf der engen
Schotterpiste, ein anderes Gefährt ähnlicher Größe überholen
geht auch nicht. Rückwärtsfahren? Wie will man acht Ochsen im
Joch dazu bewegen, rückwärts zu gehen. Kein Ochse macht auch
nur einen Schritt zurück, noch weniger als ein Esel, aber acht
Ochsen gleichzeitig? Da müssen schon Ausweichbuchten
mindestens alle 500 Meter vorhanden sein.
Bald haben wir die Passhöhe Eerste Tol erreicht. 594 Meter.
52
Worcester Golfplatz
Loch 4 vom Abschlag aus gesehen
Loch 4,
Abschlag rechts unten, Grün mit Loch und Fahne links oben
53
‚Gemini‘ Ziehtrolley, mit einem Sitz und
mit Röhren für die Golfschläger, deren
Schäfte als Lehne dienen. Erfunden von
Isemann Sports Equipment. Zusammenklappbar
passt es in jeden Kofferraum.
Südafrikanischer Erfindungsgeist. Jeder
zweite Golfer besaß damals ein solches
„verrückt‘ aussehendes Gefährt. Heute
ist es von den Plätzen verschwunden.
Zum Sitzen ideal
54
Einige Häuser, stehen noch da, ehemalige Zollstation und Händlerbuden?
Ein Verkaufsladen für Getränke. Ein Aussichtspunkt
unterhalb des Gipfels gestattet einen letzten weiten Blick ins Bergriver
Valley.
Die Passstraße windet sich nun bei der Talfahrt auf der R303
durch ein enges, malerisches und abseits der Felsen üppig grünes
Tal. Im Talgrund fließt der Witterivier. An den Hängen blühen
gelbe Sträucher und pinkfarbene Blütenkissen bilden Farbkleckse
in den steilen Felswänden. Auch blühen hier die selten gewordene
Disa Orchidee und die King Protea.
Zahlreiche kleine Bäche stürzen von den Hängen in die tiefe
Schlucht. Manche Schilder am Straßenrand weisen auf Wandertouren
hin, die entlang dem munter dahinfließenden Fluss verlaufen.
Reine, unverfälschte Natur. Ohne Rummel. Den Fluss hat
man für sich allein und sein beruhigendes Plätschern. Er ist bräunlich
gefärbt. Die Fynbosplanzen mit ihren Blättern sind schuld
an seiner Färbung.
Einige bizarre Felsen stehen als ‚Naturdenkmäler‘ am Straßenrand.
An mehreren Stellen hat man auf einer Seite die schroffe
Felswand, auf der anderen, der Talseite, steht ein massiger Felsenturm
wie ein urzeitlicher Wächter. Andere folgen mit Namen
wie die Montague Rocks, die Bell Rocks und den eindrucksvollen
Steinbogen Dacres Pulpit.
Manche Wanderwege können anspruchsvoll sein z. B. der Limietberg
Trail. Man soll an einem Wasserfall vorbeikommen. Neben
Antilopen sollen auch schon Leoparden gesichtet worden
sein. Ein Gebiet, in dem auch der Karakal zu finden ist, eine
mittelgroße Raubkatze, deren Abbild in südafrikanischer Werbung
immer wieder entdeckt werden kann z. B. auf einem Weinlabel.
Wir kommen an einem Schrein, auf Arabisch einem Kramat,
direkt am Seitenrand der Straße vorbei, wo ein Moslem mit dem
55
Liste der Golfplätze in der Kapstadtregion
(etwa zwei Autostunden im Umkreis)
Legende: rot - noch nicht von uns gespielt, fett - oft von uns gespielt, fett kursiv -
einige Male gespielt, kursiv - nur einmal von uns gespielt
Arabella Golf Club, 18 Loch, 4,5 Sterne
Atlantic Beach Golf Club, 3,5 Sterne
Bellville Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne
Caledon Golf Club, 9 Loch
Ceres Golf Club, 9 Loch, 3,5 Sterne
Citrusdal Golf Club, 9 Loch
Clovelly Country Club, 18 Loch, 4,5 Sterne
Darling Golf Club, 9 Loch
Devonvale Golf and Wine Estate, 18 Loch, 3,5 Sterne
De Zalze Winelands Golf Estate, 18 Loch, 4 Sterne
Durbanville Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne
Erinvale Golf Club, 18 Loch, 4 Sterne
Helderberg Village Golf Club, 9 Loch, 3 Sterne
Hermanus Golf Club, 27 Loch, 4 Sterne
King David Golf Club (merged with Mowbray in 2016), war 18 Loch, 3 Sterne
Kleinmond Golf Club, 9 Loch, 4 Sterne
Kuilsrivier Golf Club, 18 Loch, 2,5 Sterne
Langebaan Golf Estate, 18 Loch, 3,5 Sterne
Malmesbury Golf Club, 9 Loch, 2,5 Sterne
Metropolitan Golf Club, 9 Loch, 3,5 Sterne
Milnerton Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne
Mowbray Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne
Paarl Golf Club, now Boschenmeer, 27 Loch, 3,5 Sterne
Parow Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne
Pearl Valley Signature Golf Estate, 18 Loch, 5 Sterne
Rondebosch Golf Club, 18 Loch, 3,5 Sterne
Royal Cape Golf Club, 18 Loch, 4 Sterne
Shelley Point Golf Club, 9 Loch, 3,5 Sterne
Simon's Town Golf Club, 9 Loch, 2 Sterne
Somerset West Golf Club, 18 Loch, 2,5 Sterne
Steenberg Golf Club, 18 Loch, 4,5 Sterne
Stellenbosch Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne
Strand Golf Club, 18 Loch, 3 Sterne
Theewaterskloof Golf Estate, 9 Loch, 2,5 Sterne
Wellington Golf Club, 9 Loch, 2,5 Sterne
Worcester Golf Estate, 18 Loch, 3 Sterne
56
Sheikh Sulaiman - Schrein
Namen Sheikh Sulaiman begraben worden sein soll und zwar um
1850. Er soll aus Mekka in Saudi-Arabien stammen und sein Sohn
soll der erste Iman in Worcester geworden sein, wo er auch eine
Moschee gebaut haben soll. Interessant ist zu beobachten, dass
dieser Schrein von vielen Moslems als eine Art Wallfahrtsort heute
noch besucht und auch mit bunten Tüchern und Teppichen geschmückt
wird. Seitlich auf dem Steinblock ist dann auch zu lesen
in Afrikaans: Die Karmat.
Die Straße ist eng. Ausweichmanöver bei Gegenverkehr gelegentlich
schwierig. Eine Bekannte, die uns begleitete und unter
Höhenangst litt, bekam einen Scheißausbruch und zitterte am
ganzen Leib. Sie war nicht fähig, in die Schlucht hinabzuschauen.
„Nie wieder eine solche Fahrt,“ stieß sie keuchend hervor.
Schließlich waren wir am Ende der Passstraße angelangt, die
57
So blüht der botanische Sukkulentengarten im Frühjahr
übrigens unter Denkmalschutz steht. Die Strecke war etwa 30 km
lang. Das Ende stellt die Darling Bridge dar, die sich über den
Breede Fluss spannt.
Die fruchtbare Breede Flussebene breitete sich vor uns aus.
Wieder mit Reben bepflanzt, aber auch Getreidefelder sind auszumachen
und Obstplantagen. Wir biegen wieder auf die N1 ein.
Das Städtchen Worcester liegt vor uns, das wir vom Golfen her
kennen. Ausgesprochen wird dieses Wort ‚Wuster‘ wie auch die
bekannte Worcestershire Sauce, ein Wort, bei dem wir Deutschen
uns oft die Zunge verrenken wollen.
Dieses Gebiet, aber auch das weiter nordöstlich gelegene Hex
Valley ist sehr fruchtbar, da die jährliche Regenmenge etwa
300 mm betragen soll und Dämme vorhanden sind, in denen das
Regenwasser im Winter von den Hex-River-Bergen, in denen auf-
58
Hex River Tal
Schneebedeckter Matroosberg nördlich von Worcester
59
grund ihrer Höhe die Regenmenge viel höher ist, kommend gespeichert
wird und in den trockenen Sommermonaten für die
Bewässerung der Anpflanzungen zur Verfügung steht.
Die Hex-River-Berge, die zum Kap-Faltengürtel gehören (erinnern
Sie sich an die bereits geschilderte Abbruchkante - Great
Escarpment) liegen nicht weit im Nordosten von Worcester,
vielleicht 60 km entfernt. Die höchste Erhebung ist der Matroosberg
(Afrikaans von Matrose) mit 2250 Metern (ü. M.). Seine
Silhouette soll von einem gewissen Sichtwinkel aus die eines Seemanns
neben einem Schiff ähneln. Im Winter ist der Berg häufig
schneebedeckt; am Nordhang befindet sich ein kleines Skigebiet,
das Sitz des südafrikanischen Skiverbandes ist.
Das Hex Valley selbst kann man vielleicht sogar als einen der
fruchtbarsten Streifen Land in ganz Südafrika bezeichnen. Im
Jahr 1875 wurden schon die ersten Tafeltrauben von hier nach
Europa exportiert. Heute sind es mehr als 17 Millionen Kartons,
fast die Hälfte des jährlichen Exports von ganz Südafrika.
Deutsche Siedler sollen es gewesen sein, die um 1860 mit ihren
landwirtschaftlichen Kenntnissen und ihrem Fleiß das Land
zu kultivieren begannen, Obstplantagen anlegten und Weinanbau
betrieben. Zunächst hatten sie sich auf Rosinen spezialisiert,
wegen des Preisverfalls sind sie dann auf die Herstellung von
Wein und auf Tafeltrauben umgestiegen. Nicht nur im Hex River
Valley, sondern vor allen Dingen im Breede River Valley, das
längst das Stellenbosch und Paarl Anbaugebiet in der Weinproduktion
mit etwa 25 % der in Südafrika produzierten Menge hinter
sich gelassen hat.
Das Klima in Worcester kann man der Karoo Halbwüste zurechnen.
Wir sehen auch schon ein Schild, das auf den ‚Karoo
Desert National Botanical Garden‘ hinweist. Dieser Park ist einmalig
in der südlichen Hemisphäre. Wir machen den ersten Stopp.
Vielleicht hat es im Park ein Restaurant. Ein junger Mann, offen-
60
bar ein Parkangestellter, fängt uns ab. Er beginnt sofort mit seinem
einstudierten Vortrag. Seine schwarzen Augen glänzen und
Schweißperlen bilden sich auf seinen freien schwarzen Armen.
Es ist Hochsommer und die Temperaturen nähern sich 40 °C.
„Dieser botanische Garten hat sich auf sukkulente Pflanzen
der Karoo spezialisiert, die lange Zeit ohne Wasser auskommen
können, weil sie in ihren Blättern Wasser speichern. Tausende
von ihnen blühen in unserem Frühjahr, also im August/September,
in einer unvorstellbaren Blütenpracht. Im Hochsommer sind
die Blüten verblüht, trotzdem ist ein Besuch lohnenswert. Hier
werden über 300 seltene und gefährdete Sukkulenten Arten, auch
gezüchtet, und so vor dem Aussterben bewahrt. Der Garten wurde
1921 in Matjiesfontein gegründet und zog dann 1946 nach
Worcester um. Wüstenpflanzen sind einmalig schön, ein Rundgang
wird Sie überzeugen.“
Für seine Mühe geben wir ihm einige Rand. Wir entdecken das
Restaurant, Kokerboom Restaurant & Cocktail Bar. Bei der Hitze
brauchen wir einen kühlen Drink, am besten Mineralwasser
mit Gas, eisgekühlt, und keinen Cocktail, auch keinen süßen alkoholfreien.
Als Spezialität wird angezeigt: Homemade Bobotie. Das
könnten wir probieren. Bobotie gilt als südafrikanisches Nationalgericht
– sicher zu Recht, denn in diesem gewürzten Hackfleischauflauf
verbinden sich die vielfältigen kulinarischen Richtungen
des Landes, hauptsächlich sind es die malaiischen Gewürze,
die Zugabe von Chutney und der süße Geschmack, die
den vielen verschiedenen Rezepturen gemeinsam sind. Beim
Bobotie kam offenbar das Grundrezept für einen Hackfleischauflauf,
Lamm oder Rind, von den holländischen Siedlern, die
Malaien steuerten Gewürze, Chutneys und die Süße bei. In einem
der herausgegriffenen Rezepte sind z. B. enthalten:
Rinderhack, Zwiebeln, Knoblauch, Milch, Butter, Curry, Salz,
61
Pfeffer, Essig, Weißbrot, Aprikosenmarmelade, Mandeln, Eier,
Lorbeerblätter.
Gleich neben dem botanischen Garten ist die Auffahrt zum
Worcester Golf Course, auf dem wir schon oft gespielt haben.
Einmal im Jahr mindestens. Als wir zum ersten Mal 2003 in Südafrika
einen Golfurlaub machten, hatte ich mir vorgenommen,
mit Regine zusammen, alle Plätze im Kapstadtgebiet wenigsten
einmal zu spielen. Spitzenplätze und Bauernplätze. 18-Loch-Plätze
und 9-Lochplätze. Worcester war mit auf der Liste.
Für die deutschen Golfurlauber war damals Worcester ein Geheimtipp.
Nicht wegen seiner Schönheit, eingebettet in hügeliges
‚pristines‘ Halbwüstenland mit Wassertümpeln an jedem zweiten
Loch, sondern wegen den niedrigen Aufnahmegebühren für
eine Mitgliedschaft. Das Vorlegen eines Mitgliedkärtchen in einem
südafrikanischen Klub, reduziert in der Regel die Spielgebühr
(Greenfee, die zu bezahlende Gebühr für eine Runde) in
anderen Clubs um 20 bis 35 %.
Golfer können sehr knickrig sein. Es gibt Leute, die ihren verschlagenen
Ball im Gestrüpp eine Viertelstunde lang suchen,
ungeachtet der Gefahr, dass eine äußerst giftige Schlange, um
sich zu tarnen mit einer Zeichnung wie verwelktes Laub, unbeweglich
lauert. Getreten, beißt sie blitzschnell zu. Die Puffotter.
Dabei kann man gebrauchte Bälle im Pro Shop oder von den
Arbeitern auf dem Platz umgerechnet das Stück für 30 Cents
kaufen.
Wenn einer sich damit brüstet, wie billig er in Worcester Mitglied
geworden sei, überlege ich mir, ob ich mit ihm in einem
teuren Restaurant zum Essen gehen sollte. Wird er dann auch
am Trinkgeld sparen, das die einzige Einnahmequelle für die
zumeist nicht auf der Gehaltsliste des Restaurants stehenden farbigen
Kellner ist und in Südafrika zwischen 10 und 15 % betragen
sollte?
62
Das erste Mal haben wir dann 2005 in Worcester gespielt. Ich
hatte noch ein Ziehtrolley für meine Schläger. Es war von einer
besonderen Konstruktion, sah wie eine kleine Stalinorgel aus. Es
hatte sogar einen Sitz. Die Golfschläger waren in Röhren gesteckt.
Die Schäfte dienten als Lehne. Ein Südafrikaner erklärte mir stolz,
dass dies eine südafrikanische Erfindung und sonst nirgendwo
auf der Welt zu kaufen sei. Heute sind die Trolleys auf den Plätzen
so gut wie verschwunden.
Horst und Klaus, beide Langzeitgolfurlauber aus Deutschland,
waren unsere Spielpartner. Gleich am ersten Loch schoss Horst
seinen Ball in einen Teich. Er verzog sein Gesicht. Ballverlust.
Aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Am Ende des Spiels,
das sich über vier Stunden hinziehen sollte, hatte er 22 Bälle im
Wasser versenkt. Man musste ihm nur zurufen: „Horst, pass auf!
Auf der linken Seite ist ein Teich!“ und schon bog sein fliegender
Ball, wie von einem Magneten angezogen, auf das Wasser zu,
um mit einem plätschernden Aufschlag darin zu versinken.
Er schnaubte: „Nie wieder werde ich diesen Platz spielen.“
Klaus hingegen spielte wie ein Profi. Er verkniff sich einen Kommentar.
Der Platz wurde von Gary Player, ein 1935 in Johannesburg
geborener südafrikanischer Profi-Golfspieler, entworfen. Weltweit
sind es über 300 Golfanlagen, die seine Handschrift tragen.
Gary Player und Jack Nicklaus sind wohl die bekanntesten Golfplatzdesigner,
beides natürlich ehemalige Golfchampions. Jack
Nicklaus, geboren 1940 in den USA, ist sogar mit 18 Major-Siegen
der erfolgreichste Golfspieler der Golfgeschichte.
Und das Loch 4 ist das schwerste und vielleicht das schönste
auf diesem Platz. 400 Meter bis zum Loch. Klaus schlägt ab,
ungewöhnlich für einen so guten Spieler mit einem 3 er Hybrideisen,
mit einem Schläger, den er sich vor einigen Tagen zugelegt
hat, und den er einfach ausprobieren muss. Der Ball fliegt und
63
fliegt und landet tief unten im Tal. Nochmal den Hybrid und der
Ball rollt aufs Grün. Zwei Schläge mit je 200 Meter. Er nimmt
seinen Putter mit dem überdimensional dicken Griff und der Ball
rollt ins Loch. Drei Schläge. Ein Birdie! Horst verzieht sein Gesicht
zu einem erzwungenen Lächeln, das Anerkennung ausdrücken
sollte. Es gelang ihm kaum, denn er brauchte zum Einlochen
12 Schläge. Diese Erinnerungen kamen auf, als ich das einfache
Clubhaus wiedererkannte.
Doch wir fahren weiter. Wir verlassen die N1 und biegen in
die R60 ein, die uns nach Robertson führen soll zu der in Südafrika
legendären Straße ‚Route 62‘. Die Fahrt auf der R60 hat nichts
Spektakuläres zu bieten. Ebenes Gelände. Trocken und steppenartig,
eben die Kleine Karoo. Aber hin und wieder taucht ein
grünes Weinfeld mit saftigen Reben auf. Nicht weit fließt eben
der Breederiver vorbei, der eine Bewässerung ermöglicht. Doch
je näher wir der Stadt kommen, umso mehr Reben entdecken
wir. Wir nähern uns dem ‚Madeba Weingut‘, das dem Pionier und
einem der reichsten Männer Südafrikas gehörte, Graham Beck.
Es ist eines der Weingüter, in dem die berühmten Graham Beck
Weine gekeltert werden.
Das Weingut erstreckt sich über ein ausgedehntes Tal und wird
durch die Flüsse Breede und Finch in zwei Hälften unterteilt und
seitlich von dem majestätischen Bergzug, den Langeberg Mountain,
flankiert. Die beiden sich auf dem Weingut befindenden
hochmodernen Weinkeller zeigen eine attraktive und neuartige
Interpretation einer avantgardistischen Architektur. Orangefarbene
Wände und ein langes, geschwungenes, grünes Dach verschmelzen
auf wunderbare Art mit der umliegenden Landschaft,
während die Innenanlagen reichlich das tiefrote Purpur der einheimischen
Vygie (eine indigene rot blühende Pflanze), das Dunkelgrün
der Fynbospflanzen und das Orange von Sand und Bo-
64
Weingut ‚Madeba‘ Graham Beck
Graham Beck als Hundeliebhaber
Graham Beck Brut
65
den des Klein-Karoo-Gebietes widerspiegeln, wie mir von einem
früheren Besuch noch in Erinnerung ist.
Graham Joshua Beck kurzgefasst:
Geboren 05-12-1929 in Südafrika. Gestorben 27-07-2010.
Graham Beck war Gründer der ‚Graham Beck Wines‘ und ein
Pionier als südafrikanischer Winemaker. Er war auch Vorsitzender
der Kangra Coal Limited und Welgedacht Exploration Limited,
die Leistungen für die Kohleindustrie in Südafrika erbrachten.
Er besaß mehrere Weingüter, wobei Madeba mit seinen 169
Hektar das größte ist. Die Kangra Gruppe übernahm 2010 dann
sogar das geschichtsträchtige Steenberg Wein- und Golfestate an
den südlichen Ausläufern des Tafelbergs, eine der ersten Adressen
am Kap.
Graham Beck wurde als ‚South Africa’s Sparkling Wine King‘
bezeichnet. Pieter Ferreira, seit 1990 sein Kellermeister, galt als
bester südafrikanischer Schaumwein-Spezialist. Man sagt ihm
nach, er habe ‚Bläschen im Blut‘ und deshalb trüge er auch den
Spitznamen Mr. Bubbles.
Die feine ‚Perlage‘ hat prominente Genießer. Im Jahre 1994
feierte Nelson Mandela mit dem Graham Beck Brut seine Amtseinführung.
Michele Obama wählte zum Anstoßen auf den Wahlsieg
ihres Mannes im Jahre 2009 den Graham Beck Brut Cap
Classique Sekt 2005, für den die Weinsorten Chardonnay und
Pinot Noir die Grundweine darstellen. Der Kalkboden in dieser
Region der ‚Kleinen Karoo‘ ist für den Chardonnay in besonderer
Weise geeignet. Ein Wahlspruch der Graham Beck Winemaker
ist: ‚Qualität ist nicht das Ziel, es ist eine Reise.‘
Graham Becks letzter Wunsch war eine Bestattung in Jerusalem,
seinem jüdischen Glauben huldigend.
Wir kommen in das Städtchen Robertson, Brandy-Hauptstadt
Südafrikas, aber auch Schampus MCC nach Champagnerart und
einen fantastischen Cabernet Sauvignon kann man hier genie-
66
ßen. Das Tor zur Route 62. Es wurde 1853 gegründet und benannt
nach dem schottischen Pastor William Robertson. Hier
wurde schon damals Landwirtschaft betrieben, aber auch Wagenbauer
waren ansässig. Dieser Berufszweig kam zum Erliegen,
als mehr und mehr auf der Schiene transportiert wurde.
Auf der Durchfahrt sehen wir ein Hinweisschild ‚Robertsson
Winery‘ mit dem Logo RW. Das muss der Weinkeller für eines
der umsatzstärksten Weingüter der Region sein. Aber wir halten
vergeblich Ausschau nach einem Herrenhaus mit kapholländischer
Architektur, mit einem Giebel und reetgedeckten Dach.
Bei einer unserer Partys vor Jahren hatte ich eine hübsche junge
Dame in Zevenwacht kennengelernt. Mrs Niemann mit ihrem
Mann. Als Tischnachbarin erzählte sie mir voller Stolz, dass sie
für den Vertrieb der RW Weine eingestellt worden sei und das
ganze Land bereise. Die Robertson Winery habe für den Cabernet
Sauvignon von Platters 4 Sterne bekommen, was wenige Rotweine
in Südafrika bisher geschafft hätten.
Am nächsten Morgen stand eine Flasche, natürlich ein RW
Cabernet Sauvignon vor der Tür. Fünf Jahre gealtert. Barrique
ausgebaut. Ich habe selten einen solch vollen Cabernet getrunken,
der den Gaumen füllte und eine tiefrote Farbe hatte, die das
bauchige Weinglas zum Leben erweckte.
Aber in dieser Gegend gibt es natürlich noch viele andere Weingüter,
manche sogar mit einem traditionellen kapholländischen
Herrenhaus. Eines, das noch erwähnenswert erscheint, ist die
Rooiberg Winery. Afrikas größter roter Stuhl steht vor den Toren
dieses Weinguts als weithin sichtbarer Blickfang. Flaggschiffweine
sind der preisgekrönte Sauvignon Blanc, Cape White, der
Rooiberg Pinotage, der rauchige Shiraz und der Muskateller.
Das nächste Städtchen ist Montagu, eines der vielen an der
R62, die entlang der Strecke wie Perlen aufgereiht sind. Zuerst
müssen wir den Cogman‘s Kloof Pass über die ‚Langeberge‘ über-
67
Rooiberg Winery
queren, der heute gut ausgebaut ist. Die Straße folgt dem Kingna
Fluss, der vor dem Ausbau häufig für Überschwemmungen sorgte
und die Überquerung mühsam machte, manchmal sogar verhindern
konnte. Das Erreichen von Montagu war damals beschwerlich.
Die Ochsenwagen versanken oft im Schlamm und
manchmal war der beste Weg das Flussbett, aber auch da versanken
die Räder. Cogman war ein Khoikhoi Fürstentum, bevor die
weißen Einwanderer das Land ab 1725 zu besiedeln begannen
und die Ureinwohner, hauptsächlich durch eingeschleppte Krankheiten,
wie z. B. die Masern, gegen die sie keine Abwehrstoffe
wie wir in Europa im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hatten,
dezimiert und letztlich auch vertrieben wurden.
Der Pass wurde unter der Leitung von Thomas Bain gebaut,
Sohn des legendären Andrew Geddes Bain. Er setzte so die Tra-
68
Kurzer Tunnel am Cogman‘s Kloof Pass
Hardys Restaurant in Barrydale
69
dition seines Vaters in gekonnter Weise fort. Die unterbrochenen
Arbeiten wurden im Jahr 1873 wiederaufgenommen. Vorteilhaft
erwies sich, dass jetzt in begrenzter Menge Dynamit zum
Sprengen des harten Felsen eingesetzt werden konnte, natürlich
viel effektiver als das bisher verwendete Schießpulver.
Montagu hat eine Kirche, die nie fehlen wird, auch bei sehr
kleinen Städtchen. Die ‚Burghers‘ nehmen ihren Glauben ernst.
Die Dutch Reformed Church. Vielleicht ist die Strenge des ‚Calvinismus‘
in ihrem Glauben gelegentlich zu spüren.
Der Ursprung von Montagu war 1851 die Farm ‚Uitvlugt‘ (übersetzt
etwa ‚weit draußen gelegen‘). Die Stadt zeichnet sich durch
ihre heißen Heilquellen aus (bis 45 °) und ihre malerische Bergkulisse.
Landwirtschaft wird großgeschrieben. Getreidefelder
wechseln sich mit Weinreben und Obstplantagen ab.
Vielleicht habe ich es noch nicht erwähnt, dass meine Frau
Regine den in die Jahre gekommenen Toyota steuert. Dadurch
kann ich ungestört beobachten, was sich links und rechts der Straße
tut, und gelegentlich einen Blick in einen Reiseführer werfen.
Sie fährt nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam, hat eine
schnelle Reaktion und messerscharfe Augen. Ich glaube auch, dass
ich ein guter Beifahrer bin, mindestens sagt sie das hin und wieder.
Ratschläge und andere Kommentare erspare ich mir und ihr.
Bei manchen unerwarteten Bremsmanövern, bremse ich
allerdings unwillkürlich auf meiner Seite mit. Jahrelanges Autofahren
hat mich eben auch geprägt.
Die Route 62 wird gelegentlich mit der berühmten Route 66
im Mittleren Westen der USA verglichen. Man kommt hier wie
dort an kleinen, ländlichen, idyllischen Orten vorbei, die zu einer
Pause einladen. Zum Beispiel in Barrydale, Ladismith oder im
‚Die Dorpshuis‘ in Calitzdorp, bis man schließlich die Stadt der
Strauße Oudtshoorn erreicht. Wir übernachten in einem Guesthouse
am Fuß des Swartbergs nördlich der Stadt mit dem schö-
70
Auf der langen Fahrt eine Pause einlegen und ein Eis essen
71
nen deutschen Namen ‚Altes Landhaus‘. Es ist nach südafrikanischem
Standard ein Fünfsterne-Gasthaus für höchstens zwölf
Gäste mitten in Obstplantagen. Jetzt sind die Pflaumen reif, alle
faustgroß, ‚ready to eat‘. Ein wundervoller Garten umgibt die
Anlage in unverfälschter Natur, ohne Straßenlärm, nur die Vögel
zwitschern. Versteckt hinter Bougainvilleenbüschen, entdecken
wir einen kleinen Swimmingpool. Da kommt der Waiter schon
mit einem Korb voller violettfarbenen Pflaumen. Allein der Anblick
genügt schon, um einem das Wasser im Mund zusammenlaufen
zu lassen. Der Schwarze hatte ein breites Lächeln, eingerahmt
von weißen Zähnen. Man sah ihm an, dass er uns etwas
erzählen wollte. Ich fragte ihn also:
„Swartberg heißt doch der Schwarze Berg? Warum?“
„Sir, bei Regen im Winter, wenn kein Schnee liegt, bekommen
die Felsen ein düsteres, schwärzliches Aussehen. Fast angsteinflößend.
Es gibt einige mysteriöse Geschichten, die unsere Leute
erzählen. Von ‚way back‘ überliefert.“
„Erzählen Sie,“ munterte ich ihn auf.
„Ein alter Mann hatte eines Tages den beschwerlichen Aufstieg
auf sich genommen, um nach Wildhonig zu suchen. Er war
erfolgreich gewesen und hatte seinen Krug schon gefüllt, als ein
dichter Nebel aufzog. Er verlor die Orientierung, denn ausgetretene
Wege gab es damals noch nicht. Er schlitterte auf den regennassen
Steinen und stolperte den Abhang hinunter, als er
plötzlich den Halt unter den Füßen ganz verlor. Durch eine Öffnung
im Boden fiel er einige Meter tief in eine Höhle, verletzte
sich dabei aber nur leicht, die sich im schwachen Licht durch die
Öffnung herabfallend als eine ungewöhnliche Kathedrale entpuppte.
Er schaute sich verwundert um. Überall weiße Gestalten,
die in bizarren Formen vom Boden herausragten und auch
von der Decke herabhingen. Sie tropften, als ob sie weinen würden.
Sie leben doch nicht. Es sind nur Steine, sagte er sich. Trotz-
72
Altes Landhaus am Fuß des Swartbergs
Am Frühstückstisch im Alten Landhaus
73
dem lief ein Schauer seinen Rücken hinunter. Die Höhle war wie
ein kaltes Zauberland mit einer Architektur, die sich das menschliche
Gehirn nicht ausdenken konnte, geschweige denn gestalten.
Nur die Natur konnte solche Formen bilden. Endlose Labyrinthe
nach allen Seiten. Und dann das beunruhigende Rauschen
von unterirdischen Flüssen.
Wo war er gelandet? Was hatte das zu bedeuten?
Er irrte in der Höhle umher nach allen Richtungen, doch es
war nun finster, weil weiter innen in der Höhle die obere Öffnung
für den Lichteinfall fehlte. Einige Tage verbrachte er damit,
einen Ausgang zu finden. Erst sang er laut, um seine Angst
zu übertönen, wie ein Kind, das durch einen dunklen Wald läuft.
Dann wurde seine Stimme zu erstickten Schreien, die hundertmal
widerhallten und ihn selbst erschreckten.
Die ursprüngliche Öffnung, die er wieder entdeckt hatte, konnte
er an den messerscharfen, gezackten Wänden nicht mehr erklimmen.
Sollte er in dieser Höhle verrecken, elendig verhungern?
Der Honig war zunächst seine Rettung, Wasser hatte es in der
Höhle ja genug.
Nach tagelangem Umherirren, fand er schließlich einen Ausgang,
zwischen Felsvorsprüngen verborgen. Als er das Tageslicht
wieder erblickte, war es dunkel in seinem Geist geworden. Er
hörte überall nur noch den Widerhall seiner von Todesangst geprägten
eigenen Stimme, seiner Schreie. Er erzählte wirres Zeug,
wenn er von seinen Stammesgenossen gefragt wurde.
Er erzählte von wunderschönen Kirchen, Kathedralen und von
versteinerten weißen Menschen, die aus dem Boden zu wachsen
schienen und die von der Decke herabhingen. Mitleidig schüttelten
seine Zuhörer nur noch mit ihren Köpfen und hörten ihm
schließlich gar nicht mehr zu. Er hatte offensichtlich seinen Verstand
verloren.
Doch wir vermuten heute, dass er in die Cango Tropfstein-
74
höhlen gefallen war und in den Stalagmiten und Stalaktiten tote
Menschen herabhängend und aufgestellt in einer großen Kathedrale
sah. Das Wort Cango soll übrigens aus der Khoisan Sprache
kommen und ‚Wasser zwischen den Hügeln‘ heißen.
In dieser großen heute zugänglichen Kathedrale werden heute
bei bengalischer Beleuchtung gelegentlich Konzerte gegeben, bei
einer natürlichen Akustik, die wahrscheinlich nur solche Höhlen
bieten können. Die Cango Kathedrale soll größere Ausmaße haben
als die des Kölner Doms, so behauptete zumindest ein deutscher
Tourist, den ich durch die Höhle führen durfte. Manche
Zuhörer sollen bei einem solchen Konzert in einen solch emotionalen
Zustand verfallen, dass sie meinen, nach Verklingen des
letzten Akkords noch im andauernden Widerhall die unheimlichen
Schreie des Verirrten heraushören zu können.
Wie Sie sicher wissen sind die Cango Tropfsteinhöhlen die erste
Sehenswürdigkeit in unserer Region und sie sind die größten in
Südafrika.
Die riesigen Tropfsteinhöhlen wurden 1780 entdeckt. Über
40 km lang sind ihre verzweigten Gänge, wovon für die Allgemeinheit
nur 1,2 km zugänglich sind. Die Höhle ist immer noch
nicht gänzlich erforscht.“
Er holte nach seinen Ausführungen tief Luft. Ich war erstaunt
über sein Wissen. Sicher hatte er diese abenteuerliche Story heute
nicht zum ersten Mal erzählt.
Nicht weit von hier verläuft die R328, die 30 km ungeteert, als
bei Regen nicht zu befahrende Schotterpiste, direkt über den
Swartbergpass von Oudtshoorn nach dem verträumten Prince
Albert mit seinen historischen Gebäuden und gastfreundlichen
Einwohnern führt. Er soll einer der spektakulärsten, nicht geteerten
Pässe von ganz Südafrika sein. Sie dürfen raten: zwischen
1881 und 1886 von Thomas Bain geplant und von Strafgefangenen
gebaut.
75
Blick auf den Indischen Ozean vom Traumhaus des Hubert Auer,
‚Auers Rock‘ in Wilderness, davor die Touw-Lagune
Ein Freund von uns hatte den Pass mit seinem alten Mercedes,
Baujahr 1975, überquert. Er berichtete, dass die Räder mehrmals
durchdreht hatten. Die Gefahr bestand, dass das Fahrzeug an
manchen Abschnitten ganz zum Aufsetzen kam. Naja, bei dem
Zustand seines Wagens, dessen Stoßdämpfer ausgeleiert waren
und ihre Aufgabe schon lange nicht mehr erfüllen konnten, war
die Fahrt ganz schön mutig gewesen.
Die Swartbergkette trennt die Kleine Karoo im Süden von der
großen im Norden. Hinter jeder der vielen Kurven verbirgt sich
ein neuer Ausblick auf bizarre Felsformationen in unbeschreiblichen,
braunen Farbnuancen, wie sie nur die Natur schaffen kann
und vielleicht auch nur in einer solchen Gegend.
Aber auch wir sind den Pass im Jahre 2005 bei unserem ersten
Urlaub, den wir damals an der Gartenroute verbrachten, gefah-
76
ren. Allerdings hatten wir einen Toyota Carolla, einen Mietwagen
mit Vorderradantrieb. Die Schotterpiste ist heute vielleicht etwas
besser ausgebaut, aber damals rutschte der Wagen, natürlich leichter
und besser zu steuern als der schwere Mercedes unseres Freundes,
hin und wieder auf den glatten Steinen seitlich weg und Regine
bat mich, das Steuer zu übernehmen. Sie meinte, dass ich
die besseren Nerven hätte, was ich natürlich bezweifelte.
Wie wir an die Gartenroute kamen? Hoffentlich wird jetzt meine
Schilderung nicht zu ausführlich.
Die Bekannten, die mit ihrem Mercedes den Pass gefahren
waren, hatten uns erzählt, dass sie einige Wochen in Wilderness
in einem wunderbaren Haus mit einer unvergleichlichen Aussicht
über das Meer verbracht hatten. Wir traten mit dem Hausbesitzer
in Verbindung und mieteten nach dieser Empfehlung das Haus
für einige Wochen. Das war im südafrikanischen Sommer 2005.
Die Südafrikaner kommen ins Schwärmen, wenn der Ressortort
Wilderness erwähnt wird, so wie ein Hamburger bei dem Wort
Sylt. Wilderness liegt an der Gartenroute am Indischen Ozean,
nicht weit von George entfernt, etwa 400 km östlich von Kapstadt.
Kurz vor Wilderness mit dem Auto kommend, fuhren wir
durch eine tiefe, kurvenreiche Schlucht. Danach über die vor uns
liegende Brücke, die den Kaaiman-Fluss überspannt. Er fließt träge
dahin zwischen hoch aufragenden Hügeln, deren Abhänge mit
dichten, mit Schlingpflanzen überwucherten Laubbäumen bewachsen
sind, die wie Trauerweiden auf uns wirkten, nur eben
saftig grün. Regentropfen glitzerten in der Sonne, fielen träge
von den an den Bäumen hängenden Lianen auf die Farne am
Waldboden.
Es ist ein echter Regenwald, den wir hier niemals vermutet hätten.
Dieses leuchtende Grün schmeichelt dem Auge. Ich nahm
die Sonnenbrille ab, um dieses Grün auf mich einwirken zu las-
77
Swartbergpass
sen. Dieses Grün erinnerte mich irgendwie an meine Jugend, als
ob ich damals die Farben intensiver wahrgenommen hätte.
Der Kaaiman kommt von den Outeniqua Bergen, die sich hinter
George erheben. Oft sind sie in Wolken eingehüllt, versperren
ihnen den Weg in die dahinterliegende Kleine Karoo mit dem
Swartberg, der im Sommer keinen Regen oder Nebel kennt. In
der Sprache der Ureinwohner, der Khoisan, heißt Outeniqua „Männer,
die Honig tragen“.
Hier scheint eine Verbindung zu dem Unglücklichen zu bestehen,
der in die Kathedrale gefallen war. Er war ja auch auf der
Suche nach Honig.
Einer der vier Golfplätze von Fancourt, die wohl bekannteste
Golfdestination Südafrikas am Fuß dieser Berge, erhielt dann auch
den schönen, aber für uns fast unaussprechlichen Namen Quteniqua.
Die ganze Fancourt Anlage gehört übrigens Frau Plattner, der
Frau des Mitbegründers des deutschen Softwaregiganten SAP.
78
Braun- und Grüntöne
Wenn man als Golfer in Südafrika war und zu Hause davon erzählt,
wird man von Kennern sicher gefragt:
„Haben Sie auch in Fancourt gespielt? Den Outeniqua-, den Montagu-
oder gar den Links-Course, alle mit der Handschrift von Gary
Player? Auch Bramble Hill?“
Die nächste Kurve gab den Blick auf Wilderness frei. Atemberaubend.
Der breite goldgelbe Strand liegt unter der Glocke des
blauen Himmels vor uns, verliert sich in der Weite, löst sich auf
im Meer und in den Head-Hügeln von Pezula hinter Knysna. Von
weit draußen, wo Wale das Meer durchkreuzen und Delfine
miteinander spielen, kommen die Brecher herein, überschlagen
sich wieder und wieder mit schwerem, dumpfem Getöse, sodass
man sogar im Auto sitzend meint, die Erde unter einem würde
beben. Der ganze Strand scheint in weißen Wellenbrechern unterzugehen.
Weiße Gischt steigt auf. Salznebel schweben in der
Luft. Selbst die mächtigsten Wellen gehen in diesem Weiß unter,
haben keine eigenen Konturen mehr.
Dieses weiße Erlebnis, dieser Anblick stehen für Wilderness mit
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Golfplätze an der Gartenroute
= Golfplätze (18 Loch)
= Ortschaften
Oudtshoorn
Oudtshoorn Golf
Outeniqua Bergkette
Regensperre nach Oudtshoorn
Fancourt (Outeniqua, Montegu, Links und
Bramble Hill (aufgegeben)
George
George Gol f
Kingswood Golf
Pinnacle Point
Mosselbay Golf
Mosselbay
Oubaai Golf
Wilderness
Nationalstraße N2
Indischer Ozean
Knysna Golf
Simola Golf
Knysna
Pezula Golf
Plettenberg
Goose Valley Golf
Plettenberg
Gol f
80
dem zutreffenden Beinamen „Juwel der Garden Route“. Es ist
genau dieser Blick aufs Meer, der den Preis für Baugrundstücke
hochtreibt, das weiß jedes Kind. Aber unser Schweizer Freund
René sagt:
„Wenn weiße Gischt zu sehen ist, kann auch ein Europäer in
dem für ihn so billigen Südafrika ein solches Grundstück nicht
mehr bezahlen.“
Aber zunächst mussten wir uns für das Anmieten von dem
herrlichen Haus ‚qualifizieren‘. Hubert Auer, Österreicher und
schon Jahrzehnte als Bauunternehmer in Südafrika tätig, hatte
sich zum Ziel gesetzt, ein Haus nach seinen Vorstellungen in der
besten Aussichtslage von Wilderness zu bauen. Er nannte es Auers
Rock, wahrscheinlich als Wortspiel auf den australischen Ayers
Rock gedacht. Er erfüllte sich mit diesem Bau einen Jugendtraum.
Zweistöckig, aus Klinkersteinen fachmännisch gemauert, mit einem
flach geneigten Giebeldach, mitten im Regenwald an die
Felsen angeschmiegt, fügt es sich nahtlos in die Landschaft ein.
Mit einer Traumsicht über den Regenwald, die Lagune, die Dünen
von Wilderness und das Meer. Mit starken Farben, wie sie
nur von der südafrikanischen Sonne hervorgebracht werden können.
An der Einrichtung hatte er nicht gespart. Er hatte alte Stilmöbel
aus Österreich importiert und deshalb wollte er zuerst die
Mieter kennen lernen, um einigermaßen sicher zu gehen, dass sie
auch sorgsam mit seinem Eigentum umgehen werden. Seine Einstellung
war: Am besten lernt man die Menschen bei einem Golfspiel
kennen.
Er lud uns zum Golfen auf den altehrwürdigen Platz von George
ein. Alter dichter Baumbestand. Parkähnliche Anlage, mit
dazwischenliegenden Seen. Urwaldartiges Ambiente, Blumen,
Blüten, Farne, Lianen, Vogelgezwitscher.
81
„Wie gefällt Euch dieser Platz? Die alten Engländer wussten,
wie man Golfplätze baut. Schon 1886 gegründet. Dies ist mein
Heimatplatz,“ sagte er und schlug ab.
Er ist kräftig gebaut. Schlägt weit. Seine blauen Augen strahlten.
Er erinnerte mich an jemanden. An John Wayne? Nicht ganz
so groß vielleicht, aber genauso ein Naturbursche.
Bei meinem nächsten Schlag flog ein großes Grasbüschel aus
dem Boden. Er beobachtete mich, ob ich das Büschel samt der
Erde an der Ausschlagstelle wieder einsetzte und festtrat, wie sich
das für Golfspieler gehört. Nach dem Spiel sagte er trocken, dass
wir uns für das Mieten seines Hauses qualifiziert hätten.
Wieder haben wir etwas dazugelernt. So kann man auch die
Sorgfalt eines Menschen testen, wie er mit Dingen umgeht, die
ihm anvertraut sind, aber nicht gehören. Wir fuhren zum Haus,
Beispiel eines Federpalasts in Oudtshoorn
82
Gefärbte Straußenfedern sind heute noch gefragt
Das C.P. Nel Museum in Oudtshoorn
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einer schmalen, gewundenen Straße folgend. Abgelegen, einsam
am Hügel, hoch über Wilderness.
Wir öffneten das Einfahrtstor, stellten den Corolla unter der
Terrasse ab. Stiegen die Stufen zur oberen Etage hoch. Die riesige
Terrasse, mit warmen, roten Klinkersteinen ausgelegt, überraschte
mit einem kleinen Swimming-Pool, dessen Wasseroberfläche
sich von der arbeitenden Umwälzpumpe kräuselte. Die
Fenster des Hauses gingen bis zum Terrassenboden herunter. Wir
lehnten uns über das Geländer. Die frische Brise vom Meer blies
uns ins Gesicht. Tief unter uns liegt der Regenwald, dicht, fast
unheimlich. Ist das nicht ein Gummibaum? Seine Blätter sind
riesig, sie schimmern, als wären sie mit Wachs poliert. Vögel
zwitscherten, hüpften aufgeregt hin und her. Flog dort nicht einer
der roten, selten zu sehenden Knysna Papageien? Schmetterlinge
schwebten in bunten Farben von Baumkrone zu Baumkrone.
Unser Blick glitt über die Lagune, über die Häuser von Wilderness
mit den bunten Dächern, bis er sich in den weißen Schaumkronen
des Indischen Ozeans verlor. Das dumpfe Überschlagen
und Heranrollen der Wellen dröhnt bis hierher. Noch nie hatte
ich eine solche Sicht von einem Wohnhaus aufs Meer gehabt.
Auch nicht von dem Haus eines Allgäuers, der mich in früheren
Jahren zu sich über den Hügeln von Santa Barbara in Kalifornien
eingeladen hatte und behauptete, dass der Blick von hier über
den Pazifik der schönste sei, den es auf der Welt gäbe.
Diese Aussage hatte sich in mein Gehirn eingebrannt. Dieser
Blick war bisher für mich das Nonplusultra aller Aussichten gewesen.
Doch dieser hier von diesem Haus? Überbot alles, auch
Santa Barbara.
Wir fühlten uns in dieser Umgebung prächtig und verbrachten
hier vielleicht die schönsten Tage unseres bisherigen Zusammenseins.
Nun gut, der Einführung genug. Eines Tages, es hatte leicht zu
84
regnen begonnen, entschlossen wir uns kurzerhand den nördlich
gelegenen Swartbergpass zu erkunden. Nach dem Quteniqua Pass
hellte es sich sofort auf, keine Wolke mehr am Himmel, abgefangen
von der Bergkette, in Wilderness noch Regenwald, 40 km
weiter nur noch trockene Savanne auf der die Strauße noch die
letzten Graswurzeln aus der vertrockneten Erde mit ihren knorrigen
Schnäbeln ziehen, deren hässlicher Anblick noch von ihren
Beinen und hornigen Krallen übertroffen wird. Ein Schlag mit
diesen Füßen, richtig ausgeführt, kann einen Menschen lebensgefährlich
verletzten, wie man sich leicht vorstellen kann. An
Oudtshoorn vorbei und die Schotterpiste lag vor uns, die uns
über den Swartberg führen sollte. Die R328.
Wie gesagt hatte ich das Steuer übernommen. Wichtig beim
Fahren, gefühlvoll, wenig Gas geben, dann kommt der Wagen
nicht so schnell ins Schlittern bei der steil ansteigenden Piste.
Manche glauben allerdings, dass man eher mit durchgetretenem
Pedal fahren solle und so die Schlaglöcher besser bewältigen könne.
Da kommt auch schon wieder einer angebraust. Mit dröhnendem
Motor. 40 Jahre alt wird er sein, in einem älteren Cabrio.
Neben ihm eine junge Blondine, die bei jedem Satz, der der Wagen
macht, laut aufjauchzt. Der Vierzigjährige will ihr noch beweisen,
was für ein Kerl er ist, was vielleicht nur noch mit der PS
Zahl des Wagens möglich ist. Ein Anblick, der sich schon lange
in meinem Kopf abgespeichert hat. Die zweite Jugend bricht aus.
Angeber Gehabe.
Mich ärgerte aber die Staubwolke, die das Gefährt produzierte.
Hunderte von Metern lang. Und wir sollen der folgen.
Doch schon kommen die ersten Kehren. Eng, bei schmaler
Straße, steil. Abgrund auf der linken Seite. Soll das 30 km so
weitergehen, bis wir den Pass dann überquert haben? Hinter jeder
Kurve begeistert eine andere Steinformation in einer Palette
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von braunen Farbtönen, die in der Sonne zu vibrieren scheinen.
Aufsteigende flimmernde Luft? Heiß ist es, vierzig Grad? Die
Klimaanlage arbeitet am Limit. Zu klein ausgelegt für dieses Klima.
Aber für den Vierzigjährigen mit dem Dreitagebart und seinem
Draufgängertum beginnt das Problem. Der Kühler seines
Wagens kocht. In einer etwas weiteren Kehre steht dann sein Wagen
zischend und dampfend. Wasser bräuchte er jetzt, um den
Kühler aufzufüllen, sonst wäre sein Ausflug mit seiner Begleitung
zu Ende. Ihr Jauchzen hat aufgehört. Feilt sich die Nägel.
Wir können den Fünfliterkanister Wasser entbehren. Eigentlich
zum Trinken und nicht zum Auffüllen eines Kühlers. Das
Durchdrücken des Pedals lohnt sich also doch nicht immer.
Wir fahren weiter und genießen die Ausblicke. Wir erreichen
den höchsten Punkt. Etwas 1600 m ü. M. Hier geht eine Schotterpiste
ab nach Gamkaskloof (‚Die Hel‘, die Hölle). Sie soll 50 km
lang sein und entlang des Swartbergkammes führen. Allradantrieb
ist angesagt, wenn man dieses Abenteuer wagen will. Ein
Motorrad oder ein Mountainbike? Am Ende soll die Piste in einem
grünen, fruchtbaren Tal enden. Erst 1962 wurde Gamkaskloof
durch diese Piste zugänglich.
Das Hochplateau haben wir jetzt hinter uns gelassen. Wir kommen
durch eine enge Schlucht mit rotem Felsgestein, das wieder
andere Farbnuancen bietet.
Dann sehen wir das Städtchen Prince Albert vor uns liegen
und freuen uns schon auf einen kalten Drink und einen Kaffee.
Drei Stunden waren wir unterwegs. Wir sind auch langsam gefahren
und wir haben, das kann man sich denken, einige längere
Fotostopps eingelegt.
Nun bestand die Frage: Zurück nach Oudtshoorn wie auf dem
Hinweg über den Swartberg Pass oder die 70 km längere Strecke
durch die Meiringskloof Schlucht auf einer durchgehend asphal-
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tieren Straße am Rand der östlichen Ausläufer der Swartbergkette?
Wir wählen den längeren Weg. Spektakuläre Sicht. In weit angelegten
Serpentinen geht es die Schlucht entlang. Mit einem Zwischenstopp
an einem kleinen Wasserfall, wo klares, trinkbares
Wasser sich in einem Tümpel sammelt, ungewöhnlich, dass es im
diesem trockenen Sommer hier noch Wasser gibt, das aus einer
Quelle entspringt.
Schließlich gelangten wir nach Oudtshoorn. Einst berühmt als
die Straußenhauptstadt der Welt, liegt die Kleinstadt mitten in
der Weite der Karoo. Kaiser, Könige und die High Society
schmückten sich im 19. Jahrhundert mit Straußenfedern die hier
produziert wurden. Man denke nur an die Folies Bergère in jener
Zeit, die ihre Blößen damals mit wedelnden meist weißen Straußenfedern
zu verdecken suchten und dabei den Reiz für die männlichen
Zuschauer noch erhöhten.
Ich erinnere mich noch gut an jene Zeit, als wir in Oudtshoorn
ankamen. Wir waren Golfanfänger und jeder Platz reizte uns zum
Spielen. Wir hatten dann einige Jahre später, im Jahre 2008, den
Platz zum ersten Mal gespielt, als wir das Haus von Hubert, weil
es so außergewöhnlich war, nach einmal gemietet hatten.
Aber nicht nur aus diesem Grund, sondern auch weil die Gartenroute
von Mossel Bay angefangen bis Plettenberg zu einem
Golfplatzeldorado geworden war. Die Keimzelle kann der alte
Golfplatz von George, eine der größeren Städte an der Gartenroute,
gewesen sein. Ein einziger Park. Überall, wo englischstämmige
Weiße ansässig waren, sind frühzeitig Golfplätze in Südafrika
entstanden, der George Platz schon 1908.
So zählt der Mossel Bay Golfplatz auch dazu, der schon 1905
gegründet worden war. Im Jahr 2000 wurde dann Fancourt Golf
geplant und gebaut.
Wie bereits zuvor erwähnt, ist Fancourt eine der Topadressen
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für Golfer weltweit geworden. Vier Plätze wurden eröffnet. Outeniqua,
Montequ, The Links und Bramble Hill (Hügel der Brombeeren).
Auf den ersten drei Plätzen bekommt man nur eine Spielberechtigung,
wenn man Hotelgast der Anlage ist, zumindest war
das so, als wir dort waren. Den Bramble Hill Platz konnte man
jedoch gegen eine Benutzungsgebühr (Greenfee) spielen. Vor einigen
Jahren wurde er jedoch geschlossen, schade, denn damals
war es der Platz, den Regine und ich wegen seiner interessanten
Aufteilung am liebsten gespielt haben, bestimmt 30 Mal.
An der Gartenroute zwischen Mossel Bay und Plattenberg gibt
es inzwischen 14 Golfplätze, wenn man den Oudtshoorn Platz
hinzuzählt, der eigentlich in der Kleinen Karoo liegt. Einige davon
mit atemberaubender Topografie. Als herausragendes Beispiel gilt
Pinnacle Point. Fast jeder zu schlagende Ball muss eine Schlucht
überwinden. Das alles an Klippen dem Meer entlang.
Simola hingegen, etwas im Landesinnern, besticht durch seine
Aussichten in das weite Land, die einem das Herz öffnen können.
Pezula, schon zur Legende geworden, ist schon des Öfteren
zum schönsten Platz Südafrikas gekürt worden. Die Golfbahnen
gehen auch am Meer entlang. Manche haben Bunkerlandschaften,
die sicher manchen Golfer schon zur Verzweiflung getrieben
haben. Er ist so weitläufig angelegt, dass ein Elektrogolfcart
zum Fahren vorgeschrieben ist.
Ich habe mir die Mühe gemacht, eine Übersichtkarte zu zeichnen,
auf der die 14 Golfplätze mit einem blauen Kreis markiert
sind, weiter vorne in diesem Büchlein gezeigt.
Es war also nicht das Haus von Hubert Auer allein, das uns
wieder an die Gartenroute gezogen hat, sondern auch die einmaligen
Plätze, die uns schon beim ersten Mal so begeistert und
bleibende Eindrücke hinterlassen hatten. Aber es gab auch Schattenseiten.
Es regnet an der Gartenroute immer wieder, und
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manchmal tagelang ohne Unterlass. Golfen kann man dann vergessen.
Das Autokennzeichen für die Gartenroute ist auch CAW. Manche
bösen Zungen interpretieren das dann so: „cold and wet“.
Was tut man, wenn man nach dem Aufwachen aus dem Fenster
schielt und der Himmel mit Regenwolken verhangen ist? Kein
Golf heute? Es gibt einen Ausweg. Wir fahren nach Oudtshoorn.
Über den Outeniqua Pass, der wie eine Regensperre wirkt. Überquert
und die Sonne strahlt. Und der Oudtshoorn Golfplatz bietet
sich zum Spielen an.
Wie erwartet brannte die Sonne aus einem strahlend blauen
Himmel hernieder. Die stehende Luft trocken, staubig mit feinem
roten Sand. Das Clubhaus ist aus hochgebrannten roten
Klinkern gemauert. Die Fugen aus grauem Zement. Fußwege
rings herum aus demselben Material. Innen dunkel. Kleine Fenster,
Holzverkleidung mit dunkler brauner Farbe gestrichen. Klobige
dunkelbraune Batavia Fliesen. Mich würde es nicht wundern,
wenn sie noch aus den Anfangsjahren aus einem anderen
alten abgerissenen Federpalast stammten.
Theke nicht abgewischt, Bierflecken. Es riecht nach gebratenem
Speck und angebrannten Spiegeleiern. Der Barkeeper, gutgenährt
und richtig schwarz, grüßt uns freundlich, lacht breit.
Seine weißen Zähne strahlen. Er denkt wohl: Endlich wieder
einmal zahlende Gäste. Vielleicht fällt etwas Trinkgeld für mich
ab.
Ein geschnitztes Schild an der Wand informiert uns, dass es
diesen Golfclub schon seit 1906 gibt. Wir bezahlen für die Runde.
Kaum zu glauben, wie billig das Greenfee hier ist. Umgerechnet
fünf Euro pro Person. Wir sind auf den Platz gespannt.
Der Abschlag auf der ersten Bahn ist kaum zu erkennen. Nur
vertrocknetes Gras, zur Kennzeichnung des Abschlags eine blaue
Plastikkugel. Etwas weiter vorne eine rote für die Damen.
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Ameisenhügel überall. Kleine rote Ameisen, die sich nichts
gefallen lassen. Sie klettern flink meine behaarten Beine hoch.
Sie stechen, besonders dann wenn mein Golfeisen ihren Hügel
trifft. Hin und wieder ist ein Streifen grünes Gras zu sehen. Das
sollen die Fairways sein? Keine Teiche. Es gibt zu wenig Wasser,
dafür trockenes Rough und dahinter stacheliges Gebüsch. Ein
Ball, darin verloren, findet man nicht so schnell wieder. Man sucht
ihn auch besser nicht, denn es soll von Kobras wimmeln.
Wirklich keine Alternative zu den Plätzen, die wir bisher gespielt
haben. Hat sich der Ausflug wirklich gelohnt?
Aber für einen Botaniker vielleicht doch interessant. Akazien
stehen im Gelände weit verstreut. Erstaunlich grün. Ein Baum,
der sich wie kaum ein anderer an die Trockenheit gewöhnt hat.
Seine Wurzeln sollen bis 35 Meter tief ins Erdreich vordringen
und den letzten Tropfen Wasser finden. Auch einige Olivenbäume
sind angepflanzt, der in seinen Eigenschaften der Akazie nicht
nachsteht.
Tamarisken Sträucher sind auszumachen, die an ihren Blättern
Salzausblühungen haben. Und Fynbos überzieht einige Flecken
Erde. Natürlich nicht in der Vielfalt und in der Pracht wie auf
dem Golfplatz in Keinmond in der Nähe von Hermanus oder
auf der Kaphalbinsel, aber ein Botaniker erkennt vielleicht, dass
es hier eine besondere Sorte gibt. Manche Pflanzen dieser Gattung
haben hier sogenannte Tubes, das sind weißlich dicke Wurzeln,
die gekocht wie Kartoffeln schmecken und Kohlehydrate
enthalten.
Der Mensch braucht zum Überleben eben Kohlehydrate und
Proteine. Vor 140 000 Jahren sollen kurz nach der Eiszeit in Höhlen
an der Gartenroute bei an den Abhängen des Pinnacle Golfplatzes
Menschen auf der Flucht vor dem Eis überlebt haben.
Die Tubes sollen dabei eine wichtige Rolle gespielt haben, wäh-
90
Regen in der Karoo bei Loxton
rend sie die Proteine von Muscheln in den Höhlen und vom Meer
bezogen haben sollen.
Diese Erinnerungen tauchten auf, als wir diesmal wieder von
der anderen Richtung in das Städtchen kamen. Oudtshoorn ist
immer noch das Zentrum der südafrikanischen Straußenindustrie,
die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Glanzzeit hatte. Von
dieser legen noch einige „Federpaläste“ der „Straußenbarone“
Zeugnis ab. Es war eine reiche Stadt, denn die Federn erzielten
damals hohe Preise.
Der Anteil der weißen Bevölkerung ist für eine südafrikanische
Stadt relativ hoch. Er liegt bei rund 13 %. 77 % sind Coloureds
und der Rest mit schwarzer Hautfarbe. Zu den Sehenswürdigkeiten
gehören neben den ehemaligen „Federpalästen“ das C.
P. Nel Museum im Stadtzentrum sowie einige Straußenfarmen
91
außerhalb der Stadt. Die Gemeinde ist benannt nach Baron van
Rheede van Oudtshoorn, früherer Gouverneur des Kaps um 1770.
Die Stadt hat heute rund 80 000 Einwohner. Nicht zu übersehen
ist das C.P. Nel Museum in ‚der Baron van Rheede Straße‘. Das
markante Sandsteingebäude mit seinem aufragenden Uhrenturm
wurde im Jahre 1906 als Boys’ Highschool errichtet. Heute beherbergt
es ein Museum zur Stadtgeschichte von Oudtshoorn,
zur Straußenzucht und zum ländlichen Leben in der Karoo.
Wie man leicht erraten kann, ist die Straußenzucht auf den
Farmen rings um die Stadt immer noch ein wichtiger wirtschaftlicher
Faktor. Das Fleisch des Vogels ist begehrt und natürlich
auch die Federn, die in jüngster Zeit eine Art Renaissance erleben.
Und die Haut?
Das Straußenleder ist wegen seiner Noppenstruktur und seiner
Unverwüstlichkeit wertvoll für Taschen, Schuhe, Gürtel,
Geldbörsen, Möbel u.a. und hochpreisig angesiedelt.
In freier Wildbahn hat der Strauß natürlich auch Feinde. Geparden,
Löwen und Leoparden. Der Strauß rettet sich durch
Weglaufen. Er ist 70 km/h schnell und kann eine Geschwindigkeit
von 50 km/h eine halbe Stunde lang aufrechterhalten. Keine
der genannten Katzen kann das, obwohl sie im Angriffsmodus
schneller sind. Dem Strauß kommen seine großen Augen zugute.
Die größten aller Landlebewesen, auch größer als die eines Elefanten.
Mit seinem gestreckten Hals kann er einen Angreifer schon
in 3 km Entfernung ausmachen. Genug Zeit, um uneinholbar zu
fliehen. Die Männchen, Hähne genannt, haben ein schwarzes
Gefieder. Sie brüten in der Nacht, angepasst an die Dunkelheit.
Die Weibchen, Hennen genannt, tragen dagegen ein erdbraunes
Gefieder und brüten am Tag.
Wenn wir jetzt schon einmal in der Hauptstadt der Strauße
sind, sollten wir hier einmal ein Straußensteak probieren. In einer
Seitenstraße finden wir ein Restaurant: das Jemima’s.
92
Vertrocknete Sträucher
Das Fleisch des Straußes hat einen ganz eigenen Geschmack,
etwas süßlich. Angeschnitten, zeigt es eine rötliche Farbe. Serviert
mit Couscous und Butternutgemüse. Es ist fest, durchgebraten
und trotzdem sehr zart. Es soll sehr gesund sein. Trotzdem,
nicht jedermanns Sache. Ein Filetsteak schmeckt mir besser.
Wir werden jetzt die N9 weiterfahren nach Graaff Reinet. Die
Strecke soll nichts Außergewöhnliches bieten. Über 300 km. Bestimmt
vier bis fünf Stunden. Trockene Savanne um diese Jahreszeit,
hin und wieder welliges Gelände. Kaum einmal eine Ortschaft,
auch keine kleineren. Diese Gegend bietet einfach keine
Lebensgrundlage für irgendwelche Bewohner. Zu trocken selbst
für eine bescheidene Landwirtschaft. Die Landschaft ähnelt der
von Matjiesfontein nach Sutherland oder der von Bloemfontein
93
nach Loxton. Sutherland ist dem Leser schon aus früheren Berichten
vielleicht noch in Erinnerung. Dort stehen auf einer Anhöhe
von etwa 1500 m Höhe etwa 20 Observatorien, weil hier
die Bedingungen für die Beobachtung des südlichen Sternenhimmels
optimal sind. Im Umkreis von etwa 100 km gibt es nämlich
keine ‚Lichtluftverschmutzung‘.
Aber Loxton?
Dieser kleine Ort im Northern Cape hat nicht viel zu bieten.
Ein kleines Café, wo man auch Brot und Milch kaufen kann, wo
einige verlumpte Gestalten Karten spielen, einige kleine Häuschen,
verschlafen, eine kleine Kirche, wo sich die wenigen Bewohner
am Sonntagmorgen zum Gottesdienst treffen. Nicht
einmal eine Tankstelle hat es hier. Doch Loxton ist durch Deon
Meyer bekannt geworden.
Er ist der erfolgreichste südafrikanische Kriminalschriftsteller,
weit über die Grenzen Südafrikas bekannt, und er hat Loxton
entdeckt. Wenn er sich erholen will von seinem anstrengenden
Beruf (Schreiben unter dem Zeitdruck eines Verlags kann recht
nervenaufreibend sein), setzt er sich in Stellenbosch, wo er seine
Familie hat, kurzerhand auf seine BMW, genießt den warmen
Fahrtwind bei hoher Geschwindigkeit um die Ohren und ist in
wenigen Stunden in Loxton in seinem gewählten Hideaway-Versteck.
Von Gestalt ein Hüne, durch und durch ein echter Südafrikaner
mit dem unverwechselbaren Hintergrund als Bure. Er liebt
die Afrikaans Sprache und schreibt seine Bücher (überwiegend)
auch in dieser seiner Muttersprache. Bei einem Interview ließ er
verlauten:
„Eine Harley-Davidson möchte ich nicht fahren. Ihr tiefer rudimentärer
Sound, an eine Tuba erinnernd, mag für manche
Motorradfans wie Musik klingen, aber für mich ist das feine Geräusch
der BMW, nicht ganz so tief angesiedelt wie das der Harley,
wie ein Konzert von Mozart in meinen Ohren, meinem Lieb-
94
lingskomponisten, generiert von perfekt eingeschliffenen Motorventilen,
und einer Laufkultur, die nur hohe Ingenieurskunst hervorbringen
kann. Eine BMW ist eben eine BMW.“
Loxton, auf einer Landkarte kaum zu finden, ist ein verlassenes
Nest in der Karoo etwa 100 km nördlich von der größeren
Stadt Beaufort West. Hier kümmert sich keiner um ihn. Er ist
sozusagen ‚unbekannt‘ geworden. Keine Reporter mit ihren Standardfragen:
„Wann erscheint ihr nächstes Buch? Wieder einmal
eine Benny Griessel Story?“
Er kann auf seine offene Terrasse sitzen, eine Dose Windhoek
Lager in der Hand, sich zurücklehnen und einfach zusehen, wie
ein Esel auf der Straße gelangweilt dahintrottet oder wie einige
Straßenhunde miteinander raufen. Abschalten, dann die letzten
Kapitel seines neuen Buchs im Geiste vorbeiziehen lassen. Er
muss neue Kraft für neue Gedanken schöpfen. Wieder zu sich
selbst finden, wie man heutzutage so oft zu sagen pflegt. Beispiele
hierzu gibt es genug. Jeder von uns muss manchmal sein
eigenes ‚Loxton‘ finden. War nicht auch Jesus in der Wüste? Vierzig
Tage und vierzig Nächte lang?
Ein Buch von Deon Meyer schon einmal gelesen? ‚Das Herz
des Jägers‘ oder ‚Tot vor Morgengrauen‘, um nur zwei von seinen
vielen Büchern herauszugreifen. Spannung pur. Eingebettet
in die Kulisse und das Spannungsfeld des neuen Südafrikas nach
der Apartheid.
Noch nie von seinen Protagonisten gehört? Meistens abgehalfterte
Bodyguards oder Polizisten mit Alkoholproblemen, die sich
auch auf ihre Ehe und Beruf auswirken. Bodyguard Lemmer,
Bennie Griessel, Mat Joubert. Seine gelegentliche Anwesenheit
in Loxton hat sich natürlich herumgesprochen und ist durch ihn
zu einem Anziehungsort für manche seiner neugierigen Leser
geworden. Was macht dieser Ort für ihn so attraktiv?
95
Straße N9
Die weitere Fahrt auf der N9 ist lang. Kein Verkehr. Vielleicht
alle Viertelstunde ein entgegenkommendes Fahrzeug.
Kaum zu glauben, dass sich diese Halbwüste jeden August in
ein farbenfrohes Blütenmeer verwandelt.
Regine und mir geht es ähnlich: irgendwie geht von dieser kargen
Landschaft ein besonderer Reiz aus. Etwas Geheimnisvolles.
Etwas die Seele Bewegendes. Auf einer deutschen Landstraße
zuhause kommt so ein Gefühl nicht auf. Und wenn die Landschaft
noch so schön ist, mit Flüssen durchzogen und Schlössern
an den Hängen, was man hier vergebens sucht.
Ist es dieses ursprüngliche, trockene Land, mit dürrem braunen
Gras überzogen, mit Steinen dazwischen, noch nie durch
Menschenhand bearbeitet, noch nie durch einen Pflug aufgerissen
und dabei verletzt, was diesen Reiz ausmacht? Ist es das, wa-
96
rum wir so fühlen? Oder weil bei der nächsten Kurve eine Überraschung
wartet? Vielleicht ein Springbock? Oder eine Puffotter
fast unsichtbar am Straßenrand lauert?
Doch wie können wir die Stille ‚hören‘, wenn wir im Auto sitzen
und fahren? Immer wieder laden Parkbuchten zum Rasten
ein. Rohe Holztische mit ebensolchen Bänken. Einige Eukalyptusbäume
spenden Schatten. Diese ursprünglich aus Australien
eingeführten ‚Aliens‘ sind zwar verpönt in diesem Land. Sie verdrängen
einheimische Pflanzen. Sie sind aber wie geschaffen für
dieses Klima. Sie stellen ihre Blätter so zur Sonne, dass möglichst
wenig Fläche dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt ist. Dadurch
verdunstet weniger. Auch hilft deren ledrige ölige Blattbeschichtung.
Bei den in diesen Gegenden regelmäßig auftretenden Buschbränden,
widersteht ihre Rinde dem Feuer, indem sie langsam
abbrennt, und dadurch, ähnlich wie bei dem Wärmeschild einer
in die Atmosphäre wieder eintretenden Raumkapsel, den darunterliegenden
Stamm schützt.
Außerdem ist dieser Baum dafür bekannt, dass er das letzte
Wasser aus dem Boden zieht und es allen anderen Pflanzen in
seiner Nähe abgräbt. Die Südafrikaner nennen ihn ‚Blue Gum‘
(blauer Gummibaum) wegen seiner bläulich schimmernden Blättern.
Eine ideale Pflanze für eine solche Parkbucht, die auch extreme
Trockenperioden überstehen kann und absolut keiner Pflege
bedarf.
Regine lenkt den Wagen in eine solche Parkbucht. Wir setzen
uns. Jetzt ist der Moment gekommen, die Stille zu ‚hören‘! Sind
wir innerlich bereit? Ja, es ist still. Wir könnten in Loxton sein.
Aber ich höre die kreischenden Stimmen der Kartenspieler in
dem Café. Oder ist es etwas Anderes? Kein Flugzeug, kein Auto!
Kein Zirpen von Grillen? Oder doch? Der Geruch des Eukalyptusöls
würde sie verscheuchen. Angestrengtes Lauschen. Ich höre
sie aber. Ganz leise. Dann bin ich mir einfach nicht mehr sicher,
97
ob ich überhaupt etwas höre. Wahrscheinlich höre ich meinen
eigenen Tinnitus, selbst generiert. Wie schade. Ich wollte in dieser
Halbwüste, in dieser menschenleeren Einsamkeit, einmal
wenigstens die ‚Stille‘ erleben, einmal mein eigenes Loxton. Oder
habe ich das Loxton des Deon Meyers missinterpretiert?
Er sucht gar nicht die Stille. Er sucht einfach Zeit für sich.
Zum Nachdenken. Und manchmal muss man über den nächsten
Zug lange nachdenken. Manche brauchen Tage. Allein ein mittelmäßiger
Schachspieler braucht gelegentlich zwei Stunden für
einen Zug. Wenn es keine Zeitbegrenzung gäbe, könnte er noch
viel länger über diesen einen Zug nachdenken.
Plötzlich steigt mir Uringeruch in die Nase. Parkbuchten haben
das an sich. Die Stimmung ist weg.
„Lass uns weiterfahren,“ sage ich zu Regine.
Die Landschaft ändert sich nicht. Überall könnte auf dieser
Strecke am Straßenrand ein Loxton kommen. Die Kleine Karoo
ist voll davon. Doch oft ohne ein Café.
Was wollen wir denn überhaupt in Graaff Reinet? Eine Kleinstadt,
die sicher nicht viel zu bieten hat. Das ist doch ein Umweg
zum Addopark. Unsere Freunde haben uns aber berichtet, dass
ganz in der Nähe das Valley of Desolation sei. Das Tal der Trostlosigkeit.
Das würde sich lohnen. Eine landschaftliche Oase inmitten
der flachen Halbwüste. Im Camdeboo National Park gelegen.
Wir kommen an. Die Anhöhe ist etwa 150 hoch. Wir fahren
bis zum Parkplatz. Bis zum ausgeschilderten Aussichtspunkt sind
es noch fünf Minuten zu gehen.
Direkt vor uns ragen bizarre Felsformationen, wie zerklüftete,
verwitterte Säulen zum Himmel. Atemberaubend. Vor hundert
Millionen Jahren sollen sie durch Vulkanismus entstanden sein,
so die Meinung von Geologen, und dann durch Erosion ihre heutige
Form erhalten haben.
98
Valley of Desolation
Von hier blicken wir ringsum tief in die Ebene, die nichts Anderes
zu bieten hat als unfruchtbares, braunes ausgedorrtes Land,
soweit das Auge reicht. Die Voortrekkers, Vorhut der damals (1835
bis 1841) nach Norden ziehenden Buren auf der Suche nach
fruchtbarem Land, tauften dann dieses Gebiet mit dem erwähnten
Namen: Tal der Trostlosigkeit. Aber das englische Wort ‚desolation‘
hat noch mehrere Bedeutungen. Ein Ort kann so bezeichnet
werden, der ‚leer‘ ist, ohne Leben, der nichts Liebenswertes
besitzt. Auch Verlassenheit, Verwüstung, Einsamkeit,
Hoffnungslosigkeit sind Übersetzungen.
Ein fantasievoller Engländer bezeichnete die verrückten durch
Erosion geformten Strukturen aus Basalt als zu Stein gewordene
Kobolde, die der Natur einen Streich spielen wollten.
Eine ähnliche Landschaft hatte ich schon einmal vor meinem
99
inneren Auge gesehen. Sie hatte sich gebildet, als ich das Buch
von Henno Martin vor vielen Jahren las: ‚Und wenn es Krieg
gibt, gehen wir in die Wüste‘.
Zwei deutsche, frisch promovierte Geologen, nämlich Henno
Martin und sein Freund Hermann Korn, brachen 1935 auf, um
in der ehemaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika,
(heute Namibia – ‚weiter Platz‘ in der Sprache der Khoi), die
damals im Auftrag des Völkerbundes unter Verwaltung der Südafrikanischen
Union stand, zunächst im Naukluftgebirge nach
Wasservorkommen zu suchen für die dort ansässigen Farmer.
Sie wurden aber vom Zweiten Weltkrieg überrascht. Sie wollten
nicht, wie alle anderen Deutschen, interniert werden. Nach
dem Überfall auf Polen 1939 war nämlich Südafrika eines der
ersten Länder, die dem Deutschen Reich den Krieg erklärten.
Sie flohen in die Wüste, wo sie im Naukluftgebirge versuchten
zu überleben. Nach etwas über zwei Jahren mussten sie aufgeben.
Die Beschreibungen der gebirgigen, wasserlosen Landschaft
mit Schluchten, Felsen und Abgründen haben sich in mir eingeprägt
und waren hier wieder an diesem Ort lebendig geworden.
Henno Martin hat dann seine Erlebnisse zusammen mit seinem
Gefährten und seinem Hund Otto zu Papier gebracht und dabei
auch viele Gedanken einfließen lassen, die die Nachhaltigkeit der
Natur betreffen und das Überleben in einer kargen Wildnis.
Für jeden, der Namibia bereisen und entdecken möchte, ist
zuvor das Lesen dieses außergewöhnlichen Buches eine einmalige
Einführung und er wird vom ersten Tag an dieses so trockene
Land mit anderen Augen sehen. Henno Martin war dann nach
dem Krieg zunächst als Professor an der Universität Kapstadt
tätig und nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1965 zum Professor
für Geologie an die Universität Göttingen berufen worden.
Er verfasste ein wissenschaftliches Werk mit dem Titel ‚Mensch-
100
Windräder zur Wasserförderung
Agaven, die zum Himmel ragen
101
heit auf dem Prüfstand“, was zu einem Standardwerk auf diesem
Gebiet, vor allen Dingen weit vorausblickend über die Nachhaltigkeit
der Naturressourcen auf unserer Erde, werden sollte.
Untertitel: Einsichten aus 4,5 Milliarden Jahren Erd-, Lebensund
Menschheitsgeschichte, erschienen 1992.
Nachstehend ein Auszug aus seinem ersten Buch das Naukluftgebirge
betreffend:
„Unten begann dann der Irrgarten von scharfen Schluchten
und gerippten Glimmerschieferplatten – hier war alles nackter
Fels, ein unwegsames Gewirr scharfer Schichtrippen und seidig
glänzender Schieferplatten. Die niedrigen grauen Fahlbüsche und
die vereinzelt wachsenden kahlen Balsamsträucher glichen kaum
lebenden Pflanzen. Es schien uns ein Wunder, dass in dieser heißen
Felsenwildnis überhaupt etwas Lebendiges existieren konnte.“
Vielleicht war diese Abschweifung zu weit gezogen, aber Gedanken,
die kommen, kann man nicht immer lenken. Der Leser
möge mir verzeihen.
Von dem Aussichtspunkt hatte man auch einen Blick auf die
im Tal liegende Stadt Graaff-Reinet. Wir hatten dort das geschichtsträchtige
Drostdy Hotel gebucht.
Drostdy, auf Deutsch Landdrostei in Norddeutschland geläufig,
ist eine Art Regierungsbezirk, in dem die öffentlichen Ämter
zusammengefasst sind. So war dieses Gebäude viele Jahre Sitz
des von Buren gestellten Magistrats (bevor die Briten die Administration
übernahmen) und diente auch als Unterkunft für bedeutende
Persönlichkeiten, die in die Stadt kamen, so z. B. Lord
Charles Somerset (Somerset West bei Kapstadt verdankt ihm ihren
Namen 1819) damals Gouverneur der britischen Kap Kolonie.
Die Unterkunft war erstklassig, eben die versprochenen fünf
102
Sterne, und entsprach ganz unseren Erwartungen. Wir lernten
ein südafrikanisches Ehepaar aus Johannesburg mit dem Namen
Coetzee kennen, die uns Einiges über das Städtchen mit seinen
etwa 35 000 Einwohner erzählten. Coetzee ist ein sehr geläufigerer
Name in Südafrika, nicht zuletzt wegen des gleichnamigen
südafrikanischen Schriftstellers, der 2003 den Literaturnobelpreis
erhalten hat.
In Graaff Reinet gibt es viele Baudenkmäler im viktorianischen
oder kapholländischen Stil. Ein Städtchen mit historischem Hintergrund.
Wichtigster Wirtschaftszweig ist immer noch die Viehzucht,
aber auch der Weinanbau. Sie ist die viertälteste Stadt Südafrikas,
1786 gegründet. Benannt wurde sie zu Ehren des niederländischen
Gouverneurs Cornelis Jacob van de Graaff und seiner
Frau Hester Cornelia Reinet.
Die Buren in Graaff-Reinet rebellierten 1795 gegen die Niederländische
Ostindien-Kompanie und gründeten die Republik
Graaff-Reinet, die erste Burenrepublik. Die englischen Missionare
in der Gegend wurden 1801 von den Buren verjagt. Sie waren
gegen die Missionare eingestellt, die die Ureinwohner, die
Khoikhoi, erziehen und zum Christentum bekehren wollten, ganz
im Gegensatz zu ihrer eigenen nicht missionierenden religiösen
Einstellung, der Dutch Reformed Church angehörend.
Zeugnis des tiefen Glaubens der Buren und heute auch der
Coloureds und Schwarzen ist die überdimensionale große Kirche
in der Stadt, die das Zentrum beherrscht. Als ich vor ihr
stand, bekam ich Beklemmungen, vielleicht durch die Nüchternheit
des Stils oder die bedrückende, unmittelbare Nähe. Die
Hauptstraße der Stadt endet an der Kirche, als ob sie die Anlaufstelle,
die Kulmination der Straße bilden würde, was sie in Wirklichkeit
auch tut. Jedenfalls ist Graaff Reinet nicht ein Ort, in
dem ich leben wollte.
Das Ehepaar Coetzee hatte noch mehr zu berichten.
103
Drostdy Hotel
Unterkunft in Bungalows
104
„Wenn Sie schon hier sind, müssen Sie unbedingt noch einen
Abstecher in das kleine, skurrile Karoo Nest Nieu-Bethesda machen.
Nicht weit von hier. Dort sollten Sie das Owl Haus besuchen
(Eulenhaus). Hier lebte die exzentrische Künstlerin Helen
Martin. Unter schwerer Arthritis leidend und fast vollständig erblindet,
nahm sie sich 1976 im Alter von 78 Jahren das Leben.
Helen Martin hinterließ der Nachwelt einen reichen Schatz an
seltsamen Skulpturen. Viele Eulen sind dabei, aber auch Kamele,
Schlangen, Fabelwesen, eigenartige Tierfiguren mit riesigen offenen
Augen und andere mystisch-afrikanische Plastiken. Die
Skulpturen sind vor allem aus Zement, Glas und Eisen gefertigt
und stehen im Garten des Hauses.“
Man muss ja nicht jede Empfehlung annehmen, die man auf
einer solchen Tour von Leuten bekommt, die man einmal beim
Essen getroffen hat.
Wir nahmen uns vor, am nächsten Tag nach Port Elizabeth
weiterzufahren, die R75. Nicht ganz 300 km. Fünf Stunden?
Was hat diese Straße zu bieten? Nicht viel. Fortsetzung der
Karoo. Ziemlich flach und trocken. Einige ausgebüxte Agaven,
die die letzte Kraft gesammelt haben, um noch Blüten hochwachsend
in den Himmel zu treiben und dabei Samen zum Erhalt
ihrer Art zu verteilen. Dann waren da am Straßenrand einige Euphorbien,
herrlich weißblühend, zu sehen. Ungewöhnlich für die
Karoo. Die Landschaft schien jetzt etwas grüner zu werden, je
weiter wir nach Süden kamen. Es gab größere Büsche und am
Horizont tauchten sogar einige flache Hügel auf.
Zuerst dachte ich ‚alles nur Loxton, alles nur eine Fortsetzung
von Loxton‘. Loxton braucht man aber nicht mehr, wenn man
lange genug dort war und dem Esel mit seinen fallenden Äpfeln
auf der Dorfstraße lange genug zugesehen und dabei die Geschichte,
über die man nachdenken wollte, zu Ende gebracht hat.
Geschichten sind nicht immer einfach zu erfinden. Anders ver-
105
hält es sich, wenn man eine Begebenheit schildern kann. Da ist
das meiste vorgegeben. Der Kristallisationspunkt liegt meistens
auf einer eigenen Erfahrung, etwas was man auf einer Reise erlebt,
im Film gesehen, was man gelesen und vielleicht etwas abgewandelt
hat. Selten ist der Ursprung auf reine Fantasie zurückzuführen.
Zu Ende denken, zu Ende erfinden? Da ist es schon eher wie
in einem Schachspiel. Mit jedem Zug vervielfachen sich die Möglichkeiten.
Das ist dann die vielgepriesene Freiheit, die man in
Loxton hat.
Geschichten erfinden ist nicht einfach. Ich erinnere mich noch
an die Abende, als die Kinder zu Bett waren und sie mich baten,
doch eine Geschichte zu erzählen. Einfach ist es aus einem Märchenbuch
vorzulesen. Aber aus dem Stegreif eine Geschichte erfinden?
Ja, die roten Indianer müssen herhalten und dann die
Gelben. Aber die Blauen die waren wirklich gefährlich. Warum
gefährlich? Ja, sie raubten die Frauen der roten Indianer und sperrten
sie in schwarze Zelte. Damit war ich dann auch schon am
Ende. Wie geht es weiter, stand auf den Gesichtern der Kleinen.
Jetzt aber müsst ihr schlafen. So oder so ähnlich war es dann
immer mit solchen erfundenen Geschichten. Die Farben der Indianer
sorgten für die Spannung.
Das Ende einer Geschichte könnte jedoch auch so aussehen:
Die Geschichte fängt wieder von vorne an. Eine Endlosschleife.
Enttäuschend?
Das Ende könnte zu einer Erkenntnis führen. Wirklich zu einer
neuen Erkenntnis?
Sie könnte in einer Überraschung enden. Dies könnte lustig
sein.
Sie könnte in einer Liebesnacht ihren Höhepunkt erreichen.
Verführerisch? Jedenfalls nicht unbedingt langweilig.
Sie könnte in einer kriminellen Tat enden. Welche Kategorie?
106
Diebstahl, Körperverletzung, Totschlag oder Mord? Dies ist die
interessanteste Variante für die meisten Leser.
Wenn die Geschichte geschrieben oder in YouTube verewigt
ist, wird Loxton langweilig und ein bisschen Las Vegas könnte
man doch schon eher wieder gebrauchen, sich an einfachen Dingen
erfreuen, wie an Spielautomaten, Black Jack oder an einer
Burleske Show.
Die meistens einstöckigen Häuser in den Städtchen, die wir
durchqueren, sind entlang der Hauptstraße gebaut, weshalb sie
sich in die Länge ziehen. Die üblichen Tankstellen sind natürlich
vorhanden, wie Sasol oder BP, Läden wie Pep, Pick & Pay, Checkers
und das Immobilienbüro PAM-Golding fehlt auch nicht.
Hin und wieder ist sogar ein B&B zu entdecken.
Wir kommen jetzt in das Orange Country. Orangen, Mandarinen
Zitronen und Grapefruit. Plantagen soweit das Auge reicht.
Das Land ist fruchtbar. Wasser zur Bewässerung steht auch zur
Verfügung. Der Sundays River. Das Eastern Cape ist die ärmste
Provinz in Südafrika. Es ist die Heimat der Xhosas, sprachlich zu
dem schwarzen Stamm der Bantu gehörend, zahlenmäßig nach
den Zulu die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe in Südafrika. Nelson
Mandela war ein Xhosa.
Offensichtlich hat sich die in Port Elizabeth konzentrierte
Autoindustrie nicht so stark auf den Lebensstandard der Bevölkerung
ausgewirkt, wie man das vielleicht hätte annehmen können.
Immerhin haben VW, Ford, GM, Daimler, BMW und Toyota
ihre Werke hier und produzieren Wagen für den südafrikanischen
Markt.
Wir sind jetzt in unserem Hotel angekommen. Heute am 30 Dezember
2017. Cosmos La Cousine. Es liegt im Sundays River
Tal, inmitten von Orangen Hainen, nur wenige Kilometer vom
Addo Park entfernt. Wir beziehen unser Bungalow in einer weitläufigen
Anlage. Afrika Feeling pur. Für Morgen, am Silvester-
107
Auf dem Weg zu einem Schlammbad
Ein Elefantenbulle geht einsame Wege
108
Elefanten bis zum Horizont
Über hundert Elefamten in einer Herde
109
Nachdenklich beim Braai
Die Elefantengruppe kommt uns entgegen
110
tag, haben wir eine ganztägige Safari gebucht. Wir entdecken auch
schon auf der Straße einen in die Tage gekommenen Geländewagen,
dessen erhöhte Ladefläche für acht Personen Platz bietet.
Umrandet mit zwei Zoll starken verzinkten Stahlrohren, die die
Insassen vor neugierigen Elefanten schützen soll. Na ja, wir werden
sehen. Bevor ich das Fahrzeug bestiegen habe, nur vom Ansehen,
schmerzt mir schon der Rücken.
Wie bei vielen Hotels in dieser Preisklasse in Südafrika wechseln
die Besitzer häufig. Wenn man heute im Internet nachschaut,
findet man schon wieder einen neuen Namen für dieses Hotel.
Damals wurde es von einer gewissen Elzona Deetlefs geführt,
die sich für ihre kulinarischen Fähigkeiten über die Grenzen von
Südafrika hinaus einen Namen gemacht hat. Am diesem Abend
gab es ein Fünf-Gänge-Menü., das in einem Elandsteak gipfelte.
Eland, die größte Antilopenart, soll auch das beste Fleisch bie-
In Schlammlöchern fühlen sich Elefanten wohl
111
ten. Diese Antilope kann so groß wie ein Rind werden und bis zu
1000 kg schwer. Wir aßen im Freien unter einer Terrasse, nebenan
plätscherte ein kleiner Wasserfall, der einen grün eingewachsenen
Brunnen speiste. Einen Cabernet Franc dazu? Die richtige
Mischung für einen romantischen Abend.
Am 31. hieß es früh aufstehen. Unser Guide und Fahrer stand
schon bereit im beigen Safarilook und einem breitrandigen, vor
der Sonne schützenden Segeltuch-Hut und daneben die sechs mitfahrenden
Gäste in ähnlicher Aufmachung. Nachdem wir Platz
genommen hatten, bemerkte ich erst, durch die helle Stimme aufmerksam
geworden, dass es sich bei unserem Guide um eine junge
Dame handelte.
„Ich heiße Judy und ich werde Sie heute begleiten. In dem gekühlten
Container neben mir gibt es Wasser in Flaschen. Sie können
sich bedienen. Trinken ist wichtig an einem heißen Tag wie
Braai Feuerstelle
112
Leopard - aus 250 m Entfernung aufgenommen
heute. Scheuen Sie sich nicht zu fragen, denn dafür werde ich
auch bezahlt, dass ich Ihre Fragen beantworte.“
Näher betrachtet, entdeckte ich auch schon ihre roten Haare,
die unter dem Hut dicht hervorquollen, und die Sommersprossen
in ihrem Gesicht, die sich trotz ihrer Bräune von dem dauernden
Aufenthalt in Freien bei der unerbittlich scheinenden
Sonne, sichtbar absetzen konnten. Die junge Frau hätte direkt
aus Dublin stammen können.
Sie gibt Gas, an Temperament fehlt es ihr offensichtlich nicht,
das Vehikel stöhnt auf, schießt rumpelnd nach vorn über die
Schotterstraße hinweg und biegt in die Asphaltstraße ein. Etwas
besser, fährt ruhiger, aber das wird sich sicher wieder im Park
ändern. Wie befürchtet, schmerzt mein Kreuz jetzt schon! Und
113
das soll jetzt 10 bis 12 Stunden so weitergehen, bis wir wieder
zurück im Hotel sind?
Wir passieren den Eingang zum Addo Park. Der Park wurde
1931 zum Schutz der elf letzten überlebenden Kap-Elefanten
der Region eingerichtet, die kleiner sind als die weiter nördlich
lebenden.
Der Park wurde zu einem Publikumserfolg. Jetzt schon dehnt
er sich über 1600 qkm aus, größer als zweimal die Bodenseefläche.
In den nächsten Jahren soll er sich noch mehr als verdoppeln.
Den Addo Park kann man in fünf sogenannte ‚Biome‘, eine
jeweils typische, voll entwickelte eigene Pflanzenwelt einteilen:
1 – Busch- und Gestrüppregion
2 – bewaldete Region
3 – überwiegend mit Sukkulenten bewachsener Teil (saftreiche
Pflanzen, die in Pflanzenteilen wie Stängeln, Blättern aber auch
in Wurzeln Wasser speichern können)
4 – Karoo
5 – Flächen, die überwiegend mit dem typischen Fynbospflanzen
der südlichen Karoo bewachsen sind und zuletzt der Teil
mit den typischen nördlicheren Nama Karoo Pflanzen.
Das ist aber noch nicht alles:
Auf der Internetseite: www. getaway.co.za lesen wir (aus dem
Englischen auszugsweise übersetzt):
‚Seit einigen Jahren erstreckt sich der Park bis an den Indischen
Ozean in eine Dünenlandschaft, der größten und eine der
unbekanntesten in der ganzen südlichen Hemisphäre. Der Strand
ist bis zu 5 km breit. Um die Dünen zu durchwandern, sollte
man sich zwei Tage Zeit nehmen.‘
Ja, der Addo Park hält viele Überraschungen für den Besucher
bereit.
Judy erzählte in ihrem Afrikaans-Akzent gesprochenem Englisch,
dass 600 Elefanten im Park lebten. Aber das seien zu viele.
114
Der Park könne höchstens 400 ernähren. Die nachwachsenden
Büsche, Bäume und das Gras könnten den Hunger der Riesen
nicht decken. Wenn es den schnellwüchsigen in seinen Blättern
wasserspeichernden Speckbaum nicht gäbe, wäre die Versorgung
der Elefanten im Park noch schwieriger. 150 kg brauche jeder am
Tag. Auch trampelten sie viel nieder, wenn etwas neu zu wachsen
begänne. Manche endemischen Pflanzen im Park seien schon
bedroht. Guter Rat sei teuer. Man wolle sie ja nicht abschießen.
Aber es gäbe eine Verhütungsimpfung für die Elefantenkühe
mittels eines Betäubungspfeils. Die empfängnisverhütende Wirkung
würde zwölf Monate anhalten. Aber natürlich würden nicht
alle empfängnisbereiten Kühe geimpft. Was man nicht erwarten
konnte sei, dass sich dadurch das Verhalten der Elefantenbullen
auch geändert hätte. Das Kämpfen der Bullen untereinander um
das Vorrecht der Begattung hätte deutlich nachgelassen, obwohl
Safari-Geländewagen
115
sie zwischen geimpften und ungeimpften Kühen nicht unterscheiden
könnten.
Sie fuhr fort: „In einem Park wie diesem leben die Tiere eben
doch nicht wie in der freien Wildnis. Viele im Lauf der Evolution
erworbenen Eigenschaften gehen verloren. Die Kap-Elefanten
hatten, bevor die Europäer kamen, einen Lebensraum, der
bis in die ausgedehnten Urwälder bei Knysna reichte. Und die
Leitkuh kannte jeden Winkel dieses sich vielleicht über 800 km
erstreckenden Gebiets, jedes Wasserloch, jede Gruppe von süßen
Früchte tragenden Bäume. Eigenschaften, die im jetzigen
Park verloren gegangen sind, aber auch nicht zum Überleben der
Herde in der eingezäunten Umgebung benötigt werden.“
Dann meinte sie, dass die Antibabypille bei den Menschen auch
angebracht sei. Die Erde könne nicht sieben Milliarden auf Dauer
ernähren. Andere lebensnotwendige Ressourcen würden unwiederbringbar
verbraucht, ganz zu schweigen von der Zerstörung
der Umwelt. Weniger Menschen, sei die beste Methode den
CO2 Ausstoß in Grenzen zu halten, damit sich die Erde nicht
weiter erwärmt mit Folgen, die wir als normale Bürger gar nicht
abschätzen könnten. Wie viele Tonnen Öl würde ein Mensch in
seinem Leben verbrauchen? 10 000 Tonnen?
Sie drehte sich beim Sprechen um und ich sah ihre grünen
Augen blitzen. Nach ihren Bewegungen und Verhalten zu urteilen,
wäre sie wahrscheinlich lieber ein Junge geworden.
Sie fuhr fort: „Die anderen im Park lebenden Tiere Kudus,
afrikanische Büffel, Elandantilopen, Kuhantilopen, Buschböcke,
Warzenschweine, Steppenzebras und Spitzmaulnashörner wollten
ja auch leben. In einigen Randgebieten, leben auch Bergzebras,
Weißschwanzgnus, Oryxantilopen und Springböcke. Am
Sundays River gibt es Flusspferde. Seit 2003 sind auch Löwen im
Park angesiedelt, so dass man die sogenannten Big Five im Park
antreffen kann. Fleckenhyänen wurden ebenfalls eingebracht und
116
auch die Wiederansiedlung von Wildhunden und Geparden ist
geplant.
Bei der Ansiedlung der Löwen hat man auf Löwen aus der
Kalahari zurückgegriffen und nicht auf Löwen aus dem Krüger
Nationalpark, die zum Teil den Tuberkulose Bazillus in sich tragen
und den sie auf Büffel im Addo übertragen könnten. Die
letzte Zählung im Park käme auf neun Löwen. Die Löwen sind
bei ihrer Beute nicht wählerisch. Wildebeest, Impala, Zebras, Giraffen
(Anmerk.: Im Addopark gibt es allerdings keine Giraffen,
wenn man welche sehen will, muss man das benachbarten Shamwari
Private Game Reserve besuchen) Büffel, Warzenschweine,
selten auch Nashörner und Flusspferde. Sie verschmähen
keineswegs auch Hasen, Vögel oder Reptilien. Sie haben, wenn
Addo Elephant National Park
R 75
Shamwan Park
Amakhala Park
Port Elizabeth
Indischer Ozean
Neben dem Addo Park der Shamwan- und der Amakhala Park
117
der Hunger übermächtig wird, sogar schon Elefanten angegriffen.
Die Philosophie im Park sei ein Gleichgewicht bei den Tieren
zu halten. Wenn die Löwen nichts mehr zu fressen hätten, würden
sie sich auch nicht mehr vermehren. Die natürliche Vermehrung
der Tiere sei doch an die Lebensumstände gekoppelt. Sie
seien sich im Park selbst überlassen. Es wird kein Futter verteilt.
Der Addo Mistkäfer, nicht flugfähig, würde man hier auch finden.
Er sei vom Aussterben bedroht. Er lebt von den Exkrementen
der Elefanten, aber auch von denen der Büffel.“
Parkbesucher kommen auf ihre Kosten. Judy weiß genau, wo
sich die Herden aufhalten. Sie spricht sich per Handy mit ihren
Kollegen ab. Sie geben sich gegenseitig Tipps. In einem solch im
Vergleich zum Krüger Nationalpark viel kleineren Park, sind die
Tiere auch auf einem viel engeren Raum anzutreffen. Der Park
ist gemanagt, und der Krügerpark ist das nicht in gleicher Weise.
Es kann vorkommen, dass man bei einer Fahrt durch den Krüger
Nationalpark erst nach Stunden eine Herde oder überhaupt
größere Tiere zu sehen bekommt.
Einer ihrer Kollegen hatte einige Löwen ausgemacht und gab
ihr deren Position durch. Sie legte los, haute einen Gang rein, so
dass das Getriebe schrill krachte. Das schwere Vehikel schlitterte
den Hang hinunter auf den glatten Felswölbungen des Wegs, der
schon lange keine Schotterstraße mehr war. Alle losen Steine
waren schon von den Fahrzeugen zuvor weggeschleudert worden.
Ich war mir nicht sicher, ob das Abspringen doch sicher
war, trotz der angekündigten Löwen, als mit dem Fahrzeug zusammen
in den sich auftuenden Abgrund zu stürzen. Wir Menschen
passen in der Größe und in unseren Bewegungen nämlich
auch in das Beuteschema der Löwen.
Als wir schließlich ankamen, sahen wir den Faulpelz mit seiner
118
zerzausten Mähne hechelnd am Boden liegen. Ihm setzte die Hitze
offenbar auch zu.
Für uns ist der Addopark geradezu ideal. Viele Tiere, tolle hügelige
Landschaft, alles übersehbar. Zur unserer Überraschung
lenkte sie das Gefährt in ein kleines mit einem Zaun geschütztes
Camp, wo ein Braai auf uns wartete. Knusprig gebratene Hühnchenschlegel
und eine Flasche kühles Windhoek Lager. Zwei
schwarze Ranger hatten dies für unsere Gruppe vorbereitet.
Die beiden setzten sich zu uns und ich erlaubte mir die Frage,
ob es im Park schon vorgekommen sei, dass Menschen von Löwen
angegriffen wurden.
„Nein nicht direkt. Aber auf der angrenzenden Farm sei der
Eigentümer vor vielen Jahren durch einen Löwen umgekommen.
Er sei damals Leiter des Parks gewesen und mit den Tieren aufgewachsen.“
Dann erzählte der andere, der auch zu Wort kommen wollte,
dass die Löwen wohl auch Feinde im Park hätten. „Feinde?“, fragte
ich überrascht. Es sei gar nicht so lange her, dass man zwei verlassene
Löwenbabys gefunden hätte. Nicht weit entfernt von ihnen
war ihre Mutter tot unter einem Busch gelegen. Von einer
Schlange gebissen.
Doch jeder Tourist will die Big Five sehen, also Löwe, Leopard,
afrikanischer Büffel, Nashorn und Elefant. Judy schaffte
es, uns alle zu zeigen bis auf den Leoparden, wovon es im Park
nicht viele gibt und die sich gut tarnen und verstecken können,
auch auf Bäumen.
In meinen vielen Aufenthalten in Südafrika und Namibia habe
ich in der Wildnis erst einen Leoparden gesehen. Ein Guide machte
uns in Namibia auf das Tier aufmerksam. Wir drehten die
Autoscheibe herunter. Ganz weit da hinten würde ein Leopard
auf einem Baumstamm liegen. Etwa 250 Meter entfernt. Ich konnte
nichts erkennen, auch wenn ich mich noch so anstrengte und
119
meine Augen zu fokussieren suchte. Keine Bewegung. Nichts.
Ich holte meine Kamera heraus, die ein langes Teleobjektiv besitzt.
Jetzt hatte ich den Burschen im Visier. Drückte ab. Und
hatte ein Bild, das aus 250 Meter Entfernung aufgenommen worden
war. Ein seltenes Glück. Hier im Addopark einen Leoparden
fotografieren zu können, ist höchst unwahrscheinlich.
Man kommt ins Grübeln. In gewisser Weise werden die Tiere
in einem solchen Park auch gehalten. Ganz auf sich gestellt sind
sie nicht, denn es ist ein Zaun vorhanden. Viele von ihnen können
sich dennoch natürlich entwickeln. Ein untrügerisches Indiz
dafür ist, wenn sie sich weiterhin natürlich vermehren. Zu einem
Zoo ist der Unterschied gewaltig. Bei den meisten Tieren ist hier
die natürliche Begattung unterbrochen. Sie müssen, um Nachwuchs
zu bekommen, künstlich befruchtet werden. Ein Zoo ist
für Kinder etwas Schönes. Aber für die Tiere? Die Evolution ihre
Art, über Hunderttausende von Jahren schon anhaltend, ist nicht
wirklich unterbrochen oder doch?
Da fällt mir gerade ein Zitat von Albert Schweitzer ein, das
mir noch in seiner Aussage in Erinnerung war, aber den genauen
Wortlaut im Internet nachschlagen musste:
„Der denkend gewordene Mensch erlebt die Nötigung, allem
Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegen
zu bringen wie dem seinen. Er erlebt das andere Leben in dem
seinen. Als gut gilt ihm, Leben erhalten, Leben fördern, entwickelbares
Leben auf seinen höchsten Wert bringen. Als böse:
Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten.
Dies ist das denknotwendige, universelle, absolute
Grundprinzip des Ethischen.“
Was war nun meine Erkenntnis neben den Worten von Albert
Schweitzer von dem Besuch im Addo?
Die Errichtung und Betreiben eines solchen Parks ist aus meiner
Sicht gerade noch vertretbar. Es gibt in einem solchen Park
120
Parallelen mit dem Leben der Menschen auf unserer Erde. Es
sind zu viele für unseren einzigartigen Planeten, der nicht für so
viele Menschen geschaffen ist, und entsprechende Auswirkungen
werden sich über kurz oder lang einstellen. Erwärmung der
Erde, Abnahme des Sauerstoffs zum Atmen, Ansteigen des Meeresspiegels,
häufigere Stürme und Naturkatastrophen, wichtiger
Ressourcen werden aufgebraucht sein. Was können wir tun?
Verhütungsmittel gibt es, damit weniger Menschen geboren
werden. Aufklärung und Ausbildung müssen stärker gefördert
werden. Welche Frau, die schon drei Kinder hat, will noch mehr
haben, wenn die drei schon nicht ernährt werden können? Die
Frauen müssen gestärkt und gehört werden. Die Religionen sind
gefragt. Sie sollten ihre Einstellung in dieser Beziehung ändern,
was natürlich, das ist mir auch klar, nach heutiger Sicht, ein frommer
Wunsch bleiben wird.
Doch der Tag ging zu Ende. Auf der Heimfahrt, kurz vor unserem
Hotel, explodierte irgendetwas und Judy hatte alle Mühe
den Wagen auf der Straße zu halten. Ein Vorderreifen war geplatzt.
Auch das noch am letzten Tag des Jahres. Wir gingen den
letzten Kilometer zu Fuß und kamen geschafft von dem langen
Tag in der Hitze in unserem Hotel an. Die Sylvester Party hatte
begonnen. Der Sekt floss schon in Strömen.
Was wünschen wir uns für das Neue Jahr? Nochmals eine solche
Fahrt in einen anderen Park? In den danebenliegenden Amakhala
Game Reserve Park? Warum nicht? Dann wollen wir aber
auch Giraffen sehen, schon wegen ihrer interessanten Muster an
ihren eleganten Hälsen.
121
Bevor wir zu den südafrikanischen
Weingütern kommen, sei es mir erlaubt,
noch einige Erkenntnisse, die ich kürzlich
beim Lesen wonnen habe, und eigene
Reflexionen anzubringen.
Gedanken über den Wein
Ariadne aber schenkte Dionysos, dem Gott des Weins (lat. Bacchus)
mehrere Söhne. Einer davon hieß Oinopion, der den Weinausbau verkörperte
(oinos - Wein in Griechisch). Daher die heutigen Namen „Önologe“
für jemanden, der Weinkunde studiert hat und diesen Beruf ausübt, und
„Önologie“ für Weinkunde.
Über Wein ist schon viel geschrieben worden. Seine Geschichte
ist mit der Geschichte des Abendlandes eng verknüpft, aber
auch in anderen Kulturen spielt er eine herausragende Rolle. Selbst
in der Bibel ist er vielmals erwähnt.
Die Hochzeit zu Kana ist eine Wundererzählung aus der Bibel,
die davon berichtet, wie Jesus von Nazareth als Gast einer
Hochzeitsfeier Wasser in Wein verwandelte. Sechs Krüge sollen
es gewesen sein.
Im Evangelium des Matthäus heißt es:
„Johannes ist gekommen, aß nicht und trank nicht; so sagen sie: Er ist
besessen. Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; so sagen sie:
Siehe, was ist dieser Mensch für ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der
Zöllner und Sünder! Und doch ist die Weisheit gerechtfertigt worden aus
ihren Werken.“
122
Damit soll gesagt werden, dass Jesus, im Gegensatz zu Johannes,
sich unters Volk gemischt und ihre Angewohnheiten angenommen
hat und so einer von ihnen war. Ob wohl der Wein von
damals sauer geschmeckt hat? Davon wird nichts berichtet.
Über den Geschmack von Wein kann man streiten. Nicht von
ungefähr, denn es soll über Tausend Geschmacksnoten geben.
Der Geschmack von Wein wird oft mit dem Geschmack von
Früchten, von Blumen und anderen Düften verglichen. Warum
solche Vergleiche? Bei einem Rotwein wird die schwarze Johannisbeere
oft genannt. Warum gerade diese Frucht? Warum
überhaupt mit Früchten vergleichen? Oder mit Schokolade? Oder
mit Veilchen? Hat der Wein nicht seinen eigenen unverwechselbaren
Geschmack, der gerade seine eigene Note ausmacht? Oder
ist es vielmehr so, dass der süße, gekelterte Traubensaft durch
natürliche Hefepilze, die an den Trauben haften, zu gären beginnt
und auf dem Weg zum Essig an einer bestimmten Stelle
aufgehalten wird? Nämlich durch Zugabe von Schwefel. In einem
Stadium, wo sich Säure, Restzuckergehalt und Alkoholgehalt
optimal ergänzen, sozusagen eine Symbiose bilden. Hier zeigt
sich die Kunst des Winzers. Dem Verbraucher wäre ein Wein
ohne Schwefel natürlich lieber, er wäre bekömmlicher. Versuche
in diese Richtung sind bisher gescheitert. Sie könnten nur gelingen,
wenn der Schwefel durch eine andere noch zu findende
Chemikalie ersetzt werden würde, die auch Nebenwirkungen
hätte.
Alkohol ist ein Geschmacksträger. Die verschiedenen Aromen
kommen erst voll zur Geltung, wenn der Alkoholgehalt über
8 % liegt. Darunter sollte man nicht von Wein reden und schon
gar nicht trinken.
Können Sie die Tannine beim Rotwein herausschmecken? Sie
sind in den Schalen der Trauben enthalten. Weißwein haben sie
nicht oder sie sind nur in vernachlässigbar kleiner Menge vor-
123
handen, da die Schalen im ausgepressten Taubensaft nicht enthalten
sind. Aber sie sind die Seele des Rotweins. Keine Stieltannine,
sondern Schalentannine sollten es sein. Aus der reifen Traube.
Gut umgewälzt in der Gärung, weil die Maische das Bestreben
hat, nach oben zu kommen.
Ein bevorzugtes Terroir wäre z. B. ein Boden, der mit faustgroßen
Steinen bedeckt ist. Die Steine speichern die Wärme der
Sonne und geben sie in der Nacht ab. Die obere Schicht könnte
aus Sand und Lehm bestehen, fünf Meter über mächtigen Felsoder
wasserundurchlässigen Lehmschichten. Die Wurzeln der
Reben finden ihren Weg zu dem dort sich angesammelten Wasser.
Sie dringen mit unglaublicher Kraft in den Boden bis sie die
Feuchtigkeit finden. Der Saftfluss zum Rebstock wird erschwert.
Die Trauben aber profitieren davon. Die Komplexität der Aromen
wird so gesteigert.
Ein weiteres Geheimnis für guten Wein ist das Alter der Reben.
Je älter sie sind, umso besser der Wein. Große Weine werden
zumeist von Reben gewonnen, die vierzig Jahre oder auch
noch älter sind. Bis zu 90 Jahre. Sie haben mit 40 Jahren jedoch
längst ihren Ertragszenit überschritten.
Doch lassen Sie mich noch etwas über die Geschmacksempfindung
sagen.
In einem südafrikanischen Weinführer „Geschmack des Weines“
habe ich gelesen, welche Aromen einige in Südafrika gängigen
Rebsorten haben (oder haben sollten).
Merlot:
Süßkirsche, Marmelade, Zedernholz, Süßholz
Pinot Noir: Kirsche, Erde, Mandel, Kastanie
Riesling: Apfel, Pfirsich, Litschi, Zitrone, Grapefruit
Sauvignon Blanc: Brennnessel, Cassis, Stachelbeere, Lemon Grass
Syrah/Shiraz: Teer, Kirschmarmelade, Holzrinde, Leder
124
Der bekannte deutsche Forscher Professor Hatt an der Uni
Bochum, als der „Duftpapst“ von Deutschland bekannt, sagte
in einer seiner vielen Vorträge:
„Schmecken kann man von einem Wein nur relativ wenig. Das
Riechen und Wahrnehmen der Aromen über die Nase ist das
Entscheidende.“
Manch Weinkenner wird dem Riechen zustimmen, aber die
Aussage über das Schmecken ist doch sehr ungewöhnlich und
reizt zum Widerspruch.
Die beschreibenden Attribute kann man vielleicht in folgende
Kategorien einordnen:
Geschmack:
sauer, süß, bitter
Intensität:
dünn, dicht, flach
Gaumeneindruck: prickelnd, scharf, weich
Körper:
leicht, kräftig, ölig
Gesamteindruck: unharmonisch, ausgewogen, komplex.
Doch lassen wir einen Spezialisten zu Wort kommen. Hugh
Johnson. Verfasser eines der umfassendsten Bücher über Wein,
„The Story of Wine“ 1989 erschienen bei Mitchell Beazley Publishers.
Gleich im ersten Kapitel schreibt er:
„Es war nicht das feine Bouquet des Weins oder der verweilende
Geschmack nach Veilchen oder Himbeeren in unserem
Gaumen, das unsere Vorfahren beim Trinken von Wein entdeckten.
Es war, fürchte ich sagen zu müssen, seine Wirkung.
Das ist das Resümee von Mr. Johnson, der einen Großteil seines
Lebens für Recherchen und das Schreiben seines Buches,
eng gedruckt mit 480 Seiten, über Wein verbracht hat. Eine interessante
und unerwartete Erkenntnis.
Ich habe eine Abhandlung von Lena Feuser, DPA, im Südkurier
vom 16. Aug. 2017 gefunden, die begründet, weshalb uns
ein teurer Wein besser schmeckt. Hier ist er:
125
Warum der gleiche Wein Menschen besser schmeckt, wenn er
mit einem höheren Preis ausgezeichnet ist, haben Wissenschaftler
der Insead Business School und der Universität Bonn herausgefunden.
Verantwortlich für diese Geschmackswahrnehmungen
seien mit Belohnungen verknüpfte Bereiche des Gehirns,
berichten die Forscher aus Bonn im Fachjournal „Scientific Reports“
über den sogenannten Marketing-Placebo-Effekt.
Wie erwartet gaben die Probanden an, dass der Wein mit dem
höheren Preis besser schmeckt als ein scheinbar günstigerer“,
erklärte Insead-Forscherin Hilke Plassmann. Die Aufnahmen des
Kernspintomografen ließen erkennen, dass bei höheren Preisen
vor allem das Frontalhirn und das ventrale Striatum stärker aktiviert
wurden. Während das Frontalhirn insbesondere am Preisvergleich
und damit der Erwartung beteiligt zu sein scheint, ist
das ventrale- Striatum Teil des Belohnungs- und Motivationssystems.
„Letztlich spielt uns das Belohnungs- und Motivationssystem
einen Streich“, erklärte Insead Forscherin Liane Schmidt. Es
gaukele durch höhere: Preise einen Geschmack vor, der durch
den Wein selbst nicht gerechtfertigt sei.
Wer den Wein zum Essen als sehr edlen Tropfen ankündigt,
kann erwarten, dass er Gästen besonders gut mundet. Doch
warum?
Offensichtlich arbeitet unser Gehirn aus eigener Erfahrung
auch noch in eine andere Richtung. Ist der Wein extrem teuer,
für den Normalbürger nicht bezahlbar, und wir dürfen ihn
ausnahmsweise einmal probieren, werden wir wahrscheinlich enttäuscht
sein und feststellen: Er ist gut, aber der Unterschied ist
zu einem guten Wein zu gering, um die Mehrausgabe zu rechtfertigen.
Gibt es in unserem Belohnungssystem eine obere Grenze?
126
Backsberg Wine Estate
Benachbart zu dem Weingut Backsberg ist das weit bekannt
gewordene Weingut Babylons Toren (das auch zusammengeschrieben
wird). Und das ist auch der Grund dafür, dass das Weingut
Backsberg nicht so wie viele andere hier in der Kapregion auf
eine Geschichte zurückblicken kann, die zu den Anfängen des
Einfahrt zum Weingut
127
Einfahrt zum Weingut - Weinfässer zieren den Überbau
Simonsberg im Hintergrund - weiter Blick ins Land
128
Im Freien unter Eichenbäumen
Weinbaus in Südafrika zurückgehen nämlich in die Zeit von 1685
bis 1700 als Simon van der Stel im Auftrag der East Indian Company
Land an Neuankömmlinge (mit entsprechenden Auflagen)
verteilte. Denn Backsberg war bis 1916 ein Teil von Babylonstoren.
Die Back Familie
Der junge Charles Back (auch der Erste genannt, um Verwechslungen
auszuschließen) wanderte im Jahr 1902 aus Litauen
stammend in Südafrika ein. Er soll in Litauen politisch und religiös
verfolgt worden sein.
Zunächst fand er im Hafen Arbeit, die darin bestand, das Land
aufzuschütten, was später die Waterfront werden sollte. Dann
129
Beim Wein und gegrillten Lamm im Freien
war er als Laufbursche mit dem Fahrrad unterwegs, um Waren
auszuliefern.
Schließlich eröffnete er in Paarl einen Metzgerladen. Er verkaufte
aber auch Farmprodukte aus der Region und lernte dabei
David Louw von dem Weingut Babylonstoren kennen. 1916 kaufte
er Louw ein Stück Land ab, das dann zunächst Klein Babylonstoren
genannt wurde, und pflanzte Wein an. Um das Geld für
den Landkauf aufzubringen, musste er seinen Metzgerladen in
Paarl verkaufen. Er züchtete aber auch Rinder und Schafe. Sein
Weinverkauf lief gut. In Fässern konnte er sogar seinen Wein
nach Frankreich verkaufen, weil dort nach dem ersten Weltkrieg
ein Mangel an Wein herrschte. Schon 1926 konnte er einen begehrten
Preis für seine Weine erringen.
Er entschloss sich, sein Anbaugebiet zu vergrößern und kauf-
130
Elegantes Winetasting Ambiente
te an den abfallenden Hängen des aus Granit bestehenden Paarl
Berges ein Stück Land mit dem speziellen Terroir des Granits.
Der Name der Farm war ‚Fairview‘ wegen der weiten Sicht ins
Land bis hin zum Tafelberg. Das war im Jahr 1937. Er kaufte die
Farm einem gewissen Mr. Hugo für 6500 englische Pfund ab.
Als er 1955 starb, konnte er jedem seiner zwei Söhne eine
Farm hinterlassen. Klein Babylonstoren bekam Sydney, der schon
seit 1936 seinem Vater auf der Farm half, und der, nachdem er
es übernehmen konnte, das Gut in Backsberg umbenannte, und
Cyril erbte Fairview. In den Folgejahren konnte Sidney wiederholt
die begehrte Jan Smuts Trophy für seine Weine erringen.
Der Hauptabnehmer für seine Weine in dieser Zeit war die
KWV Kooperative, die größte und marktbestimmende in der
Kapregion.
131
Lounge, Zeit für eine Weinprobe
Sein Wein wurde mit dem Namen Back‘s Wines bekannt, aber
die Preise ließen zu wünschen übrig, da die Konkurrenz mörderisch
war. Sidney entschloss sich 1969, den Markennamen für
gutes Geld zu verkaufen. Er verlegte sich auf andere Farmprodukte,
konnte aber schließlich seine Hände nicht vom Wein lassen.
Er wählte den Namen Backsberg für seine neuen Weine. 1970
eröffnete er seinen neuen Weinkeller.
1976 trat sein Sohn Michael, gerade von der Universität Stellenbosch
graduiert, in das Geschäft ein. Mit neuen Ideen und
bereit die Welt zu verändern, wie er selbst schreibt. Sein Vater
lehrte ihn: „crawl, walk and then run“ (krieche, gehe und dann
renne). Er brachte sich mit seiner Geduld und seiner Entschlossenheit
ein. Er kaufte Land hinzu, vergrößerte die Produktion
und so wurde Backsberg eines der größten von Familienmitglie-
132
Einfaches Innenrestaurant
dern betriebenen Weingütern in der Region. Schließlich trat der
Sohn von Michael Simon in das Familienunternehmen aktiv ein,
der Wirtschaftswissenschaft studiert hatte.
Das Weingut ist heute ein Anziehungspunkt für viele Gäste,
die ein familiäres Ambiente bei guter bürgerlicher Kost schätzen.
Lamm grillen in einem großen Grillkessel sonntags ist eine
besondere Attraktion. Dazu einen Backsbergwein unter schattigen
Bäumen. Perfekt für ein bleibendes Erlebnis in Südafrika!
Vielleich spielt sogar noch eine Jazzband im Freien zur Unterhaltung
der Gäste.
133
Backsberg Family Reserve
Tread Lightly - Pinotage
134
Backsberg Merlot
Auf den rund 300 ha Rebfläche der Backsberg Estate Cellars
werden vorwiegend folgende Rebsoren angebaut: Cabernet Sauvignon,
Chardonnay, Chenin Blanc (Steen), Pinotage, Sauvignon
Blanc, Sémillon und Shiraz.
Bekannte Produkte der Backsberg Estate Cellars sind der Bordeaux-Verschnitt
‚Klein Babylonstoren‘ und der aus der Rebsorte
Chenin Blanc hergestellte Brandy ‚Sydney Black‘. Dieser wurde
übrigens in London bei der International Wine and Spirit
Competition ausgezeichnet.
135
Backsberg Klein Babylons Toren - Cuveé
Alte Destillieranlage mit Kupferkesseln
136
Hazendal Wine Estate
Die Geschichte des Weinguts Hazendal
An den Bottelary Hügeln, auf etwa der halben Strecke zwischen
Kapstadt und Stellenbosch, ist dieses Weingut angesiedelt.
Schon seit drei Jahrhunderten war dieser Landstrich begehrt für
Typische Einfahrt zum Weingut
137
Einfahrt zum Weingut mit dem Bacchus Wappen
Haupthaus mit dem Marvol Museum und dem Restaurant
138
Bacchus Wappen
die frühe Landwirtschaft wegen seiner
fruchtbaren, z. T. aus altem verwitterten
Granit bestehenden Böden.
Kein Wunder, dass sich heute entlang
der Bottelary Road viele bekannte
Weingüter aneinanderreihen, wie
Hartenberg, Kaapzicht, Groenland
und Devonvale, das auch einen Golfplatz
besitzt.
Hazendal, das in den letzten Jahren
eine kostspielige und gelungene
Renovierung hinter sich gebracht hat,
ist sozusagen aus einem langen Dornröschenschlaf
erwacht.
Das alte Weingut
präsentiert sich jetzt
in neuem Glanz,
auch durch die wunderbare
Kunstgalerie
von alten russischen
Gemälden und geschichtsträchtigen
Ikonen in gelungenem
Kontrast zu
zeitgenössischen
Bildern, die von aufstrebenden
südafrikanischen
Künstlern
stammen.
139
Ein Gemälde, auf dem die alte Homestead gezeigt ist
Die Handschrift des jetzigen russischstämmigen Besitzers Dr.
Mark Voloshin ist unverkennbar, einem begeisterten Kunstkenner
und Sammler. Er hat Hazendal im Jahr 1994 gekauft (wahrscheinlich
von Michael Bosman, dem Sohn von Piet Bosman,
von dem später die Rede ist), in dem Jahr als Mandela zum Ministerpräsidenten
gewählt worden ist und das neue, heutige Südafrika
seine Geburtsstunde hatte. Ein ungewöhnlicher Mann mit
vielen Talenten. Er spricht fließend drei Sprachen. Natürlich seine
Muttersprache Russisch, English und Deutsch. Er soll um 1946
geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sein. In
Russland hat er dann Dentalmedizin studiert und danach in
Deutschland an der Leibniz Universität Hannover, wo er auch
seinen Dr. Titel erhalten hat.
Doch lassen Sie uns zu den Anfängen zurückkehren. Die
140
Geschichte von Hazendal beginnt im Jahr 1699. Der Deutsche
Christoffel Hazenwinkel stand als Berater im Dienst des damaligen
Kapgouverneurs Willem Adriaan van der Stel, der ihm 60
Hektar Land zusprach, das der Deutsche sogar kaufen konnte,
was ungewöhnlich war, da ein entsprechendes Gesetz, das den
Privatbesitz von Land gestattete, erst einige Jahre später nämlich
Puppe im Großformat vor dem Eingang zum Haupthaus
141
Bottelary Hills im Hintergrund
1704 erlassen wurde. Angeregt durch seinen Namen und die
vielen Feldhasen auf dem Gelände, hatte er dann die Farm Hazendal,
‚Tal der Hasen‘, getauft.
Willem van As folgte 1729 als Besitzer. Sein Sohn Joost soll
1781 das Jonkershuis und 1790 das Herrenhaus gebaut haben,
das sich durch seinen Rokoko-Stil-Giebel auszeichnet hatte. Ein
Kraal für die Ochsen wurde angelegt und ein Dreschzirkel, der
heute noch auf einigen Fresken im Haupthaus dargestellt sein
soll. 1813 ging die Farm in den Besitz von Hermanus Vermaak
über. Der nächste Eigentümer war die Witwe Wilhemina de Waal,
von der Izaak Bosman die Farm im Jahr 1831 kaufte. Seine Nachkommen
führten das Anwesen über fünf Generationen hinweg
und verwandelten es von einem landwirtschaftlichen Betrieb in
eine Weinfarm. Der vorletzte der Bosman Familie war Piet Bos-
142
man. Von 1941 bis zu seinem Tod
im Jahr 1982 leitete er die Farm. Er
spezialisierte sich auf Rotweine. Er
verzichtete auf die Bewässerung seiner
Reben. „Der Boden besitzt genügend
Feuchtigkeit. Der Ertrag ist
zwar geringer, dafür bekommen wir
aber eine bessere Qualität.“ Das war
seine Philosophie und seine Weine
gaben ihm recht.
Doch kehren wir zu der schillernden
Persönlichkeit des Dr. Voloshin
zurück. Er startete seine berufliche
Karriere in Deutschland, als er im
Jahre 1975 mobile Zahnarztpraxen
erfolgreich einführte, wie man sie
bisher nicht gekannt hatte. 1986 verlegte er seinen Wohnsitz nach
Südafrika, wo die Apartheit noch herrschte. Durch das internationale
Embargo, das auf Südafrika wegen seiner Apartheidpolitik
verhängt war, sah er eine Chance, die Beziehungen zwischen
seinem Heimatland Russland und Südafrika auszubauen. Die
Sowjetunion versuchte nämlich, das Embargo zum Teil zu umgehen.
Nicht nur zu umgehen, sondern die Beziehungen sogar
auszubauen, wobei es hauptsächlich um Waffenlieferungen ging,
die die Apartheidregierung so dringend brauchte.
Meine eigenen Erinnerungen bestätigen das sowjetische Vorgehen.
1989 verbrachte ich einen Urlaub auf den Kapverdischen
Inseln, nämlich auf der Insel Sal. Dort war ich in damals einzigen
guten Hotel mit etwa 3 bis 4 Sternen untergebracht. Weiter
südlich war ein weiteres Hotel abgesiedelt, ein grauer Betonkasten,
das die Russen für ihre Piloten in Beschlag genommen hatten,
denn jeden Tag landeten auf Sal mehrere russische Ilyushin
143
Moderner Weinkeller (2019)
Maschinen, um auf dem Weg nach Südafrika aufzutanken und
für das Flugpersonal eine Pause einzulegen. Das Überfliegen des
afrikanischen Kontinents war den Maschinen durch das international
verhängte Embargo untersagt. Den Piloten war die Unterkunft
und die Verpflegung in dem vorgesehenen Hotel zu schlecht,
weshalb zogen die meisten in unser Hotel um. Fast alle Russen
spielen Schach. Ein Nationalsport. Ich hatte gleich einen Partner.
Dies setzte sich die 14 Tage fort, denn einer erzählte es dem
anderen. Was transportierten wohl die vielen Maschinen? Da muss
man nicht lange raten.
Voloshin gründete 1986 die Marvol Management SA, eine Firma,
die sich zunächst auf Immobilien konzentrierte, danach auf
‚internationalen Handel‘. Sie besteht heute noch und besitzt ein
globales Portfolio von Firmen u. a. in Südafrika, Jordanien, in
den Emiraten, Russland, Georgien und in der Schweiz.
144
Wie aus einigen Internetquellen hervorgeht, deren Wahrheitsgehalt
nicht immer nachprüfbar ist, sollen damals Flugzeugersatzteile
aus Russland für die französischen Mirage Flugzeuge
geliefert worden sein. Provisionen sollen geflossen sein, natürlich
auch für Voloshin. Es soll sich um 80 Millionen
Dollar.gehandelt haben (Quelle: Mail & Guardian: Modise linked
to used MiG dealer, Paul Kirk 12. Jan. 2001). War dies der Grundstock
für sein Vermögen?
Nachdem die Apartheidregierung abgelöst worden war, sollen
die Waffengeschäfte weitergegangen sein, wobei der neue südafrikanische
Verteidigungsminister Modise (angeblich durch
Korruption) eine unrühmliche Rolle gespielt haben soll, die die
südafrikanischen Gerichte noch lange danach beschäftigten sollte.
Es ging dabei um die Lieferung von Triebwerken der russischem
MiG 29, als Ersatz für die Triebwerke in den veralteten
Mirage Flugzeugen der Südafrikaner.
Dr. Voloshin war es dann auch, als Kunstkenner und -sammler,
der eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten auf
dem Kunstsektor einleitete und auch sponserte. 1994, als die
schwarze Regierung das Ruder übernahm und die weiße Bevölkerung
nicht wusste, wie es unter der neuen Regierung weitergehen
wird, fielen die Immobilienpreise drastisch. Für wenig Geld
konnte man große Besitztümer kaufen.
Wer damals den Mut hatte, das zu tun, konnte in Folge ein
kleines Vermögen machen.
Dr. Mark Voloshin kaufte sich in diesem Jahr das Hazendal
Estate. Er verwirklichte so seinen schon lang gehegten Traum,
einen Hort mit einer langen eigenen Geschichte für seine Kunstgegenstände
zu schaffen. Viel später, dann im Jahr 2018, unterzog
er dieses Wine Estate einer gründlichen Restaurierung, indem
er die geschichtsträchtige Vergangenheit der Farm wieder
aufleben und gleichzeitig zeitgenössische Elemente mit einflie-
145
ßen ließ. Die russische Handschrift blieb dabei erhalten. Er richtete
für diesen Zweck auch das Marvol Museum of Art ein (Marvol
- Mark Voloshin). Es beherbergt über 500 Kunstwerke, vorwiegend
Gemälde, Schmuck, Ikonen und sogar einige der berühmten
glitzernden Eier von Farbergé aus Russland. Hier haben
sie einen würdigen Rahmen gefunden.
Eines davon soll er nach Ende der Apartheidregierung dem
neuen Präsidenten Nelson Mandela geschenkt haben. -
Bacchus, der Gott des Weins, wurde schon vor über 150 Jahren
von der damaligen Besitzerfamilie Bosman zum Emblem
des Weinguts erkoren zu Ehren von Hazendals Tradition als
„wine-making-excellence“, wie man auf Prospekten lesen kann
(Bacchus griechisch: Dionysos, Gottes des Weins und des Rausches).
Hazendal Weine
146
Beispiele des Weinsortiments -
Wahrzeichen ein Hase
Die Weine von Hazendal
Ein Mitarbeiter an der Wine-Tasting-Bar erklärte uns, dass 16
Hektar Land neu mit Reben angepflanzt worden sind, die noch
keinen Ertrag bringen (Unter der Leitung von Piet Bosman waren
es 73 Hektar). Die Trauben werden heute von benachbarten
Weinfarmen gekauft, wobei man darauf Wert legen würde, dass
sie aus dem Gebiet der Bottelary Hills stammen.
Die Trauben werden dann in dem neuen nach modernsten
Richtlinien geschaffenen Weinkeller gekeltert und weiterverarbeitet.
Besonderen Wert wird auf weiße Blends gelegt. Der Flaggschiffwein
ist The White Blend aus der ...
147
Christoffel Hazenwinkel - Linie
(genannt nach dem ersten Besitzer)
„The White Blend“.
Aroma: fruchtig, blumig, vegetarisch, mineralisch, würzig.
„The Blanc de Noir“
„The Red Blend“
Die Hazendal - Linie:
„Hazendal Semillon/Sauvignon Blanc“
„Chenin Blanc“
„Chardonnay“
.
Bei dem Besuch auf dem Weingut erklärten uns die Angestellten,
dass es noch ein Hazendalgut gäbe, das dem selben Besitzer
gehöre. Es sei ungefähr zwei Kilometer entfernt und liege am
Bottelary Hill. Eine Besichtigung sei nicht möglich. „Strictly
Private“. Das gesamte Areal der Farm muss riesig sein. Es erstreckt
sich fast bis zu dem Stadtteil Kuilsrivier.
Strictly Private
148
Leeu House
Collection
Franschhoek
Leeu Estates, Dassenberg Road, Franschhoek
Dieses Weingut unterscheidet sich wesentlich von anderen
konventionellen Weingütern im Weinland Stellenbosch/Franschhoek.
Schon der Beiname ‚Collection‘ ist schwer einzuordnen.
Soll er ausdrücken, dass es sich um ein größeres Anwesen han-
Leeu Estates – Franschhoek Mountains
149
Analjit Singh
delt, mit mehreren zusammen geschlossenen ‚Estates‘? Dann ist
der Name richtig gewählt. Und dieses Anwesen gibt es erst seit
2010. Keine lange Historie, wie sonst die meisten Weingüter in
dieser geschichtsträchtigen Region.
Wie kam das alles zustande? Es ist die Geschichte von Analjit
Singh, dessen Wahlspruch lautet: „Meine DNA verheißt mir zu
bauen, etwas neu zu schaffen, etwas zu entwickeln. Heraus kam
hier in Südafrika die Leeu Collection als Manifest meiner Vision
eines gepflegten Refugiums.“
Noch ein Wort zu dem Namen. „Leeu ist unser Name in Südafrika.
In Afrikaans heißt das Löwe und Singh in unserer Sprache,
in Sanskrit, auch Löwe“ (Anmerkung: Singapur Löwenstadt),
sagt Singh bei einem von ihm gegebenen Interview.
Eine von Singhs Töchter, namens Tara, besuchte kurz vor der
Fußballmeisterschaft in Südafrika 2010 die Kapstadt Region und
war besonders von Franschhoek begeistert. Sie berichtete ihrem
Vater davon, der dann zu der Fußballmeisterschaft nach Südafrika
kam und auch einen Abstecher nach Franschhoek machte.
150
Winetasting Center
Von der Schönheit des Landes war er so fasziniert, dass er
nicht lange überlegte und die Farm Klein Dassenberg im Franschhoek
Valley kaufte. „Ich erwartete niemals, dass hier ein kleines
europäisches Juwel versteckt ist.“
Es sollte ein Rückzugsgebiet (personal retreat) für ihn und seine
Familie werden. Aber dann waren schon die Samen gesät für
eine Weltklasse Destination für Gastfreundschaft und für die
Weinherstellung. Ideal gelegen, denn von diesem Städtchen aus,
umringt von braun schimmernden Bergketten, erreicht man leicht
die jungfräulichen Strände des Kaps, in nächster Nähe befinden
sich gepflegte Golfplätze und nicht weit liegt das Städtchen
Hermanus direkt am Meer, weltweit bekannt für die Walbeobachtung
vom Ufer aus, besonders in den Frühlingsmonaten, wenn
151
Gestylte Landschaft
sich hier in der Bucht die Wale aus der Antarktis herkommend
zur Paarung versammeln.
Wer aber ist dieser Mann?
1954 geboren ist er der jüngste Sohn von Bhai Mohan Singh,
Gründer der indischen Pharmafirma Ranbaxy Laboratories.
Heute ist er an vielen Gesellschaften beteiligt, hauptsächlich in
den Bereichen Versicherungen und Gesundheit. Er war auch
lange Zeit Vorsitzender von Vodafone in Indien. Er studierte
Betriebswirtschaft an der Universität von Neu-Delhi und danach
an der Universität Boston. Forbes schätzt sein derzeitiges Vermögen
(Januar 2020) auf über eine Milliarde US Dollar.
Das Anwesen zieht sich weit in das südlich von Franschhoek
gelegene fruchtbare Tal hinein. Es sind 68 Hektar, bepflanzt mit
152
Zugang zum Winetasting Center
Reben, Granatapfel-, Pflaumen- und Olivenbäumen, aber auch
alten Eichen.
Viele Gebäude sind auf dem Areal verstreut, die alle renoviert
wurden und sich jetzt im neuen Glanz repräsentieren: Indaba, für
Veranstaltungen wie Hochzeiten und Konferenzen (in Englisch
für Venues), Leeu Estates, ein Fünfsterne Boutique Hotel, Le Quatier
Français, ein Hotel mit einem Klasse Restaurant, Tuk Tuk, eine
kleine Brauerei für ‚craft‘ Bier., Everad Read, eine Kunstausstellung
von Werken zeitgenössischer aufstrebender südafrikanischer
Künstler, und natürlich ein modernes Winetasting Center für Mullineux
& Leeu Weine. Im weitläufigen Gelände findet man lebensgroße
Bronzeskulpturen der südafrikanischen Künstlerin
Deborah Bell, die Singh selbst ausgesucht hat.
Nachdem das Estate gekauft war, hatte sich Mr. Singh umge-
153
Lebensgroße Bronzeskulptur
sehen, um sich auch beim Wein einen Namen zu schaffen. Er
stieß auf Chris and Andrea Mullineux, die 2007 in der Swartberg
Region Wein anpflanzten und mit ihren Weinen sehr erfolgreich
waren, wie die nachfolgenden Bewertungen im Platter‘s zeigten.
Singh gelang es, das Paar ins Boot zu holen. Mullineux & Leeu
Family Wines, öffnete den Weg zu einem neuen Label – Leeu
Passant – mit dem neuen Standort und Weinkeller auf den Leeu
Estates in Franschhoek. Leeu Passant bedeutet sprachlich ein
herumstreifender Löwe.
Die von Singh investierte Summe soll sich auf 35 Millionen
US Dollar belaufen. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, warum
so viele Superreiche in Weingüter in Südafrika, besonders aber in
der Kapstadt Region, so viel Geld investieren. Der Weinverkauf
ist äußerst schwierig, Konkurrenz gibt es genug, so dass mit
154
Bronzeskulpturen am Eingang
einem Gewinn aus den Weinbergen kaum zu rechnen ist, wenn
man eine Rentabilitätsrechnung aufmacht.
Ist es so wie der Besitzer von dem Weingut Tokara GT Ferreira,
ebenfalls ein Milliardär, gesagt hat: „Man bekommt nur den
Return on Ego. - Die eigene Präsentation ist der Lohn.“
155
Weine des Guts:
2014, 2016 und 2019: Platter‘s – Zur Winery of the Year gewählt.
Mullineux & Leeu
Mullineux Granite Syrah
Mullineux Schist Syrah
Mullineux Iron Syrah
Leeu Passant
Leeu Passant Stellenbosch Chardonnay
Leeu Passant Dry Red Wine
156
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Dieses Büchlein wird nicht kommerziell vertrieben.