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Liudger Ausgabe Mai 2020

In dieser Ausgabe des Magazins für Mitarbeitende dreht sich alles um das Thema "Nur Mut!! Viel Spaß beim lesen!

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LiUDGER<br />

Das Magazin für Mitarbeitende im Bistum Münster<br />

MAI <strong>2020</strong><br />

ERFAHRUNGSBERICHT<br />

Nur Mut!<br />

Kolleginnen und Kollegen lassen sich auf das<br />

Abenteuer Wüstenexerzitien ein<br />

MUT GEFASST<br />

ZEIT FÜR MUT<br />

ERMUTIGEND<br />

Birgit Klöckner trifft<br />

eine Lebensentscheidung<br />

Maria Bubenitschek stellt<br />

sich Herausforderungen<br />

Berufskolleg ist Schule<br />

mit Courage


Inhalt und Vorwort<br />

INHALT<br />

EDITORIAL<br />

NUR MUT!<br />

AB SEITE 6<br />

„Es braucht Mut, dem Ruf Gottes zu folgen“<br />

Birgit Klöckner und ihre Lebensentscheidung<br />

AUS DEN REGIONEN<br />

Ist es ein Vogel? Ist es ein Ufo? 4<br />

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />

IMPRESSUM<br />

12. <strong>Ausgabe</strong><br />

HERAUSGEBER<br />

Bischöfliches Generalvikariat<br />

Domplatz 27, 48143 Münster<br />

VERANTWORTLICHE REDAKTEURIN<br />

Anke Lucht<br />

REDAKTIONSTEAM<br />

Mathias Albracht (MA), Christian Breuer (CB),<br />

Julia Geppert (JG), Ludger Heuer (LH),<br />

Michaela Kiepe (MEK), Stephan Kronenburg (SK),<br />

Ann-Christin Ladermann (ACL), Anke Lucht (AL),<br />

Tina Moorkamp (TIM), Gudrun Niewöhner (GN)<br />

GESTALTUNG<br />

goldmarie design, Münster<br />

DRUCK<br />

Druckerei Joh. Burlage, Münster, www.burlage.de<br />

FOTOS<br />

Bischöfliche Pressestelle, pixabay.com, unsplash.com,<br />

Privat, Andreas Lee<br />

KONTAKT<br />

liudger@bistum-muenster.de<br />

www.liudger-magazin.de<br />

PORTRAIT<br />

Es braucht Mut, dem Ruf Gottes zu folgen 6<br />

TRAU DICH, LUI<br />

Mut zur Heiterkeit 10<br />

ZU MEINER FREUDE<br />

Es ist Frühling 11<br />

ERFAHRUNGSBERICHT<br />

Ich wurde reich beschenkt 12<br />

MUT IM ALLTAG<br />

Beispiele aus dem Bistum 16<br />

DAFÜR / DAGEGEN<br />

Home-Office 20<br />

NACHGEFRAGT<br />

Wo ist Ihr Mut als Christin<br />

oder Christ gefragt? 22<br />

INTERVIEW<br />

Zeit, mutig zu sein 26<br />

„Nur Mut!“ ist unsere aktuelle <strong>Ausgabe</strong> des <strong>Liudger</strong> überschrieben.<br />

Ein wenig Mut erfordert es in gewisser Hinsicht in dieser corona-infizierten Zeit auch, ein Mitarbeitendenmagazin<br />

zu gestalten. Denn bewusst widmen wir uns nicht nur dem Thema, das derzeit alle umtreibt –<br />

Corona – , sondern setzen auch andere Akzente.<br />

Dabei hat Corona durchaus mit Mut zu tun. Als Mitarbeitende des Bistums Münster haben wir das in<br />

jüngster Zeit individuell erlebt: Mitarbeitende haben kreative, spannende Seelsorgeformate entwickelt,<br />

die für den normalen Alltag womöglich zu mutig gewesen wären. Mitarbeitende haben Mut gefasst und<br />

sich zwar anders, aber eben konsequent weiter den Menschen, für die sie Tag für Tag da sind – seien<br />

es Kranke, Kinder, Alte, Hilfsbedürftige – liebevoll zugewandt. Mitarbeitende haben neue Arbeits-,<br />

Besprechungs- und Abstimmungsmethoden und -techniken ausprobiert, zu denen vielleicht vorher neben<br />

dem technischen Know-how auch der Mut gefehlt hat.<br />

Dieser Mut hat uns die vergangenen Wochen meistern lassen, auch und gerade als Dienstgemeinschaft,<br />

als Kolleginnen und Kollegen.<br />

Ich wünsche Ihnen, dass die in dieser <strong>Ausgabe</strong> des <strong>Liudger</strong> zu lesenden Geschichten über Mut im Alltag<br />

und darüber hinaus Sie unterhalten, aber Ihnen eben auch ein bisschen Mut machen für die kommende<br />

Zeit. Und vor allem: dass Sie und Ihre Lieben gesund bleiben!<br />

Anke Lucht<br />

NACHGEFRAGT<br />

Schule mit Courage 30<br />

Das verwendete Papier ist aus<br />

100 % Altpapier hergestellt.<br />

LESETIPPS<br />

Bücher zum Thema Mut 32<br />

Sie haben Fragen, Anregungen oder Kritik? Senden Sie uns eine E-<strong>Mai</strong>l an liudger@bistum-muenster.de.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen. Weitere Infos finden Sie unter www.liudger-magazin.de<br />

2 3


Aus den Regionen<br />

IST ES EIN VOGEL?<br />

IST ES EIN UFO?<br />

Nein, es ist SpaceX<br />

NIEDERRHEIN<br />

Die ersten etwas wärmeren Frühlingsabende<br />

lockten am Niederrhein viele Leute in die Gärten<br />

oder auf die Balkone. Bei einem Kaltgetränk und<br />

Gegrilltem ließen sie den Blick über den sternenklaren<br />

Himmel gleiten. Bis plötzlich ein schwacher<br />

Lichtpunkt am Horizont auftauchte. Und wenige<br />

Sekunden später noch einer. Und noch einer.<br />

Und noch einer. Wie an einer Perlenschnur zogen<br />

sie quer über den Nachthimmel, bis zu 60 Punkte<br />

sollen es gewesen sein. Sofort schossen die<br />

Spekulationen ins Kraut. War da ein geheimes<br />

Flugmanöver in Gang? Oder stand eine Invasion<br />

der Außerirdischen bevor?<br />

In einer Facebook-Gruppe kam die Entwarnung.<br />

Bei den Punkten handelte es sich um Starlink-<br />

Satelliten auf ihrer Umlaufbahn, die von Elon<br />

Musks Unternehmen „SpaceX“ in den Orbit<br />

geschossen wurden, um irgendwann weltweiten<br />

Internetempfang zu ermöglichen.<br />

(CB)<br />

RECKLINGHAUSEN<br />

Vielerorts gibt es hilfsbereite Menschen. So wie<br />

die Aktiven der „Anti-Rost-Initiativen“ beispielsweise<br />

in Haltern, Herten oder Recklinghausen.<br />

Es sind Senioren, die handwerklich geschickt sind<br />

und anderen Senioren bei kleinen Reparaturen<br />

helfen. Sie schrauben Toilettendeckel an, wechseln<br />

flackernde Glühbirnen aus, machen klemmende<br />

Schranktüren wieder gängig oder kümmern sich<br />

um den tropfenden Wasserhahn. Alles ehrenamtlich,<br />

alles mit viel Enthusiasmus und Herz. Sie<br />

kommen für Kleinstreparaturen, wenn es sich nicht<br />

lohnt, einen Handwerker zu rufen. Für die Hilfe sind<br />

die Senioren dann auch gern bereit, eine Servicegebühr<br />

von fünf Euro zu zahlen.<br />

Doch nicht immer ist es leicht, zu entscheiden,<br />

wer wirklich Hilfe braucht. Denn die richtet sich<br />

vornehmlich an Menschen, die sich keinen Handwerker<br />

leisten können oder niemanden finden,<br />

der sich um die Kleinigkeiten kümmert.<br />

Das mussten die Anti-Rostler in Recklinghausen<br />

erfahren. Als ein Ehrenamtlicher zu einem Einsatz<br />

kam, war er nicht gerade begeistert. Eine Frau hatte<br />

ihn gerufen, weil sie den Wasserhahn an der Hauswand<br />

nicht aufbekam. Der Grund: Der Gärtner<br />

hatte ihn zu fest zugedreht …<br />

(MEK)<br />

STEINFURT<br />

Kaum jemand konnte sich noch vor kurzem<br />

diese Situation vorstellen: Kindertageseinrichtungen<br />

und Schulen außerhalb der Ferien<br />

geschlossen, Geschäfte verkaufen nur im Lieferdienst,<br />

Kontaktverbot für alle, Home-Office für<br />

viele, Toilettenpapier für niemanden, keine<br />

öffentlichen Gottesdienste … Stillstand.<br />

Zumindest weitestgehend. Und dann die allabendlichen<br />

Sondersendungen und Talkshows<br />

zum Corona-Ausnahmezustand … Brauchen wir<br />

weitere Verbote? Wie sehr wird die Wirtschaft<br />

unter der Krise leiden? Wie kann jeder sich<br />

und die anderen schützen?<br />

Die Kombination aus all dem bringt selbst<br />

gelassene Gemüter irgendwann aus der Ruhe.<br />

Wenn einen nicht der Toilettenpapierbestand<br />

umtreibt, so zumindest die Anschaffung von angeratenen<br />

Einweghandschuhen und Mundschutz.<br />

Einweghandschuhe? Als der Vorrat verbraucht<br />

ist und in den Drogeriemärkten so schnell kein<br />

Nachschub ankommt, bringt die nette Kollegin<br />

ohne zu zögern ein 100-er-Paket aus ihrem<br />

Vorrat von zu Hause mit.<br />

Mundschutz? Die medizinischen Masken<br />

müssen ohne Zweifel dem Personal in den<br />

Krankenhäusern und Pflegeheimen vorbehalten<br />

sein. Da klingelt es nachmittags an der Tür. Die<br />

Nachbarin von gegenüber, gelernte Schneiderin.<br />

Auf zwei Meter Abstand streckt sie am langen<br />

Arm zwei waschbare Masken entgegen. Danke!<br />

Kaum jemand konnte sich noch vor kurzem<br />

den Corona-Ausnahmezustand vorstellen. Und<br />

vielleicht konnte sich auch kaum jemand so viel<br />

Solidarität und Mitmenschlichkeit vorstellen …<br />

(GN)<br />

MÜNSTER<br />

Veränderungen im Leben halten uns auf Trab,<br />

und – wie das so ist – wenn das Leben in den<br />

nächsten Gang schaltet, ruckelt es ordentlich.<br />

Das ist nicht immer einfach. Umso besser, wenn<br />

man im Falle eines besonders heftigen Schlaglochs<br />

Freunde und Familie hat, die nicht nur zuhören und<br />

trösten, sondern praktisch helfen. Wenn sie da sind,<br />

ohne dass man viel sagen muss, weil einem am<br />

Telefon die Worte fehlen, und auch keine Erklärungen<br />

möchten oder Patentlösungen anbieten, sondern<br />

einen einfach nur in den Arm nehmen. Wenn sie<br />

helfen, die halbleere Wohnung mit einem Fernseher<br />

auszustatten, den sie nicht mehr benötigen, und die<br />

Antwort auf die Frage, wieviel Geld sie dafür haben<br />

möchten, lediglich ist: „Nichts. Du hilfst uns auch so<br />

viel. Behalt ihn, solange du ihn brauchst.“ Oder wenn<br />

zwei Stühle nebst einer gefüllten Brötchentüte vor<br />

der Wohnungstür stehen, dazu ein Hinweiszettel:<br />

„Die leihe ich dir. Du kannst nicht nur auf dem Sofa<br />

sitzen, vor allem nicht zum Frühstücken.“ Oder wenn<br />

das Handy piepst und folgende Nachricht eintrudelt:<br />

„Komm rüber, wann immer du möchtest. Die Tür ist<br />

immer offen und ein Kaffee immer vorrätig.“<br />

Mit einer solchen Unterstützung ist das Schalten<br />

in den nächsten Gang zwar immer noch ruckelig,<br />

aber Freunde füllen die tiefen Schlaglöcher ungefragt<br />

und wie selbstverständlich soweit aus, dass<br />

man sie zwar noch spürt, aber sie einen nicht mehr<br />

aus der Bahn werfen oder vom Weg abbringen<br />

können. Dafür ein großes Dankeschön. Von<br />

ganzem Herzen.<br />

(JG)<br />

4<br />

5


Portrait<br />

„ES BRAUCHT<br />

MUT, DEM<br />

RUF GOTTES<br />

ZU FOLGEN“<br />

BIRGIT KLÖCKNER ERZÄHLT VON IHRER<br />

LEBENSENTSCHEIDUNG, EINE NEUE<br />

GEISTLICHE GEMEINSCHAFT ZU VERLASSEN<br />

Von Birgit Klöckner, aufgezeichnet von Anke Lucht<br />

Nur Mut: Kann ich zu diesem Thema etwas beitragen?<br />

An und für sich bin ich ein eher ängstlicher<br />

Mensch, und es braucht nicht viel, damit ich Herzklopfen<br />

bekomme. Wenn derzeit tagtäglich vom<br />

Coronavirus berichtet wird und im Fernsehen<br />

Bilder von leeren Regalen und Hamsterkäufen<br />

übertragen werden, dann ertappe ich<br />

mich dabei, beim nächsten Einkauf<br />

sicherheitshalber ein paar<br />

Konserven in meinen<br />

Einkaufskorb zu legen.<br />

Ja, wie ist das mit<br />

meinem Mut und<br />

meinen Ängsten?<br />

An erster Stelle kommt mir in den Sinn: Mutlosigkeit,<br />

Ängste und Sorgen, das sind nicht allein<br />

Probleme unserer Zeit. Die Bibel wird jedenfalls<br />

nicht müde zu ermutigen: Fürchtet Euch nicht!<br />

Habt Mut!<br />

Aber was bedeutet es überhaupt, Mut zu haben?<br />

Der Duden umschreibt es als Fähigkeit, Angst<br />

zu überwinden, und als Bereitschaft, angesichts zu<br />

erwartender Nachteile etwas zu tun, was man für<br />

richtig hält. Es geht also gar nicht darum, furchtlos<br />

zu sein und sorglos durchs Leben zu gehen, sondern<br />

sich von seinen Ängsten nicht unterkriegen oder<br />

überwältigen zu lassen sowie die Zuversicht nicht<br />

zu verlieren.<br />

Wenn ich diese Definition betrachte, ja, dann<br />

gibt es mutige Schritte in meinem Leben. Vor fast<br />

30 Jahren war mein Eintritt in eine Neue Geistliche<br />

Gemeinschaft für meine Familie und auch für einige<br />

meiner Freunde unbegreiflich. Keine althergebrachte<br />

Gemeinschaft, sondern eine junge Gemeinschaft,<br />

die zudem kaum jemand kannte. Eine Portion Mut<br />

lag darin, Gottes Ruf zu folgen, doch vor allem Begeisterung<br />

angesichts einer faszinierenden und<br />

spannenden Lebensperspektive:<br />

6 7


Portrait<br />

die Berufung und Sendung der ersten Apostel als<br />

gemeinschaftliches Lebensprogramm, das heißt,<br />

Gemeinden gründen, aufbauen, begleiten und das<br />

Wort Gottes in aller Welt verkünden. Als Frau in<br />

der Nachfolge der Apostel zu stehen, zudem noch<br />

päpstlich anerkannt (!), da soll mal einer sagen,<br />

Kirche sei fade, langweilig und verstaubt. Ich hatte<br />

einen Nachfolgeweg gefunden, der nicht hinter<br />

Klostermauern führte, sondern in die weite Welt<br />

hinaus. Bei mir ging es nach Mexiko, Spanien,<br />

Peru, Argentinien – das sind Erfahrungen, die<br />

mich bis heute prägen.<br />

Doch dann kamen Jahre, in denen plötzlich und<br />

unerwartet alles aus den Fugen geriet. In der<br />

Gemeinschaft brach ein heftiger Streit aus. Entgegengesetzte<br />

spirituelle Positionen wurden leidenschaftlich<br />

bis aufs Blut ausgefochten, es wurde um<br />

Macht und Einfluss gekämpft. In einer geistlichen<br />

Gemeinschaft lassen sich mühelos Schlachtfelder<br />

finden, um Wortgefechte auszutragen, um Druck<br />

auf die Gegenseite auszuüben und Einfluss geltend<br />

zu machen: die Predigt beim morgendlichen<br />

Impuls, das Gespräch beim Mittagstisch, ja sogar<br />

die geistliche Begleitung und nicht zu vergessen<br />

das Gehorsamsgelübde und so weiter …<br />

„Ich bin wagemutig<br />

der Sehnsucht<br />

gefolgt, in meiner<br />

Berufung einfach<br />

ich selber sein zu<br />

dürfen.“<br />

Zurück blieben in mir schließlich ein Trümmerfeld,<br />

um mich herum zahllose Verwundete und<br />

Splittergemeinschaften: die zahlenmäßig größere<br />

Gruppe päpstlich anerkannt, andere bischöflich,<br />

die einen in Madrid, andere in Avignon und wieder<br />

andere in Münster. Für mich war es eine heftige<br />

Erfahrung, mit einem Mal war nichts mehr so,<br />

wie es vorher war. Aufgrund meiner Tätigkeit<br />

als Ordensreferentin weiß ich heute, dass viele<br />

Ordensgemeinschaften in der Zeit ihrer Gründung<br />

solche Spaltungen erleben mussten und dass so<br />

manche junge Gemeinschaft in unserem Bistum<br />

Ähnliches durchlebt hat.<br />

Erschütternde Lebenserfahrungen gehen nicht<br />

spurlos an einem Menschen vorbei, selbst wenn<br />

Wunden vernarben. Manchmal kam es mir vor,<br />

als ob ich mich selbst und den Zugang zu meinen<br />

Gefühlen verloren hätte. Eine solche Trümmererfahrung<br />

ist existenzbedrohend, und wenn man<br />

dann zudem noch, wie ich, die Lebensmitte erreicht<br />

hat, klopfen bohrende Fragen an deine Tür: Wie<br />

geht es weiter? Was möchte ich anders leben als<br />

bisher? Wie kann ein gemeinsames geistliches<br />

Lebensprojekt überhaupt gelingen?<br />

Nach einer derartigen Trümmererfahrung<br />

habe ich Freiraum gebraucht, einfach nur da<br />

sein dürfen und neu Zutrauen gewinnen in das,<br />

was ich sehe, glaube, ahne und denke. Auch<br />

der Schutzraum einer Begleitung außerhalb der<br />

Gemeinschaft war wichtig, denn allein schon das<br />

innere Betrachten von Trümmerfotos oder das<br />

Aufsuchen ehemaliger Kriegsschauplätze wühlt<br />

auf. Ich hatte nie vor auszutreten, doch ich bin<br />

wagemutig der Sehnsucht gefolgt, in meiner Berufung<br />

einfach ich selber sein zu dürfen. Darüber<br />

hinaus erwachte in mir ein tiefes Bedürfnis, achtsamer<br />

zu sein für die eigenen Begabungen – aber<br />

auch für meine Grenzen. Dies hat mich fragen lassen:<br />

Ist meine Berufung, so wie ich sie lebe, ein<br />

Geschenk für die Kirche? Wie kann meine ganz<br />

persönliche Lebenserfahrung fruchtbar werden<br />

in der Kirche? Meine Fragen und meine Sehnsucht<br />

haben mich auf einen Weg geführt, den<br />

der Rahmen meiner ehemaligen Gemeinschaft in<br />

dieser Weise nicht vorsah. Motor war die Suche<br />

nach dem Sinn – selbst für die Brüche und die<br />

schmerzlichen Erfahrungen – meines Lebens.<br />

Seit fünf Jahren arbeite ich nun im Bistum<br />

Münster in der Fachstelle Orden, Säkularinstitute<br />

und Geistliche Gemeinschaften. Meine geistliche<br />

Prägung kann ich nicht einfach abstreifen wie einen<br />

alten Mantel, der nicht mehr passt. Auch wenn es<br />

vielleicht ein wenig verrückt klingt: Wenn ich im<br />

Rahmen meiner Tätigkeit Gemeinschaften besuche<br />

und dort Gespräche führe, Genehmigungen im<br />

Auftrag unseres Bischofs erteile oder eine Stellungnahme<br />

für den Bischof verfasse, bedeutet das für<br />

mich Teilhabe am Apostelamt. Eine Predigt übernehme<br />

ich nur noch selten, doch bin ich überzeugt:<br />

Ein Mensch kann mit seiner Lebenserfahrung zum<br />

lebendigen Wort Gottes werden. Für mich ist es<br />

kein Zufall, sondern Gottes liebevolle Vorsehung,<br />

dass mir diese und keine andere Aufgabe im Bistum<br />

Münster anvertraut wurde. Gesandt bin ich<br />

zwar nicht in die weite Welt, sondern in die Welt<br />

der Orden und Geistlichen Gemeinschaften des<br />

Bistums Münster, doch hierfür sind alle Erfahrungen<br />

meines Lebens, ohne Ausnahme, hilfreich.<br />

Im Markusevangelium gibt es die Geschichte<br />

vom blinden Bartimäus. Dem war zum Schreien<br />

zumute, und die Apostel sagen zu ihm: Hab nur<br />

Mut, steh auf, er ruft dich. Aufgrund meiner<br />

Lebenserfahrung würde ich sagen: Ja, es ist<br />

mutig und braucht Mut, dem Ruf Gottes zu<br />

folgen, aus Schutt und Asche aufzustehen und<br />

nach vorne zu gehen, auch dann, wenn du<br />

nicht weißt, wohin der Weg dich führen wird.<br />

8 9


Luis Gedanken<br />

Zu meiner Freude<br />

„TRAU DICH, LUI“<br />

MUT ZUR HEITERKEIT<br />

Zwischen den Polen heldenhafte Tapferkeit und<br />

hasenfüßige Beklommenheit hätte sich Lui spontan<br />

eher in letztgenannter Kategorie verortet. Entsprechend<br />

holprig fließt eine Kolumne zum Thema Mut<br />

aus der Feder beziehungsweise der Tastatur.<br />

Ungleich mehr hätte Lui zum Thema Mutlosigkeit<br />

zu schreiben: Über die ermüdende<br />

Mutlosigkeit, die Lui bevorzugt an Montagvormittagen<br />

im November befällt, wenn die draußen<br />

herrschende graue Finsternis von einem nicht nachlassenden<br />

Nieselregen abgerundet wird. Über die<br />

demotivierende Mutlosigkeit, wenn die Kollegin<br />

vom am Wochenende absolvierten Marathon<br />

berichtet, während Lui selbst auf der deutlich<br />

weniger anspruchsvollen Strecke zwischen Sofa<br />

und Kühlschrank von einem spontan auftretenden<br />

Mittagsschlafbedürfnis niedergestreckt wurde.<br />

Und dann gibt es noch tiefergehende Mutlosigkeiten<br />

in Luis Leben: Die entsetzte Mutlosigkeit<br />

angesichts der Tatsache, dass eine nennenswerte<br />

Zahl von Deutschen tatsächlich wieder braun wählt.<br />

Die fassungslose Mutlosigkeit darüber, dass<br />

polternde Unmenschlichkeit, ein erschreckend<br />

schlichtes Gemüt und ein nicht minder erschreckend<br />

oranger Haut- und Haarton keine Hinderungsgründe<br />

sind, zum mächtigsten Mann der Welt gewählt zu<br />

werden. Und – natürlich – die ratlose Mutlosigkeit<br />

angesichts eines mikroskopisch winzigen Virus,<br />

das innerhalb weniger Wochen die ganze Welt in<br />

den Würgegriff genommen hat. Mit dem Tempo<br />

kommt nicht mal das orangefarbene schlichte<br />

Gemüt mit.<br />

Schwimmbecken stürzen noch den Himalaya<br />

ohne Sauerstoffgerät durchwandern, um Mut<br />

zu beweisen.<br />

Mut meint heute ganz andere und viel menschlichere<br />

Herausforderungen: sich eben nicht in<br />

die Schlacht um die letzte Packung Klopapier zu<br />

werfen, sondern tapfer zu vertrauen, dass es auch<br />

morgen noch welches in den Geschäften geben<br />

wird. Anzurufen, wen man lange nicht mehr angerufen<br />

hat, um nachzufragen, ob alles gut und<br />

gesund ist. Dem Nachbarn das letzte Päckchen<br />

Hefe zu geben und sich am Folgetag an ein Brotrezept<br />

ohne Hefe zu wagen.<br />

Und nicht zuletzt: Mut zur Heiterkeit. Mit dieser<br />

Heiterkeit freut sich Lui schon heute auf den Tag,<br />

an dem nicht mehr Hefe und Klopapier ausgehen,<br />

sondern Lui und die beste Hälfte von allen.<br />

(AL)<br />

Es ist wieder Frühling. Die<br />

Temperaturen und die Lage unseres Zuhauses<br />

lassen zu, das Schlafzimmerfenster über<br />

Nacht geöffnet zu lassen. Es ist ruhig, vereinzelt ist das<br />

Röhren eines Motorrades oder das Knattern eines Treckers<br />

zu hören.<br />

Das Einschlafen fällt nicht schwer. Auch das Aufwachen nicht. Im<br />

Gegensatz zum vergangenen Jahr, in dem von einem stillen Frühling<br />

gesprochen wurde, ist es mit Sonnenaufgang bei uns alles andere als<br />

still. Die ersten Vögel melden sich zu Wort, und nach und nach fallen alle<br />

anderen in das Konzert in der Morgendämmerung ein: Fröhlich trällern<br />

Meisen, Rotkehlchen, Amseln, Singdrosseln und ihre gefiederten<br />

Freunde in unserem Garten. Welch ein Genuss. Mut zur Offenheit<br />

wird eben belohnt!<br />

Auch wenn ich zugeben muss, dass ich irgendwann das Fenster<br />

schließe, um noch ein bisschen zu schlafen. Morgenstund<br />

hat zwar Gold im Mund, doch man muss es ja<br />

nicht übertreiben.<br />

(MEK)<br />

Dass Lui trotz all dem über Mut schreibt, ist –<br />

paradox genug – ebenfalls Corona zu verdanken.<br />

Denn in diesen viralen Zeiten muss man sich weder<br />

mit dem Kopf voran vom Zehnmeterturm ins<br />

10 11


Erfahrungsbericht<br />

„ICH WURDE<br />

REICH BESCHENKT“<br />

DREI MITARBEITERINNEN UND<br />

MITARBEITER MACHEN EINE<br />

BESONDERE GOTTESERFAHRUNG<br />

IN DER WÜSTE<br />

Von Ann-Christin Ladermann<br />

Kein Handy, keine Uhr, keine Dusche, dafür Temperaturunterschiede<br />

von 30 Grad. Bei Wüstenexerzitien<br />

begeben sich die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer in einem einzigartigen Umfeld auf<br />

Gottessuche. Zwei Wochen verbringen sie in der<br />

jordanischen Wüste – einem scheinbar leblosen<br />

Ort, der doch so viel Leben zu bieten hat.<br />

Drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem<br />

Bistum Münster haben Mut bewiesen und sich<br />

auf dieses Abenteuer mit Gott eingelassen.<br />

Mit Bauchschmerzen hat sich Claudia John<br />

im Frühjahr 2018 auf den Weg zum Frankfurter<br />

Flughafen gemacht. „Ich wusste nicht, was mich<br />

erwartet, kannte die Gruppe nicht und glaubte,<br />

dass zwei Wochen in der Wüste unendlich lang<br />

werden würden“, erinnert sich die Mitarbeiterin,<br />

die im Bischöflichen Generalvikariat (BGV) für<br />

das Liegenschaftsmanagement zuständig ist. Es<br />

sollte anders kommen. Beinahe täglich denkt die<br />

57-Jährige heute an die Zeit in der Wüste zurück,<br />

zehrt von den intensiven Erfahrungen, die sie dort<br />

gemacht hat: „Ich war von einer inneren Ruhe<br />

erfüllt, die ich vorher nicht gekannt habe. Jetzt<br />

trägt sie mich durch meinen Alltag.“<br />

Seit vielen Jahren organisiert die charismatische<br />

Gemeinschaft Emmanuel Wanderexerzitien in der<br />

Wüste. Stundenlanges Gehen in Stille – unterbrochenvon<br />

geistlichen Impulsen, Gesprächsgruppen,<br />

Bibellesen, Gottesdiensten und Lobpreisgebeten.<br />

Unter einfachsten Bedingungen hat sich<br />

Claudia John auf dieses Programm eingelassen,<br />

das sie in die Stille und somit in eine Begegnung<br />

mit Gott geführt hat. 14 Tage lang wanderte sie<br />

mit rund 30 Menschen aus ganz Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz durch den Sand,<br />

Georg Schoofs<br />

Claudia John und Johannes Heimbach<br />

übernachtete im Schlafsack unter freiem Himmel,<br />

verzichtete auf gewohnten sanitären Luxus.<br />

Reich beschenkt statt viel vermisst<br />

Wüste heißt, alles Überflüssige weglassen – materiell<br />

wie mental. „Ich hatte gedacht, ich vermisse<br />

viel: die Dusche, ein richtiges Bett, ein Gläschen<br />

Wein am Abend. Aber nichts davon habe ich vermisst.<br />

Im Gegenteil: Ich wurde reich beschenkt“,<br />

sagt John. So sehr habe sie sich öffnen können,<br />

habe Gott zu ihrem Herzen sprechen lassen. Die<br />

beständige Stille habe lautstark in ihr und den<br />

Mitpilgern gearbeitet, habe Lebensfragen in den<br />

Mittelpunkt gerückt, seelische Verkrustungen<br />

aufgebrochen und Tränen fließen lassen, die<br />

scheinbar längst getrocknet waren. „Gott hat in<br />

jedem von uns intensiv gewirkt“, ist sich die<br />

Münsteranerin sicher.<br />

Von der Begeisterung seiner Kollegin ließ sich<br />

Georg Schoofs anstecken und meldete sich ein<br />

Jahr später an. Für den exerzitienerfahrenen Leiter<br />

der Gruppe Liegenschaften im BGV war es eine<br />

Herausforderung, für zwei Wochen den Kontakt<br />

nach Hause abzubrechen, alles hinter sich zu<br />

lassen. „Man hat sich schon sehr daran gewöhnt,<br />

immer erreichbar zu sein, das war eine neue Erfahrung<br />

für mich.“ Und noch etwas erforderte Mut<br />

von ihm: Geht der 58-Jährige sonst beim Wandern<br />

und Spazieren gerne vorneweg, lief er jetzt hinterher<br />

– vertraute sich fremden Menschen blind an.<br />

„Ich wurde buchstäblich in die Wüste geführt, am<br />

dritten Tag habe ich nicht mehr gewusst, wie ich<br />

herauskomme“, schildert Schoofs. Sich in dieser<br />

Intensität auf andere einzulassen, sei ungewohnt<br />

gewesen: „Aber man braucht dieses Vertrauen,<br />

denn Wüstenexerzitien sind Grenzerfahrungen –<br />

mit sich selbst und mit Gott.“<br />

12<br />

13


Erfahrungsbericht<br />

Oft werde die Wüste als ein toter Ort bezeichnet.<br />

„Dabei lebt dort so viel“, hat Schoofs erfahren.<br />

Fasziniert war er von der Schönheit der Natur.<br />

„Sie lehrt einen das Staunen neu“, blickt er<br />

dankbar zurück. Er erinnert sich an einen Satz des<br />

muslimischen Beduinen, der die Gruppe durch die<br />

Wüste führte: „Jemand muss seine Hände im Spiel<br />

gehabt haben, als dieser kostbare Flecken Erde<br />

geschaffen wurde.“ Schoofs hatte Glück: Er war in<br />

den beiden Wochen im Frühjahr dort, als ein bunter<br />

Teppich wilder Blumen den Wüstensand zum<br />

Leuchten brachte und die gängige Vorstellung von<br />

Wüste regelrecht übermalte. „Eine tiefe Ehrfurcht<br />

vor der Schöpfung hat sich in mir breit gemacht“,<br />

blickt er zurück. „Wir haben schweigend gestaunt<br />

und uns nicht getraut, darüber zu laufen.“<br />

Ganz frisch sind die Eindrücke noch bei Johannes<br />

Heimbach. Begeistert und erfüllt blickt er auf die<br />

Wüstenexerzitien im März <strong>2020</strong> zurück – und<br />

das, obwohl es statt nach zwei schon nach einer<br />

Woche nach Hause ging. Das Coronavirus und die<br />

damit verbundenen Grenzschließungen zwangen<br />

die Gruppe zum Abbruch. Doch die intensiven Erfahrungen<br />

dieser einen Woche kann dem Profi in<br />

Sachen Exerzitien niemand mehr nehmen. „Obwohl<br />

wir in der Gruppe unterwegs waren, war es vor<br />

allem ein Weg mit mir selbst“, beschreibt der<br />

56-Jährige, der als Geistlicher Begleiter und<br />

Exerzitienbegleiter im Priesterseminar Borromaeum<br />

und im Institut für Diakonat und pastorale Dienste<br />

(IDP) des Bistums tätig ist.<br />

Vertrauen ist die zentrale Botschaft<br />

„In der Wüste kann man nichts und niemandem<br />

ausweichen“, musste Heimbach feststellen, „auch<br />

Gott nicht.“ Es sei ihm leicht gefallen, sich auf die<br />

Leitung und die Gruppe einzulassen. „Ich hatte<br />

von Anfang an ein gutes Gefühl“, erinnert er.<br />

Vertrauen lautet deshalb die zentrale Botschaft,<br />

die er aus der Wüste mitnimmt – Vertrauen in<br />

die Entscheidung der Leitung, bei ungewöhnlich<br />

schweren Unwettern im Camp der Beduinen zu<br />

übernachten und schließlich angesichts des Coronavirus<br />

das „Abenteuer mit Gott“ abzubrechen.<br />

Vertrauen aber auch und besonders in Gott: „Auf<br />

meine Frage, ob da wirklich jemand ist, der es gut<br />

mit mir meint, habe ich immer erfahren dürfen:<br />

Ja, ich gehe mit als ‚Ich bin der ,Ich bin da‘.“<br />

Kein Extremsport, sondern Gottessuche<br />

Mut haben die jüngsten Wüstenexerzitien auch<br />

Claudia John noch mal abverlangt. Ist die Teilnahme<br />

eigentlich auf einmal beschränkt, wurde<br />

sie Ende vergangenen Jahres gefragt, ob sie im<br />

Leitungsteam dabei sein und die Teilnehmerinnen<br />

betreuen möchte. Lange habe sie überlegt, ob sie<br />

dieser Herausforderung gewachsen sein würde;<br />

jetzt ist sie froh, sich getraut zu haben. „Ich habe<br />

wieder so viel für mich persönlich mitgenommen“,<br />

sagt sie. Mit jeder Teilnehmerin<br />

habe sie vorab ein Gespräch geführt. Dabei wird<br />

geklärt, ob die Exerzitien für diejenige das Richtige<br />

sind. „Dabei geht es nicht darum, Extremsportlerin<br />

zu sein, sondern ob man wirklich auf der Suche<br />

nach Gott ist“, fasst John zusammen.<br />

Obwohl es besonders bei diesen Wüstenexerzitien<br />

viele Entscheidungen für sie und ihre Kollegen<br />

im Leitungsteam zu treffen gab: Das<br />

Gefühl von tiefer Ruhe und innerem<br />

Frieden hat sich auch dieses<br />

Mal wieder in ihr ausgebreitet –<br />

und wirkt hoffentlich<br />

noch lange nach.<br />

14<br />

15


Mut im Alltag<br />

DAS EVANGELIUM<br />

GIBT IHM MUT<br />

PFARRER KOSSEN PRANGERT LEIHARBEIT IN<br />

FLEISCHINDUSTRIE ALS „SKLAVEREI“ AN<br />

Von Gudrun Niewöhner<br />

„Man muss so weit gehen, wie man kann“, sagt<br />

Pfarrer Peter Kossen und fügt gleich an: „Es geht<br />

hier um Menschen.“ Dass seine Hartnäckigkeit<br />

Mut erfordert, dessen ist er sich bewusst, aber<br />

der Pfarrer der Lengericher Pfarrei Seliger Niels<br />

Stensen bleibt bescheiden. Seit 2012 prangert er<br />

die Arbeits- und Lebensbedingungen vor allem<br />

der osteuropäischen Leiharbeiter in der Fleischindustrie<br />

an, bezeichnet diese als „moderne<br />

Sklaverei“. Sie sind jedoch nur ein Beispiel,<br />

ähnliche Zustände gebe es inzwischen auch<br />

bei Gebäudereinigern und Paketdiensten.<br />

Das Bemühen um Wahrheit und Gerechtigkeit<br />

sieht Kossen als zentrale Herausforderung eines<br />

jeden Christen und findet Ermutigung für sein<br />

Handeln an vielen Stellen im Evangelium: „Wir<br />

dürfen dabei nicht im Allgemeinen verharren,<br />

sondern müssen konkret werden.“ Während<br />

seiner Zeit als Ständiger Vertreter des Offizials in<br />

Vechta hatte Kossen engen<br />

Kontakt zum Caritasverband<br />

und zum<br />

Sozialdienst<br />

katholischer<br />

Frauen. Durch deren Berichte und seine eigenen<br />

Beobachtungen stieg in dem 52-Jährigen die Wut<br />

über die Zustände. Nachdem er die Strukturen der<br />

Fleischindustrie erstmals öffentlich als „mafiaähnlich“<br />

kritisiert hatte, entstand ein mediales<br />

Interesse, dessen Dynamik Kossen überraschte.<br />

„Viele haben mit dieser Position von einem Vertreter<br />

der Kirche nicht gerechnet“, weiß der Pfarrer<br />

aus Diskussionen.<br />

Dass seine Gegner wenig zimperlich sind,<br />

verschreckt Kossen nicht. Unbekannte legten<br />

ihm einmal nachts einen Kaninchenkopf vor die<br />

Haustür, als „Gruß aus der Fleischbranche“. Tags<br />

zuvor hatte er die Arbeitsbedingungen in manchen<br />

Schlachthöfen angeprangert. Ruhe gegeben<br />

hat er trotz der nächtlichen Drohung nicht. Fast<br />

kein Monat vergeht, ohne dass sich der Pfarrer zu<br />

Wort meldet. Die Medien nutzt er seitdem, um<br />

sein Anliegen publik zu machen.<br />

Doch geht es Kossen nicht allein um Aufmerksamkeit.<br />

Er möchte, dass sich etwas ändert.<br />

Und deshalb nennt er bewusst die Namen der<br />

Firmen. Dass ihm dadurch Unterlassungsklagen<br />

drohen, nimmt der Lengericher Pfarrer in Kauf:<br />

„Durch die Namensnennung ist der öffentliche<br />

Druck auf jeden Fall größer.“ Nur so werde deutlich,<br />

dass Unrecht geschehe.<br />

Einer der aufgeführten Unternehmer hat ihn<br />

im vergangenen Jahr zu einem Gespräch zu sich<br />

bestellen wollen. Kossens Bedingung: „Ich komme<br />

nur, wenn Sie uns sagen, was Sie ändern wollen.“<br />

Das Treffen kam nicht zustande. „Ich gehe nicht<br />

dorthin, um mir anzuhören, wie Dinge gerechtfertigt<br />

werden, die es nicht zu rechtfertigen gibt“,<br />

hat Kossen eine klare Position. Unterstützt wird er<br />

übrigens von seinem Bruder, einem Arzt, der viele<br />

der Leiharbeiter als Patienten in seiner Hausarztpraxis<br />

behandelt.<br />

MUT KANN LEBEN RETTEN<br />

JURIST DR. CHRISTIAN HÖRSTRUP IST MITGLIED DER<br />

FREIWILLIGEN FEUERWEHR<br />

Von Ann-Christin Ladermann<br />

Mut kann Leben retten. Dr. Christian Hörstrup<br />

weiß das aus eigener Erfahrung. Seit 18 Jahren<br />

ist der Jurist, der im Bischöflichen Generalvikariat<br />

stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung und<br />

inhaltlich vor allem für das Stiftungs- und Vereinsrecht<br />

sowie das Schulrecht zuständig ist,<br />

Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Mutig sein<br />

für andere – das liegt bei dem 35-Jährigen aus<br />

Cappenberg in der Familie. „Mein Opa war schon<br />

bei der Freiwilligen Feuerwehr, mein Vater und<br />

mehrere Onkel sind es auch, und ich hoffe natürlich,<br />

dass ich diesen Einsatz auch an meine Söhne<br />

Jakob und Julius weitergeben kann.“<br />

Längst bedeute Feuerwehrmannsein nicht<br />

mehr nur, Brände zu löschen. „Durch den vorbeugenden<br />

Brandschutz ist die Anzahl von Brandeinsätzen<br />

in den letzten Jahrzehnten deutlich<br />

zurückgegangen, die technischen Hilfeleistungen<br />

dagegen nehmen zu“, erklärt Hörstrup, „das<br />

kann die Tür sein, die wir für den Rettungsdienst<br />

öffnen, das Öl, das bei einem Verkehrsunfall ausgelaufen<br />

ist und beseitigt werden muss, oder die<br />

berühmte Katze, die wir aus dem Baum retten.“<br />

Seit einigen Jahren ist die Feuerwehr zudem in<br />

feste Strukturen eingebunden und wird beispielsweise<br />

im Katastrophenschutz eingesetzt.<br />

Jedes Mal, wenn der Piepser losgeht oder die<br />

Sirene heult, steigt Hörstrups Adrenalinspiegel:<br />

„Man weiß nie, was einen erwartet, aber der unbedingte<br />

Wunsch zu helfen lässt einen alles stehen<br />

und liegen lassen.“ Mutig sein, weitermachen –<br />

der Cappenberger erinnert sich an mehrere solcher<br />

Einsätze: „Da gab es den Suizid, bei dem wir die<br />

ersten am Einsatzort waren, oder den Verkehrsunfall,<br />

bei dem der Arzt nur noch den Tod des<br />

Opfers feststellen konnte und wir den Verstorbenen<br />

aus dem Autowrack befreien mussten.“<br />

Mut sei vor allem gefragt, wenn die eigene<br />

Gesundheit oder das eigene Leben in Gefahr ist.<br />

Heikel seien Einsätze, bei denen Gas oder giftige<br />

Substanzen austreten und die Feuerwehrleute<br />

Atemschutzgeräte tragen. „Wenn andere rausrennen,<br />

rennen wir rein“, bringt es Hörstrup auf den<br />

Punkt und ergänzt: „Drei Atemzüge von Brandrauch<br />

führen bei einem normalen Menschen zur<br />

Bewusstlosigkeit, da braucht es schon Mut, das<br />

brennende Haus oder den Keller zu betreten.“<br />

Der Jurist, der für seine Doktorarbeit Beruf und<br />

Hobby zusammengebracht hat, indem er die Organisation<br />

der gemeindlichen Feuerwehr in<br />

Nordrhein-Westfalen untersucht hat, ist<br />

Oberbrandmeister und Gruppenführer<br />

seines Löschzugs. Er darf<br />

das mit neun Personen besetzte<br />

Einsatzfahrzeug taktisch führen<br />

und Einsätze leiten, bis der Zugführer<br />

eintrifft. „Besonders bei<br />

schwereren Einsätzen versucht<br />

man, jüngere Kameradinnen und<br />

Kameraden zurückzuhalten“, gibt<br />

Hörstrup ein Beispiel für die Verantwortung,<br />

die damit einhergeht.<br />

Vor allem die Kameradschaft ist es, die<br />

den 35-Jährigen an dem Engagement<br />

reizt. „Manche Situationen können<br />

hart sein, aber man ist nie alleine<br />

bei einem Einsatz. Die anderen<br />

erleben das Ganze<br />

genauso, und darüber<br />

nachher miteinander<br />

zu sprechen,<br />

macht es leichter.<br />

Mir persönlich<br />

hilft dabei auch<br />

mein Glaube.“<br />

16 17


Mut im Alltag<br />

MUT<br />

Michaela Kiepe hat einen<br />

Freund im Sterben begleitet<br />

BIS ZULETZT<br />

vielen Medikamenten. Also machten wir uns<br />

auf den Weg in das Badezimmer. Abduschen war<br />

immer eine große Hilfe. Auf dem Weg trafen wir<br />

die Ärztin, die ihn fragte, wie es ihm gehe. Und<br />

Kurt antwortete trocken: „Mein Stuhl ist ganz<br />

blau.“ Irritiert schaute ihn die Ärztin an. Und verschmitzt<br />

setzte er hinterher: „Ja, gucken Sie hier:<br />

ganz blau“, sagte er und zeigte auf den Toilettenstuhl,<br />

mit dem wir unterwegs waren. Lachend ging<br />

die Ärztin weiter.<br />

„JEMANDEN ZU<br />

ERMUTIGEN IST EINE<br />

WICHTIGE AUFGABE IN<br />

DER SEELSORGE“<br />

Von Michaela Kiepe<br />

Kurt hieß eigentlich Jürgen. Doch irgendwie war er<br />

für alle Kurt. Warum? Das habe ich nie erfahren.<br />

Wir waren Freunde und Kabarettkollegen. Er<br />

jonglierte mit Sprache, hielt Menschen den Spiegel<br />

vor, hatte Humor. Kurt hatte seine eigene Sicht<br />

auf die Dinge und spielte mit gesellschaftlichen<br />

Konventionen. Er hatte ein großes Herz. Zahlreiche<br />

Kabarettnummern sind aus seiner Feder entstanden.<br />

Bei den Proben haben wir viel gelacht.<br />

Dass wir diesen stattlichen Mann einmal beerdigen<br />

müssen, damit hatte niemand in unserer<br />

Gruppe gerechnet. Zunächst meinte der Hausarzt,<br />

dass der aufgeblähte Bauch sich durch Fruchtsäfte<br />

und eine ordentliche Verdauung wieder in Form<br />

bringen ließe. Doch dann die Diagnose: Krebs. Das<br />

riss uns allen den Boden unter den Füßen weg.<br />

Schließlich war Kurt erst 33 Jahre alt.<br />

Doch Kurt nahm auch diese Situation mit Humor<br />

und Optimismus. Er begab sich in Behandlung,<br />

ich begleitete ihn. Allerdings schlug die Behandlung<br />

nicht wie gewünscht an. Zahlreiche Bilder<br />

habe ich noch im Kopf, vor allem von den beiden<br />

letzten Tagen.<br />

Die Schwestern im Krankenhaus hatten mir<br />

schon gesagt, dass es nicht gut stehe um Kurt.<br />

Doch das wollten wir nicht wahrhaben.<br />

Mit einem Schmunzeln erinnere ich mich an<br />

unseren letzten Abend. Seine Haut juckte von den<br />

Das war sein Humor: unverhofft und um die<br />

Ecke gedacht. Auch unter der Dusche drehte er<br />

noch einmal auf. Wir haben viel gelacht, und nach<br />

dem Duschen war meine Kleidung mindestens so<br />

nass wie er. Aber das störte mich nicht. Ich hatte<br />

Hoffnung, Hoffnung auf weitere gemeinsame Zeit.<br />

Gutgelaunt fuhr ich heim. Am nächsten Morgen<br />

erreichte mich jedoch der Anruf eines Freundes,<br />

der mir sagte, ich solle auf dem schnellsten Weg<br />

ins Krankenhaus kommen. Dort traf ich erstmals auf<br />

Kurts Eltern, die sich vom Sauerland aus auf den<br />

Weg nach Münster gemacht hatten. Ich ging in sein<br />

Zimmer. Dort lag Kurt im Bett. An der Wand hing<br />

das Kreuz, das er eigentlich abgenommen hatte,<br />

denn Kirche und Glauben waren nicht sein Ding.<br />

Am Abend hatte er es offenbar wieder aufgehängt.<br />

Seine sonore Stimme war nur noch ein Flüstern.<br />

Seine Familie hatte sich auf den Flur zurückgezogen.<br />

Mit einer Ordensfrau saß ich am Bett. Ich<br />

streichelte seinen Bart, seine Hände. Und plötzlich<br />

begann die Schwester, das Vaterunser zu beten.<br />

Ich hielt seine Hand, und er schlief für immer ein.<br />

Hätte mir jemand vorher gesagt, dass ich bei<br />

einem Sterbenden am Bett sitzen solle, hätte ich<br />

sicher gesagt, dass ich das nicht kann, nicht die<br />

Kraft dazu habe, es mir nicht zutraue. Doch in<br />

dem Moment ging es. Woher die Kraft kam, keine<br />

Ahnung. Aber diese Erfahrung hat mir gezeigt,<br />

dass in dem Moment, in dem ich Kraft brauche,<br />

diese da ist. Von irgendwo her geschenkt.<br />

Es ist viele Jahre her, und ich erinnere mich gern<br />

an Kurt. Er hat mich mit seinem Humor beschenkt,<br />

und er hat uns das Abschiednehmen leicht gemacht.<br />

Ob er das wusste? Ich habe keine Ahnung.<br />

Von Christian Breuer<br />

Schwester Marlies Mauer ist Seelsorgerin im Krankenhaus<br />

Wenn Schwester Marlies Mauer eine der Türen in<br />

dem langen Flur öffnet, braucht sie dafür schon<br />

manches Mal Mut. „Ich weiß oft nie, was mich<br />

hinter dieser Tür erwartet“, sagt sie. Schwester<br />

Marlies betreut als Seelsorgerin im Gelderner<br />

St.-Clemens-Hospital kranke Menschen, Angehörige<br />

und auch das Klinikpersonal. Eine Aufgabe, die<br />

ihr im Alltag immer wieder Mut abverlangt. „Bei<br />

manchen Gesprächen würde auch ich lieber davon<br />

laufen und ihnen aus dem Weg gehen, dann muss<br />

ich meinen Mut zusammennehmen und weiter zuhören“,<br />

weiß sie und fügt lächelnd hinzu: „Manchmal<br />

bin ich selbst überrascht und weiß am Ende gar<br />

nicht, woher ich die Kraft genommen habe“.<br />

Zu Zeiten der Corona-Krise im Krankenhaus zu<br />

arbeiten erfordere hingegen keinen Mut, sagt sie:<br />

„Man macht sich schon seine Gedanken, aber ich<br />

bin nicht von Angst erfüllt. Ich kann mich nur an<br />

die Hygieneregeln halten und hoffen, dass es mich<br />

nicht erwischt und ich noch lange für die Kranken<br />

da sein kann.“ Bei allem Handeln, betont sie, „vertraue<br />

ich auf die Führung des Heiligen Geistes.“<br />

Zu ihrem Alltag im Krankenhaus gehören immer<br />

wieder auch Treffen mit Menschen, die längst<br />

jeglicher Mut verlassen hat, die an unterschiedlichen<br />

Ängsten und Sorgen zu scheitern drohen.<br />

„Einigen von ihnen kann man einen Teil der Zuversicht<br />

zurückgeben“, betont Schwester Marlies.<br />

Ihnen zuzuhören, sie zu bestärken und sich Zeit für<br />

diese Menschen zu nehmen, sei besonders wichtig.<br />

Wenn die Zuwendung dann Erfolg zeigt und die<br />

Menschen wieder einen Weg aus ihrer Perspektivlosigkeit<br />

sehen, das sei auch für sie immer wieder<br />

ein Geschenk, sagt die Ordensschwester. Vielen<br />

fehle schon der Mut für die kleinen, alltäglichen<br />

Dinge, etwa nach dem Krankenhausaufenthalt auf<br />

andere Menschen oder auch die Pfarrei zuzugehen<br />

und um Hilfe oder seelsorgliche Begleitung zu<br />

bitten. „Jemanden zu ermutigen, diese Schritte zu<br />

gehen, ist eine wichtige Aufgabe in der Seelsorge“,<br />

sagt Schwester Marlies.<br />

18 19


Dafür / Dagegen<br />

HOME-OFFICE:<br />

„EIN DAUERHAFTES ARBEITSMODELL ÜBER<br />

CORONA-ZEITEN HINAUS?“<br />

Von Christian Breuer<br />

1,3 Tonnen Kohlendioxid – das ist, konservativ gerechnet, die Menge an klimaschädlichem Treibhausgas,<br />

die mein Auto jährlich ausstößt. Und zwar allein für die tägliche Fahrt zum Büro und<br />

zurück. Dafür sitze ich, wieder aufs Jahr gerechnet, mindestens fünfeinhalb volle Tage hinter dem<br />

Steuer. Im Winter läuft im Büro die Heizung, der Kühlschrank brummt 365 Tage im Jahr vor sich<br />

hin. Ökologisch gesehen also nicht gerade ein Beitrag zu der geforderten Schöpfungsbewahrung.<br />

Ökonomisch betrachtet kostet das Büro Miete, die Steuerrückerstattung über die Pendlerpauschale<br />

geht zu Lasten der Staatskasse – also von uns allen. Und ich wohne 20 Kilometer von meinem<br />

Büro entfernt, es gibt in unserem Flächenbistum sicherlich noch andere Beispiele für Pendlerstrecken.<br />

Da muss die Frage erlaubt sein: Ist das wirklich vertretbar? Ich sage: Nein! Die vergangenen<br />

Wochen im Home-Office haben gezeigt, wie gut man sich innerhalb kürzester Zeit in den eigenen<br />

vier Wänden organisieren kann, und wie groß – selbst trotz der Ausgangsbeschränkungen – der<br />

Gewinn an Lebensqualität ist. Täglich 40 Minuten mehr Zeit für Sport, Spaziergänge, Telefonate<br />

mit Freunden oder, ja, Netflix. Die gesparten Sprit- und Verschleißkosten für das Auto sind noch<br />

ein angenehmer Nebenaspekt.<br />

Sicher: Die Videokonferenz ersetzt nicht den Plausch in der Teeküche oder die schnelle Abstimmung<br />

„über den Flur“. Andererseits kann kaum ein Weg kürzer sein als der zur Kurzwahltaste<br />

des Telefons, wenn es schnell ein Problem zu lösen gilt. Und der Smalltalk mit Kolleginnen und<br />

Kollegen muss nicht ausfallen, wenn man zu Hause ist. Auch das haben die vergangenen Wochen<br />

bewiesen. Sicherlich ist Home-Office nicht für alle Mitarbeitenden sinnvoll, für einige aufgrund<br />

der häuslichen Wohnsituation erst gar nicht möglich. Da, wo es machbar und gewünscht ist,<br />

muss über das dauerhafte Home-Office aber durchaus als attraktives, umwelt- und kostenschonendes<br />

Arbeitsmodell nachgedacht werden.<br />

Von Ann-Christin Ladermann<br />

Die Corona-Krise hat Millionen Menschen zu Heimarbeitern gemacht. Wer kein Arbeitszimmer<br />

zur Verfügung hat, muss seinen Laptop am Küchentisch zwischen schmutzigem Geschirr und<br />

Tageszeitung, noch schlimmer am Wohnzimmertisch mit Blick auf den Fernseher aufbauen.<br />

Sicherlich – das sind Umstände, die man nach Corona optimieren könnte. Doch reichen die technische<br />

Ausstattung und das richtige Setting aus, damit sich Kolleginnen und Kollegen im Home-<br />

Office dauerhaft wohlfühlen? Ich denke nicht.<br />

Es ist nicht nur die Disziplin, die das Arbeiten zu Hause erfordert – und die nicht jeder hat. Es<br />

fehlt nicht nur die klare Trennlinie zwischen Arbeit, Pause und Feierabend, die die Mitarbeitenden<br />

hindert, auch räumlich „abzuschalten“. Es ist auch nicht nur die Kommunikation, die – trotz aller<br />

technischen Hilfsmittel, die in diesen Tagen Hochkonjunktur haben – erschwert wird, weil für<br />

jede Kleinigkeit zum Telefon gegriffen oder eine E-<strong>Mai</strong>l formuliert werden muss.<br />

Nein, es fehlen ganz zentrale Dinge, die sich erheblich auf die Arbeitszufriedenheit auswirken:<br />

der kurze Gruß am Morgen, der den Kollegen in den offenstehenden Büros gilt, der Plausch in der<br />

Teeküche, bei dem Vieles zur Sprache kommt, was einen bewegt, die gemeinsame Mittagspause,<br />

die Raum lässt für Themen jenseits der Arbeit. Wer sein Büro dauerhaft in die eigenen vier Wände<br />

verlagert, dem fehlen diese zwischenmenschlichen Begegnungen – trotz digitaler Konferenzprogramme<br />

wie Teams. Gerade für uns als Mitarbeitende der katholischen Kirche im Bistum<br />

Münster, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, Beziehungen aufzubauen und zu fördern, ist<br />

Home-Office als dauerhaftes Arbeitsmodell darum keine echte Alternative zum gemeinsamen<br />

Alltag in den Büros und Einrichtungen.<br />

20 21


Nachgefragt<br />

„WO IST IHR MUT ALS CHRISTIN ODER CHRIST GEFRAGT?“<br />

Robert Luttikhuis<br />

Pastoralassistent, St. Peter und Paul Cappeln<br />

„Für mich gilt es, dem oftmals gesellschaftlichen<br />

Karussell der Verdrehung prüfend und besonders<br />

aufmerksam gegenüberzustehen. Das erfordert,<br />

mich kritisch zu überdenken, um gegebenenfalls<br />

neue Erkenntnisse in die Zukunft hineinzutragen.<br />

Mein Glaube ermutigt mich dazu!“<br />

Yvonne Ahlers<br />

Schulseelsorgerin, Oldenburg<br />

„Das Leid der Menschen weltweit zu sehen und<br />

auszuhalten und dennoch die Hoffnung nicht<br />

zu verlieren, dass Gott uns Menschen liebt –<br />

da ist mein Mut als Christin gefragt und herausgefordert.“<br />

Mechtild Sicking<br />

Pastoralreferentin, Heilig Kreuz Heek<br />

„Was ist Mut? Ich glaube, dass von mir in meiner<br />

privilegierten Stelle als Pastoralreferentin in<br />

Deutschland kein besonderer Mut gefordert ist.<br />

Vielleicht ecke ich mit meiner Meinung an,<br />

wenn ich absichtlich provoziere und zum Beispiel<br />

Traditionen in Frage stelle. Das ist in meinen<br />

Augen kein Mut. Mutig sind die Christen, die trotz<br />

massiver Christenverfolgung in ihrer Heimat ihrem<br />

Glauben treu bleiben. Mutig sind in meinen Augen<br />

aber auch die 14- bis 15-jährigen Firmbewerberinnen<br />

und -bewerber, die sich entgegen dem<br />

Trend entscheiden, die Firmvorbereitung ernst<br />

zu nehmen und regelmäßig teilnehmen, sogar<br />

Gottesdienste vorbereiten und besuchen. Sie<br />

nehmen dafür mutig den Spott ihrer Mitschülerinnen<br />

und Mitschüler in Kauf.“<br />

Tobias Busche<br />

Pastoralreferent, St. Martinus Greven<br />

„Ich bin überzeugt, dass jede und jeder einzelne<br />

von uns – egal ob Christin oder Christ oder nicht –<br />

gefragt ist, wenn Menschen anderen Menschen<br />

das Recht auf ein gleichberechtigtes, würdiges<br />

Leben aberkennen. Sei es aufgrund von Herkunft,<br />

Geschlecht, Sexualität, Religiosität oder politischer<br />

Gesinnung. Ich glaube fest, dass alle Menschen<br />

Kinder Gottes sind und entsprechend behandelt<br />

werden müssen. Dafür nicht nur in Gesellschaft,<br />

sondern auch im kirchlichen System einzustehen,<br />

kann Mut erfordern.“<br />

22 23


Nachgefragt<br />

Sabine Grimpe<br />

Pastoralreferentin, St. Jakobus Ennigerloh<br />

„Mut zeigen heißt, zu meinen Überzeugungen<br />

stehen, wenn Angehörige im Trauergespräch<br />

signalisieren, dass sie keine persönlichen Worte<br />

und kein Glaubenszeugnis für notwendig erachten.<br />

Mir ist es ein Anliegen, von meiner Hoffnung zu<br />

sprechen, die ich im Herzen spüre.“<br />

Ulla Büssing-Markert<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberaterin, Coesfeld<br />

und Pastoralreferentin, St. Laurentius Senden<br />

„Mut braucht es, in Gesprächen mit existenziellen<br />

und zutiefst menschlichen Fragen und Themen<br />

nicht auszuweichen, sondern sich selbst<br />

behutsam anzubieten.“<br />

Peter Fendel<br />

Pastoralreferent, St. Peter Duisburg-Rheinhausen<br />

„Mut ist gefragt, wenn ich als Christ aus meiner<br />

Komfortzone ausbreche. Wenn ich herrschende<br />

Logiken und Plausibilitäten in Kirche und Welt<br />

durchbreche. Wenn ich Mechanismen der Macht,<br />

der Abwertung und Ausgrenzung unterbreche.<br />

Wenn ich zu neuen Wegen aufbreche.“<br />

Florian Kübber<br />

Lehrer, Erich-Klausener-Schule, Herten<br />

„Mein Mut als Christ ist gefragt, wenn ich mich<br />

noch mehr für sozial schwächere, unterdrückte<br />

oder verfolgte Menschen einsetze und dabei auch<br />

meine eigenen Interessen zurückstelle – auch wenn<br />

es Kompromisse oder persönliche Einschränkungen<br />

bedeutet. Aufeinander zugehen (was manchmal<br />

schwerfällt), Hemmschwellen abbauen und überwinden<br />

bedeutet Mut, ebenso das Einlassen auf<br />

fremde und unbekannte Kulturen. Dieser Mut kann<br />

aber auch das eigene Leben sehr bereichern, wie<br />

ich in vielen Situation im Schulalltag mit meinen<br />

internationalen Schülern feststellen darf.“<br />

24 25


Interview<br />

„ZEIT, MUTIG ZU SEIN!“<br />

Maria Bubenitschek leitet seit dem 1. Februar<br />

die Hauptabteilung Seelsorge im Bischöflichen<br />

Generalvikariat. Wie die erste Hauptabteilungsleiterin<br />

im Bistum Münster die Corona-Krise<br />

erlebt, welchen Herausforderungen sie sich mutig<br />

stellen möchte und warum sie Pippi Langstrumpf<br />

für eine besondere junge Frau hält, darüber<br />

hat sie mit Stephan Kronenburg für den<br />

<strong>Liudger</strong> gesprochen.<br />

Frau Bubenitschek, die Corona-Krise hat vieles<br />

auf den Kopf gestellt. Wird die Krise mittelfristig<br />

Auswirkungen auf die Seelsorge im Bistum<br />

Münster haben?<br />

Bubenitschek: Das hat sie nach meiner Einschätzung<br />

auf jeden Fall. Positiv betrifft das vor allem<br />

die Art und Weise der Kommunikation und der<br />

Vernetzung. Es gibt jetzt Vernetzungen, die vor der<br />

Krise undenkbar gewesen wären: Das wird bleiben.<br />

Negativ ist, dass es jetzt eine große Vorsicht im<br />

Umgang miteinander gibt.<br />

Die Krise kann uns zudem sehr deutlich vor Augen<br />

führen: Was wird vermisst in dieser Zeit? Auch<br />

an Angeboten, die wir ansonsten mit scheinbarer<br />

Selbstverständlichkeit machen. Und was bedeutet<br />

das für die Zukunft? Positiv gewendet: Wo können<br />

wir künftig als Hauptabteilung wirklich hilfreich sein<br />

für Pfarreien und Einrichtungen?<br />

Aktuell machen wir uns viele Gedanken über die<br />

‚Nach-Corona-Zeit‘. Aus meiner Sicht kann nach<br />

der Corona-Krise die Pastoral nicht einfach wieder<br />

hochgefahren werden. Es wird nicht alles so sein<br />

wie früher, also wie vorher. Ich denke, das würde<br />

nicht funktionieren und wäre nicht gut.<br />

Meine Wahrnehmung ist die, dass es in der Krise<br />

sehr viele kreative seelsorgliche Angebote gibt.<br />

Nehme ich diese im Alltag ansonsten einfach<br />

nicht so wahr, oder ist es schon so, dass die Krise<br />

zeigt, dass viel mehr Potenzial da ist, als das im<br />

Alltag oft scheint?<br />

Bubenitschek: Da gilt sicher beides. Ich glaube in<br />

der Tat, dass man im Alltag – und damit bezeichnen<br />

wir ja jetzt die „Vor-Corona-Zeit“ – manches nicht<br />

wahrnimmt. Und ich bin auch davon überzeugt,<br />

dass Menschen nun auf eine Art und Weise kreativ<br />

werden, die vorher so nicht gefragt war. Wir erleben<br />

eine besondere Zeit, die besondere Kräfte<br />

und Charismen fordert und freisetzt. Das sieht man<br />

etwa daran, wie leicht und kurzfristig in der Krise<br />

Vernetzungen möglich sind. Videokonferenzen<br />

schienen noch vor kurzem kaum möglich, nun<br />

bestimmen sie plötzlich den Alltag von vielen,<br />

und es funktioniert.<br />

Die Krise stellt uns alle, Sie haben es angedeutet,<br />

vor neue Herausforderungen. Würden Sie von<br />

sich selbst – auch in einer derart besonderen Situation<br />

– sagen, dass Sie ein mutiger Mensch sind<br />

und wenn ja, wo verlässt Sie dann doch der Mut?<br />

Bubenitschek: Grundsätzlich bin ich ein mutiger<br />

Mensch. Als ich die Leitung der Hauptabteilung<br />

Seelsorge übernahm, bekam ich von meiner<br />

Familie verschiedene Postkarten geschenkt. Auf<br />

einer steht, und die hängt in meinem Büro auf<br />

Augenhöhe: „Zeit, mutig zu sein!“ Ich finde, dass<br />

besonders in dieser Zeit Mut gefragt ist. Wir sollten<br />

den Mut haben, neue Wege in der Pastoral zu<br />

gehen. Das ist jetzt dran.<br />

Was mich in der Krise ohnmächtig stimmt und<br />

traurig macht, ist die Tatsache, dass in meinem<br />

persönlichen Bekanntenkreis die existenzielle Situation<br />

von vielen auf Messers Schneide steht. Das<br />

lässt mich fast verzweifeln und macht mich sehr<br />

betroffen.<br />

Ohnmächtig bin ich angesichts der Gewalt, die in<br />

Familien zunimmt, die auf engem Raum zusammenleben<br />

und sich nicht aus dem Weg gehen können,<br />

und auch angesichts der Situation vieler älterer<br />

Menschen, die sehr einsam sind.<br />

Sie nehmen an vielen Leitungssitzungen im<br />

Bistum Münster teil. Braucht es da manchmal<br />

Mut, das zu sagen, was Ihnen wichtig ist?<br />

Bubenitschek: Grundsätzlich versuche ich auch<br />

hier immer authentisch und ehrlich zu sein. Vielleicht<br />

ist das manchmal ein bisschen unbequem.<br />

Für mich heißt das aber, Position zu beziehen und<br />

für das einzustehen, was mir wichtig ist. Das tue<br />

ich und versuche, es strategisch klug zu tun, gerne<br />

und hoffentlich nett und charmant, aber bestimmt<br />

in der Sache. So erscheint es mir etwa unerlässlich,<br />

dass wir im Generalvikariat stärker querschnittsmäßig<br />

denken und arbeiten. Wir müssen raus aus<br />

der Versäulung. Das erfordert Mut, Mut zur Veränderung.<br />

Ich glaube, dass wir vor einem Change-<br />

Prozess stehen beziehungsweise schon mitten in<br />

diesem drin sind. In einem solchen Prozess ist<br />

Mut gefragt. Denn wir müssen bereit sein, manches<br />

aufzugeben, was vielleicht lange galt. Zugleich<br />

müssen wir offen sein für Neues. Ich sehe es<br />

dabei für mich als großes Glück an, dass ich<br />

noch relativ neu im Bistum und noch neuer in<br />

der Hauptabteilung Seelsorge bin. Deshalb bin<br />

ich nicht so verwoben mit alten Strukturen.<br />

Apropos Hauptabteilung Seelsorge. Seit dem<br />

1. Februar leiten Sie diese. Mussten Sie sich selbst<br />

Mut machen, um diese Aufgabe zu übernehmen?<br />

Bubenitschek: Ja, das war eine mutige Entscheidung.<br />

Mich reizte die Aufgabe von Anfang an; von<br />

daher war mir schnell klar, dass ich ‚Ja‘ sage, als der<br />

Bischof und der Generalvikar mich gefragt haben.<br />

Mut und Lust hängen bei dieser Aufgabe für mich<br />

eng miteinander zusammen. Mut braucht es, weil<br />

klar ist: Es stehen deutliche Veränderungen an, und<br />

als Hauptabteilungsleiterin werde ich diese Veränderungen<br />

mitgestalten. Diese Herausforderung<br />

nehme ich gerne lustvoll an.<br />

26 27


Interview<br />

Woran liegt es, dass unser Blick auf Frauen in<br />

solchen Führungspositionen oft ein anderer ist<br />

als der auf Männer?<br />

Bubenitschek: Wenn ich ein Mann wäre, hätten<br />

Sie mir die Frage natürlich so nicht gestellt. Das<br />

liegt vielleicht daran, dass Frauen in solchen<br />

Positionen leider noch immer etwas exotisch<br />

wirken oder wahrgenommen werden. In meiner<br />

Berufsbiografie bin ich oft die erste oder die einzige<br />

Frau gewesen, die eine bestimmte Aufgabe<br />

übernommen hat. Und jetzt bin ich eben die erste<br />

Hauptabteilungsleiterin. Die Herausforderung<br />

ist da, unabhängig davon, ob eine Frau oder ein<br />

Mann die Leitung inne hat.<br />

Warum gelingt es aber der Kirche nicht, mehr mutige<br />

Frauen für Führungspositionen zu gewinnen?<br />

Bubenitschek: Was ich fatal fände, wäre, wenn<br />

man Frauen nur deshalb für Führungspositionen<br />

aussucht, weil sie Frauen sind. Es muss um Qualifikation<br />

gehen. Daher bin ich auch gegen eine<br />

Quote und damit gegen Quotenfrauen. Vielleicht<br />

hat die geringe Präsens von Frauen in Führungspositionen<br />

mit damit zu tun, dass sich manche<br />

Frauen Führung und Leitung nicht zutrauen<br />

oder sich für Positionen und Aufgaben für nicht<br />

geeignet halten. Bei mir war das schon immer<br />

anders. Schon in meiner Schulzeit – ich habe auf<br />

einem Mädchengymnasium Abitur gemacht –<br />

hatte ich die Wahrnehmung, dass Mädchen die<br />

Welt offen steht. Ich hatte viele Mitschülerinnen,<br />

die in Fächern wie Mathematik oder Physik, die<br />

jungendominiert sind, tolle Leistungen erbracht<br />

haben. Ich selbst habe dann Religionspädagogik<br />

studiert und mich damit auf den Weg gemacht<br />

zu einem Arbeitgeber, der männerdominiert ist.<br />

Für mich habe ich das immer als Herausforderung<br />

und damit als Chance gesehen, mich als Frau<br />

einzubringen und zu zeigen, welche Möglichkeiten<br />

Frauen in dieser Kirche haben.<br />

Sie haben in Ihrer neuen Position viele Möglichkeiten,<br />

Dinge insbesondere in der Pastoral zu<br />

verändern und neu anzugehen. Sind Sie mutig<br />

genug, sich der Wirklichkeit tatsächlich und<br />

ungeschminkt zu stellen und grundlegende<br />

Veränderungen anzustoßen?<br />

Bubenitschek: Ich habe den Mut dazu. Und ich ermutige<br />

die Mitarbeitenden in der Hauptabteilung<br />

Seelsorge, unkonventionell<br />

zu denken und<br />

alte Zöpfe abzuschneiden.<br />

Wir müssen sehr<br />

genau schauen, was<br />

läuft gut und was nicht.<br />

Dann müssen wir<br />

mutig genug sein, zu<br />

sagen: Das machen wir<br />

nicht mehr. Das gilt in<br />

gleicher Weise für die<br />

Seelsorge vor Ort.<br />

Mit einem Gottesdienst auf Instagram hat<br />

Pastor Christian Olding aus Geldern die<br />

Online-Gemeinde auf Ostern eingestimmt.<br />

Ein Beispiel von vor Ort. In Münster werden an<br />

einem normalen Wochenende 90 Vorabendmessen<br />

und Messen am Sonntag gefeiert.<br />

Das klingt jetzt noch nicht nach einer<br />

grundlegenden Veränderung.<br />

Bubenitschek: Zum einen ist das in Münster sicher<br />

noch einmal anders als vielleicht in einem kleinen<br />

Ort am Niederrhein. Im Bistum Aachen, in dem<br />

ich 28 Jahre gearbeitet habe, sind die pastoralen<br />

Bedingungen und Eucharistieangebote schon lange<br />

völlig anders. Ich habe in einem Pastoralteam mit<br />

‚zweieinhalb Priestern‘ gearbeitet – einer von dreien<br />

war krank, daher ‚zweieinhalb‘ – und wir waren für<br />

zwölf Kirchengemeinden zuständig. Da war nur alle<br />

drei Wochen in jeder Pfarrkirche eine Eucharistiefeier<br />

möglich. In der Zeit „dazwischen“ waren<br />

Ehren- und Hauptamtliche dafür verantwortlich,<br />

Formen zu finden, in denen die Menschen Leben<br />

und Glauben feiern können.<br />

Auch im Bistum Münster wird sich sehr viel verändern.<br />

Hierzu wird auch die Corona-Krise beitragen,<br />

macht sie doch manches sehr offensichtlich. Es<br />

werden auf einmal Gottesdienste gefeiert, die fast<br />

an urchristliche Formen anknüpfen. Wenn wir das<br />

ernst nehmen, dann wird sich unser liturgisches<br />

Vollziehen verändern und verändern müssen.<br />

Von Münster einmal kurz der Blick in die Weltkirche:<br />

Welche Entscheidung des Papstes fänden<br />

Sie mutig?<br />

Bubenitschek: Ich fände es mutig, wenn die<br />

Verantwortung für die einzelnen Bistümer wirklich<br />

den jeweiligen Ortsbischöfen zugesprochen würde.<br />

Die Bischöfe hätten dann mehr Verantwortung<br />

für das, was sich gerade auch pastoral in ihren<br />

Bistümern entwickelt.<br />

Sie heißen mit Vornamen Maria. Inwieweit ist<br />

die Gottesmutter für Sie Vorbild … auch im Blick<br />

auf ein mutiges Verhalten?<br />

Bubenitschek: Ja, die ‚Magnificat Maria‘, die finde<br />

ich richtig klasse. Sie singt ein großes Loblied, auf<br />

den, der sich ihr und allen Machtlosen, Hungernden<br />

und Geringen zuwendet und der aufruft,<br />

die Mächtigen vom Thron zu stoßen. Was mich<br />

darüber hinaus an Maria beeindruckt, ist, dass<br />

sie „Ja“ gesagt hat und sich so auf etwas völlig<br />

Unvorstellbares wie das Gebären von Gottes Sohn<br />

eingelassen hat.<br />

Gegen Ende unseres Gesprächs würde ich Sie<br />

bitten, zu sagen, ob Sie bei den folgenden<br />

Ereignissen eher mutig oder ängstlich wären:<br />

Mit dem Fallschirm springen:<br />

Würde mich total reizen. Finde ich spannend.<br />

Heuschrecken in Mexiko essen:<br />

Da wäre ich eher ängstlich.<br />

„Maria 2.0 -Button“ im Bischöflichen Rat tragen:<br />

Würde ich tun.<br />

Live-Übertragung an Ostern aus dem fast menschenleeren Dom.<br />

Eingreifen, wenn Schwächere angegriffen werden:<br />

Habe ich schon gemacht.<br />

Radikal nachhaltig und klimabewusst leben:<br />

Da könnte ich noch mutiger sein.<br />

Und zum Schluss gebe ich Ihnen Halbsätze vor<br />

und bitte Sie, diese zu ergänzen:<br />

Wenn ich einmal all meinen Mut zusammennehme,<br />

dann würde ich etwas ganz Verrücktes<br />

tun, zum Beispiel einen Trip durch die Wüste.<br />

Wenn ich mutlos bin, dann hilft es mir,<br />

einen Milchkaffee zu trinken und mit<br />

jemandem zu sprechen.<br />

Die mutigste Frau in der Geschichte ist für mich<br />

eine erdachte, fiktive junge Frau oder besser ein<br />

Mädchen, nämlich Pippi Langstrumpf, weil sie<br />

völlig unkonventionell ist.<br />

Der mutigste Mann in der Geschichte ist für<br />

mich – neben Jesus – aufgrund seines gesamten<br />

Lebenszeugnisses Mahatma Gandhi.<br />

28 29


Schule mit Courage<br />

IM EINSATZ<br />

FÜR DEN<br />

NÄCHSTEN<br />

Tanja Lamsieh-Köhl<br />

ALEXANDRINE-HEGEMANN-BERUFSKOLLEG<br />

IST „SCHULE MIT COURAGE“<br />

Seit 2003 trägt das Alexandrine-Hegemann-Berufskolleg mit den Schwerpunkten Gesundheit und<br />

Soziales in Recklinghausen das Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Was das für die<br />

Schulgemeinschaft bedeutet, wie aus Worten Taten werden und was das alles mit Mut zu tun hat,<br />

erläutert Tanja Lamsieh-Köhl im Interview mit Michaela Kiepe. Sie betreut, zusammen mit zwei<br />

Kolleginnen, das Projekt in dem Berufskolleg des Bistums Münster.<br />

Braucht es in der heutigen Zeit Mut, sich zu engagieren?<br />

Lamsieh-Köhl: Mut ist insofern erforderlich, als dass es insbesondere in diesen Zeiten gilt, rechtsextreme<br />

Hetze zu durchbrechen und sich populistischen Aussagen entgegen zu stellen. Sie fließen wie ein schleichendes<br />

Gift in die Köpfe der Menschen. Mut ist erforderlich, um nein zu sagen, wenn Vorurteile geschürt<br />

werden, und Mut ist auch gefragt, um sich selbst kritisch zu hinterfragen. Es erfordert ebenso Mut, sich<br />

auf Menschen zuzubewegen, Kulturen kennenzulernen, die mir vielleicht fremd erscheinen, um am Ende<br />

festzustellen: „Alle Menschen sind gleich, wir sind alle auf der Suche nach Liebe, Sicherheit, Geborgenheit.“<br />

Als Lehrerin empfinde ich es als besondere Verantwortung, das kritische Denken der Schülerinnen und<br />

Schüler anzuregen und sie anzuhalten, beherzt und mutig gegen alle Formen von Rassismus und<br />

Diskriminierung einzutreten.<br />

Sie sind auch Schulseelsorgerin. Welche Rolle spielt im Kampf gegen den Rechtsextremismus<br />

die Schulpastoral?<br />

Lamsieh-Köhl: Schulpastoral will „helfen und heilen aus dem Glauben an den Gott des Lebens und seine in<br />

Jesus Christus offenbar gewordene Menschenfreundlichkeit. Menschen aller Altersstufen und Lebenslagen<br />

im Lebensraum Schule soll geholfen werden, die im christlichen Glauben liegenden Lebenschancen zu<br />

verstehen und zu ergreifen“. So umschreibt die Deutsche Bischofskonferenz allgemein einen Grundsatz<br />

der Schulpastoral.<br />

Was bedeutet das konkret für das Alexandrine-Hegemann-Berufskolleg?<br />

Lamsieh-Köhl: Auf unsere Schule bezogen bedeutet dies Parteinahme und Zuwendung für die Schwächeren<br />

der Schulgemeinde und Einsatz, aus einer christlichen Grundhaltung heraus, für die Schwachen und<br />

Benachteiligten dieser Welt. Konkretisiert beziehungsweise erweitert wird diese Haltung an unserer Schule<br />

durch die Projektarbeit im Rahmen der „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Dieses Projekt hat<br />

viele Facetten.<br />

So pflegen wir seit 25 Jahren einen jüdischen Friedhof in Miroslav / Tschechien, gestalten das Schulleben aktiv<br />

durch sogenannte Zeitzeichen unter anderem zur Reichsprogromnacht, begehen mit der Schulgemeinde<br />

die Gedenkveranstaltung zum Holocaust Gedenktag, laden zu Gesprächen mit Zeitzeugen ein, organisieren<br />

Ausstellungen und Aktionen. Seit dem Schuljahr 2015 / 16 wird das Projekt durch das Projekt „Begegnungen“<br />

erweitert, das für und mit Flüchtlingen durch Schülerinnen und Schüler unserer Schule durchgeführt wird.<br />

Schülerinnen und Schüler des bischöflichen Alexandrine-Hegemann-Berufskolleg setzten sich dafür ein, dass die Familie ihrer<br />

Mitschülerin Milena Cela (Mitte) nicht abgeschoben wird. Sie durfte zwar bleiben, ihre Eltern und der jüngere Bruder mussten<br />

aber zurück in ihr Heimatland Albanien.<br />

Was verbirgt sich hinter dem Projekt?<br />

Lamsieh-Köhl: Die Flüchtlingsströme vor knapp fünf Jahren und das damit verbundene Schicksal der<br />

Betroffenen wirken auch in unsere Schulgemeinde hinein. So ist das Thema immer wieder präsent in<br />

Unterrichtsgesprächen, Atempausen und Pausengesprächen. Durch unseren Kontakt mit dem Sozialdienst<br />

katholischer Frauen (SkF) Recklinghausen entstand die Idee, Ressourcen unserer Schülerinnen und Schüler<br />

für Flüchtlingskinder zu nutzen und in Zusammenarbeit mit dem SkF Recklinghausen Angebote in der<br />

Flüchtlingsunterkunft an der Herner Straße einzurichten. Die Projektidee stieß auf großes Interesse in<br />

der Schülerschaft. Die Schülerinnen und Schüler besuchten zunächst die Unterkünfte und die Bewohner,<br />

entwickelten dann eigene Ideen für Angebote und führten diese in der Unterkunft eigenständig und in<br />

ihrer Freizeit durch.<br />

Wie sieht das konkret aus?<br />

Lamsieh-Köhl: Die Angebotspalette ist sehr vielfältig und reicht von Bewegungsangeboten über gestalterisches<br />

Arbeiten bis hin zur Hausaufgabenhilfe. Einige Schülerinnen und Schüler haben auch eine Patenschaft für ein<br />

Flüchtlingskind übernommen und verbringen mit diesem seine Freizeit, um eine Abwechslung vom tristen<br />

Alltag im Flüchtlingsheim zu schaffen und das neue Umfeld besser kennenzulernen.<br />

In unregelmäßigen Abständen finden Besprechungen zwischen dem SkF und unserer Schule statt. Außerdem<br />

nehmen unsere Schülerinnen und Schüler an Festen in der Unterkunft teil, gestalten dort das Rahmenprogramm<br />

mit oder zeigen Präsenz am Weltflüchtlingstag in Kooperation mit UNICEF. Integration bedeutet<br />

nachhaltiges Arbeiten. Daher wird das Projekt in den kommenden Schuljahren fortgesetzt und somit fester<br />

Bestandteil unserer Schulkultur. Das Engagement unserer Schülerschaft zeigte sich auch bei der drohenden<br />

Abschiebung einer Mitschülerin. Die Klassenkameraden starteten eine Petition, und die Schülerschaft<br />

sammelte in der Projektwoche Geld für die Familie, um die Anwaltskosten zum Teil zu decken.<br />

Was treibt Sie an?<br />

Lamsieh-Köhl: Den katholischen Schulen kommt eine besondere Verantwortung zu, das Gebot der<br />

Nächstenliebe praktisch umzusetzen, indem man sich um seine Nächsten kümmert, offen und tolerant<br />

durchs Leben geht und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, wo die Gesellschaft droht, auseinanderzudriften.<br />

Es bedarf mutiger Menschen, die sich einsetzen für die Schwächsten unserer Gesellschaft.<br />

Dies beweisen unsere SchülerInnen und Schüler an vielen Stellen durch ihr Engagement. Das macht mich<br />

stolz und treibt mich jeden Tag auf‘s Neue an.<br />

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Lesetipps<br />

LESETIPPS!<br />

Die Kolleginnen der Fachstelle Büchereien kennen und empfehlen spannende Bücher, in denen es um Mut geht.<br />

Victor Dalmau , ein junger Medizinstudent, geht<br />

1938 in den Wirren des spanischen Bürgerkriegs an<br />

die Front, um die dortigen Ärzte zu unterstützen –<br />

auf Seiten der Revolutionäre, die gegen Franco<br />

kämpfen. Dort erwirbt er „Nervenstärke und<br />

medizinische Kenntnisse, die keine Universität der<br />

Welt ihm hätte vermitteln können“.<br />

Roser Bruguera ist eine junge Pianistin, die von<br />

Victors Bruder ein Kind erwartet. Der Bruder hat<br />

sich den Revolutionstruppen angeschlossen und<br />

gilt als verschollen. Victor will sich um Roser und<br />

das Kind kümmern, da er befürchtet, dass sein<br />

Bruder tot ist.<br />

Als sich der Sieg von Francos Truppen abzeichnet,<br />

fliehen beide auf unterschiedlichen Wegen nach<br />

Frankreich und sind nacheinander im Flüchtlingslager<br />

interniert. Über eine Schweizer Ärztin gelingt<br />

die Kontaktaufnahme.<br />

Victor bekommt auf dem Schiff, das Pablo Neruda<br />

mit finanzstarken Chilenen 1939 zur Rettung spanischer<br />

Flüchtlinge organisiert hat, einen Platz für<br />

Roser, ihren Säugling Marcel und sich selbst. Vorab<br />

muss geheiratet werden. Die Ehe gilt beiden als<br />

Zweckgemeinschaft, und so tritt die kleine Familie<br />

Allende, Isabel<br />

Dieser weite Weg<br />

die Überfahrt nach Chile an. Dort stellen sich neue<br />

Herausforderungen: die Arbeits- und Wohnungssuche<br />

als Flüchtlinge, das Ankommen in einer neuen<br />

Gesellschaft, deren Regeln man nicht kennt, und<br />

die Trauer um die Menschen in der alten Heimat<br />

und um die alte Heimat selbst.<br />

Weitere Umbrüche müssen bewältigt werden:<br />

Pinochets Militärdiktatur mit einem elfmonatigen<br />

Gefängnisaufenthalt Victors, ein Neuanfang in<br />

Venezuela für die mittlerweile 60-jährigen Eheleute<br />

und die Rückkehr nach Chile 1983.<br />

Wieviel Mut braucht es, sich solchen Brüchen<br />

im Leben immer wieder zu stellen und sie zu<br />

meistern? Woher nimmt man die Hoffnung,<br />

dass es dieses Mal besser enden wird? Einfache<br />

Antworten gibt es nicht, aber eine spannend<br />

erzählte Geschichte mit gut recherchierten<br />

geschichtlichen Hintergründen und dazu eine<br />

komplizierte Liebesgeschichte, die den Wandel<br />

von Gefühlen zulässt und aushält.<br />

ISBN 978-3-518-42880-1<br />

24 Euro<br />

Was hat Mut mit dem Bewahren von Geheimnissen<br />

zu tun? Eine ganze Menge! Denn: Darf<br />

man sich trauen, ein Geheimnis zu verraten? In<br />

dieser Zwickmühle steckt der kleine Ramin. Er soll<br />

seinem Kindergartenfreund nicht vorher sagen,<br />

welches Geburtstagsgeschenk er für ihn gekauft<br />

hat. „Ein Geheimnis darf man nicht verraten“, sagt<br />

seine Mama. Versprochen ist versprochen und<br />

wird nicht gebrochen. Das ist für Ramin ganz klar.<br />

Und damit fühlt er sich gut, denn er hat etwas<br />

Schönes für seinen Freund ausgesucht.<br />

Dann passiert am nächsten Tag aber etwas<br />

Dummes. Ein größerer Junge schießt beim Spiel<br />

den Fußball in eine Fensterscheibe, die zerbricht.<br />

Aber statt zum Nachbarn zu gehen und um Entschuldigung<br />

zu bitten, laufen er und seine Freunde<br />

weg – unter der Drohung, dass dieses Geheimnis<br />

nicht verraten werden darf, denn dann werde<br />

etwas ganz Schlimmes passieren.<br />

Ramin ist verunsichert, weil ihm dieses zweite<br />

Geheimnis irgendwie Angst macht. Seine Eltern<br />

fragen ihn danach, doch er verrät nichts. Seine<br />

Mama hat ja gesagt, dass Geheimnisse nicht<br />

verraten werden dürfen.<br />

Fabian, Clemens und Zels, Mirjam<br />

Soll ich es sagen?<br />

Eine Geschichte über Geheimnisse<br />

Zum Glück gibt es zwei Erwachsene, die ihm erklären,<br />

dass es gute und schlechte Geheimnisse<br />

gibt. Bei guten, wie dem Geschenk für seinen<br />

Freund, fühle man sich auch gut. Wenn man sich<br />

aber schlecht fühle, sei es ein schlechtes Geheimnis.<br />

Und das darf man mit jemandem teilen,<br />

wenn man unsicher ist. „Jeder Mensch sollte eine<br />

Person haben, der er solche Geheimnisse erzählen<br />

kann. Eine Person, der man alles anvertrauen kann“,<br />

sagt sein Onkel zu ihm. Ramin ist erleichtert, denn<br />

das ist bei ihm seine Mutter. Ihr kann er sich anvertrauen,<br />

und sie hört ihm zu.<br />

Eine Geschichte für kleinere Kinder, die im<br />

weitesten Sinne helfen kann, Gut und Böse zu<br />

unterscheiden und Hilfe in schwierigen Situationen<br />

zu geben. Gut einsetzbar ist sie auch in der Präventionsarbeit.<br />

ISBN 978-3-944442-78-5<br />

16 Euro<br />

32 33


Lesetipps<br />

Ironmonger, John<br />

Der Wal und das Ende der Welt<br />

Roman<br />

Kinnear, Nicola<br />

Henri, der mutige<br />

Angsthase<br />

St. Piran ist ein kleines Fischerdorf irgendwo an<br />

der englischen Küste in Cornwall. Es liegt sehr<br />

idyllisch und abgeschieden am Ende einer Landspitze,<br />

erreichbar nur über eine einzige Straße.<br />

Hier geschehen ungewöhnliche Dinge: Ein<br />

großer Wal wird nah am Strand gesichtet, gleichzeitig<br />

wird ein junger Mann entdeckt, den das<br />

Meer angespült hat. Er ist nicht tot und wird von<br />

der Dorfgemeinschaft liebevoll aufgenommen und<br />

aufgepäppelt. Nach und nach wird klar, wie er in<br />

diese Situation gekommen ist. Joe Haak war<br />

Mitarbeiter einer großen Bank in London und<br />

dort an der Programmierung eines Computerprogramms,<br />

Cassie, beteiligt, das für Börsenspekulationen<br />

Preisbewegungen der weltweiten<br />

Märkte für einige Dutzend Stunden im voraus<br />

vorhersagen konnte.<br />

Als sich Cassie allerdings verrechnet und in<br />

der Bank falsche Entscheidungen getroffen<br />

werden, droht das ganze wirtschaftliche System<br />

zu kollabieren. Joe weiß durch seinen Job, wie<br />

instabil unsere Gesellschaft durch ihre Komplexität<br />

ist. Er gibt in London fluchtartig alles auf und<br />

landet durch glückliche Umstände in dem kleinen<br />

Fischerdorf.<br />

Er gibt alles dafür, St. Piran und seine Bevölkerung<br />

in den Zeiten der Ungewissheit zu schützen.<br />

Durch die Abgeschiedenheit des Dorfes bleibt es<br />

tatsächlich von den extremen Auswirkungen der<br />

gesellschaftlichen Krise relativ verschont.<br />

Eine berührende Geschichte mit vielen interessanten<br />

und liebevoll beschriebenen Charakteren.<br />

Eine Geschichte, die Mut macht, weil sie<br />

an das Gute im Menschen glauben lässt. Und<br />

eine Geschichte, die derzeit an Aktualität nicht<br />

zu überbieten ist.<br />

Und was wird aus dem Wal? Nun, er hat Joe<br />

gerettet, strandet selbst und wird auf Initiative von<br />

Joe in einem Gemeinschaftsakt vom ganzen Dorf<br />

gerettet. Am Ende trägt er dazu bei, dass es allen<br />

gut geht.<br />

ISBN 978-3-10-397427-0<br />

22 Euro<br />

Die Hasen Henri und Luna sind dicke Freunde,<br />

aber ganz unterschiedliche Charaktere. Luna ist<br />

eine Draufgängerin, die immer etwas erleben und<br />

deshalb nach draußen will. Henri dagegen ist ein<br />

echter Höhlenhocker, der am liebsten auf seinem<br />

Lieblingssessel sitzt und zu Hause bleibt. Luna<br />

fordert ihn zu allem Möglichen auf, aber ihm ist<br />

das alles zu gefährlich.<br />

Sie beschimpft ihn als Angsthasen und verlässt<br />

wutentbrannt die gemeinsame Höhle. Und weil<br />

er sie vermisst und sich unbedingt wieder mit ihr<br />

vertragen will, muss er wohl oder übel nach draußen.<br />

Er traut sich wirklich und präpariert sich für<br />

alle Fälle mit Taucherbrille, Taschenlampe, Schal<br />

und Keksen. Er trifft draußen im Wald viele andere<br />

Tiere, die er nach Luna fragt. Sie ist anscheinend<br />

als die mutigste Häsin der Welt bekannt, denn<br />

sie taucht im Fluss, reitet auf einem Hirsch oder<br />

erforscht dunkle Höhlen.<br />

Wenn Henri sie finden will, muss er sich überwinden<br />

und das Gleiche tun. Und dann entdeckt<br />

er sie tatsächlich, allerdings in einer Notsituation,<br />

bedroht von einem bösen Wolf. Natürlich kann<br />

er sie retten! Und will erstmal nicht nach Hause,<br />

sondern noch mehr Abenteuer erleben.<br />

Eine schön illustrierte und spannende<br />

Geschichte über einen kleinen ängstlichen<br />

Hasen, der über sich hinaus wächst und zum<br />

Helden wird. Für Kinder ab vier Jahren.<br />

ISBN 978-3-7891-1054-2<br />

14 Euro<br />

34 35


Es ist die Zeit zu beten,<br />

egal zu wem, und wie.<br />

Es ist die Zeit zu hoffen,<br />

der Glaube an Magie,<br />

die Gutheit überträgt,<br />

wenn wir zusammen stehen,<br />

macht Hoffnung,<br />

man muss aufrecht gehen.<br />

Wer das in diesen Zeiten nicht,<br />

versteht und registriert,<br />

hat Weisheit nicht, kein Hoffnungslicht.<br />

Es ist so spät,<br />

kapiert doch alle,<br />

die schöne Welt steht dort,<br />

wo Leben und der Tod nun trennt,<br />

jetzt braucht es uns,<br />

in einem fort.<br />

Wir haben viel zu lang gepennt.<br />

Schürt keinen Hass,<br />

und habt euch lieb,<br />

auch wenn es schwierig wird.<br />

Auf Tag folgt Nacht.<br />

Der Tod kommt immer wie ein Dieb,<br />

in ach so viele Häuser.<br />

Die sind bekannt und unbekannt.<br />

Wer kennt und weiß,<br />

um all die Namen.<br />

Wenn jetzt nicht „Friede“ Sieger ist,<br />

dann gute Nacht und Amen.<br />

Von Theo Gertsen<br />

(Mitarbeiter Zentralrendantur Emmerich-Kleve)

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