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Liudger - Ausgabe September 2020

Die 12. Ausgabe des Magazins für Mitarbeitende im Bistum Münster trägt den Titel "Alt & Neu". Entdecken Sie die unterschiedlichen Facetten dieses Wortpaares und reisen Sie mit uns zur Kirche St. Marien in Schillig und ins Museum Religio nach Telgte. Lesen Sei ein Interview mit Prof. Dr. Norbert Köster zum Thema Wendepunkte der Kirchengeschichte, erfahren Sie von Andrea Stachon-Groth, Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Münster, wie es ist, in einem generationsgemischten Team zu arbeiten und Vieles mehr.

Die 12. Ausgabe des Magazins für Mitarbeitende im Bistum Münster trägt den Titel "Alt & Neu". Entdecken Sie die unterschiedlichen Facetten dieses Wortpaares und reisen Sie mit uns zur Kirche St. Marien in Schillig und ins Museum Religio nach Telgte. Lesen Sei ein Interview mit Prof. Dr. Norbert Köster zum Thema Wendepunkte der Kirchengeschichte, erfahren Sie von Andrea Stachon-Groth, Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Münster, wie es ist, in einem generationsgemischten Team zu arbeiten und Vieles mehr.

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LiUDGER<br />

Das Magazin für Mitarbeitende im Bistum Münster<br />

SEPTEMBER <strong>2020</strong><br />

ALT<br />

&<br />

NEU


Inhalt und Vorwort<br />

INHALT<br />

EDITORIAL<br />

ALT UND NEU<br />

GESCHICHTEN, DIE DAS LEBEN SCHREIBT<br />

Aus den Regionen 4<br />

AB SEITE 14<br />

Generationsübergreifendes Arbeiten – vor welche<br />

Herausforderungen es uns stellt, welche Vorteile es<br />

mit sich bringt und wie es im Arbeitsalltag der Kita<br />

St. Johannes in Steinfurt gelebt wird<br />

IMPRESSUM<br />

13. <strong>Ausgabe</strong><br />

HERAUSGEBER<br />

Bischöfliches Generalvikariat<br />

Domplatz 27, 48143 Münster<br />

VERANTWORTLICHE REDAKTEURINNEN<br />

Carolin Bartnick, Anke Lucht<br />

REDAKTIONSTEAM<br />

Carolin Bartnick (CAB), Christian Breuer (CB), Julia Geppert (JG),<br />

Michaela Kiepe (MEK), Ann-Christin Ladermann (ACL),<br />

Anke Lucht (AL), Tina Moorkamp (TIM), Gudrun Niewöhner (GN)<br />

GESTALTUNG<br />

goldmarie design, Münster<br />

DRUCK<br />

Druckerei Joh. Burlage, Münster, www.burlage.de<br />

FOTOS<br />

Adobe Stock, Bischöfliche Pressestelle, Christian Verlag,<br />

Gabriel Verlag, Gerstenberg Verlag, Lingen, Privat,<br />

Splitter Verlag, Unsplash.com<br />

KONTAKT<br />

liudger@bistum-muenster.de<br />

www.liudger-magazin.de<br />

ALTE MAUERN – NEUE MAUERN<br />

Vorstellung der ältesten und der neuesten Kirche<br />

des Bistums 6<br />

LUIS WELT<br />

Lui und die Alt-Jung-Problematik 12<br />

ZU MEINER FREUDE<br />

Neue Chance für einen alten Korbstuhl 13<br />

GENERATIONSWECHSEL AM ARBEITSPLATZ<br />

Interview mit Andrea Stachon-Groth 14<br />

GENERATIONSÜBERGREIFENDES ARBEITEN<br />

Das Beste aus zwei Welten 18<br />

1 THEMA – 4 FACETTEN<br />

Lernen aus der Corona-Krise 20<br />

KIRCHLICHE MEILENSTEINE<br />

Interview mit Prof. Dr. Norbert Köster 24<br />

GEMEINSCHAFT MIT TRADITION<br />

Teil einer Schützenbruderschaft sein 30<br />

AUF MUSEUMSTOUR<br />

Historisches trifft Digitales im RELíGIO Telgte<br />

und im StiftsMuseum Xanten 32<br />

NACHGEFRAGT<br />

„Was haben Sie zuletzt Neues gewagt?“ 38<br />

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />

kennen Sie Kintsugi? Mit dieser traditionellen Methode reparieren Japaner zerbrochene Keramik. Dabei<br />

kaschieren sie die Bruchstelle nicht, sondern betonen sie durch Auffüllen der Risse mit Gold- oder Silberpigmenten.<br />

So wird das Alte erhalten und zugleich zu etwas Neuem, das für die Zukunft hält.<br />

Die Frage, was vom Althergebrachten in die Zukunft mitgenommen werden soll und wie dieser Transfer<br />

gelingt, beschäftigt uns als Mitarbeitende des Bistums Münster ebenso wie als Gläubige in der katholischen<br />

Kirche. Taugt das, was gestern gut war, für morgen? Ist neu per se besser? Klammern wir uns zu<br />

sehr an das, was immer war, oder verfallen wir ins andere Extrem und schätzen es zu wenig? Sind wir zu<br />

sprunghaft, indem wir ständig Neues wollen, oder sind wir zu zaghaft für Neues?<br />

Patentantworten auf all diese Fragen gibt es nicht. Was es hingegen gibt, sind Erfahrungswerte: von Menschen,<br />

die aus einer Krise neue Erfolgsrezepte entwickeln, die Altes in zeitgemäßer Weise erhalten und<br />

präsentieren, die sich mit den großen Umwälzungen der Kirchengeschichte auskennen oder die mit viel<br />

Freude und in Gemeinschaft Traditionen lebendig halten. Ihre und noch viele weitere Geschichten zum<br />

Thema Alt und Neu erzählen wir in diesem <strong>Liudger</strong>.<br />

Apropos Wandel der Zeit: Diese <strong>Ausgabe</strong> des <strong>Liudger</strong>s entstand unter Federführung von Anke Lucht –<br />

noch nicht alt, aber mit sieben Dienstjahren schon ein vergleichsweise „alter Hase“ beim Bistum Münster<br />

– und Carolin Bartnick, die seit Mitte Juli neu in der Abteilung Medien- und Öffentlichkeitsarbeit ist und<br />

vertretungsweise die nächsten <strong>Ausgabe</strong>n des <strong>Liudger</strong>s verantworten wird. Gemeinsam haben wir versucht,<br />

Alt und Neu in Text und Bild zusammenzuführen – und an der einen oder anderen Stelle mit ein<br />

bisschen Gold oder Silber nachzuhelfen.<br />

Im Namen der gesamten Redaktion wünschen wir Ihnen viel Freude mit dem <strong>Liudger</strong> und hoffen, dass Sie<br />

darin viel Altes und Geschätztes wiedererkennen sowie Neues und Überraschendes entdecken!<br />

Anke Lucht und Carolin Bartnick<br />

DAFÜR / DAGEGEN<br />

Sind traditionelle Riten wichtig, um an Gott<br />

glauben zu können? 44<br />

Das verwendete Papier ist aus<br />

100 % Altpapier hergestellt.<br />

LESETIPPS<br />

Zeit, zu lesen 46<br />

2 3


Geschichten, die das Leben schreibt<br />

„WOHL VERWÄHLT, WA?“<br />

Sie passieren jeden Tag: die kleinen Zufälle und<br />

Kuriositäten, die uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern.<br />

Hier sind vier davon.<br />

STEINFURT<br />

Manche Geschenke erweisen sich erst auf den<br />

zweiten Blick als nützlich – es braucht dafür den<br />

passenden Moment: Im tiefsten Niederbayern<br />

bekam die achtjährige Maria zur Erstkommunion<br />

ein Gotteslob aus dem Bistum Münster. Mit persönlicher<br />

Widmung von Bischof Felix. Eine Ehre –<br />

besonders für Marias Mutter, eine fröhlichfromme<br />

Katholikin.<br />

Als mit Beginn der Corona-Pandemie die<br />

Gottesdienste und damit die sonntäglichen Messbesuche<br />

ausfielen, schaute sich die Familie nach<br />

alternativen Streaming-Angeboten um – auch<br />

über die bayrische Landesgrenze hinweg. Statt in<br />

die eigene Dorfkirche zu gehen, saß die Familie<br />

nun um Punkt 10.30 Uhr vor dem Bildschirm und<br />

klickte auf den Link twitch.tv/stnikomedes. Viele<br />

der Lieder, die vom Kantor der Pfarrei angestimmt<br />

wurden, stammten aus dem Eigenteil des Bistums<br />

Münster. Doch auch die konnte man in Bayern mitsingen.<br />

Dank Marias Erstkommunion-Geschenk.<br />

(GN)<br />

XANTEN<br />

Die Frau am anderen Ende der Telefonleitung<br />

schien überfordert zu sein. Soeben hatte Tom<br />

ihr erklärt, warum er mit der Pressestelle des<br />

Bundesministeriums in Berlin sprechen wolle. Tom<br />

wunderte sich, dass die Frau in der Hauptstadt<br />

nicht wusste, wie sie weiterhelfen kann. „Ein bisschen<br />

professioneller hätte ich mir die Pressearbeit<br />

in der Hauptstadt schon vorgestellt“, dachte er still<br />

vor sich hin. Da tönte es von der anderen Seite:<br />

„Also, Sie sind hier in der Krankenstation gelandet,<br />

und ich bin hier die Krankenschwester!“ Tom ahnte<br />

Böses. Ob er denn nicht beim Ministerium in der<br />

Pressestelle gelandet sei? „Nein“, hörte er von der<br />

anderen Seite, „hier ist die Amerikanische Botschaft!“<br />

Nun war es Tom, der in Xanten kurzzeitig<br />

sprachlos am Telefon saß. Mit kesser Berliner<br />

Schnauze hörte er ein „Da hamse sich wohl verwählt,<br />

wa?“ Tom grinste: „Jo, dat stimmt!“, antwortete<br />

er niederrheinisch. Aus ihrer Stimmlage<br />

meinte Tom zu hören, dass die Krankenschwester<br />

in der amerikanischen Botschaft in Berlin bei der<br />

Verabschiedung genauso breit grinsen musste, wie<br />

der Redakteur in Xanten.<br />

(CB)<br />

MÜNSTER<br />

Wenn ich in den Urlaub fahre, befasse ich mich<br />

im Vorfeld mit dem Ort, an den es gehen soll –<br />

zumindest ein bisschen. Schließlich möchte ich<br />

wissen, was da Schönes auf mich zukommt. Dass<br />

nicht alle Leute so ticken, beweist die folgende<br />

Situation neulich am Horsteberg, direkt zu Füßen<br />

des St.-Paulus-Doms: Beim Flanieren fällt mir<br />

eine Frau mit kurzen Shorts, riesiger Sonnenbrille<br />

und einem überdimensionierten Sonnenhut auf.<br />

„Die haben aber viele Kirchen in Münster“, stellt<br />

sie gegenüber ihrem Mann fest, der am Boden<br />

kniet und in seinem Rucksack kramt. „Sind die<br />

hier katholisch?“ Ich kann mir ein Grinsen nicht<br />

verkneifen: Kirchen stehen also für Katholizismus?<br />

„Willkommen im Bistum Münster“, murmelt ein<br />

vorbeilaufender Passant und zwinkert mir verschwörerisch<br />

zu.<br />

(CAB)<br />

COESFELD<br />

Für zahlreiche Kolleginnen und Kollegen ist die<br />

Corona-bedingte Zeit im Homeoffice vorbei: Es<br />

geht wieder ins Büro. Einige haben die kurzen<br />

Wege zum Arbeitsplatz genossen: Statt auf der<br />

Autobahn im Stau zu stehen, ging es einfach an<br />

den Küchentisch oder eine Treppe rauf ins oft provisorisch<br />

eingerichtete Büro. Allerdings bedeuteten<br />

die kurzen Wege oft weniger Bewegung. Auch der<br />

Kühlschrank lockte häufiger, war er doch so nah.<br />

Das sorgte bei dem Einen oder der Anderen für<br />

ein paar Kilos mehr auf den Hüften.<br />

Ganz anders erging es einem Pfarrer aus dem<br />

Kreis Coesfeld. Er hatte während der Zeit des<br />

Lockdowns sogar abgenommen. Wie konnte das<br />

sein? Die Erklärung: Ernährungsumstellung. Wie<br />

jetzt? Tja, in den Wochen des Lockdowns waren<br />

die Kirchen geschlossen. Unter anderem wurden<br />

Taufen und Trauungen abgesagt und damit auch<br />

die anschließenden Feste, zu denen er sonst häufig<br />

eingeladen war. Somit gab es an den Wochenenden<br />

keine üppigen Buffets im Saal, sondern<br />

eine schnöde Stulle in der Küche.<br />

(MEK)<br />

4 5


Alte Mauern – neue Mauern<br />

STEINERNE ZEUGEN<br />

DES GLAUBENS<br />

Beitrag von Carolin Bartnick<br />

Auf den ersten Blick sind sie grundverschieden: die<br />

Katharinenkapelle in Hamm-Bossendorf und die Kirche am<br />

Meer in Schillig – die älteste und die neueste Kirche innerhalb<br />

des Bistums Münster. Was sie dennoch gemeinsam<br />

haben und was hinter den Mauern dieser beiden besonderen<br />

Gotteshäuser steckt: eine Gegenüberstellung.<br />

Neueste freistehende Kirche des Bistums Münster:<br />

St. Marien in Schillig<br />

„In unseren Kirchen ist etwas spürbar von der Gegenwart Gottes,<br />

sie sind Räume der Ehrfurcht und der Anbetung. Was unsere christliche<br />

Berufung zutiefst ausmacht – in unseren Kirchen wird es „anschaulich“:<br />

das Wort Gottes und das Mysterium unserer Erlösung. So sind unsere<br />

Kirchen steinerne Zeugen des Glaubens und – in ihrer architektonischen<br />

und künstlerischen Verschiedenheit – Gestalt gewordene Theologie.“<br />

Karl Kardinal Lehmann, 2003<br />

Älteste Steinkirche des Bistums Münster:<br />

die Katharinenkapelle in Hamm-Bossendorf<br />

6 7


Alte Mauern – neue Mauern<br />

Die Katharinenkapelle in Hamm-Bossendorf<br />

Wenn diese Mauern sprechen könnten …<br />

Wenn man nicht weiß, um was für eine Besonderheit<br />

es sich bei der Katharinenkapelle in Hamm-<br />

Bossendorf handelt, könnte man sie beim Vorbeispazieren<br />

fast übersehen: Das steinerne Gemäuer<br />

ragt still zwischen blumengeschmückten Gräbern<br />

hervor, die von einer Bruchsteinmauer eingerahmt<br />

werden. Selbstverständlich wissen aber sowohl<br />

die Einheimischen als auch die Pilgergruppen und<br />

Wanderer, die häufig in den kleinen Ortsteil von<br />

Haltern am See kommen, dass das denkmalgeschützte<br />

Gebäude in unmittelbarer Nähe des<br />

Wesel-Datteln-Kanals der älteste Steinbau des<br />

Kreises Recklinghausen ist. Zahlreiche Kunsthistoriker<br />

sind sich sogar einig, dass es sich um die<br />

älteste Steinkirche des Bistums Münster handelt.<br />

Katharinen- oder Ludgeruskapelle<br />

Gesicherte schriftliche Zeugnisse über den<br />

Baubeginn der Kapelle gibt es zwar nicht mehr –<br />

dennoch besteht Grund zu der Annahme, dass<br />

dieser auf den Heiligen <strong>Liudger</strong> (742-809),<br />

Namensgeber unseres Mitarbeitendenmagazins<br />

und seines Zeichens erster Bischof von Münster,<br />

zurückgeht. Er soll auf den zahlreichen Reisen<br />

von seiner Bischofsstadt Münster zu dem von<br />

ihm gegründeten Kloster Werden an der Ruhr<br />

stets auf halbem Wege im karolingischen Lager<br />

Butsnippi („Siedlung draußen am Wasser“)<br />

Rast gemacht haben. Dieses hat Karl der Große<br />

zur Sicherung seiner sächsischen Eroberungen<br />

am strategisch wichtigen Lippe-Übergang bei<br />

Haltern angelegt. Die Kapelle wurde – so die<br />

kunsthistorische Annahme – auf Wunsch des<br />

Heiligen <strong>Liudger</strong>s als Teil eben dieses Lagers errichtet<br />

und wird daher trotz ihrer Weihe zu Ehren<br />

der Heiligen Katharina von Alexandrien heute<br />

auch häufig als Ludgeruskapelle bezeichnet.<br />

Der rechteckige Chor der Katharinenkapelle<br />

entstand um 800 und wurde im 11./12. Jahrhundert<br />

um ein trapezförmiges Kirchenschiff erweitert.<br />

Die Mauern bestehen aus rohen Sandsteinen,<br />

die in den nahegelegenen Steinbrüchen<br />

des Hammer Berges gebrochen wurden. An der<br />

Südseite des Chores befinden sich Fenster, die<br />

allesamt unterschiedlich hoch und breit sind und<br />

höhenversetzt eingebaut wurden. Ihre einzige<br />

Gemeinsamkeit ist die bis heute gut erhaltene<br />

romanische Form. Unter dem mittleren Fenster<br />

war vermutlich der erste Zugang zur Kapelle zu<br />

finden. Heute kann man sie durch eine Tür an<br />

der Westwand betreten.<br />

Die Katharinenkapelle ist auch heute noch ein beliebter Taufort.<br />

Ursprünglich hatte die Katharinenkapelle zwei<br />

stattliche Türme. Einer von ihnen wurde während<br />

des Dreißigjährigen Krieges zerstört, in dem die<br />

Kapelle nicht nur einmal, sondern gleich zweimal<br />

niedergerissen und -gebrannt wurde (1630 und<br />

1635) – in den Jahren 1812/13 geschah dies nochmals.<br />

Und während der Befreiungskriege nutzten<br />

die Kosaken den geweihten Raum sogar als Pferdestall<br />

– bevor sie ihn ebenfalls abbrannten. Auch<br />

im Jahre 1920 und zum Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

1945 entstanden Schäden am Gebäude,<br />

das jedoch wieder und wieder neu aufgebaut wurde.<br />

Von 1958 bis 1965 und im Jahre 1990 wurde<br />

die Kapelle grundlegend renoviert und seithe gehegt<br />

und gepflegt, wie Michael Ostholthoff, Pfarrer<br />

von St. Sixtus in Haltern am See, berichtet.<br />

Das Innere der Kapelle ist schlicht gehalten:<br />

Gleich beim Betreten fällt der Blick auf den barocken<br />

Hochaltar, der 1744 vom Coesfelder Künstler<br />

Saße gefertigt wurde, die Malerarbeiten stammen<br />

vom niederländischen Maler Laurenz de Vries. In<br />

der Nische des Altaraufbaus steht eine Figur der<br />

Heiligen Katharina, die sich als Zeichen ihres Martyriums<br />

auf ein Schwert stützt. Bei dem kleinen<br />

Zelebrationskreuz, das auf dem Altar steht, handelt<br />

es sich um eine Nachbildung des sogenannten<br />

wundertätigen Kreuzes aus der Halterner Pfarrkirche<br />

St. Sixtus. An der Südseite des Chores befindet<br />

sich ein Sakramentshäuschen mit einer gotischen<br />

Sandsteinfassung, das aus dem 10. Jahrhundert<br />

stammt. Auch der Taufstein im Eingangsbereich<br />

der Kapelle ist eine Besonderheit: Er soll aus<br />

dem Fuß einer Säule gehauen worden sein, die<br />

Teil eines Heiligtums der Brukterer war.<br />

Altaraufbau mit einer Statue der Heiligen Katharina<br />

Ein Ort von unermesslichem Wert<br />

So unscheinbar die Katharinenkapelle auf den<br />

ersten Blick auch sein mag: Sie ist ein kunsthistorischer<br />

Schatz, ein beliebtes Ziel für Reise- und Pilgergruppen<br />

und damals wie heute ein zentraler Ort<br />

für die Gläubigen aus Hamm-Bossendorf. „Betritt<br />

man die Kapelle, atmet man die über 1.200-Jährige<br />

Geschichte unseres Bistums ein“, fasst Pfarrer<br />

Ostholthoff den enormen Wert von St. Katharinen<br />

zusammen. Vor allem die Nähe zum Wasser des<br />

damals wie heute wichtigen Handelsweges macht<br />

das Besondere der Kapelle für ihn aus: Sie war<br />

schon zu Zeiten des Heiligen <strong>Liudger</strong>s ein wichtiger<br />

Taufort. Und auch heute noch wird in der Katharinenkapelle<br />

regelmäßig getauft. „Ich versuche den<br />

Menschen gerade hier natürlich besonders zuzusprechen,<br />

in welch große Gemeinschaft die Täuflinge<br />

über die Jahrhunderte hinweg aufgenommen<br />

werden“, erklärt Pfarrer Ostholthoff. Hier und andernorts<br />

werden ihnen sicherlich noch viele folgen.<br />

Dank an das Archiv U. Backmann, Haltern<br />

8<br />

9


Alte Mauern – neue Mauern<br />

Die Kirche am Meer in Schillig<br />

In St. Marien Schillig fällt einem der Himmel sprichwörtlich<br />

in den Schoß. Bei Führungen durch die<br />

neueste freistehende Kirche des Bistums Münster<br />

lädt Pfarrer Lars-Jörg Bratke die Besucher regelmäßig<br />

dazu ein, sich gemütlich in die Bank zu fläzen,<br />

den Kopf in den Nacken zu legen und einfach die<br />

Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Und die ist<br />

wirklich einzigartig.<br />

Allein durch ihre Lage wäre St. Marien schon<br />

etwas ganz Besonderes: Nur ein grasbewachsener<br />

Deich und ein Campingplatz trennen sie von der<br />

Nordsee. Darüber hinaus ist die Kirche am Meer,<br />

wie sie normalerweise genannt wird, ein architektonisches<br />

Meisterwerk. Aber von Anfang an:<br />

Dort, wo heute die 2012 geweihte Kirche am<br />

Meer steht, war erst im Jahre 1967 ein anderes<br />

Kirchengebäude errichtet worden. Die verwendeten<br />

Baumaterialien hielten dem wechselhaften<br />

Wetter an der Nordsee jedoch nicht stand, so dass<br />

die damalige St.-Marien-Kirche bereits nach einigen<br />

Jahrzehnten so baufällig war, dass ein Neubau einer<br />

aufwändigen Restauration vorgezogen wurde. Unter<br />

dem Motto „Kirche am Meer“ wurde ein Wettbewerb<br />

unter fünf Architekturbüros ausgerufen, die<br />

bereits Erfahrungen mit der Restauration oder dem<br />

Neubau von Kirchen hatten. Der Findungskommission<br />

um Heinrich Timmerevers, damals Weihbischof<br />

des Bischöflich Münsterschen Offizialats Vechta –<br />

heute Bischof von Dresden-Meißen, Pfarrer Bratke<br />

und Architekten des Offizialats fiel die Entscheidung<br />

leicht: Das Modell des Architektenpaares Königs<br />

aus Köln überzeugte sie sofort.<br />

Die Kirche am Meer wird unter anderem auch als<br />

„Urlauberkirche" bezeichnet.<br />

Auf solidem Fundament gebaut<br />

Auch wenn es während der Entwicklungs- und Bauphase<br />

zu einigen konstruktiven Reibereien kam, so<br />

spricht das Ergebnis doch für sich: Das Kirchengebäude<br />

ist mittlerweile mehrfach mit Architektur-<br />

Preisen prämiert worden. Und was noch wichtiger<br />

ist: Es ist das Herzstück der Diaspora-Gemeinde mit<br />

etwa 750 gastfreundlichen Katholiken, die jährlich<br />

tausende Touristen mit offenen Armen empfangen.<br />

Wer die Kirche am Meer betritt, ist sich Pfarrer<br />

Bratke sicher, verliebt sich spontan in sie. Er selbst<br />

bezeichnet sich augenzwinkernd auch nach acht<br />

Jahren noch als totaler Fan der eigenen Kirche.<br />

Schon von außen ist die Kirche am Meer ein<br />

Hingucker: Bereits der Grundriss in Form eines<br />

Kreuzes und die stark geschwungene, wellen-<br />

Rundum gute Sicht auf den Altar<br />

artige Dachkonstruktion aus Glas stellt eine<br />

perfekte Verbindung zwischen dem christlichen<br />

Glauben und dem Standort der Kirche dar. Die<br />

Außenwände bestehen aus grauem Backstein.<br />

Was kaum jemand weiß: Die Steine der alten<br />

St.-Marien-Kirche wurden geschreddert und<br />

befinden sich als Verstärkung im Fundament<br />

der neuen Kirche. Für Pfarrer Bratke eine logische<br />

Maßnahme – schließlich hatten er und<br />

die zahlreichen am Neubau beteiligten Personen<br />

stets den Gedanken der Kontinuität im Hinterkopf.<br />

Und so befinden sich in der Kirche viele<br />

Elemente, die Historisches und Modernes miteinander<br />

verbinden.<br />

Perfekte Balance zwischen Alt und Neu<br />

Das Innere der Kirche ist bewusst schlicht gehalten,<br />

so dass sich das Tageslicht, das durch<br />

das große Glasdach scheint, ungehindert auf den<br />

weißen geschwungenen Wänden wiederspiegeln<br />

kann. Jede Wolke und jeder Sonnenstrahl zeichnet<br />

ein anderes Bild. Der Kirchraum ist leicht abschüssig<br />

gebaut, so dass man auch aus den hinteren<br />

Reihen der sandfarbenen Bänke einen guten<br />

Blick auf den Altar hat. Dieser besteht aus einem<br />

rund drei Tonnen schweren Kalksteinblock, in den<br />

die Reliquien eingelassen sind. In der Mittelachse<br />

des Kirchraums schwebt ein gelb-braunes Glaskreuz.<br />

Martin Denzinger, ein Künstler und Architekt<br />

aus Vechta, hat es entworfen. Der Korpus ist<br />

eine Leihgabe des Landesmuseums Cloppenburg<br />

und stammt vom Anfang des 14. Jahrhunderts.<br />

Auch die Marienstatue aus dem 13. Jahrhundert<br />

in der seitlich gelegenen Marienkapelle ist eine<br />

Dauerleihgabe von dort. Der Tabernakel ist von<br />

Gotische Muttergottes mit Kind<br />

Das Maritime spiegelt sich in vielen Details in der Kirche wider.<br />

1967 und stammt aus der alten St.-Marien-Kirche,<br />

und die Orgel mit 21 Registern wurde aus der abgerissenen<br />

St.-Ludgerus-Kirche in Waltrop übernommen,<br />

umgebaut und neu intoniert. Auch die<br />

Glocken sind „secondhand“ – aber noch relativ<br />

neu: Sie wurden 1967 gegossen und stammen<br />

aus der profanierten St.-Paulus-Kirche in Oldenburg.<br />

Dass ihr Klang mit dem Glockengeläut der<br />

benachbarten evangelischen Kirche harmoniert,<br />

wurde vorab von Sachverständigen überprüft.<br />

Wenn den Besuchern, die sich in die Bänke<br />

gefläzt haben, der Himmel sprichwörtlich in<br />

den Schoss fällt, berichtet Pfarrer Bratke ihnen<br />

über all diese Dinge und dass Alt und Neu aus<br />

seiner Sicht immer wieder zusammen kommen<br />

müssen. Er zitiert dabei Paulus, der sagt: ‚Prüft<br />

alles und behaltet das Gute.‘ Für Bratke ist das<br />

eine die Tradition, die wir als Kirche brauchen,<br />

um zu wissen, wer wir sind und das andere die<br />

Erneuerung, die wir brauchen, um morgen auch<br />

noch jemand zu sein.<br />

Fotos von Carolin Bartnick (5) und Michaela Kiepe (5)<br />

10<br />

11


Luis Welt<br />

Zu meiner Freude<br />

LUI UND DIE<br />

ALT-JUNG-<br />

PROBLEMATIK<br />

Alt, jung oder irgendwas subjektiv Empfundenes<br />

dazwischen ist jeder Mensch. Lui bildet da keine<br />

Ausnahme und kann – gefühlt – sogar verschiedene<br />

Altersstufen an ein- und demselben Tag durchleben.<br />

Des Morgens etwa fühlt sich Lui vergleichsweise<br />

alt. Nicht nur, dass die Beine nicht mehr<br />

ansatzweise so elastisch wie früher sich aus dem<br />

Bett zu schwingen in der Lage sind, nein, darüber<br />

hinaus stehen sie offenbar – anders als in Luis jüngeren<br />

Jahren – in unmittelbarer Verbindung zum<br />

Rückgrat. Denn dieses zwickt beim morgendlichen<br />

Beinschwung neuerdings ebenso synchron wie<br />

sinnlos mit.<br />

Am Frühstückstisch sieht Lui sich täglich aufs<br />

Neue mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert,<br />

die schonungslos aufdeckt, dass Lui<br />

offensichtlich von gestern ist: die Auswahl des<br />

passenden koffeinhaltigen Heißgetränks. Blubberte<br />

in der guten alten Zeit – die Luis junge Zeit<br />

war – morgens verlässlich der Kaffee durch den<br />

papiernen Filter in die dafür vorgesehene Kanne,<br />

so ist die dahinter stehende Gerätschaft auf<br />

Wunsch von Luis bester Hälfte und der jüngeren<br />

Bewohnerschaft des Hauses kürzlich durch einen<br />

zeitgemäßen Vollautomaten ersetzt worden.<br />

Damit wird die Entscheidung für ein Wunschgetränk<br />

für Lui zur zeitraubenden Angelegenheit,<br />

steht doch eine Auswahl zur Verfügung, die jedem<br />

Café zur Ehre gereichen würde. Und dann gilt es<br />

noch die richtigen Knöpfe in der richtigen Reihenfolge<br />

zu drücken, wo die Kaffeemaschine einzig<br />

einen An-/Aus-Knopf ihr eigen nannte.<br />

Ein erfreuliches Gefühl einer spontanen Verjüngung<br />

hingegen durfte Lui zuletzt bei einer Party<br />

erleben – ältere Leserinnen und Leser mögen sich<br />

an solcherlei gesellige Anlässe in der Vor-Corona-<br />

Zeitrechnung erinnern. Dort dröhnten zu späterer<br />

Stunde – für Menschen in Luis Alter ist das ab etwa<br />

22.30 Uhr – dieselben Lieder aus den Boxen, die<br />

weiland Luis Abitur- und Studienzeit begleiteten<br />

und durchaus bereicherten. Lui feierte dies durch<br />

eine damals wöchentlich dreimal stattfindende,<br />

heute aber eher seltene Eskalation auf der Tanzfläche.<br />

Gut, dass Luis Nachwuchs das nicht miterlebt<br />

hat.<br />

Apropos Nachwuchs: Dieser konterkariert jede<br />

Hoffnung, dass Lui sich das Gefühl der eigenen<br />

Jugend über einen längeren Zeitraum erhält. Nicht<br />

nur, weil einem Kinder das eigene Alter eindrucksvoll<br />

vor Augen führen, sondern vor allem, weil die<br />

Nachkommenschaft keine zwei Sätze mehr von sich<br />

gibt, ohne dass das Ausrufe-Wort „Alter!“ darin<br />

vorkommt. Angeblich, verteidigen sich die Kids, sei<br />

das keine Anrede, sondern man sage das eben einfach<br />

so. Lui fühlt sich dennoch jedes Mal aufs Neue<br />

schmerzhaft angesprochen, oder besser: angeblökt.<br />

Der einzige Anlass, bei dem Lui sich allen sonstigen<br />

gegenteiligen Erfahrungen zum Trotz oft wie<br />

ein absoluter Youngster vorkommt, ist der reguläre<br />

Sonntagsgottesdienst. Aber das, findet Lui, ist<br />

irgendwie auch kein Anlass zur reinen Freude.<br />

Alter ist eben ein ziemlich relatives Gefühl.<br />

(AL)<br />

„Ich hänge an meinen Sachen.“<br />

Schmollend drehe ich mich zur Seite, die Lehne<br />

meines alten Korbstuhls fest im Klammergriff. Ja, wir haben<br />

abgemacht, dass wir ausmisten, bevor wir umziehen. Und: Ja, dieser<br />

alte, kaputte Stuhl stand zugegebenermaßen schon auf dem Dachboden<br />

unserer letzten Wohnung, bevor er ungenutzt und unbeachtet in dieser Kellerecke<br />

gelandet ist. Aber ihn entsorgen? Auf keinen Fall! Schließlich ist er der tollste Flohmarkt-Fund<br />

aller Zeiten, und bequem war er auch, bevor die morschen Streben auf<br />

der Sitzfläche gebrochen sind.<br />

Mein Mann rollt genervt mit den Augen. Irgendwie hat er ja recht: Von diesen „alten<br />

Schätzchen“ haben wir einige. Genau genommen so viele, dass ein ungehinderter Zugang zu<br />

unseren Abstellräumen nahezu unmöglich ist. Trotzdem kann ich mich durchsetzen: Der alte<br />

Stuhl landet im Umzugswagen – nicht auf dem Sperrmüll.<br />

Am ersten Abend in unserer neuen Wohnung stehe ich am Wohnzimmerfenster. Mir tut<br />

jeder Knochen weh, aber ich bin froh, dass alles reibungslos geklappt hat. Plötzlich bleibt<br />

mein Blick an der Leuchtreklame am Haus gegenüber hängen: „Reitmeier Korbmöbel“.<br />

Die restaurieren doch nicht etwa auch alte Korbstühle? Am nächsten Morgen kann<br />

ich nebenan beobachten, wie zwei ältere Herren in feinster Handarbeit Stühle<br />

flechten und leimen. Sicherlich ein Handwerk, das mit dieser Ruhe und<br />

Präzision, die diese beiden Männer an den Tag legen, nicht mehr so<br />

häufig ausgeübt wird. „Da kannst du dich und deinen Stuhl direkt<br />

vorstellen gehen“, grinst mein Mann.<br />

(CAB)<br />

12 13


Generationswechsel am Arbeitsplatz<br />

KOMMUNIKATION<br />

UND RESPEKT SIND<br />

DAS A UND O<br />

EFL-LEITERIN ANDREA STACHON-GROTH ÜBER DIE ZU-<br />

SAMMENARBEIT IN GENERATIONSGEMISCHTEN TEAMS<br />

Die einen halten dem Arbeitsplatz seit Jahren oder Jahrzehnten die Treue, die anderen kommen<br />

aus einem anderen Unternehmen oder frisch aus der Ausbildung neu hinzu: Am Arbeitsplatz treffen<br />

verschiedene Generationen aufeinander und müssen zusammenarbeiten. Wie das gelingen kann und<br />

welche Chancen darin liegen, erklärt Andrea Stachon-Groth, Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

im Bistum Münster.<br />

Interview von Anke Lucht<br />

Frau Stachon-Groth, welche Vorteile bietet ein<br />

Team, in dem Generationen gut zusammenarbeiten?<br />

Andrea Stachon-Groth: Es gibt Synergie- und<br />

Energieeffekte, wenn man nach dem Motto „Altes<br />

(Bewährtes) bewahren, Neues (Innovationen)<br />

wagen“ vorgeht. Dann baut man neue Aufgaben<br />

und Herausforderungen auf einem soliden Fundament<br />

auf.<br />

Man kann das mit der Schwarmintelligenz<br />

vergleichen: In der Fischerei ist es ein Drama,<br />

wenn aus großen Schwärmen immer<br />

die alten und erfahrenen Fische herausgefischt<br />

werden, sodass ausschließlich<br />

die kleinen und nicht so erfahrenen<br />

Fische den Schwarm bilden. Dann<br />

gehen „Überlebenserfahrungen“<br />

und „-strategien“ verloren, die der<br />

Schwarm/die Gruppe/das Team<br />

mühsam neu lernen müssen,<br />

ohne auf gereifte Erfahrungen<br />

zurückgreifen zu können.<br />

Insofern sollten sich verschiedene<br />

Generationen<br />

im Team durch ihre<br />

Diversität ergänzen: Die jungen Mitarbeitenden<br />

können von Erfahrung, Wissen und Sicherheit der<br />

Älteren profitieren. Umgekehrt können diese von<br />

den Jüngeren neue Sichtweisen, aktuelles Wissen,<br />

andere Arbeitsweisen, anderen Umgang mit Technologien<br />

lernen.<br />

In erfolgreichen Teams stehen gemeinsame Aufgaben<br />

und Ziele im Fokus. In die investieren alle ihre<br />

Kompetenzen. So wird Wissen nicht nur erhalten,<br />

sondern kontinuierlich weiterentwickelt und weitergegeben.<br />

Zudem kommt mit den „Neuen“ häufig<br />

ein Mehr an Kreativität und Innovationsfreude<br />

ins Team, wenn die „alten Hasen“ Anregungen<br />

konstruktiv aufnehmen.<br />

Vor welchen Herausforderungen stehen jüngere<br />

und ältere Kolleginnen und Kollegen beziehungsweise<br />

Vorgesetzte in einem generationsgemischten<br />

Team?<br />

Wichtig zu beachten ist, dass niemand besser<br />

oder schlechter ist, nur weil er einer anderen<br />

Generation angehört. Ganz gleich, wie groß der<br />

Alters- und Hierarchieunterschied ist, bedarf es<br />

gegenseitigen Respekts. Überhebliches Handeln<br />

oder herablassende Kommunikation verstärken<br />

Generationskonflikte. Stattdessen gilt es, Ansichten<br />

und Ideen anzuhören und hinsichtlich der<br />

Lösung für die Teamaufgaben zu bewerten. So<br />

14<br />

15


Generationswechsel am Arbeitsplatz<br />

gerät der eigene Selbstwert aus der Schusslinie.<br />

Nur weil es immer so gemacht wurde, müssen<br />

Routinen nicht beibehalten werden. Die Funktionalität<br />

der Lösung bestimmt die Qualität, nicht das<br />

Alter. Neue Blickwinkel sind hilfreich. Andererseits<br />

ist das Erfahrungswissen der älteren Teammitglieder<br />

hilfreich für die Jüngeren.<br />

Was raten Sie jungen Menschen, die neu in ein<br />

Team mit vielen „alten Hasen“ kommen?<br />

Es ist klug, erstmal aufzunehmen, aktiv zuzuhören,<br />

um ein Gefühl zu bekommen, wie „der Laden<br />

tickt“, welche Standards, Normen und Werte dieses<br />

Team ausmachen. Auch Konfliktlinien kommt man<br />

so auf die Spur. Dabei sollten Neue der Verlockung<br />

der Parteinahme widerstehen. Sie dürfen und<br />

sollten angstfrei Zeit einfordern (können), eigene<br />

Positionen und ihren eigenen Stil entwickeln. Sie<br />

sollten nicht unter Druck geraten, alles wissen zu<br />

müssen, sondern sollten fragen dürfen. Fragen und<br />

Zuhören sind auch wesentlich, um dazuzulernen.<br />

Die „alten Hasen“ verfügen über Erfahrungs- und<br />

Organisationswissen, von welchem die jungen<br />

Menschen profitieren können. Deshalb ist es hilfreich,<br />

als „junger Hase“ neugierig und interessiert<br />

zu sein und nicht etwa zu vermitteln: „Ich zeig<br />

euch jetzt mal, wie das geht, und ihr seid total<br />

veraltet und verkrustet in euren Arbeitsabläufen.“<br />

Das ist überspitzt formuliert, aber macht die Botschaft<br />

deutlich: offene, respektvolle Begegnung<br />

und Anerkennung für das, was die „alten Hasen“<br />

geleistet haben.<br />

Wer neu ist, sollte langgediente Kolleginnen und<br />

Kollegen daher nicht als Bedrohung, sondern als<br />

Wegbereiter und -gefährten sehen. Die Kommunikation<br />

ist das Wichtigste, nur damit können sich<br />

die Generationen kennenlernen und verstehen.<br />

Und welche Tipps gibt es für diejenigen, die<br />

schon länger in einem Team sind?<br />

Jüngere, weniger erfahrene Kollegen sollten nicht<br />

pauschal überfordert werden durch Vorstellungen,<br />

dass sie alles sofort können und wissen müssen.<br />

Sie sollten ihnen Raum geben, Positionen und<br />

Arbeitsstil zu entwickeln und sich Wissen anzueignen.<br />

Lob als Ausdruck von Wertschätzung ist<br />

dabei wichtig.<br />

Dass das Argument „Das haben wir schon immer<br />

so gemacht“ nicht trägt, ist bekannt. Ältere sollten<br />

kreative Ideen aufnehmen. Zugleich können sie<br />

aber deutlich machen, dass nicht alles gut ist,<br />

nur weil es neu ist – siehe das Beispiel mit<br />

dem Fischschwarm. Bereits erlebte Fehler<br />

zu wiederholen macht keinen Sinn.<br />

Auch für die älteren Teammitglieder<br />

ist Kommunikation das A und O. Sie<br />

sollten sich nicht fürchten, dass die<br />

Jüngeren alles verändern wollen.<br />

Abweichende Ansichten sollten<br />

akzeptiert und ernst genommen<br />

werden. Die neuen Ideen<br />

der jüngeren Teammitglieder<br />

können dabei auch für die<br />

eigene Arbeit interessante<br />

Aspekte enthalten.<br />

Eine wichtige Rolle<br />

spielen auch die Führungskräfte.<br />

Wie kann<br />

es denen gelingen, auf<br />

unterschiedliche Generationen<br />

einzugehen?<br />

Für die Führungskräfte<br />

gilt auch das, was für das<br />

Team und die einzelnen<br />

Kollegen gilt. Darüber hinaus<br />

müssen sie moderieren,<br />

zusammenführen und<br />

für Wissenstransfer und<br />

-sicherung sorgen. Das gilt<br />

für Fachwissen, aber auch<br />

für Kontakte, Beziehungen,<br />

Vernetzungen, Kooperationen.<br />

Die Teammitglieder<br />

aus den unterschiedlichen<br />

Generationen arbeiten am<br />

effektivsten miteinander,<br />

wenn sie voneinander lernen.<br />

Führungskräfte sollten auf die<br />

Generationen eingehen, ihnen<br />

zuhören und Rahmenbedingungen<br />

schaffen, damit jeder Mitarbeitende<br />

Stärken einbringen kann und jeder<br />

vom anderen profitiert.<br />

Dafür braucht es Kommunikation auf<br />

Augenhöhe und Offenheit für Neues. Es ist nicht<br />

immer sinnvoll, dass nach dem Senioritätsprinzip die Alten die<br />

Jungen führen. Führung ist keine Frage des Alters, sondern der Qualifikation<br />

und der Kompetenz. Bei den Rahmenbedingungen ist zudem nicht<br />

zu unterschätzen, wie wichtig der Faktor der psychologischen Sicherheit<br />

am Arbeitsplatz ist: Eine angstfreie Arbeitsumgebung durch klare Regeln<br />

fördert Kreativität, Einsatz und Zusammenhalt.<br />

Eine besondere Situation ist es, wenn jemand vor dem Eintritt in den<br />

Ruhestand steht. Was kann Der- oder Diejenige tun, damit dieser Wechsel<br />

für ihn oder sie selbst, aber auch für die zurückbleibenden Kolleginnen und<br />

Kollegen gelingt?<br />

Abschied nehmen können, Loslassen, ist für alle Beteiligten wichtig. Das Geleistete soll<br />

als Wert für die Zeit, in der es stattfand, in Erinnerung bleiben. Das ist Wertschätzung.<br />

Hilfreich ist eine Übergangszeit. In der sollte die Person, die in Ruhestand geht,<br />

für sich, mit dem Team und der vorgesetzten Person klären, wie die Arbeitsbereiche<br />

gut übergeben werden können, aus welchen Bereichen die Person sich schon<br />

zurückzieht und an wen sie den Staffelstab übergibt.<br />

Häufig ist viel Erfahrungswissen als Kopfwissen gespeichert, aber nicht in<br />

den Strukturen. Deshalb ist es sinnvoll, wichtige Abläufe und Erfahrungen zumindest<br />

teilweise zu verschriftlichen und das Wissen digital zu speichern.<br />

Ein Abschied vom Berufsleben ist außerdem eine einschneidende biographische<br />

Veränderung, welche die Person auch emotional bewältigen muss. Im Idealfall<br />

hat sie sich rechtzeitig Gedanken gemacht, was sich ändern wird, welche<br />

Aufgaben warten und was sie braucht, um die Arbeitsaufgaben und die Kollegen<br />

loszulassen. Das ist eine Art von Trauerarbeit und zwar auch für die<br />

zurückbleibenden Teammitglieder, die sich von einer vertrauten Person<br />

verabschieden müssen.<br />

Fotos von Ann-Christin Ladermann<br />

16 17


Generationsgübergreifendes Arbeiten<br />

Um selbst Neues zu lernen, hospitiert er, wenn<br />

Zeit ist, im Gegenzug gerne bei seinen älteren<br />

Kolleginnen. Und die haben damit überhaupt<br />

kein Problem, erklärt Rengbers, seit mehr als 30<br />

Jahren pädagogische Fachkraft in der Einrichtung.<br />

Im Gegenteil: „Wir profitieren vom Wissen des<br />

jeweils anderen.“<br />

Mit Bewunderung schaut die 54-Jährige<br />

manchmal auf die Computerkenntnisse von<br />

Yannick Bücker und den anderen Youngstern des<br />

Teams: PowerPoint-Präsentation statt Plakat.<br />

Während Anne Rengbers mit der Technik schon<br />

mal hadert, bekommen die Jüngeren das fix hin.<br />

Videos und Fotostorys – für sie ein Klacks. „Aber<br />

auch als Ältere dürfen wir nicht stehenbleiben,<br />

wir müssen uns mit den neuen medialen Möglichkeiten<br />

beschäftigen“, findet Rengbers.<br />

seien weiter wichtig – genauso wie Werte. „Nur<br />

erarbeiten wir sie heute gemeinsam mit den<br />

Kindern“, beschreibt die 54-Jährige Fachkraft den<br />

Unterschied zu früher.<br />

„Wir profitieren<br />

vom Wissen des<br />

jeweils anderen.“<br />

REDEN HILFT!<br />

WIE DAS BESTE AUS ZWEI WELTEN BEIM GENERATIONS-<br />

ÜBERGREIFENDEN ARBEITEN ZUSAMMENTRIFFT<br />

Auch im alltäglichen Miteinander hat sich vieles<br />

geändert. Während die Erzieherinnen und Erzieher<br />

früher im Jahreskreis Themen vorgegeben haben,<br />

aus denen sich die Kinder etwas aussuchen konnten,<br />

ist die Partizipation der Kinder heute gesetzlich<br />

vorgeschrieben. „Die Kinder bringen ihre Themen<br />

mit, die von uns dann durch gemeinsam mit den<br />

Kindern entwickelte Angebote aufgegriffen werden“,<br />

nennt Bücker einen wesentlichen Aspekt seiner<br />

Ausbildung, der den Kita-Alltag prägt.<br />

Beitrag von Gudrun Niewöhner<br />

Anne Rengbers (54) und Yannick Bücker (22)<br />

arbeiten Hand in Hand daran, den Kindern in<br />

der Kita St. Johannes in Steinfurt einen gelungenen<br />

Start ins Leben zu verschaffen. Welche Herausforderungen<br />

und Vorteile die Zusammenarbeit<br />

von Team-Mitgliedern aus zwei Generationen mit<br />

sich bringt, verraten sie in dieser <strong>Ausgabe</strong> des<br />

<strong>Liudger</strong>s ganz offen.<br />

Ohne die Jüngeren ginge es nicht, ohne die<br />

Erfahrenen aber auch nicht. Da sind sich Anne<br />

Rengbers, 54 Jahre, und Yannick Bücker, 22 Jahre,<br />

sofort einig. Die beiden gehören zum Team der<br />

Erzieherinnen und Erzieher in der katholischen<br />

Kindertageseinrichtung St. Johannes in Steinfurt.<br />

Und obwohl altersmäßig eine ganze Generation<br />

zwischen ihnen liegt, kommen sie im Kita-Alltag<br />

prima miteinander aus. Denn: „Reden hilft“,<br />

wissen Anne Rengbers und Yannick Bücker und<br />

versuchen deshalb, im oftmals turbulenten Alltag,<br />

diesen Grundsatz zu beherzigen.<br />

Es gibt Aufgaben und Themen, die wie selbstverständlich<br />

die erfahrenen Kräfte übernehmen,<br />

„weil sie schon Weiterbildungen dazu gemacht<br />

haben“, erklären Rengbers und Bücker – und<br />

nennen Beispiele: das „Entenland“, ein erstes<br />

mathematisches Basiswissen für Vierjährige sowie<br />

die „Perlen des Glaubens“, ein religionspädagogisches<br />

Angebot. „Das haben wir in der Ausbildung<br />

nicht gehabt“, sagt Yannick Bücker. Er ist gerade<br />

mit seinem Anerkennungsjahr fertig und bringt<br />

viele Ideen und Impulse mit.<br />

Bei der Umsetzung der Partizipation, weiß<br />

Rengbers, kann sie vom jungen Kollegen einiges<br />

annehmen: „Man muss die alten Gewohnheiten<br />

ablegen.“ Was nur gelinge, wenn man sich derer<br />

bewusst sei. Yannick Bücker hat keine Scheu und<br />

Mut genug, darüber mit den erfahrenen Erzieherinnen<br />

ins Gespräch zu kommen: „Ich frage<br />

dann einfach nach, warum sie etwas so oder so<br />

gemacht haben.“ Oft ergeben sich so spannende<br />

pädagogische Diskussionen.<br />

Ganz ohne Konflikte geht es im Kita-Alltag<br />

selbstverständlich nicht. „Aber wir suchen immer<br />

nach Lösungen“, betont Bücker. Der Austausch,<br />

sind sich Rengbers und ihr junger Kollege einig,<br />

„bringt uns voran“.<br />

Keiner der beiden Fachkräfte möchte alles<br />

umkrempeln. Regeln und Grenzen beispielsweise<br />

Vor allem durch viele zusätzliche Aufgaben ist<br />

die Arbeitsbelastung in den Kindertageseinrichtungen<br />

in den zurückliegenden Jahren gestiegen.<br />

Die Entwicklung der Kinder muss heute dokumentiert<br />

werden, Eltern brauchen oftmals Begleitung<br />

und Unterstützung bei der Erziehung ihres Nachwuchses.<br />

Und auch die Förderung der Kita-Kinder<br />

steht heute deutlich mehr im Fokus.<br />

Wollen Eltern lieber junge oder erfahrene<br />

Erzieherinnen und Erzieher für ihre Kinder? Die<br />

Mischung macht`s, glaubt Yannick Bücker. Anne<br />

Rengbers stimmt ihm kopfnickend zu. Sie hat<br />

übrigens schon die Eltern von einigen Kindern<br />

betreut, die heute die Kita St. Johannes besuchen.<br />

Foto von Gudrun Niewöhner<br />

18 19


1 Thema – 4 Facetten<br />

Es gibt immer einen WEG NACH VORN<br />

1<br />

LERNEN AUS DER CORONA-KRISE<br />

Von einem auf den anderen Tag war nichts mehr so, wie zuvor. Die Corona-Pandemie hat uns vor viele<br />

Herausforderungen gestellt, neue Ansätze und Wege zu finden, um unseren Glauben zu leben und<br />

miteinander zu teilen. Vier Geschichten von „Kirche to Go“-Tüten, technischer Aufrüstung, Trauerbegleitung<br />

und digitalen Angeboten.<br />

Neue Wege zur Gemeinde in St. Franziskus Duisburg-Homberg<br />

Als Pfarrer Thorsten Hendricks und sein Seelsorge-<br />

Team der Pfarrei St. Franziskus in Duisburg-Homberg<br />

am Aschermittwoch auf der Straße das „Aschekreuz<br />

to Go“ verteilten, ahnte wohl niemand, dass<br />

schon wenig später für Wochen keine öffentlichen<br />

Gottesdienste mehr gefeiert werden dürften.<br />

„Das war ein Einschnitt“, resümiert Hendricks mit<br />

Bietet seiner Gemeinde kirchliche Angebote für daheim:<br />

Pfarrer Thorsten Hendricks<br />

Blick auf die Corona-Pandemie. „Natürlich fehlten<br />

den Menschen die Gottesdienste und – was noch<br />

deutlicher wurde – auch die anschließende Begegnung,<br />

das Gespräch, der Austausch. Wir haben<br />

sonntags von 10 bis 12 Uhr die Kirchen zum stillen<br />

Gebet geöffnet, teilweise mit leiser Hintergrundmusik<br />

und auch sofort die „Kirche to Go“-Tüten<br />

zum Mitnehmen sowie Hausgottesdienstzettel<br />

ausgelegt. Das wurde sehr gut angenommen.“ Ziel<br />

der Aktion, die Hendricks mit einer ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiterin aus einem der Gemeindeausschüsse<br />

umsetzte, sei es gewesen, den Menschen ein<br />

Format für den Gottesdienst und das Gebet<br />

zuhause anzubieten.<br />

Dabei ist dem Pfarrer aufgefallen, dass er<br />

mit dem neuen Angebot nicht nur die aus den<br />

sonntäglichen Gottesdiensten bekannten Gemeindemitglieder<br />

erreichte. „Sehr konkret haben wir das<br />

bei der Verteilung der Osterboxen erlebt“, erzählt<br />

Hendricks, „da standen Namen auf den Adressetiketten,<br />

die ich noch nie gehört habe. Und auch<br />

so manche „Kirche to Go“-Tüte verteile ich an mir<br />

unbekannte Personen.“ Auch wenn er nicht davon<br />

ausgeht, dass diese Personen künftig in den herkömmlichen<br />

Gottesdienst kommen werden, will<br />

er nach den Sommerferien wieder an das Format<br />

anknüpfen. Denn eines steht für Pfarrer Hendricks<br />

fest: „Die Corona-Pandemie ist nicht vorbei und<br />

wird länger andauern. Wir schauen schon jetzt auf<br />

eine alternative Heiligabend-Gestaltung.“<br />

(CB)<br />

Abschiednehmen in Zeiten von Corona im Kolumbarium Datteln<br />

Sich von einem geliebten Menschen verabschieden,<br />

ihm die letzte Ehre erweisen – das war lange Zeit<br />

wegen der Corona-Pandemie nur in sehr kleinen<br />

Gruppen möglich. „Für viele Menschen war es<br />

sehr bedrückend, dass sie an einer Beisetzung<br />

nicht teilnehmen konnten“, hat Maria Hölscheidt,<br />

die sich in der Trauerpastoral am Kolumbarium<br />

St. Antonius in Datteln engagiert, aus zahlreichen<br />

Gesprächen erfahren. Sie erlebte aber auch, dass<br />

alternativ ein Abschied am Sarg für viele Menschen<br />

tröstlich war. Und so rückte dieses Thema in<br />

den Fokus.<br />

Die Pfarrei setzte daraufhin die Gebühren für<br />

die Verabschiedungsräume des Kolumbariums<br />

aus. Allen Familien sollte diese Form der Verabschiedung<br />

innerhalb der Corona-Beschränkungen<br />

leichter zugänglich gemacht werden – egal, ob<br />

Verstorbene ihre letzte Ruhe in der ehemaligen<br />

Kirche finden sollten, oder auf einem der Friedhöfe<br />

in Datteln. „Oft hilft es Trauernden, am Sarg zu<br />

verweilen. Durch den Abschied am Sarg gelingt in<br />

diesen Zeiten wenigstens die persönliche Beteiligung.<br />

Es gibt Gewissheit, den Verstorbenen nicht<br />

allein gelassen zu haben. Das haben wir möglich<br />

gemacht“, sagt Hölscheidt. Auf dem Trauerweg<br />

können Erinnerungen an gute Abschiedsmomente<br />

trostreich sein. Wer seinen Abschied nicht nehmen<br />

durfte, oder ihn vermisst, habe manchmal lange<br />

daran zu leiden. „Dem Tod begegnen und dem<br />

Leben trauen können, das wünschen wir den<br />

Trauernden“, betont die Pastoralreferentin.<br />

Während der Corona-Krise, besonders während<br />

des Lockdowns, sei Vieles eingeengt worden.<br />

„Auch beim Thema Beerdigung. Der Abschied<br />

und öffentliche Anteilnahme wurden unterdrückt.<br />

Unser Anliegen war es, einen Raum zu bieten,<br />

um Luft holen zu können und nicht in der Enge zu<br />

verweilen“, sagt Hölscheidt.<br />

Das haben die Verantwortlichen der Pfarrei<br />

in der Corona-Krise wahrgenommen und aus<br />

ihr gelernt.„Auch die Bestatter waren für das<br />

Angebot dankbar, denn in Datteln gibt es nur<br />

einen städtischen Verabschiedungsraum. Wir<br />

haben Kapazitäten, die nützlich sind“, berichtet<br />

Hölscheidt. So könne die Gemeinde einen Beitrag<br />

für die Gesellschaft leisten. Natürlich wisse sie<br />

nicht, welchen weiteren Effekt das Angebot habe,<br />

das zunächst bis Ende des Jahres bestehen bleibe,<br />

aber: „Neue Zeiten brauchen neue Wege.“<br />

(MEK)<br />

Maria Hölscheidt im Trauerraum des Kolumbariums Datteln<br />

2<br />

20 21


1 Thema – 4 Facetten<br />

Akademie richtet Videokonferenzraum ein<br />

4<br />

Eine Kamera im Regal, ein Bildschirm an der<br />

Wand, Mikrofone und Lautsprecher auf dem<br />

Tisch – der Josef-Pieper-Konferenzraum (JPK) in<br />

der Akademie Franz Hitze Haus (FHH) ist für<br />

Videokonferenzen technisch bestens gerüstet.<br />

„Die Digitalisierung hatten wir vor Corona schon<br />

auf der Agenda“, sagt der stellvertretende Direktor<br />

der Akademie, Dr. Martin Dabrowski. Doch der<br />

Lockdown und die Frage, wie Seminare und<br />

Konferenzen trotzdem durchgeführt werden<br />

können, hätten der Umsetzung einen immensen<br />

Schub verliehen, so dass man den Konferenzraum<br />

zeitnah aufgerüstet habe. „Man hat ja auch vor<br />

Corona schon von den Möglichkeiten gewusst, sie<br />

aber dann doch nicht oder nur selten genutzt. Das<br />

ist jetzt anders.“<br />

3<br />

Der Krisenstab der FBS Rheine um Ulrike Paege (Mitte) und Jens Halfmann (links daneben)<br />

Familienbildungsstätte in Rheine geht mit neuen Ideen<br />

durch die Pandemie<br />

Der plötzliche Shutdown im laufenden Kursbetrieb<br />

– und dann darauf zu reagieren, was trotz des<br />

Ausbruchs der Corona-Pandemie möglich ist. Für<br />

das Team der Familienbildungsstätte Rheine um<br />

Leiterin Ulrike Paege und ihren Stellvertreter Jens<br />

Halfmann waren dies gleich eine ganze Reihe von<br />

Herausforderungen: „Wir mussten unsere Konzepte<br />

neu überdenken – und anpassen“, schaut<br />

Jens Halfmann auf die vergangenen Wochen<br />

zurück. Das Wichtigste: „Bei allen Entscheidungen<br />

einen kühlen Kopf zu behalten.“<br />

Zunächst einmal mussten alle Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer sowie alle Referentinnen und<br />

Referenten informiert und auf dem Laufenden<br />

gehalten werden. Die FBS in Rheine bildete einen<br />

Krisenstab, bei dem die Fäden zusammenliefen.<br />

Zügig wurde ein Hygiene- und Abstandskonzept<br />

entwickelt. Immer in enger Abstimmung mit dem<br />

Bistum Münster sowie der Stadt Rheine und dem<br />

zuständigen Gesundheitsamt des Kreises Steinfurt.<br />

Somit konnten ab Mitte Mai wieder erste Kurse<br />

durchgeführt werden. Da über 40 Prozent der<br />

Angebote jedoch in Pfarrheimen stattfinden und<br />

die Pfarreien ebenfalls ihre Raumbedarfe anpassen<br />

müssen, standen zahlreiche Gespräche mit den<br />

dortigen Teams an.<br />

Eine weitere Herausforderung: Durch den<br />

Wegfall der Kursgebühren mussten die Finanzen<br />

neu in den Blick genommen werden. Folge: Ab<br />

Juni wurde für 2,5 Monate eine 50-prozentige<br />

Kurzarbeit umgesetzt.<br />

Aus der anfänglichen Unsicherheit, die verbunden<br />

war mit Ängsten und Zukunftssorgen,<br />

entstand Tatendrang, erinnert sich Jens Halfmann:<br />

„Uns war irgendwann klar: Gemeinsam<br />

meistern wir die Lage und schaffen es.“ Neue<br />

Ideen für Online-Schulungen wurden durchdacht.<br />

Immer mit der Vorgabe: „Fehler dürfen<br />

gemacht werden.“ Mit begrenzten Mitteln ließ<br />

sich dank der Motivation des FBS-Teams eine<br />

Menge auf die Beine stellen. Die Digitalisierung,<br />

davon ist der stellvertretende Leiter überzeugt,<br />

wird noch schneller gehen und sich auch im<br />

Kursprogramm wiederspiegeln.<br />

(GN)<br />

Aus dem JPK können jetzt Online-Seminare<br />

übertragen werden, bei denen die Referenten vor<br />

Ort sind und die Teilnehmenden zuhause an ihren<br />

Rechnern. „Außerdem nutzen wir die Technik<br />

für Konferenzen, zum Beispiel zur Tagungsvorbereitung,<br />

wenn die Kooperationspartner in<br />

Deutschland verstreut sind“, erklärt Dabrowski.<br />

Das spare zum einen Zeit, und zum anderen sei es<br />

umweltfreundlich, „wenn man nicht nach Stuttgart<br />

oder Berlin fährt, sondern sich digital zusammenschaltet“,<br />

betont er.<br />

Die Corona-Zeit, so hätten er und seine<br />

Kollegen um Akademiedirektor Antonius Kerkhoff<br />

festgestellt, habe zu großem Druck geführt, digitale<br />

Formate zu entwickeln. „Daraus resultiert, dass<br />

bei vielen Menschen die Bereitschaft und Offenheit<br />

für neue Formate hoch ist. Man hat positive<br />

Seiten kennengelernt und Einigen sind sicherlich<br />

auch Ängste genommen worden“, schildert<br />

Dabrowski. Das Erfolgsgefühl, das Veranstaltende<br />

und Teilnehmende hätten, wenn alles gut klappe,<br />

sei ebenfalls nicht zu unterschätzen. „Das motiviert“,<br />

sagt er.<br />

Doch zur Digitalisierung einer Einrichtung wie<br />

dem FHH gehören nach Ansicht Dabrowskis weitere<br />

Aspekte: „Neben dem Bildungsbereich muss man<br />

auch daran denken, was das für Auswirkungen<br />

auf Arbeitsplätze hat, Stichwort „Homeoffice“,<br />

Dr. Martin Dabrowski, stellvertretender Direktor der Akademie<br />

Franz Hitze Haus, im Video-Chat<br />

wie man die Arbeitsorganisation digitalisieren<br />

kann und nicht zuletzt daran, was so ein neues<br />

Aufgabenfeld für Auswirkungen auf die Arbeitsverteilung<br />

hat. Die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie<br />

kostet Arbeitszeit, und die muss an<br />

anderer Stelle eingespart werden. Selbstverständlich<br />

müssen auch die Kolleginnen und Kollegen<br />

entsprechend fortgebildet werden, und auch das<br />

kostet Zeit.“ Von der IT-Abteilung, stellt er heraus,<br />

hätten er und seine Kollegen sich im Übrigen während<br />

der Lockdown-Phase in den meisten Fällen<br />

sehr gut betreut gefühlt: „Da wurde schnell Vieles<br />

möglich gemacht. Vielen Dank.“<br />

Bei allen positiven Aspekten macht Dabrowski<br />

aber klar, dass nicht alles digital zu ersetzen sei.<br />

„Bei uns gilt, dass wir Präsenzveranstaltungen<br />

auch künftig den digitalen vorziehen, wenn dies<br />

möglich ist“, sagt er. „Orientierung im Dialog“ sei<br />

doch der Leitspruch des FHH. „Und das geht nun<br />

mal viel besser, wenn man persönlich in der Akademie<br />

miteinander ins Gespräch kommt.“<br />

Übrigens: Den JPK im FHH kann man mieten.<br />

Interessenten können ihre Anfrage gerne telefonisch<br />

unter der Durchwahl 0251 9818-110 stellen.<br />

(JG)<br />

22 23


Kirchliche Meilensteine<br />

WENDEPUNKTE DER<br />

KIRCHENGESCHICHTE<br />

VON GESTERN, HEUTE UND (ÜBER-)MORGEN<br />

Uns allen ist bewusst, dass die Geschichte unserer<br />

Kirche keinen geradlinigen Verlauf hat. Welche<br />

Herausforderungen die katholische Kirche im<br />

Laufe der Jahrtausende gemeistert hat, vor<br />

welchen Herausforderungen sie heute steht und<br />

welche Fragen geklärt werden müssen, um sie<br />

zukunftsfähig aufzustellen – eine Einordnung von<br />

Dr. Norbert Köster, Professor für mittlere und<br />

neuere Kirchengeschichte an der Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität Münster.<br />

Interview von Julia Geppert<br />

Die katholische Kirche sieht sich aktuell vor großen<br />

Herausforderungen: Immer mehr Menschen<br />

treten aus, die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen<br />

und Vertuschung, es gibt nur noch wenige<br />

Priesteramtskandidaten, Diskussionen um die<br />

Rolle der Frau und Einiges mehr. Bei 2000 Jahren<br />

Kirchengeschichte ist das sicherlich nicht das<br />

erste Mal, oder?<br />

Prof. Dr. Norbert Köster: Nein. Die Fragen, vor denen<br />

wir heute stehen, sind andere. Eine Situation<br />

wie diese haben wir in den 2000 Jahren noch nicht<br />

gehabt. Aber wir haben Phasen größter Auseinandersetzung<br />

– auch mit der Kirchenhierarchie<br />

– erlebt. Zum Beispiel mit dem Papsttum, als die<br />

Päpste in Avignon waren im 14. Jahrhundert und<br />

als die Armutsbewegung aufkam. In der Reformationszeit<br />

setzte sich das fort und auch in der Neuzeit,<br />

in der Konfessionskriege geführt wurden. Wir<br />

haben also viele Zeiten gehabt, in denen es sehr<br />

kritisch war und Menschen auch sehr kritisch auf<br />

Kirche geschaut haben. Und doch hat es dazwischen<br />

immer wieder die Zeiten des Aufbruchs gegeben.<br />

Man kann sicherlich viele Wendepunkte in der<br />

Kirchengeschichte benennen. Was sind denn<br />

die großen?<br />

Der erste große Wendepunkt ist der, als das<br />

Christentum zu den Germanen kommt. In der<br />

Hochkultur des Römischen Reiches hat sich das<br />

Christentum von selbst, ohne Mission, ausgebreitet.<br />

Es war eine supermoderne Religion. Das<br />

Römische Reich geht im 5. Jahrhundert unter.<br />

Dann übernehmen die germanischen Stämme das<br />

Christentum und passen es ihren Bedürfnissen an.<br />

Das Gottesbild ändert sich, die Eucharistiefeier wird<br />

Dr. Norbert Köster, Professor für mittlere und neuere Kirchengeschichte<br />

an der WWU Münster<br />

zu einer Messe, Sünde und Buße spielen plötzlich<br />

eine große Rolle, die Heiligenverehrung, die es bis<br />

dahin nicht gab, kommt auf.<br />

Ein weiterer Wendepunkt liegt um das Jahr 1500,<br />

also in der Reformationszeit. Die Frage kommt auf,<br />

wie wir mit der Freiheit der Menschen umgehen,<br />

wie wir sie verstehen können. Der Mensch wird<br />

sich seiner eigenen Kräfte bewusst.<br />

Im 17. Jahrhundert stellt sich mit dem Dreißigjährigen<br />

Krieg die Frage, ob ein Staat konfessionsneutral<br />

sein kann: Stichwort „religiöse Toleranz“. Das<br />

ist ein hartes Ringen, denn das war bis dahin alles<br />

andere als selbstverständlich.<br />

1800 tritt die Säkularisation auf den Plan, also das<br />

Ende der geistlichen Herrschaft.<br />

Was haben diese Wendepunkte alle gemeinsam,<br />

inklusive dem, in dem wir mittendrin sind?<br />

Die Grundfragen, die sie alle durchziehen, sind:<br />

Welche Rolle spielt Gott in dieser Welt? Hat er<br />

überhaupt irgendeine Macht? Vertritt irgendjemand<br />

diese Macht? Was ist also die Rolle der<br />

Kirche? Vertritt die irgendeine Macht? Oder ist das<br />

ein Club von Leuten, die an irgendetwas glauben,<br />

aber ansonsten belanglos sind?<br />

24<br />

25


Kirchliche Meilensteine<br />

verlieren, die sich damit nicht mehr identifizieren<br />

können oder wollen. Wir werden vielleicht auch<br />

andere gewinnen. Aber das ist das Brenzlige an<br />

der Sache: Wenn wir zum Beispiel Leitungsstrukturen<br />

verändern – wir sehen es an der Instruktion<br />

aus dem Vatikan – wird es Menschen geben, die<br />

sagen, dass sie das so nicht mehr mitmachen. Das<br />

hat es über die Jahrtausende immer gegeben. Die<br />

Geschichte des Christentums ist eine Geschichte<br />

von Trennungen und Auseinandersetzungen und –<br />

wenn man so will – Spaltungen.<br />

haben, durften mitbestimmen, wer dort der<br />

Pfarrer wird und was er zu tun hat. Sie bezahlten<br />

ihn zum Teil sogar. Es gab auch Äbtissinnen, die<br />

die Aufsicht über Pfarrer hatten und ihnen sagten,<br />

was sie zu tun und zu lassen haben.<br />

Das Zweite Vatikanische Konzil wollte das Bischofsamt<br />

stärken und hat definiert, dass die gesamte<br />

Leitung beim Bischof liegt. Und jetzt ist die Herausforderung,<br />

das so stehen zu lassen und trotzdem<br />

die Frage nach der Leitung zeitgemäß anzugehen.<br />

Initiator der Reformation: Martin Luther<br />

Darum kämpft man, und bis heute stellt sich die<br />

Frage, ob das eine Bedeutung für den Staat hat.<br />

Wir merken an vielen Punkten: Der Staat kann<br />

nicht ohne eine innere Ausrichtung sein, die Werte<br />

und Normen angeht. Darum ringen wir ständig.<br />

Nehmen wir Flüchtlinge auf? Nehmen wir sie nicht<br />

auf? Sind Ärzte dazu verpflichtet, Menschen beim<br />

Suizid zu helfen? Das alles sind Fragen mit einer<br />

religiösen Dimension – Wertefragen.<br />

Warum sind Veränderungen besonders in Kirche<br />

so stark mit Zögern, Angst und auch mit Widerstand<br />

verbunden?<br />

Da geht es um zwei Aspekte: Der eine ist der<br />

des Systems. Die Kirche ist ein System, das auf<br />

eine bestimmte Art und Weise funktioniert. Es<br />

gibt Menschen, die in diesem System eine Rolle<br />

spielen und erstmal kein Interesse daran haben,<br />

dass dieses System sich ändert. Das ist in allen<br />

Systemen so, nicht nur in der Kirche.<br />

Der zweite Aspekt ist, dass die Kirche mit einem<br />

moralischen Anspruch auftritt. Sogar mit dem<br />

Anspruch, die Macht Gottes in irgendeiner Art und<br />

Weise zu vertreten, beziehungsweise die Schlüssel<br />

des Himmels in der Hand zu haben. „Wenn du in<br />

den Himmel willst, kommst du an uns nicht vorbei.<br />

Wir ermöglichen es dir – aber wenn du an uns<br />

vorbeigehst, landest du in der Hölle.“ Das waren<br />

und sind über Jahrhunderte hinweg die grundlegenden<br />

Schwierigkeiten, die dafür sorgen, dass<br />

Veränderungen auch heute noch schwerfallen.<br />

Dann hat sich über die Jahrhunderte hinweg<br />

an diesen beiden „Stellschrauben“ nichts geändert,<br />

oder?<br />

Diese Grundfragen sind bis heute geblieben. Die<br />

aktuelle Frage, die auch im Synodalen Weg<br />

verhandelt wird, ist, wie stark man ein solches<br />

System verändern kann oder auch nicht. Wenn<br />

wir es verändern, werden wir auch Menschen<br />

Welche Chancen bieten Wendepunkte?<br />

Sie bieten immer die Chance, nochmal auf die<br />

Ursprünge zu schauen und woher wir eigentlich<br />

kommen. Das Wichtigste für die Kirche heute ist<br />

zu fragen: „Was ist der Auftrag heute in dieser<br />

Welt?“. Ist das der Auftrag einer moralischen<br />

Wächterfunktion? Oder ist das eine Fürsorge für<br />

die Seele – eine Seelsorge, den Menschen bei den<br />

Ereignissen ihres Lebens beizustehen? Das ist eine<br />

entscheidende Grundausrichtung.<br />

Die andere Chance, die sich bietet, ist die, den<br />

Platz in der Gesellschaft wieder neu zu justieren.<br />

Das ist für alle großen Religionsgemeinschaften<br />

immer schon eine Herausforderung gewesen<br />

und ist es bis heute. Auf der einen Seite spielen<br />

wir eine große Rolle, weil viele Menschen diesen<br />

Horizont teilen. Auf der anderen Seite können wir<br />

daraus keine Machtansprüche ableiten oder eine<br />

Selbstherrlichkeit entwickeln.<br />

Auch im Bistum Münster wird unter anderem<br />

wegen des Priestermangels mit unterschiedlichen<br />

Formen der Gemeinde- und Pfarreileitung<br />

experimentiert. Das ist auch ein Wendepunkt<br />

– im Sinne eines Entwicklungsprozesses. Dem<br />

hat der Vatikan jetzt mit der Instruktion „Die<br />

pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst<br />

der missionarischen Sendung der Kirche“ einen<br />

Riegel vorgeschoben. Kann dieser Prozess überhaupt<br />

aufgehalten werden, und was sind die<br />

Konsequenzen?<br />

Das ist sehr komplex. Erst das Zweite Vatikanische<br />

Konzil hat die Laien aus der Leitung gedrängt. Es<br />

gab vorher Laien in der Leitung. Wir hatten zum<br />

Beispiel im Mittelalter das sogenannte Patronatssystem.<br />

Das heißt, Adelige, die eine Kirche gebaut<br />

Wir haben die Fülle des Amtes im Bischofsamt<br />

– was wir 1500 Jahre lang nicht gehabt haben.<br />

Der Bischof war ein juristischer Leiter, aber die<br />

höchste Weihestufe hatte der Priester. Und es gab<br />

viele Bischöfe, die gar keine Priester waren, und es<br />

konnten eben auch Frauen bischöfliche Funktion<br />

haben. Zum Beispiel gab es eine Fürstäbtissin von<br />

Herford, die eine absolut mächtige Frau war und<br />

eine Äbtissin von Essen.<br />

Jetzt geht es darum, nochmal neu zu schauen: Auf<br />

der einen Seite hat das Konzil die Leitung beim<br />

Bischof gesehen, und auf der anderen Seite geht<br />

es darum, deutlich zu machen, dass der Bischof<br />

delegieren kann. Das ist notwendig und auch nicht<br />

26


Kirchliche Meilensteine<br />

aufzuhalten. Der Bischof kann jede Form von Leitung<br />

delegieren, wie er es möchte. Das ist übrigens<br />

auch rechtlich kein Problem. Zum Beispiel gibt es im<br />

Kirchenvorstandsrecht viele solcher Momente.<br />

Die Instruktion ist auf Deutsch verfasst, obwohl<br />

auch in anderen Ländern die Frage der Leitung<br />

auf der Agenda steht.<br />

Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Formen<br />

von Leitung – zum Beispiel seit 40 Jahren in Frankreich.<br />

So haben die Bischöfe in Tours und Poitiers<br />

längst Riten entwickelt, um Laien Gemeindeleitung<br />

zu übertragen. Das flog unter dem Radar und<br />

hat sich so etabliert.<br />

Der Prozess in Deutschland kommt jetzt in Rom<br />

auf, weil wir in Deutschland eine neue Schiene dazubekommen<br />

haben, nämlich die der Hauptberuflichkeit.<br />

Und das ist der entscheidende Punkt: Wir<br />

haben in Deutschland eine außerordentlich gut<br />

personell ausgestattete Kirche. Meine Wahrnehmung<br />

ist, dass wir zwischen Ehren- und Hauptamt<br />

eine sehr schwierige Konstellation haben.<br />

Zwischen Priestern und Pastoralreferenten hat sich<br />

viel zu einer positiven Zusammenarbeit entwickelt.<br />

Aber dass Hauptberufliche jetzt mit Ehrenamtlichen<br />

zusammen etwas entwickeln möchten, oder<br />

etwas an Ehrenamtliche abgeben sollen, das ist<br />

ein Konfliktprozess.<br />

Es ist also nicht nur so, dass jetzt aus Rom<br />

Gegenwind kommt. Den haben wir auch in den<br />

eigenen Reihen.<br />

Ich glaube, dass sich diese Frage nur langsam in<br />

einem Prozess klären wird und sich die Rollen von<br />

Hauptberuflichen nochmal neu klären müssen.<br />

Geht es um Macht? Oder geht es da um Unterstützung?<br />

Was ist also die Grundperspektive? Heißt<br />

Hauptberuflichkeit Unterstützung des Ehrenamts?<br />

Ich sehe die Konfliktlinie also nicht nur zwischen<br />

Rom und uns hier. Das ist alles noch gar nicht so<br />

abgemacht, wie es hier vor Ort aufgenommen und<br />

wie es am Ende umgesetzt wird.<br />

Offensichtlich sind also Wendepunkte immer<br />

Prozesse und keine Hauruckaktionen. Und es<br />

sind Prozesse, bei denen man auch Menschen<br />

verliert.<br />

Natürlich. Und in denen Menschen sich umstellen<br />

müssen. Hauptberufliche müssen sehen, dass<br />

sie eine andere Funktion haben werden. Umgekehrt<br />

waren Ehrenamtliche in einer durchaus<br />

bequemen Rolle, immer sagen zu können, dass<br />

die Hauptberuflichen das schon organisieren, wie<br />

zum Beispiel die Katechese. Und das hat ja auch<br />

so eine Mentalität hervorgebracht, die davon<br />

ausgeht, dass religiöse Erziehung zum Beispiel<br />

ausschließlich als Sache von Kitas oder Schulen –<br />

also durch Hauptberufliche – angesehen wird.<br />

Dieser Stab an Hauptberuflichen ist eine relativ<br />

junge Entwicklung, die wir erst seit 50 Jahren haben.<br />

Im 19. Jahrhundert hatten Ehrenamtliche den<br />

Großteil der Sache sowieso selbst in der Hand.<br />

In Vereinen, Nachbarschaften und Bruderschaften<br />

organisierten sie sich selbst, und den Priester<br />

brauchten sie nur für ein paar bestimmte Dinge –<br />

Sakramente eben. Jetzt müssen sich viele Leute<br />

neu orientieren, und einige werden sicherlich auch<br />

sagen, dass das so dann nicht mehr ihre Kirche sei.<br />

Zum Abschluss: Was kann die katholische Kirche<br />

heute aus der Geschichte ihrer eigenen Wendepunkte<br />

lernen?<br />

Es hat immer extreme Wandlungen in der Kultur<br />

gegeben. Und ich glaube, dass die Kirche es immer<br />

wieder geschafft hat, mit allen Schwierigkeiten<br />

und auch mit dem Verlust von Menschen fertig<br />

zu werden, aus einem solchen Kulturwandel zu<br />

lernen und sich neu aufzustellen. Wenn man das<br />

über die Jahrhunderte sieht, hat es immer wieder<br />

funktioniert. Ich denke, das wird auch jetzt so sein –<br />

auch wenn es langwierige Prozesse sind.<br />

Die Dinge werden anders sein, aber es wird immer<br />

Menschen geben, denen die Sache wichtig ist und<br />

die eine Form finden, sie in der gegenwärtigen<br />

Kultur zu platzieren.<br />

Fotos von Julia Geppert (1), Adobe Stock (3), Unsplash.com (1)<br />

Erst nach dem 5. Jahrhundert kommt die Heiligenverehrung auf.<br />

28<br />

29


Gemeinschaft mit Tradition<br />

„DAS IST HEIMAT,<br />

DA MÖCHTE<br />

MAN TEILHABEN“<br />

Beitrag von Christian Breuer<br />

Patrick de Vries, 42 Jahre alt, Geschäftsführer des Kreisdekanats Kleve, ist Schützenbruder<br />

– aus Überzeugung. Er räumt mit dem Klischee auf, dass Bruderschaften<br />

nur veralteten Traditionen nachhängen. Und er spricht über die<br />

Emotionen beim Einzug in den Festsaal, wenn er als Teil des<br />

Spielmannszugs den neuen König begleitet.<br />

Freundschaft – das ist das Wort, das immer wieder fällt,<br />

wenn Patrick de Vries über die Schützen spricht.<br />

Freunde waren es, die ihn in seiner Jugend zu<br />

den Schützen brachten, Freunde sind es, die er<br />

dort gefunden hat. Und das, wie er betont, über<br />

Generationsgrenzen hinweg, ohne Ansehen von<br />

Besitz oder Beruf. „Wir sind Schützen, alles andere<br />

spielt keine Rolle, wenn wir uns treffen“, betont<br />

der Familienvater, der in der Emmericher Ortschaft<br />

Praest am Niederrhein wohnt.<br />

Womit schon fast kein Weg an einer Mitgliedschaft<br />

bei den Schützen vorbei führt.<br />

Rechtsrheinisch steht das Schützenfest<br />

alljährlich in vielen Kalendern, weit über die<br />

jeweiligen Ortsgrenzen hinaus – auch wenn<br />

es <strong>2020</strong> wegen der Corona-Pandemie nur<br />

kleine, private Feiern geben konnte. Doch de<br />

Vries blickt optimistisch in die Zukunft. 1786<br />

wurde die St.-Johannes-Schützenbruderschaft<br />

in Praest gegründet. Sie hat<br />

schon andere Krisenzeiten überstanden.<br />

Auch wenn er seit mittlerweile 15<br />

Jahren mit seiner Familie in Praest<br />

wohnt, aufgewachsen ist de Vries in dem<br />

wenige Kilometer entfernten Ort Vrasselt.<br />

Auch dort gibt es – selbstverständlich – eine<br />

Schützenbruderschaft. Sie steht unter dem<br />

Patrozinium des Heiligen Antonius und wurde<br />

1654 gegründet. „Als Jugendlicher hatte ich einige<br />

Freunde, die bereits Mitglieder im Spielmannszug<br />

des Schützenvereins waren, und so habe ich<br />

mich schließlich auch angemeldet“, erinnert sich<br />

de Vries. Nach wie vor ist er Mitglied im Vrasselter<br />

Spielmannszug. In Praest ebenfalls als Schütze<br />

dabei zu sein, war für ihn jedoch selbstverständlich:<br />

„Das ist meine neue Heimat, da möchte ich<br />

teilhaben“, sagt er überzeugt.<br />

Schon damals fiel die Entscheidung für den<br />

Spielmannszug. Mit 15 Jahren lernte er von<br />

einem älteren Schützenbruder, die Flöte zu spielen.<br />

Eine Fähigkeit, die er heute seinerseits einem jungen<br />

Mitglied weitergibt. „Einmal pro Woche<br />

treffen wir uns. Gelernt wird nach<br />

Noten, am Ende müssen wir<br />

aber 15 Märsche auswendig<br />

spielen können“,<br />

erklärt er. Es sei, sagt<br />

de Vries, schon mit<br />

Emotionen verbunden,<br />

wenn man als Teil des<br />

Spielmannszugs den<br />

König in den Festsaal<br />

führt, nachdem<br />

der Vogel<br />

gefallen ist.<br />

„Wir sind Schützen,<br />

alles andere spielt<br />

keine Rolle, wenn<br />

wir uns treffen.“<br />

Die feiernden Gäste stehen Spalier, es wird mitgesungen,<br />

und der neue König marschiert, begleitet<br />

von seinem Zug, ins Zelt ein. Was für den außenstehenden<br />

Betrachter anachronistisch wirken mag,<br />

ist für die Bruderschaften Teil ihrer Tradition,<br />

die Jahr um Jahr gepflegt wird und mit dazu beiträgt,<br />

das Zusammengehörigkeitsgefühl und die<br />

Freundschaften zu stärken. In den vergangenen<br />

Jahren haben sich die rund 1.300 katholischen<br />

Bruderschaften, denen etwa 40.000 Mitglieder<br />

angehören, zudem deutlich modernisiert. Sie sind<br />

offener geworden, haben beispielsweise Frauen<br />

den Zutritt ermöglicht. „In Vrasselt hat sich 2019<br />

erstmals eine Frau gegenüber den anderen Königsbewerbern<br />

durchgesetzt und ist Königin geworden“,<br />

erzählt de Vries und ergänzt: „Sie ist auch<br />

die erste Königin, die Amt und Würde aufgrund<br />

von Corona zwei Jahre lang ausüben darf.“<br />

Das Schützenfest ist übrigens nur der Höhepunkt<br />

des Jahres. Auch davon unabhängig treffen<br />

sich die Mitglieder zu Proben, zu Versammlungen<br />

ihres Schützenzuges und zu gemeinsamen Ausflügen<br />

mit der Familie. Und auch bei kirchlichen<br />

Festen dürfen die Schützen natürlich nicht fehlen.<br />

Aus Überzeugung und aus Tradition. Historisch<br />

gesehen war es nämlich die Aufgabe der Bruderschaften,<br />

kirchliche Feste und Prozessionen zu organisieren<br />

und zu schützen. Der Zweck einer Mitgliedschaft,<br />

betont de Vries, sei eben nicht, einmal im<br />

Jahr in Uniform zu marschieren und Bier zu trinken.<br />

Ihm und seinen Schützenbrüdern geht es darum,<br />

die Dorfgemeinschaft zu stärken, sich ehrenamtlich<br />

zu engagieren – und: um Freundschaft.<br />

Foto von Christian Breuer<br />

30 31


Auf Museumstour<br />

HISTORISCHES<br />

DIE KUNST, ALTE SCHÄTZE<br />

ZEITGEMÄSS ZU PRÄSENTIEREN<br />

Sie sind Zentren kulturellen Erbes – und haben viele Aufgaben. Museen sind Lernorte,<br />

vermitteln Tradition und Wissen. Dies ist auch der Anspruch des „RELíGIO – Westfälisches<br />

Museum für religiöse Kultur“ in Telgte und des StiftsMuseums in Xanten. Auch im digitalen<br />

Zeitalter möchten die beiden Museen, die vom Bistum Münster getragen beziehungsweise<br />

unterstützt werden, diesem Bildungs- und Vermittlungsauftrag gerecht werden. Der <strong>Liudger</strong><br />

zeigt, wie es ihnen gelingt, Historisches und Zeitgenössisches zeitgemäß zu vermitteln.<br />

trifft<br />

DIGITALES<br />

RELíGIO-Museum Telgte<br />

„Die Aura eines Objektes bleibt analog“<br />

Beitrag von Ann-Christin Ladermann<br />

Durch die Gassen der Altstadt hindurch, vorbei an<br />

der Telgter Wallfahrtskapelle mit dem Gnadenbild<br />

– und schon ist man mittendrin, in der Spannung<br />

zwischen alt und neu, historisch und modern. Auf<br />

der linken Straßenseite der eine Teil des Gebäudes,<br />

ein Altbau aus dem 16. Jahrhundert, eine ehemalige<br />

Pfarrscheune. Gegenüber der andere Teil, ein<br />

moderner Neubau, 1994 mit Sandstein und Glasflächen<br />

von dem renommierten Architekten Josef<br />

Paul Kleihues geschaffen. Das „RELíGIO – Westfälisches<br />

Museum für religiöse Kultur GmbH“ ist ein<br />

Sinnbild für die Verbindung von Historischem und<br />

Zeitgenössischem.<br />

Die religiöse Kultur von ihren Anfängen bis in<br />

die heutige Zeit ist Thema der Dauerausstellung<br />

im modernen Museumsgebäude. Ob frühe bronzezeitliche<br />

Grabbeigaben oder ein Fan-Schal des<br />

Fußballvereins Borussia Dortmund aus jüngster<br />

Zeit: Die Verantwortlichen um Museumsleiterin<br />

Dr. Anja Schöne wählen jedes Exponat mit Bedacht<br />

aus: „Wir möchten vermitteln, dass Religion einem<br />

ständigen Wandel unterlegen ist“, betont sie.<br />

Kernstück ist der „Tisch der Religionen“, an dem<br />

durch markante Objekte, die die Weltreligionen<br />

vertreten, deutlich wird: Auch unsere Gegenwart<br />

ist von religiöser Vielfalt geprägt.<br />

Auf zwei Etagen und in fünf Themenräumen<br />

gibt das RELíGIO-Museum Einblicke in die vielfältige<br />

religiöse Praxis in Westfalen – von der Frühgschichte<br />

bis in die Gegenwart. Zu finden sind unter anderem<br />

persönliche Gegenstände und Predigttexte von<br />

Kardinal Clemens August von Galen und das Telgter<br />

Hungertuch, eines der bedeutendsten religiösen<br />

Kulturgüter Westfalens, das vor 400 Jahren durch<br />

fleißige Hände geschaffen worden ist. Neben der<br />

Dauerausstellung gibt es Sonderausstellungen, darunter<br />

auch die traditionelle Krippenausstellung, die<br />

zeitgenössische Krippen zeigt und jährlich mehrere<br />

tausend Besucher anlockt.<br />

32 33


Aus den Regionen Münsterland und Niederrhein<br />

Interaktive Displays, Audiostationen und spezielle<br />

Lichtinszenierungen: Das Museum bedient sich<br />

moderner Technik und beteiligte sich 2019 auch<br />

an „Apokalypse Münsterland“, einem Kooperationsprojekt<br />

von 28 Museen, bei dem das Telgter<br />

Hungertuch digital durch Virtual-Reality-Technik in<br />

3D dargestellt wurde. Anja Schöne ist sich sicher,<br />

dass beispielsweise mit Blick auf das Gnadenbild,<br />

das vor kurzem technisch umfangreich untersucht<br />

worden ist, auch künftig einiges in Sachen digitale<br />

Vermittlung möglich sein wird. Zuletzt haben sie<br />

und ihr Team am Auftritt des Museums in den<br />

Sozialen Netzwerken gearbeitet. „Unsere jüngste<br />

Aktion bei Instagram trägt den Titel #FreitagsFavorit.<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen in<br />

Kurzvideos Objekte aus dem Depot vor, die die<br />

Besucher im Museum ansehen können.“<br />

Bei aller fortschreitenden Digitalisierung –<br />

Anja Schöne ist es wichtig, dass die andere Seite<br />

nicht vergessen wird. „Die Aura eines Objektes<br />

ist und bleibt analog, und unser Ziel ist es, Besucherinnen<br />

und Besucher persönlich bei uns im<br />

Museum begrüßen zu können.“ Dazu passt auch<br />

die Tatsache, dass besonders Führungen durch<br />

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums<br />

besonders gut angenommen werden. Und<br />

davon hat das RELíGIO-Museum einige zu bieten.<br />

Haus- und Themenführungen oder spirituelle<br />

Führungen ermöglichen eine direkte Begegnung<br />

mit den ausgestellten Objekten. „Kein Medium<br />

kann ein Objekt so vermitteln, wie eine reale<br />

Person“, ist Anja Schöne überzeugt.<br />

Noch interaktiver wird es beim „RELíGIO-Quiz“,<br />

bei dem das Museum auf eigene Faust erkundet<br />

werden kann. Schulklassen und Jugendgruppen<br />

können zudem an Workshops zu den Ausstellungen<br />

teilnehmen. Auch das Thema Inklusion liegt<br />

dem Team des RELíGIO-Museums am Herzen.<br />

„Jeder Mensch soll die Möglichkeit bekommen,<br />

unser Museum zu besuchen“, betont Anja Schöne.<br />

Führungen in Gebärdensprache, für Blinde und<br />

Sehbehinderte und für Menschen mit Demenz<br />

gehören daher fest zum Angebot.<br />

StiftsMuseum Xanten<br />

Die Kraft der Originale<br />

Beitrag von Christian Breuer<br />

Das Auge muss sich erst an das helle Licht gewöhnen,<br />

das gleißend durch ein hohes Fenster in den<br />

kleinen Raum mit den dunklen Fliesen scheint. Vor<br />

der Scheibe laufen Menschen vorbei, Touristen<br />

offenbar, die durch den Kreuzgang des Xantener<br />

Doms wandeln. Fast kommt man sich vor, wie ein<br />

Zeitreisender, der aus der Vergangenheit einen<br />

kurzen Blick zurück in die Gegenwart wirft, um<br />

dann wieder in der Geschichte vergangener Jahrhunderte<br />

zu versinken.<br />

Die Zeitreise im Schatten des Viktor-Doms ermöglicht<br />

das Xantener StiftsMuseum, geleitet von<br />

Elisabeth Maas. Das noch recht junge Museum,<br />

eröffnet vor zehn Jahren, beherbergt die Kirchenschätze<br />

von St. Viktor und wurde in den Räumen<br />

des ehemaligen Kanoniker-Stifts eingerichtet.<br />

Bis ins 8. Jahrhundert reicht dessen Geschichte<br />

zurück, und so sind es schon die grob behauenen<br />

Mauern, das Gewölbe und die alten Holzbalken,<br />

die dem Museum eine besondere Atmosphäre<br />

verleihen. Das Lichtkonzept sieht nur eine sehr<br />

reduzierte Beleuchtung vor und hüllt die ausgestellten<br />

Objekte in die Aura des Mystischen.<br />

Auf zusätzliche Technik wird weitestgehend<br />

verzichtet. „Uns stellt sich immer wieder die Frage,<br />

wie viel wir der Kraft des Originals zutrauen“,<br />

erklärt Elisabeth Maas nach dem Rundgang. „Wir<br />

sind zuversichtlich, mit der Kraft und Qualität<br />

unserer Originale die Menschen zu begeistern“.<br />

An der Kasse gibt es Audio-Führer, noch beliebter<br />

aber sind die Gästeführungen durch die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter des Museums. Abgesehen<br />

von einem Film, der in einem eigenen Raum<br />

in Dauerschleife läuft, wird auf Multimedialität<br />

verzichtet. Stattdessen gibt es immer wieder Angebote<br />

zu Sonderführungen, etwa mit einem Priester,<br />

der auch mal ein vorkonziliares Messgewand<br />

anlegt und die Unterschiede zur Moderne erklärt.<br />

Die Museumsleiterin weiß, dass die Präsentation<br />

und das „Drumherum“ immer wichtiger werden,<br />

um Menschen Historisches und Zeitgenössisches<br />

schmackhaft zu machen. Aus ihrer Sicht braucht<br />

es beides: „Den Fortschritt, die Neuerung, aber<br />

auch die realen Objekte mit ihrer eigenen, oft<br />

viele Jahre zurückreichenden Geschichte.“<br />

Das RELíGIO-Museum ist im Internet unter<br />

www.museum-telgte.de zu finden, bei Facebook<br />

unter „RELíGIO – „Westfälisches Museum für<br />

religiöse Kultur“ und bei Instagram unter<br />

„museum_religio“.<br />

Dr. Anja Schöne, Museumsleiterin<br />

Fotos von Ann-Christin Ladermann (3) und Stephan Kube (1)<br />

34 35


Aus den Regionen Münsterland und Niederrhein<br />

Elisabeth Maas, Kommissarische Museumsleiterin<br />

Das ist überhaupt eines der Hauptziele des<br />

Museums, dass vor allem Gegenstände ausstellt,<br />

die zwar der Mode ihrer jeweiligen Entstehungszeit<br />

unterworfen waren, aber in ihrer Funktion die<br />

Jahrhunderte überdauerten und noch heute im<br />

Mess-Ritus, ebenso wie im privaten christlichen<br />

Leben, Verwendung finden. Nahezu jedes Objekt<br />

könnte sofort wieder eingesetzt werden, oft<br />

sprechen jedoch konservatorische Gründe dagegen.<br />

Das Museum ermöglicht seinen Besuchern<br />

die unmittelbare Begegnung mit den historischen<br />

Gegenständen und schafft gleichzeitig ein Bewusstsein<br />

für ihre Bedeutung im Glaubensleben. „Die<br />

gesamte Arbeit, die in die Anfertigung der Kelche,<br />

Messgewänder und all der anderen Objekte gesteckt<br />

wurde, dient nur einem Ziel: dem Lobe<br />

Gottes“, macht Elisabeth Maas deutlich.<br />

Beliebt sind die Sonderführungen, bei denen<br />

die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hautnah<br />

mit der Geschichte in Berührung kommen – beim<br />

Schöpfen von Papier, Schreiben mit dem Federkiel<br />

oder als Nachwuchssteinmetze. Daraus will<br />

man lernen – nach zehn Jahren wird es irgendwann<br />

an der Zeit sein, das bisherige Konzept zu<br />

überprüfen und gegebenenfalls an die Bedürfnisse<br />

der Besucherinnen und Besucher anzupassen.<br />

‚Partizipation‘ werde dann das Stichwort lauten,<br />

erläutert Elisabeth Maas – Knöpfe drücken,<br />

Schubladen öffnen, noch näher an bestimmte<br />

Stücke herankommen, in diese Richtung könnte es<br />

gehen. Elisabet Maas: „Wie genau das Konzept<br />

aussehen wird, wissen wir noch nicht. Die Ausstrahlungskraft<br />

der Objekte selbst wird aber<br />

immer im Vordergrund bleiben.“<br />

Fotos von Achim Pohl<br />

FRAGEN AN …<br />

Prof. Dr. Thomas Flammer<br />

Leiter der Abteilung Kunst und Kultur, Bischöfliches Generalvikariat<br />

Prof. Flammer, welche Bedeutung haben<br />

allgemein Museen in der heutigen Zeit?<br />

Prof. Flammer: Das Sammeln, Bewahren,<br />

Forschen, Ausstellen und Vermitteln von<br />

Kunstschätzen und Kulturgegenständen zählt<br />

zu den Grundanliegen eines jeden Museums.<br />

Ein Museum kann dabei ein Nadelöhr sein für<br />

ein bestimmtes Thema unserer Vergangenheit<br />

oder eben auch Gegenwart. Grundsätzlich aber<br />

eröffnen uns diese Einrichtungen „ein Fenster“<br />

und liefern Einblicke in unsere Kulturgeschichte.<br />

Und sie können uns zeigen, wie facettenreich –<br />

positiv wie negativ – unsere Geschichte ist. Sie<br />

können neue Sichtweisen eröffnen, erinnern,<br />

mahnen, „Brücken ins Hier und Heute schlagen“.<br />

Außerdem haben Museen einen Bildungsauftrag,<br />

den sie durch die direkte Begegnung mit<br />

originalen Zeugnissen erfüllen.<br />

Wie ist das mit Blick auf die katholische Kirche,<br />

die ja bekanntlich sparen muss? Warum leistet<br />

sich beziehungsweise unterstützt das Bistum<br />

Münster überhaupt noch Museen?<br />

Es gehört zur kulturellen Verpflichtung der katholischen<br />

Kirche, den Blick auf ihre Kultur, ihre<br />

Geschichte, ihre Identität wachzuhalten. Die<br />

Ausstattung in unseren Kirchen beispielsweise<br />

ist Ausdruck gelebten Glaubens und einer<br />

kulturellen Vielfalt über Jahrhunderte hinweg.<br />

Damit das deutlich wird, ist es so wichtig zu zeigen,<br />

wie der Glaube früher funktioniert hat und<br />

was an ihm fasziniert hat. Fest steht: Mit Kunst<br />

wird man in den wenigstens Fällen Gewinn<br />

machen; dies darf auch nicht die entscheidende<br />

Frage sein. Aber ein Museum kann auch ein<br />

Ort der religiösen Vergewisserung sein. Dass<br />

man dafür Geld ausgibt, muss man natürlich<br />

erklären können. Viele Häuser stehen vor der<br />

Schwierigkeit, dass religiöse Begrifflichkeiten<br />

und Selbstverständlichkeiten wegbrechen. Wer<br />

weiß heute noch, was ein Evangeliar, eine Palla<br />

ist oder kennt sich mit christlichen Symbolen<br />

aus? Wir müssen viel mehr erklären und mitunter<br />

vereinfachen als früher. Darum ist es<br />

wichtig, in Museen „Geschichten zu erzählen“,<br />

um ein breiteres Publikum zu erreichen.<br />

Eine Geschichte? Was meinen Sie damit?<br />

Wir müssen unseren Blick noch mehr auf die<br />

Vermittlung legen. Der Bereich Museumspädagogik<br />

ist dabei entscheidend, der wurde in den<br />

vergangenen Jahren aber auch schon stärker<br />

ausgebaut. Spezielle Führungen, interaktive<br />

Elemente und moderne Technik können Wissen<br />

lockerer, leichter vermitteln. Ein Museum darf<br />

nicht stehen bleiben, sondern muss Abwechslung<br />

bieten und damit Brücken ins Hier und<br />

Jetzt bauen. So kann es auch gelingen, Kinder<br />

abzuholen und bei ihnen ein Interesse für Kunst<br />

und Kultur zu wecken.<br />

Was sind Ihre Geheimtipps in den beiden<br />

Museen in Xanten und Telgte?<br />

Im Stiftsmuseum fasziniert mich immer wieder<br />

eine kleine Elfenbeinpyxis aus dem 5. oder 6.<br />

Jahrhundert. Diese kleine Dose kommt aus<br />

einem nicht-christlichen Kontext, vermutlich<br />

aus Syrien, und wurde dann als liturgisches<br />

Gefäß im Christlichen weiterverwendet. Eine<br />

beeindruckende Geschichte und ein echtes<br />

Schmuckstück! Im Religio-Museum ist es die<br />

gesamte jährliche Krippenausstellung, deren<br />

Besuch ich nur empfehlen kann. Toll, in welch<br />

kreativer Form sich Menschen mit einem bestimmten<br />

Thema auseinandersetzen und Kunstwerke<br />

entstehen lassen.<br />

(ACL)<br />

36 37


Nachgefragt<br />

NEUE HERAUSFORDERUNGEN MACHEN DAS LEBEN<br />

SPANNEND. DARUM FRAGTE LIUDGER DIE KOLLEGINNEN<br />

UND KOLLEGEN AUS DEM BISTUM FÜR DIESE AUSGABE:<br />

„WAS HABEN SIE ZULETZT NEUES GEWAGT?“<br />

Phillip Langenkämper<br />

Pastoralassistent, St. Johannes Oelde<br />

Neues zu wagen scheint mein Motto dieses Jahres<br />

zu sein: In Saerbeck musste das Seelsorgeteam<br />

wegen Corona viele neue Ideen für die Menschen<br />

entwickeln und umsetzen. Und bedingt durch<br />

meine neue Arbeitsstelle in Oelde wagen meine<br />

Familie und ich einen neuen Lebensabschnitt in<br />

einer neuen Stadt, einem neuen Haus, in einem<br />

neuen Umfeld. Am wichtigsten ist aber, dass meine<br />

Frau und ich in diesem Jahr das größte Wagnis<br />

überhaupt eingegangen sind: Wir haben geheiratet.<br />

Pascal Bergermann<br />

Sachbearbeiter, Abteilung Kirchengemeinden,<br />

Bischöfliches Generalvikariat<br />

Mein letztes Wagnis war mein Sommerurlaub.<br />

Bei meinem ersten Wanderurlaub überhaupt<br />

mit nichts als meinem Rucksack auf dem Rücken<br />

loszulaufen und dann gleich die komplette Strecke<br />

um den Bodensee zu wandern, ohne zu wissen,<br />

auf welchem Zeltplatz ich abends lande, war eine<br />

sehr interessante Erfahrung.<br />

Mirijam Held<br />

Pastoralassistentin, St. Franziskus Homberg<br />

Seit Corona habe ich viel Zeit zu Hause verbracht und<br />

wieder angefangen, mich kreativ zu beschäftigen.<br />

Beispielsweise habe ich begonnen, digitale Illustrationen<br />

zu gestalten und den Instagram-Account<br />

@heroine.illustrating zu betreiben. Es ist spannend<br />

für mich, meine Kunst öffentlich zu machen und<br />

Rückmeldungen zu bekommen. Bisher war sie<br />

doch eher privat. Ich bin gespannt, wie sich das<br />

Projekt weiterentwickelt.<br />

Christoph Schwerhoff<br />

Spiritual am Collegium Augustinianum<br />

Gaesdonck in Goch<br />

In letzter Zeit habe ich sehr viel Neues gewagt:<br />

Ich bin als Seelsorger auf eine Schule umgezogen<br />

und wohne nun unter den Internatsschülern auf<br />

der Gaesdonck. Völlig neu war es für mich, plötzlich<br />

auch Lehrer zu sein, vor Klassen zu stehen und<br />

zu unterrichten. Es ist wie ein neuer Beruf: sehr<br />

spannend und jede Menge neue Gesichter und<br />

Menschen, die Erwartungen haben. Da kommt<br />

Leben auf.<br />

38 39


Nachgefragt<br />

Fabian Christoph<br />

Pastoralreferent, St. Martinus Herten<br />

Ich habe Anfang des Jahres etwas ganz Neues<br />

gewagt: Ich bin zum ersten Mal Vater geworden.<br />

So hatte die Zeit des Lockdowns für mich auch<br />

etwas Gutes. Ich konnte meinen Schreibtisch in<br />

das heimische Wohnzimmer verlegen und so die<br />

ersten Monate mit unserem Nachwuchs ganz<br />

nah verbringen. Das Wagnis der Kombination<br />

von Privatleben und Beruf hat überraschend<br />

gut funktioniert, trotz aller Falltüren.<br />

Bea Galler<br />

Verwaltungsreferentin, St. Marien Lünen<br />

Ich beschäftige mich privat intensiv mit dem<br />

Thema Patchworken und Quilten und gebe für die<br />

Patchwork Gilde Deutschland e.V. sogar Seminare.<br />

Durch die Corona-Pandemie war ein geselliges<br />

Treffen in der Gruppe plötzlich jedoch nicht mehr<br />

möglich. Darum besitze ich seit ein paar Wochen<br />

Webcams, entsprechendes Licht und viele Meter<br />

Kabel, mit denen es möglich ist, die Kurse im<br />

Online-Modus anzubieten. Ich muss gestehen:<br />

Ich wollte so etwas nie. Aber es macht sehr viel<br />

Spaß, kommt bei den Kursteilnehmern gut an und<br />

ermöglichte sogar Kontakt zu Patchworkerinnen<br />

aus Österreich und den USA.<br />

Sonja Stratmann<br />

Pastoralreferentin, Liebfrauen Bocholt<br />

Was ich zuletzt Neues gewagt habe? Wasserski<br />

fahren! Ich wollte es schon immer mal machen,<br />

habe mich aber lange nicht getraut. Bis zu<br />

diesem Sommer. Mit an Sicherheit grenzender<br />

Wahrscheinlichkeit sah es nicht nach elegantem<br />

Gleiten übers Wasser aus, und ich bin oft im<br />

Wasser gelandet. Außerdem ist Wasserski fahren<br />

unglaublich anstrengend, und ich habe Muskelkater<br />

gespürt an Stellen, die ich bis dahin nie mit<br />

Muskeln in Verbindung gebracht hätte. Aber: Es<br />

hat wirklich Spaß gemacht. Und zu sehen, wie ich<br />

langsam aber sicher immer besser wurde, motiviert<br />

mich, es noch mal zu machen!<br />

Niklas Piel<br />

Kirchenmusiker, St. Mauritz Münster<br />

Zuletzt etwas Neues habe ich in meinem Beruf<br />

gewagt, als ich mit dem Erstellen von YouTube-<br />

Videos über die Mauritz-Orgel begonnen habe.<br />

Es ist ein ungewohntes Gefühl, vor einer laufenden<br />

Kamera zu stehen. Die Bearbeitung von Videos ist<br />

für mich als Kirchenmusiker etwas ganz Neues. Aber<br />

bisher hat sich das Ganze als sehr positiv erwiesen.<br />

40 41


Nachgefragt<br />

Eva Sewald<br />

Leiterin des Referates Tage religiöser Orientierung,<br />

Bischöfliches Generalvikariat<br />

Tanja Schröder<br />

Sekretärin der Abteilung Medien- und Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Bischöfliches Generalvikariat<br />

<strong>2020</strong> war das Jahr der Veränderungen! Ich habe<br />

mich vielen neuen Aufgaben gestellt – teils freiwillig,<br />

wie der Umbau meines Hauses, teils aber auch<br />

Corona-bedingt, wie mein Einsatz als Aushilfslehrerin<br />

für meine Tochter. Homeschooling war<br />

für viele Eltern eine große und neue Herausforderung.<br />

Im Großen und Ganzen überwiegt aber<br />

der Vorteil: die gemeinsame Zeit mit der Familie!<br />

Zuletzt habe ich gewagt, Tage religiöser Orientierung<br />

mit verschiedenen Menschen in unterschiedlichen<br />

digitalen Settings neu zu denken und gestaunt,<br />

was für spannende und innovative Ideen entstanden<br />

sind. Es tut gut, Teil von etwas zu sein, das es<br />

wert ist, lebendig erhalten zu werden.<br />

Thien-An Vu<br />

Sekretärin der Abteilung Kinder, Jugendliche und<br />

Junge Erwachsene, Bischöfliches Generalvikariat<br />

Sven Tönies<br />

Pastoralreferent, St. Martinus Greven<br />

Mit meinen Kollegen habe ich zu Ostern Boxen für<br />

Familien verpackt. So konnten sie gemeinsam mit<br />

uns Ostern feiern, obwohl wir keine öffentlichen<br />

Gottesdienste abhalten durften. Und auf Instagram<br />

erstelle ich auf meinem Account @schulpastoral_<br />

greven täglich Bibelimpulse für Schülerinnen und<br />

Schüler. Für mich ist das Spielfeld Instagram neu.<br />

Ich habe aber nicht den Eindruck, dass ich dabei<br />

etwas wage. Ich mache lediglich meine Arbeit und<br />

teile – frei nach Frère Roger – das vom Evangelium,<br />

was ich verstanden habe.<br />

Ich bin vor zehn Monaten aus meinem Elternhaus<br />

ausgezogen und wohne jetzt in meiner ersten<br />

eigenen Wohnung. Und seit Mitte August mache<br />

ich meinen Betriebswirt am Hansa-Berufskolleg in<br />

Münster. Es ist gerade echt eine spannende Zeit!<br />

Wir freuen uns über Ihr Feedback!<br />

Sie haben Fragen, Anregungen oder Kritik? Senden Sie uns eine<br />

E-Mail an: liudger@bistum-muenster.de<br />

42 43


Dafür / Dagegen<br />

„SIND TRADITIONELLE RITEN<br />

WICHTIG, UM AN GOTT<br />

GLAUBEN ZU KÖNNEN?“<br />

Von Anke Lucht<br />

Von Carolin Bartnick<br />

Wer je versucht hat, in einer Familie etablierte Abläufe zu Weihnachten zu ändern und sich unweigerlich<br />

entsetzten Protesten von allen Seiten ausgesetzt sah, bekommt eine Ahnung davon, wie wichtig Rituale<br />

für Menschen sind.<br />

Mehr noch: Rituale sind Teil der menschlichen DNA. Nicht umsonst hat es sie zu allen Zeiten und in allen<br />

Kulturen gegeben und gibt es sie noch heute weltweit.<br />

Entsprechend braucht auch der Glaube an Gott Rituale. Denn sie vermitteln ihn. Zu uns allen ist Glaube<br />

auf den sprichwörtlichen zwei Beinen gekommen, nämlich durch Menschen, die ihn geteilt haben. Das<br />

geschieht oft durch Weitergabe von Ritualen. Der Rosenkranz, den die Großmutter bei Gewitter betete,<br />

das vom Großvater stets als Tischgebet vorgetragene Vater unser: Durch solche Rituale gewinnt der Glaube<br />

ein Gesicht und etabliert sich.<br />

In Ritualen bietet der Glaube außerdem wertvollen Halt an. Für nahezu alle Lebenslagen, in denen eigene<br />

Worte oder Ideen fehlen, gibt es Rituale als Verbindung zu Gott. Die können wir, weil sie eingeübt sind,<br />

automatisch abrufen und umsetzen. Sie geben ein Gefühl der Handlungsfähigkeit, des Kontakts, sie übersetzen<br />

die eigene Situation in Worte oder Taten und stützen.<br />

Neben jedem Einzelnen sind Glaubensrituale auch für die Gemeinschaft unverzichtbar. Sie überwinden<br />

zeitliche und räumlich Abstände und verbinden uns so mit denen, die vor uns Christen waren genauso wie<br />

mit allen, die es heute weltweit sind. So muss eine Katholikin nicht die Landessprache verstehen, um in<br />

Polen, im Niger oder irgendwo sonst eine Messe mitzufeiern.<br />

Schließlich können Rituale uns und anderen zu wertvollen Erkenntnissen verhelfen und diese ausdrücken:<br />

die Bittprozession oder der Erntedank-Kranz, mit denen wir anerkennen, dass eine gute Ernte eben nicht<br />

allein in den Händen des Landwirts liegt, die traditionsreiche Wallfahrt, die Dankbarkeit wach hält, das<br />

Nachbarschaftsgebet, das die Verbundenheit mit einem Verstorbenen und dessen Angehörigen ausdrückt.<br />

Damit Rituale so wirken, dürfen sie nicht zur Routine erstarren, die wir automatisiert abspulen. Rituale<br />

brauchen Sinn, sie können und sollen hinterfragt, bewusst durchlebt und angemessen weiterentwickelt<br />

werden. Dann sind sie so wertvoll wie das Familientreffen am Weihnachtsbaum.<br />

Dass wir auch in diesem Jahr gemeinsam mit der Familie Ostern feiern, ist so sicher, wie das Amen in der<br />

Kirche. Dachte ich zumindest. Dann kam Corona. Und auf einmal fiel nicht nur die traditionelle Osterfeier<br />

im Kreise der Lieben ins Wasser, sondern tatsächlich auch das Amen in der Kirche, als plötzlich keine<br />

öffentlichen Gottesdienste mehr stattfinden konnten.<br />

Wer hätte sich vor der Pandemie, die unser gesellschaftliches und privates Leben seit so vielen Monaten<br />

beeinflusst und uns auf unabsehbare Zeit weiter begleiten wird, vorstellen können, dass liebgewonnene<br />

Rituale, die wir Jahr für Jahr oder sogar Tag für Tag selbstverständlich durchgeführt haben, von heute auf<br />

morgen nicht mehr Teil unseres Alltags- und Glaubenslebens sein werden?<br />

Kein vereintes Palmzweigbasteln mit anschließender Weihe und Prozession, keine gemeinsame Feier der<br />

Auferstehungsmesse, kein nettes Beisammensein am Osterfeuer – nichts. Und auch jetzt, da beispielsweise<br />

das Feiern von Gottesdiensten unter hygienischen Auflagen wieder möglich ist, reichen wir uns beim<br />

Friedensgruß immer noch nicht die Hand. Und an das Bekreuzigen mit Weihwasser beim Betreten und<br />

Verlassen der Kirche ist auch nicht zu denken.<br />

Dies sind nur einige wenige von unzähligen Ritualen, die normalerweise Teil unseres Glaubens sind, die<br />

wir aktuell jedoch nicht zelebrieren können. Aber glauben wir dadurch weniger an Gott als vorher? Im<br />

Sinne von: Wenn zehn Prozent der traditionellen kirchlichen Riten nicht durchgeführt werden können,<br />

glauben wir zu zehn Prozent weniger an die frohe Botschaft? Wohl kaum. Eher im Gegenteil: Unser Glaube<br />

an Gott hilft uns besonders in dieser chaotischen, unvorhersehbaren Zeit mehr denn je. Er gibt uns Hoffnung.<br />

Der Glaube ist uns geschenkt. Er ist nichts, was wir uns kaufen oder verdienen können – oder was in<br />

irgendeiner Weise existenziell von bestimmten Ritualen abhängig ist. Rituale sind zwar schön und gut und<br />

es ist zum Teil schmerzlich, aktuell auf einige von ihnen verzichten zu müssen. Doch das, was uns fernab<br />

von Ritualen momentan bleibt, ist unser Glaube und die Erkenntnis, dass wir eine Zeit lang sehr gut ohne<br />

einen Teil von ihnen auskommen können. Denn ohne unseren Glauben auskommen müssen wir Gott sei<br />

Dank nicht.<br />

44 45


geheuer, außergewöhnliche Helden –<br />

r Quell wundervoller und aufregender<br />

ten von unvergleichlicher Tiefe. Auch<br />

et sie immer noch ein Herzstück der<br />

en der Antike« lässt uns eine Reihe der<br />

wurde die ursprüngliche Überlieferung<br />

iert einen kompletten Mythos, dessen<br />

senden Ergänzungsteil erläutert wird.<br />

ISBN: 978-3-96219-417-8<br />

12.11.19 13:49<br />

Lesetipps<br />

ZEIT, ZU LESEN<br />

ANTIKE<br />

HRIEBEN VON LUC FERRY<br />

CLOTILDE BRUNEAU<br />

Entspannt zurücklehnen und schmökern oder ran an die Bastelschere: Unsere aktuellen Lesetipps zum Thema<br />

„Alt und neu“ inspirieren zu beidem.<br />

LUC FERRY<br />

Mythen der Antike<br />

PIERRE TARANZANO<br />

Sonia Lucano<br />

Upcycling<br />

Stylische Projekte<br />

für die Wohnung<br />

ISBN 978-3-95961-116-9<br />

20 Euro<br />

Aus alten und gebrauchten Gegenständen Neues<br />

schaffen liegt voll im Trend und ist ein Thema für<br />

Groß und Klein. Darum stellen wir Ihnen jeweils<br />

ein Buch für Erwachsene und für Kinder vor:<br />

Upcycling: Stylische Projekte für die Wohnung<br />

bietet eine Fülle an Ideen, wie man ganz banalen<br />

Alltagsgegenständen eine zweite Chance geben<br />

kann und zum Beispiel eine Palette in einen<br />

schicken Couchtisch verwandelt.<br />

ja hat das Heer der griechischen Stämme sein Lager<br />

r Menelaos, den König von Sparta, ist es eine Frage der<br />

hrt. Agamemnon, der Bruder des Menelaos, sieht darin<br />

n Reich auszuweiten. Achill wiederum, der kühnste der<br />

Aber all diese Männer, so mächtig sie auch sein mögen,<br />

anderes ist als das Schachbrett für eine verhängnisvolle<br />

hen werden…<br />

€ 35,00 [D]<br />

€ 36,00 [A]<br />

B R U N E A U T A R A N Z A N O<br />

Die Ilias ist eines der ersten literarischen Werke<br />

der Menschheit, das die Jahrhunderte überdauert<br />

und über die Zeit hinaus seine universelle Bedeutung<br />

bewahrt hat. Dieses Buch interpretiert den<br />

alten Stoff neu als Graphic-Novel, also als Comic<br />

im Buchformat. In ausdrucksstarken Bildern wird<br />

die Schlacht um Troja eindrucksvoll erzählt. Dazu<br />

gibt es viele Nebenschauplätze, denn auch der<br />

Olymp mit seiner zerstrittenen und intriganten<br />

Götterfamilie ist beteiligt und beeinflusst den<br />

Kriegsverlauf mal zugunsten der einen, dann der<br />

anderen Seite.<br />

Die Vorgeschichte des Krieges wird in Rückblenden<br />

dargestellt: Die Aussetzung des Paris nach<br />

einer Prophezeiung; die Geschichte um den Zankapfel<br />

der Eris, die nicht zur Hochzeit von Thetis<br />

und Peleus eingeladen wurde; die Entscheidung<br />

des Paris für Aphrodite, die ihm verspricht, dass er<br />

die schönste sterbliche Frau für sich gewinnen<br />

wird. Das sind die Grundlagen für das Unheil, das<br />

über Troja hinaufziehen wird.<br />

Es macht Spaß, die Mythen der Antike auf<br />

diese Weise kennenzulernen oder wieder aufzufrischen.<br />

Für ältere Jugendliche und Erwachsene.<br />

ISBN 978-3-962194178<br />

35 Euro<br />

Luc Ferry<br />

Die Ilias<br />

Mythen der Antike<br />

Vitali Konstantinov<br />

Es steht geschrieben<br />

Von der Keilschrift zum Emoji<br />

In diesem Buch werden die vielfältigen Schriftsysteme<br />

der Welt im Comic-Stil mit Zeichnungen<br />

und kurzen Texten vorgestellt. Die Leserinnen<br />

und Leser lassen sich auf eine Zeitreise durch<br />

die Menschheitsgeschichte ein, in der Schriften<br />

immer wieder neu erfunden und an die jeweiligen<br />

technischen und gesellschaftlichen Möglichkeiten<br />

angepasst wurden.<br />

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich<br />

weltweit auf allen Kontinenten und in allen Kulturen<br />

die verschiedensten Schriftsysteme: 292 insgesamt.<br />

Und es kommen immer wieder neue hinzu<br />

– seien es Kunstsprachen wie Klingonisch oder seit<br />

2010 die Emojis.<br />

Das Buch ist eine Fundgrube zum Thema Sprache<br />

und Schrift für Jugendliche und Erwachsene.<br />

Es ist übrigens auch nominiert für den Deutschen<br />

Jugendliteraturpreis <strong>2020</strong>.<br />

ISBN 978-3-836959438<br />

25 Euro<br />

Andrea Ballhause<br />

Upcycling-Handbuch<br />

für Klimaretter<br />

und Naturfreunde<br />

ISBN 978-3-96347-137-7<br />

9,95 Euro<br />

Éric Puybaret<br />

Gebete<br />

Tradition kombiniert mit zeitgemäßen Illustrationen<br />

– das macht den Reiz dieses beeindruckenden<br />

Bilderbuches aus. Insgesamt 14 überlieferte christliche<br />

Gebete finden sich in diesem großformatigen<br />

Band. Gebete, mit denen der Tag begonnen werden<br />

kann, die im Alltag innehalten lassen und mit denen<br />

am Abend dankbar ein Abschluss gefunden werden<br />

kann. Vaterunser, Magnificat, Glaubensbekenntnis,<br />

Gloria – um nur einige zu nennen – sind<br />

jeweils ansprechende, fast meditative Zeichnungen<br />

zugeordnet.<br />

Kinder ab fünf Jahren können in Verbindung<br />

mit den Bildern wichtige christliche Gebete kennenlernen.<br />

Und für (Groß-) Eltern, die mit den Kindern<br />

beten möchten, sind die vorformulierten<br />

Gebete eine gute Hilfestellung. Ein schönes Buch,<br />

das sich auch als Geschenk eignet.<br />

Kinder ab sechs Jahren finden im Upcycling-Handbuch<br />

für Klimaretter und Naturfreunde viele<br />

Bastelanregungen für schöne und nützliche<br />

Dinge aus Haushaltsmüll: Perlen aus Papier, eine<br />

Sonnengirlande aus altem Geschenkpapier, ein<br />

Deckel-Memory, eine Handyschale aus einer alten<br />

Plastikflasche, Rasseln aus leeren Plastikbechern,<br />

eine Gitarre aus einem Getränkekarton, Salat aus<br />

Biomüll und Vieles mehr.<br />

Upcycling verbindet Nachhaltigkeit spielerisch<br />

mit Kreativität. Probieren Sie es aus!<br />

ISBN 978-3-522-30508-2<br />

18 Euro<br />

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