WIRTSCHAFT+MARKT Frühjahr/Sommer 2020
WIRTSCHAFT+MARKT ist das einzige Wirtschaftsmagazin, das sich auf die Kommunikation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in den neuen Bundesländern und Berlins konzentriert. Zweimal jährlich erscheint das Printmagazin, während das W+M-Onlinemagazin unter wirtschaft-markt.de geführt wird. Es enthält ein umfangreiches Nachrichtenportal und Beiträge. Wöchentlich erscheint ein Newsletter W+M Weekly.
WIRTSCHAFT+MARKT ist das einzige Wirtschaftsmagazin, das sich auf die Kommunikation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in den neuen Bundesländern und Berlins konzentriert. Zweimal jährlich erscheint das Printmagazin, während das W+M-Onlinemagazin unter wirtschaft-markt.de geführt wird. Es enthält ein umfangreiches Nachrichtenportal und Beiträge. Wöchentlich erscheint ein Newsletter W+M Weekly.
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EDITORIAL
WIRTSCHAFT+MARKT 3
DIE ZAHL 30 ALS
MUTMACHER
Karsten Hintzmann
Chefredakteur
KH@WundM.info
Foto: Torsten George
DDie Corona-Krise, die Deutschland Mitte
März erfasste, hat zu unvorstellbaren
Einschnitten und Einschränkungen geführt.
Ein noch nie da gewesener Shutdown zwang
unzählige kleine und mittelständische Unternehmen
in die Knie und erlegte den Bürgern
über Wochen Ausgeh- und Kontaktverbote
auf. Noch ist unklar, wann hierzulande wieder
auf Normalbetrieb umgeschaltet werden
kann. Unklar ist auch, wie die Schlussbilanz
des Corona-Spuks aussehen wird.
Wir haben angesichts der aktuellen Entwicklungen
überlegt, in welche Richtung unser
Frühjahrs-Magazin gehen soll. Letztlich
entschlossen wir uns dazu, eine nahezu
„corona-freie“ Ausgabe zu gestalten. Aus
zwei Gründen: 1. Alle aktuellen Entwicklungen
in der Corona-Krise und vor allem
die Auswirkungen auf die Wirtschaft in den
neuen Bundesländern reflektieren wir tagesaktuell
in unserem W+M-Online magazin
(www.wirtschaft-markt.de). 2. Mit dem
gedruckten Magazin wollen wir den Blick
nach vorn richten und Mut machen. Mut,
der sich vor allem aus dem Engagement, der
Kreativität und der Innovationskraft all jener
Unternehmer, Wissenschaftler und auch
Politiker speist, die in den zurückliegenden
30 Jahren dafür gesorgt haben, dass Ostdeutschland
wirtschaftlich stark aufholen
konnte. Ganz bewusst haben wir daher die
Zahl 30 in den Mittelpunkt gerückt. Nicht
nur auf dem Cover des Magazins, sondern in
der gesamten Ausgabe. Schließlich befinden
wir uns im 30. Jahr der deutschen Wiedervereinigung.
In der Titelgeschichte (ab
Seite 8) etwa stellen wir 30 Zukunftsorte
in den neuen Ländern und Berlin vor. Sicher,
wir hätten auch 50 oder 100 dieser Orte
beschreiben können, die prägend für ganze
Regionen zwischen Ostsee und Fichtelberg
sind. Dass wir uns auf 30 Zukunftsorte
beschränkt haben, ist unsere Verbeugung
vor dem Einheitsjubiläum.
Mitunter hat man den Eindruck, die ostdeutsche
Wirtschaft werde vorrangig durch die
Herren der Schöpfung geprägt. Die vielen
erfolgreichen Unternehmerinnen, die ihre
Geschäftsideen zum Leben erweckt haben,
kommen in der öffentlichen Wahrnehmung
oft zu kurz. Um dieser Entwicklung etwas
entgegenzusteuern, präsentieren wir in diesem
Heft besonders erfolgreiche, von Frauen
geführte Unternehmen aus Ostdeutschland
– um genau zu sein, es sind 30 (ab Seite 58).
Anlässlich des 30. Jahrestages der Deutschen
Einheit haben wir alle sechs ostdeutschen
Regierungschefs interviewt. Wir
sprachen mit ihnen über das Zusammenwachsen
von Ost und West, die Angleichung
der Lebensverhältnisse und den Nutzen der
Transformationserfahrungen. Anders als
sonst bei uns üblich, bilden wir die Interviews
nicht einzeln ab, sondern konzertiert.
Da wir alle interviewten Ministerpräsidenten
im Kern mit ein und demselben Fragenkanon
konfrontiert haben, erhielten wir pro Frage
höchst unterschiedliche Antworten. Lesen
und vergleichen Sie selbst (ab Seite 38)!
4
WIRTSCHAFT+MARKT
INHALTSVERZEICHNIS
W+M TITEL
30 Zukunftsorte im Osten 8
Interview mit Sachsens
Wirtschaftsminister
Martin Dulig 13
Interview mit Sachsen-
Anhalts Wirtschaftsminister
Armin Willingmann 18
Interview mit Mecklenburg-
Vorpommerns Wirtschaftsminister
Harry Glawe 24
Interview mit Brandenburgs
Wirtschaftsminister
Jörg Steinbach 29
Analyse: Fokussierung auf
regionale Wachstumspole 34
Blick voraus: Zukunftschancen
im Osten – nur mit neuem
Denken möglich 36
POLITIK 38
30 Jahre deutsche Einheit – die Bilanz
der ostdeutschen Minister präsidenten
Fotos: W+M, Sächsische Staatskanzlei, Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern, Webdata Solutions GmbH
W+M POLITIK
30 Jahre deutsche Einheit:
Die Bilanz der ostdeutschen
Regierungschefs
Großes Interview mit den
Ministerpräsidenten
Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt),
Michael Kretschmer (Sachsen),
Bodo Ramelow (Thüringen),
Manuela Schwesig (Mecklenburg-
Vorpommern) und
Dietmar Woidke (Brandenburg)
sowie Berlins Regierendem
Bürgermeister Michael Müller 38
UNTERNEHMEN 58
Frauenpower im Osten
W+M POLITIK
Ostdeutsches Wirtschaftsforum:
Beim 5. „Davos des Ostens“
dreht sich alles um die Zukunft
der neuen Länder nach der
Corona-Krise 52
Debattenbeitrag von E.DIS-
Chef Alexander Montebaur:
Wie sieht die Stromversorgung
im Jahr 2038 aus? 56
Beiträge, die mit diesem Logo
gekennzeichnet sind, finden Sie
ausführlich im W+M-Onlinemagazin.
INHALTSVERZEICHNIS WIRTSCHAFT+MARKT 5
POLITIK 52
5. Ostdeutsches Wirtschaftsforum in Bad Saarow
GESELLSCHAFT 80
Uhren: Glashütte zwischen
Innovation und Tradition
W+M UNTERNEHMEN
Frauenpower im Osten 58
Innovation: 30 Gründer
aus den neuen Ländern 68
TITEL 8
30 Zukunftsorte in den neuen Ländern
W+M GESELLSCHAFT
Berlin Capital Club:
Home away from home 74
Schloss Wackerbarth: Europas
erstes Erlebnisweingut 76
Businessmode 2020: lässiger,
bequemer, komfortabler 78
Uhren: Glashütte zwischen
Innovation und Tradition 80
Fotos: W+M, Glashütte original, NOMOS, Ralf Lehmann
IMPRESSUM
WIRTSCHAFT+MARKT
Das Ostdeutsche Unternehmermagazin
Ausgabe: Frühjahr/Sommer 2020
Redaktionsschluss: 11.05.2020
Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH
Friedrichstraße 171, 10117 Berlin
Tel.: 030 505638-00
info@wirtschaft-markt.de
redaktion@wirtschaft-markt.de
www.wirtschaft-markt.de
Herausgeber/Geschäftsführer:
Frank Nehring, frank.nehring@wirtschaft-markt.de
Chefredakteur:
Karsten Hintzmann, karsten.hintzmann@wirtschaft-markt.de
Autoren: David Eckel, Beate Lecloux, Prof. Dr. Joachim
Ragnitz, Matthias Salm, Thomas Strobel, Ron Uhden
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in
diesem Magazin auf eine durchgehende, geschlechtsneutrale
Differenzierung (z. B. Teilnehmer/Teilnehmerinnen)
verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der
Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter.
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W+M DIE LETZTE SEITE
Mutmacher für die Zeit
nach der Corona-Krise 82
W+M WEITERE BEITRÄGE
Editorial 3
Impressum 5
Anmeldung gleich hier
15./16.Juni 2020
A-ROSA Bad Saarow bei Berlin
www.owf.de/anmeldung2020
BAD SAAROW JUNI 2020:
DAS ZUKUNFTSTREFFEN DER
OSTDEUTSCHEN WIRTSCHAFT
DAS ZUKUNFTSTREFFEN DER
OSTDEUTSCHEN WIRTSCHAFT
Wirtschaft trifft Politik trifft
Wissenschaft trifft Medien
Wirtschaft trifft Politik trifft
Wissenschaft trifft Medien
OWFZUKUNFT 2020
OSTDEUTSCHES WIRTSCHAFTSFORUM
WFZUKUNFT
Neuer Termin
21./22.09.2020
OSTDEUTSCHES WIRTSCHAFTSFORUM
WFZUKUNFT
8 WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
ZUKUNFTSORTE
IM OSTEN
Nach der deutschen Wiedervereinigung vor 30 Jahren
durchlebten die neuen Bundesländer und der Ostteil
Berlins einen fundamentalen Strukturwandel. Die ehemaligen
Kombinate und volkseigenen Betriebe wurden
abgewickelt, industrielle Großstrukturen plattgemacht.
Im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte entstand
Schritt für Schritt eine neue Wirtschaftsstruktur – mit
industriellen Kernen, vereinzelten Großkonzernen und
einem starken und vielseitigen Mittelstand. Nicht selten
wurden Industrien wiederbelebt, die schon zu DDR-
Zeiten prägend waren. Heute verfügen die neuen Länder
über eine Vielzahl wirtschaftlicher Leuchttürme und
Zukunftsorte. In unserer Titelstory stellen wir 30 dieser
Zukunftsorte vor. Wohl wissend, dass es wesentlich
mehr dieser Zukunftsorte zwischen Ostsee und Fichtelberg
gibt. Allein Sachsen-Anhalt vermarktet zwölf,
innerhalb der Berliner Stadtgrenzen zählt man elf
Zukunftsorte. In Brandenburg verwendet man einen
anderen Begriff für die 15 Orte – dort heißen sie
„regionale Wachstumskerne“.
Wir beschränken uns auf den folgenden Seiten auf 30
Zukunftsorte. Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht
um ein Ranking der besten und der größten. Die ausgewählten
Zukunftsorte stehen stellvertretend für
die vielen regionalen Wirtschaftszentren, die für Aufschwung
und Zuversicht sorgen. Sie alle eint, dass sie für
wirtschaftliche Impulse in weiten Regionen sorgen, dass
in diesen Orten zukunftsfähige Branchen zu Hause sind
und dass es eine enge Vernetzung mit Wissenschaft und
Forschung gibt.
VON KARSTEN HINTZMANN
WIRTSCHAFT+MARKT 9
30 ZUKUNFTSORTE
MV
BB
MECKLENBURG-VORPOMMERN
11. Greifswald
12. Neubrandenburg
13. Parchim
14. Rostock
15. Wismar
TH
ST
SACHSEN-ANHALT
21. Barleben
22. Bitterfeld-Wolfen
23. Halle (Saale)
24. Leuna
25. Magdeburg
THÜRINGEN
26. Eisenach
27. Erfurt
28. Ilmenau
29. Jena
30. Weimar
BRANDENBURG
5. Grünheide
6. Eberswalde
7. Ludwigsfelde
8. Schönefeld
9. Schwarzheide
10. Schwedt
SN
B
SACHSEN
BERLIN
1. Adlershof
2. Marzahn
3. Schöneberg
4. Siemensstadt
16. Annaberg-Buchholz
17. Chemnitz
18. Dresden
19. Leipzig
20. Zwickau
10
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
Annaberg-
Buchholz
B
Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof.
Adlershof
Adlershof ist ein Ortsteil im Berliner Bezirk
Treptow-Köpenick. Auf dem Gelände der
früheren Akademie der Wissenschaften der
DDR entstand seit den späten 1990er-Jahren
die Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und
Medien – kurz WISTA genannt. Heute ist
WISTA in Adlershof Deutschlands größter
Wissenschafts- und Technologiepark und
Berlins größter Medienstandort – eingebettet
in ein städtebauliches Gesamtkonzept.
Auf einem Gebiet von 4,2 Quadratkilometern
sind 1.144 Unternehmen und wissenschaftliche
Einrichtungen mit 19.400 Mitarbeitern
tätig. Hinzu kommen ca. 6.330 Studenten.
Im Wissenschafts- und Technologiepark
konzentrieren sich die 537 Unternehmen
und außeruniversitären Forschungsinstitute
auf folgende Technologiefelder: Photonik
und Optik, Photovoltaik und erneuerbare
Energien, Mikrosysteme und Materialien,
Informationstechnik (IT) und Medien, Biotechnologie
und Umwelt. Hinzu kommen
diverse Institute der Humboldt-Universität –
für Chemie, Geografie, Informatik, Mathematik,
Physik und Psychologie.
In unmittelbarer Nachbarschaft ist neben
der Medienstadt mit ihren 170 Unternehmen
ein Ensemble von mittlerweile 430 gewerblichen
Unternehmen, Geschäften, Hotels und
Restaurants entstanden. Hier, wie auch auf
dem rund 45 Hektar großen Areal des 1998
geschlossenen Verschiebebahnhofs Schöneweide,
stehen dem Wissenschafts- und
Technologiepark ideale Flächen für weiteres
Wachstum zur Verfügung.
Westlich des 66 Hektar großen Natur- und
Landschaftsparks „Flugfeld Johannisthal“
sind in den vergangenen Jahren 360 Einfamilienhäuser
errichtet worden. Auf einem Areal
von 14 Hektar in unmittelbarer Nähe zum
Campus der Humboldt-Universität entstehen
derzeit rund 1.400 Wohneinheiten. Ende
2018 wohnten im Adlershofer Entwicklungsgebiet
bereits rund 3.800 Menschen.
SN
Annaberg-Buchholz.
Annaberg-Buchholz ist Große Kreisstadt
im sächsischen Erzgebirgskreis und dessen
Verwaltungssitz. Mit ihren rund 20.000
Einwohnern steht die Stadt stellvertretend für
das Erzgebirge, das in seiner Komplexität und
Vielfalt ein Zukunftsort ist.
Infolge des über Jahrhunderte betriebenen
Bergbaus entwickelte sich im Erzgebirgskreis
eine überproportional hohe Industriedichte.
Etwa 30 Prozent aller Beschäftigten sind in der
Industrie mit den Schwerpunkten Werkzeugbau,
Maschinenbau und Elektrotechnik tätig.
Weiteres Kennzeichen der vorwiegend von
kleinen und mittelständischen Unternehmen
geprägten Wirtschaftsstruktur ist eine breite
Branchenvielfalt. So bilden auch Wirtschaftszweige
wie Handwerk und Dienstleistung
starke Standbeine. Im Erzgebirgskreis befinden
sich die meisten produzierenden Unternehmen
Sachsens.
Seit Jahrhunderten werden im Erzgebirge
Innovationen geboren. Manch weltberühmte
Erfindung hat hier ihre Wurzeln: Die Region gilt
als die Wiege der deutschen Automobilindustrie,
denn die ersten serienmäßig gefertigten
Metallkarosserien für Pkw kamen Anfang des
20. Jahrhunderts aus dem Erzgebirge. Auch der
weltweit erste FCKW-freie Kühlschrank kommt
von hier. Selbst das erste digitale Bahnstellwerk
Europas ist im Erzgebirge zu finden.
Vor Ort gibt es einen engen Austausch zwischen
praxisnaher Forschung und Wirtschaft.
Sechs Hochschulen und über 20 außeruniversitäre
Forschungseinrichtungen finden sich im
oder in unmittelbarer Nähe zum Erzgebirge. In
verschiedenen Projekten wird geforscht und
gearbeitet, zum Beispiel am Durchbruch der
Brennstoffzelle für Pkw, an intelligenten, mit
Sensoren ausgestatteten Werkstoffen und
Textilien oder an der Nutzung bestehender
Altlasten als Rohstoffquelle. Überregional
bekannt ist das Projekt „Smart Rail Connectivity
Campus“, ein Gemeinschaftsvorhaben unter
Federführung der Stadt Annaberg-Buchholz
und der Technischen Universität Chemnitz. Primäres
Ziel des Bündnisses ist es, Innovationen
im Feld der digitalen Vernetzung und Kommunikation
im Schienenverkehr zu initiieren und
zu befördern, die vor allem schrittweise das
automatisierte Fahren auf der Schiene und die
Integration des Bahnverkehrs in multimodal
vernetzte Mobilitätsangebote ermöglichen.
Foto: WISTA-MANAGEMENT GMBH (oben), bajo57 – stock.adobe.com (unten)
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 11
Barleben
Foto: Dirk Mahler IKAM GmbH (oben), Hi-Bis GmbH (unten)
Die Gemeinde Barleben mit den Ortschaften
Ebendorf, Barleben und Meitzendorf liegt
nördlich der Landeshauptstadt Magdeburg –
südlich durch die Autobahn A2, westlich
durch die Autobahn A14 und der Weiterführung
der B 71, nördlich durch den Mittellandkanal
und östlich durch die Eisenbahnstrecke
Magdeburg-Stendal begrenzt. Dank
der idealen Verkehrsanbindung ist hier ein
Standort für Forschung, Fertigung und
Vertrieb entstanden – der Technologiepark
Ostfalen. Innovativ ist bereits das Konzept
des Gewerbegebietes: Die Gewerbeflächen
wurden in einen Landschaftspark integriert.
Dafür steht auch das Innovations- und Gründerzentrum
Magdeburg (IGZ Magdeburg),
in dem Existenzgründer, wissenschaftliche
Einrichtungen und mittelständische Unternehmen
Produktideen zur Marktreife führen.
Allein im IGZ arbeiten heute 75 Unternehmen
mit etwa 450 Mitarbeitern. Für Innovation
im Technologiepark steht auch das 2016
eröffnete Zentrum für Elektromobilität und
Energieeffizienz (ZEE), in dem Unternehmen
integrierte Mobilitätsdienstleistungen
entwickeln.
Insgesamt nutzen 140 Unternehmen die
idealen Standortbedingungen des Gewerbeparks,
der in direkter Nachbarschaft zur
Landeshauptstadt Magdeburg und an gleich
zwei Autobahnen gelegen ist, für Produktion
und Logistik.
Ebenfalls in Barleben beheimatet ist das
Institut für Kompetenz in AutoMobilität
(IKAM) der Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg (OVGU). Gefördert durch das
Land Sachsen-Anhalt wurde das IKAM im
Jahr 2012 mit dem Ziel gegründet, eine
hochmoderne Ausstattung für Forschung
und Entwicklung bereitzustellen, mit der
Wissenschaftler sowie Industrieunternehmen
mit ihren Ideen, Entwicklungen und
Innovationen den Automobil- und Mobilitätssektor
im 21. Jahrhundert maßgeblich
mitgestalten können. Als fakultätsübergreifende
Plattform zur Durchführung von
Forschungs- und Entwicklungsprojekten auf
dem Gebiet der Mobilität ist das IKAM fest in
den Forschungs- und Transferschwerpunkt
„Automotive“ der OVGU eingebunden und
fungiert hier als Schnittstelle zwischen der
OVGU und externen Partnern im Rahmen
von Wissenschaftskooperationen sowie Forschungs-
und Entwicklungsdienstleistungen.
ST
Bitterfeld-Wolfen
Bitterfeld-Wolfen ist die größte Stadt im
Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Die Stadt liegt im
Südosten des Landes Sachsen-Anhalt. Bitterfeld-Wolfen
entstand am 1. Juli 2007 durch die
Fusion der ursprünglich eigenständigen Städte
Bitterfeld und Wolfen sowie der Gemeinden
Greppin, Holzweißig und Thalheim. Wer heute
nach Bitterfeld-Wolfen kommt, wird vom
Strukturwandel der Region überrascht sein.
Aus der einstigen Bergbaulandschaft ist eine
intakte Naturlandschaft mit einer Wasserfläche
von 2.600 Hektar und interessanten Landschaftskunstprojekten
entstanden. Die neu
entstandene Seenlandschaft ist für Touristen
und Wassersportler gleichermaßen attraktiv.
Und mittendrin befindet sich ein innovativer
Chemiepark. „Die Welt der Chemie. Chemie
für die Welt.“ Mit diesem Anspruch präsentieren
sich die Unternehmen im Chemiepark
ST
Das Institut für Kompetenz in AutoMobilität
hat einen modernen Standort in Barleben.
Die Firma Hi-Bis stellt in Bitterfeld-Wolfen
Spezial-Bisphenole her.
Bitterfeld-Wolfen, mit 1.200 Hektar eines
der größten Areale für Chemie- und Pharmaunternehmen
Deutschlands. Darunter sind
Global Player wie Bayer, Nouryon und Evonik.
Schon vor 125 Jahren wurde hier der Grundstein
für die Chemieindustrie gelegt – heute
existiert ein autarkes Netzwerk aus nationalen
und internationalen Konzernen, mittelständischen
Unternehmen und Start-ups. Das
Profil des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen ist
geprägt durch Chlor-, Spezial- und Feinchemie
sowie Pharma- und Hightech-Produkte.
Mehr als 300 Unternehmen mit über 12.000
Beschäftigten stellen ein breites Spektrum
an Lieferanten, Dienstleistern und potenziellen
Partnern dar. Zudem steht für erste
Ansiedlungsschritte oder Neugründungen ein
Technologie- und Gründerzentrum zur Unterstützung
bereit.
12
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
Dresden
SN
Chemnitz
Chemnitz ist eine kreisfreie Stadt im Südwesten
des Freistaates Sachsen. Mit ihrer
über 200-jährigen Industriegeschichte ist die
Stadt heute ein Technologiestandort mit den
Branchenschwerpunkten Automobil- und
Zulieferindustrie, Informationstechnologie
sowie Maschinen- und Anlagenbau. Zudem gibt
es in Chemnitz eine Technische Universität.
Die Kernbranchen sind eng vernetzt mit einer
breiten Basis aus Unternehmen angrenzender
Branchen, vor allem der Werkstoff- und
Beschichtungstechnik, Metallverarbeitung,
Automatisierungstechnik und Mikrosystemtechnik.
Nicht ohne Grund genießt Chemnitz
den Ruf als Zentrums des Maschinenbaus
– mehr als 100 Unternehmen sind in diesem
Industriezweig tätig. Darüber hinaus finden sich
mehr als 500 Maschinenbau- und Zulieferunternehmen
im regionalen Umfeld. Die Branche
zeichnet sich durch eine über fünfzigprozentige
Exportquote aus. Herausragende Kompetenzen
im Raum Chemnitz liegen in der Herstellung
von Werkzeug-, Textil- und Sondermaschinen
sowie in der Automatisierungstechnik. Mehr
als 10.000 Fachkräfte sind in diesem Sektor
beschäftigt.
Montagehalle des Maschinenbauunternehmens
NILES-SIMMONS in Chemnitz.
Am Standort haben sich Wirtschaft und
Forschung auf verschiedenen Gebieten eng
verzahnt. Ein Beispiel ist der „Smart Systems
Campus“, ein Kompetenzzentrum für Mikrosystemtechnik.
In unmittelbarer Nachbarschaft
zur Technischen Universität Chemnitz, zum
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen
und Umformtechnik und zum Fraunhofer-
Institut für Elektronische Nanosysteme können
sich junge, schnell wachsende Start-ups neben
den renommierten internationalen Unternehmen
ansiedeln.
2017 wurde das Innovationscluster „HZwo
– Antrieb für Sachsen“ gegründet, in dem
Entwickler aus der TU Chemnitz, des Fraunhofer-Instituts
für Werkzeugmaschinen und
Umformtechnik sowie regionaler Unternehmen
mitwirken. Ziel ist es, am Standort Sachsen
eine vollständige Wertschöpfungskette für
Brennstoffzellenfahrzeuge zu erschließen.
SN
Der E-Golf wird in Dresden produziert.
Dresden ist die Landeshauptstadt des
Freistaates Sachsen. Die an der Elbe gelegene
kreisfreie Stadt ist das wirtschaftliche
Zentrum des Ballungsraumes Dresden, einer
der ökonomisch dynamischsten Regionen
in Deutschland. Innovationen und Spitzentechnologien
spielen im Raum Dresden eine
herausragende Rolle. Die sächsische Metropole
gilt als führender europäischer Standort der
Halbleiterindustrie. Ebenfalls große Wertschöpfung
im Raum Dresden erbringen die
Branchen Pharmazie, Kosmetik, Maschinen-,
Fahrzeug- und Anlagenbau, Lebensmittel,
optische Industrie, Dienstleistungen, Handel
sowie der Tourismus.
Wirtschaftlich bedeutend sind die Informationstechnik
und Nanoelektronik, weshalb sich
die Stadt als Zentrum von „Silicon Saxony“
positioniert hat. Der Silicon Saxony e. V. ist mit
rund 350 Mitgliedern das größte Hightechnetzwerk
Sachsens und eines der größten
Mikroelektronik- und IT-Cluster Deutschlands
sowie Europas. Als eigenfinanzierter
Verein verbindet „Silicon Saxony“ seit seiner
Gründung im Jahr 2000 Hersteller, Zulieferer,
Dienstleister, Hochschulen, Universitäten,
Forschungsinstitute, öffentliche Einrichtungen
sowie branchenrelevante Start-ups am Wirtschaftsstandort
Sachsen und darüber hinaus.
Der thematische Fokus des Clusters liegt auf
den technologischen Trends der Gegenwart
und Zukunft – beispielsweise künstliche
Foto: NILES-SIMMONS GmbH (oben), VW AG (unten)
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 13
Foto: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft
Intelligenz, Robotik, Automatisierung, Internet
of Things, Sensorik, Energieeffizienz oder Edge
Computing.
In der „Gläsernen Manufaktur“ von Volkswagen
kann man schon heute die Zukunft der
Automobilität bestaunen. Zudem wird in Dresden
bereits der E-Golf hergestellt. Seit 2016
ist die Stadt – neben Berlin, Braunschweig,
Düsseldorf, Hamburg, Ingolstadt und München
– digitales Testfeld für automatisiertes und
vernetztes Fahren.
Eberswalde
Auf die Frage, welcher Ort im Nordosten Brandenburgs
eine Zukunft hat, antwortet man in
der Kreisstadt des Barnims mit dem selbstbewussten
Slogan: Natürlich Eberswalde. Schon
jetzt gibt es manches Kleinod zu bestaunen
– der beste kleine Zoo Deutschlands, das
schönste Standesamt in der Märchenvilla
oder das „Paul-Wunderlich-Haus“, vielfach
als umweltfreundlichster Verwaltungssitz
Deutschlands prämiert, mit einer ständigen
Kunstausstellung des namensgebenden Malers
von Rang. Den Weg in die Zukunft weisen
vor allem aber Wirtschaft und Wissenschaft:
Nach dem Ende der DDR hatte die damals
vor allem für den Kranbau, ein Walzwerk, den
Rohrleitungsbau und die Fleischwirtschaft
bekannte Kommune eine enorme Schrumpfkur
zu verkraften. Tausende Arbeitsplätze
brachen weg. Die Einwohnerzahl ging zurück.
Aus den aufgelösten einstigen volkseigenen
DDR-Kombinaten gründeten sich aber viele
kleinere Betriebe heraus, die mit ihrem Knowhow
zu einem großen Teil Nischen bis in den
Weltmarkt gefunden haben. Auf dem Gelände
des ehemaligen VEB Kranbau arbeiten heute
in etwa wieder so viele Menschen wie einst in
dem Kombinat – nur eben in vielen kleinen und
mittelständischen Unternehmen.
„Das Eberswalder Metall-Gen vererbt sich bis
heute“, sagt Rüdiger Thunemann, Geschäftsführer
der Wirtschafts- und Tourismusentwicklungsgesellschaft
des Landkreises. „Hier
ist sicher nicht die bekannteste Industrieregion
des Landes, aber eine der traditionsreichsten“,
sagt er.
Für junge Familien – aus der Region einer wachsenden
Schar von Zuzüglern – werden immer
neue Bauareale ausgewiesen. Die genehmigten
Bauanträge für Eigenheime stiegen in den
vergangenen acht Jahren um 25 Prozent. Schon
„SACHSEN IST EIN
LAND KLUGER UND
NEUGIERIGER KÖPFE“
W+M: Welche Bedeutung haben die Zukunftsorte
für die Regionen und das Land?
Martin Dulig: Sachsen ist ein offenes und
dynamisches Land. Die Menschen prägen
es durch ihren Mut, ihren Erfindergeist, ihre
Neugier und ihre Tatkraft. Unser gemeinsames
Ziel ist ein Land mit hohem Wohlstandsniveau
und guter Arbeit, in dem wir gut und gerne
leben. Das gilt für Stadt und Land, das gilt für
ländliche und urbane Regionen gleichermaßen.
Zukunftsorte helfen uns dabei, Industrie, Mittelstand
und regionale Wertschöpfungsketten
zu stärken und die Herausforderungen, vor
die uns Trends wie Urbanisierung, Digitalisierung,
Internationalisierung oder auch die
demografische Entwicklung stellen, besser zu
meistern. Sie sind Inspiration für Innovationen
und „Energiezentren“ der wirtschaftlichen
Entwicklung. Sie sind gleichermaßen Anker
und Motor unseres Wohlstands.
W+M: Welche Branchen haben in Ihrem
Land besonders große Zukunftsperspektiven?
Martin Dulig: Zu Beginn dieses Jahres hat
der Freistaat Sachsen seine Innovationsstrategie
fortgeschrieben und strategisch besonders
wichtige Themenbereiche innerhalb der
Zukunftsfelder Umwelt, Rohstoffe, Digitales,
Energie, Mobilität und Gesundheit definiert.
Als für Sachsen besonders chancenreich haben
wir die Themenfelder nachhaltige Rohstofferschließung,
Kreislaufwirtschaft oder medizinische
Biotechnologie identifiziert. Auch auf den
Themengebieten Datenübertragung, Sensorik,
Medizintechnik, Recycling und Energiespeicherung
sehen wir großes Potenzial sächsischer
Akteure. Den Schlüsseltechnologien intelligente
Materialien, Mikro- und Nanoelektronik
und fortgeschrittene Produktionstechnologien
kommt nach wie vor eine besondere Bedeutung
für das sächsische Innovationssystem zu.
Für Deutschland insgesamt beträgt der Anteil
der Schlüsseltechnologien an allen Patentanmeldungen
17 Prozent, wovon etwa sechs
Prozent von sächsischen Erfindern angemeldet
wurden.
W+M: Wie sieht Ihre Vision von der Wirtschaft
Ihres Landes im Jahr 2030 aus?
Martin Dulig: In erster Linie sehe ich den
Erhalt und die Weiterentwicklung der sozialen
Marktwirtschaft mit einer wettbewerbsfähigen
Wirtschaft, die Werte und Beschäftigung
schafft und Ressourcen schont. Sachsen
soll auch im Jahr 2030 Energie- und Industrieland
sein, mit guter Arbeit sowie einem
starken Handwerk und Mittelstand. Dazu
gehört eine leistungsfähige, bezahlbare und
klimafreundliche Energieversorgung sowie
eine verlässliche Mobilität. Die Automobil- und
Mikroelektronikindustrie sowie der Maschinen-
und Anlagenbau sind das Rückgrat
unserer Wirtschaft. Das soll auch so bleiben,
weil es Wohlstand und Beschäftigung sichert.
Unsere Position als Halbleiterindustriestandort
Nr. 1 in Europa soll auch in Zukunft nicht
nur erhalten bleiben, sondern gefestigt und
ausgebaut werden. Sachsen soll zum Kernland
der Innovation werden. Vor allem Wasserstoff
bietet als Energieträger vielversprechende
Anwendungsmöglichkeiten. Brennstoffzellen
und Brennstoffzellensysteme gewinnen
immer größere Bedeutung. Dies gilt nicht nur
für Straßenfahrzeuge. Sachsen ist ein Land
kluger und neugieriger Köpfe, von Gründerinnen
und Gründern. Es soll auch in Zukunft
einen Spitzenplatz bei der Mittelstands- und
Gründerfreundlichkeit einnehmen.
SN
Sachsens Wirtschaftsminister
Martin Dulig (SPD).
14
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
BB
Moderner Fahrzeugzulieferer aus Eberswalde –
die Finow Automotive GmbH.
Investitionsprojekte gab es 299 Millionen
Euro aus GRW- und EFRE-Mitteln. Darüber
hinaus wurden 19 Projekte zur Schaffung
wirtschaftsnaher Infrastruktur mit einem
Gesamtvolumen in Höhe von 110 Millionen
Euro gefördert.
Das lokale Automobilflaggschiff Opel ist dabei,
sich konsequent auf die Zukunft auszurichten.
Seit März dieses Jahres läuft im Eisenacher
Opelwerk die Hybridversion des Stadtgeländewagens
„Grandland X“ vom Band. Das
Fahrzeug fährt mit einer Kombination aus
klassischem Verbrenner- und Elektromotor,
schafft mit rein elektrischem Antrieb mehr
als 50 Kilometer. In Eisenach produziert das
Unternehmen erstmals in Deutschland ein
Hybrid-Fahrzeug, Teil der Elektrifizierungs-
Offensive des Konzerns.
rein physisch für ständig neue junge Leute in
der Stadt, sorgt die Hochschule für nachhaltige
Entwicklung (HNE), an der 2.500 Studenten
eingeschrieben sind. Mit ihren inzwischen 17
Studiengängen besitzt die Hochschule ein individuelles,
dem nachhaltigen Wirtschaften verpflichtetes
Profil. Fachbereiche sind Wald und
Umwelt, Landschaftsnutzung und Naturschutz,
Holzingenieurswesen, Nachhaltige Wirtschaft.
Eisenach
Eisenach ist eine kreisfreie Stadt im Westen
Thüringens. International bekannt ist der Ort
als Lutherstadt und durch die Wartburg, die
TH
Opel in Eisenach.
zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
Seit knapp 125 Jahren ist Eisenach ein Zentrum
der Automobilindustrie. Zunächst wurde
der „Dixi“ produziert (1904), es folgten Fahrzeuge
der Marke BMW (1928), zu DDR-Zeiten
der „Wartburg“ und seit 1990 engagiert sich
die Adam Opel AG am Standort. Die weit über
2.000 ansässigen Industrie- und Gewerbebetriebe
haben ihren Schwerpunkt im Automobilbau
und der Zulieferindustrie, der Metallverarbeitung
und der Logistik. Auf 1.000 Jobs
kommen in Eisenach 133 Industriearbeitsplätze.
Damit belegt Eisenach Platz 1 im Thüringer
Landesranking.
Seit 1990 wird am Standort stark investiert
– rund 1,85 Milliarden Euro flossen bislang
in Fabriken und Maschinenparks. Für 276
Erfurt
Erfurt ist Landeshauptstadt und mit rund
214.000 Einwohnern zugleich Thüringens
größte Stadt. Die Wirtschaft der Stadt ist
von Verwaltung und Dienstleistung geprägt.
Darüber hinaus ist Erfurt aber auch Standort
diverser innovativer Unternehmen im Maschinen-
und Anlagenbau. Speziell in den letzten
Jahren hat sich ein kontinuierlicher Wandel
zum Hightechstandort vollzogen. Hier wachsen
Unternehmen in den Bereichen Mikroelektronik,
Mikrotechnik sowie Solartechnik. Mit
dem Neubau des Technologiezentrums, dem
Anwenderzentrum für Mikrosystemtechnik
und dem geplanten Medienapplikations- und
Gründerzentrum setzt die Stadt bewusst auf
die Zukunft. Erfurt ist Standort mehrerer
Weltmarktführer. Die QUNDIS GmbH beispielsweise
ist international führend bei der Entwicklung
und Herstellung von Messgeräten.
Ferner hat sich auf Grund der niedrigen Lohnkosten
und der zentralen Lage in Deutschland
eine marktstarke Logistik-Branche etabliert.
Erfurt ist nach Leipzig die Stadt mit der zweitgrößten
Messe in den ostdeutschen Ländern.
Der Erfurter Hauptbahnhof gilt als wichtiger
Eisenbahnknotenpunkt im deutschen Personenverkehr.
Mit jährlich mehr als acht Milliarden Euro
erwirtschaften die Erfurter ein Bruttoinlandsprodukt,
das im Pro-Kopf-Vergleich
mit 38.284 Euro (2016) nicht nur deutlich
über dem Thüringer Wert (27.674 Euro) liegt,
sondern auch über dem Bundesdurchschnitt
Foto: Finow Automotive GmbH (oben), © Wikipedia / CEphoto, Uwe Aranas (unten)
HIER
TRIFFT WIRTSCHAFT
WISSENSCHAFT.
Team Bilberry, Mateyusz Krain (li.) und Krzysztof Dobrinin
©Marco Warmuth/TGZ Halle GmbH
ES IST EIN GÄNGIGES KLISCHEE: SACHSEN-ANHALT UND INNOVATIONEN?
DAS PASST NICHT ZUSAMMEN.
Wir treten den Gegenbeweis an und zeigen, dass in Sachsen-Anhalt Prägendes
entsteht. Standorte in Sachsen-Anhalt bieten dazu die perfekten Bedingungen.
Es sind unsere ZUKUNFTSORTE. Hier konzentrieren sich Wissenschaft, Forschung
und Wirtschaft an einem Ort. Die Wege sind kurz, das ermöglicht Begegnung
und Austausch. Neue Ideen entstehen und werden so einfacher realisiert.
www.zukunftsorte-sachsen-anhalt.de
16
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
Gründer- und Innovationszentrum arbeiten.
Es sieht vor, die ehemalige Mensa zu einem
zentralen Kommunikations- und Kooperationspunkt
für Start-ups, für die IT- und Kreativszene
sowie für bestehende Unternehmen,
Handwerk und weitere Bereiche zu entwickeln.
Das Zentrum soll ein Schaufenster für
Innovation, Start-ups, digitale (und normale)
Wirtschaft und die Arbeits- und Lebenskultur
in Greifswald werden.
TH
Die in Erfurt beheimatete QUNDIS GmbH ist ein
Vorreiter bei der Entwicklung von Messgeräten.
(38.180 Euro). In Sachen Wirtschaftsleistung
belegte Erfurt damit Platz 44 im Vergleich aller
deutschen Städte.
In die Wirtschaft der Landeshauptstadt wird
seit 1990 stark investiert – bislang insgesamt
2,7 Milliarden Euro, die von öffentlichen
Fördermitteln in Höhe von 576 Millionen Euro
flankiert wurden.
Greifswald
Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald
ist die Kreisstadt des Landkreises Vorpommern-Greifswald
im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern.
Neben der Universität
Greifswald ist in der Stadt das Leibniz-Institut
für Plasmaforschung und Technologie ansässig.
In unmittelbarer Nähe zum Hochschul- und
Forschungscampus stellt das BioTechnikum
Greifswald über 4.300 Quadratmeter vermietbare
Labor- und Büroflächen sowie einen
repräsentativen Schulungs- und Konferenzbereich
für Unternehmen zur Verfügung, die
gemeinsam etwa mit der mathematisch-naturwissenschaftlichen
Fakultät der Universität
Greifswald oder der Universitätsmedizin
arbeiten möchten.
Zudem ist jüngst der Grundstein für das Zentrum
für Life Science und Plasmatechnologie
in Greifswald gelegt worden. Die inhaltliche
Ausrichtung dieses Zentrums, nämlich die
Branchen industrielle Biotechnologie und
Plasmatechnologie in einem Komplex zu
verbinden, ist neuartig. Die industrielle Biotechnologie
befasst sich mit der Nutzung von
biotechnologischen Methoden für industrielle
Produktionsverfahren. Durch die Nutzung
nachwachsender Rohstoffe sollen in zunehmendem
Maße Produkte aus erdölbasierten
Rohstoffen ersetzt werden.
Darüber hinaus eröffnet sich inmitten der
Greifswalder Innenstadt derzeit eine Chance,
der IT- und Kreativszene der Stadt und der
Region substantiellen Schub zu verleihen: in
der geschlossenen Mensa am Wall soll ein
Creative Dialogue Hub entstehen. Grundlage
dieser Idee ist eine gemeinsame Initiative der
Universität Greifswald, der Stadt Greifswald
und der WITENO GmbH, die derzeit an einem
gemeinsamen Konzept für ein digitales
MV Universität Greifswald.
Grünheide
Grünheide ist mutmaßlich der jüngste unter
den in diesem Beitrag abgebildeten 30 Zukunftsorten.
Denn auf wirtschaftlichem Gebiet
hat die knapp 8.300 Einwohner zählende
amtsfreie Gemeinde im Landkreis Oder-Spree,
südöstlich von Berlin, in den zurückliegenden
drei Jahrzehnten kaum Schlagzeilen gemacht.
Neben einem Güterverkehrszentrum war
bis vor Kurzem lediglich eine Fachklinik für
neurologisch-neurochirurgische Rehabilitation
erwähnenswert.
Doch seit dem 19. November 2019 kennt
ganz Deutschland den Ort Grünheide. Nach
monatelangen Sondierungen und diskreten
Verhandlungen war Tesla-Gründer Elon Musk
nach Deutschland gekommen, um sich direkt
vor Ort ein Bild von Grünheide zu machen.
Am Nachmittag desselben Tages traf er sich
mit Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg
Steinbach im Berliner Hotel Adlon und machte
Foto: QUNDIS GmbH (oben), JungerBerg – stock.adobe.com (unten)
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 17
den Deal klar. Am Abend dann verkündete er
auf einer Autopreisverleihung: Der US-Konzern
Tesla baut auf einem 300-Hektar-Areal in
Grünheide seine europäische Gigafactory für
Elektroautos und Batterien.
Im Januar dieses Jahres verständigte man
sich auf den Kaufvertrag, Tesla zahlte für das
Grundstück 43 Millionen Euro.
Der Bau des Werkes soll mit atemberaubendem
Tempo erfolgen – schon ab Sommer 2021 soll
die Produktion starten. Die Tesla-Planungen
sehen vor, dass jährlich zunächst 150.000 Elektroautos
der Typen Model 3 und Y gebaut werden,
nach einem Ausbau bis zu 500.000 Fahrzeuge
im Jahr. Dafür will Tesla eigenen Angaben
zufolge mehrere Milliarden Euro investieren und
bis zu 12.000 Mitarbeiter beschäftigen.
BB
In Grünheide wird Tesla künftig
auch das Model 3 bauen.
Halle (Saale)
Ilmenau
Foto: Jteder auf Pixabay (oben), TGZ Halle GmbH/Marco Warmuth (unten)
Halle ist eine kreisfreie Großstadt im Süden von
Sachsen-Anhalt. Die Stadt ist eines der drei
Oberzentren des Landes. Halle ist Sitz einer der
ältesten Universitäten Deutschlands, der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg. Mehr
denn je verschmelzen heute in der Saalestadt
Forschung und Wirtschaft. Im Technologiepark
Weinberg Campus etwa, dem zweitgrößten ostdeutschen
Technologiepark. Vor 25 Jahren auf
einem ehemaligen Kasernengelände entstanden,
haben sich hier inzwischen mehr als 200
Unternehmen gegründet. Eine Milliarde Euro
wurde investiert.
Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
hat am Weinberg Campus ihre naturwissenschaftlichen
Institute konzentriert. Außerdem
sind alle bedeutenden außeruniversitären
Forschungseinrichtungen der Fraunhofer- und
Max-Planck-Gesellschaften sowie der Helmholtz-und
Leibniz-Gemeinschaften vertreten.
Neben etwa 7.500 Studierenden arbeiten hier
5.500 Menschen in Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
Inzwischen sind dort
neben Gründungsprojekten und verschiedenen
Start-ups auch Unternehmen, die sich bereits
erfolgreich am Markt etabliert haben: das
börsennotierte Biotechnologieunternehmen
Probiodrug AG zum Beispiel, das an neuartigen
therapeutischen Lösungen zur Behandlung
von Alzheimer forscht, oder auch das Biotechnologie-Unternehmen
Scil Proteins GmbH.
Mehr als 100 Unternehmen der Life-Sciencesund
Material-Sciences-Branche arbeiten auf
dem Weinberg Campus.
Ebenfalls in Halle befindet sich das Mitteldeutsche
Multimediazentrum (MMZ). Es ist als Exis-
gut 30 Kilometer südwestlich der Landes-
Die Goethe-Stadt Ilmenau liegt in Thüringen,
tenz- und Technologiezentrum der bedeutendste
Standort der Kreativ- und Medienwirtschaft Nordrand des Thüringer Waldes. Zusammen
hauptstadt Erfurt im Tal des Flusses Ilm, am
in Sachsen-Anhalt. Unter seinem Dach sind mit Arnstadt prägt der Ort wirtschaftlich
Produktion sowie Forschung und Lehre vereint. den Ilm-Kreis. Im Ilm-Kreis befindet sich
Rund 36 Millionen Euro investierten die Stadt das größte Industriegebiet Thüringens, das
Halle und das Land Sachsen-Anhalt in das 2007 Erfur ter Kreuz. Es erstreckt sich auf einer
eröffnete Zentrum. Mehr als 150 Unternehmen Fläche von rund 140 Hektar. Seit Ende der
haben im MMZ bislang als Start-ups ihre geschäftliche
Entwicklung begonnen. Das Institut neue Jobs entstanden. Zu den am Erfurter
1990er-Jahre sind allein dort mehr als 5.000
für Medien- und Kommunikationswissenschaft Kreuz angesiedelten Unternehmen zählt
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
mit rund 500 Studierenden hat hier seinen Services, die sich auf die Wartung und
die innovative Firma N3 Engine Overhaul
Sitz. Herzstück ist das neue Postproduktionsstudio
mit Dolby-Atmos-Kinomischung, dessen Flugzeugtriebwerken, etwa des Airbus A380,
Generalüberholung von Rolls-Royce-
Standard europaweit einzigartig ist.
spezialisiert hat.
ST
Bio-Zentrum Halle auf dem Weinberg Campus.
18
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
„WIR WERDEN EIN LAND DER
ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN SEIN“
W+M: Welche Bedeutung haben die Zukunftsorte
für die Regionen und das Land?
Armin Willingmann: Sachsen-Anhalt
entwickelt sich verstärkt zu einem Land der
Zukunftstechnologien, und es gibt landesweit
Orte, die dieser Entwicklung besonderen
Schub verleihen. In Leuna beispielsweise
gibt es einen der größten Chemieparks in
Deutschland mit mehr als 100 Unternehmen
aus zehn Nationen. Derartige dynamische
Innovationsorte ziehen international weitere
Investoren wie den finnischen Konzern UPM
an, der Anfang Januar 2020 bekannt gab,
dass er dort für 550 Millionen Euro eine
Bioraffinerie errichten wird. Orte wie Leuna
zeichnen sich dabei nicht allein als Cluster
bestimmter Branchen oder Unternehmen aus.
ST
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister
Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD).
Eine hochklassige, wirtschafts- und ortsnahe
Wissenschaftslandschaft aus Forschungseinrichtungen
und Hochschulen gewährleistet
den Zugang zu Nachwuchskräften und ermöglicht
Forschungskooperationen. Langfristig
tragen die Zukunftsorte wesentlich dazu bei,
Wirtschaftskraft und Wohlstand in Sachsen-Anhalt
weiter zu stärken, weshalb sie vom
Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium
insbesondere in den vergangenen drei Jahren
gezielt gefördert wurden.
W+M: Welche Branchen haben in Ihrem
Land besonders große Zukunftsperspektiven?
Armin Willingmann: Es gibt bereits starke
Branchen wie die Ernährungswirtschaft
oder die eben bereits erwähnte Chemie, die
enormes Zukunftspotenzial aufweisen. Sachsen-Anhalt
kann aber auch vom Wandel in der
Autoindustrie hin zu alternativen Antrieben
profitieren: Schon heute arbeiten rund 24.000
Beschäftigte in 300 Unternehmen, die der
Autozuliefererindustrie zugerechnet werden
– weshalb Sachsen-Anhalt mit Blick auf vorhandenes
Know-how auch hier für Investoren
attraktiv ist. 2019 konnten wir bekanntgeben,
dass der Batterie-Konzern Farasis in Bitterfeld-Wolfen
ein neues Werk für mehr als 600
Millionen Euro errichten und 600 Arbeitsplätze
schaffen wird. Der japanische Brennstoffzellen-Spezialist
Horiba kündigte Ende 2019
zudem an, im Technologiepark Ostfalen –
ebenfalls ein Zukunftsort bei Magdeburg – für
30 Millionen Euro seinen Standort auszubauen,
und Porsche errichtet, gemeinsam mit der
Schuler AG, ein neues Werk bei Halle für 100
Millionen Euro. Besonders gefreut habe ich
mich aber auch darüber, dass es uns gelungen
ist, dem ehemaligen Regional-Airport
Cochstedt bei Magdeburg eine Zukunftsperspektive
als europaweit einzigartigen
Forschungsflughafen zu ermöglichen. Das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
wird hier ein nationales Erprobungszentrum
für Drohnen-Technologie aufbauen; ich bin
davon überzeugt, dass sich im Umfeld dieser
einzigartigen Forschungseinrichtung weitere
Technologie-Unternehmen und Start-ups
ansiedeln werden.
W+M: Wie sieht Ihre Vision von der Wirtschaft
Ihres Landes im Jahr 2030 aus?
Armin Willingmann: Sachsen-Anhalt wird
ein Land der Zukunftstechnologien sein, mit
innovativen Wachstumstreibern, insbesondere
in den Bereichen Chemie, Energie und Automotive.
Es wird weiter geprägt sein von einer
gestärkten mittelständischen Wirtschaft, die
sich in einem noch höheren Maße durch hohe
Wertschöpfung, eigene Forschungsaktivitäten
und hochwertige Arbeitsplätze auszeichnet.
Sachsen-Anhalts Wirtschaft wird sich 2030
zudem im ländlichen Raum noch dynamischer
entwickeln, weil moderne Infrastrukturen wie
flächendeckende Gigabit-Netze und 5G-Mobilfunk
bis dahin ausgebaut sein werden. Um
diese Vision zu verwirklichen, kommt es aber
nicht nur auf wirtschaftspolitische Weichenstellungen
an. Es muss uns bis dahin auch
gelingen, unsere demokratische, freiheitliche
Grundordnung zu stärken und antidemokratische,
populistische Kräfte zurückzudrängen.
Hier ist nicht nur Politik, hier sind alle gesellschaftlichen
Kräfte gefragt!
Foto: Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 19
Foto: Jan Kobel (oben), Carl Zeiss (unten)
In Ilmenau und Arnstadt sind traditionell
die Metallindustrie und der Maschinenbau
angesiedelt. Wichtigste Institution in Ilmenau
ist jedoch die Technische Universität, an der
rund 5.600 Studierende eingeschrieben sind.
Die Universität ist nach der Friedrich-Schiller-Universität
in Jena die zweitgrößte in
Thüringen. In Zusammenarbeit mit der
Universität Ilmenau sind in den letzten Jahren
viele kleinere Hochtechnologieunternehmen
entstanden.
Die gewerbliche Wirtschaft im Ilm-Kreis hat
in den zurückliegenden drei Jahrzehnten erhebliche
Investitionen erfahren. Rund 1.600
Investitionsvorhaben wurden für insgesamt
rund drei Milliarden Euro realisiert. Dazu
flossen öffentliche Fördermittel in Höhe
von 622 Millionen Euro. Hinzu kommen 122
Vorhaben im Bereich der wirtschaftsnahen
Infrastruktur, die rund 400 Millionen Euro
kosteten und mit rund 290 Millionen Euro
gefördert wurden.
Jena
Jena ist eine kreisfreie Großstadt (rund
111.000 Einwohner) in Thüringen. Die bereits
1558 gegründete Friedrich-Schiller-Universität
Jena ist mit gut 17.000 Studierenden
Thüringens größte Hochschule.
Die Stadt ist ein Zentrum der deutschen Optik-
und Feinmechanikindustrie rund um das
Traditionsunternehmen Carl Zeiss.
Seit 1990 investierten Unternehmen in Jena
rund 2,2 Milliarden Euro. Für 623 Investitionsprojekte
gab es öffentliche Fördermittel in
einer Gesamthöhe von 370 Millionen Euro.
Zusätzlich wurden 30 wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen
mit einem Gesamtvolumen
von 150 Millionen Euro von Fördermitteln
in Höhe von 78 Millionen Euro flankiert.
Allein die ZEISS-Gruppe investiert aktuell
über 300 Millionen Euro in einen neuen
Zukunfts-Standort. Das Unternehmen will bis
2023 seine bisherigen Jenaer Liegenschaften
und Produktionsstätten zusammenführen.
Jena ist mit insgesamt 2.000 Mitarbeitern
bereits heute der weltweit zweitgrößte
ZEISS-Standort. Auf dem zusätzlich erworbenen
80.000-Quadratmeter-Gelände will
ZEISS nach eigener Aussage einen integrierten
Hightech-Komplex errichten, der
durch seine Modernität, Offenheit und die
dort entwickelte und gefertigte Technologie
TH
Strahlkraft für die Hochtechnologie- und
Wissenschaftsstadt Jena hat.
Jena ist eine international bekannte
Wissenschaftsstadt und beherbergt neben
der Friedrich-Schiller-Universität und der
praxisorientierten Ernst-Abbe-Hochschule
auch eine Reihe renommierter Forschungseinrichtungen,
darunter Institute
der Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft,
der Leibniz-Gemeinschaft sowie
ein Institut des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR). Ein Großteil
TH
Ilmenau: Bei N3 Engine Overhaul Services werden
Triebwerke von Airbus-Maschinen gewartet.
Hightech-Produktion bei Carl Zeiss in Jena.
der Institute ist am Beutenberg-Campus
Jena beheimatet. Insgesamt forschen in
Jena ungefähr 4.500 Wissenschaftler, rund
3.500 von ihnen an der Universität. Mit
Schwerpunkten in den Bereichen Optik
und Photonik sowie Gesundheit und den
Lebenswissenschaften orientiert sich die
Jenaer Forschung an Zukunftsfragen. Auch
in den Bereichen innovative Materialien
und Energiespeicher, Oberflächen- und Mikrotechnologie
spielt Jena eine bundesweit
herausragende Rolle.
20
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
SN
Die Leipziger Messe – ein Ort, an dem
sich Tradition und Zukunft vereinen.
einen Wirtschaftsförderschwerpunkt. Der
umsatzstarke Energieversorger VNG –
Verbundnetz Gas, der für Stadtwerke und kommunale
Energieversorger Erdgas bereitstellt,
hat in Leipzig seinen Sitz. In der Stadt wird
mit der European Energy Exchange die größte
Energiebörse Kontinentaleuropas betrieben.
Leipzig beherbergt drei Max-Planck-Institute,
das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und
Immunologie, das Fraunhofer-Zentrum für
Mittel- und Osteuropa, die Leibniz-Institut für
Troposphärenforschung und Oberflächenmodifizierung
sowie das Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung. Seit 2008 befinden sich
außerdem das Deutsche Biomasseforschungszentrum,
das Forschungs- und Transferinstitut
für Angewandte Informatik sowie das Deutsche
Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung
in Leipzig.
Leipzig
Leipzig ist eine kreisfreie Stadt und zugleich die
bevölkerungsreichste Metropole in Sachsen
(rund 590.000 Einwohner). Leipzigs Tradition
als bedeutender Messestandort in Mitteleuropa
mit einer der ältesten Messen der Welt geht
bis auf das Jahr 1190 zurück. Dank der vielschichtig
aufgestellten Unternehmenslandschaft
verfügt die Stadt über eine erhebliche
Wirtschaftskraft. Mit dem vor Ort erarbeiteten
Bruttoinlandsprodukt liegt Leipzig weit vorn
im bundesdeutschen Städtevergleich – im Jahr
2016 belegte man Platz 17.
Innerhalb von Sachsen hat sich die Stadt als
ST
Der Chemiepark Leuna aus
der Luft betrachtet.
bundesweit nachgefragter und dynamischer
Standort im Start-up-Bereich entwickelt. Davon
zeugt nicht zuletzt der Smart Infrastructure
Hub Leipzig. Das Gründer- und Innovationsökosystem
in Sachsen ist lebendig. Beispiele
sind das Spin-Lab in Leipzig, die Gründerinitiative
SMILE an der Universität Leipzig, der Digital
Hub sowie weitere Cluster und Netzwerke.
Nach der Wende gelangen einige große Industrieansiedlungen,
darunter Siemens, Porsche
und BMW. Mit Porsche und BMW konnte sich
die Stadt als neuer Automobilstandort etablieren.
Die gesamte Region Leipzig ist ein wichtiges
Zentrum der Energiewirtschaft. Leipzig betreibt
das Cluster Energie und Umwelt und hat dort
Leuna
Leuna ist eine Stadt im Saalekreis in Sachsen-Anhalt
mit rund 14.000 Einwohnern.
Bekannt ist der Ort vor allem durch seine
Chemieindustrie, weniger durch seinen Charakter
als Gartenstadt. Leuna – dieser Name
ist schon seit mehr als 100 Jahren ein Synonym
für Chemie. Hier wurde erstmals Methanol im
Hochdruckverfahren hergestellt und mit der
Braunkohlehydrierung im großen Maßstab
synthetischer Treibstoff produziert.
Im größten abgeschlossenen Chemiepark
Deutschlands arbeiten heute mehr als 100
Unternehmen aus zehn Nationen an der chemischen
Industrie der Zukunft. Renommierte
Namen wie ARKEMA, BASF, DOMO, Innospec,
Linde, TAMINCO (Eastman) und TOTAL gehören
ebenso dazu wie zahlreiche mittelständische
Firmen. Insgesamt wurden am Chemiestandort
Leuna seit 1990 mehr als sechs Milliarden
Euro investiert. Die notwendige, höchst
flexible und effiziente Infrastruktur für den
gesamten Standort wird von der InfraLeuna
GmbH betrieben. Die InfraLeuna bietet ein
breites Leistungsspektrum: Es umfasst unter
anderem die Lieferung notwendiger Medien
wie Energie und Wasser, die Entsorgung durch
die zentrale Abwasseraufbereitungsanlage
sowie analytische Leistungen in einem modernen
Labor. Darüber hinaus ist die InfraLeuna
nicht nur Serviceanbieter, sondern auch Standortentwickler.
Christof Günther, Geschäftsführer
der InfraLeuna GmbH: „Wir investieren
Foto: Leipziger Messe GmbH (oben), Ralf Lehmann (unten)
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 21
Foto: MTU Aero Engines
auch weiterhin kräftig in den Ausbau unserer
Infrastrukturen, damit die Unternehmen am
Chemiestandort Leuna optimale Bedingungen
für weiteres Wachstum und neue Projekte
vorfinden.“
Ludwigsfelde
BB
Die Firma MTU betreibt in Ludwigsfelde ein
Instandhaltungswerk für Flugzeugturbinen.
Ludwigsfelde ist eine amtsfreie Mittelstadt im
Norden des märkischen Landkreises Teltow-
Fläming mit 27.000 Einwohnern. Sie liegt rund
elf Kilometer südlich der Berliner Stadtgrenze
und ungefähr acht Kilometer östlich von Potsdam.
Der verkehrstechnisch optimal angebundene
Ort ist von technologieintensiven Industriezweigen,
insbesondere in den Bereichen
Automobilproduktion und Luft- und Raumfahrttechnik,
geprägt, die auf eine lange Tradition
zurückblicken. Bereits 1936 wurde hier
die Daimler-Benz Motoren GmbH gegründet,
die Flugzeugmotoren herstellte. Zu DDR-Zeiten
wurden im VEB Automobilwerke Ludwigsfelde
Lkw der Marke „W 50“ gebaut. Nach der
Wende kehrte Daimler-Benz an den Standort
zurück und produziert seither Nutzfahrzeuge.
Die Firma MTU Maintenance Berlin-Brandenburg
GmbH knüpft an die Luftfahrtgeschichte
Ludwigsfeldes an. Das Turboprop-Triebwerk
TP400-D6 für den Airbus A400M wird in Ludwigsfelde
abschließenden Serienabnahmetests
unterzogen und ausgeliefert.
Außerdem haben sich thyssenkrupp, Coca-Cola
sowie diverse Logistikfirmen angesiedelt.
Seit Juni 2006 betreibt die Volkswagen AG ein
Logistikcenter für Originalteile, von dem aus
600 VW-Händler in den neuen Bundesländern
beliefert werden. Auch der Siemens-Konzern
hat sich mit einem Logistikstandort in der
Stadt niedergelassen. Auf dem Industriepark
Ludwigsfelde sind auf einer Fläche von 256
Hektar über 70 Unternehmen konzentriert.
Hinzu kommen drei Gewerbeparks mit einer
Fläche von 618 Hektar. Insgesamt bieten rund
900 Unternehmen mit Schwerpunkten in den
Bereichen Fahrzeugbau, Verkehrstechnologie,
Luft- und Raumfahrttechnik sowie Spedition
und Logistik etwa 10.000 Arbeitsplätze.
22
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
Marzahn
ST
Magdeburg
Magdeburg ist die Hauptstadt des Landes
Sachsen-Anhalt. Die Stadt an der Elbe ist eines
der drei Oberzentren und mit knapp 240.000
Einwohnern die zweitgrößte Stadt Sachsen-Anhalts
und die fünftgrößte Stadt der neuen
Bundesländer. Heute setzt man in der Stadt auf
den engen Schulterschluss von Wirtschaft und
Wissenschaft.
Auf dem Forschungscampus STIMULATE etwa
arbeiten Forschung und Wirtschaft eng zusammen.
Dort wird die Zukunft der medizinischen
Behandlung, beispielsweise durch den Einsatz
von Robotern als chirurgische Assistenzsysteme,
vorangetrieben. Der Campus entsteht an
einem Ort mit exzellenten Zukunftsperspektiven,
dem Wissenschaftshafen. Die Speichergebäude
des alten Handelshafens wandeln
sich zu einem urbanen Zentrum für Innovation
und Wissenstransfer. Im Mixed-Reality-Labor
B
Magdeburg: Fraunhofer-Institut IFF.
Viel Platz für nachhaltige Industrie bietet
der CleanTech Business Park in Marzahn.
mit einer 360-Grad-Laserprojektionswand
des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und
-automatisierung (IFF) können beispielsweise
Maschinen und ganze technische Anlagen noch
vor ihrem Bau virtuell-interaktiv dargestellt und
getestet werden. Langfristig wird der gesamte
Bereich des alten Handelshafens bis zur Elbe
geöffnet und städtebaulich sowie wirtschaftlich
entwickelt. Das hafentypische Erscheinungsbild
wird dabei, soweit möglich, als städtebauliches
Charakteristikum des Wissenschaftshafens
erhalten bleiben. Es entsteht ein vielfältiges,
lebendiges Stadtquartier an Elbe und Hafen als
Zentrum für Innovations- und Wissenstransfer,
mit Flächen für Wohnnutzungen, Dienstleistungen,
Freizeit und Tourismus. Der Umbau des
Handelshafens ist ein Symbol für den Wandel
Magdeburgs von der Stadt des Schwermaschinenbaus
zur Stadt der Wissenschaft.
Marzahn ist ein Ortsteil im Berliner Bezirk
Marzahn-Hellersdorf, in dem 110.000
Menschen leben. Hier entstand ab Mitte der
1970er-Jahre die größte Plattenbausiedlung
der DDR. Bis heute tut sich der Ostberliner
Bezirk schwer, sich vom Image einer grauen
Schlafstadt zu befreien. Dabei gibt es zahlreiche
und vor allem hoch innovative Ansätze,
die lokale Wirtschaft anzukurbeln.
Der in Marzahn angesiedelte CleanTech
Business Park (CBP) ist mit 90 Hektar Fläche
Berlins größtes Industrieareal und speziell
zugeschnitten auf produzierende Unternehmen
aus der Cleantech-Branche. Als größtes
zusammenhängendes Berliner Industriegebiet
bietet der Standort eine Kernzone für
Störfallanlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz,
sodass nahezu alle industriellen
Produktionsprozesse auf dem Areal
möglich sind. Zulieferer und Dienstleister der
Branche können sich im unmittelbar angrenzenden,
1.200 Hektar großen Industrie- und
Gewerbegebiet „Berlin eastside“ niederlassen.
In direkter Nachbarschaft zum CBP-
Areal befindet sich das CleanTech Innovation
Center (CIC) für Start-ups.
Ebenfalls in Marzahn, auf dem Gelände des
Unfallkrankenhauses Berlin-Marzahn (ukb),
entwickelt sich ein moderner Gesundheitscampus
von nationaler Bedeutung, in dem
gut 2.000 Menschen arbeiten. Das ukb ist ein
klinisches Zentrum zur Behandlung schwer
kranker Patienten aller Unfall- und Krankenversicherungen
sowie zur Rettung und
Rehabilitation Schwerverletzter aus dem
gesamten Bundesgebiet. Bei der Versorgung
von Menschen mit Brand-, Rückenmarksund
Handverletzungen nimmt es auch
international eine Spitzenposition ein. Die
Rettungsstelle ist eine der modernsten in
Deutschland, dort werden 60.000 Patienten
pro Jahr behandelt. Der ukb-Gesundheitscampus
füllt sich von Jahr zu Jahr mehr und
beherbergt heute eine Poliklinik, eine Klinik
zur Behandlung psychosomatischer Erkrankungen
sowie eine Klinik für Altersmedizin.
Im kommenden Jahr wird das „Haus der Gesundheitswirtschaft“
eröffnet – ein in dieser
Form einmaliges Informationszentrum für ein
selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter in
den eigenen vier Wänden.
Foto: © Wikipedia / Goodway (oben), Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf (unten)
24 WIRTSCHAFT+MARKT
30
ZUKUNFTSORTE
Neubrandenburg
Neubrandenburg ist die Kreisstadt des Landkreises
Mecklenburgische Seenplatte. Als
drittgrößte Stadt in Mecklenburg-Vorpommern
hatte sie in jüngster Vergangenheit die zweitgrößte
Wirtschaftskraft pro Einwohner aller
Städte in den neuen Bundesländern. Bedeutende
Wirtschaftszweige sind der Anlagen- und
Maschinenbau, Hochtechnologie, Logistik,
Gesundheitswirtschaft, IT und Dienstleistungen.
In und rund um Neubrandenburg wird stark
investiert. So wurden im Landkreis 13 Infrastrukturmaßnahmen
mit Gesamtinvestitionen
in Höhe von rund 13,9 Millionen Euro realisiert,
die vom Wirtschaftsministerium in Höhe von
12,2 Millionen Euro unterstützt wurden.
In Neubrandenburg haben etliche überregional
beziehungsweise global tätige Unternehmen
MV
Bei Webasto in Neubrandenburg
werden Standheizungen produziert.
bedeutende Außenstellen. Die Deutsche Post
beschäftigt in ihrem Logistikzentrum am
Standort Weitin mehr als 3.000 Mitarbeiter
und ist größter Arbeitgeber der Region. Das
Unternehmen Webasto, Weltmarktführer für
Standheizungen, produziert in Neubrandenburg
ebenso wie die Firma Weber Maschinenbau,
Weltmarktführerin bei der Herstellung von
Fleischverarbeitungsmaschinen. Wichtige
Arbeitgeber sind zudem die Maschinenbaufirma
SMW, Weka-Holzbau, das auf Klima-,
Wasserpump- und Heizanlagen spezialisierte
Unternehmen Spheros und die Neubrandenburger
Außenstelle der Pasewalker Bäckerei
„Unser Heimatbäcker GmbH“.
Die Hochschule Neubrandenburg ist eine von
drei staatlichen Fachhochschulen in Mecklenburg-Vorpommern,
mit mehr als 2.000
Studierenden in 14 Studiengängen. Ungefähr ein
Drittel der Studenten ist im Fach Soziale Arbeit
eingeschrieben. Weitere bedeutende Fächer
sind Agrarwirtschaft, Lebensmitteltechnologie,
Gesundheits- und Pflegewissenschaften,
Pädagogik, Geomatik sowie Landschafts- und
Umweltwissenschaften.
„DIE ZUKUNFTSORTE SOLLEN
STRAHLKRAFT FÜR DAS GANZE
LAND ENTWICKELN“
MV
Harry Glawe,
Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit
in Mecklenburg-Vorpommern (CDU).
W+M: Welche Bedeutung haben die Zukunftsorte
für die Regionen und das Land?
Harry Glawe: Die Unternehmen im Land
stehen vor großen Herausforderungen, insbesondere
bei der Sicherung des Fachkräftebedarfs,
den Auswirkungen des demografischen
Wandels, der Digitalisierung aller Lebens- und
Wirtschaftsbereiche sowie den zunehmenden
Unsicherheiten im internationalen Handel.
Zudem kommen erhebliche Veränderungen im
Mobilitäts- und Energiesektor durch den Klimaschutz
hinzu. In den Zukunftsorten wurden und
werden Vorhaben angeschoben, Projekte umgesetzt
und Veränderungen aktiv angegangen.
Deshalb stehen die Zukunftsorte beispielhaft
für innovative Veränderungen und sollen Strahlkraft
für das ganze Land entwickeln.
W+M: Welche Branchen haben in Ihrem Land
besonders große Zukunftsperspektiven?
Harry Glawe: Das produzierende Gewerbe, der
Tourismus, die maritime Wirtschaft, der Einzelhandel
sowie der Dienstleistungsbereich tragen
in Mecklenburg-Vorpommern deutlich zum
wirtschaftlichen Wachstum bei. Wir wollen vor
allem die noch wirtschaftlich jungen Bereiche
wie die Gesundheitswirtschaft sowie Forschung,
Entwicklung und Innovation vorantreiben. Im
Ergebnis wächst die Wirtschaftsleistung, die
Arbeitslosigkeit sinkt weiter, unsere Unternehmen
investieren und schaffen Arbeitsplätze. Wir
arbeiten an der Verbesserung der Rahmenbedingungen
für die heimische Wirtschaft.
W+M: Wie sieht Ihre Vision von der Wirtschaft
Ihres Landes im Jahr 2030 aus?
Harry Glawe: Wir arbeiten daran, die Voraussetzungen
für unternehmerische Investitionen
weiter zu verbessern. Deshalb unterstützen wir
beispielsweise die Vermarktung von Gewerbeflächen,
denn mit jeder neuen Investition in ein
Gewerbegebiet werden die Voraussetzungen
für weitere Arbeitsplätze geschaffen. Das Vorantreiben
der Gesundheitswirtschaft sowie der
Ausbau von Forschung, Entwicklung und Innovation
sind weitere wichtige Schwerpunkte der
Wirtschaftspolitik für Mecklenburg-Vorpommern.
Ich bin zuversichtlich, dass die Wirtschaft
bei uns im Land weiter stabil wachsen wird.
Foto: Webasto SE (oben), W+M (unten)
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 25
Foto: Thomas Schwandt
Parchim
Parchim ist die Kreisstadt des Landkreises
Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern,
40 Kilometer südöstlich der
Landeshauptstadt Schwerin gelegen. Die
gesamte Region hat eine rasante wirtschaftliche
Entwicklung genommen. Im Landkreis
Ludwigslust-Parchim wurden beispielsweise
seit 2011 bis September 2019 insgesamt 194
Vorhaben aus der Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
gefördert. Bei Gesamtinvestitionen
in Höhe von rund 637 Millionen Euro wurden
Zuschüsse vom Wirtschaftsministerium in
Höhe von insgesamt rund 126 Millionen Euro
bewilligt. Durch die Investitionsvorhaben
konnten knapp 2.000 neue Arbeitsplätze
geschaffen und knapp 10.400 Arbeitsplätze
gesichert werden.
Erfolgreiche Förderbeispiele für die Region
sind unter anderem das europäische Logistikzentrum
von DeLaval im Gewerbegebiet
MV
Innovatives Flaggschiff in Parchim –
die RoweMed AG – Medical 4 Life.
Valluhn-Gallin mit rund 230 Arbeitsplätzen.
Die DeLaval GmbH als Teil des Tetra-Laval-
Konzerns hat ihren Hauptsitz in Schweden und
verfügt über 18 Produktionsstätten weltweit
mit 4.500 Mitarbeitern. Das Unternehmen
ist Hersteller und Anbieter von technischen
Lösungen zur Produktion von Milch und bietet
Produkte, Systeme und Dienstleistungen unter
anderem zur Melk- und Futtertechnik, Kühltanks,
Klima- und Entmistungssysteme an.
Innovatives Flaggschiff in Parchim ist die
auf Medizintechnikprodukte spezialisierte
RoweMed AG – Medical 4 Life. Die Firma
wurde im Jahr 2000 in Melsungen zunächst
als reines Entwicklungsunternehmen im
Bereich Medizintechnik gegründet. Mit fünf
Ingenieuren entwickelte das Unternehmen
bereits damals innovative Spezialprodukte für
die Infusionstechnik. Vier Jahre später erfolgte
der Umzug nach Parchim. Hier wurde sowohl
die Entwicklungskapazität massiv ausgebaut
als auch eine zertifizierte Reinraum-Fertigung
errichtet. In den Folgejahren wurde stetig in
die Fertigungstechnologie und Kapazitätserweiterung
investiert. Heute beschäftigt das
Unternehmen mehr als 130 Mitarbeiter und
ist als Entwickler und Hersteller von medizinischen
Spezialprodukten weltweit aktiv.
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26
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
MV
Rostock
Die Achsen der Metropolen Berlin - Kopenhagen
sowie Hamburg - Stettin führen mitten durch
die Hansestadt an der Ostsee. Der moderne
Seehafen, der Flughafen und die hervorragenden
Hinterlandverbindungen machen Rostock
zu einem Verkehrsknotenpunkt. Dies garantiert
schnelle, kurze Wege zu den Märkten nach
Skandinavien oder Ost-, West- und Südeuropa.
Mit der ältesten Universität in Nordeuropa – die
Universität Rostock wurde 1419 gegründet –
verfügt die Stadt über ein breites und international
anerkanntes, fortschrittliches Lehr- und
Forschungsangebot. Die zahlreichen renommierten
Institute und Fakultäten der Universität
B
Die renommierte Firma Liebherr produziert
in Rostock weltweit gefragt Krane.
Der Gasometer ist das Wahrzeichen
des EUREF-Campus in Schöneberg.
Rostock, die außeruniversitären Forschungsinstitute
sowie Technologie- und Kompetenzzentren
und Wissenschaftsverbünde machen
die Hansestadt Rostock zu einem internationalen
Forschungsstandort.
Daneben existieren in Rostock viele Netzwerke
wie beispielsweise BioCon Valley, der Automotive
e.V., das Windenergie Netzwerk oder das
regionale Innovationscluster der maritimen
Wirtschaft.
Die starke Verzahnung von Wissenschaft und
Wirtschaft, bei der angewandte Forschung
zu einem großen Teil direkt in den Unternehmen
betrieben wird, zeigt sich in zahlreichen
erfolgreichen Ausgründungen aus Universität
und Forschungseinrichtungen. Die Universität
Rostock gehört zu den zehn gründerfreundlichsten
Hochschulen Deutschlands. Der Fokus
wird dabei auf Zukunftstechnologien gelegt,
denn Innovationen und neue Technologien sind
der Schlüssel für wirtschaftliches Wachstum
und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen
im globalen Markt. Folgende Technologieschwerpunkte
sind von besonderer Bedeutung:
Maritime Industrie, Life Sciences, Informations-
und Kommunikationstechnologien sowie
Erneuerbare Technologien.
Neben der Universität wird die Hanse- und
Universitätsstadt Rostock seit jeher durch
seinen Hafen, die Schifffahrt und den Schiffbau
geprägt. Neben dem Bau von luxuriösen Flusskreuzfahrtschiffen,
eisgängigen Megayachten
und großen Kreuzfahrtschiffen bei der MV
WERFTEN GmbH und der NEPTUN Werft GmbH
& Co. KG prägen auch die innovativen Reedereien,
maritime Zulieferunternehmen, Seeverkehr
und Hafenwirtschaft, Fischerei und Tourismus
die maritime Wirtschaft in der Region.
Schöneberg
Schöneberg ist ein Ortsteil im Berliner Bezirk
Tempelhof-Schöneberg. Lange Zeit war die
Wirtschaft dieser eher beschaulichen Gegend
in der Bundeshauptstadt von kleinen und mittleren
Unternehmen in den Bereichen Handel,
Dienstleistungen sowie der Gastronomie und
Hotellerie geprägt.
Das änderte sich ab dem Jahr 2007, als der
Stadtplaner und Architekt Reinhard Müller ein
5,5 Hektar großes Areal am weithin sichtbaren
Gasometer in Schöneberg für rund eine
Million Euro vom Gasversorger „Gasag“ kaufte.
Seither entwickelt er mit seiner EUREF AG den
EUREF-Campus zu einer intelligenten Stadt für
Arbeiten, Forschen, Bilden und Wohnen – ein
Zukunftsort, bei dem energetisch optimierte
Gebäude, ein lokales „Micro Smart Grid“ sowie
geringe Betriebskosten durch Nutzung regenerativer
Energien im Mittelpunkt der Entwicklung
stehen.
Heute haben sich neben der Technischen Universität
Berlin, die auf dem EUREF-Campus vier
Masterstudiengänge anbietet, und Forschungseinrichtungen,
wie dem Mercator Research Institute
on Global Commons and Climate Change,
dem Climate-KIC und dem Wissenschaftszentrum
Berlin, zahlreiche Start-ups und international
renommierte Unternehmen wie Cisco,
Schneider Electric, WILO oder die Deutsche
Foto: Liebherr-MCCtech Rostock GmbH (oben), Karin Teichmann (unten)
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Deutschen Instituts für
moderne Büroarbeit DIMBA
28 WIRTSCHAFT+MARKT
30
ZUKUNFTSORTE
Bahn angesiedelt. Rund 150 Unternehmen und
Institutionen forschen, entwickeln und produzieren
mit ihren mehr als 3.500 Beschäftigten
am Rande des Gasometers. In einem engen
Austausch und mit zahlreichen Partnerschaften
entwickelt die innovative Gemeinschaft aus Global
Playern, Start-ups sowie forschenden und
lehrenden Einrichtungen intelligente Lösungen
für die Stadt der Zukunft.
Mit klimaneutraler Energieversorgung, einem
intelligenten Energienetz, energieeffizienten
Gebäuden, einer Erprobungsplattform für Elektromobilität
und zahlreichen Forschungsprojekten
wird rund um den Gasometer tagtäglich der
Beweis erbracht, dass die Energiewende machbar
und finanzierbar ist. Dieser ökologisch und
ökonomisch nachhaltige Standort erfüllt bereits
seit 2014 die CO 2
-Klimaziele der Bundesregierung
für das Jahr 2050.
Schönefeld
Mit einem Zuzug von 847 Personen belegte
die Gemeinde Schönefeld in der Jahresstatistik
2018 klar den zweiten Platz in Brandenburg,
gleich nach der Landeshauptstadt
Potsdam. Insgesamt hat sich die Bevölkerungszahl
Schönefelds seit 1990 fast
verdreifacht – und die Infrastruktur wächst
mit: 45 Millionen Euro will die Gemeinde jährlich
dafür ausgeben. Schließlich steht es um
die Finanzen bestens. Bereits 2007 titelten
Zeitungen: „Schönefeld im nächsten Jahr
schuldenfrei“, und bis heute scheint der erste
Platz der reichsten Gemeinden Brandenburgs
abonniert.
Aktuell trüben die verhaltene Konjunktur und
die Pleiten von Air Berlin und Germania das
Steuerwachstum etwas ein, doch Schönefelds
Kämmerin Simone Eberlein erwartet
angesichts der Sogwirkung im Zusammenhang
mit der für Oktober 2020 geplanten
Eröffnung des BER eine Stabilisierung der
Einnahmen auf hohem Niveau. Welches
Ausmaß dieser Sog hat, beweist eindrucksvoll
die vor einem Jahr vorgestellte Analyse der
Industrie- und Handelskammer Cottbus. In
dieser wird der Flughafenregion eine weitere
Bevölkerungszunahme von mehr als 40.000
Menschen bis zum Jahr 2030 prognostiziert
und ein Zuwachs von 140.000 Arbeitsplätzen.
Damit die vielen neuen Mitarbeiter bequem
zur Arbeit kommen, ist die verkehrliche
Infrastruktur ein wichtiges Thema. Kritiker
BB
Die Boom-Gemeinde Schönefeld
aus der Vogelperspektive.
bemängeln zwar, dass etwa die Autobahn zu
voll sei, doch verschiedene Verkehrsprojekte
wie der Bau der Transversale zwischen den
Autobahnen A 113 und A 117, die vierspurig
ausgebaute Bundesstraße B 96a sowie die
neue Durchbindung der Jürgen-Schumann-
Allee, vorbei am jetzigen Flughafen Schönefeld,
werden für Verbesserungen sorgen. Hinzu
kommen eine gut getaktete S-Bahn, drei
Linien der Regionalbahn mit Anbindung an
die Landeshauptstadt Potsdam, an Dessau,
Nauen und den Spreewald sowie über 100
nationale sowie internationale Destinationen
vom Flughafen aus, dessen Fernbahnhof auch
die Region versorgen wird.
20.000 dieser neu geschaffenen Arbeitsplätze
könnten laut Flughafengesellschaft
in den „Midfield Gardens“ einen Platz finden.
Diese schließt an die bereits bestehende
„Airport City“ an – Verträge werden allerdings
erst nach der Eröffnung des BER gezeichnet.
Deutlich optimistischer ist da die Alpine
Finanz Bau GmbH. Die deutsche Tochter
des Schweizer Traditionsunternehmens hat
bereits seit 1990 ihren Sitz in Schönefeld
und entwickelt bevorzugt Bürogebäude in
der Airport Region Berlin-Brandenburg. So
arbeitet Geschäftsführer Michael Saddei
seit Anfang 2019 an der Fertigstellung des
Business-Campus „BB Business Hub“ an
der Schönefelder Mittelstraße, das im 3.
Quartal 2021 durch den Büroneubau „Hub 3“
komplettiert wird. Auch andernorts laufen die
Planungen auf Hochtouren: Die mittelständische
IGP Gruppe, die sich vor 20 Jahren auf
immobilienbezogene Dienstleistungen von
der Projektentwicklung über die Planung und
Überwachung bis hin zum Facility Management
spezialisiert hat, plant etwa den Bau
eines Hotelhochhauses mitsamt Kongresszentrum
in Waltersdorf.
Ursprünglich sollten die ersten Flieger hier
bereits im Jahre 2011 starten. Nun ist die
Eröffnung für den 31. Oktober dieses Jahres
geplant und bringt so zusätzlichen wirtschaftlichen
Aufschwung. Künftig werden am
Airport Berlin Brandenburg jährlich rund 28
Millionen Passagiere abgefertigt. Durch Erweiterungsbauten
könnte die Gesamtkapazität
bis zum Jahr 2035 auf jährlich 58 Millionen
Passagiere steigen.
Schwarzheide
Schwarzheide ist eine amtsfreie Stadt im
Landkreis Oberspreewald-Lausitz, im Süden
des Landes Brandenburg. Bis Dresden sind
es 50 Kilometer, bis Berlin 110 Kilometer.
Beginnend mit der Braunkohleförderung in der
Lausitz wurde in Schwarzheide chemische Industrie
angesiedelt. Zu DDR-Zeiten dominierte
vor Ort der VEB Synthesewerk Schwarzheide.
Nach der deutschen Einheit siedelte sich auf
dem Gelände des Synthesewerks die BASF an.
Der Produktionsstandort der BASF Schwarzheide
GmbH ist einer der größten Standorte
der BASF-Gruppe in Europa. Er ist breit
aufgestellt bei der Produktion von funktionalen
Materialien und Lösungen. Zum Portfolio
gehören Polyurethane, technische Kunststoffe,
Schaumstoffe, Pflanzenschutzmittel,
Veredlungschemikalien und Lacke.
Die BASF ist weit und breit der größte Arbeitgeber.
In Schwarzheide beschäftigt das
Unternehmen rund 2.000 Mitarbeiter. Am
Foto: HPP Architekten - Bloomimages
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 29
BB
Brandenburgs Wirtschaftsminister
Prof. Dr. Jörg Steinbach (SPD).
„MIR SCHWEBT EIN MODERNES
INDUSTRIELAND VOR“
Foto: MWAE
W+M: Welche Bedeutung haben die Zukunftsorte
für die Regionen und das Land?
Jörg Steinbach: Ich möchte den Begriff
Zukunftsorte gern weiter fassen und von
Zukunftsräumen sprechen. Da haben wir den
Wirtschaftsraum Oder mit Schwedt im Norden
und Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt im
Süden. Da ist das Berliner Umland samt den
Städten in der „zweiten Reihe“, von Neuruppin
bis Luckenwalde. Da ist die Flughafenregion
rund um Schönefeld, Wildau, Königs Wusterhausen
und Ludwigsfelde – und mit der
Standortentscheidung von Tesla für Grünheide
wird sich die Flughafenregion auch bis dorthin
erstrecken. Und da sind die Lausitz sowie die
Wirtschaftsregion Nordwestbrandenburg. In
diesen Wirtschaftsräumen liegen auch die 15
Regionalen Wachstumskerne Brandenburgs,
die RWK – und da hat die Zukunft schon längst
begonnen! Da werden die Grundsteine für
zukünftiges nachhaltiges Wachstum in der
Hauptstadtregion gelegt.
Darüber hinaus strahlen die Wachstumskerne
in ihr jeweiliges Umland aus und setzen dort
Wachstumsimpulse.
Derzeit macht sich die Landesregierung
gemeinsam mit den RWK auf den Weg, diese
Zukunftsorte noch vernetzter weiterzuentwickeln
und in dynamischen Entwicklungsachsen
zu verknüpfen.
W+M: Welche Branchen haben in Ihrem
Land besonders große Zukunftsperspektiven?
Jörg Steinbach: Die starken Branchen, das
sind die auf Basis der gemeinsamen Innovationsstrategie
mit Berlin entwickelten Cluster.
Die fünf gemeinsamen Cluster mit Berlin sind
Energietechnik, Gesundheitswirtschaft, IKT,
Medien und Kreativwirtschaft, Optik sowie
Verkehr, Mobilität und Logistik. Hinzu kommen
die vier brandenburgspezifischen Cluster
Ernährungswirtschaft, Kunststoffe und
Chemie, Metall und Tourismus. Diese Cluster
werden von uns besonders unterstützt.
Lassen Sie mich beispielhaft zwei Bereiche
herausgreifen:
Da ist zum einen die Logistik. Für die deutsche
Hauptstadtregion ist diese Branche mit ihren
gut 200.000 Beschäftigten eine Wachstumsbranche.
Kaum eine Branche hat sich
in den vergangenen Jahren in Brandenburg
so stark entwickelt wie die Logistik. Gerade
Brandenburg hat sich aufgrund der guten
Verkehrsverbindungen in der jüngeren Vergangenheit
zu einem Top-Standort entwickelt
und in der Spitzengruppe der deutschen
Logistikstandorte gemeinsam mit Berlin fest
etabliert. Die Wachstumsmärkte Mittel- und
Osteuropas sind von Brandenburg aus gut erreichbar.
Das ist ein wichtiger Standortvorteil.
Und da sind die innovativen Energietechnologien,
die wir aus dem Forschungsstadium in
die Anwendung bringen müssen. Die Voraussetzung
dafür ist, dass aus der bisher lediglich
als Stromwende betriebenen Energiewende
endlich eine echte, energieträgerübergreifende
Energiewende wird. Das bedeutet:
Erneuerbare Energien dürfen nicht mehr nur
in der Form von Elektrizität, sondern sie müssen
auch in gasförmiger und flüssiger Form
die Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie
durchdringen. Power-to-X-Technologien und
Wasserstoff kommen dabei eine besondere
Rolle zu.
W+M: Wie sieht Ihre Vision von der Wirtschaft
Ihres Landes im Jahr 2030 aus?
Jörg Steinbach: Mir schwebt da ein modernes
Industrieland vor. Ein Land, in dem die
Unternehmen – inklusive der Handwerksbetriebe
– die Chancen der Digitalisierung
genutzt haben und sich mit ihren zukunftsfähigen
Produkten im internationalen Wettbewerb
behaupten können. Ich gehe davon aus,
dass die Strukturentwicklung in der Lausitz
bis 2030 weit vorangeschritten sein wird und
sich in der Region eine ganze Reihe neuer
Betriebe mit hoher Wertschöpfung und gut
bezahlten Jobs angesiedelt haben werden.
Und: Ich wünsche mir, dass wir dann auch eine
florierende Wasserstoffindustrie in Brandenburg
haben, die wichtige wirtschaftliche Impulse
für das Energieland Brandenburg liefert.
30
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
Schwedt
BB
BASF-Standort gibt es 17 Produktions- und Infrastrukturanlagen,
12 Kilometer Straßen und
Rohrbrücken sowie 20 Kilometer Bahngleise.
Künftig werden bei BASF in Schwarzheide
auch Batteriematerialien für Elektrofahrzeuge
hergestellt. Dafür entsteht ein völlig neuer
Produktionsstandort. Dieser ist Teil eines
mehrstufigen Investitionsplans zum Aufbau
der europäischen Wertschöpfungskette
für Elektrofahrzeuge. Die neue Anlage wird
BB
Einer der größten Standorte der BASF-Gruppe
in Europa – das BASF-Werk in Schwarzheide.
Die PCK-Raffinerie prägt die Wirtschaft
in und um Schwedt.
Kathodenmaterialien mit einer Anfangskapazität
produzieren, die eine Ausstattung von
rund 400.000 vollelektrischen Fahrzeugen pro
Jahr mit BASF-Batteriematerialien ermöglicht.
Ein modularer Aufbau und die Infrastruktur
der Anlage in Schwarzheide erlauben einen
schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten.
Die Anlage in Schwarzheide wird Vorprodukte
aus der BASF-Anlage in Harjavalta
(Finnland) verwenden. Das Unternehmen
plant, die beiden Anlagen im Jahr 2022 in
Betrieb zu nehmen.
Die Wirtschaft der Stadt Schwedt im brandenburgischen
Landkreis Uckermark wird
seit vielen Jahrzehnten von der PCK-Raffinerie
dominiert, die zehn Prozent der Erdölverarbeitungskapazitäten
Deutschlands besitzt.
Mit ihr verbunden ist die Mineralölverbundleitung
Schwedt, die das über die Erdölleitung
„Freundschaft“ hier ankommende Erdöl
aufnimmt und an die PCK-Raffinerie sowie
an die Total Raffinerie Mitteldeutschland in
den Leunawerken weiterleitet. Ein weiterer
wichtiger Wirtschaftsfaktor ist die Papierindustrie
mit den drei Unternehmen Georg
Leinfelder Werk Süd (LEIPA), Werk Nord
(ehemals UPM) und Brandenburger Tapeten
Schwedt mit jährlich rund einer Million
Tonnen Altpapierverarbeitung. Zusammen
sorgen diese Firmen dafür, dass Schwedt der
zweitgrößte Papierproduktionsstandort in
Deutschland ist.
Darüber hinaus haben sich Akteure aus
Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung
auf den Weg gemacht, einen Innovations-Campus
der Zukunft zu errichten, in
dem industrienahe Forschung, Start-ups,
Ansiedlungen, Bildung, Freizeit und die Natur
des Nationalparks Unteres Odertal unter
einem Dach funktionieren. Der offizielle Titel
des Projektes lautet „Innovations Campus
Schwedt in der Metropolregion Berlin/
Stettin – das Reallabor“. In Kooperation von
Wissenschaft, Schulen, Start-ups und Industrie
soll so etwas wie eine kleine Hochschule
in Schwedt entstehen, die vor allem die
Nähe zur Industrie nutzt. In dem Reallabor
können Studenten und Start-ups das, was
sie vorher im Kleinen, in der Theorie oder im
Labor entwickelt haben, nun in der Realität
ausprobieren, großtechnisch ausreifen lassen
oder umsetzen. Start-ups, die in Berlin oder
Stettin an die Grenzen stoßen, finden am
Campus Schwedt die Nähe zur Industrie und
deren technisches Umfeld, zu Professoren
und Lehrkräften mehrerer Hochschulen, die
in Schwedt Studenten in Praxissemestern
oder in Forschungsaufträgen betreuen. Die
Campus-Entwickler rechnen damit, dass
die Umsetzung ihrer Ideen rund 27 Millionen
Euro kosten wird.
Foto: BASF Schwarzheide GmbH (oben), © PCK Raffinerie GmbH (unten)
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 31
Siemensstadt
Foto: Siemens AG (oben), marako85 – stock.adobe.com (unten)
Siemensstadt ist ein dünn besiedelter Ortsteil
(knapp 13.000 Einwohner) im Osten des
Berliner Bezirks Spandau. Er entstand vor
mehr als 100 Jahren durch die Neuansiedelung
der Werke von Siemens & Halske und deren
Tochtergesellschaft Siemens-Schuckert mit
den zugehörigen modernen Werkssiedlungen.
Bis heute unterhält die Siemens AG in Spandau
seinen größten deutschen Produktionsstandort
– mit 11.500 Mitarbeitern.
Seit Herbst 2018 arbeitet Siemens, unterstützt
vom Berliner Senat, an der Umsetzung
des Projektes Siemensstadt 2.0: Der Konzern
will in den kommenden Jahren rund 600 Millionen
Euro investieren, um auf einer 70 Hektar
großen Fläche – eine Größe, die etwa 100
Fußballfeldern entspricht – eine zukunftsorientierte
„Smart City“ aus dem Boden zu
stampfen. Zentraler Punkt soll ein weithin
sichtbares Hochhaus (150 Meter) werden. Die
Bandbreite, die die Siemensstadt 2.0 umfassen
soll, ist groß: Denkmalgeschützte historische
Gebäude prägen das Areal, gleichzeitig
soll es zu einem Forschungsfeld für die Stadt
der Zukunft werden. Die Planer wollen viel
Grün bieten, aber auch große, offene Plätze.
Und nicht zuletzt sollen Wohnen, Produktion,
Lernen und Wissenschaft auf dem Innovationscampus
verknüpft werden.
Die Siemens AG sieht das Projekt als ein
langfristiges und in die Zukunft gerichtetes
Bekenntnis zum Standort Berlin. Bis zum Jahr
2030 wird sich das neue Siemens-Areal zu
einem hochmodernen Zukunftsort und Inkubator
entwickeln. Innovativ werden soll das
TH
B
Quartier vor allem durch seine Energie- und
Mobilitätskonzepte. Das Areal soll komplett
CO 2
-frei betrieben werden. Im Inneren ist es
weitestgehend autofrei konzipiert. An den
Quartierseingängen, wo Gebäude mit bis
zu 60 Metern Höhe vorgesehen sind, soll
es Mobilitätshubs geben, mit Parkplätzen,
Car- und E-Bike-Sharing, Wartungs- und
E-Ladestationen.
Weimar
Weimar ist eine kreisfreie Stadt in Thüringen
und vor allem bekannt für ihr kulturelles Erbe,
zu dem neben den Traditionen der Weimarer
Klassik um Wieland, Goethe, Herder und
Das Goethe- und Schillerdenkmal auf dem Theaterplatz in Weimar.
In Berlin-Spandau unterhält die Siemens AG ihren
größten deutschen Produktionsstandort.
Schiller auch das Bauhaus und die Nationalversammlung
von 1919, von der sich der Name
der Weimarer Republik herleitet, sowie eine
Vielzahl weiterer hochrangiger kultureller
Hinterlassenschaften aus den vergangenen
Jahrhunderten gehören. Das Bauhaus und
seine Stätten in Weimar (und Dessau) wurden
1996, das „klassische Weimar“ im Dezember
1998, von der UNESCO zum Weltkulturerbe
erklärt.
Aber auch wirtschaftlich verfügt Weimar über
erhebliches Potenzial. Im Zukunftsatlas 2016
belegte Weimar Platz 108 von 402 Landkreisen,
Kommunalverbänden und kreisfreien
Städten in Deutschland und zählt damit zu den
Regionen mit „Zukunftschancen“. Im diesbezüglichen
Landesranking Thüringens nimmt
die Stadt den zweiten Platz ein.
Um Kräfte zu bündeln und gemeinsame Interessen
vorantreiben zu können, ist die Stadt
Partner in verschiedenen Kooperationen. Mit
dem Masterplan Weimar/Weimarer Land
existiert ein zukunftsweisendes Konzept zur
Entwicklung eines Wirtschaftsraumes Weimar/Weimarer
Land. Gemeinsame Projekte
und Veranstaltungen fördern die Zusammenarbeit
zwischen Stadt und Landkreis. Ein
einheitliches Außenmarketing und regionale
Netzwerke sind etabliert. Weimar ist Teil und
geografische Mitte des Kooperationsraumes
Impulsregion. Zusammen mit den Partnern
Erfurt, Jena und dem Kreis Weimarer Land
werden Maßnahmen aus einem Wirtschaftsentwicklungskonzept
umgesetzt.
Die Energieversorgung in Weimar ist zunehmend
durch erneuerbare Energien geprägt.
Neben Photovoltaik spielen insbesondere
interkommunale Windprojekte eine Rolle.
Bereits 2014 wurde Weimar zur „Energiekommune“
ernannt.
32
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
entstehen hier Fluss- und Kreuzfahrtschiffe.
Neben den genannten Wirtschaftsbereichen
hat sich die 1908 von Robert Schmidt als
Ingenieur-Akademie gegründete Hochschule
Wismar zu einer wissenschaftlichen Institution
am Standort entwickelt. Über 8.000 Studenten
studieren derzeit an den drei Fakultäten
Technik, Wirtschaft und Gestaltung.
MV
Blick auf den Hafen Wismar.
Zwickau
Zwickau ist mit etwa 90.000 Einwohnern
Wismar
Die Hansestadt Wismar zeichnet sich durch
eine günstige zentrale Lage direkt an der
Ostsee aus, wodurch ein schneller Zugang
zu den wachstumsstarken Märkten in Nordund
Osteuropa möglich ist. Durch die direkte
Straßenanbindung an die Autobahn A 20 ist
Wismar ein wichtiger Knotenpunkt innerhalb
des Ost-West-Verkehrs zwischen Hamburg
und Osteuropa. Mit dem 800 Jahre alten
Seehafen Wismar und zweitgrößten Ostseehafen
bietet die Stadt beste Voraussetzungen
für die logistische Organisation von Güterströmen
in der Ostsee, in Deutschland und ganz
Europa. Der Universalhafen übernimmt mit
einem durchschnittlichen Jahresumschlag von
rund 7,1 Millionen Tonnen Logistikleistungen –
neben Umschlag und Lagerung zwischen den
Produktionsstandorten – auf Schiene, Straße
und Seeweg.
SN Volkwagen-Werk in Zwickau.
Ein großer Teil der hafennahen Entwicklungsflächen
wird für hafenaffine Industrien ausgebaut.
So stehen mit den Gebieten Dargetzow,
Kritzowburg und Hornstorf im Osten von
Wismar attraktive Großgewerbestandorte für
Ansiedlungen zur Verfügung beziehungsweise
werden diese derzeit für die gewerbliche und
industrielle Nutzung erschlossen.
Im Industrie- und Gewerbegebiet Haffeld ist
eines der größten und modernsten Holzverarbeitungszentren
Europas, das sogenannte
Holzcluster, entstanden. Mit rund 2.000 Arbeitsplätzen
ist es eines der größten Arbeitgeber
in der Region. Neben dem Holzcluster spielt
die maritime Wirtschaft eine große Rolle. Aktuell
befindet sich der Hafen durch die am Standort
befindliche Werft (MV WERFTEN) in der
Umgestaltung zu einem der größten Hersteller
von Kreuzfahrtschiffen. In den nächsten Jahren
die viertgrößte Stadt in Sachsen. Die Stadt
ist Gründungsmitglied der Metropolregion
Mitteldeutschland und Teil des Ballungsraums
Chemnitz-Zwickau.
Zwickau ist die Wiege der sächsischen Automobilindustrie.
Die mehr als hundertjährige
Tradition in der Automobilherstellung begann
Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Gründung
der Werke von Horch (1904) und Audi
(1909/1910), die in den 1930er- und 1940er-
Jahren von der Auto Union und während der
DDR-Zeit von den Sachsenring-Werken weitergeführt
wurde. Nach dem Ende der Teilung
Deutschlands gründete die Volkswagen AG im
Zwickauer Stadtteil Mosel eines der größten
Unternehmen der neuen Bundesländer, die
Volkswagen Sachsen GmbH, die diese Automobilbau-Tradition
weiterführt. Zwickau ist der Pilotstandort
für die industrielle Serienfertigung
von E-Fahrzeugen im Hoch-Volumen-Segment
des größten Automobilherstellers der Welt,
der Volkswagen AG (VW). Gemeinsam mit
den Aktivitäten von BMW und PORSCHE in
Leipzig sowie den übrigen Aktivitäten von VW
in Dresden übernimmt der Automobilstandort
Sachsen damit insgesamt eine Pionierfunktion
für den Transformationsprozess.
Aktuell investiert Volkswagen kräftig am Standort.
Neben der Erweiterung des bestehenden
Presswerks und einer neuen Logistikhalle entsteht
mit einem neuen Karosserie-Speicher das
dann höchste Gebäude im VW-Werk Zwickau
– elf Ebenen für 800 Pkw-Karossen. Diese
Bauvorhaben sollen sicherstellen, dass die
Erhöhung der maximalen Produktionskapazität
von 1.350 auf 1.500 Fahrzeuge pro Tag ab 2021
realisiert werden kann. Das Investitionsvolumen
der drei Neubau- und Erweiterungsprojekte
liegt bei mehr als 115 Millionen Euro. Insgesamt
investiert Volkswagen rund 1,2 Milliarden Euro
in die Transformation des Zwickauer Werks zum
reinen Standort für Elektromobilität.
Foto: Matthias – stock.adobe.com (oben), © Wikipedia / André Karwath aka Aka (unten)
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34
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
Nach vorliegenden Prognosen wird die Zahl der Personen
im erwerbsfähigen Alter in vielen Landkreisen Ostdeutschlands
um mehr als 30 Prozent zurückgehen, und das dämpft
die wirtschaftliche Entwicklung hier. Es ist jedenfalls kaum
vorstellbar, dass dies durch Produktivitätssteigerungen im
Zuge von Rationalisierung und Digitalisierung auch nur näherungsweise
ausgeglichen werden kann, und auch die Potenziale
durch Erhöhung der Erwerbsquote oder durch Zuwanderung sind
begrenzt. Damit werden Teufelskreise ausgelöst, denn wenn
Arbeitskräfte fehlen, werden sich auch viele Unternehmen nicht
mehr halten können, und wenn Unternehmen fehlen, drohen
weitere Abwanderungen. Abgesehen davon muss man auch mit
erheblichen Steuerausfällen rechnen, was die Fähigkeit der Kommunen
dämpft, die Leistungen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge
in gewohntem Ausmaß aufrechtzuerhalten. All das ist lange bekannt,
aber in seiner Dramatik wird es weder von der Politik noch von der
Öffentlichkeit in dem Maße erkannt, wie es eigentlich nötig wäre.
Natürlich ist es keine Option, Regionen, in denen noch Menschen leben,
vollständig aufzugeben, also auf Wirtschaftsförderung, Ausbau von
Infrastrukturen oder Aufrechterhaltung von staatlichen Leistungen des
Bildungssystems, der Gesundheitsversorgung oder der öffentlichen
Sicherheit gänzlich zu verzichten. Wer so etwas vorschlägt, stellt jeglichen
gesamtgesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit „gleichwertiger
Lebensverhältnisse“ infrage. Geisterstädte, oder auch nur Geisterdörfer,
kann und darf man in Deutschland weder aus politischen noch aus ethischen
Gründen akzeptieren. Aber es kann natürlich auch nicht darum gehen,
Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang mit Geld zu überschütten, um
Foto: IRStone – stock.adobe.com
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 35
FOKUSSIERUNG
AUF REGIONALE
WACHSTUMSPOLE
Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen ostdeutschen
Regionen werden sich aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren
deutlich vertiefen. Wesentlicher Grund hierfür ist der zunehmende Mangel an
Arbeitskräften.
VON PROF. DR. JOACHIM RAGNITZ
Foto: ifo-Institut
ineffiziente Wirtschafts- und Siedlungsstrukturen
aufrechtzuerhalten. Dies würde letzten
Endes zu einer Überforderung jener Regionen
führen, die aufgrund relativer Wirtschaftsstärke
die notwendigen Mittel hierfür aufbringen
müssen, und das wiederum kann das Wohlstandsniveau
in ganz Deutschland gefährden.
Man wird sich deshalb Strategien überlegen
müssen, wie man den betroffenen Regionen
am besten helfen kann.
Konzentration der Fördermittel
Mit Blick auf die Wirtschaftsförderung (und in
ähnlicher Weise gilt das auch für die öffentliche
Daseinsvorsorge) geht dies nur, indem
man versucht, regionale Wachstumspole zu
etablieren, die nicht nur Pendlern aus dem
jeweiligen Umland einen Arbeitsplatz bieten,
sondern über Lieferverflechtungen Ausstrahleffekte
auch in die Umgebung auslösen können.
Es wird also darum gehen, in den ländlich
geprägten Landkreisen die jeweiligen zentralen
Orte (zumeist: die Kreisstädte) besonders
zu fördern, indem man dort die notwendigen
Infrastrukturen aufrechterhält, die verkehrsmäßige
Anbindung an die großen Wirtschaftszentren
verbessert, Gewerbeflächen anbietet
und gegebenenfalls auch private Investoren
durch Fördermittelanreize hierhin zu lenken
versucht. Es gibt viele Beispiele für Klein- und
Mittelstädte in Ostdeutschland, wo dies gut
funktioniert hat (siehe hierzu die in diesem
Heft vorgestellten „Zukunftsorte“). Notwendig
ist es aus meiner Sicht, auch in anderen Regionen
die zentralen Orte zu identifizieren, die
eine solche Rolle als regionaler Wachstumspol
einnehmen können und sollen. In den Raumordnungs-
und Landesentwicklungsplänen
der Länder gibt es derartige Festlegungen in
aller Regel schon; sie müssen jetzt aber auch
konsequent umgesetzt werden: Indem abseits
der Zentren eben keine Wohn- und Gewerbeflächen
mehr ausgewiesen werden, auch
indem dort nicht mehr exzessiv in verkehrliche
Anbindungen investiert wird, und auch, indem
Fördermittel, wenn schon nicht gesetzlich,
so aber doch zumindest im Vergabeprozess,
entsprechend konzentriert werden. Selbst das
wird auf Widerstände stoßen, nicht zuletzt
auch bei den betroffenen Gemeinden. Umso
wichtiger ist es, auf kommunale Kooperationen
hinzuwirken: Kommunaler Wettbewerb
stößt an Grenzen, wenn damit ein ineffizienter
Subventionswettlauf initiiert wird.
Versprechen, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse
im Sinne gleicher Einkommens-
und Arbeitsmarktchancen flächendeckend zu
erreichen, müssen als das entlarvt werden,
was sie sind: Nebelkerzen nämlich. Aber
Rauch in den Augen hilft nicht dabei, klare und
manchmal auch unbequeme Entscheidungen
zu treffen. Genau diese sind aber nötig, wenn
man Ostdeutschland auch über die kommenden
15 Jahre hinaus eine Chance auf Teilhabe
am gesamtdeutschen Wohlstandsniveau
geben will.
Prof. Dr. Joachim Ragnitz
ist Managing Director des ifo-Instituts Dresden.
36
WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
1
„ZEITREISE NACH ÜBERMORGEN“
BILD
HEUTE
3
Bedarfe von
morgen
2
Blick zurück
auf morgen
ZUKUNFTSBILD
ÜBERMORGEN
Handlungsoptionen
Dokumentierte Prämissen
HEUTE 2035
2050
ZUKUNFTSCHANCEN IM
OSTEN – NUR MIT NEUEM
DENKEN MÖGLICH
Zwischen Wiedervereinigung und
Jahrhundertmitte ist im Jahr 2020
Halbzeit. Hatte seither Nach- und
Aufholen Priorität, sollten im Osten
mit Blick auf 2050 vorausschauend
Zukunftsthemen mit originärem
Entwicklungspotenzial gestartet
werden. Nur der strategische Fokus
auf zukunftstaugliche Wirtschaftszweige
sichert an diesem Standort
vitale, nachhaltige und weiterhin
lebenswerte Entwicklungen –
idealerweise als Vorbild für das
wandelträge Westdeutschland.
VON THOMAS STROBEL
AAls Zukunftslotse habe ich mit Rundumblick
auf ostdeutsche Gegebenheiten strategische
Wandelerfordernisse identifiziert. Zwar zeigen
sich in den wirtschaftlich schwächer entwickelten
neuen Bundesländern Erosionen und Brüche
derzeit deutlicher als im Rest des Landes. Andererseits
bieten die 100.000 Quadratkilometer
Ost etliche Chancen für die Entwicklung und
Umsetzung neuer Denkmodelle.
Wie sehen Zukunftsorte aus?
Ihre Stärke ist vor allem die Bereitschaft zur
Planung überregionaler Stadt- und Standortentwicklung
auf der Grundlage einer gemeinsam
entwickelten, überregionalen Zukunftsvision für
2050+, die Experten und Bürger beteiligt. Koordinatoren
dieser Zukunftsdiskurse sollten je
Bundesland parteiunabhängige Staatssekretäre
für Zukunftsfragen sein. Wegen des Anpassungsdrucks
aus Trends und globalen Faktoren
wird klar: Nachhaltige Lebensqualität und
Zukunftsperspektive müssen künftig Vorrang
haben gegenüber Parteiinteressen, persönlichen
Befindlichkeiten und Lobbyismus.
Zukunftsorte mit perspektivischen Wettbewerbsvorteilen
sind integrierte Industriestandorte
für „Wertschöpfungsketten der Zukunft“,
denn sie revitalisieren in Netzwerken und mit
der Wissenschaft von „nebenan“ regionale Wirtschafts-
und Rohstoffkreisläufe, entwickeln
neuartige Mobilitäts- und Energiekonzepte und
zielen auf Nullemission bei Treibhausgasen. Sie
planen die Nutzung regional verfügbarer (auch
nachwachsender) Rohstoffe, um damit die
Autarkie zu erhöhen, Logistik zu reduzieren und
eine Kreislaufwirtschaft zu fördern. Sie beenden
beispielsweise einen bis heute zu beobachtenden
Wettbewerb um Gewerbesteuern und
streben stattdessen einen regionalen Gewerbesteuerpool
als eine Grundlage für künftige
Beschäftigungserfolge an. Sie setzen auf eine
Grafik: Fenwis
30
ZUKUNFTSORTE WIRTSCHAFT+MARKT 37
Umnutzung vorhandener (Industrie-/Agrar-)
Gelände statt auf weitere Flächenversiegelung.
Und sie entwickeln partnerschaftlich Zukunfts-
Cluster, die – in Technologie, Wirtschafts- oder
Zukunftszentren – das Fundament für die
Zusammenarbeit von Start-ups, Universitäten
und Forschungseinrichtungen legen.
Zeiten ändern sich radikal
und stürmisch
Auf der einen Seite Globalisierung, Klimawandel,
eine Abkehr von fossilen Brennstoffen
und die alles durchdringende Digitalisierung;
auf der anderen radikale Einschnitte in die Arbeitswelten
durch Industrie 4.0, eine alternde
Gesellschaft, das Aufweichen demokratischer
Fundamente und politischer Populismus. Wir
ahnen: Die Zeiten, in denen erfahrungsbasierte
Denkweisen zur Lösung der Zukunftsherausforderungen
einfach fortgeschrieben
werden konnten, sind endgültig vorbei. Die
neuen Aufgaben zur Sicherung einer nachhaltigen,
lebenswerten Zukunft bis Mitte des
Jahrhunderts erfordern Mut zu Neuem und
Experimentierfreude, um Neuland zu betreten
und aus den Erfahrungen schnell zu lernen.
Die Automobilindustrie beweist: Traditionelles
Können ohne Zukunftsvorschau führt auch
ohne Abgasskandal zur Schieflage.
Sie haben dann die Aufgabe, Handlungsentscheidungen
im Sinne des gemeinsamen
Zielbildes zu koordinieren.
An der Schwelle zu den 30ern
In gut zehn Jahren wird der Osten nicht nur
vom nahen Ende der Braunkohle geprägt sein,
sondern auch von Tesla mit seinen Entwicklern
und Zulieferern profitieren. Die Digitalisierung
wird Arbeitsplätze gekostet haben; andererseits
werden neue Dienstleistungen rund um
Mobilität, Versorgung und Rohstoffkreisläufe
neu entstehen.
Für den Osten gilt: Nicht mehr das Aufholen und
Erreichen des „Westniveaus“ ist die Maxime,
sondern „Vorsprung für Zukunftssicherheit“.
Es geht jetzt darum, die Zukunft proaktiv für
neue Anforderungen und Erfolgsfaktoren einer
Transformation in eine „grüne, nachhaltige,
ressourcenschonende Wirtschaft“ zu gestalten:
Welche Wege sollen bis 2035 verfolgt werden?
Etwa: Wie behält Dresden seine internationale
Führungsrolle bei Textilbeton und seiner
Verbreitung in der Baupraxis? Welche weiteren
Zukunftsthemen und Technologien mit ähnlicher
Hebelwirkung können an Hochschulen und
durch beispielhafte interdisziplinäre Zusammenarbeit
gestartet werden?
Werkstoff mit Zukunft: textiler Terrazzobeton
– super leicht und nicht rostend.
Künstliches und kompostierbares Leder
des Leipziger Start-ups Scobytec.
Zukunftslandkarten und
Retropolation
Wie können sich die ostdeutschen Regio-
Mit welchen Technologien zum
Erfolg?
Womit kann der Osten punkten? Einerseits mit
Foto: BNB (oben), Scobytec (Mitte), W+M (unten)
nen mittelfristig auf die Anforderungen der
kommenden Jahrzehnte am besten einstellen?
Wichtig ist, die Zukunft vorausschauend zu
gestalten – dazu gilt es, das Denkbare zu machen,
statt das Machbare zu denken. Der Osten
benötigt dafür einen Masterplan in Form einer
Zukunftslandkarte, die unabhängige Experten
im Zusammenspiel mit Politik und Wirtschaft
erarbeiten. Dazu könnte ein interdisziplinär besetztes
Team mit der Methodik „Retropolation“
nach einer moderierten Zeitreise eine erstrebenswerte
Zukunft 2050 entwerfen. Von dort
ist dann ein „Rückblick“ auf die dafür notwendigen
Voraussetzungen im Jahr 2035 möglich.
Abgestimmte Maßnahmen für die nächsten
15 Jahre können daraus abgeleitet werden.
Erst wenn Ergebnisse dieser Schwerpunkte
wie Puzzle-Steine zusammenpassen, wird
Zukunft erfolgreich gestaltbar. Ein Netz von
vorausschauend denkenden „Zukunftsarbeitern“
sollte frühzeitig etabliert werden, denn
Erkenntnisgewinn und Veränderungen entlang
des Weges werden Anpassungen erzwingen.
vorhandenem Know-how – Beispiele sind: technische
Textilien wie Smart Textiles und Carbonbeton,
Umwelttechnik für Luft-, Wasser- und
Bodenreinigung oder IT-Technik, Biofabrikation
und 3D-Druck als additive Fertigungstechnik.
Es bietet sich mit Blick auf Flächen, Fachkräfte
und die Nähe zur Wissenschaft an, den bisherigen
deutschen Rückstand bei der Biologisierung
vorrangig in den neuen Bundesländern
aufzuholen. In dünn besiedelten Gebieten mit
großen Anbauflächen könnte mit autonomer
Präzisionslandwirtschaft begonnen werden,
was auch 5G-Mobilfunk und künstliche
Intelligenz als Zukunftsbausteine erfordern
würde. Mit seinen zahlreichen externen und
industrienahen Forschungsinstituten hätte der
Osten ferner das Potenzial, zu den Großthemen
GreenTech und CleanTech – kreislaufwirtschaftstaugliche
Prozesse und Verfahren
mit hoher Ressourceneffizienz und geringen
Emissionen und Abfallmengen – einen großen
Beitrag zu leisten. Die Biotransformation
startet als Zukunftstrend gerade.
Autor
Thomas
Strobel ist
Geschäftsführer
der
FENWIS GmbH
(www.fenwis.de). Als
Ingenieur für Maschinenwesen gilt der
56-Jährige mit beruflichen Stationen in
branchenübergreifenden Strategie- und
Planungsteams sowie im Innovationsmanagement
als industrienah. In seiner
Rolle als Zukunftslotse ist er methodisch
und inhaltlich darauf spezialisiert,
aus relevanten Zukunftstrends
erfolgversprechende Geschäftsstrategien
und neue Geschäftsmodelle sowie
Umsetzungspläne abzuleiten.
38
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
DR. REINER HASELOFF
MICHAEL KRETSCHMER
MICHAEL MÜLLER
Fotos: W+M, Sächsische Staatskanzlei, Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern
30
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT WIRTSCHAFT+MARKT 39
DIE BILANZ DER
OSTDEUTSCHEN
REGIERUNGSCHEFS
Seit Mitte März dominiert die Corona-Krise deutschlandweit die Schlagzeilen.
Nahezu alle anderen Themen wurden in den Wochen danach in den Hintergrund
gedrängt. Durchaus verständlich, schließlich hat es eine Pandemie
mit diesem Ausmaß seit der Hongkong-Grippe, die zwischen 1968 und 1970
weltweit mehr als eine Million Menschen in den Tod riss, nicht gegeben.
Dennoch hat sich WIRTSCHAFT+MARKT entschieden, den Blick nach vorn zu
richten und ein Ereignis ganz besonders zu würdigen, das im Herbst 2020 ansteht
– den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit. Aus diesem Anlass sprachen
wir mit allen fünf ostdeutschen Ministerpräsidenten – Dr. Reiner Haseloff
(CDU, Sachsen-Anhalt), Michael Kretschmer (CDU, Sachsen), Bodo Ramelow
(Die LINKE, Thüringen), Manuela Schwesig (SPD, Mecklenburg-Vorpommern)
und Dr. Dietmar Woidke (SPD, Brandenburg) – sowie mit Berlins Regierendem
Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Die Regierungschefs ziehen eine Zwischenbilanz der wirtschaftlichen
Entwicklung ihrer Länder, sprechen über blühende Landschaften, die Angleichung
der Lebensverhältnisse zwischen West und Ost sowie über die
Stabilität von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft angesichts der
Zugewinne der AfD speziell in den neuen Bundesländern.
VON KARSTEN HINTZMANN UND FRANK NEHRING
BODO RAMELOW
MANUELA SCHWESIG
DR. DIETMAR WOIDKE
Foto: XXX
40
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
FÜR BERLIN WAREN
“
SPEZIELL DIE LETZTEN
FÜNF, SECHS JAHRE
SEHR GUTE JAHRE.
„
Michael Müller
In diesem Jahr feiert Deutschland den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung.
Wie würden Sie den Stand der wirtschaftlichen Entwicklung Ihres Bundeslandes
nach drei Jahrzehnten im geeinten Deutschland bewerten?
Reiner Haseloff: Der jeweilige Stand der
wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen
Ländern weist seit 1990 grundsätzlich Jahr
für Jahr einen Aufwärtstrend aus, wenn wir
die unmittelbaren Umbruchjahre am Beginn
der 1990er-Jahre etwas außen vor lassen.
Von den harten Fakten her unterscheiden
sich die Zahlen in den fünf neuen Bundesländern
nur marginal. Auch Sachsen-Anhalt
hat es geschafft, einen Schub nach vorn zu
machen, im Rahmen der historisch gegebenen
Möglichkeiten und auch vom Instrumentenkatalog
her. Wir haben versucht, das
Maximum zu erreichen, können allerdings
die Jahrzehnte zuvor nicht ungeschehen
machen. Dieses Erbe werden wir auch in
den kommenden Jahrzehnten noch mit uns
herumtragen müssen. Wer glaubt, die unterschiedlichen
Wege, die der Westen und der
Osten in der Historie Deutschlands gegangen
sind, lassen sich völlig ausgleichen, der weiß
über Ökonomie und Geschichte nur wenig
Bescheid. Die nüchternen Fakten ergeben
hier ein klares Bild: Es gibt nach wie vor ein
Gefälle hinsichtlich der Löhne, der Unternehmensdichten,
der Unternehmensgrößen und
der Branchenverteilung.
Michael Kretschmer: Sachsen hat sich zu
einer dynamischen und erfolgreichen Industrieregion
im Herzen von Europa entwickelt. In
kaum einem anderen Bundesland gibt es eine
so große Bandbreite erfolgreicher industrieller
Wertschöpfung – von der Automobilindustrie
über den Maschinen- und Anlagenbau und die
Mikroelektronik bis zur Textilindustrie. Hinzu
kommen – ebenso breit aufgestellt und stark -
Handwerk, Tourismus und Dienstleister. Außerdem
ist der Freistaat ein gutes Pflaster für Startups
und Zukunftstechnologien wie künstliche
Intelligenz. Die Wirtschaft hat sich auch deshalb
gut entwickelt, weil hier in den vergangenen
drei Jahrzehnten sehr viele Menschen auch in
schwierigen Zeiten nach vorne geschaut, Neues
gewagt und aufgebaut haben. Darauf wird es
auch jetzt ankommen. Die Coronavirus-Pandemie
ist die größte Bewährungsprobe für unser
Land seit der deutschen Wiedervereinigung. Die
Auswirkungen werden noch lange zu spüren
sein. Für uns als Staatsregierung ist ganz klar:
Wir stehen an der Seite der Unternehmerinnen
und Unternehmer. Gemeinsam mit ihnen und
der Bundesregierung kämpfen wir darum, dass
kein gesundes Unternehmen in dieser Situation
aufgeben muss. Der Freistaat Sachsen hat deswegen
in kürzester Zeit ein eigenes Programm
aufgelegt. Der Bund hat ebenfalls zahlreiche
Maßnahmen beschlossen, damit wir möglichst
gut durch diese schwierige Zeit kommen. Damit
es nach den Einschränkungen möglichst schnell
wieder aufwärtsgehen kann, müssen wir uns
aber schon jetzt Gedanken über ein großes
Konjunkturprogramm machen.
Michael Müller: Für Berlin waren speziell
die letzten fünf, sechs Jahre sehr gute Jahre.
Gerade was die wirtschaftliche Entwicklung
betrifft. Die Stadt hatte sich davor schon gut
entwickelt, insbesondere als Kulturmetropole.
Aber wir hatten eine Menge im wirtschaftlichen
Bereich aufzuholen. Jetzt haben wir spektakuläre
Ansiedlungserfolge und die Unternehmen,
die hier geblieben sind, investieren zum Teil
massiv. Dadurch sind viele neue Arbeitsplätze
entstanden, die Arbeitslosigkeit wurde zurückgedrängt.
Bei den Wachstumsraten lagen wir in
den letzten Jahren immer über dem Bundesdurchschnitt.
Dennoch wollen wir uns nicht
zurücklehnen. Es ist im Vergleich zu anderen
Bundesländern noch Luft nach oben. Und nun
müssen wir auch die weiteren Entwicklungen
und Folgen der Corona-Krise abwarten.
Foto: W+M
30
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT WIRTSCHAFT+MARKT 41
Bodo Ramelow: Wir haben das Tal der
Tränen verlassen – in mehrfacher Hinsicht.
Die doppelte De-Industrialisierung nach dem
Zweiten Weltkrieg und nach 1990 hat aber
tiefe Spuren hinterlassen. Private wie staatliche
Forschung und Entwicklung, als Grundlage
für Innovation, Wirtschaftswachstum
und Steigerung der Wertschöpfung, hinken
deshalb signifikant hinter den westdeutschen
Ländern her. Das sollte man auch im
Westen zur Kenntnis nehmen. Wahr ist aber
auch, Thüringen wäre in einer Rangliste mit
den 27 EU-Staaten auf Platz 10 noch vor
Italien mit seinem BIP pro Kopf.
Manuela Schwesig: Mecklenburg-
Vorpommern ist in den letzten 30 Jahren
gut vorangekommen. Die Wirtschaftskraft
ist deutlich gestiegen, die Arbeitslosigkeit
so niedrig wie nie zuvor. Städte, Dörfer und
Verkehrswege sind umfassend modernisiert
worden. Wer auf Bilder aus dem Jahr 1990
schaut, erkennt viele Orte kaum wieder.
Aber, und auch das gehört zu einer ehrlichen
Bilanz, wir haben trotz aller Fortschritte
noch keine gleichwertigen Lebensverhältnisse
erreicht, weil eben auch die westdeutschen
Länder Fortschritte gemacht haben.
Ich würde sagen: Das Glas ist zu drei Vierteln
voll.
Dietmar Woidke: Es gab unterschiedliche
Phasen, die vergleichbar sind mit
der Entwicklung in ganz Ostdeutschland.
Wenn ich an die 1990er-Jahre denke, war
das eine Zeit, wo Industriearbeitsplätze
verteidigt wurden, wo die Landespolitik in
der Situation war, den Retter in der Not zu
spielen. Manchmal erfolgreich, manchmal
auch nicht. Mit all den Konsequenzen, die
das dann für die ökonomische und soziale
Leistungsfähigkeit des Landes hatte. In den
späteren 2000er-Jahren gab es einen Prozess
der Konsolidierung. Die Arbeitslosigkeit
nahm ab und liegt jetzt bei unter sechs Prozent.
Heute haben wir eher das Problem des
Fachkräftemangels. Als Land haben wir uns
auf den Weg gemacht, den Sektor Erneuerbare
Energien aufzubauen. Heute sind wir
in einer Phase, in der wir optimistisch in die
Zukunft blicken und sagen können, dass wir
in den kommenden Jahrzehnten eine noch
stärkere Industrieregion werden wollen.
Brandenburg hat alles, was es braucht, um
in diesem Jahrzehnt eine Gewinnerregion zu
werden.
Was sind aus Ihrer Sicht die
größten Errungenschaften, die
seit 1990 erreicht wurden?
Reiner Haseloff:
Wir haben es nach den
unmittelbaren Umbruchjahren geschafft, dass
die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze
Jahr für Jahr gestiegen ist. Dieses
Beschäftigungswachstum hat uns in die Nähe
der Vollbeschäftigung gebracht. Als ich vor 18
Jahren in die Landesregierung eingetreten bin,
war die Arbeitslosenquote vier Mal höher als
heute und die Unterbeschäftigungsquote noch
deutlich höher. Dass wir heute eine Arbeitslosenquote
um die sechs bis sieben Prozent
haben und damit fast auf einem Niveau mit
Nordrhein-Westfalen liegen, ist ein Zeichen
von Wirtschaftskraft und auch von Innovationskraft,
die eng verbunden sind mit unseren
Leitbranchen Chemie, Automobilzulieferung,
Agrar- und Ernährungsgüterwirtschaft. Das
zeigt sich auch beim Bruttoinlandsprodukt.
Es ist seit 2014 jedes Jahr real gewachsen.
Zudem ist auch die Arbeitsproduktivität in
Sachsen-Anhalt von 67 Prozent des gesamtdeutschen
Wertes im Jahr 2000 auf aktuell 83
Prozent gestiegen.
Michael Kretschmer:
Die Mauer
trennte nicht nur Ost und West. Sie
trennte Familien und Freunde.
Es ist wunderbar, dass sie seit
gut drei Jahrzehnten
weg
ist. Unglaublich
mutige Menschen
– darunter
besonders
viele aus Sachsen
– haben dafür viel riskiert. Ihnen ist zu
verdanken, dass das SED-Regime zerfiel;
dass der Staat endlich am Ende war, der an
der Grenze auf seine Bewohner schießen ließ,
weil sie in die Freiheit wollten, der Menschen
wegsperrte und auf sie einprügelte, sobald
sie in der Öffentlichkeit aufbegehrten. Das
wiedervereinigte Land, in dem wir heute leben,
ist sicherlich nicht perfekt. Aber wir leben im
besten Deutschland, das wir je hatten: mit
einer funktionierenden Demokratie, mit Meinungsfreiheit
und immer weiter wachsendem
Wohlstand.
Michael Müller: Mit Blick auf die Wirtschaft:
dass Industrie wieder eine Rolle spielt.
Wer hätte das gedacht? Schließlich hat Berlin
nach der Wende rund 200.000 Industriearbeitsplätze
verloren. Jetzt nimmt die Industrieproduktion
stark zu, nicht nur bei Siemens,
auch bei Bayer, Berlin Chemie, BMW, Mercedes.
Der zweite große Schritt nach vorn ist uns
in der Wissenschafts- und Forschungspolitik
gelungen. Meine These lautet: 90 Prozent der
wirtschaftspolitischen Erfolge sind uns gelungen,
weil wir diese Schnittstelle zur Wissenschaft
haben. Das macht uns attraktiver als
andere Regionen.
42
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
Bodo Ramelow: Wir verzeichnen einen
erfolgreichen Re-Industrialisierungsprozess.
Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an
der Thüringer Bruttowertschöpfung hat sich
seit Mitte der 90er-Jahre etwa verdoppelt und
liegt mit knapp einem Viertel heute auf westdeutschem
Niveau. Mit einer Arbeitslosenquote
von 5,3 Prozent im Jahresdurchschnitt
2019 liegt Thüringen deutlich unter der Quote
der ostdeutschen Länder (6,4 Prozent) und an
siebter Stelle im bundesweiten Ranking. Da
wir vor Kurzem den Internationalen Frauentag
begangen haben, lassen Sie mich auch hier
ein paar interessante Zahlen nennen: Mit 64
Prozent weist Thüringen nach Sachsen im
Bundesvergleich die zweithöchste Beschäftigungsquote
für Frauen aus. Bei den Männern
liegen wir nach Bayern und Baden-Württemberg
auf Rang 3. Bemerkenswert ist, dass
die Frauen-Beschäftigungsquote bei uns in
Thüringen noch über der Männerquote von
beispielsweise Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz liegt.
Manuela Schwesig: Das Wichtigste
ist, dass sich junge Menschen heute eine Zukunft
in Mecklenburg-Vorpommern aufbauen
können. Das war früher viel schwerer. Ich habe
das Anfang der Neunzigerjahre, damals noch
in Brandenburg, selbst erlebt. Mein Vater
wurde arbeitslos. Viele meiner Freunde sind
nach der Schule in den Westen gegangen,
weil die Berufsaussichten dort besser waren.
Heute gibt es bei uns ausreichend Arbeits- und
Ausbildungsplätze. Und mancher, der in den
Neunzigerjahren weggegangen ist, kommt
heute zurück. Weil es inzwischen auch bei uns
gute Chancen gibt, weil wir die Elternbeiträge
für die Kita abgeschafft haben und auch weil
sich die Umwelt in einem besseren Zustand
befindet als in den großen Ballungszentren.
Phase eingetreten. In den industriellen Kernen
kommen wir in einen Ausbau, der zukunftsorientiert
ist und bei dem neue Industriearbeitsplätze
entstehen. Auch und besonders
in der Lausitz. Sozial war es eine schwierige
Situation. Anfangs drohte uns der Bund
Mittelkürzungen im Länderfinanzausgleich
an, für den Fall, dass wir die Kitastandards
nicht absenken. Oder die Rolle der Frau in der
Arbeitswelt. Damals hatten wir eine Diskussion,
die darin gipfelte, dass man uns sagte,
wir hätten in Ostdeutschland doch eine viel
geringere Arbeitslosenquote – die lag mancherorts
bei weit über 20 Prozent –, wenn wir
die Frauen aus der Arbeitslosenstatistik rausnehmen
würden. Heute lachen wir darüber.
Aber damals war die Gleichberechtigung der
Frau im Arbeitsleben keineswegs gesichert.
Auch das Thema Polikliniken war umstritten.
Sozialministerin Regine Hildebrandt kämpfte
wie eine Löwin für den Erhalt. Und heute haben
wir diese Strukturen wieder. Deutschland
wäre insgesamt besser dran gewesen, wenn
man früher und offener auf durchaus positive
Entwicklungen aus DDR-Zeiten reagiert hätte.
Es war vieles schlimm, aber weiß Gott nicht
alles schlecht.
Wo gibt es in Ihrem Bundesland
konkret die einst von Bundeskanzler
Helmut Kohl versprochenen
„blühenden Landschaften“?
Reiner Haseloff:
Ich bin vor wenigen
Wochen mit dem Zug von München nach
Wittenberg gefahren. Und wenn man dann
direkt an Leuna vorbeifährt und die imposante
Nachtsilhouette betrachtet, kann
man sich die Skyline so mancher Großstadt
zumindest optisch ersparen. Unlängst war
ich im Kohlekraftwerk Schkopau, einem
kompletten Neubau nach der Wiedervereinigung.
Von dem 130 Meter hohen Turm dort
sieht man den „ValuePark“ von Schkopau,
ehemals Buna. Heute sind dort Dow Chemical
und viele andere Unternehmen zu Hause. Es
ist eine Freude zu sehen, wie auf einem von
Altlasten befreiten ehemaligen Chemiestandort,
der seit über 100 Jahren existiert, durch
politische Entscheidungen – maßgeblich von
Helmut Kohl – ein hochmoderner Chemiepark
entstanden ist. Das bedeutet
auch sichere Arbeitsplätze. In der
Dietmar Woidke: Der größte Erfolg, den
wir in den 1990er-Jahren hatten, war der Erhalt
industrieller Kerne. BASF in Schwarzheide,
Märkische Faser in Premnitz,
das PCK in Schwedt, EKO Stahl in
Eisenhüttenstadt oder Riva Stahl
in Hennigsdorf und Brandenburg
an der Havel seien hier nur
beispielhaft genannt. Diese
industriellen Kerne haben
geholfen, dass wir rund
herum eine mittelständische
Wirtschaft aufbauen
konnten. Jetzt
sind wir in eine neue
30
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT WIRTSCHAFT+MARKT 43
Raffinerie in Leuna konnten über 2.500 neue
Arbeitsplätze entstehen, bei Dow fast 1.500.
Das war nur möglich durch die Investitionen,
die nach 1990 in die Standorte geflossen sind.
in den vergangenen drei Jahrzehnten auch
hier im Freistaat bereits gelungen sind und
können mit großer Zuversicht und Selbstvertrauen
an die Dinge herangehen.
Foto: W+M
Michael Kretschmer: Es gibt ganz
bemerkenswerte Fotos von Görlitz. Aufgenommen
hat sie der Dresdner Fotograf Jörg
Schöner – in der Zeit vor und nach der deutschen
Wiedervereinigung. Es sind Dokumente
des Verfalls – und der Auferstehung einer
Stadt. Die Fotos sind an mehreren Orten in
einer Ausstellung gezeigt worden und haben
viele Menschen, darunter auch mich, tief
beeindruckt. Görlitz ist nur ein Beispiel von
vielen für den erfolgreichen Aufbruch und
für Neubeginn. Es gibt viele andere. Flüsse,
die wieder sauber sind. Die internationale
Spitzenforschung, die hier zu Hause ist. Eine
Kultur- und Theaterlandschaft, um die uns
auch andere Bundesländer beneiden. Sanierte
Museen, Burgen und Schlösser, spannende
Ausstellungen, die Menschen weit über
Sachsen hinaus begeistern. Gerade erst hat
die renommierte New York Times Leipzig
als „das neue Berlin“ gelobt. Wir haben allen
Grund, stolz zu sein auf die vielen Dinge, die
Michael Müller: Das ist meines Erachtens
kein sehr glückliches Sprachbild.
Aber wir haben mit Sicherheit sich großartig
entwickelnde Gebiete in unseren Zukunftsorten.
Also in speziellen Stadtquartieren wie
dem EUREF-Campus in Schöneberg, bald
in Tegel, in Buch, Adlershof oder auch im
Siemens-Campus, wo eine komplett neue
Infrastruktur wächst. Da entwickelt sich
wirklich etwas Neues und das kann man am
ehesten im übertragenen Sinn mit blühenden
Landschaften vergleichen.
Bodo Ramelow: Ich habe mit solchen
Begrifflichkeiten so meine Schwierigkeiten.
Viele derartige Sprachbilder wurden in der
Vergangenheit bemüht, um Ostdeutschland
zu beschreiben. Wahr bleibt: Von blühenden
Landschaften können die Wenigsten leben,
und über den Prozess der Wiedervereinigung
sollte sich vielleicht rückblickend jeder
für sich mit einem Zitat von Willy Brandt im
Hinterkopf vom 25.02.1990 ein Urteil bilden:
„Wenn der Zug der deutschen Einheit rollt,
dann kommt es darauf an, dass wenn‘s
irgend geht dabei niemand unter die Räder
kommt.“ Gemeinsam haben Westdeutsche
und Ostdeutsche in Thüringen ein Land aufgebaut
mit einer Weltklasse-Infrastruktur,
mit exzellenter Bildung von der Krippe bis zur
Universität, mit erfolgreichen Traditionsfirmen
und innovativen Start-ups. Unsere
Städte und Dörfer sind bei allen Herausforderungen,
die zweifellos bestehen, ich nenne
die demografische Entwicklung, gelebte und
attraktive Heimat. Jena ist zweifellos das
bekannteste nationale wie internationale
Aushängeschild Thüringens, aber die Hidden
Champions finden Sie überall im Freistaat,
nicht zuletzt, weil nicht nur die aktuelle,
sondern auch vorherige Landesregierungen
konsequent an die Menschen im ganzen Land
glauben und entsprechend investieren.
BRANDENBURG HAT
ALLES, WAS ES BRAUCHT,
UM IN DIESEM JAHRZEHNT
EINE GEWINNERREGION
„
Dietmar
ZU WERDEN.
Woidke
“
Manuela Schwesig: Unser Land hat
sich sehr gut entwickelt. Im Tourismus, auch
in der Gesundheitswirtschaft. Wir haben
starke Unternehmen in Biotechnologie und
Medizintechnik, erstklassige Zulieferer in
der Automobil- und Flugzeugindustrie, einen
sehr robusten handwerklichen Mittelstand.
44
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
Dietmar Woidke: Die Entwicklung
ist in allen Landesteilen positiv, auch wenn
die Rahmenbedingungen durchaus unterschiedlich
sind. Deshalb finde ich es gut und
richtig, dass das Bundeskabinett erst jüngst
beschlossen hat, noch mehr Geld in die
Infrastruktur zu investieren. Aber der Begriff
„blühende Landschaften“ erinnert mich an
eine andere Diskussion, die wir auch bei uns
im Land sehr erfolgreich geführt haben –
über das Tafelsilber der Deutschen Einheit,
wie es genannt wurde. Gemeint war die Naturausstattung
der neuen Länder und speziell
Brandenburgs. Die Diskussion führte dazu,
dass wir Naturparks, Biosphärenreservate
und einen Nationalpark bekommen haben.
Alles Dinge, die uns auch heute helfen.
Rechnen Sie noch mit einer
Angleichung der Lebensverhältnisse
zwischen Ost und West?
Reiner Haseloff:
Der individuelle Lebensstandard
wird sich weiter annähern,
zumal Fachkräfte aufgrund der demografischen
Entwicklung überall Mangelware
geworden sind. Das wird sich positiv auf die
Lohnentwicklung auswirken. Die höchsten
Lohnsteigerungen der letzten Jahre sind
übrigens, vergleicht man die neuen Länder,
in Sachsen-Anhalt zu verzeichnen gewesen.
Auch, weil sich die stark tariflich geprägten
Branchen Chemie, Metallbau oder Maschinenbau
in einem deutschlandweiten
Wettbewerb befinden. Von den Renten her
werden wir das Problem bekommen, dass die
Menschen, die nach der Wiedervereinigung
arbeitslos wurden und damit unterbrochene
Erwerbsbiografien haben, deutlich geringere
Altersrenten erhalten werden. Eine wirkliche
Angleichung der Lebensverhältnisse wird es
nur dann geben, wenn die Forschungs- und
Wirtschaftslandschaft auf gleichem Niveau
angekommen ist. Das ist zum Teil eine politische
Entscheidung, da es hier um die Steuerung
von Ressourcen geht. Hier müssen noch
etliche Lücken geschlossen werden. Aber ich
nenne auch noch einen anderen Bereich –
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Von den
rund 44 Gemeinschaftseinrichtungen sind
gerade mal – je nach Zählweise – ein bis zwei
Einrichtungen in Ostdeutschland angesiedelt.
Die vielen Milliarden Euro, die von diesen
Einrichtungen umgesetzt werden, von der
Auftragsvergabe bis zu den unternehmensnahen
Dienstleistungen kommen also nur zu
einem Bruchteil in den neuen Ländern an. Die
damit verbundenen wirtschaftlichen Impulse
gehen an Ostdeutschland vorbei. Hier fordern
wir politische Entscheidungen, die zu einer
gerechteren Verteilung führen. Wenn es die
nicht gibt, wird die alte DDR-Grenze auch in
50 Jahren noch erkennbar sein.
Michael Kretschmer: Gleichwertige
Lebensverhältnisse haben hierzulande
Verfassungsrang. Die messen wir nicht
nur am Wohlstand, sondern am Zugang zu
Bildung, zu Kindergärten, zur gesundheitli-
„
DER INDIVIDUELLE
LEBENSSTANDARD WIRD SICH
WEITER ANNÄHERN,
ZUMAL FACHKRÄFTE AUFGRUND
DER DEMOGRAFISCHEN
ENTWICKLUNG ÜBERALL
MANGELWARE GEWORDEN SIND.
Reiner Haseloff
“
Foto: W+M
30
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT WIRTSCHAFT+MARKT 45
chen Versorgung und an Umweltstandards,
die überall gleich gelten. Was wir machen
müssen, ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
vieler Regionen zu stärken, und
da kommen wir voran. Die wirtschaftliche
Situation in Ostdeutschland hat sich in den
vergangenen fünf bis zehn Jahren weiter
verbessert. Wir brauchen beispielsweise jetzt
in allen Regionen in Sachsen Fachkräftezuwanderung
aus dem Ausland, so gut geht es
der Wirtschaft. Aber klar ist, dass wir noch
nicht da sind, wo wir hinwollen. Klar ist auch,
dass eine stärkere Wirtschaftsförderung
strukturschwacher Regionen im Westen
nicht zu Lasten Ostdeutschlands gehen darf.
Die Corona-Krise wird auch in dieser Frage
ganz neue Herausforderungen bringen. Wir
müssen alles dafür tun, dass durch Corona
nicht 30 Jahre Aufbau- und Aufholleistung in
den neuen Ländern den Bach runtergehen.
Michael Müller: Wir haben in Berlin
wegen der Sondersituation der beiden Stadthälften
schon einiges in Sachen Angleichung
vorgezogen. Etwa bei den Gehältern oder
Versorgungsfragen. Aber wir dürfen uns
nichts vormachen: Es gibt eine strukturelle
Schwäche des Ostens, gerade wegen
der fehlenden Industrie oder durch den
Fachkräftebedarf, der in einigen Regionen
Ostdeutschlands nicht zu decken ist. Hier
werden wir noch einige Jahre brauchen, um
wirklich aufschließen zu können zu Bayern,
Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz.
Wir müssen viel in Bildung und Ausbildung
investieren, damit die Fachkräfte auch in den
Regionen bleiben und wir müssen jungen
Menschen und jungen Familien attraktive
Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven hier
vor Ort bieten. Kreative Köpfe kommen nur
dann, wenn sie für sich und ihre Familien auch
eine Perspektive, eine Zukunft sehen. Dazu
gehören die Infrastruktur und darüber hinaus
auch ein gutes Gehaltsniveau.
Bodo Ramelow: Frühere Prognosen
wurden deutlich übertroffen: In der ifo-Broschüre
5/2014 wurde für das Jahr 2030 ein
reales BIP für Thüringen in Höhe von 43,9
Milliarden Euro prognostiziert. Dieser Wert
wurde bereits im Jahr 2017 erheblich überschritten
(BIP 61,9 Milliarden Euro). Es ist also
möglich. Auf der anderen Seiten sagen uns
zahlreiche Statistiken, dass der Konvergenzprozess
– gelinde gesagt – noch lange nicht
abgeschlossen sein wird. Ich bin aber auch
überzeugt, dass die realen Lebensverhältnisse
der Menschen in Ost und West längst näher
beieinander sind, als das manche Statistik
über volkswirtschaftliche Kennzahlen zum
Ausdruck bringt. Eine Einordnung der Wirtschaftskraft
Thüringens in den EU-Kontext
hatte ich im Zusammenhang mit Ihrer ersten
Frage bereits vorgenommen. Wir brauchen
in vielerlei Hinsicht den Vergleich mit vielen
anderen europäischen Regionen nicht zu
scheuen. Was uns vielleicht in der Wahrnehmung
im Wege steht, ist etwas, dass Sören
Kierkegaard einmal sehr weise zusammengefasst
hat in den Worten: „Das Vergleichen
ist das Ende des Glücks und der Anfang der
Unzufriedenheit“. Vielleicht wäre es zuweilen
hilfreich, nicht immer nur nach Bayern oder
Baden-Württemberg zu schauen, sondern
den Blick auch nach Osten zu richten.
Gleichwohl stehen wir in den nächsten Jahren
vor großen Herausforderungen. Ich spreche
vom Fachkräftebedarf als Grundlage für
Wohlstandswachstum: Thüringen hat im
Zeitraum von 1990 bis 2018 rund 450.000
Einwohner verloren. Bis zum Jahr 2035 wird
ein weiterer Rückgang um etwa 10 Prozent
vorhergesagt. Das Erwerbspersonenpotenzial
wird in den nächsten 15 Jahren um 20 Prozent
sinken. Bis 2030 entsteht in Thüringen ein
Ersatz- und Erweiterungsbedarf von 345.000
Arbeitskräften. Schwerpunktbereiche sind hier
das Gesundheits- und Sozialwesen und das
verarbeitende Gewerbe. Um diesen Bedarf zu
decken, reicht das inländische Potenzial an
Arbeitskräften nicht aus. Was wir brauchen,
ist qualifizierte Zuwanderung. Wahrscheinlich
wird dazu auch der Aufbau von Qualifizierungszentren
in den Herkunftsstaaten
notwendig sein. Darüber werden wir offen
reden müssen. Um die enormen Chancen der
Digitalisierung zu nutzen, umgekehrt, um den
technischen Anschluss nicht zu verlieren, ist
Thüringen zudem, wie ganz Ostdeutschland,
auf Förderung durch den Bund angewiesen,
möchte man das „abgehängt sein“ nicht als
Dauerzustand akzeptieren.
46
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
30
JAHRE
DEUTSCHE
EINHEIT
Manuela Schwesig: Wir müssen
am Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse
festhalten. Der wichtigste Punkt ist, dass
wir zu einer Angleichung der Löhne kommen.
Es wird zu Recht als große Ungerechtigkeit
empfunden, dass die Löhne im Westen vielfach
noch höher sind als im Osten. Deshalb
werben wir in Mecklenburg-Vorpommern
dafür, dass mehr Unternehmen Tariflohn
zahlen. Denn im tarifgebundenen Bereich ist
die Lohnangleichung weiter fortgeschritten.
Und wir haben die Wirtschaftsförderung und
die Vergabe öffentlicher Aufträge stärker an
Kriterien guter Arbeit gebunden.
Dietmar Woidke: Wir brauchen eine
ähnliche Wirtschaftskraft, wie sie Westdeutschland
hat. Da hilft Jammern überhaupt
nicht weiter, sondern es hilft, klare Antworten
auf die Frage zu finden: Was können wir
verbessern, um noch attraktiver zu werden
für Unternehmen, die sich ansiedeln wollen?
Wirtschaftskraft bekomme ich nur ausgeglichen
mit einem Zuwachs an Wirtschaftskraft.
Wir wollen und können aufholen und
ein bisschen Konkurrenz untereinander ist
gar nicht schlecht. Wir haben schon einige
Länder überholt, was Wirtschaftskraft,
Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen
betrifft. Wir sind auf der Überholspur.
Mein Ziel ist es, in den nächsten zehn Jahren
mindestens unter die TOP 5 der deutschen
Bundesländer zu kommen.
Wo liegen Ihrer Einschätzung
nach aktuell die größten Defizite
beim Zusammenwachsen von
Ost und West?
Reiner Haseloff:
Die soziale Marktwirtschaft
der Bundesrepublik Deutschland ist
ein System, das sehr optimiert arbeitet und
durch die Sozialpartnerschaft historisch so
aufgestellt ist, dass die Konfliktbewältigung
im Sinne einer Konsensgesellschaft bislang
erfolgreicher war als jedes andere Gesellschaftsmodell.
Es ist aber zudem eine Wettbewerbsgesellschaft,
die es mit sich bringt, dass
es einen harten und individuellen Wettbewerb
um Posten und Positionen gibt. Diese Mechanismen
machen bestimmte Eigenschaften
erforderlich, über die große Teile der jetzt im
Erwerbsleben stehenden mittleren und älteren
30
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT WIRTSCHAFT+MARKT 47
Foto: Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern
Bevölkerungsgruppen aus den neuen Ländern
einfach nicht verfügen. Von Ausnahmen
abgesehen. Das sieht man am deutlichsten
bei der Verteilung von Führungspositionen. Da
ist der Osten signifikant unterrepräsentiert.
Das wächst sich erst über Jahrzehnte aus,
da wird es noch zwei bis drei Generationen
brauchen, bis die Unterschiede kleiner werden.
Das ist leider so, wenn unterschiedliche
Systeme zusammenkommen. Das ist keine
moralische Bewertung, die ich hier vornehme,
sondern eine Systembeschreibung. Wir sind
vor 30 Jahren – aus einem bankrotten System
kommend – einem Erfolgssystem beigetreten.
Und befinden uns bis heute in einem Anpassungsprozess.
Michael Kretschmer: Die Deutschen
in Ost und West haben drei Jahrzehnte
erfolgreicher gemeinsamer Geschichte. Wir
haben eine ostdeutsche Bundeskanzlerin,
sind Fußball-Weltmeister geworden. Ich finde
es falsch, jetzt Diskussionen über Deutsche
erster und zweiter Klasse zu führen oder darüber,
was noch nicht erreicht worden ist. Ich
sage: Kommt, lasst uns mit Schwung weiter
nach vorn gehen und gemeinsam noch mehr
erreichen.
Michael Müller: Ich glaube, dass immer
noch und in beide Richtungen die Wertschätzung
fehlt oder zumindest nicht ausreichend
ausgedrückt wird. In beiden Teilen unseres
Landes wurde viel und gute Arbeit geleistet,
damit diese Einigung überhaupt gelingen
konnte. Das Anerkennen der unterschiedlichen
Lebenswege und Biografien, das Anerkennen
der unterschiedlichen Kompetenzen,
insbesondere die der Ostdeutschen, die einen
erfolgreichen Lebensweg für sich organisiert
hatten, mit Studium, mit Berufsausbildung,
mit einem guten Arbeitsplatz. All das wurde
über Nacht infrage gestellt oder sogar entwertet.
Es ist eine Frage der Anerkennung,
nicht einer erwarteten Dankbarkeit. Die
Menschen erwarten, dass diese Anerkennung
auch mal ausgedrückt wird und dass gesehen
wird, was ein jeder einbringt in dieses gemeinsame
Land. Das spielt eine große Rolle.
Bodo Ramelow: Der Transformationsprozess
von der Plan- zur Marktwirtschaft
war ein großer Kraftakt – für jede und jeden
Einzelnen. Die wirtschaftliche Entwicklung
der letzten 30 Jahre ist beeindruckend. Dennoch
ist ebenso wahr, dass jede Familie aus
diesen Jahren bewegende Geschichten erzählen
kann – nicht nur von großen und kleinen
Erfolgen und von verwirklichten Träumen.
Viele haben – zuweilen lange – Phasen der
Arbeitslosigkeit durchgemacht und diesen
Bruch ihrer Erwerbsbiografie als große individuelle
und soziale Verunsicherung erlebt.
Wenn wir heute auf die hohen Arbeitslosenzahlen
der 90er-Jahre blicken, können wir
sagen: Wir haben sehr viel erreicht, aber am
Ziel sind wir noch lange nicht. Heute bestehen
die Aufgaben zum Beispiel darin, Arbeitsplätze
zu halten, Zuwanderung klug zu organisieren,
weitere Wirtschaftsansiedlungen zu
ermöglichen und den sozialen Zusammenhalt
zu stärken. Auch gilt es zum Beispiel,
das nicht mehr vermittelbare Lohngefälle
zwischen Ost und West und die Rentenunterschiede
abzubauen. Ebenso müssen wir im
Punkt „Ostdeutsche in Führungspositionen“
zulegen. So mancher Frust entsteht aus dieser
keineswegs nur „gefühlten“ Diskrepanz.
Ich denke, wir brauchen eine neue Anerkennungskultur
gegenüber den Lebensleistungen
des Ostdeutschen, und so einiges könnte der
Westen auch vom Osten lernen, ich nenne die
Stichworte Kinderbetreuung und medizinische
Gesundheitszentren.
Manuela Schwesig: Ich glaube, dass Ost
und West insgesamt gut zusammengewachsen
sind. Wir leben heute ganz selbstverständlich
in einem vereinten Deutschland. Wer
unter 35 ist, kennt das gar nicht mehr anders.
Aber wir brauchen sicherlich noch mehr Austausch
und noch mehr wechselseitiges
Verständnis.
Dietmar Woidke: Einer
der Punkte ist, dass die
Leistungen, die von den
DAS WICHTIGSTE IST,
DASS SICH JUNGE
MENSCHEN HEUTE EINE
ZUKUNFT IN
MECKLENBURG-
VORPOMMERN
AUFBAUEN KÖNNEN.
„
Manuela
Schwesig
“
48
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
Menschen im Osten zu DDR-Zeiten vollbracht
wurden, im Westen nicht oder zu wenig
wahrgenommen werden. Fast 80 Prozent
der Ostdeutschen, die 1989 in Lohn und Brot
waren, mussten nach der Einheit mindestens
einen neuen Beruf lernen. Alles das, was sich
in den letzten 30 Jahren bei uns entwickelt hat,
hat sehr stark mit der Veränderungsbereitschaft
der Menschen hier zu tun. Mit Ausdauer,
mit Disziplin, mit Qualifikationsmaßnahmen.
Das ist die eigentliche Stärke Ostdeutschlands.
Und das kommt mir in der aktuellen Debatte
zu kurz.
Fürchten Sie angesichts der Wahlerfolge
der AfD – speziell in den
neuen Ländern – um den Fortbestand
von Demokratie und sozialer
Marktwirtschaft in Deutschland?
Reiner Haseloff:
Ich glaube, dass nach
wie vor die große Mehrheit der ostdeutschen
Bevölkerung weder zurückwill in das alte
System, geschweige denn in eine Diktatur, die
sie zum Großteil noch erlebt hat, noch, dass
sie die Demokratie dem Grunde nach infrage
stellt. Wir müssen uns vielmehr eine weitere
Frage stellen: Welchen Eindruck macht aktuell
im Tagesgeschäft die Demokratie? Im Umgang
miteinander, in Sachen Problemlösungsfähigkeit
oder auch hinsichtlich der handelnden
Personen, die die Demokratie repräsentieren.
Und da ist die Enttäuschung in Ostdeutschland
deutlich größer als in West- und Süddeutschland.
Möglicherweise deshalb, weil man in
letzteren Gebieten einiges gewöhnt ist und wir
im Osten vielleicht mit zu idealen Vorstellungen
gekommen sind. Vielleicht haben wir nicht
erwartet, dass in diesem für uns neuen System
ganz reale Menschen mit allen Stärken und
Schwächen unterwegs sind. Und dass es an
jedem selbst liegt, wie Demokratie von unten
nach oben entwickelt wird. Die Unzufriedenheit
mit der Darstellung der Demokratie und den
handelnden Persönlichkeiten kann nur dann abgebaut
werden, wenn Politik Lösungsansätze
dafür anbietet. Grundsätzlich glaube ich nicht,
dass die Demokratie gefährdet ist. Die große
Mehrheit der Bevölkerung wird auch weiterhin
verantwortungsvoll wählen.
Michael Kretschmer:
Wir erleben, wie
abschätzig Abgeordnete und Führungspersönlichkeiten
der AfD in den Landtagen und im
Bundestag über Demokratie und Freiheit reden,
wie sie über Grundwerte und Vertreter anderer
Parteien herziehen. Die AfD ist europafeindlich,
sie verdreht die deutsche Geschichte.
Einflussreiche Leute in dieser Partei spalten die
Gesellschaft, sie grenzen aus, schüren Ängste.
Auf wichtige Zukunftsfragen haben sie keine
belastbaren Antworten. Ich bin überzeugt:
Die große Mehrheit in diesem Land will das so
nicht. Und immer mehr Leute sehen, dass diese
Partei unserem Land schadet. Es muss darum
gehen, zusammenzuführen und einen Ausgleich
zu suchen. Das ist der richtige Weg. Das ist
auch mein Weg.
Michael Müller: Es ist jetzt eine sehr
kritische Situation. Ich glaube, dass unsere
Demokratie stark genug ist, um diese Situation
zu bewältigen. Aber das geht nicht von allein.
Jeder muss sich im Rahmen seiner Möglichkeiten
in diesem demokratischen System auch
engagieren für die Grundwerte der Freiheit
und des guten Zusammenlebens. Weil uns
die Demokratie etwas wert ist. Aber ich habe
große Befürchtungen, dass die Präsenz der
AfD wirtschaftliche Rückschläge zur Folge
haben kann. Denn natürlich werden wir aus
dem Ausland beobachtet. Und internationale
Konzerne schauen genau, wo sie investieren.
Sie investieren dort, wo ihre Mitarbeiter frei
und unvoreingenommen ihren Lebensentwurf
leben können. Und wenn die Unternehmen den
Eindruck haben, dass das bei uns derzeit nicht
möglich ist, investieren sie andernorts. Wir
müssen daher Offenheit und Toleranz als harte
Standortfaktoren erkennen.
Bodo Ramelow: Angst ist kein guter
Berater und in diesem Sinne machen wir Politik
gegen Ängste und gegen Angstmacher. Die
neue rot-rot-grüne Minderheitsregierung, die
in vielen Punkten eine enge Zusammenarbeit
mit der CDU vereinbart hat, wird auch Bereiche
der direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung
stärken. Außerdem werden die Mittel
für die ländlichen Räume deutlich erhöht. Wir
lassen niemanden hängen! Gute Politik hat das
ganze Land im Blick, der Fortbestand unserer
Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft
ist keineswegs gefährdet. Gleichwohl müssen
wir die Entfernung zwischen Bürgerschaft und
Politik verringern und mehr Demokratie wagen.
Eines aber bleibt politisch unabdingbar: Die
demokratischen Parteien müssen gegen die
Demokratieverächter der AfD zusammenstehen.
Unser Stabilitätsmechanismus mit der
CDU schließt prinzipiell aus, dass Regierung
oder demokratische Opposition sich zur
Durchsetzung politischer Ziele der Stimmen
der AfD bedient. Das ist meines Erachtens ein
wichtiges Signal.
Manuela Schwesig: Nein, das nicht.
Aber es ist in den letzten Jahren deutlicher
geworden, dass Freiheit und Demokratie keine
Selbstverständlichkeit sind, sondern immer
wieder neu begründet werden müssen. Wir
müssen diejenigen noch stärker unterstützen,
die vor Ort für die Demokratie und eine offene
Gesellschaft eintreten.
Dietmar Woidke: So weit würde ich nicht
gehen. Das wäre ein Stück weit übertrieben.
Was mir wirklich Sorge macht, sind die Signale,
die von der beschriebenen Entwicklung ausgehen.
Das sind Signale der Instabilität. Ich habe
den Eindruck, dass in Deutschland manchmal
sehr gute Entwicklungen, die wir aus den
30
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT WIRTSCHAFT+MARKT 49
JENA IST ZWEIFELLOS DAS
BEKANNTESTE NATIONALE
WIE INTERNATIONALE
AUSHÄNGESCHILD
THÜRINGENS, ABER DIE HIDDEN
CHAMPIONS FINDEN SIE ÜBERALL
„
IM FREISTAAT.
Bodo Ramelow
“
Foto: W+M
vergangenen 70 Jahren gewohnt sind – die
politische Stabilität beispielsweise – gering
geschätzt und unsere Demokratie verhöhnt
werden. Gerade wenn man die Entwicklung
Deutschlands betrachtet, war und ist die
politische Stabilität stets die Grundlage für
die erreichten Erfolge. Sie ist übrigens auch
die Grundlage für Investitionsentscheidungen.
Insofern hoffe ich, dass manch einer künftig
etwas aufmerksamer registriert, wofür die
AfD steht. Es ist kein Zufall, dass sich gegen
positive Entwicklungen bei uns im Land vor
allem die AfD stellt. Gegen die Tesla-Ansiedlung
haben zuallererst AfD-Politiker protestiert. Für
die AfD ist alles, was positiv bei uns geschieht,
politisch gesehen Gift. Damit sieht man auch,
woraus diese Partei ihre Erfolge ziehen will. Wir
müssen sehen, dass wir die Erwartungen der
Menschen erfüllen und dass sich Brandenburg
weiterhin gut entwickelt. Das und gute politische
Arbeit sind die eigentlichen Gegenmittel
gegen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten.
Welche Möglichkeiten sehen Sie,
die vielen Protestwähler, die derzeit
für die AfD votieren, zurückzugewinnen?
Reiner Haseloff:
Den Protestwähler gibt
es sicherlich nicht, das sieht man auch an der
Soziostruktur der Wähler. Da sind viele Vertreter
der Mittelschicht dabei, die unzufrieden
sind mit bestimmten gesellschaftlichen Zielstellungen.
Etwa bei der Frage, welchen Weg
geht Deutschland im Kontext der europäischen
Union oder welche Rolle spielt die Nation als
Ordnungsfaktor und was Sicherheitsthemen
anbelangt. Wenn wir die Probleme, die die
Menschen aus der Mitte der Gesellschaft an
die Ränder gebracht haben, lösen, holen wir sie
auch wieder zurück. Die wenigsten sind ideologisch
verhärtete Extremisten. Politik muss
jedoch Handlungsfähigkeit zeigen.
Michael Kretschmer:
Es geht darum,
Probleme zu lösen und in der Sache zu
überzeugen. Dazu gehört auch, Fehler klar
zu benennen und abzustellen. Wir müssen
deutlich machen, dass Hass, Spaltung und
Ausgrenzung am Ende der Demokratie und uns
allen schaden. Und wir müssen viel miteinander
statt nur übereinander reden.
Michael Müller: Es muss in Richtung
Rechtspopulismus und Rechtsextremismus
eine klare Kante geben. Wir müssen deutlich
machen, wo die Grenzen sind und worüber
wir nicht verhandeln werden. Den Wählerinnen
und Wählern müssen wir zeigen, dass wir
eine gute, seriöse Wirtschaftspolitik machen,
Arbeitsplätze schaffen, in ganz Deutschland
investieren, niemanden zurücklassen. Wir
dürfen der AfD gar keinen Spielraum geben
für ihre These, dass sie das Sprachrohr der
Abgehängten und Zurückgebliebenen sind,
um die sich niemand kümmert. Wir müssen
zeigen: Dort, wo ein Mangel erkannt wird, ist
die Politik bereit, diesen Mangel zu beheben.
Bodo Ramelow: Klarheit, Ehrlichkeit und
eine glaubwürdige Nähe zu den Thüringerinnen
und Thüringern. Politik ist die Kunst des
Kompromisses. Nur mit Kompromissen können
wir möglichst viele Menschen in demokratische
Prozesse einbinden. Thüringen hat enorm viel
erreicht und jede und jeder kann und soll sich
für eine weitere gute Entwicklung in Land und
Stadt einbringen. Ich setze mich dafür ein, diese
Mitwirkungsprozesse zu stärken. So wird es
gelingen, zukunftsorientierte Politik spürbarer
zu machen – und eine Politik destruktiver Angst
in die Schranken zu weisen. Wichtig ist vor
allem, dass wir als Akteure in der Politik auch
den Mut aufbringen, deutlich über diejenigen
50
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
Dinge zu sprechen, die die Menschen bewegen.
Globalisierung und die gefühlte Unübersichtlichkeit,
die damit in gesellschaftliche Prozesse
eindringt, sind nicht leicht zu erklären.
Wir kommen aber als verantwortungsvolle
Staatsbürger nicht drum herum, uns auch mit
unbequemen Wahrheiten zu beschäftigen.
Auch Flüchtlinge müssen die demokratische
Hausordnung respektieren. Gleichzeitig müssen
wir aber auch darauf hinweisen, dass höhere
Zäune unsere Probleme nicht lösen werden.
Wir müssen als deutsche und europäische
Gesellschaften auch reflektieren, wo wir durch
unser eigenes Verhalten und unsere wirtschaftlichen
Aktivitäten in der Welt zu mehr
Ungleichheit beitragen. Die enorme wirtschaftliche
Ungleichheit der Lebensverhältnisse
ist nun einmal – neben den kriegerischen
Auseinandersetzungen in vielen Erdteilen –
ein weiteres Motiv für die Sehnsucht vieler
Menschen nach einem Leben in Europa. Wir
dürfen die Debatte um solche heiklen Themen
nicht den Populisten überlassen. Das ist eine
ziemliche Herausforderung, weil es eben auch
einfach viele Reflexe im Politikbetrieb gibt, die
bei jeder Äußerung sofort zu Aufregung führen.
Ich bin überzeugt, dass wir mit einer ehrlichen,
gelassenen und sachlichen Auseinandersetzung
über die Themen, die die Menschen
umtreiben, als verantwortliche demokratische
Parteien werden punkten können.
Manuela Schwesig: Das geht nur im Dialog.
Ich biete als Ministerpräsidentin regelmäßig
Bürgerforen an. Das Motto lautet: „Alle Fragen
sind erlaubt“. Da diskutieren wir dann zwei
Stunden über die Themen, die den Menschen
auf den Nägeln brennen. Und wir starten als
Landesregierung gerade eine Veranstaltungsreihe,
in der wir mit den Bürgerinnen und Bürgern
darüber sprechen wollen, wie unser Land
2030 aussehen soll.
Dietmar Woidke: Indem man einfach
zeigt, dass Demokratie funktioniert. Demokratie
funktioniert dann, wenn die Menschen das
Gefühl haben, dass ihre Sorgen und Probleme
von der Politik nicht nur ernst genommen
werden, sondern dass es auch Lösungen
gibt. Es ist beispielsweise notwendig, dass
wir in Deutschland eine andere, eine höhere
Entscheidungsgeschwindigkeit bekommen. Bei
Ansiedlungen haben wir eine hohe Dynamik.
Aber wir haben oft viel zu lange Planungszeiten
beim Infrastrukturausbau. Das macht mir große
Sorgen. Die Dynamik, die in vielen Bereichen
herrscht, lässt sich nicht mehr mit den oft viel
zu langen Genehmigungszeiten synchronisieren.
Eine dauerhafte Auseinanderentwicklung
von Dynamik und Entscheidungsfindung
wäre für Deutschland schädlich.
Die Mehrzahl der Bürger Ihres
Landes hat durch den auf die deutsche
Wiedervereinigung folgenden
wirtschaftlichen Strukturwandel
(zwangsläufig) Transformationserfahrungen
gesammelt. Was
glauben Sie, sind die Ostdeutschen
aufgrund dieser Transformationserfahrungen
besser für die
Herausforderungen der Zukunft
gerüstet als die Bürger als den
Altbundesländern?
Reiner Haseloff:
Es gibt einige grundlegende
Erfahrungen, die wir gesammelt haben
und die sicherlich bleiben: Man kann mit sehr
viel weniger leben, als wir das heute tun. Eine
Wettbewerbsgesellschaft bedeutet, dass man
ausgelesen wird, wenn man sich nicht weiterentwickelt
und gegenhalten kann. Unternehmen
können bankrottgehen und schließen, aber
man fällt deshalb in Deutschland dennoch nicht
durchs soziale Netz. Es kommt allerdings noch
etwas dazu, das mit der Untergangserfahrung
und dem Systembruch zusammenhängt: Es
gibt ein Frühwarnsystem und eine Sensibilisierung
dafür, zu reagieren, wenn globale und exis-
WIR HABEN ALLEN GRUND
STOLZ ZU SEIN AUF DIE VIELEN
DINGE, DIE IN DEN VERGANGENEN
DREI JAHRZENTEN AUCH HIER
IM FREISTAAT BEREITS
„
GELUNGEN SIND.
Michael Kretschmer
“
Foto: Sächsische Staatskanzlei
30
JAHRE DEUTSCHE EINHEIT WIRTSCHAFT+MARKT 51
tenzbedrohende Probleme entstehen. Etwa bei
der Migrationsfrage. Wo die Befürchtung bei
vielen Menschen entstanden ist, dass man all
das, was man sich in den zurückliegenden drei
Jahrzehnten mühsam aufgebaut hat, plötzlich
wieder infrage gestellt wird. Die Menschen
hier wünschen sich keine neuen gesellschaftlichen
Experimente. Die Herausforderungen,
die entstehen, sollen nicht unkontrolliert und
nicht ohne ständige Steuerungsmöglichkeit
des Staates zugelassen werden. Die Politik ist
gefordert, die Probleme, die sich aus dieser
Stimmung ergeben, zu lösen.
Michael Kretschmer: Im Freistaat gibt
es eine lange Tradition und eine gelebte
Praxis, auch in schwierigen Zeiten zusammenzustehen,
wieder aufzustehen und
nach vorne zu schauen. Dass dies so ist, hat
sicherlich auch mit den Erfahrungen und auch
schmerzhaften Brüchen nach der Wiedervereinigung
zu tun. Digitalisierung und Strukturwandel
stellen uns heute vor neue Herausforderungen,
bieten aber auch Chancen. Die
müssen wir jetzt nutzen. Sachsen hat die
Möglichkeiten und vor allem die Menschen
mit all ihren Erfahrungen, ihrem Wissen und
Können, um unser Land weiter nach vorn zu
bringen. Hier bei uns gab es schon immer
einen großen Erfinder- und Machergeist,
eine unglaubliche Kraft und Zuversicht. All
das hilft uns auch in schwierigen und durch
schwierige Zeiten.
Michael Müller: Unbestreitbar ist die
Erfahrung da, wie man mit Brüchen im Leben
und in der Erwerbsbiografie umgeht. Und
wie man voller Mut wieder durchstartet.
Die Ostdeutschen haben bewiesen, dass
sie das können. Es gibt viele Menschen in
Ostdeutschland, die gezeigt haben, dass sie
flexibel sind, dass sie neu lernen, dass sie
sich weiterbilden, sich auf neue Situationen
einstellen können. Und dieses Potenzial und
diese Lebenserfahrungen werden in Unternehmen
durchaus registriert und geschätzt.
Bodo Ramelow: Ich halte nichts davon,
Ost und West gegeneinander auszuspielen.
Denken Sie zum Beispiel an das Ruhrgebiet
oder meine Geburtsregion Osterholz-Scharmbeck,
auch dort wurden zum Teil sehr harte
Transformationserfahrungen gemacht. Viel
wichtiger ist jetzt eine intensivere Zusammenarbeit
zwischen den Regionen, die vor
ähnlichen Aufgaben stehen. Auf diese Weise
können wir voneinander lernen und Herausforderungen
besser gestalten! Wichtig ist die
Solidarität der Bundesländer untereinander
und die Kooperation mit dem Bund.
Manuela Schwesig: Das ist eine
interessante Überlegung. Ich glaube
aber, dass man das nicht pauschal beantworten
kann. Mecklenburg-Vorpommern
und die anderen ostdeutschen Länder
haben gute Zukunftschancen. Und da
ist es sicher hilfreich, dass die Menschen
hier kräftig anpacken und sich durch
Rückschläge und Umstellungen nicht
entmutigen lassen.
Dietmar Woidke: Ich glaube vor allem,
dass es gut wäre, wenn wir in ganz
Deutschland aus den Erfahrungen lernen
und Fehler, die es damals gegeben hat,
nicht wiederholen. Die Ostdeutschen
haben gezeigt, dass sie schwere Zeiten
überstehen und meistern können. Diese
Erfahrungen muss man nutzen. Denn die
Transformationsprozesse sind nicht vorbei
mit der Deutschen Einheit. Sie laufen momentan
mit einer Geschwindigkeit wie nie
zuvor. Die Industrie verändert sich massiv,
wenn ich nur an die Automobilindustrie und
die Herausforderungen der Elektromobilität
oder an die branchenübergreifende Digitalisierung
denke. Wichtig ist, die Menschen
auf diesem Weg mitzunehmen, ehrlich zu
ihnen zu sein und Perspektiven für sie zu
schaffen.
30
JAHRE
DEUTSCHE
EINHEIT
52
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
Olaf Scholz und Frank Nehring.
Peter Altmaier und Anne-Marie Desĉotes.
OSTDEUTSCHLANDS ZUKUNFT
NACH DER CORONA-KRISE
Ostdeutsches Wirtschaftsforum findet in diesem Jahr zum 5. Mal statt
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum (OWF), das
auf Grund der Corona-Krise verschoben werden
musste und nunmehr am 21. und 22. September
2020 in Bad Saarow stattfindet, feiert in diesem
Jahr ein kleines Jubiläum: Es wird bereits zum
5. Mal ausgerichtet. Seit 2016 hat sich das Spitzentreffen
von in Ostdeutschland agierenden
Unternehmern, einflussreichen Managern, führenden
Politikern aus Bund und Ländern sowie
renommierten Vertretern aus Wissenschaft
und Medien zu einem Ereignis von nationaler
Relevanz entwickelt. Das OWF richtet den Blick
konsequent nach vorn. In den Debatten geht
es weniger um das tagtägliche Geschäft von
Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, sondern
um die Zukunft des Wirtschaftsraumes
Ostdeutschland. Diese zukunftsorientierte
Perspektive hat dem OWF den anerkennenden
Beinamen „Davos des Ostens“ eingetragen.
Das diesjährige OWF findet nicht nur im Jubiläumsjahr
der Deutschen Einheit statt, sondern
zugleich unter wirtschaftlich und gesellschaftlich
schwierigen Rahmenbedingungen, wie
sie Deutschland noch nie seit dem Ende des
Zweiten Weltkrieges erlebt hat. Die Corona-Krise
hat nicht nur die Wirtschaft und das Leben in
den neuen Ländern, sondern weltweit massiv
beeinflusst. Daher wird sich das OWF intensiv
mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf die
Wirtschaft befassen und zugleich die zentrale
Zielstellung des jährlichen Ost-Gipfels im Blick
behalten – die Zukunft Ostdeutschlands.
Foto: W+M
POLITIK WIRTSCHAFT+MARKT
53
Veranstaltungsort Bad Saarow aus der Vogelperspektive.
„Seien Sie dabei, wenn sich einmal im Jahr die Spitzen
der ostdeutschen Politik und Wirtschaft in exklusiven
Runden in einer der schönsten Landschaften Deutschlands
treffen. Wir sind stolz auf den Beinamen, den
man unserem OWF.Zukunft gab: Davos des Ostens.“
Frank Nehring, Veranstalter OWFZUKUNFT
Dietmar Woidke
im Pressegespräch.
Michael Müller wird von Karsten Hintzmann begrüßt.
Foto: W+M
54
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
BAD SAAROW – TREFFPUNKT
DER WICHTIGSTEN ENTSCHEIDER
Gleich im Premierenjahr 2016 begriff man in
der Bundesregierung, dass sich das OWF zu
einer Plattform für ostdeutsche Entscheider
aus allen neuen Ländern entwickeln
würde. So etwas gab es bis dato noch nicht.
Entsprechend stark war seinerzeit die
bundespolitische Präsenz. Der damalige
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel
(SPD) kam bereits am Eröffnungstag in
den märkischen Kurort und stellte sich
geduldig den Fragen der 130 Unternehmer
und Firmenlenker. Tags darauf appellierte
die damalige Bundesforschungsministerin
Johanna Wanka (CDU) an die Kreativität der
ostdeutschen Mittelständler und versprach
zusätzliche Unterstützung im Bereich von
Forschung und Entwicklung. Die Ministerpräsidenten
Reiner Haseloff (CDU, Sachsen-Anhalt)
und Dietmar Woidke (SPD,
Brandenburg) sowie Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD) zählten
zu den ranghöchsten Repräsentanten der
ostdeutschen Länder. Seither steht das
OWF als Pflichttermin in den Kalendern der
ostdeutschen Regierungschefs und aller
Wirtschaftsminister.
Zwei Jahre später, im November 2018, wandte
sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
mit einem Grußwort an die OWF-Teilnehmer:
„Die ostdeutsche Wirtschaft hat einen hohen
Anteil daran, dass Deutschland gesamtwirtschaftlich
gut dasteht. Das haben wir – neben
einer beeindruckenden Forschungslandschaft
– vor allem dem breit aufgestellten Mittelstand
zu verdanken.“ Dazu zähle auch eine
Reihe Weltmarktführer, hob die Kanzlerin hervor.
„Ob es um Mikroelektronik, Elektromobilität,
Leichtbau oder andere wichtige Branchen
geht, für die Bundesregierung ist die Stärkung
solcher Kompetenzfelder ein vorrangiges
Anliegen.“ Die Bundeskanzlerin unterstrich
die Bedeutung des Davos des Ostens: „Mit der
dritten Auflage ist das Ostdeutsche Wirtschaftsforum
auf dem besten Weg, sich als
wichtige Diskussionsplattform zu etablieren.“
Mittlerweile hat sich der handverlesene
OWF-Teilnehmerkreis Schritt für Schritt
erweitert. Im vergangenen Jahr zählten die
Veranstalter mehr als 300 Gäste. Ganz offenkundig
hatte das zentrale Motto „Zeitenwende
- wo die Zukunft Ostdeutschlands liegt“ starke
Zugkraft. Vizekanzler und Bundesfinanzminister
Olaf Scholz (SPD) ließ es sich nicht nehmen,
zum Auftakt über die Herausforderungen der
Energie- und Mobilitätswende zu referieren.
Im Zusammenhang mit dem beschlossenen
Kohleausstieg erläuterte Scholz Einzelheiten
des von der Bundesregierung aufgelegten
Sofortprogramms für den Strukturwandel.
Am Folgetag debattierte Bundeswirtschaftsminister
Peter Altmaier (CDU) mit Unternehmern
und Führungskräften mittelständischer
Firmen aus den neuen Ländern über die von
ihm konzipierte Industriestrategie.
Seinerzeit konnte niemand ahnen, dass
die ganze Welt nur wenige Monate später
urplötzlich vor gewaltigen Problemen stehen
würde – ausgelöst durch das Corona-Virus.
Jetzt gilt es, die größte Herausforderung seit
dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu meistern
– in Deutschland, Europa und der ganzen
Welt. Das OWF im Jahr 2020 wird ganz speziell
darauf fokussiert sein, Lösungen für den ostdeutschen
Wirtschaftsraum zu finden.
Karsten Hintzmann
Foto: W+M, Bundespresseamt
POLITIK WIRTSCHAFT+MARKT 55
OWF-Finale 2018.
Mit Grußbotschaft beim OWF: Angela Merkel.
Peter Altmeier.
Frank Nehring und Olaf Scholz.
Reiner Haseloff im Interview.
Foto: XXX
56
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
WIE SIEHT DIE
STROMVERSORGUNG
IM JAHR 2038 AUS?
Debattenbeitrag von Dr. Alexander Montebaur, Vorstandsvorsitzender
des Energiedienstleisters E.DIS AG
MMit einer Zukunftsprognose über 18 Jahre ist
es so eine Sache. Denn niemand kann seriös die
Zukunft über einen solchen Zeitraum voraussehen.
Gleichwohl gibt es Einflüsse, die die Richtung
definieren. Die großen Stichworte für die
Stromversorgung sind Dekarbonisierung, Dezentralisierung
und Digitalisierung. Bis 2038 soll
das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland vom
Netz gehen (Stromanteil heute: 28 Prozent). Aus
der Kernenergie werden wir bereits Ende 2022
ausgestiegen sein (heute: 12 Prozent). Dieser
Strom sowie die dahinterstehende gesicherte
Leistung sollen zum großen Teil durch erneuerbare
Energien ersetzt werden. Ist das realistisch?
Werfen wir einen Blick 18 Jahre zurück. Im
Jahr 2002 trugen die Erneuerbaren acht Prozent
zur deutschen Stromversorgung bei – heute
sind es 40. Ziel der Bundesregierung ist es, bis
2040 den Anteil auf 65 Prozent zu erhöhen. Ist
das Ziel also ambitioniert, aber schaffbar?
Wie beim Marathon gilt auch hier, die zweite
Hälfte wird schwieriger, und es wird sich
zeigen, wer trainierter Laie und wer Profi ist.
Dr. Alexander Montebaur.
Ein Blick in das Netzgebiet der E.DIS – von der
Ostseeküste bis zum oberen Spreewald – hilft.
Wir sind bei der Stromwende mit einem Grünstromanteil
von 126 Prozent bereits in der
Zukunft. Die Region ist aber durch ihre dünne
Besiedlung, gute Bedingungen für Windparks
und großflächige Photovoltaik-Anlagen (PV)
und einem geringen Stromabsatz nicht repräsentativ
für Deutschland. Es zeigt sich zugleich
jedoch auch, dass der Wind- und PV-Strom
den Strombedarf nicht zu jedem Zeitpunkt im
Jahr deckt. Denn zu jeder dritten Stunde im
Jahr ist die Region auf Stromimporte angewiesen
– Stichworte sind hier Einspeisemanagement
und Regelenergie. Letztere stammt
heute aus konventionellen Großkraftwerken –
noch vor allem aus dem In-, aber auch bereits
aus dem Ausland.
Einen Beitrag für den zwingend notwendigen
Gleichklang von Angebot und Nachfrage kann
die Digitalisierung leisten. Stromnetze müssen
sich zu digitalen Energiewende-Plattformen
entwickeln. Bausteine sind zum Beispiel intelligente
Ortsnetzstationen und Messsysteme.
Mit den Daten lässt sich das Netz besser steuern,
messen und überwachen, und Verbraucher
können als Flexibilitäten genutzt werden. So
wird ein Fokus in der Zukunft auch darauf
gerichtet sein, wie sich der Beitrag von Data
Analytics, Big Data, Blockchain und Co. für die
Energiewirtschaft entwickeln wird.
Auch wenn – wie gesagt – langfristige Entwicklungen
nur begrenzt voraussehbar sind,
bezweifle ich, dass Laststeuerung alleine
ausreicht. Ich sehe die Frage einer in 2038
rund um die Uhr gesicherten Stromversorgung
in Deutschland als ungelöst. Wenn wir künftig
nicht dauerhaft in enormen Größenordnungen
vom Stromimport abhängig sein wollen, benötigen
wir Realismus und konkrete Lösungsansätze.
Beides gibt es derzeit im politischen
Gesamtbild nicht in ausreichendem Maße.
Nach heutigem Stand kommt dem Energieträger
Erdgas für die Versorgungssicherheit
eine zentrale Rolle zu. Um eine wirtschaftliche
Gasnetzinfrastruktur in der Fläche, auch für
eine etwaig künftige anteilige Wasserstoffversorgung,
zu erhalten, sind die Regulierungsbeziehungsweise
Investitionsbedingungen
anzupassen.
Wir brauchen zudem einen ehrlichen gesellschaftlichen
Diskurs über die Verteilung der
Lasten der Energiewende. Wir erleben derzeit
eine Entsolidarisierung zwischen Stadt und
Land. Die Netzkosten und die Vor-Ort-Belastung
durch die Präsenz der Erneuerbaren sind
ungleich verteilt. Eine bundesweite Angleichung
der Kosten beziehungsweise des Ausbauniveaus
sollte politisch angestrebt werden.
Hierzu gehört auch, dass Energiewirtschaft
und Politik gemeinsam in der Verantwortung
stehen, vor Ort für Akzeptanz zu werben. Wir
brauchen zudem Anreize für Ansiedlungen
von Unternehmen mit großem Strombezug in
Netzgebieten mit überdurchschnittlich vielen
Wind- und PV Anlagen – Stichwort Tesla.
Schließlich sollten die genehmigungstechnischen
Rahmenbedingungen stärker mit den
energiepolitischen Zielen korrespondieren.
Kurzum: Damit Deutschland Energiewendeprofi
wird, muss der Trainingsplan im politischen
Berlin deutlich erweitert werden.
Foto: E.DIS AG
OSTDEUTSCHES WIRTSCHAFTSFORUM
WFZUKUNFT
OWFZUKUNFT 2020
Neuer Termin
21./22.09.2020
DAS ZUKUNFTSTREFFEN DER
OSTDEUTSCHEN WIRTSCHAFT
MITVERANSTALTER
MITVERANSTALTER
Institut
Niederlassung Dresden
Ostdeutscher
Bankenverband
W+M
WIRTSCHAFT+MARKT
Chemnitz
Ostbrandenburg
EUROPAS ERSTES ERLEBNISWEINGUT
W+M
WIRTSCHAFT+MARKT
LeipzigerEnergie
W+M
WIRTSCHAFT+MARKT
W+M
WIRTSCHAFT+MARKT
BAD SAAROW 21./22.09.2020
www.ostdeutscheswirtschaftsforum.de
58
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
VON MATTHIAS SALM
Nur 16,1 Prozent der kleinen und
mittleren Unternehmen in Deutschland
werden von Frauen geführt.
Auch in den ostdeutschen Bundesländern
sind Frauen in Chefsesseln
eher eine Ausnahme. Dabei gibt
es zwischen Ostsee und Erzgebirge
viele leuchtende Vorbilder.
WIRTSCHAFT+MARKT stellt sie vor:
30 ambitionierte Gründerinnen,
erfolgreiche Mittelständlerinnen und
führungsstarke Managerinnen.
VVon den rund 3,81 Millionen mittelständischen
Betrieben in Deutschland werden 16,1
Prozent von einer Frau geführt. Das belegt
eine aktuelle Auswertung des KfW-Mittelstandspanels
mit Zahlen für das Jahr 2018.
Immerhin: Der Trend war zuletzt positiv, der
Zuwachs rührte vor allem aus einer gestiegenen
Zahl an Gründerinnen. Noch aber herrscht
Aufholbedarf und ein starkes Gefälle zwischen
den Branchen: Etwa 85 Prozent der Chefinnen
hierzulande sind Dienstleisterinnen, seltener
finden sich Frauen an der Führungsspitze im
Maschinenbau, in der Medizintechnik oder in
pharmazeutischen Betrieben. Der Schwerpunkt
im Dienstleistungssegment – etwa im
Tourismus, in der Aus- und Weiterbildung oder
im Gesundheitswesen – erklärt wiederum
auch regionale Unterschiede. Laut KfW liegt
so beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern
mit einem Anteil von 27 Prozent frauengeführter
KMU bundesweit an zweiter Stelle
(hinter Schleswig-Holstein). Sachsen folgt an
dritter Stelle (22 Prozent). Berlin (13 Prozent)
und Thüringen (12 Prozent) bilden dagegen die
Schlusslichter im Bundesvergleich.
Starke Frauen finden sich in Ostdeutschland
aber dennoch in allen Branchen: Es sind
Wendekinder, die sich für die Selbstständigkeit
entschieden haben, es ist die junge
Unternehmerinnengeneration der nach 1990
Geborenen, es sind mutige Nachfolgerinnen in
Familienunternehmen, Rückkehrerinnen und
Zugezogene, die hier ihre unternehmerische
Heimat gefunden haben. W+M stellt 30 von
ihnen vor:
Foto: vinzstudio – stock.adobe.com
30
UNTERNEHMERINNEN WIRTSCHAFT+MARKT 59
Fotos: Molkerei Naturprodukt GmbH Rügen, eingebrand.
Die Gründerin der Inselfrische
Dr. Sylva Rahm-Präger
Geschäftsführerin Molkerei
Naturprodukt GmbH Rügen
Ort:Poseritz
Branche:Lebensmittel
Es ist eine Geschichte vom Mut in unsicheren
Zeiten: Mitte der 1990er-Jahre, für viele
Ostdeutsche eine berufliche wie private Umbruchphase,
gründete Dr. Sylva Rahm-
Präger die Molkerei Naturprodukt GmbH Rügen
in Poseritz. Für die alleinerziehende Mutter
eine Rückkehr in die Heimat – die eigentlich im
sächsischen Riesa geborene Unternehmerin,
Jahrgang 1960, war schon als zweijähriges Kind
an die Ostsee gezogen, wo ihre Großeltern als
Leuchtturmwärter auf der Greifswalder Oie
arbeiteten. Und auf Rügen wollte sie nach ihrem
Studium der Agrarwissenschaft in Ost-Berlin
auch ihre Tochter Caroline aufwachsen sehen.
Auf dem Gelände einer stillgelegten Schweinezuchtanlage
nahm die Rügener Molkerei 1998
ihre Produktion auf. „Die Gründerjahre waren
prägend“, erklärt Sylva Rahm-Präger rückblickend.
Rund fünf Jahre dauerte es, bis sich die
Produkte in der Region etabliert hatten, heute
beliefern die Poseritzer auch Handelsketten
in Berlin und Brandenburg. Ein Erfolg, für den
auch die mittlerweile 16 Angestellten stehen
– von Beginn an gab Sylva Rahm-Präger vor
allem arbeitslosen Frauen auf Rügen eine
berufliche Perspektive.
„Wir sind immer in kleinen Schritten gewachsen
und haben unsere Produktion nach fast
22 Jahren vervierfacht“, so die heutige Bilanz
der Rügenerin, deren Molkerei für naturbelassene
Produkte wie Joghurt, Quark oder
Buttermilch bekannt ist. Aber auch Desserts,
Kräuterfrischkäse und Käsebällchen gehören
unter dem Namen „Rügener Inselfrische“ zur
Produktpalette. Als Vorstandsmitglied des
Rügen-Produkte-Vereins ist Rahm-Präger
regelmäßig als Botschafterin für die Qualitätsprodukte
von Deutschlands bekanntester Insel
im Einsatz. Darüber hinaus leitet sie in Mecklenburg-Vorpommern
die Strategiegruppe
„Ernährung für die Gesundheit“ im Kuratorium
Gesundheitswirtschaft.
Dr. Sylva
Rahm-Präger
Die Netzwerkerin aus Magdeburg
Janine Koska
Geschäftsinhaberin von eingebrand.
Agentur für Markenkommunikation
Ort:Magdeburg
Branche:Kommunikation
Janine Koska hat in Magdeburg die bundesweit
arbeitende Agentur eingebrand. gegründet.
Ihre besondere Kompetenz: der Aufbau und
die Führung von Arbeitgebermarken, insbesondere
über Social Media. Zu den Kunden
zählen etwa Aurora Deutschland, Fraunhofer
sowie verschiedene Ministerien des Landes
Sachsen-Anhalt.
Doch die 37-Jährige ist nicht nur Medien- und
PR-Profi, sie wirbt auch unablässig für ihre
Heimatstadt. Koska ist Magdeburgerin mit
Leib und Seele. Nach ihrem Abschluss als
Diplom-Medienwirtin an der Hochschule
Magdeburg-Stendal 2007 ging es für Janine
Koska zwar erst einmal Richtung Hannover
– als Presseverantwortliche einer amerikanischen
Bank –, doch nach Stationen im
In- und Ausland entschied sie sich bewusst
für eine Rückkehr an die Elbe. Hier wirkt sie als
leidenschaftliche Netzwerkerin. So gehört sie
zu den Initiatoren der Jobmesse „hierbleiben“,
arbeitet im Vorstand der Wirtschaftsjunioren
Magdeburg und engagiert sich im Verein „Pro
Magdeburg e.V.“, einer Initiative von Unternehmen
für das Magdeburger Stadtmarketing.
Ihre Erfahrungen in jungen Jahren mit den
gesellschaftlichen Umbrüchen in Ostdeutschland
sieht sie heute als Vorteil: „Wer sie erlebt
hat, ist flexibler und weniger dogmatisch.“ Die
ZEIT reihte Koska jüngst unter die wichtigsten
100 jungen Ostdeutschen ein – neben illustren
Namen wie Fußballstar Toni Kroos oder den
erfolgreichen Rostocker Rapper Materia.
30 UNTERNEHMERINNEN
1. JULIANNE BECKER
2. DR. UTE BERGNER
3. JUDITH BOROWSKI
4. STEPHANIE BSCHORR
5. NICOLE EGGERT
6. CLAUDIA FRESE
7. ANJA FRITZ
8. DR. CAROLIN GABOR
9. DR. PETRA GÖRING
10. KERSTIN HANSMANN
11. KATJA HILLENBRAND
12. DR. TINA KLÜWER
13. ALEXANDRA KNAUER
14. GABRIELE KÖNTOPP
15. DR. HANNA KÖPCKE
16. SILVIA KOHLMANN
17. JANINE KOSKA
18. DR. BEATRICE KRAMM
19. TIFFANY LA
20. JANET LANGE
21. MONIKA LELONEK
22. SABINE MASSMANN
23. GOEDELE MATTHYSSEN
24. JANINA MÜTZE
25. DR. SYLVA RAHM-PRÄGER
26. CARINA RÖLLIG
27. SONJA SCHILG
28. CHRISTIANE SEITZ
29. JULIANNE UTZ-PREUSSING
30. BIANCA ZORN
Janine
Koska
60
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
Dr. Tina
Klüwer
Eine Unternehmerin im Landtag
Dr. Ute Bergner
Geschäftsführerin der VACOM Vakuum
Komponenten & Messtechnik GmbH
Ort: Großlöbichau
Branche: Maschinenbau
Mit gerade einmal zwei Mitarbeitern begann
1992 die Erfolgsstory der VACOM Vakuum Komponenten
& Messtechnik GmbH. Heute arbeiten
rund 300 Beschäftigte für den Vakuumtechnik-Spezialisten
aus dem bei Jena gelegenen
Großlöbichau. Die wachsende Kundennachfrage
nach innovativen Lösungen führte schon bald
nach der Gründung zum Aufbau eigener Fertigungskapazitäten.
Und rasant ging es weiter:
Mit dem Bau eines eigenen Produktionsgebäudes
in Großlöbichau startete 2007 die Fertigung
komplexer Bauteile. Ab 2009 unterhält das
Unternehmen eine eigene Forschungsabteilung.
2019 wurde eine nach Industrie-4.0-Maßstäben
errichtete neue Fertigungshalle in Betrieb
genommen. Heute gehören die weltweit
Dr. Ute
Bergner
exportierenden Thüringer zu den führenden
europäischen Anbietern für Vakuumtechnik.
Hinter all dem steht die Physikerin Dr. Ute Bergner.
Geboren 1957 in Jena promovierte Bergner
1987 an der heimischen Friedrich-Schiller-Universität.
Ihre Leistung wurde bereits vielfach
gewürdigt: Sie wurde als Unternehmerin des
Jahres der Stadt Jena ausgezeichnet und erhielt
den Ernst-Abbe-Preis für innovatives Unternehmertum.
Dem Vorstand des Bundesverbandes
der Mittelständischen Wirtschaft gehört
Bergner ebenso an wie dem Beirat der Stiftung
für Technologie, Innovation und Forschung
Thüringen. Seit 2019 setzt sich die Jenaerin
nun auch in der Politik an höchster Stelle für
den Thüringer Mittelstand ein. Als Mitglied der
FDP-Fraktion zog sie nach der Landtagswahl
im Oktober in den Erfurter Landtag ein.
Die Fachfrau für künstliche
Intelligenz
Dr. Tina Klüwer
Geschäftsführerin der parlamind GmbH
Ort: Berlin
Branche: Künstliche Intelligenz (KI)
Dr. Tina Klüwer (38) hob 2015 als Mitgründerin
in Berlin die parlamind GmbH aus der Taufe.
Sie repräsentiert damit die junge innovative
KI-Szene an der Spree, die eine führende Rolle
bei der Entwicklung von unternehmerischen
Lösungen mithilfe künstlicher Intelligenz spielt.
Vor der Gründung von parlamind arbeitete
Klüwer über zehn Jahre als Wissenschaftlerin
am Deutschen Forschungszentrum für künstliche
Intelligenz und promovierte in Computerlinguistik.
Im September 2018 wurde die
Berliner Unternehmerin als Sachverständige
in die Enquete-Kommission des Bundestages
für künstliche Intelligenz berufen. Seit 2019 ist
Klüwer darüber hinaus Mitglied im Vorstand
des KI-Bundesverbandes.
Die parlamind GmbH offeriert ihren Kunden
Lösungen zur Steigerung der Qualität und
Effizienz im Kundenservice via Chat, E-Mail
und Telefonie. „Unsere Software versteht eingehende
Kundenwünsche autonom und kann
sie entweder vollautomatisch erledigen oder
für die Bearbeitung durch die Kundenservicemitarbeiter
vorbereiten”, erklärt Klüwer. Die
KI-Lösungen der Berliner kommen weltweit
beispielsweise in den Bereichen E-Commerce,
der Energiewirtschaft oder der Logistik zum
Einsatz.
Die Erneuerin der
Meinungs forschung
Janina Mütze
Gründerin und COO der Civey GmbH
Ort: Berlin
Branche: Digitalwirtschaft
Bei Rankings zu jungen Unternehmern der
Zukunft reiht sich Janina Mütze fast immer in
die Liste der Hoffnungsträger ein. 2015 hat sie
das Start-up Civey GmbH in Berlin mitgegründet,
da war sie gerade mal 24 Jahre alt.
Civey entwickelt mit mittlerweile rund 60
Mitarbeitern Tools zu Online-Umfragen. Die
werden beispielsweise auf Nachrichtenseiten
wie „ DER SPIEGEL“ eingebunden und
sollen Umfragen in Echtzeit ermöglichen.
Das Verfahren bleibt nicht ohne Kritik vom
Establishment der Meinungsforscher, die an
der Repräsentativität von Online-Umfragen
zweifeln. Janina Mütze lässt sich davon nicht
beirren. Ihre Kunden setzen nicht zuletzt
deshalb auf die digitale Pionierin, weil es den
klassischen Instituten zunehmend an willigen
oder erreichbaren Teilnehmern für Umfragen
über das Festnetz mangelt.
Janina Mütze ist Mitglied in den Beiräten für
junge digitale Wirtschaft beim Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie sowie für
Fotos: Arlene Knipper (links), parlamind GmbH (oben)
30
UNTERNEHMERINNEN WIRTSCHAFT+MARKT 61
Sabine Maßmann,
Dr. Hanna Köpcke,
Carina Röllig
Fotos: Webdata Solutions GmbH, Civey GmbH, Bürgschaftsbank Brandenburg
Janina
Mütze
Gründungen an der Hochschule für Technik und
Wirtschaft in Berlin. Als früheres Vorstandsmitglied
im Bundesverband Deutsche Startups
e.V. hat sie zudem ein besonderes Anliegen
verfolgt: die Gründerszene hierzulande weiblicher
zu machen.
Das IT-Trio, das blackbee erfand
Carina Röllig, Sabine Maßmann,
Dr. Hanna Köpcke
Geschäftsführerinnen der
Webdata Solutions GmbH
Ort: Leipzig
Branche: IT
Frauen in Führungspositionen gelten für viele
in der IT-Branche immer noch als Besonderheit.
Die Ansicht mag mittlerweile überholt
sein. Drei Frauen, die gemeinsam ein IT-Unternehmen
gründen, sind aber nach wie vor eine
Seltenheit.
Carina Röllig, Sabine Maßmann und Dr. Hanna
Köpcke hat das aber nicht davon abgehalten,
vor acht Jahren in Leipzig ihre Kräfte
zu bündeln. Ihr Unternehmen, die Webdata
Solutions GmbH, entwickelte die innovative
Business-Intelligence-Technologie blackbee,
mit der sich die Leipzigerinnen als Experten
für Preisüberwachung, Preismanagement
und Online-Marktforschung etabliert haben.
Die Webdata Solutions GmbH sammelt online
weltweit Produkt- und Preisdaten, analysiert
diese und strukturiert sie als Entscheidungsgrundlage
für Unternehmen. In ihrer selbst
entwickelten Plattform-Technologie sehen
die drei Gründerinnen den entscheidenden
Wettbewerbsvorteil. „Zwar haben wir heute
die Möglichkeit, viele Daten zu sammeln, doch
daraus lassen sich noch keine Informationen
gewinnen. Erst durch die Aufarbeitung und
Auswertung – mit blackbee – lässt sich Big
Data nachhaltig nutzen“, erklärt Sabine Maßmann
den Erfolg. Der rührt aber nicht zuletzt
auch daher, dass das Trio als Team, das sich in
seinen Kompetenzen ideal ergänzt, bestens
harmoniert.
Entstanden ist Webdata Solutions aus einem
Forschungsprojekt an der Universität Leipzig.
Die Geschäftsführerin Carina Röllig hat an der
TU Dresden Betriebswirtschaftslehre studiert,
Sabine Maßmann, CIO des Unternehmens,
in Rostock und Leipzig Informatik, Dr. Hanna
Köpcke (CTO) absolvierte in Dortmund ein
Informatikstudium, bevor sie an der Uni Leipzig
promovierte. Sie wirkt zudem als Expertin für
Object Matching, Machine Learning und Data
Mining im Lenkungsausschuss „Lernende
Systeme“ des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung mit.
Die Bankerin für Brandenburgs
Mittelstand
Gabriele Köntopp
Geschäftsführerin Bürgschaftsbank
Brandenburg
Ort: Potsdam
Branche: Finanzwirtschaft
Seit 2009 nimmt Gabriele Köntopp ihren Platz
in der Geschäftsführung der Bürgschaftsbank
Brandenburg ein. Vor ihrem Wechsel nach
Potsdam hat Köntopp eine langjährige Laufbahn
in der Bankenwelt absolviert, begonnen
mit der Ausbildung zur Bankkauffrau bei der
Berliner Bank und einem parallel zum Beruf
abgeschlossenen Studium zur Bank-Fachwirtin.
Im Mai 2008 entschloss sich Köntopp
zum Wechsel in die Brandenburger Bürgschaftsbank
und damit auch für eine direktere
Zusammenarbeit mit Unternehmern, wie sie
selber den Wechsel beschrieb.
Gabriele
Köntopp
62
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
Julianne
Utz-Preußing (l.)
& Nicole Eggert
Das Doppel, das die Familientradition
fortsetzt
Nicole Eggert, Julianne Utz-Preußing
Geschäftsführerinnen PALMBERG
Büroeinrichtungen + Service GmbH
Ort: Schönberg
Branche: Möbel
Janet
Lange
Während etliche Betriebe der DDR mit dem Fall
der Mauer an Investoren aus dem Westen gingen,
rettete 1990 der damalige technische Leiter
Uwe Blaumann per Management-Buyout
die Möbelproduktion in Schönberg. 1991 wurde
die Produktion auf Büromöbel umgestellt
und damit eine erfolgreiche Zukunft eingeläutet.
Seit 2017 stehen neben Geschäftsführer
Uwe Blaumann nun auch dessen Tochter
Nicole Eggert sowie Julianne Utz-Preußing,
Tochter des verstorbenen PALMBERG-Gesellschafters
Torsten Utz, als geschäftsführende
Gesellschafterinnen mit in der Verantwortung.
Das Familienunternehmen mit Firmenstandorten
in Schönberg und Rehna gehört heute zu
den größten Büromöbelherstellern in Europa.
Sowohl Nicole Eggert als auch Julianne
Utz-Preußing können sich heute noch gut
an den Zeitpunkt erinnern, als ihre Väter die
Nachfolge regeln wollten. Beide waren mit
dem Unternehmen seit Kindertagen vertraut.
Nicole Eggert: „Ich wusste, dass schon erste
Verkaufsgespräche geführt worden waren
und Interesse am Kauf des Unternehmens
von externer Seite bestand. Allerdings hätten
die Interessenten das Unternehmen nicht in
unserem Sinne weitergeführt.“ Ähnlich ging
es Julianne Utz-Preußing. „Auch ich wusste
bereits, dass es Verkaufsgespräche rund um
die Firma PALMBERG gab. Mein erster Impuls
damals - Nein, das darf nicht passieren!“.
Beide entschieden, dass das Unternehmen
in Familienhand bleiben müsse. Gemeinsam
wollen sie nun die Traditionen von PALMBERG
wahren und zugleich mit eigenen Vorstellungen
und Ideen neue Impulse setzen.
Dr. Carolin
Gabor
Die Managerin der Fintech-Szene
Dr. Carolin Gabor
CEO Joonko AG
Ort: Berlin
Branche: Finanzwirtschaft
An Karrierestationen in der Finanzbranche
und Internet-Szene mangelt es in der beruflichen
Biographie von Dr. Carolin Gabor (42)
wahrlich nicht. Jüngstes Kind: das Finanzportal
Joonko. Hier ist Gabor Mitgründerin und CEO.
Das Finanzportal hilft Verbrauchern, einfach
und schnell die für sie passenden Finanz- und
Versicherungsprodukte zu finden. Carolin
Gabor selbst bringt reichlich Know-how in das
Start-up ein, u. a. als frühere Geschäftsführerin
von Toptarif und Autohaus24. Beim Company-Builder
Finleap hat die studierte Betriebswirtin
die Idee zu Joonko mitentwickelt. Darüber
hinaus setzt sie sich für mehr weibliche
Führungskräfte in der Finanzwirtschaft ein.
Fotos: PALMBERG Büroeinrichtungen + Service GmbH (oben), Daniel Anger (Mitte), Joonko AG (unten)
30
UNTERNEHMERINNEN
WIRTSCHAFT+MARKT 63
Starke Frau auf dem Bau
Janet Lange
Geschäftsführerin Heinz Lange
Bauunternehmen GmbH
Ort: Ottendorf-Okrilla
Branche: Bau
Christiane
Seitz &
Tiffany La
Janet Lange (46) führt seit 2013 das in
ihren eigenen Worten „beste Tiefbau- und
Spezialtiefbauunternehmen der Branche
in der Region“. Ihr Stolz kommt nicht von
ungefähr: Die Heinz Lange Bauunternehmen
Fotos: Stefan Hopf (oben); MyHammer Holding AG (Mitte), Anja Fritz (unten)
GmbH in Ottendorf-Okrilla ist mit rund 80
Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber und
vor allem ein führendes Ausbildungsunternehmen
der Branche. Die Sachsen arbeiten
u. a. im Umwelt-/Hochwasserschutz sowie
für Stadtentwässerungen beim Bau von
Entwässerungsbauwerken und Großkanälen.
Dabei hat Janet Langes Vater einst wahrlich
klein angefangen, 1987 mit gebrauchten Maschinen
und zwei Mitarbeitern. Heute führt
Janet Lange an der Seite von Andreas Reck
das Unternehmen – ihre besondere Leidenschaft
in dem familiären Betrieb gehört der
Personalführung.
Eine Führungsfigur der
Digitalwirtschaft
Claudia Frese
CEO MyHammer Holding AG
Ort: Berlin
Branche: Digitalwirtschaft
Das Berliner Unternehmen MyHammer
zählt zu den Urgesteinen der Internet-Wirtschaft.
Vor 15 Jahren startete es als digitaler
Auftragsvermittler für das Handwerksgewerbe
und betreibt das größte Portal für die
Suche nach Handwerkern und Dienstleistern
im Internet sowie die Onlinevergabe von
Handwerks- und Dienstleistungsaufträgen im
deutschsprachigen Raum. Die 1971 geborene
Claudia Frese ist Vorstandsvorsitzende der
MyHammer Holding AG mit Zuständigkeit für
die Bereiche Marketing, Vertrieb und Produkt.
Sie ist eine der wenigen weiblichen Führungsfiguren
in der Digitalwirtschaft.
Anja
Fritz
Das Duo für große Größen
Christiane Seitz und Tiffany La
Gründerinnen Relax Commerce GmbH
Ort: Leipzig
Branche: Digitalwirtschaft
Weil sie auf einer gemeinsamen Shopping-Tour
nur wenig attraktive Mode in Plus-Size-Größen
fanden und auch das Online-Angebot eher
dürftig ausfiel, haben Christiane Seitz (30) und
Tiffany La (26) zur Selbsthilfe gegriffen und
eine Marktlücke gefüllt. Als Mitgründerinnen
der Leipziger Shopping- und Lifestyle-Plattform
Wundercurves konnten sie gemeinsam
mit Stephan Schleuß von ihrer Idee diverse
Investoren überzeugen und unter dem Dach
der Relax Commerce GmbH Deutschlands
größte Plattform für Mode in großen Größen
aufbauen.
Sachsens erste Weingutgründerin
Anja Fritz
Geschäftsführerin Weingut Mariaberg
Ort: Meißen
Branche: Lebensmittel
Anfang der 2000er-Jahre fand Anja Fritz nach
einer siebenmonatigen Weltreise einen neuen
Lebensmittelpunkt in Sachsen. Weil sich, so
Anja Fritz rückblickend, im Osten Deutschlands
noch Dinge bewegen ließen. Was sie
sich damals kaum träumen ließ: Dass sie sich
einmal rühmen darf, als erste Frau in Sachsen
ein Weingut gegründet zu haben. 2004 kaufte
sie das ehemalige Weingut auf dem Mariaberg.
Heute ist Anja Fritz (49) Winzerin, Gästeführerin
und Weinmoderatorin in Personalunion.
Den Mut, 2004 das sanierungsbedürftige
Haus in der Spaargasse zu erwerben und
den Weinberg in Steillage zu bewirtschaften,
würdigten 2019 auch die Juroren des Adelie-
Awards. Bei der Auszeichnung für erfolgreiche
sächsische Unternehmerinnen belegte Anja
Fritz den zweiten Platz.
Claudia
Frese
64
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
Dr. Beatrice
Kramm
Unternehmerin und IHK-Präsidentin
Dr. Beatrice Kramm
Vorsitzende der Geschäftsführung der POLY-
PHON Film- und Fernsehgesellschaft mbH
Ort: Berlin
Branche: Medien
Das Studium der Rechtswissenschaften führte
Dr. Beatrice Kramm (Jahrgang 1965) in die
Hauptstadt. An der Humboldt-Universität
promovierte Kramm, die seit 2014 als Vorsitzende
der Geschäftsführung die Geschicke der
in Adlershof ansässigen POLYPHON Film- und
Fernsehgesellschaft mbH leitet und damit beliebte
Fernsehserien wie das ZDF-Traumschiff
verantwortet. 2016 wurde die langjährige
Kennerin der Berliner Wirtschaft in das Präsidentenamt
der Berliner IHK gewählt. Einst
per Zuteilungsverfahren zum Studium eher
unverhofft in West-Berlin gelandet, ist Kramm
heute überzeugte Hauptstädterin.
Eine Amerikanerin in Brandenburg
Julianne Becker
Geschäftsführerin Dietrich & Kokosnuss OHG
Ort: Bad Belzig
Branche: Dienstleistung
Die Künstlerin, Filmemacherin und Kommunikationsexpertin
Julianne Becker (41) hat
es über Umwege aus Missouri in den Bad
Belziger Ortsteil Klein Glien geführt. Dort
ist sie Mitgründerin des Working Retreats
Coconat. Das lockt gestresste Großstädter
zum Arbeiten, Erholen und Tagen in die
beschauliche brandenburgische Provinz.
Hier können jene, die sich als digitale
Nomaden verstehen, in kreativer Gemeinschaft
konzentriert arbeiten und zugleich die
Natur genießen. Dafür hat Becker mit ihren
Mitstreitern einen alten Gutshof im Fläming
für das digitale Zeitalter ertüchtigt und
weltweite Resonanz erfahren.
Vorzeige-Unternehmerin
im Erzgebirge
Katja Hillenbrand
Vorstandsvorsitzende der Micas AG
Ort: Oelsnitz
Branche: Sensorik
Katja Hillenbrand, Vorstandsvorsitzende der
Micas AG, gründete bereits als junge Mutter
ihr eigenes Unternehmen. Die Micas AG
entwickelt und produziert unter anderem
hochqualitative und innovative Sensoren und
Steuerungen in der Gebäudeautomation. In
der Anfangszeit musste Hillenbrand, die auch
schon zu Sachsens Unternehmer des Jahres
gewählt wurde, ihre Kinder oft zu Geschäftsterminen
mitnehmen. Nicht zuletzt deshalb
richtete sie in ihrem Unternehmen schon 2009
einen Betriebskindergarten und 2013 einen
Hort ein. Die Micas AG gilt so als Vorbild-Unternehmen
in puncto Familienfreundlichkeit.
Julianne Becker
Katja
Hillenbrand
Fotos: Oliver Lang (oben), Julianne Becker, MICAS AG (unten)
30
UNTERNEHMERINNEN WIRTSCHAFT+MARKT 65
Judith
Borowski
Chefdesignerin von Luxusuhren
Judith Borowski
Geschäftsführerin der NOMOS
Glashütte/SA., Glashütte
Branche: Uhren
Die Berliner Kreative begann ihre berufliche
Laufbahn eigentlich als Journalistin, ehe sie
ein persönlicher Kontakt zum NOMOS-Gründer
Roland Schwertner in die Uhrenbranche
führte. Heute leitet sie von Berlin aus die
Markenkommunikation und das Design in
der Nomos-Tochtergesellschaft Berlinerblau.
Regelmäßig pendelt sie aber auch in die Firmenzentrale
nach Glashütte. Rund 300 Mitarbeiter
arbeiten heute für das 1990 gegründete
Unternehmen, das die Tradition der Glashütter
Uhrenmacher fortschreibt.
Führende Membran-
Spezialistinnen aus Halle
Monika Lelonek und Dr. Petra Göring
Geschäftsführerinnen SmartMembranes GmbH
Ort: Halle (Saale)
Branche: Nanotechnologie
Die Familienunternehmerin
aus Stendal
Bianca Zorn
Geschäftsführerin ZORN INSTRUMENTS
GmbH & Co. KG
Ort: Stendal
Branche: Messtechnik
Bianca Zorn steht an der Spitze des hochmodernen
Mess- und Prüfgeräteherstellers
ZORN INSTRUMENTS GmbH & Co. KG in
Stendal. 2017 übernahm sie den Staffelstab
in der Geschäftsführung von ihrem
Vater Bernd Zorn, der das mittelständische
Unternehmen, das hochpräzise Prüf- und
Messinstrumente herstellt, aufgebaut hatte.
Bianca Zorn tauschte damit nach einem Studium
im Wirtschaftsingenieurwesen an der
Hochschule Magdeburg-Stendal ihre Arbeit
im Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und
-automatisierung IFF in Magdeburg gegen
den Chefposten im Familienunternehmen. So
können auch weiterhin Anwender in über 80
Ländern von den technischen Innovationen
aus Stendal profitieren.
Bianca
Zorn
Fotos: NOMOS/Glashütte SA, ZORN INSTRUMENTS GmbH & Co. KG, SmartMembranes GmbH
Entstanden ist ihre Idee zur Firmengründung
auf einem Workshop für Unternehmerinnen
in der Nanotechnologie. Monika Lelonek und
Dr. Petra Göring stellten fest, dass sie an der
Universität Münster bzw. an der Universität
Halle-Wittenberg auf demselben Gebiet
Grundlagenforschung betrieben hatten.
Mit der Gründung der SmartMembranes GmbH
2009 haben sie daraus ein Produkt gemacht:
In der Herstellung von porösen hochgeordneten
Materialien aus Aluminiumoxid und
Silizium mit definiert einstellbaren Membraneigenschaften
und Strukturparametern sind
die Hallenserinnen weltweit führend.
Monika
Lelonek &
Dr. Petra
Göring
66
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
Stephanie
Bschorr
Die Expertin für Steuerfragen
Stephanie Bschorr
Geschäftsführende Gesellschafterin
der HTG Wirtschaftsprüfung GmbH
Ort: Berlin
Branche: Steuerberatung
Weltreisende in Sachen
Umwelttechnologie
Silvia Kohlmann
Geschäftsführerin envitecpro GmbH
Ort: Rostock
Branche: Umwelttechnologie
An der Seite von Angela Merkel und Ivanka
Trump hat man Stephanie Bschorr schon gesehen
– da war sie Präsidentin des Verbandes
deutscher Unternehmerinnen. Doch das eigentliche
Geschäft der studierten Berliner Juristin
ist die Steuer- und Rechtsberatung sowie Wirtschaftsprüfung
aus einer Hand für mittelständische
Unternehmen. Als geschäftsführende
Gesellschafterin der HTG Wirtschaftsprüfung
GmbH und der HTG Rechtsanwaltsgesellschaft
mbH in Berlin und Halle (Saale) steht Stephanie
Bschorr, Jahrgang 1966, seit dem Jahr 2002
rund 100 Mitarbeitern vor.
Silvia
Kohlmann
Botschafterin für sächsischen Wein
Sonja Schilg
Geschäftsführerin Sächsisches Staatsweingut
GmbH Schloß Wackerbarth
Ort: Radebeul
Branche: Lebensmittel
Sonja
Schilg
Inmitten der Radebeuler Weinberge führt seit
2003 Sonja Schilg das Staatsweingut Schloss
Wackerbarth. Hier atmet der Wein seit mehr als
850 Jahren Geschichte. Schloss Wackerbarth
reüssiert seit der Neueröffnung im Jahr 2002
als Erlebnisweingut. Unter der Führung von
Sonja Schilg hat sich das Sächsische Staatsweingut
nicht nur beim Erhalt der Weinkulturlandschaft
Sachsens einen Namen gemacht,
sondern auch eine Position an der Spitze der
deutschen Wein- und Sektwirtschaft erobert.
„Unsere Projekte im Bereich Umwelttechnologie
sind innovativ und nachhaltig. Gemeinsam
mit unseren internationalen Kunden entwickeln
wir Maßnahmen, wie Abfälle getrennt und
besser verwertet sowie erneuerbare Energien
genutzt werden können.“, so beschreibt
Silvia Kohlmann (40), Geschäftsführerin der
envitecpro GmbH in Rostock, ihr weltweit
aktives Unternehmen. 2018 wurde sie zur
Wirtschaftsbotschafterin Mecklenburg-
Vorpommerns ernannt und ist seit mehr als 18
Jahren u. a. in Brasilien, Peru, Kuba und Mexiko
im Projektgeschäft tätig. Kohlmann spricht vier
Sprachen und vernetzt als Geschäftsstellenleiterin
des Umwelttechnologienetzwerkes
enviMV KMU Partner aus der ganzen Welt.
Foto: VdU, Schloss Wackerbarth, envitecpro GmbH
30
UNTERNEHMERINNEN WIRTSCHAFT+MARKT 67
Nachhaltige Produzentin von
Messtechnik
Alexandra Knauer
Geschäftsführerin KNAUER
Wissenschaftliche Geräte GmbH
Ort: Berlin
Branche: Messtechnik
Alexandra
Knauer
Das Familienunternehmen, die von ihren Eltern
Dr. Herbert Knauer und seiner Frau Roswitha
1962 gegründete KNAUER Wissenschaftliche
Geräte GmbH, fertigt in Berlin wissenschaftliche
Hightech-Messinstrumente für
Forschung, Routine-Analyse und Qualitätssicherung.
Die 1966 geborene Alexandra Knauer
wurde 1996 zur Geschäftsführerin ernannt
und führt seit 2000 als Alleininhaberin das
Foto: KNAUER Wissenschaftliche Geräte GmbH, Confiserie Felicitas GmbH, Stephan Floss
weltweit exportierende mittelständische
Unternehmen mit heute 135 Mitarbeitern. Seit
Herbst letzten Jahres engagiert sich KNAUER
im IMPRESS-Forschungsprogramm der EU,
dessen Ziel es ist, die nachhaltige Produktion
wichtiger chemischer Rohstoffe voranzutreiben.
Nachhaltigkeit ist für Alexandra Knauer
von besonderer Bedeutung: „Unternehmerischer
Erfolg und nachhaltiges Handeln
schließen sich nicht aus, davon bin ich fest
überzeugt.“
Eine Chocolatier in der Lausitz
Goedele Matthyssen
Geschäftsführerin Confiserie Felicitas GmbH
Ort: Spremberg
Branche: Lebensmittel
Belgische Pralinenkunst in der Lausitz – dafür
steht Goedele Matthyssen mit der Confiserie
Felicitas GmbH im beschaulichen Hornow. Die
Belgierin hat in dem Spremberger Ortsteil zusammen
mit ihrem Ehemann Peter Bienstman
ein kleines Schokoladenreich aufgebaut, mehr
als 50 Frauen im Handwerk des Chocolatiers
angelernt und Filialen in Dresden und Potsdam
eröffnet. 1992 nahm die Confiserie in einer
leerstehenden LPG-Küche den Betrieb auf.
Seither wächst das Unternehmen beständig.
Matthyssen, 1968 im belgischen Leuven
geboren, wurde bereits zur Unternehmerin
des Landes Brandenburg gekürt und mit dem
Zukunftspreis Brandenburg ausgezeichnet.
2019 erhielten Goedele Matthyssen und Peter
Bienstman den Verdienstorden des Landes
Brandenburg.
Handwerkerin aus Leidenschaft
Kerstin Hansmann
Geschäftsführerin Metall- und Balkonbau
Hansmann GmbH
Ort: Guben
Branche: Metallbau
Seit genau 35 Jahren ist Kerstin Hansmann
(54) als selbstständige Handwerkerin im
Metallbau tätig und seit über 20 Jahren führt
sie die Geschäfte der Metall- und Balkonbau
Hansmann GmbH, seit 2018 in alleiniger
Verantwortung. Für ihre Lebensleistung wurde
sie 2018 als „Unternehmerin des Landes
Brandenburg“ und 2019 als „Selbstständige
Unternehmerfrau im Handwerk“ geehrt.
Die Metall- und Balkonbau Hansmann GmbH
gründete Kerstin Hansmann gemeinsam mit
ihrem Vater 1997 und baute den ursprünglich
kleinen Handwerksbetrieb zu einem modernen
und leistungsstarken Metallbauunternehmen
mit über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
aus – spezialisiert auf die Entwicklung und
Produktion von Aluminiumbalkonsystemen.
Goedele
Matthyssen
Kerstin
Hansmann
68
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
Berlin ist laut KfW-Gründungsmonitor 2019 der Hotspot der deutschen Gründerszene. Im Durchschnitt
der Jahre 2016 bis 2018 haben hier von 10.000 Erwerbsfähigen jährlich 193 Personen eine selbstständige
Tätigkeit aufgenommen – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Doch auch an Standorten
wie Dresden, Chemnitz, Jena oder Magdeburg entstehen kreative neue Geschäftskonzepte.
VON MATTHIAS SALM
30
GRÜNDER WIRTSCHAFT+MARKT 69
Foto: Betterspace GmbH, mediaire GmbH, Sächsische Staatskanzlei, Fotograf: Oliver Killig
Das Berliner Gründergeschehen wird vor allem
von der Medien-, IT- und Software-Branche
getrieben. So ist Berlin Spitzenreiter bei Startups
rund um die künstliche Intelligenz. Ebenso
bei Fintechs, bei denen die Hauptstadt sowohl
bei den Neugründungen als auch beim investierten
Risikokapital den ersten Platz belegt.
Potsdam profiliert sich als Gründerstandort
mit der Nähe zu Berlin und punktet mit
Ausgründungen aus dem renommierten
Hasso-Plattner-Institut (HPI) oder dem von
der Universität Potsdam, dem HPI und der
Filmhochschule getragenen MediaTech Hub
Accelerator in Babelsberg.
Auch Leipzig genießt einen guten Ruf in der
bundesdeutschen Gründerszene. Zu den Leipziger
Gründerschmieden gehört etwa das Smart
Infrastructure Hub, ein Gründerzentrum für die
Sparten Energie, Smart City und Gesundheit.
Doch auch andernorts mangelt es nicht an
spannenden Gründungsideen. Wirtschaft +
Markt stellt vor: 30 ostdeutsche Start-ups, die
von sich reden machen.
WANDELBOTS GMBH
Roboter mit smarter Kleidung steuern
Kaum ein Preis in der Gründerszene, den
Christian und Maria Piechnick und ihre
Mitstreiter Christoph Biering, Jan Falkenberg,
Giang Nguyen, Dr. Georg Püschel und
Sebastian Werner in den letzten Monaten
nicht eingeheimst hätten. Beispielsweise den
Sächsischen Gründerpreis 2019 oder beim
Wettbewerb „Fabrik des Jahres“ den Preis als
bestes Start-up.
Gegründet wurde die Wandelbots GmbH
2017. Als Keimzelle dienten die Lehrstühle
für Softwaretechnologie und für Kommunikationsnetze
an der TU Dresden. Die Vision:
die Verbindung von intelligenten Textilien
und Softwaretechnologie. Smarte Kleidung –
beispielsweise Jacken oder Handschuhe – erfassen
mittels Sensoren Körperbewegungen
ihres Trägers und übertragen diese auf eine
Software. Die Software wiederum leitet die
Informationen an Roboter weiter. So können
auch Laien einen Roboter anlernen.
„Jeder Nutzer, unabhängig von seinem technischen
oder kulturellen Hintergrund, kann nun
jeden Roboter auf die natürlichste, intuitivste
Weise programmieren – per Demonstration”,
beschreibt Christian Piechnick das Verfahren.
Branche: Software/Robotics,
Gründung: 2017, Sitz: Dresden
BETTERSPACE GMBH
Die Digitalisierung der Hotelwelt
Eine thüringisch-hessische Koproduktion:
2014 fanden sich in Ilmenau die Gründer der SD
Concept GmbH zusammen. Sie entwickelten
für die Hotelbranche digitale Gästemappen und
interaktive Lobby-Displays. Das iQ-Tab etwa,
ein Tablet-PC mit maßgeschneiderter Software,
versorgt die Hotelgäste mit aktuellen Informationen,
Service-Angeboten und vielem mehr.
Ein Jahr später gründete sich in Kassel die Betterspace
GmbH. Ihr Produkt: eine intelligente
Raumsteuerung für Heizkörper und Klimaanlagen.
Studien in ausgewählten Hotels haben
gezeigt, dass sich die Energiekosten durch eine
solche Raumsteuerung um bis zu 31 Prozent
senken lassen.
Es lag nahe, die Kräfte zu bündeln. Die
beiden Firmen fusionierten im Jahr 2017 zur
Betterspace GmbH mit Hauptsitz in Ilmenau.
„Als Betterspace GmbH verstehen wir es als
unsere Aufgabe, die digitale Transformation
in der Hotelbranche voranzutreiben“, sagt
Geschäftsführer Alexander Spisla. Er bildet zusammen
mit Robert Böhl den Thüringer Gründerzweig
des Unternehmens, Dr. Siwanand
Misara, Benjamin Köhler und Gerhard Weiß ihr
Kasseler Pendant.
Branche: Hotellerie/IT, Gründung: 2014,
Sitz: Ilmenau
MEDIAIRE GMBH
Mit künstlicher Intelligenz
gegen Fehldiagnosen
Deutschland ist ein Land der Gründerwettbewerbe.
Und alljährlich wertet das Portal
„Für-Gründer.de“ aus den Wettbewerben die
erfolgreichsten Start-ups aus. Im Ranking
2019 auf Platz 2: die Mediaire GmbH aus
Berlin. Das Unternehmen produziert eine
Software für Radiologen, die bei der Beurteilung
und Auswertung von Gehirn-MRT unterstützend
wirkt. Das Ziel: neurodegenerative
BETTERSPACE GMBH
MEDIAIRE GMBH
Erkrankungen wie Alzheimer oder Multiple
Sklerose schneller zu erkennen.
Dazu werden die MRT-Aufnahmen eines Gehirns
mit einer großen Datenbank gesunder
Gehirne abgeglichen. Die Ergebnisse werden
innerhalb weniger Minuten in verständlichen
Befunden visualisiert. Mediaire wurde 2018
von Dr. Andreas Lemke und Dr. Jörg Döpfert
gegründet, ihre Mission lautet in eigenen
Worten, „mit einzigartigen Software-Lösungen
den Alltag von Radiologen zu revolutionieren“.
Branche: Gesundheit/Software,
Gründung: 2018, Sitz: Berlin
WANDELBOTS GMBH
70
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
ENGINSIGHT GMBH
NEXENIO GMBH
TWINNER GMBH
DUSCHKRAFT GMBH
DUSCHKRAFT GMBH
Kampf dem Schimmel
Die Rostocker Duschkraft GmbH hat dem
Schimmel im Badezimmer den Kampf angesagt.
Dazu haben die drei Gründer David Bredt, Stefan
Goletzke und Arvid Reinwald einen Luftentfeuchter
konzipiert, der direkt in der Dusche in-
INDUSTRIAL ANALYTICS IA GMBH
ENGINSIGHT GMBH
Schutz vor Cyberkriminalität
In der Zeit wachsender Cyberangriffe auf die
Wirtschaft verbreitet die Jenaer Enginsight GmbH
Hoffnung für betroffene Unternehmen. Das 2017
von Mario Jandeck und Eric Range gegründete
IT-Security-Unternehmen aus Jena bietet eine
zu 100 Prozent selbstentwickelte, autonome
All-in-One-Security-Software, basierend auf
intelligentem IT-Monitoring, effizienter IT-Security
und automatisiertem IT-Management.
Damit kann innerhalb kürzester Zeit die gesamte
IT von Unternehmen vollständig automatisiert,
überwacht und analysiert werden. Informationen
über Sicherheitslücken werden ebenso
aufgezeigt wie gerade aktuell stattfindende
Cyberangriffe. Die Software von Enginsight kann
aber auch Hackerangriffe simulieren.
Branche: IT, Gründung: 2017, Sitz: Jena
NEXENIO GMBH
Sichere Lösungen aus Berlin
Projektpartner von SAP und der Bundesdruckerei,
Gründungsexpertise des Potsdamer
Hasso-Plattner-Instituts, aus dem die Ausgründung
erfolgte – Patrick Henning und Philipp
Berger, die Macher der Berliner neXenio GmbH,
können bereits auf ein beachtliches Netzwerk
aufbauen. Mit der Bundesdruckerei etwa wurde
Bdrive entwickelt, eine sichere Cloud-Lösung,
die vor allem für mittelständische Unternehmen
konzipiert wurde. Ein weiteres Beispiel:
FOSANIS GMBH
die Softwarelösung für kontaktlose Authentifizierung
namens SeamlessMe, bei der Schlüssel
oder Schlüsselkarten durch das Smartphone
ersetzt werden.
Um Missbrauch zu verhindern, kann mittels einer
Ganganalyse der Besitzer eindeutig identifiziert
werden. Für diese Innovation wurde den Berlinern
2019 der Digital Champions Award verliehen.
Branche: IT, Gründung: 2015, Sitz: Berlin
INDUSTRIAL ANALYTICS
IA GMBH
Mit innovativer Software gegen Ausfallzeiten
Die Industrial Analytics IA GmbH hat eine
Softwarelösung zur Überwachung von Turbokompressoren
entwickelt. Mithilfe künstlicher
Intelligenz werten die Berliner Maschinendaten
aus, um Stillstandszeiten zu verringern und
Wartungsintervalle bei Turbokompressoren zu
optimieren. Turbokompressoren kommen vor
allem bei der Verdichtung von Gasvolumenströmen
zum Einsatz.
Die Gründermannschaft besteht zum Großteil
aus ehemaligen Mitarbeitern der MAN Diesel
& Turbo SE. Sie brachten ihre Erfahrung als
Maschinenbauer, die zuvor Software für die
Auslegung und Kalibrierung von Turbomaschinen
entwickelt haben, ein.
Branche: Software/Maschinenbau,
Gründung: 2017, Sitz: Berlin
stalliert wird und schon während des Duschens
die Luft entfeuchtet. Die technologischen
Grundlagen erforschten die Firmengründer an
der Universität Rostock.
Branche: Klimatechnik,
Gründung: 2017, Sitz: Rostock
TWINNER GMBH
Fahrzeuge digital bewerten
Die Twinner GmbH aus Halle (Saale) steht für
mehr Transparenz im Automobilhandel. Sie
hilft, Fahrzeuge digital abzubilden und damit
Fahrzeugbesichtigungen von Ort und Zeit
zu entkoppeln. Dazu hat Twinner ein Verfahren
entwickelt, mit dem jedes Fahrzeug
zeit sparend, extrem hochaufgelöst und mit
360°- Fotos von innen, außen sowie mit dem
Unterboden abgebildet wird.
Branche: Handel/IT, Gründung: 2018,
Sitz: Halle (Saale)
FOSANIS GMBH
Digitaler Begleiter für Krebspatienten
Bekannt ist das Berliner Unternehmen für mika,
einen digitalen Begleiter für Krebspatienten. Um
diesen zu helfen, haben Dr. Gandolf Finke und
Dr. Jan Simon Raue 2017 mika in Kooperation
mit der Berliner Charité und der Uniklinik Leipzig
als App für Patienten und deren Angehörige
entwickelt. Mika begleitet Patienten durch die
Therapie mit einem eigens entwickelten Unterstützungsprogramm.
Branche: Gesundheit/IT, Gründung: 2017,
Sitz: Berlin
Foto: oben v.l.n.r.: Deutsche Telekom AG, Susan Nurnberger, Twinner GmbH, Mitte: Duschkraft GmbH, unten v.l.n.r.: Industrial Analytics IA GmbH, Fosanis GmbH
30
GRÜNDER WIRTSCHAFT+MARKT 71
VOTE2WORK GMBH
Die Personalplanung digitalisieren
Foto: Synfioo GmbH, Kristina Becker Photovisionen (l.), Packwise GmbH (r.), Magnosco GmbH/Marie-Luise Marchant, 3dvisionlabs GmbH, Thorsten Futh (l.), UniCaps GmbH (r.)
Die Vote2Work GmbH wurde 2015 von Katrin
Pape gegründet und widmet sich der Digitalisierung
der Arbeitswelt. Dazu entwickelt
das Unternehmen innovative Methoden und
smarte Assistenten, die Unternehmen bei der
Flexibilisierung der Arbeitswelt unterstützen
und die Mitarbeiterpartizipation fördern, wie
die Software Vote2Work, die erste Cloud-Lösung
für den flexiblen Personaleinsatz in der
Produktionsarbeit.
Branche: IT, Gründung: 2015, Sitz: Rostock
PACKWISE GMBH
Container optimal einsetzen
Das Dresdner Start-up Packwise GmbH wurde
2017 gegründet, um die Digitalisierung rund
um die Wiederaufbereitung und Wiederverwendung
von Intermediate Bulk Containern
(IBC) und Fässern sowie eine intelligente Kreislaufwirtschaft
voranzubringen. Die Dresdner
verstehen sich als Dienstleister im Bereich der
intelligenten Organisation von Transportverpackungen.
Branche: Logistik, Gründung: 2017,
Sitz: Dresden
SYNFIOO GMBH
Logistik-Abläufe in Echtzeit
Die Synfioo GmbH ging aus einem dreijährigen
Logistik-Forschungsprojekt am Hasso-Plattner-Institut
hervor. Um die Unsicherheit über
Ankunftszeiten bei Transporten zu reduzieren,
bietet Synfioo der Logistik-Branche eine innovative
Supply-Chain-Visibility-Plattform für
die Überwachung der Logistikabläufe mittels
Big Data an.
Branche: Logistik/IT, Gründung: 2015,
Sitz: Potsdam
BOREAL LIGHT GMBH
Trinkwasser für die Welt
Die Boreal Light GmbH wurde 2014 von Ali
Al-Hakim und Hamed Beheshti gegründet. Mit
ihrer Geschäftsidee überzeugten sie die Jury
des KfW Award Gründen 2019 und errangen
den Siegerpreis im Bundeswettbewerb. Mit
ihren selbstentwickelten solarbetriebenen
Wasserentsalzungsanlagen soll es möglich
werden, einen Produktionspreis von nur 0,50
Euro für 1.000 Liter Wasser zu erzielen.
Branche: Energie/Wasser,
Gründungsjahr 2014, Sitz: Berlin
MAGNOSCO GMBH
Hautkrebs frühzeitig erkennen
Die Magnosco GmbH ist ein MedTec-Unternehmen
mit Sitz im Technologiepark Berlin-Adlershof.
Es bietet eine nicht-invasive
Methode, die sogenannte Dermatofluoroskopie,
zur Unterstützung der Frühdiagnose
von schwarzem Hautkrebs auf der Basis der
Laser-Technologie. Mit einem Infrarotlaser
wird das Melanin zum Leuchten gebracht. Eine
Fluoreszenz im roten Bereich unter der Haut
weist auf eine maligne Entartung hin.
Branche: Gesundheit, Gründung: 2014,
Sitz: Berlin
UNICAPS GMBH
Nachhaltige Kapseln aus Frankfurt/Oder
UniCaps GmbH aus Frankfurt (Oder) bietet
Bio-Tee und Bio-Kaffee in Bio-Kapseln an.
Diese sind konsequent aus nachwachsenden
Rohstoffen gefertigt. Garantiert ohne Aluminium
zum Schutz der Umwelt, so beschreibt es
Geschäftsführer Dirk N. Tillmann.
Branche: Lebensmittel, Gründung: 2016,
Sitz: Frankfurt/Oder
SYNFIOO GMBH
VOTE2WORK GMBH
BOREAL LIGHT GMBH
PACKWISE GMBH
3DVISIONLABS GMBH
Revolutionäre Kameratechnologien
Das Start-up aus Chemnitz entwickelt neuartige
Kamera-Technologien, welche in Verbindung
mit KI-Methoden neue Möglichkeiten der
Digitalisierung erlauben. Mit ihrer revolutionären
Technologie HemiStereo® ist 3dvisionlabs
in der Lage, einen kompletten Raum mit einem
einzigen Sensor vollständig dreidimensional zu
erfassen und die Daten vor Ort und in Echtzeit
auszuwerten.
Branche: IT, Gründung: 2017,
Sitz: Chemnitz
MAGNOSCO GMBH
3DVISIONLABS GMBH
UNICAPS GMBH
72
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN
TESVOLT GMBH
Intelligentes Batteriemanagement
aus Wittenberg
Daniel Hannemann und Simon Schandert
PAMYRA GMBH
TESVOLT GMBH
LIVEEO GMBH
gründeten die Tesvolt GmbH mit dem Ziel
intelligenter Stromspeicher für die Energiewende.
Dafür entwickelte Tesvolt eine Batteriesteuerung.
Denn in Energiespeichern altern
die Batterien unterschiedlich schnell. Das
schwächste Element bestimmt dann die Gesamtleistung.
Das Batteriemanagement von
Tesvolt analysiert den Zustand der einzelnen
Zellen und verteilt anschließend den Strom
gleichmäßig auf die einzelnen Batterien.
Branche: Energie, Gründung: 2014,
Sitz: Wittenberg
PAMYRA GMBH
Vergleichsplattform für Transporte
Pamyra.de ist eine unabhängige Vergleichs-
und Buchungsplattform für Transporte. Auf
der Plattform können Preise und Leistungen
unmittelbar miteinander verglichen und
Speditionen sofort verbindlich beauftragt
werden. Ziel ist es, Pamyra als führende Vergleichs-
und Buchungsplattform zu etablieren.
Branche: Logistik, Gründung: 2016,
Sitz: Leipzig
LIVEEO GMBH
Infrastruktur per Satellit überwachen
Das Geschäftsmodell der Gründer Sven
Przywarra und Daniel Seidel: Das Monitoring
von Infrastruktur mittels Satellitendaten. Mit
seiner Software wertet das Unternehmen
Satellitenbilder von Pipelines, Bahn- und
Stromtrassen aus. Erster Kunde: die Deutsche
Bahn AG. Für sie wird mittels Satellitenaufnahmen
Vegetation in Gleisnähe mit erhöhtem
Risiko für das Schienennetz identifiziert.
Branche: Software, Gründung: 2017,
Sitz: Berlin
SENORICS GMBH
WP SYSTEMS GMBH
WP SYSTEMS GMBH
Windräder warten bei jedem Wetter
Im Süden Brandenburgs hat sich die WP Systems
GmbH als Dienstleister für Windenergiebetreiber
etabliert. Deren Rotorblätter müssen
regelmäßig gewartet und repariert werden.
Das ist mit offenen Arbeitsbühnen nicht bei
jeder Witterung möglich. Das von Holger Müller
gegründete Unternehmen entwickelt daher
Systemlösungen für die Wartung und den
Rückbau von Windenergieanlagen, so die weltweit
erste mobile Werkstatt für Rotorblätter.
Branche: Maschinenbau,
Gründung: 2015, Sitz: Ruhland
GERMAN AUTO LABS GAL GMBH
FLIIT HOLDING GMBH
SENORICS GMBH
Neue Generation von Infrarot-Sensoren
Die Gründer Dr. Ronny Timmreck, Robert
Langer, Dr. Robert Brückner sowie Dr. Matthias
Jahnel wollen mit ihrer Technologie den Markt
für kleine, leistungsstarke Infrarot-Sensoren
revolutionieren. Die neuartige Analysetechnik
ermöglicht den Nachweis und die Messung von
Inhaltsstoffen und Verunreinigungen in einer
Vielzahl von Feststoffen und Flüssigkeiten.
Branche: Sensorik/IT, Gründung: 2017,
Sitz: Dresden
GERMAN AUTO LABS
GAL GMBH
Sprachassistent für Autofahrer
Die Berliner Gründer der German Auto Labs
GmbH bauen eine Sprach-KI-Plattform für
die Automobilindustrie in Form der Sprachassistenz-Hardware
Chris. Chris ist der erste
Sprachassistent speziell für Autofahrer und für
jedes Fahrzeug nachrüstbar.
Branche: IT/Mobilität, Gründung: 2016,
Sitz: Berlin
FLIIT HOLDING GMBH
Lebensmittel effizienter transportieren
Die Jungunternehmer Nils Hempel und Flavio
Alario wollen die Lebensmittellogistik effizienter
und transparenter machen. Sie haben
bereits ein Partnernetzwerk vom mehr als 200
regelmäßigen Transportpartnern aufgebaut.
Gründer Flavio Alario bringt in das Unternehmen
seine langjährige Berufserfahrung beim
Logistikkonzern DHL ein.
Branche: Logistik, Gründung: 2016,
Sitz: Berlin
Fotos von oben nach unten: Pamyra GmbH (l.), Tesvolt GmbH (r.), Ellen Türke Fotografie (l.), LiveEO GmbH (r.), German Auto Labs GAL GmbH, Bundesumweltministerium/Sascha Hilgers (l.), Fliit Holding GmbH (r.)
30
GRÜNDER WIRTSCHAFT+MARKT 73
IFESCA GMBH
Strombedarf präziser vorhersagen
Das Unternehmen umfasst ein multidisziplinäres
Expertenteam mit vielfältigen
Erfahrungen in der Energiewirtschaft. Ihre
Plattform ifesca.AIVA ermöglicht die Analyse,
Aufbereitung und Weiterverarbeitung energiewirtschaftlicher
Daten. So hilft das selbstlernende
Prognosesystem, den zukünftigen
Bedarf etwa von Strom, Gas, Wärme und
Wasser besser vorherzusagen.
Branche: Energie, Gründung: 2016,
Sitz: Ilmenau
MOTIONTAG GMBH
REMIND ME GMBH
Fotos von oben nach unten: MotionTag GmbH (l.), Hoffotografen (r.), Evan GmbH (l.), Continental AG (r.), denovoMATRIX GmbH, morpheus space GmbH (l.), ifesca GmbH (r.)
MORPHEUS SPACE GMBH
Satelliten durch den Weltraum steuern
Das Dresdner Unternehmen entwickelte am
Lehrstuhl für Raumfahrtsysteme der TU Dresden
eine Antriebstechnik für Nano-Satelliten.
Nano-Satelliten werden zur Erdbeobachtung
eingesetzt, sind aber nicht manövrierfähig
und enden oft als Weltraumschrott. Mit den
sogenannten Ionenstrahlantrieben lassen sich
Nano-Satelliten zukünftig gezielt durch den
Weltraum manövrieren.
Branche: Luft- und Raumfahrttechnik,
Gründung: 2018, Sitz: Dresden
AUTOMOTIVE ARTIFICIAL
INTELLIGENCE AAI GMBH
Künstliche Intelligenz für virtuelle
Testfahrten
Experten der Virtual Reality und künstlichen
Intelligenz arbeiten am Berliner Salzufer daran,
virtuelle Testumgebungen für die Automobilindustrie
zu kreieren. AAI simuliert die Bewegung
von Fahrzeugen mit vielen Parametern
wie Wetterlage oder Verkehrsinfrastruktur.
Derzeit benötigt ein virtuelles Fahrzeug nur
acht Stunden für eine Strecke, für die ein physisches
Testfahrzeug einen Monat brauchen
würde, lobt Continental Automotive, einer der
Kooperationspartner.
Branche: IT, Gründung: 2017, Sitz: Berlin
MORPHEUS SPACE GMBH
MOTIONTAG GMBH
Die tägliche Mobilität besser verstehen
Die heutige Mobilität ist charakterisiert durch
Ineffizienz, Unbequemlichkeit und eine geringe
Nachhaltigkeit – vor allem in ländlicheren
Regionen. Mit der IT-Lösung MOTION OS lassen
sich Verkehrsströme in Echtzeit messen.
So können Mobilitätsakteure Betriebsoptimierungen
vornehmen, während Fahrgäste
personalisierte Angebote und Reiseinformationen
erhalten.
Branche: Mobilität, Gründung: 2015,
Sitz: Potsdam
EVAN GMBH
DENOVOMATRIX GMBH
IFESCA GMBH
REMIND ME GMBH
Der Erinnerungsservice für Verträge
Die remind.me GmbH wurde 2017 von Daniel
Engelbarts und Christian Lang gegründet. Die
B2C-Plattform bietet Nutzern die Möglichkeit,
sich rechtzeitig an Verträge aller Art erinnern
zu lassen und diese zu optimieren. In diesen
Service investierten u. a. die Berliner Volksbank
Ventures, die IBB Beteiligungsgesellschaft
und der High-Tech-Gründerfonds.
Branche: Finanzdienstleistungen,
Gründung: 2017, Sitz: Berlin
DENOVOMATRIX GMBH
Stammzellen mit besseren Eigenschaften
DenovoMATRIX ist zugleich der Name eines
jungen Dresdner Unternehmens und der von
ihm entwickelten Technologie zur Biomaterialbeschichtung
von Zellkulturträgern. Mit
diesem Verfahren ist es möglich, Stammzellen
mit höherer Reproduktionsrate und besseren
Eigenschaften zu kultivieren.
Branche: Biotech, Gründung: 2018,
Sitz: Dresden
AAI GMBH
EVAN GMBH
Business-Transaktionen digitalisieren
Die Dresdner Evan GmbH ist Initiator der
neutralen Business-Blockchain evan.network.
Das B2B-Start-up baut zurzeit seine Blockchain
zur Digitalisierung und Automatisierung von
Business-Transaktionen aus. Auf der Blockchain
erstellen Netzwerk-Mitglieder digitale Zwillinge
für ihre Maschinen und Produkte, die sich so in
unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse
einbinden lassen, wobei die unternehmenseigene
Autonomie und Sicherheit gewahrt bleibt.
Branche: IT, Gründung: 2016, Sitz: Dresden
74
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
16
13.Vinnustofa Kjarval
Vinnustofa Kjarval
11.The Village Club
Bloomfield Hills, Michigan, USA
12. Cercle de Wallonie
Namur, Belgien
Mitglieder des Berlin Capital Club und Berliner
Golf & Country Club Motzener See e.V. erwartet
in den schönsten privaten Clubs weltweit
ihr zweites Zuhause.
19.Calabasas Country Club
Calabasas, Kalifornien, USA
21.Capitol
Hill Club
Washington DC, USA
„Verbindungen schaffen“ ist einer der Vorteile
der IAC Clubs rund um den Globus, die die
Mitglieder weltweit so sehr schätzen. Auf lokaler
Ebene geschieht dies bei den zahlreichen
Clubveranstaltungen, wo sich gleichgesinnte
Mitglieder zu aktuellen politischen Themen
oder kulinarischen Highlights treffen und
austauschen.
Die Clubs im IAC-Netzwerk (International
Associate Clubs) öffnen ihren Mitgliedern die
Türen zu weltweit fast 250 privaten Stadt-,
Sport-, Golf- und Countryclubs. 2019 sind
wieder zahlreiche Clubs in verschiedensten
Metropolen dem Netzwerk beigetreten.
2. The Wingtip
San Francisco, USA
18. University Club of Mexiko
Mexiko City
19.Country Club Ejecutivos
Medellin, Columbien
Ein gutes Netzwerk zeichnet sich aber nicht
nur durch die Destinationen aus, an welchen
die Clubs zu finden sind. Höchste Qualitätsstandards
vom Empfang bis zur erstklassigen
Küche mit renommierten Küchenchefs machen
das IAC-Netzwerk einzigartig.
Die IAC-Webpage bietet für die Mitglieder ein
Buchungssystem für die Planung ihrer Besuche
in den anderen IAC-Clubs.
15
12
Fotos: Capital Club
NETZWERK WIRTSCHAFT+MARKT 75
11 13 22
8. House17 8. House17 22. Berlin 22. Berlin 23. Berliner 23. Berliner Golf & Country Golf & Country
Luxembourg LuxembourgCapital Capital Club Club Club Motzener Club Motzener See e.V. See e.V.
Berlin, Deutschland Berlin, Deutschland
Mittenwalde, Mittenwalde, Deutschland Deutschland
6. The Private 6. The Private Club Club Raffles at Raffles City City
Chongqing, Chongqing, China China
4. DO7 4. Eco DO7 Eco
Club House Club House
Milan, Italien Milan, Italien
3. Empyreal 3. Empyreal Club Club
Jaipur, Indien Jaipur, Indien
10.Club 10.Club
zum Rennweg zum Rennweg
Zürich, Schweiz Zürich, Schweiz
9. Malaysian 9. Malaysian
Petroleum Petroleum Club Club
Kuala Lumpur, Kuala Lumpur, Malaysia Malaysia
5. Sunplay 5. Sunplay Club Club
Pattaya, Pattaya, Thailand Thailand
6
14. Windsor 14. Windsor Golf Hotel Golf Hotel
& Country & Country Club Club
Nairobi, Nairobi, Kenia Kenia
15. The 15. Bryanston The Bryanston
Country Country Club Club
Johannesburg, Johannesburg, South Africa South Africa
1. Rancamaya 1. Rancamaya
Golf & Country Golf & Country Club Club
Jakarta, Jakarta, Indonesia Indonesia
17. The 17. Northern The Northern Club Club
Auckland, Auckland, New Zealand New Zealand
7. Ambrosia 7. Ambrosia
Private Private Club Club
Jakarta, Jakarta, Indonesia Indonesia
16. City 16. Tattersalls City Tattersalls Club Club
Sydney, Sydney, Australien Australien
Fotos: Capital Club
14
76
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
Europas erstes
Erlebnisweingut
Schloss Wackerbarth blickt auf eine höchst abwechslungsreiche Geschichte zurück, die vor fast
300 Jahren im sächsischen Radebeul ihren Ursprung hatte. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
hatte das idyllisch gelegene Barock-Ensemble, umgeben von terrassierten Weinbergen, mehr als
20 verschiedene Besitzer. In den zurückliegenden drei Jahrzehnten vollzog sich eine fulminante
Entwicklung. Heute ist Schloss Wackerbarth als Europas erstes Erlebnisweingut bekannt.
VON KARSTEN HINTZMANN
DDie Wurzeln von Schloss Wackerbarth liegen
in der jahrhundertelangen Genuss-Tradition im
sächsischen Elbtal: Seit mehr als 850 Jahren
prägt der Weinbau hier die Landschaft und das
Leben der Menschen. Vor 180 Jahren, genauer
im Jahr 1836, brachte der französische Kellermeister
Johann Joseph Mouzon die Kunst der
klassischen Flaschengärung aus seiner Heimat
Reims nach Radebeul.
Die Wendezeit und die ersten Jahre im geeinten
Deutschland zählen zu einer der wirtschaftlich
schwierigsten Perioden in der Historie des Hauses.
Schließlich hatten ostdeutsche Weinfreunde
mit der Öffnung der Grenze erstmals die
Möglichkeit, eine breite Palette von Weinen und
Sekten aus der ganzen Welt zu verkosten. Dadurch
brach für die heimischen Winzer zunächst
ein großer Teil der bestehenden Kundschaft
weg. Unter dem Slogan „Edel verpflichtet“ und
mit Investitionen in die Qualität der eigenen
Produkte gewann Schloss Wackerbarth im Laufe
der 1990er-Jahre erste Kunden zurück – ohne
damit jedoch den siebenstelligen Sanierungsbedarf
der barocken Anlage und der Terrassenweinberge
selbst schultern zu können.
Nach dem Ende der DDR-Zeit war die barocke
Anlage von Schloss Wackerbarth dem Freistaat
Sachsen übertragen worden – in einem maroden
und vernachlässigten Zustand. Versuche,
das Anwesen zu verkaufen, scheiterten jedoch
aufgrund des hohen Sanierungsbedarfs und
der fehlenden Investitionsbereitschaft der
Foto: Heinz-Dieter Schulz
GENUSS WIRTSCHAFT+MARKT 77
Fotos: Schloss Wackerbarth
Interessenten. Rückblickend war das durchaus
verständlich, schließlich hätte allein die Instandsetzung
der über 400 Jahre alten Terrassenweinberge
wohl jeden Kleininvestor überfordert.
Um Schloss Wackerbarth als Kulturerbe zu
erhalten, entschloss sich der Freistaat Sachsen
im Jahr 1999, selbst zu sanieren und Wackerbarth
zum ersten Erlebnisweingut Europas zu
entwickeln – verbunden mit der Mission, die
sächsische Weinkulturlandschaft zu sichern und
zu fördern. Mit dieser innovativen Idee gab das
zu diesem Zeitpunkt kleinste Weinbaugebiet
Deutschlands einen wichtigen Impuls für die
Entwicklung, die sächsische sowie deutsche
Weinlandschaft als Kulturgut zu bewahren und
langfristig zu erhalten.
Als Erlebnisweingut ist Schloss Wackerbarth
heute ein beliebtes Ziel bei einheimischen und
internationalen Gästen. Pro Jahr besichtigen
mehr als 190.000 Besucher das einzigartige
Ensemble aus barocker Anlage, malerischen
Weinbergen und moderner Manufaktur.
Es ist ein Weingut zum Anfassen: Jeden Tag
können Besucher in der Manufaktur dem
Kellermeister über die Schulter schauen und
die Geheimnisse der Wein- und Sektbereitung
entdecken. Das ganze Jahr über lädt ein
abwechslungsreiches Programm rund um
Kunst, Kultur und Genuss zum Entspannen
und Entdecken ein – von Wanderungen durch
die Weinberge über kulinarische Abende bis
hin zu klassischen Konzerten im Rahmen der
Dresdner Musikfestspiele, Lesungen mit bekannten
Autoren wie Donna Leon oder einem
Manufakturen-Weihnachtsmarkt im Advent.
Das Erlebnisweingut bietet seinen Gästen
außerdem den passenden Rahmen für deren
individuelle Anlässe – von Tagungen und Unternehmensevents
bis hin zu privaten Feiern
oder rund 120 Hochzeiten pro Jahr.
Seit seiner Neueröffnung im Jahr 2002 hat sich
Schloss Wackerbarth auch sehr erfolgreich mit
dem Erhalt der Weinkulturlandschaft Sachsens,
mit der weinbaulichen Umstrukturierung seiner
Rebflächen sowie mit der stetigen Verbesserung
der eigenen Qualitäten beschäftigt und das
Portfolio mit neuen Produkten erweitert. Heute
werden die Weine und Sekte aus Radebeul
regelmäßig bei renommierten nationalen und
internationalen Wettbewerben und Verkostungen
wie der „Bundesweinprämierung“, „Mundus
Vini“ oder „Best of Riesling“ prämiert. Beim
„Deutschen Sekt Award 2018“ wurde Wackerbarth
sogar als „Bester Sekterzeuger Deutschlands“
ausgezeichnet.
Pro Jahr produziert das Weingut heute rund
600.000 Flaschen Wein und Sekt – davon etwa
350.000 Flaschen mit der für das Weinbaugebiet
Sachsen typischen „Cool Climate“-Weinstilistik
sowie 250.000 Flaschen klassische
Flaschengärsekte. In den letzten Jahren konnte
der Umsatz von 2,3 Mio. Euro im Jahr 2002
mehr als verfünffacht werden.
78
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
Lässiger,
bequemer,
komfortabler
Aber bitte keine weißen Socken –
was Man(n) in diesem Jahr alles zum
Businessanzug tragen darf.
VON BEATE LECLOUX
In dieser Saison geht in der Businessmode
für Herren vieles, was bislang als recht übler
modischer Fauxpas verschrien war: Kombinieren
Sie die in der Freizeitmode seit einem
Jahr omnipräsenten weißen und auch farbigen
Sneaker mit einem klassischen Businessanzug
oder setzen Sie auf halbhohe Brogue-Stiefel.
Substituieren Sie Krawatten durch das
Trend-Accessoire schlechthin – das Halstuch.
Ersetzen Sie das klassische Businesshemd
durch einen Strickpullover, einen Rolli oder gar
durch ein – edel glänzendes – T-Shirt. Auch
Kombinationen – auf Neudeutsch Broken
Suits – im Materialmix sind im Büro tragbar:
Chinos und Wollhosen kombiniert mit einem
Edelsakko.
Aber: Noch gibt es Unternehmen (und konservative
Vorgesetzte), die es nicht schätzen,
wenn Sie mit einem coolen Zipper-Hoodie
– auf Altdeutsch Kapuzenpullover mit
Reißverschluss – unter Ihrem natürlich weit
geschnittenen Businesssakko im Kundengespräch
sitzen. Auch hier gilt es, Fingergefühl
für Umgebung und Situation zu beweisen und
durchaus selbstbewusst und stilprägend, aber
nicht provokativ abgrenzend aufzutreten.
Ehrlich gesagt, selbst ich als erfahrene Modeund
Stilexpertin, aber auch als passionierter
Modejunkie hatte beim Besuch der großen
Modemessen für die anstehende Saison
einige Schwierigkeiten mit den gezeigten allzu
großen Brüchen angesichts der bisherigen
fixen Regeln für Businesskleidung: Nein, die
von Hermès gezeigten Businesssakkos auf
nacktem Oberkörper gehen gar nicht und der
völlige Verzicht auf Socken zum Businessanzug
auch nicht. Apropos Socken: Nein, auch
dem Retrotrend zu weißen Socken sollten Sie
außerhalb Ihres Tennisvereins konsequent
widerstehen.
Schnitte: Generell sind Sakkos und Hosen weit
geschnitten und wirken großzügig und locker.
Achten Sie aber gerade bei diesem Trend auf
eine perfekte Passform – zu leicht sieht ein
großzügig geschnittenes Sakko sonst aus wie
eines aus der falschen Regalreihe.
Farben: Einfarbiges ist entweder Blau – seit
wie vielen Saisons ist das eigentlich schon die
Trendfarbe? –, aber auch in sanften Pastelltönen
gehalten.
Muster: Klassische Karos und Glenchecks sind
angesagt, gerne auch bei dreiteiligen Anzügen.
Fazit: Vieles geht in dieser Saison, aber nicht
alles.
www.cutforyou.com
www.facebook.com/cutforyouberlin
Fotos: Atelier Torino (2x), munro (2x), Randy Tarango – Cut For You
T-Shirt zum
Businessanzug.
MODE WIRTSCHAFT+MARKT 79
Sommersaison 2020 –
großes Karo im Anzug
zum weißen Sneaker.
Sneaker und Loafer als Ergänzung
zum Businessanzug.
Chinos in gedeckten Farben passen in
dieser Saison zum Businesssakko.
„VIELES GEHT
IN DIESER SAISON,
ABER NICHT ALLES.“
Beate Lecloux
Die W+M-Modeberaterin Beate Lecloux
ist Inhaberin des Berliner Maßbekleiders
Cut For You mit Filialen in der Reinhardt straße
38 in Mitte und der Bleibtreustraße 13 in
Charlottenburg.
80
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
Glashütte
zwischen Innovation
und Tradition
30 Jahre sind vergangen seit Mauerfall und der Deutschen Einheit. In dieser Zeit sind im sächsischen
Ort Glashütte Uhren-Erfolgsgeschichten geschrieben worden und Freunde der Mechanik
aus aller Welt profitieren heute davon. Denn die Veränderung von einer Planwirtschaft zum Unternehmertum
beflügelte sowohl Erfindergeist und Innovationskraft als auch die Pflege von Traditionen.
Doch die Geschichte begann weit vorher, im Jahre 1845.
VON RON UHDEN
Auf 25 Stück limitiert:
die PanoInverse von
GLASHÜTTE ORIGINAL.
Ron Uhden ist Niederlassungsleiter
von Juwelier Leicht in Berlin.
Juwelier Leicht
Unter den Linden 77
10117 Berlin
www.juwelier-leicht.de
Der Name Glashütte ist eng verbunden mit
Adolph Lange, der nach seinen Wanderjahren in
der Schweiz die erlernten Fertigungsmethoden
in seiner Heimat etablieren wollte. Nach Verhandlungen
mit der sächsischen Regierung erhielt er
ein Darlehen, um in der von Armut geprägten
Bergbauregion seine Vision Wirklichkeit werden
zu lassen.
Bei GLASHÜTTE ORIGINAL steckt das Thema
Originalität bereits im Markennamen. Und so
werden bei der wohl bekanntesten Manufaktur
aus dem Müglitztal ganz faszinierende Interpretationen
Glashütter Handwerkskunst offeriert.
Mit der auf 25 Stück limitierten Uhr PanoInverse
zeigt sich das Herzstück, die Schraubenunruh,
unter der kunstvoll gravierten Unruhbrücke.
Üblicherweise ist diese auf der Werksrückseite
positioniert. Die außergewöhnliche Vorderseite,
auf der mit feinem Blattwerk von Hand gravierten
Platine, zieren weiterhin verschraubte
Goldchatons, rubinrote Lagersteine und gebläute
Schrauben. Dies alles macht die Uhr nicht genauer
– aber umso schöner. Und es ist die Bewahrung
altbekannter, fast vergessener traditioneller
Techniken, die Grundlage der Glashütter
Reputation.
Foto: Leicht Juweliere (links), Glashütte original (rechts)
UHREN WIRTSCHAFT+MARKT 81
Uhrmacherkunst
in höchster Qualität von
MORITZ GROSSMANN.
Und da die Uhrmacherkunst ein Handwerk ist,
wird gleichwohl immer wieder der Name MORITZ
GROSSMANN erwähnt. Auf seine Initiative hin
wurde 1878 die deutsche Uhrmacherschule in
Glashütte gegründet und somit auch die notwendige
Vertiefung und Weitergabe von Wissen und
Fertigkeiten sichergestellt.
Der Begriff Manufaktur ist ein häufig benutzter,
und nicht immer stehen wirkliche Werte dahinter.
Im Falle von MORITZ GROSSMANN-Uhren aber
ist er mehr als berechtigt. Dem historischen
Vorbild nacheifernd entstehen von der Skizze zur
fertigen Uhr Gesamtkunstwerke, mit markanten
Besonderheiten, die für Unverwechselbarkeit
stehen. Eine Handgravur findet sich auf der
aus Neusilber bestehenden Platine ebenso wie
erhabene Goldchatons, der dreifach gestufte
Sonnenschliff auf dem Sperrrad verleiht diesem
eine dreidimensionale Optik. Die äußere ästhetische
Schlichtheit steht bei MORITZ GROSSMANN
im Kontrast zu dem aufwändig hergestellten
Uhrwerk. Ganz im Sinne des Firmengründers,
zeitlose Kunst im Miniaturformat zu schaffen.
Foto: MORITZ GROSSMANN (oben), NOMOS (unten)
Als jung und aufstrebend ist NOMOS zu nennen,
ein Traditionsname, welcher unmittelbar nach
dem Mauerfall durch den Düsseldorfer Roland
Schwertner wieder ins Leben gerufen wurde.
Denn NOMOS gab es in der Vergangenheit schon
einmal. Nur die Firma musste seinerzeit die Tore
schließen, da die Uhrwerke aus der Schweiz
importiert wurden und somit zu Unrecht den
Schriftzug „Made in Glashütte“ trugen.
Mit drei Mitarbeitern in einer 3-Raum-Wohnung
begann 1992 die Produktion. Heute ist daraus
eine hochmoderne Manufaktur geworden. Aus
der 3-Raum-Wohnung wurden drei verschiedene
Fertigungsstätten. Mit der bewährten Strategie,
Uhren in einem sachlichen, aber unverwechselbaren
Design und in hoher Qualität zu fertigen,
wurden NOMOS mehr als 150 renommierte
Designpreise verliehen. Nicht zuletzt auch, da
der öffentliche Auftritt etwas frecher als bei den
gestandenen Marken ist. Die feinen Zeitmesser
werden in Glashütte gefertigt, das Design und
Gesicht der Uhr kommen jedoch aus Berlin.
Und somit steckt auch etwas Berlin in einer
NOMOS-Uhr, ganz besonders, wenn Sie Clärchen,
Nachtijall, Goldelse oder Kleene heißen. Typisch
Berlin. Typisch Glashütte.
In der NOMOS „Nachtijall“
steckt ein Hauch Berlin.
82
WIRTSCHAFT+MARKT
DIE LETZTE SEITE
STUNDE NULL
UND NUN?
MUT ZUM
VORSPRUNG!
Die Krise hat eine Art von Stunde null erzwungen. Angesichts der plötzlich neuen
Regeln für das Arbeiten im Job, das Lernen in der Schule und bei den sozialen
Kontakten muss sich Altbewährtes neu bewähren und Neues bekommt seine
Chance. Systemrelevanz mischt die bisherige Prioritätenliste auf. Just for fun
und allgemeine Lebenskunst im Business haben es schwer.
VON FRANK NEHRING
Noch ist nicht abzusehen, wie viele Unternehmen
es in den Ruin treibt, wer durch die
Zuschüsse, Darlehen und Kreditangebote von
Bund und Ländern die Zeit nach der Krise oder
wenigstens beim Weg aus der Krise gerettet
werden kann. Sicher ist jedoch: Nicht der beste
Zuschuss oder der günstigste Kredit sichern
das Überleben, wenn das Geschäftsmodell in
die Jahre gekommen ist und nur noch so mit
Ach und Krach funktionierte. Unternehmer,
die weder Mitarbeiter noch einen Nachfolger
finden, wird die Krise verstärkt zum Aufgeben
zwingen.
Geschäftsmodelle junger Gründer hingegen,
auch wenn sie sich noch nicht am Markt fest
platzieren konnten, erleben jetzt ihre Chance.
Plattformen und Services, die sich des Internets
bedienen, sind gerade in dieser Krise auf
einem guten Weg.
Aber nicht nur die Krisengründer und Startups,
sondern auch die gestandenen Unternehmer
haben ihre Chance, wenn sie jetzt etwas
tun und nicht abwarten. Nach der Krise wird es
nicht mehr wie vorher, das Hoffen darauf wird
vergeblich sein. Unternehmer sind Unternehmer,
weil sie etwas unternehmen, statt
abzuwarten. Und auch da hat die Krise bereits
viele gute Beispiele zutage gefördert.
Die Unfähigkeit, Schutzbekleidung zu beschaffen,
hat schnell dazu geführt, dass inländische
Textilunternehmen und andere flexibel reagierten,
ihre Produktion umstellten und nun
zur Bedarfsdeckung beitragen. Restaurants
liefern fertige Mahlzeiten bis nach Hause. Es
entstehen neue Portale nach dem Motto „Unternehmen
helfen Unternehmen“, es gründen
sich Initiativen, die neue Geschäftsmodelle
vorstellen. So manche Ad-hoc-Idee hat sicher
das Potenzial für ein künftiges Geschäftsmodell.
Die Corona-Krise ist wie alle großen Krisen
eine Raserei im Stillstand, Veränderungen
kommen im Zeitraffer und zumeist online. Ob
Arbeit und Schule, Banking, vernetzte Roboter
in heimischen Fabriken oder eben der Umgang
mit Big Data – vieles davon kommt nun
schneller und geht sicher nie wieder ganz weg.
Das gilt auch für die Politik. Effektive Rettungsschirme
und erfolgreiche Konjunkturprogramme
brauchen digitalisierte Verwaltungen,
beschleunigte Planungen und Genehmigungen
und bessere Leitungen und Netze. Wenn nicht
jetzt, wann dann?
Keine dieser Überlegungen ist neu. Es stimmt
bedenklich, dass es erst einer Pandemie
bedarf, um solche Veränderungen zu ermöglichen.
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum
OWF.ZUKUNFT appelliert seit seiner Gründung
im Jahr 2016 an Politik und Wirtschaft in den
neuen Bundesländern, sich den veränderten
Bedingungen an den Weltmärkten, der
Digitalisierung und der Nachhaltigkeit mutig
und ideenreich zu stellen. Umso wichtiger wird
jetzt die Diskussion beim bevorstehenden
Forum, wie es gelingen wird, gestärkt aus der
Krise zu kommen. Das Thema, das schon vor
der Krise entwickelt wurde, bleibt aktuell: Mut
zum Vorsprung – die Zukunft der ostdeutschen
Wirtschaft.
Foto: W+M
9. Polar Twist
Beach Polo World Masters
by BerlinMed
Unterstützt durch
Warnemünde 2020*
Täglich ab 12 Uhr // Strand Warnemünde
8 internationale Teams
DEUTSCHLAND
Freitag // 20 Uhr PLAYERS NIGHT
Samstag // 20 Uhr WHITE NIGHT
Eintritt frei am Spielfeldrand
Sponsor-Anfragen & VIP-Tickets:
kontakt@polo-riviera.de
www.polo-riviera.de
* Aufgrund der Corona-Pandemie kann das Poloturnier nicht wie geplant im Juni 2020 stattfinden.
Den neuen Termin erfahren Sie sofort auf unserer Homepage.
POLO RIVIERA DEUTSCHLAND . Seestraße 9 . 18119 Rostock Warnemünde . CEO Matthias Ludwig . T 0151 - 54 68 79 56