Die Reserve der Bundeswehr Panzertruppen der Legion ... - MGFA
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Militärgeschichte im Bild<br />
Oskar Ritter von Nie<strong>der</strong>mayer<br />
Das faustische Motiv <strong>der</strong> zwei Seelen,<br />
die in einer Brust wohnen,<br />
scheint symptomatisch für die deutsche<br />
Geschichte in <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, die so reich an<br />
Irrungen und Wirrungen ist wie kaum<br />
eine an<strong>der</strong>e Epoche. Und so ist <strong>der</strong> Lebensweg<br />
Oskar Ritter von Nie<strong>der</strong>mayers<br />
einerseits beispielhaft für den<br />
vieler seiner Zeitgenossen, an<strong>der</strong>erseits<br />
aber auch außergewöhnlich, wenn<br />
man den Blick auf dessen Umwege<br />
lenkt, die ihn in das Spannungsfeld<br />
von Militär und Wissenschaft führten.<br />
Der 1885 in Freising/Oberbayern geborene<br />
Nie<strong>der</strong>mayer trat 1905 als Fahnenjunker<br />
in das 10. Feldartillerieregiment<br />
in Erlangen ein. Vom Garnisonsdienst<br />
geistig unterfor<strong>der</strong>t, begann er<br />
nach seiner Beför<strong>der</strong>ung zum Leutnant<br />
ein Studium <strong>der</strong> Geografie, Geologie<br />
sowie <strong>der</strong> iranischen Sprachen. Nach<br />
dem Abschluss des Studiums mit<br />
vollen Bezügen von <strong>der</strong> Armee beurlaubt,<br />
unternahm er eine zweijährige<br />
Forschungsreise in den Orient, in <strong>der</strong>en<br />
Verlauf er als erster Europäer die<br />
iranische Lut-Wüste durchquerte.<br />
Bei Kriegsbeginn 1914 wurde Nie<strong>der</strong>mayer<br />
zu einer Geheimmission berufen,<br />
<strong>der</strong>en Ziel die Aufwiegelung <strong>der</strong><br />
zentralasiatischen Bevölkerung gegen<br />
die Kolonialmächte Russland und<br />
Großbritannien war. Zu diesem Zweck<br />
führte er unter an<strong>der</strong>em 1915 eine Militärexpedition<br />
nach Kabul, um Emir<br />
Habibullah zum Kriegseintritt auf deutscher<br />
Seite zu überreden, was jedoch<br />
misslang. Nach seiner Rückkehr ins<br />
verbündete Osmanische Reich übernahm<br />
er Kommandos bei <strong>der</strong> Heeresgruppe<br />
F im Nahen Osten. Im März<br />
1918 nach Deutschland zurückbeor<strong>der</strong>t<br />
und mit dem Militär-Max-Joseph-<br />
Orden ausgezeichnet, erlebte Nie<strong>der</strong>mayer<br />
das Kriegsende als Hauptmann<br />
an <strong>der</strong> Westfront.<br />
Mit dem Freikorps Epp nahm Nie<strong>der</strong>mayer<br />
1919 an <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagung<br />
<strong>der</strong> Münchener Räterepublik teil<br />
und promovierte im Anschluss daran<br />
über die »Binnenbecken <strong>der</strong> iranischen<br />
Hochebene«. Von <strong>der</strong> Reichswehr<br />
übernommen, wurde er Adjutant des<br />
Reichswehrministers Otto Geßler, bis<br />
er 1921 offiziell aus dem <strong>Die</strong>nst ausschied,<br />
um inoffiziell die geheime Zu-<br />
Afghanistan-Institut, Bubendorf<br />
sammenarbeit von Reichswehr und<br />
Roter Armee in Moskau zu koordinieren.<br />
1932 kehrte er nach Deutschland<br />
zurück und übernahm im folgenden<br />
Jahr einen Lehrauftrag für Wehrgeografie<br />
und -politik an <strong>der</strong> Berliner Universität.<br />
<strong>Die</strong>se Berufung war jedoch – trotz<br />
seines Parteieintritts – nicht unumstritten,<br />
da Nie<strong>der</strong>mayer aufgrund seiner<br />
früheren Tätigkeit sowie seiner Habilitation<br />
(»Wachstum und Wan<strong>der</strong>ung im<br />
russischen Volkskörper«) als Sympathisant<br />
<strong>der</strong> Sowjetunion galt. Sicherheitshalber<br />
trat Nie<strong>der</strong>mayer als Ergänzungsoffizier<br />
wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wehrmacht<br />
bei, war doch sein prominentester<br />
Kritiker Reichspropagandaminister<br />
Joseph Goebbels, <strong>der</strong> ihm vorwarf,<br />
nicht zu begreifen, dass die Sowjetunion<br />
vom »Internationalen Judentum«<br />
regiert werde. Aufgrund einer<br />
Vielzahl von Fürsprechern erhielt Nie<strong>der</strong>mayer<br />
schließlich 1937 den Lehrstuhl<br />
für »Allgemeine Wehrlehre« und<br />
wurde Direktor des neugeschaffenen<br />
gleichnamigen Forschungsinstituts.<br />
Von <strong>der</strong> Bildungsfeindlichkeit <strong>der</strong> NS-<br />
Ideologen schon bald desillusioniert,<br />
ersuchte er unmittelbar nach dem<br />
Überfall auf Polen um ein Frontkommando,<br />
das ihm aber erst 1942 mit <strong>der</strong><br />
Beför<strong>der</strong>ung zum Generalmajor gewährt<br />
wurde.<br />
Für eine Reaktivierung Nie<strong>der</strong>mayers<br />
als General setzte sich auch <strong>der</strong><br />
Leiter <strong>der</strong> Organisationsabteilung II im<br />
Oberkommando des Heeres, Major i.G.<br />
Claus Schenk Graf von Stauffenberg,<br />
ein. Bei <strong>der</strong> Aufstellung von geplanten<br />
Freiwilligenveränden hoffte die Wehr-<br />
macht, von den Erfahrungen Nie<strong>der</strong>mayers<br />
aus dem Ersten Weltkrieg zu<br />
profitieren. Stauffenberg selbst versprach<br />
sich durch den Einsatz dieser<br />
Verbände unter an<strong>der</strong>em einen Wandel<br />
<strong>der</strong> unmenschlichen Besatzungspolitik<br />
im Osten.<br />
Nie<strong>der</strong>mayer erhielt den Befehl über<br />
die 162. (Turk.) Division, die überwiegend<br />
aus kriegsgefangenen Freiwilligen<br />
<strong>der</strong> nordkaukasischen Völker bestand.<br />
Sie kam aber nicht – wie ursprünglich<br />
vorgesehen – zur »Befreiung Russlands<br />
vom Bolschewismus«, son<strong>der</strong>n zur<br />
Partisanenbekämpfung auf dem Balkan<br />
zum Einsatz. Für Feldmarschall<br />
Albert Kesselring war Nie<strong>der</strong>mayer jedoch<br />
»mehr Gelehrtennatur als Truppenführer«,<br />
weswegen er Nie<strong>der</strong>mayer<br />
seines Kommandos enthob und auf einen<br />
bedeutungslosen Posten abschob.<br />
Dort führten die Äußerungen des Generalmajors<br />
anlässlich des Attentats<br />
vom 20. Juli 1944 zu einer Anklage wegen<br />
»Wehrkraftzersetzung«, Ausschluss<br />
aus <strong>der</strong> Armee und Inhaftierung im<br />
Wehrmachtgefängnis Fort Zinna in<br />
Torgau, wo er das Kriegsende erlebte.<br />
Von den Sowjets zu 25 Jahren Haft verurteilt,<br />
starb Nie<strong>der</strong>mayer 1948 schwer<br />
erkrankt in einer Strafanstalt bei Moskau.<br />
Knud Neuhoff<br />
Literaturtipp<br />
Hans-Ulrich Seidt, Berlin, Kabul, Moskau. Oskar Ritter von<br />
Nie<strong>der</strong>mayer und Deutschlands Geopolitik, München<br />
2002.<br />
3Oskar<br />
Nie<strong>der</strong>mayer<br />
(rechts im<br />
Bild) 1915/16<br />
in Kabul<br />
(links:<br />
Werner Otto<br />
von Hentig,<br />
Mitte:<br />
Radscha<br />
Mahendra<br />
Pratap, indischerRevolutionär).<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 1/2012<br />
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