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Militaer_2_2020

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WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

MADE IN AUSTRIA<br />

Heimische Sicherheitsfirmen<br />

behaupten sich<br />

am Weltmarkt — S. 40<br />

militär<br />

BLICK IN DIE ZUKUNFT<br />

Hyperschall-Waffen:<br />

Neue Dimension der<br />

Kriegsführung — S. 46<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 2|20<br />

EURO 3,80<br />

AKTUELL VERTEIDIGUNGSMINISTERIN<br />

KLAUDIA TANNER:<br />

„Wir werden es auch in Zukunft mit<br />

Einsätzen zu tun bekommen, die<br />

nicht von langer Hand geplant<br />

werden können!“ — S. 22<br />

Zur Bekämpfung des Virus<br />

mobilisierte das Bundesheer<br />

Tausende Soldaten. Wie stehen<br />

sie im Einsatz? Was bedeutet<br />

die Krise für die internationale<br />

Zusammenarbeit? Und: Steigt nun<br />

das Risiko von Bioterrorismus?<br />

Wir haben die Antworten!<br />

HILFE IN DER KRISE – DIE GROSSE BILANZ<br />

Das Bundesheer<br />

im Covid-Einsatz


UNSER EINSATZ<br />

FÜR ÖSTERREICH.<br />

WIR SCHÜTZEN ÖSTERREICH.<br />

Unsere Soldatinnen und Soldaten, die Grundwehrdiener sowie die Aufschub -<br />

präsenz diener und die Zivilbediensteten des Bundesheeres haben von Beginn an<br />

mit großem Einsatz bei der Bewältigung der Corona-Krise geholfen. Gemeinsam<br />

mit der Miliz werden wir auch weiterhin die österreichische Bevölkerung schützen.<br />

Milizhotline: 050201<br />

bundesheer.at


E D I T O R I A L<br />

0 0 3<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

er Kampf gegen die Corona-Pandemie<br />

D<br />

stellt die Welt seit Monaten vor gewaltige<br />

Herausforderungen: Der Ausnahme- wurde<br />

vielerorts zum Normalzustand, es wurden<br />

Ausgangsbeschränkungen verhängt,<br />

Grenzen geschlossen, die Wirtschaft<br />

heruntergefahren, das öffentliche Leben kam über mehrere<br />

Wochen zum Stillstand. Eine Hauptrolle bei der Krisenbewältigung<br />

spielten in vielen Ländern die Streitkräfte. Sie versorgten<br />

die Bevölkerung während des Lockdowns mit Lebensmitteln,<br />

unterstützten mit medizinischem Personal und trugen<br />

zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung bei. So<br />

auch in Österreich, wo das Bundesheer zur Bewältigung der<br />

Krise einen der größten Einsätze seiner Geschichte startete.<br />

Rot-weiß-rote Soldaten und Milizbedienstete halfen in den<br />

vergangenen Monaten etwa beim Grenzmanagement und<br />

bei der Abwicklung der Abreise von Urlaubsgästen. Sie produzierten<br />

Desinfektionsmittel, unterstützten das Personal<br />

in den Lebensmittellagern von Supermarktketten, hielten<br />

die Logistik der Post am Laufen und übernahmen von der<br />

Polizei die Bewachung von Botschaften in Wien.<br />

Im Rahmen unseres Corona-Sonderberichts (ab Seite 10)<br />

haben wir einige der österreichischen Soldaten und Milizbediensteten<br />

vor den Vorhang gebeten: Etwa Maria Paul und<br />

ihre Kolleginnen von der Schneiderei des Militärkommandos<br />

Wien, die in den vergangenen Wochen Tausende Mund-Nasen-Masken<br />

genäht haben. Oder den Gefreiten Philipp Thalmeier,<br />

der mit seinen Miliz-Kameraden am Grenzübergang<br />

Klingenbach Fahrzeuge und Papiere kontrolliert. Darüber<br />

hinaus haben wir mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner,<br />

Brigadier Sylvia Sperandio (Leiterin des militärischen Gesundheitswesens)<br />

und Österreichs Militärattaché in Italien,<br />

Oberst Nikolaus Rottenberger, über die Bewältigung der Krise<br />

und Lehren für die Zukunft gesprochen. IFK-Leiter Generalmajor<br />

Johann Frank analysiert die Auswirkungen der Pandemie<br />

auf die Gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik<br />

(GSVP) der EU (Seite 29) und verdeutlicht die Notwendigkeit<br />

einer verbesserten Krisenfestigkeit von Staat und<br />

Wirtschaft (ab Seite 34). Außerdem haben wir analyisert,<br />

welche Gefahr infolge der Corona-Pandemie von Terror -<br />

anschlägen mit Biowaffen ausgeht (ab Seite 30).<br />

Was Sie in dieser Ausgabe noch erwartet? Experte Georg<br />

Mader hat Status quo und Zukunft der heimischen Wehrindustrie<br />

unter die Lupe genommen (ab Seite 40) und für<br />

seinen Bericht auch WKO-Spartenobmann Reinhard Marak<br />

befragt (Seite 44). Zudem wirft er einen Blick in die Rüstungslabore<br />

der Großmächte, in denen sich derzeit alles<br />

um das Thema Hyperschallwaffen dreht (ab Seite 46), und<br />

Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger<br />

analysiert die Beziehung der sich zusehends näherkommenden<br />

Großmächte China und Russland.<br />

Abschließend möchten wir Sie an dieser Stelle noch<br />

auf unsere neu gestaltete Website hinweisen: Auf<br />

www.militaeraktuell.at finden Sie in Zukunft noch mehr<br />

Sicherheitsthemen, Fakten, Analysen und Reportagen.<br />

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m i l i t ä r a k t u e l l


0 0 4 I N H A L T<br />

INHALT<br />

010<br />

Militär<br />

Science-Fiction<br />

oder Realität?<br />

Russland, China<br />

und die USA wollen<br />

auch im Hyperschall-<br />

Bereich militärische<br />

Kapazitäten aufbauen.<br />

046<br />

Aktuell-Reportage: Für unseren großen Bericht zum<br />

Covid-19-Einsatz des Bundesheeres haben wir unter anderem<br />

Milizsoldaten an der burgenländischen Grenze besucht.<br />

„Wir werden aus dem<br />

Corona-Einsatz viel<br />

lernen können.“<br />

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner<br />

im Gespräch mit Militär Aktuell<br />

022<br />

003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />

006 MOMENTUM<br />

Einsatz unter Sternenhimmel.<br />

008 WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Kurzmeldungen<br />

aus aller Welt.<br />

010 CORONA-SPEZIAL<br />

Großer Themenschwerpunkt<br />

rund um den Covid-19-Einsatz<br />

des Bundesheeres.<br />

016 AUF EINEN BLICK<br />

Die tödlichsten Pandemien der<br />

Menschheitsgeschichte.<br />

020 INTERVIEW<br />

Im Gespräch mit Brigadier Sylvia<br />

Sperandio, Leiterin des militärischen<br />

Gesundheitswesens des<br />

Bundesheeres.<br />

022 INTERVIEW<br />

Verteidigungsministerin Klaudia<br />

Tanner im Militär Aktuell-Talk.<br />

029 KOMMENTAR<br />

IFK-Leiter Generalmajor Johann<br />

Frank über die Gemeinsame<br />

Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

(GSVP) der EU.<br />

030 DIE NATUR ALS WAFFE<br />

Bioterrorismus: Wie groß ist die<br />

Gefahr wirklich?<br />

034 CORONA-STRESSTEST<br />

Das Virus und der Wunsch nach<br />

mehr Krisenfestigkeit.<br />

038 RÜSTUNGSNEWS<br />

Neuheiten aus der Welt der<br />

Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />

040 BRANCHE IM FOKUS<br />

Wie steht es um die heimische<br />

Wehrwirtschaft? Ein Überblick.<br />

046 WETTRÜSTEN AM HIMMEL<br />

Die Großmächte und ihr Streben<br />

nach Hyperschallwaffen.<br />

049 NEUERSCHEINUNG<br />

„Frauen.Medien.Krieg.“ blickt aus<br />

weiblicher Perspektive auf Kriege.<br />

050 SCHLUSSPUNKT<br />

Russland-China: Nur ein Zweckbündnis<br />

oder mehr? Kommentar<br />

von Sicherheitspolitik-Experte<br />

Brigadier a. D. Walter Feichtinger.<br />

051 INFOGRAFIK<br />

Die Leistungsmerkmale des<br />

Kampfjets Saab Gripen.<br />

FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , N O R T H R O P G R U M M A N<br />

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0 0 6 P A N O R A M A<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M O M E N T U M<br />

Sternenhimmel im<br />

Assistenzeinsatz<br />

Im sicherheitspolizeilichen<br />

Assistenzeinsatz an der Grenze<br />

haben Soldaten öfter die Möglichkeit,<br />

einen klaren Sternenhimmel zu<br />

beobachten. Mit etwas Glück kann<br />

man dabei auch die Milchstraße<br />

erkennen. Soldaten der 2. Gardekompanie,<br />

Ende April <strong>2020</strong> im<br />

Einsatz an der burgenländischen<br />

Grenze.<br />

FOTO : B U N D E S H E E R / DA N I E L T R I P P O LT<br />

M I l I t ä r A k t u E l l


0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

COMEBACK DER TERRORISTEN<br />

Der Islamische Staat und al-Kaida könnten die Coronakrise<br />

genutzt haben, um sich in ihren Rückzugsgebieten weitgehend<br />

unbehelligt von Behörden und Regierungen neu aufzustellen.<br />

Diese Vermutung teilt jedenfalls Terrorismusexperten Nicolas<br />

Stockhammer von der Uni Wien in einem aktuellen Interview<br />

mit den Salzburger Nachrichten. „In Zukunft<br />

könnten terroristische Organisationen<br />

auch in Europa wieder verstärkt aktiv<br />

werden“, so Stockhammer, der einen<br />

größeren Anschlag innerhalb der<br />

nächsten sechs bis neun Monate<br />

für durchaus wahrscheinlich<br />

hält – „abhängig vom weiteren<br />

Verlauf der Coronakrise.“<br />

JOURNALISMUS<br />

UNTER DRUCK<br />

Reporter ohne Grenzen warnt:<br />

Die Pressefreiheit ist weltweit<br />

in immer mehr Ländern in<br />

Gefahr und die Coronakrise<br />

droht diese Entwicklung nun<br />

weiter zu beschleunigen.<br />

KOMMT CORONA ZURÜCK?<br />

Experten warnen seit Wochen , ob tatsächlich eine zweite Coronawelle<br />

kommt, lässt sich aber nicht seriös voraussagen. Falls sie<br />

kommen sollte, dürfte sie einer Studie der ETH Zürich zufolge<br />

aber langsamer verlaufen als die erste Welle. „Grund dafür ist,<br />

dass die Gesellschaft einen Lernprozess durchgemacht hat und<br />

sich heute vorsichtiger verhält als zu Beginn der Pandemie“, sagt<br />

Professor Dirk Mohr. Durch den langsamen Anstieg sehe die<br />

Situation bei einer zweiten Welle allerdings – und das ist die<br />

Gefahr – lange Zeit nicht dramatisch aus, die Bedrohung werde<br />

mit Verzögerung wahrgenommen. Notwendige Maßnahmen<br />

und Einschränkungen würden daher als „übertrieben“ und<br />

„nicht notwendig“ erachtet. Im Worst Case rechnen die Forscher<br />

mit bis zu 5.000 zusätzlichen Toten alleine in der Schweiz, bislang<br />

starben dort rund 1.700 Menschen an Corona.<br />

„Jegliche Worte und Taten, welche<br />

den Interessen Chinas schaden,<br />

werden auf Gegenmaßnahmen<br />

von chinesischer Seite<br />

stoßen.“<br />

Die USA und China verschärfen<br />

im globalen Kräftemessen ihren<br />

Ton: Nachdem US-Präsident<br />

Donald Trump die Beziehungen<br />

seines Landes zur WHO aufkündigte<br />

(„die Organisation steht<br />

vollständig unter der Kontrolle<br />

Chinas!“) und Pekings geplantes<br />

„Sicherheitsgesetz“ kritisierte, warf China<br />

den USA vor, „regelrecht süchtig nach dem<br />

Ausstieg“ aus Verträgen und internationalen Organisationen zu<br />

sein. Der Rückzug offenbare die Machtpolitik der USA, sagte der<br />

Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian. Die Stornierung<br />

milliardenschwerer Soja-, Fleisch- und Baumwoll-Importe aus<br />

den USA seinen als „Gegenmaßnahmen“ Chinas zu verstehen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E L T G E S C H E H E N<br />

„Immer dreister auftretende autoritäre<br />

Regime, Einschränkungen der Presse- und<br />

Meinungsfreiheit im Kampf gegen ,Fake<br />

News‘, populistische Stimmungsmache,<br />

Gewaltbereitschaft gegen Medienschaffende<br />

und die Erosion traditioneller Medien-<br />

Geschäftsmodelle stellen die Pressefreiheit<br />

weltweit unter Druck.“ Dieses Fazit zog die<br />

Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF)<br />

kürzlich bei der Präsentation ihrer „Rangliste<br />

der Pressefreiheit <strong>2020</strong>“. Für die Zukunft<br />

befürchtet RSF eine weitere Verschlechterung:<br />

„Viele der Entwicklungen, die in der<br />

Rangliste abgebildet sind, führen in der<br />

aktuellen Corona-Pandemie dazu, dass<br />

unter dem Deckmantel der öffentlichen<br />

Sicherheit repressive Regierungen ihre<br />

Medienkontrolle weiter ausbauen.“<br />

Rubina Möhring, Präsidentin von RSF Österreich:<br />

„Die Coronakrise – wie wir sie auch<br />

hinsichtlich Pressefreiheit bezeichnen können<br />

– wirkt wie ein Brandbeschleuniger für<br />

autoritäre Tendenzen und repressive Krisenherde.<br />

Zahlreiche Länder gehen zurzeit<br />

besonders aggressiv gegen die demokratische<br />

Grundordnung vor.“ An der Spitze der<br />

Rangliste der Pressefreiheit steht zum vierten<br />

Mal in Folge Norwegen, den zweiten<br />

und dritten Rang nehmen Finnland und<br />

Dänemark ein. Österreich liegt nach dem<br />

Verlust von fünf Plätzen im Pressefreiheitsranking<br />

2019 und dem neuerlichen Abrutschen<br />

um zwei weitere Plätze im aktuellen<br />

Ranking auf Rang 18 unmittelbar hinter<br />

Kanada und Luxemburg und vor Uruguay.<br />

Am unteren Ende der Rangliste stehen wie<br />

in den Vorjahren Nordkorea (Platz 180),<br />

Turkmenistan (179) und Eritrea (178). China<br />

findet sich hinter dem Iran, Syrien, Vietnam<br />

und Dschibuti auf Platz 177 wieder.<br />

Pressefreiheit weltweit <strong>2020</strong><br />

FOTO S : R E P O R T E R O h N E G R E N Z E N , P I C T U R E D E S K<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

Texte & Interviews: JÜRGEN ZACHARIAS & SARAH WETZLMAYR<br />

Bilder: SEBASTIAN FREILER<br />

Mitarbeit: MORITZ KOLAR<br />

IM KAMPF GEGEN DAS<br />

VIRUS<br />

Covid-19-Einsatz: Wie ein Virus aus Fernost<br />

eine der größten Bundesheer-Alarmierungen der<br />

Geschichte und die erste Teilaufbietung der Miliz<br />

überhaupt auslöste.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


CORONA<br />

SPEZIAL<br />

FOTO ( H I N T E R G R U N D) : P I X A B AY<br />

S<br />

chuppentiere zählen zu den geschützten<br />

Tierarten, sie zu töten ist in China – wo<br />

ihr Fleisch als besondere Delikatesse gilt<br />

– strengstens verboten. Vielleicht sollten<br />

wir das Virus, das irgendwann Ende<br />

des vergangenen Jahres möglicherweise<br />

vom Kadaver so eines urtümlich aussehenden nachtaktiven<br />

Einzelgängers auf einem Markt in Wuhan auf Menschen<br />

übergesprungen ist, daher als eine Art Strafe verstehen.<br />

Möglicherweise ist das Virus aber auch aus einem<br />

Hochsicherheitslabor ausgebüxt, wie US-Präsident<br />

Donald Trump und manche Verschwörungstheoretiker<br />

glauben, wurde wie anfangs vermutet von Fledermäusen<br />

übertragen oder, wie der deutsche Virologe Christian<br />

Drosten behauptet, von Marderhunden.<br />

Egal, denn unter dem Strich ändert es nichts an den Folgen<br />

und Auswirkungen, die heute weltweit zu spüren<br />

sind. Und die dafür verantwortlich sind, dass ein 24-jähriger<br />

Gefreiter der 1. Kompanie des Jägerbataillons<br />

Wien 2 an einem nasskalten Samstag Ende Mai gemeinsam<br />

mit einem Kameraden am Grenzübergang Klingenbach<br />

Fahrzeuge und Papiere kontrollieren muss. Philipp<br />

Thalmeier trägt eine orange Warnweste über seiner im<br />

Farbton RAL 7013 gehaltenen Uniform, eine rot-weißrote<br />

Schleife um den linken Oberarm, schwarze Handschuhe<br />

und eine FFP1-Maske. Unmittelbar vor ihm hält<br />

ein orangefarbener Kompaktwagen mit ungarischem<br />

Kennzeichen. Die Frau am Steuer setzt ihren Mund-Nasen-Schutz<br />

auf, öffnet das Seitenfenster und reicht dem<br />

Soldaten ihre von einem Fast Food-Restaurant in Wien<br />

ausgestellte Arbeitsbestätigung. Philipp Thalmeier prüft<br />

die Angaben, kontrolliert den Führerschein und winkt<br />

sie anschließend durch. „Schöne Fahrt noch.“<br />

Für zwei sichtbar in die Jahre gekommene Kastenwagen<br />

mit Anhänger geht es dann einige Minuten später nicht<br />

weiter. Die Insassen wollen nach Deutschland, sie können<br />

außer ihren Ausweisen aber keine Arbeitsbestätigungen<br />

oder Ausnahmegenehmigung vorweisen. Der<br />

junge Milizsoldat übergibt die Angelegenheit daher an<br />

zwei Polizisten, die einige Meter weiter die Angaben<br />

prüfen – und die Fahrzeuge kurz darauf zurück nach<br />

Ungarn schicken. „Ohne Bestätigung oder Genehmigung<br />

gibt es momentan keine Ein- und Durchreise“, sagt<br />

Philipp Thalmeier, ehe er sich dem nächsten Fahrzeug<br />

zuwendet.<br />

Eine ärztliche Bestätigung oder einen Kontroll- oder<br />

Untersuchungstermin braucht es auch, um an Marcel<br />

Wetschka und David Dienbauer vorbeizukommen. Die<br />

beiden Rekruten versehen ihren Grundwehrdienst an<br />

der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt,<br />

seit einer Woche unterstützen sie das Personal des<br />

VIELE FACETTEN Das Bundesheer führt im Rahmen seines<br />

Covid-19-Einsatzes Grenzkontrollen durch. Soldaten und Zivilbedienstete<br />

helfen aber auch bei der Triage an den Eingängen<br />

von Krankenhäusern, bei der Botschaftsbewachung, sie nähen<br />

Mund-Nasen-Masken und helfen in vielen anderen Bereichen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

nur wenige hundert Meter entfernt<br />

liegenden Landesklinikums bei der<br />

Triage am Patienteneingang. Jeder,<br />

der ins Haus möchte, muss zuerst zu<br />

den beiden Soldaten. Sie messen die<br />

Körpertemperatur, anschließend führen<br />

sie eine Kurzanamnese durch.<br />

„Haben Sie irgendwelche Beschwerden?<br />

Husten? Schnupfen oder<br />

Durchfall? Kurzatmigkeit? Geruchsoder<br />

Geschmacksstörungen? Nehmen<br />

Sie fiebersenkende Medikamente?“<br />

Wer eine der Fragen mit „Ja“ beantwortet,<br />

gilt als potenzieller Corona-<br />

Verdachtsfall und wird vom Pflegepersonal<br />

eingehender befragt und<br />

untersucht. Alle anderen bekommen<br />

von Marcel Wetschka und David<br />

Dienbauer ein hellgrünes Band um<br />

das Armgelenk gelegt und dürfen<br />

passieren. „Die meisten Leute haben<br />

Verständnis für das Prozedere und<br />

die Maßnahmen“, sagt Marcel<br />

Wetschka, nachdem er die<br />

Chronologie eines Einsatzes<br />

In den vergangenen Wochen und Monaten waren Bundesheer-Soldaten in<br />

unterschiedlichsten Bereichen im Covid-19-Einsatz. Ein kurzer Rückblick.<br />

9.1.<br />

Das chinesische Staatsfernsehen<br />

berichtet, dass die Ausbreitung einer<br />

mysteriösen Lungenkrankheit in<br />

der zentralchinesischen Metropole<br />

Wuhan auf ein neuartiges Corona -<br />

virus zurückgehen könnte. Die volle<br />

Gensequenz sei bei einem Patienten<br />

identifiziert und bei 15 weiteren<br />

Erkrankten bestätigt worden.<br />

20.1.<br />

Das Virus breitet sich in China aus, offiziell<br />

ist nun von 201 Patienten die<br />

Rede. Erstmals wird auch ein Fall aus<br />

Südkorea gemeldet, Thailand meldet<br />

zwei Infektionen und Japan einen Fall.<br />

Laut dem Europäischen Zentrum für<br />

Krankheitskontrolle (ECDC) ist die<br />

„Wahrscheinlichkeit eines Imports<br />

des Virus in die EU gering“.<br />

2.2.<br />

Frankreich fliegt zahlreiche EU-Bürger<br />

aus China aus, darunter auch sieben<br />

Österreicher. Das Außenministerium<br />

ersucht das Verteidigungsministerium<br />

um Weitertransport der österreichischen<br />

Staatsbürger von Frankreich<br />

nach Österreich, der Transport wird<br />

vom Bundesheer mit einer C-130<br />

Hercules durchgeführt.<br />

25.2.<br />

Das Bundesheer trifft Maßnahmen,<br />

die zur Erhöhung der Bereitschaft<br />

erforderlich sind. „Sollte das Bundesheer<br />

zur Assistenz angefordert<br />

werden, können unsere Soldatinnen<br />

und Soldaten rasch reagieren und<br />

umfassend helfen“, sagt Verteidigungsministerin<br />

Klaudia Tanner nach<br />

einem Treffen mit dem Generalstab.<br />

9.3.<br />

Rund 110.000 Menschen in 100 Ländern<br />

haben sich bereits mit dem<br />

Coronavirus angesteckt, in Österreich<br />

sind es 112. Polizei und Bundesheer<br />

stehen seit Tagen in permanenter Abstimmung.<br />

Soldaten des Bundesheeres<br />

unterstützen ab sofort die Hotlines<br />

der AGES; der Agentur für Gesundheit<br />

und Ernährungssicherheit.<br />

12.3.<br />

In Österreich stirbt erstmals ein<br />

Covid-19-Patient. Das Bundesheer<br />

setzt die Stellung aus und verstärkt<br />

seinen Einsatz zur Bewältigung der<br />

Coronakrise. Soldaten helfen etwa<br />

beim gesundheitsbehördlichen<br />

Abreisemanagement ausländischer<br />

Urlaubsgäste und unterstützen die<br />

Polizei bei Grenzkontrollen.<br />

15.3.<br />

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner<br />

verkündet die Teilmobilisierung<br />

der Miliz und die Verlängerung des<br />

Präsenzdienstes für alle Grundwehrdiener,<br />

die Ende März abgerüstet hätten.<br />

Soldaten helfen nun auch bei der<br />

Produktion von Desinfektionsmitteln<br />

und bei der Lagerlogistik heimischer<br />

Lebensmittelkonzerne.<br />

19.3.<br />

Rund 1.000 Soldaten und Zivilbedienstete<br />

stehen mittlerweile im<br />

Covid-Einsatz. Ab sofort übernehmen<br />

Soldaten auch den Schutz von Botschaften<br />

und ähnlichen Objekten in<br />

Wien von der Polizei. Tags darauf<br />

aktiviert das Innenministerium den<br />

Assistenzeinsatz des Heeres für<br />

ganz Österreich.<br />

29.3.<br />

Die Unterstützung der Lebensmittelketten<br />

zur Versorgung der Supermärkte<br />

endet. Der Einsatz hatte am<br />

14. März begonnen, zum Höchststand<br />

waren 753 Soldaten sowie Zivilbedienstete<br />

in insgesamt 31 Lagern in<br />

allen neun Bundesländern eingesetzt.<br />

Mit 3. April beginnt die Produktion<br />

eigener Gesichtsmasken.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Schutzkappe eines digitalen Fieberthermometers<br />

gewechselt hat. Selten<br />

beschwere sich jemand. Manchmal<br />

komme es sogar zu witzigen oder<br />

skurrilen Situationen wie vor ein<br />

paar Tagen, als plötzlich ein Häftling<br />

mit angelegten Handschellen in<br />

Begleitung eines Polizisten vor ihm<br />

stand. Besonders in Erinnerung geblieben<br />

ist dem Soldaten auch eine<br />

schwangere Frau, die sich ganz hinten<br />

in der Warteschlange vor dem<br />

Eingang angestellt hat. Der junge<br />

Niederösterreicher lächelt: „Als sie<br />

an der Reihe war, hat sie in aller Ruhe<br />

erzählt, dass vorhin ihre Fruchtblase<br />

geplatzt ist und sie bitte zur Geburt<br />

ins Krankenhaus möchte.“<br />

Foto : P i x a by<br />

11.4.<br />

insgesamt helfen aktuell rund 1.400<br />

Soldaten im inland, um die auswirkungen<br />

des Coronavirus zu bewältigen,<br />

etwa bei Gesundheitschecks<br />

wie Fiebermessen, Unterstützung<br />

beim Reisemanagement, organisation<br />

von transporten, botschaftsbewachung<br />

oder stehen an den<br />

Grenzen Österreichs im Einsatz.<br />

15.5.<br />

Laut einer Zwischenbilanz hat das<br />

bundesheer seit ausbruch der Corona-Pandemie<br />

rund 1,2 Millionen<br />

arbeitsstunden geleistet. alleine im<br />

sicherheitspolizeilichen assistenzeinsatz<br />

waren zum Höchststand 1.736<br />

Soldaten eingesetzt, bei Gesundheitsbehören<br />

kamen zum Höchststand<br />

664 Soldaten zum Einsatz.<br />

18.5.<br />

Der Milizeinsatz startet: Rund 1.400<br />

Milizsoldaten übernehmen in allen<br />

bundesländern ihre Einsatzaufgaben.<br />

Zwei tage zuvor übernahm das bundesheer<br />

den betrieb des Post-Logistikzentrums<br />

in Hagenbrunn, da es<br />

dort viele Corona-infektionen gab.<br />

am 19. Mai übernimmt das bundesheer<br />

auch das Postzentrum inzersdorf.


0 1 4 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

Marcel Wetschka empfindet seine<br />

Tätigkeit hier am Eingang des Landesklinikums<br />

als „gut und wichtig“,<br />

er könne damit der Allgemeinheit<br />

„etwas zurückgeben“. Als am 25. Februar<br />

in Tirol eine 24-jährige Angestellte<br />

eines Hotels und ihr gleichaltriger<br />

Freund nach einem Italien-Aufenthalt<br />

als erste Coronafälle Österreichs<br />

positiv getestet wurden, hätte<br />

er sich „aber nicht im Traum“ vorstellen<br />

können, dass er drei Monate<br />

später hier bei der Triage helfen würde.<br />

Hinter den Kulissen liefen damals<br />

allerdings schon die Planungen für<br />

einen möglichen Einsatz des Bundesheeres.<br />

Es wurden erste Maßnahmen<br />

zur Erhöhung der Bereitschaft getroffen,<br />

Soldaten im Auslandseinsatz<br />

durften auf Befehl von Streitkräftekommandant<br />

Generalleutnant Franz<br />

Reißner ihren Sonderurlaub nur<br />

mehr in Österreich verbringen und<br />

Verteidigungsministerin Klaudia<br />

Tanner (siehe auch Interview auf<br />

Seite 22/23) verkündete nach einem<br />

Treffen mit dem Generalstab: „Sollte<br />

das Bundesheer angefordert werden,<br />

können unsere Soldatinnen und Soldaten<br />

rasch reagieren und umfassend<br />

helfen.“<br />

Einige Tage später war es so weit: Ab<br />

Anfang März verstärkten Soldaten<br />

und Zivilbedienstete die Hotlines der<br />

AGES, sie halfen beim gesundheitsbehördlichen<br />

Abreisemanagement<br />

SCHUTZ UND HILFE Hauptmann Eric Lang (Bild unten) ist Kommandant der 1. Kompanie<br />

des Jägerbataillons Wien 2. Mit seinen Milizsoldaten unterstützt er die Polizei beim Grenzmanagement<br />

und bei der Überwachung der grünen Grenze. Gemeinsam mit einem Kameraden<br />

kontrolliert Gefreiter Philipp Thalmeier (oben im Bild) Arbeitsbestätigungen und Ausweise.<br />

von ausländischen Urlaubsgästen<br />

und beim Grenzmanagement. Sie<br />

unterstützten die Lagerlogistik der<br />

großen Lebensmittelversorger, die<br />

Stellung wurde ausgesetzt und Mitte<br />

März verkündete Verteidigungsministerin<br />

Tanner schließlich die Verlängerung<br />

des Präsenzdienstes für<br />

mehr als 2.000 Grundwehrdiener um<br />

zwei Monate. Erstmals mobilisierte<br />

sie außerdem Teile der Miliz, um die<br />

„Fortführung des Einsatzes auch<br />

nach Abrüsten der verlängerten<br />

Grundwehrdiener sicherzustellen“.<br />

Hauptmann Eric Lang lächelt. Der<br />

Offizier ist Kommandant der 1.<br />

Kompanie des Jägerbataillons Wien 2<br />

und verlegte in den vergangenen<br />

Tagen mit seinen Soldaten von der<br />

Einsatzvorbereitung am Truppenübungsplatz<br />

Allentsteig in die Martin-Kaserne<br />

nach Eisenstadt. „Eine<br />

derartige Situation hat sich natürlich<br />

niemand gewünscht“, sagt er im<br />

Gespräch mit Militär Aktuell. „Aber<br />

es erfüllt mich mit Stolz, dass wir<br />

nun unserer Bevölkerung Hilfe leisten<br />

können. Genau für Einsätze dieser<br />

Art wurden wir ausgebildet.“ Unter<br />

seinen „Zivilisten in Uniform“ befinden<br />

sich Angestellte und Arbeiter<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


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0 1 6 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

aus den unterschiedlichsten Bereichen<br />

und Sparten, Musiker, Rechtsgelehrte<br />

und sogar ein Arzt, wie Lang<br />

betont. Die beiden Soldaten am<br />

Grenzübergang Klingenbach gehören<br />

ebenso dazu wie drei junge Soldaten,<br />

die auf einem Beobachtungsturm (im<br />

Soldatensprech „Baywatch“ genannt)<br />

auf einer Anhöhe hinter der kleinen<br />

Ortschaft Siegendorf durch eine<br />

Wärmebildkamera bis weit hinein in<br />

die ungarische Tiefebene blicken.<br />

Selbst kleinste Temperaturunterschiede<br />

sind damit sichtbar, Menschen<br />

und Tiere heben sich klar von<br />

ihrer Umgebung ab. Aufgabe der Soldaten<br />

ist die Bewachung der grünen<br />

Grenze, sie sollen illegale Grenzübertritte<br />

verhindern.<br />

Das hat streng genommen mit der<br />

Bewältigung der Coronapandemie<br />

nicht viel zu tun, entlastet aber die<br />

anderen Kräfte des Heeres, spielt sie<br />

gewissermaßen für andere Aufgaben<br />

frei, wie Eric Lang erklärt. Obwohl<br />

die Zahl der illegalen Grenzübertritte<br />

laut Hauptmann Robert Kulterer von<br />

der Pressestelle des Militärkommandos<br />

Burgenland seit Wochen gegen<br />

Null tendiert („Kein Vergleich zum<br />

ersten Quartal, als wir alleine im<br />

Burgenland zirka 800 Aufgriffe hatten<br />

– mehr als die Hälfte des gesamten<br />

vergangenen Jahres“), gelte es die<br />

Lage im Blick zu behalten. „Die Zahlen<br />

werden schon bald wieder steigen.“<br />

Um darauf vorbereitet zu sein, hat<br />

Kompaniekommandant Lang seinen<br />

Soldaten ein forderndes Dienstrad<br />

auferlegt. Auf acht Stunden im Einsatz<br />

folgen sechs Stunden Ruhe, dann<br />

wieder acht Stunden Dienst. „Unter<br />

dem Strich kommen meine Soldaten<br />

damit auf 80 bis 90 Stunden Einsatzzeit<br />

in sechs Tagen, anschließend<br />

haben sie zwei Tage frei“, so Lang.<br />

Wie die meisten anderen Bundesheer-Angehörigen<br />

auch tragen die<br />

Soldaten von Hauptmann Lang während<br />

des Covid-Einsatzes spezielle<br />

Mund-Nasen-Masken in Camouflage-Optik.<br />

Hergestellt werden diese<br />

unter anderem in einer kleinen<br />

Schneiderei des Militärkommandos<br />

Wien in der der Breitenseer Straße<br />

im 14. Bezirk. Leiterin Maria Paul<br />

Von der<br />

Attischen Seuche<br />

bis zu Covid-19<br />

In den vergangenen Jahrtausenden<br />

machten der Menschheit immer wieder<br />

verheerende Epidemien und<br />

Krankheiten zu schaffen.<br />

Ein Überblick.<br />

SCHWARZER TOD – 25 MILLIONEN TOTE<br />

Die vermutlich über Handelsrouten aus Zentralasien<br />

eingeschleppte Pest verbreitete sich in den Jahren<br />

1347 bis 1353 in Wellen über ganz Europa und<br />

tötete mit 25 Millionen Menschen rund ein Drittel<br />

der damaligen Bevölkerung.<br />

GROSSE PEST – 1 MILLION TOTE<br />

Die Epidemie verbreitete sich während des Großen<br />

Nordischen Kriegs in Nord- und Osteuropa. Besonders<br />

betroffen war die Hafenstadt Danzig, wo von<br />

Juli bis Dezember 1708 knapp die Hälfte der 50.000<br />

Einwohner starb.<br />

DRITTE PEST-EPIDEMIE – 12 MILLIONEN TOTE<br />

Die nach der Justinianischen Pest vom 6. bis zum<br />

8. Jahrhundert und dem Schwarzen Tod im 14.<br />

Jahrhundert dritte Pest-Pandemie begann Ende<br />

des 19. Jahrhunderts in China und forderte bis<br />

zum Jahr 1911 weltweit rund 12 Millionen Menschenleben.<br />

ASIATISCHE GRIPPE – 2 MILLIONEN TOTE<br />

Die zweitschlimmste Influenza-Pandemie<br />

des 20. Jahrhunderts brach 1957 vermutlich<br />

in China aus, weltweit fielen ihr bis<br />

zu zwei Millionen Menschen zum Opfer.<br />

CHOLERA – 5 MILLIONEN TOTE<br />

Im Jahr 1961 begann in Indonesien die<br />

siebte Cholera-Pandemie seit 1817. Sie<br />

dauert bis heute an, laut WHO sterben<br />

jedes Jahr bis zu 120.000 Menschen an<br />

der Krankheit.<br />

JUSTINIANISCHE PEST –<br />

12 MILLIONEN TOTE<br />

Von Mitte des 6. bis ins späte 8. Jahrhundert<br />

wüteten insgesamt 17 Wellen<br />

der Lungen- und Beulenpest im gesamten<br />

Mittelmeerraum, in Europa<br />

und Vorderasien. Wie viele Tote sie<br />

gefordert haben wird aktuell von Historikern<br />

viel diskutiert, Schätzungen<br />

gehen von 12 Millionen bis zu<br />

100 Millionen Todesfällen aus.<br />

POCKEN – 8 MILLIONEN TOTE<br />

Europäische Eroberer brachten die<br />

am „Alten Kontinent” bereits weit<br />

verbreitete Krankheit zu Beginn des<br />

16. Jahrhunderts nach Amerika mit,<br />

die Folgen für die indigene Bevölkerung<br />

waren dramatisch: Zwischen<br />

25 und 90 Prozent der amerikanischen<br />

Ureinwohner sollen den<br />

Pocker zum Opfer gefallen sein.<br />

EBOLA – 11.314 TOTE<br />

Im Jahr 1976 erstmals entdeckt,<br />

sorgte der Ausbruch Mitte der<br />

2010er-Jahre für die (bislang) meisten<br />

Todesopfer. Von 28.639 Infizierten<br />

in mehreren westafrikanischen<br />

Ländern sind laut WHO 11.314 verstorben.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


500 v. Chr.<br />

ATTISCHE SEUCHE – 100.000 TOTE<br />

Die Epidemie wütete während der Belagerung durch<br />

die Spartaner in den Jahren 430 – 426 v. Chr. in<br />

Athen. Der Erreger wurde nie eindeutig identifiziert,<br />

der Krankheit dürfte aber mehr als ein Viertel der<br />

Einwohner der Stadt zum Opfer gefallen sein und sie<br />

war wohl für die Niederlage Athens entscheidend.<br />

CORONA<br />

SPEZIAL<br />

Jahr 0<br />

AIDS (HIV) – 39 MILLIONEN TOTE<br />

HIV verursacht beim Menschen<br />

die Immunschwäche Aids, die laut<br />

Joint United Nations Programme<br />

on HIV/AIDS (UNAIDS) bisher<br />

rund 39 Millionen Menschenleben<br />

gefordert hat.<br />

ANTONINISCHE PEST – 10 MILLIONEN TOTE<br />

Nach ihrem Sieg gegen die Parther von römischen Legionären<br />

aus Mesopotamien eingeschleppt, wütete die Krankheit<br />

– vermutlich handelte es sich um Pocken oder Masern –<br />

24 Jahre lang im Römischen Reich. Sie tötete im Jahr 180<br />

wahrscheinlich auch Kaiser Mark Aurel in Vindobona.<br />

500 n. Chr.<br />

GROSSE PEST VON LONDON – 100.000 TOTE<br />

Nachdem es in den Jahren davor immer wieder zu kleineren<br />

Ausbrüchen kam, starben bei dieser Pest-Epidemie<br />

in Südengland rund 100.000 Menschen, davon<br />

75.000 in London, was rund einem Fünftel der Stadtbevölkerung<br />

entsprach. „Robinson Crusoe“-Autor<br />

Daniel Defoe verfasste zu den Ereignisse mit „Die<br />

Pest zu London“ einen Klassiker der Welliteratur.<br />

1000 n. Chr.<br />

FLECKFIEBER – 32.000 TOTE<br />

Verfolgt von russischen Truppen grassierte<br />

unter den Soldaten von Napoleons Grande<br />

Armée im Jahr 1813 auf ihrem Rückzug aus Russland<br />

das Fleckfieber. Neben 16.000 Soldaten<br />

zählten ebenso viele Zivilisten zu den Opfern.<br />

SARS – 774 TOTE<br />

Das erste Auftreten des SARS-Coronavirus<br />

gilt als erste Pandemie des 21. Jahrhunderts.<br />

Weltweit starben insgesamt 774 Menschen<br />

an der Krankheit.<br />

1500 n. Chr.<br />

SCHWEINEGRIPPE – 575.000 TOTE<br />

Der zuvor unbekannte Influenzavirus-<br />

Subtyp verbreitete sich ab 2009 ausgehend<br />

von Mexiko weltweit. Laut<br />

offiziellen Zahlen starben 18.449 Menschen<br />

an der Schweinegrippe (darunter<br />

40 in Österreich), aktuelle<br />

Untersuchungen gehen von bis<br />

zu 575.400 Toten aus.<br />

2000 n. Chr.<br />

COVID-19 – 400.000 TOTE<br />

Ausgehend von der chinesischen Millionenstadt<br />

Wuhan verbreitete sich die Pandemie ab Ende 2019<br />

über die ganze Welt. Am 11. März <strong>2020</strong> erklärte die<br />

WHO die Ausbreitung des Virus zur Pandemie, am<br />

2. April übersprang die Zahl der bestätigten Covid-19-<br />

Fälle die Millionengrenze. Forscher gehen allerdings<br />

von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, weltweit<br />

wurde die Zahl der Todesopfer zu Redaktionsschluss<br />

auf rund 400.000 geschätzt.<br />

SPANISCHE GRIPPE –<br />

50 MILLIONEN TOTE<br />

Die Influenza-Pandemie brach in<br />

den letzten Monaten des 1. Weltkriegs<br />

aus und infizierte weltweit<br />

in drei Wellen rund 500 Millionen<br />

Menschen. Offiziell kostete die<br />

Spanische Grippe 50 Millionen<br />

Menschenleben, manche Experten<br />

vermuten bis zu 100 Million Tote.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 8 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

und ihre insgesamt acht Mitarbeiterinnen<br />

nähen dort im Normalfall die<br />

Parade auf die Uniformen von Gardesoldaten,<br />

sie fertigen Schießfahnen<br />

und Vorhänge für die Kasernen, ändern<br />

die Waffenfarbe auf Uniformen<br />

und setzen beschädigte Schlafsäcke<br />

instand. Seit Anfang April stehen<br />

nun aber die Masken ganz oben auf<br />

ihrer Prioritätsliste. „Alles andere<br />

muss einstweilen liegen bleiben“, sagt<br />

Maria Paul, „die Masken sind wichtiger“.<br />

Der Stoff („ein Uniformstoff,<br />

der aus einer Erprobungsphase<br />

stammt“) wird von der Heeresbekleidungsanstalt<br />

Brunn in der benötig-<br />

ten Größe angeliefert. Auch die<br />

Gummibänder und Drahtstäbchen<br />

für besseren Halt der Maske an Nase<br />

und Wangenknochen kommen bereits<br />

vorgeschnitten in die Schneiderei.<br />

Dort landen die fertigen Masken<br />

beinahe im Akkord auf einem Stapel:<br />

Zuerst muss der Stoff gebügelt werden,<br />

damit er doppellagig vernäht<br />

werden kann. Anschließend werden<br />

die Gummibänder und das Drahtstäbchen<br />

eingenäht, der Stoff wird in<br />

Falten gelegt und fixiert. Bei den<br />

Mitarbeiterinnen sitzt jeder Handgriff,<br />

hätten sie einen Wunsch frei,<br />

würden sie sich aber etwas Abwechslung<br />

wünschen. „Ganz ehrlich“, sagt<br />

Schneiderin Gabriela Graf und<br />

schmunzelt. „Ich kann keine Masken<br />

mehr sehen, ich träume schon davon.“<br />

Nachsatz: „Aber damit geht es<br />

mir wohl nicht viel anders als den<br />

Soldaten draußen und den meisten<br />

anderen Österreicherinnen und<br />

Österreichern.“<br />

Weiter geht’s auf Seite 22<br />

UNGEWOHNTES BILD Die beiden Rekruten<br />

Marcel Wetschka und David Dienbauer<br />

sind für die Triage am Eingang des Landesklinikums<br />

Wiener Neustadt zuständig. Sie messen<br />

die Körpertemperatur von Personen, die<br />

ins Spital möchten, und führen eine erste<br />

Kurzanamnese durch.<br />

Auch im Ausland<br />

waren viele Bundesheer-Soldaten<br />

mit<br />

der Coronakrise<br />

konfrontiert.<br />

Ein Gespräch mit<br />

Oberst des höheren<br />

militärfachlichen<br />

Dienstes Nikolaus<br />

Rottenberger,<br />

Verteidigungsattaché<br />

in Rom.<br />

Herr Oberst Rottenberger, wann<br />

landete das Thema Coronavirus<br />

erstmals auf ihrem Schreibtisch?<br />

Wir waren hier in Rom ab Ende Jänner<br />

von den ersten Coronavirus-Fällen informiert.<br />

Zu diesem Zeitpunkt war die<br />

Dimension und spätere Entwicklung<br />

der Pandemie natürlich noch nicht absehbar<br />

und nicht vorstellbar. Ab Mitte<br />

Februar wurden dann allerdings bei<br />

den zentralen Regierungsstellen die<br />

gesteigerten Aktivitäten mit Blick auf<br />

die Situation in Oberitalien bemerkbar,<br />

da waren auch bereits die italienischen<br />

Streitkräfte in die Entwicklung<br />

eingebunden. Ich habe daher schon<br />

zu diesem Zeitpunkt mit der Erstellung<br />

eines Lagebildes begonnen und wie<br />

wir wissen herrschte dann ab 9. März<br />

der Ausnahmezustand.<br />

Für Sie war also relativ schnell klar,<br />

dass Sie das Thema Corona länger<br />

beschäftigen wird?<br />

Soldaten sind üblicherweise gewohnt,<br />

in Worst-Case-Szenarien zu denken,<br />

und so war ich ab Mitte Februar mental<br />

auf eine derartige Entwicklung<br />

vorbereitet. Parallel dazu mussten wir<br />

unseren Fokus aber auch auf die sich<br />

zuspitzende Lage an der griechischtürkischen<br />

Grenze richten, die meine<br />

Mitarbeiter und mich ebenfalls massiv<br />

beschäftigt hat.<br />

M I L I T Ä R a k T U E L L


CORONA<br />

SPEZIAL<br />

„Bei uns liefen<br />

mehrere Krisen parallel“<br />

Foto : b e i g e st e l lt<br />

Oberst des höheren<br />

militärfachlichen dienstes<br />

nikOlaus rOttenberger<br />

ist seit 2016 Militärattaché für Italien,<br />

Malta, Spanien, Albanien und<br />

Griechenland mit Sitz in Rom.<br />

dazu muss man wissen, dass neben italien<br />

auch griechenland, malta, albanien<br />

und spanien zu ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

gehören. Wirkte sich die ausbreitung<br />

des coronavirus in irgendeiner<br />

form auf die flüchtlingssituation in<br />

diesen ländern aus?<br />

Wie aus den Medien bekannt, ist die<br />

Flüchtlings- und Migrationssituation in<br />

einigen südlichen eU-ländern wie beispielsweise<br />

griechenland prekär. Andere<br />

wie etwa spanien kommen mit der situation<br />

gut zurecht. insgesamt hat die Ausbreitung<br />

der Pandemie die Flüchtlingsund<br />

Migrationsbewegung weitgehend<br />

zum erliegen gebracht. Dies hängt neben<br />

der Zurückhaltung der Flüchtlinge und<br />

Migranten auch mit dem vorsichtigen Verhalten<br />

der schlepper und dem kompletten<br />

erliegen des Personenverkehrs an den<br />

land- und seegrenzen zusammen.<br />

ist der rückgang der flüchtlingszahlen<br />

auch der grund dafür, dass sich die<br />

türkei-griechenland-Problematik,<br />

die sie zuvor bereits angesprochen<br />

haben, zuletzt etwas entspannt hat?<br />

Die grundsätzliche lage hat sich für griechenland<br />

nicht verändert, ich konnte mir<br />

noch Anfang März selbst ein bild vor ort<br />

machen. Jedoch wartet die Masse der<br />

Flüchtlinge und Migranten auf türkischer<br />

seite den beginn der lockerungen der<br />

Corona-Maßnahmen ab. Dann ist aber<br />

wieder mit einem verstärkten Zustrom<br />

an den grenzen zu rechnen.<br />

Zu den aufgaben eines militärattachés<br />

gehört die informationsbeschaffung<br />

und informationsaufbereitung über<br />

Vorgänge in den empfangsstaaten<br />

ebenso wie hilfestellung für österreichische<br />

staatsbürger im ausland bei<br />

krisenfällen. das heißt, sie hatten in<br />

den vergangenen Wochen alle hände<br />

voll zu tun?<br />

Ja, denn neben den Herausforderungen<br />

der Flüchtlings- und Migrationssituation<br />

fand die Krise an der griechisch-türkischen<br />

grenze parallel zur Ausbreitung der Pandemie<br />

statt. es liefen bei uns also mehrere Krisen<br />

parallel. Als Militärattaché unterstütze<br />

ich meine vorgesetzten Dienststellen in<br />

Österreich und meine botschafter sowohl<br />

bei der informationsgewinnung als auch<br />

-aufbereitung. Zusätzlich bin ich das bindeglied<br />

zu unseren Partnerstreitkräften in meinen<br />

gaststaaten. Für die österreichischen<br />

staatsbürger fühlen wir uns alle in den<br />

botschaften verantwortlich, mein büro hat<br />

dabei konkret die evakuierungsflüge aus<br />

italien unterstützt, aber auch die Rückkehr<br />

österreichischer soldaten, die hier im<br />

einsatz oder in der Ausbildung waren.<br />

in italien kam relativ schnell auch die<br />

armee im kampf gegen die ausbreitung<br />

des Virus zum einsatz. inwiefern<br />

konnten sie rückschlüsse aus dem<br />

einsatz und der situation vor Ort nach<br />

österreich weitergeben?<br />

in italien waren schon vor dem Ausbruch<br />

der Pandemie permanent 7.000 soldaten<br />

der operation „sichere straßen“ im inlandseinsatz.<br />

Diese Präsenz hat der Regierung<br />

von Anfang an sehr geholfen. schon<br />

ab Mitte Februar haben die streitkräfte in<br />

ganz italien 5.000 betten für die Quarantänemaßnahmen<br />

anbieten können, darüber<br />

hinaus wurden sanitätseinrichtungen und<br />

transportraum zur Verfügung gestellt. Da<br />

die Maßnahmen rund drei Wochen vor<br />

beginn des lockdowns in Österreich<br />

umgesetzt wurden, ergaben sich für das<br />

bundesheer einige interessante Aspekte,<br />

etwa beim truppenschutz und der Ausbildung.<br />

abschließend: Wenn sich die sicherheitslage<br />

verschärft und krisensituationen<br />

wie aktuell die corona-Pandemie<br />

eintreten, sollte es eigentlich Ziel sein,<br />

die internationale Zusammenarbeit auszubauen,<br />

um gefahren für österreich<br />

frühzeitig erkennen und die eigeninteressen<br />

der republik bestmöglich wahren<br />

zu können. rechnen sie in Zukunft<br />

mit einem bedeutungsanstieg der<br />

militärdiplomatie?<br />

eindeutig ja. gerade bei Verschärfungen<br />

der sicherheitslage und in Krisen ist ein<br />

enger Kontakt mit unseren Partnern im Ausland<br />

zu halten. Neben der Notwendigkeit,<br />

der strategischen ebene im generalstab,<br />

im Verteidigungsministerium und der<br />

österreichischen bundesregierung ein<br />

möglichst lückenloses lagebild zu bieten,<br />

muss auf ebene der Ministerien und der<br />

streitkräfte das internationale Kontaktnetz<br />

intakt bleiben. Nur so können aktuelle entwicklungen<br />

erfasst sowie informationen<br />

und erfahrungen ausgetauscht werden.<br />

Auch können so die Maßnahmen an unseren<br />

grenzen und darüber hinaus sowie nationale<br />

und internationale Hilfeleistungen<br />

mit unseren Partnerländern wirkungsvoll<br />

abgestimmt werden. Diese Vernetzung<br />

stellt die Militärdiplomatie durch das Netz<br />

der Militärattachébüros weltweit sicher.<br />

m i l i t ä r a k t u e l l


0 2 0 h e e r &<br />

M<br />

e h r<br />

„Wir haben noch keine<br />

,Waffe‘ gegen das Virus“<br />

brigadier sylvia sperandio leitet das militärische Gesundheitswesen<br />

des bundesheeres und hat vor dem Jahreswechsel bereits vor den<br />

Gefahren einer Pandemie gewarnt.<br />

Frau Brigadier sperandio, in den<br />

analysen des Bundesheeres gilt eine<br />

pandemie neben Terrorattacken und<br />

einem großflächigen Blackout seit<br />

Jahren als größte Bedrohung für die<br />

österreichische Bevölkerung. Wie<br />

sehr hat es sie überrascht, dass sich<br />

das virus so schnell ausgebreitet hat?<br />

als Militärärztin setzt man sich mit Pandemien<br />

und ihren auswirkungen vermehrt<br />

auseinander und weiß, dass die<br />

rasche ausbreitung eines erregers ein<br />

stetes risiko darstellt. die bedrohlichkeit,<br />

die von sars-Cov-2 ausgeht, rührt<br />

vor allem daher, dass es sich dabei um<br />

einen erreger handelt, den wir noch<br />

nicht kennen. Wir haben weder ein<br />

Medikament noch einen impfstoff<br />

dagegen. Mit den Worten des Militärs<br />

ausgedrückt: Wir haben zum jetzigen<br />

Zeitpunkt noch keine geeignete „Waffe“<br />

gegen dieses virus.<br />

Brigadier sylvia sperandio leitet<br />

die Abteilung für militärisches Gesundheitswesen<br />

im Bundesheer. Sie war weltweit in<br />

Krisenregionen zur humanitären Katastrophenhilfe<br />

als Expertin des United Nations<br />

Disaster Assessment Coordination Teams<br />

und des European Civil Protection Teams<br />

im Einsatz.<br />

in der im dezember erschienenen<br />

„sicherheitspolitischen Jahresvorschau<br />

<strong>2020</strong>“ haben sie bereits vor<br />

den auswirkungen einer pandemie<br />

gewarnt und die vorbereitungen<br />

Österreichs darauf als unzureichend<br />

kritisiert. in welchen Bereichen wurden<br />

ihre Befürchtungen bestätigt?<br />

ich habe in meinem bericht angesprochen,<br />

dass Pandemie-, katastrophenund<br />

krisenpläne regelmäßig evaluiert<br />

werden müssen. der letzte influenza-<br />

Pandemieplan stammt aus dem Jahr<br />

2006. aktualisierte krisenpläne ermöglichen<br />

ein rasches hochfahren der nationalen<br />

krisenstäbe, da die ressourcen<br />

und kompetenzen der stakeholder wie<br />

beispielsweise des bundesheeres bekannt<br />

sind, in denen auch die aktuellen<br />

infrastrukturellen Änderungen berücksichtigt<br />

werden. viele der militärischen<br />

krankenanstalten, die im Fall einer<br />

Pandemie das zivile Gesundheitssystem<br />

mit zusätzlichen bettenkapazitäten unterstützen<br />

könnten, haben wir leider<br />

heute nicht mehr, nachdem basierend<br />

auf einem rechungshofbericht massive<br />

einsparungen und reduktionen durchgeführt<br />

wurden. aufgrund meiner auslandseinsätze<br />

und ausbildungen, die ich<br />

bei der uno und in der eu absolviert<br />

habe, weiß ich, dass man alle strukturen<br />

gut kennen sollte, die einen im ernstfall<br />

unterstützen könnten. im idealfall kennt<br />

man seine direkten ansprechpartner.<br />

inwieweit stand die Bekämpfung<br />

einer möglichen pandemie in den vergangenen<br />

Jahren auf der agenda des<br />

Bundesheeres?<br />

Wir haben versucht, das thema im Fokus<br />

zu behalten und auch darauf hingewiesen,<br />

dass für den Fall einer Pandemie gewisse<br />

vorbereitungen zu treffen wären.<br />

hierzu finde ich eine engmaschige<br />

abstimmung mit dem zivilen Gesundheitswesen<br />

wünschenswert. ob die<br />

vorhandenen krisenpläne auch wirklich<br />

durchführbar sind und funktionieren,<br />

kann im rahmen von Übungen oder<br />

Planspielen realitätsnah überprüft<br />

werden.<br />

provokant gefragt: Hat es so eine<br />

pandemie gebraucht, um ein<br />

Bewusstsein für die Thematik zu<br />

schaffen und die vorsorge- und<br />

Krisenpläne auf den neuesten stand<br />

zu bringen und zu evaluieren?<br />

Weil wir zu einem gewissen Grad alle<br />

von der krise betroffen sind, ist das<br />

bewusstsein momentan sehr groß. ich<br />

denke aber, dass dieses wieder abflachen<br />

wird, weil wir in Österreich glücklicherweise<br />

nicht viele todesfälle und<br />

infizierte hatten. das ist ungefähr so wie<br />

Foto : b u n d e s h e e r / ka r lov i ts<br />

M i l i T Ä r a K T u e l l


mit den guten Vorsätzen zu Silvester.<br />

Auch die verflüchtigen sich in der Regel<br />

schnell wieder und man fällt in alte Muster<br />

zurück. Deshalb ist es wichtig, jetzt<br />

an das vorhandene Bewusstsein anzudocken<br />

und alle relevanten Möglichkeiten<br />

und Krisenpläne zu evaluieren und neu<br />

zu beleben.<br />

Welche Lehren kann das Bundesheer<br />

aus der Situation ziehen?<br />

Auch das Bundesheer muss den Fokus in<br />

Zukunft verstärkt in Richtung Prävention<br />

lenken. Zum Beispiel dann, wenn es um<br />

Schutzausrüstung oder um den raschen<br />

Zugang zu Medikamenten und Impfungen<br />

geht. Das Bewusstsein dafür, dass<br />

es hier noch Optimierungsbedarf gibt,<br />

ist definitiv auch bei uns gestiegen.<br />

Darüber hinaus sollte man sich in Abstimmung<br />

mit dem zivilen Gesundheitswesen<br />

auch überlegen, inwieweit ein<br />

weiter ausgebautes militärisches Gesundheitswesen<br />

künftig als strategische<br />

Reserve eingesetzt werden kann. Ich<br />

spreche hier zum Beispiel von Krankenbetten,<br />

aber auch von geschützten<br />

Transporteinheiten für infizierte Personen<br />

und von mobilen Feldspitälern.<br />

Wie arbeitsintensiv waren die<br />

vergangenen Wochen bei Ihnen?<br />

Die letzten Wochen waren definitiv sehr<br />

arbeitsintensiv, wobei wir sehr auf ein<br />

Thema fokussiert waren. Weil das Bundesheer<br />

eine einsatzorientierte Organisation<br />

ist, war dieses einsatzbezogene<br />

Arbeiten für mich sehr erfüllend – auch<br />

wenn die Zeit sehr fordernd war. Aber<br />

genau diese Herausforderung hat mich<br />

diesen Berufsweg einschlagen lassen.<br />

Trotzdem bin ich jetzt froh darüber, dass<br />

mein Arbeitspensum zuletzt etwas zurückgegangen<br />

ist.<br />

Wie beurteilen Sie die Vorgehensweise<br />

in Österreich? Wurde schnell<br />

genug das Richtige gemacht?<br />

CORONA<br />

SPEZIAL<br />

Eine Gesamtbeurteilung ist aus meiner<br />

Sicht derzeit noch nicht möglich. Wir<br />

befinden uns nach wie vor in einer Krise.<br />

Außerdem ist es wenig sinnvoll, die<br />

Vorgehensweisen der verschiedenen<br />

Länder miteinander zu vergleichen,<br />

weil unglaublich viele Parameter für die<br />

Krisenbewältigung ausschlaggebend<br />

sind. Neben dem Zustand des Gesundheits-<br />

und Sozialsystems spielen<br />

beispielsweise auch geopolitische<br />

Faktoren eine zentrale Rolle. Ich würde<br />

mir deshalb wünschen, dass anstatt<br />

Vergleiche zu ziehen, verstärkt darüber<br />

nachgedacht wird, wie man die gemeinsame<br />

Krisenbewältigung innerhalb<br />

der Europäischen Union weiter verbessern<br />

könnte. Natürlich braucht es bei<br />

vielen Dingen eine nationale Autonomie,<br />

aber es gibt auch Punkte, die in<br />

einer Gemeinschaft einfacher zu lösen<br />

sind.<br />

Zuverlässig und sicher –<br />

Radfahrzeuge für Ihre Mission<br />

DURO<br />

PANDUR<br />

gdels.com<br />

The Transatlantic Partner for Land Defense in Europe


0 2 2 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

Fortsetzung von Seite 18<br />

Das Virus beschäftigte in den<br />

vergangenen Wochen und Monaten<br />

wie wohl kein anderes Thema die<br />

Öffentlichkeit, bei Hunderttausenden<br />

löste es Existenzängste und<br />

Alltagssorgen aus. Laut dem vom<br />

Zentrum für menschenorientierte<br />

Führung und Wehrpolitik des Bundesheeres<br />

mit Unterstützung des<br />

Market Instituts herausgegebenen<br />

„Trend Radar“ empfanden Ende<br />

März 62 Prozent aller Österreicher<br />

das Coronavirus als persönliche Bedrohung.<br />

Bis Anfang Mai ging die<br />

Zahl zwar leicht zurück – konkret<br />

auf 51 Prozent – das Bedrohungsempfinden<br />

war aber immer noch<br />

hoch. Wenig verwunderlich daher,<br />

dass zum selben Zeitpunkt ein Großteil<br />

der Österreicher (88 Prozent) den<br />

Covid-19-Einsatz des Bundesheeres<br />

positiv bewertete. Am höchsten war<br />

die Akzeptanz mit 95 Prozent in<br />

BOTSCHAFTSBEWACHUNG Oberwachtmeister<br />

Markus Derschatta und seine Kameraden<br />

sind für die Dauer ihres Dienstes direkt der<br />

Polizei unterstellt. Die Zusammenarbeit funktioniere<br />

„gut und reibungslos“.<br />

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner<br />

über den laufenden Covid-Einsatz des<br />

Bundesheeres, den für Ende Juni<br />

angekündigten „Luftentscheid“ und die<br />

Kritik an der späten Miliz-Einberufung.<br />

Frau Minister, von der ABC-Abwehr<br />

im Kosovo bis hin zur Miliz an der<br />

Grenze – seit Monaten steht das<br />

Bundesheer im sogenannten Covid-<br />

Einsatz. Wie würden Sie den Einsatz<br />

bislang im Schulnotensystem<br />

bewerten?<br />

Ich bin unglaublich stolz auf das Bundesheer<br />

und darauf, was die österreichischen<br />

Soldatinnen, Soldaten und<br />

Zivilbediensteten seit Monaten leisten.<br />

Die Vielfalt der Einsätze zeigt einmal<br />

mehr, dass die Anforderungen an<br />

Streitkräfte und damit auch an das Bundesheer<br />

immer größer werden und<br />

dass wir es auch in Zukunft mit Einsätzen<br />

zu tun bekommen werden, die aufgrund<br />

ihres überraschenden Eintretens<br />

nicht von langer Hand geplant werden<br />

können. Bezieht man all diese Aspekte<br />

in die Benotung ein, dann muss unter<br />

dem Strich ein „Sehr gut“ herauskommen.<br />

Ein „Sehr gut“ ohne Abstriche?<br />

Ja, denn man darf die Bedingungen<br />

nicht außer Acht lassen. Wir mussten<br />

auf die Situation rasch reagieren und<br />

neben dem Covid-Einsatz auch alle<br />

unsere anderen Aufgaben bis hin zu<br />

den Auslandseinsätzen professionell<br />

weiterführen. Dazu hatten und haben<br />

wir gleichzeitig bis zu 4.000 Soldatinnen<br />

und Soldaten im Einsatz und wir<br />

haben zahlreiche Unterstützungsleistungen<br />

abgedeckt, mit denen wir<br />

so noch nie konfrontiert waren.<br />

Haben Sie trotzdem da und dort<br />

einen Nachholbedarf ausgemacht,<br />

wo man in einer ähnlichen Situation<br />

schneller, besser oder anders reagieren<br />

könnte?<br />

Wir werden ohne Zweifel aus dem gesamten<br />

Einsatz viel lernen können, was<br />

uns bei ähnlichen Problematiken in Zukunft<br />

helfen wird; gerade auch was die<br />

historische Teilaufbietung der Miliz und<br />

den Aufschubpräsenzdienst betrifft<br />

und wie diese noch besser gestaltet<br />

werden können. Ganz sicher werden<br />

wir auf die erkannten Notwendigkeiten<br />

im Bereich der Ausrüstung reagieren.<br />

Da gibt es Aufholbedarf und es wird<br />

unsere Aufgabe sein, dafür in Zukunft<br />

einzutreten.<br />

Sie sprechen von der persönlichen<br />

Ausrüstung der Soldaten …<br />

Ja, aber auch vom Transportbereich.<br />

Wir haben heuer ein historisch hohes<br />

Budget mit einer Steigerung von<br />

knapp zehn Prozent gegenüber dem<br />

Vorjahr und können daher erstmals<br />

seit Langem auch wieder aus dem laufenden<br />

Budget Investitionen tätigen.<br />

Dabei sind 17,5 Millionen Euro für<br />

die Miliz vorgesehen, darüber hinaus<br />

wird es aber natürlich auch die eine<br />

oder andere Sonderfinanzierung etwa<br />

im Bereich der Miliz, der Mobilität<br />

oder auch der aktiven und passiven<br />

Luftraumüberwachung geben müssen.<br />

Ein im Zuge des Covid-Einsatzes<br />

vielfach geäußerter Kritikpunkt war<br />

die lange Einberufungszeit der<br />

Miliz. Warum hat es zwei Monate<br />

gedauert, bis die Soldaten im Einsatz<br />

waren?<br />

Weil wir uns dafür entschieden haben,<br />

zunächst den Aufschubpräsenzdienst<br />

für jene Grundwehrdiener zu verordnen,<br />

die im März bereits abgerüstet<br />

hätten und diese dann von der Miliz<br />

ablösen zu lassen. Dadurch konnten<br />

sich die Wirtschaft und unsere Milizsoldaten<br />

in Ruhe auf den Einsatz vorbereiten.<br />

Der Balanceakt zwischen der<br />

Notwendigkeit des Einsatzes und<br />

den Anforderungen der Wirtschaft<br />

hat damit aus meiner Sicht gut<br />

funktioniert.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


CORONA<br />

SPEZIAL<br />

„Der Balanceakt<br />

hat gut funktioniert“<br />

Verteidigungsministerin Klaudia<br />

tanner im Gespräch mit Militär Aktuell-<br />

Chefredakteur Jürgen Zacharias.<br />

für all diese Bereiche zu verbessern?<br />

Kasernen sind ein Wirtschaftsfaktor für die<br />

jeweilige Region, aber auch ein Sicherheitsfaktor,<br />

und die aktuelle Situation<br />

zeigt, dass wir uns noch mehr um deren<br />

Autarkie kümmern müssen, um im Krisenfall<br />

handlungsfähig bleiben und die<br />

Blaulichtorganisationen bestmöglich unterstützen<br />

zu können. Dahingehend gibt<br />

uns das aktuelle Regierungsprogramm<br />

bereits vieles vor und arbeiten wir auch<br />

bereits an Investitionsprogrammen, in<br />

die nun natürlich auch die praktischen<br />

Erfahrungen einfließen werden.<br />

„DIE AKTUELLE SITUATION ZEIGT,<br />

DASS WIR UNS NOCH MEHR UM<br />

DIE AUTARKIE UNSERER KASERNEN<br />

KÜMMERN MÜSSEN, UM IM KRISEN-<br />

FALL HANDLUNGSFÄHIG ZU BLEIBEN!”<br />

Verteidigungsministerin Klaudia tanner<br />

im Bedarfsfall hätte die miliz aber auch<br />

schneller zum einsatz gebracht werden<br />

können?<br />

Ja, ohne Zweifel. Unsere Milizsoldaten<br />

sind gut ausgebildet und unsere Einsatzorganisation<br />

ist gut vorbereitet. Ein<br />

deutlich schnellerer Einsatz wäre ohne<br />

Weiteres realisierbar gewesen, wenn die<br />

Notwendigkeit dafür bestanden hätte.<br />

im risikobild der ende 2019 veröffentlichten<br />

„sicherheitspolitischen Jahresvorschau“<br />

ihres ministeriums ist neben<br />

der gefahr eines systemischen terrorangriffs<br />

und eines Blackouts auch die<br />

gefahr einer Pandemie prominent<br />

abgebildet. Welche learnings können<br />

aus der aktuellen situation gezogen<br />

werden, um die resilienz Österreichs<br />

sie haben nach ihrem amtsantritt für<br />

mitte des Jahres eine entscheidung<br />

über die Zukunft der aktiven und passiven<br />

luftraumüberwachung angekündigt.<br />

Hat sich daran aufgrund des<br />

Covid-einsatzes etwas geändert?<br />

Wir haben von Anfang an gesagt, dass<br />

wir bis Mitte des Jahres unter Einhaltung<br />

größtmöglicher Transparenz bekannt<br />

geben werden, in welche Richtung wir auf<br />

die kostengünstigste und sicherste Art<br />

und Weise weitergehen wollen. Daran<br />

wird bei uns im Haus aktuell auch intensiv<br />

gearbeitet. Wir werden dem Termin<br />

Ende Juni also treu bleiben.<br />

sie sind jetzt seit einem halben Jahr im<br />

amt. Wo sehen sie das Bundesheer in<br />

drei bis vier Jahren?<br />

Ich bin jeden Tag dankbar, dieses Ressort<br />

führen zu dürfen, und hoffe, dass das Bundesheer<br />

dann noch mehr in der Mitte der<br />

Gesellschaft angekommen ist. Aktuellen<br />

Umfragen zufolge ist das Vertrauen der<br />

österreichischen Bevölkerung in das<br />

Bundesheer so groß, wie noch nie und<br />

ich wünsche mir, dass auf dieser Basis das<br />

Bundesheer noch stärker als strategische<br />

Reserve der Republik wahrgenommen<br />

wird.<br />

m i l i t Ä r a K t u e l l


0 2 4 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

Oberösterreich, am geringsten in Vorarlberg, Salzburg und<br />

Tirol mit jeweils 84 Prozent und in Wien mit 86 Prozent.<br />

Im Zentrum der Hauptstadt beobachtet Oberwachtmeister<br />

Markus Derschatta gerade ein Fahrzeug, das vor einigen<br />

Sekunden am Fahrbahnrand der Technikerstraße gehalten<br />

hat. Der Soldat der 5. Gardekompanie verlangsamt seinen<br />

Schritt, blickt langsam vom Fahrzeugheck zur Front, setzt<br />

dann aber, als sich das Auto wieder in Bewegung setzt, seinen<br />

Rundgang fort. Um die Polizei für ihre Covid-19-Einsätze zu<br />

entlasten, ist das Bundesheer seit Mitte März für die Überwachung<br />

von Botschaften in Wien zuständig. Zu den rund 20<br />

Schutzobjekten (anfänglich waren es nur zehn Botschaften)<br />

gehört auch die französische Botschaft am Schwarzenbergplatz,<br />

vor der Markus Derschatta Wache schiebt. Für die<br />

Dauer des Dienstes ist er unmittelbar der Polizei unterstellt,<br />

er ist mit Pfefferspray, Dienstpistole und Stichschutzweste<br />

ausgerüstet und verfügt über dieselben Befugnisse wie sonst<br />

die Polizei – etwa die Möglichkeit zur Wegweisung. Bei den<br />

Kollegen vom Innenministerium komme der Dienst der Soldaten<br />

gut an, erklärt Derschattas Kompaniekommandant<br />

Hauptmann Gregor Brosch-Fohraheim. „Wir bekommen sehr<br />

gutes Feedback“, sagt der Offizier, was wohl nicht nur daran<br />

liegt, das bis jetzt bei der Botschaftsbewachung alles reibungslos<br />

abgelaufen ist. Sondern möglicherweise auch daran,<br />

dass seine Soldaten dabei helfen konnten, im unmittelbaren<br />

Umfeld der Botschaften kleinere Straftaten aufzuklären,<br />

beispielsweise einen Fahrraddiebstahl.<br />

OBERSTE PRIORITÄT Maria Paul und die Damen in der<br />

Schneiderei des Militärkommandos Wien nähen seit<br />

Wochen nichts anderes als Mund-Nasen-Masken.<br />

Die fertigen Masken landen auf einem Stapel, vor<br />

der Auslieferung werden sie gründlich gewaschen.<br />

Auch an der Staatsgrenze hat der Einsatz von Polizei und<br />

Bundesheer manch überraschend positive Nebenwirkung,<br />

wie Oberösterreichs Militärkommandant Brigadier Dieter<br />

Muhr gegenüber Militär Aktuell erklärt. „Durch die genauen<br />

Kontrollen konnte der eine oder andere gesuchte Verbrecher<br />

identifiziert werden“, sagt Muhr. Das von einem kleinen<br />

Schuppentier, einem unscheinbarer Marderhund oder einer<br />

lichtscheuen Fledermaus in China übertragene Virus wirkt<br />

sich also sogar auf die heimische Kriminalistik aus. Es kostet<br />

weltweit aber auch Hunderttausende Menschenleben, verbannt<br />

Milliarden Menschen (zeitweise mehr als die Hälfte<br />

der Weltbevölkerung) in ihre eigenen vier Wände und hat<br />

einen der größten Bundesheer-Einsätze der Geschichte<br />

zur Folge, der auch nach Redaktionsschluss Anfang Juni<br />

(eingeschränkt) seine Fortsetzung findet.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


UNSERHEER<br />

EINE INFORMATION DES BMLV<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Das Bundesheer setzt bei der<br />

Krisen-Bewältigung auf die Miliz<br />

Jetzt hilft die Miliz! Zur Bewältigung der Corona-Krise wurde erstmals<br />

in der Geschichte der Zweiten Republik österreichweit die Miliz des<br />

Bundesheeres aufgeboten. Seit Mai stehen 2.500 Soldatinnen und<br />

Soldaten im Einsatzpräsenzdienst und beweisen damit einmal mehr:<br />

Österreichs Bevölkerung kann sich auf unser Heer verlassen!<br />

Foto: Bundesheer/Steger<br />

Aufgabenspektrum<br />

Die Milizsoldatinnen und Milizsoldaten kommen neben<br />

zahlreichen weiteren Aufgaben auch beim Objektschutz<br />

und beim Ausreisemanagement zum Einsatz.<br />

„Die aktuelle Lage ist eine Chance<br />

für die Miliz! Endlich können wir<br />

beweisen, was wir können!“ Oberleutnant<br />

Christian Rath ist Kommandant<br />

der Jägerkompanie<br />

Deutschlandsberg, gemeinsam mit<br />

seinen Kameradinnen und Kameraden<br />

betrat er Anfang Mai Neuland:<br />

Zur Bewältigung der Corona-Pandemie<br />

wurde erstmals in der Zweiten<br />

Republik die Miliz des Bundesheeres<br />

– und damit auch Raths<br />

UNSERHEER


Objektschutz Seit Ende Mai bewachen<br />

die Milizsoldaten des Jägerbataillons<br />

Wien 1 zahlreiche Botschaften in Wien.<br />

Weststeirer Kompanie – aufgeboten.<br />

Zunächst erhielten die Soldatinnen<br />

und Soldaten eine zweiwöchige<br />

auffrischende Ausbildung,<br />

bei der grundlegende Fertigkeiten<br />

wiederholt wurden. Mitte Mai lösten<br />

sie dann die bis dahin aufgebotenen<br />

Berufssoldaten und Grundwehrdiener<br />

ab. Seitdem steht der<br />

29-jährige Voitsberger, der im Zivilberuf<br />

als Luftfahrzeugtechniker bei<br />

einem internationalen Flugzeughersteller<br />

in Wiener Neustadt tätig ist,<br />

gemeinsam mit seinen Kameraden<br />

und den Soldaten von zwölf weiteren<br />

Milizkompanien in ganz Österreich<br />

im Einsatzpräsenzdienst. Das<br />

Gros kommt an den Grenzen und<br />

im Objektschutz zum Einsatz. Möglich<br />

sind in den kommenden Wochen<br />

aber auch Aufgaben, die jetzt<br />

noch nicht absehbar sind, wie Verteidigungsministerin<br />

Klaudia Tanner<br />

betont. In den vergangenen<br />

Wochen halfen Heeresangehörige<br />

auch in den Lagern von Supermarktketten<br />

und bei Pharmafirmen<br />

aus. Sie halfen bei der Rückholung<br />

von Österreicherinnen und Österreichern<br />

aus dem Ausland, führten<br />

an den Eingängen von Krankenhäusern<br />

Gesundheitskontrollen durch<br />

und machten bei der Telefonhotline<br />

des Außenamts Dienst. „Das Bundesheer<br />

zeigt nun, was es kann:<br />

Es beweist auch unter schwierigen<br />

Bedingungen Einsatzbereitschaft,<br />

Durchhaltevermögen, Flexibilität<br />

und Organisationsvermögen und<br />

unterstreicht damit seine Einsatzfähigkeit<br />

und Krisenfähigkeit! Die<br />

österreichische Bevölkerung kann<br />

sich auf unser Heer verlassen“,<br />

so Generalmajor Erwin Hameseder.<br />

Und weiter: „In der Krise wird wieder<br />

einmal augenscheinlich, wie<br />

wichtig unser Bundesheer ist.<br />

Schutz und Hilfe ist das Motto des<br />

Bundesheeres und genau darum<br />

geht es nun“, so der Milizbeauftragte<br />

der rot-weiß-roten Streitkräfte<br />

(siehe auch Interview ab der<br />

nächsten Seite).<br />

Enge Zusammenarbeit Soldatinnen<br />

und Soldaten des Bundesheeres<br />

unterstützen die Polizei seit Wochen<br />

bei den Grenzkontrollen.<br />

UNSERHEER<br />

Dass Oberleutnant Rath und seine<br />

Kameraden nun überhaupt zum<br />

Einsatz kommen können, ist dem<br />

Milizsystem des Bundesheeres<br />

zu verdanken. Parallel zu den rund<br />

24.000 Grundwehrdienern, Zivilbediensteten<br />

sowie Berufssoldaten,<br />

die den Personalstamm des<br />

Bundesheeres bilden, können bei<br />

Fotos: Bundesheer/Steger, Bundesheer/Frank


Bedarf bis zu 31.000 Milizsoldaten<br />

aufgeboten und zum Einsatz gebracht<br />

werden. Dabei handelt es<br />

sich um Männer und Frauen, die<br />

ihren Grundwehr- oder Ausbildungsdienst<br />

geleistet und sich dafür entschieden<br />

haben, freiwillig weiterhin<br />

für unterschiedlichste Aufgaben<br />

beim Bundesheer zur Verfügung zu<br />

stehen. Bei Bedarf schützen sie in<br />

ihren Heimatregionen zum Beispiel<br />

wichtige Infrastruktureinrichtungen,<br />

sie stellen seit vielen Jahren aber<br />

auch wesentliche Teile der Auslandskontingente<br />

des Bundesheeres,<br />

etwa in Bosnien, im Libanon<br />

oder im Kosovo. Als Offiziere,<br />

Unteroffiziere oder Chargen sind<br />

sie damit ein integraler Bestandteil<br />

des Wehrsystems – ohne diesen<br />

Eckpfeiler wären viele Aufgaben<br />

nicht in der aktuellen Qualität und<br />

Quantität bewältigbar.<br />

Ob und in welcher Stärke die Miliz<br />

bei Bedarf aufgeboten wird, entscheidet<br />

die Regierung und ist in<br />

erster Linie vom Anlassfall abhängig.<br />

Daneben spielen aber auch<br />

andere Faktoren eine Rolle: Um im<br />

aktuellen Fall sicherzustellen, dass<br />

keine systemrelevanten Mitarbeiter<br />

kritischer Infrastruktur ihrer zivilen<br />

Funktion entzogen werden, wurden<br />

diese für den laufenden Covid-19-<br />

Einsatz nicht aufgeboten und<br />

Jägerkompanien aus allen neun<br />

Bundesländern und keine ganzen<br />

Bataillone einberufen.<br />

Obwohl die nun im Einsatz stehenden<br />

Milizkompanien gut ausgebildet<br />

sind und gut vorbereitet wurden,<br />

bringt der Einsatz trotzdem<br />

Herausforderungen mit sich. „Die<br />

geplante Einsatzdauer bis Ende<br />

Juli ist für uns Neuland, aber auch<br />

das werden wir meistern“, ist sich<br />

Oberleutnant Christian Rath sicher.<br />

„Dafür sind wir schließlich da: wir<br />

sind die strategische Reserve der<br />

Repubilik“, so Rath weiter. Nachsatz:<br />

„Dass unsere Kompanie zum<br />

erlauchten Kreis der aufgeboteten<br />

Einheiten gehört, sehe ich als Auszeichnung<br />

und Bestätigung unseres<br />

Engagements.“<br />

„Die Miliz leistet<br />

einen wichtigen<br />

Beitrag!“<br />

Generalmajor Erwin Hameseder ist<br />

Milizbeauftragter des Bundesheeres.<br />

Ein Gespräch über den Covid-19-Einsatz<br />

der rot-weiß-roten Streitkräfte, die<br />

Miliz als „Garant für die Durchhaltefähigkeit<br />

des Bundesheeres“ und<br />

die ausgezeichnete Ausbildung der<br />

österreichischen Soldatinnen und<br />

Soldaten.<br />

Herr Generalmajor, erstmals<br />

in der Geschichte der Zweiten<br />

Republik wurden Teile der<br />

Miliz des Bundesheeres aufgeboten.<br />

Was bedeutet der<br />

Einsatz für die Wertschätzung<br />

und die Wahrnehmung der<br />

Miliz in der breiten Öffentlichkeit?<br />

In der aktuellen Krise wird jedem<br />

Einzelnen wieder verstärkt bewusst,<br />

welche wichtige Rolle als<br />

strategische Reserve der Republik<br />

Österreich das Bundesheer<br />

hat. Die Aufbietung von Milizsoldaten<br />

ist tatsächlich historisch<br />

und eine große Chance, denn die<br />

Miliz ist das Rückgrat und der<br />

Garant für die Durchhaltefähigkeit<br />

des Bundesheeres.<br />

Der Milizsoldat ist der Bürger in<br />

Uniform und verkörpert schließlich<br />

selbst mit all seinen Fähigkeiten<br />

und Kenntnissen die<br />

breite Öffentlichkeit. Das bedeutet<br />

auch, die einberufenen<br />

Frauen und Männer sind wesentliche<br />

Meinungsbildner, und zwar<br />

innerhalb der eigenen Familien<br />

ebenso wie im erweiterten<br />

persönlichen und beruflichen<br />

Umfeld. Ich bin mir sicher, die<br />

kommenden Monate werden<br />

die Professionalität und die<br />

Bedeutung unserer Miliz deutlich<br />

unter Beweis stellen.<br />

Die Soldatinnen und Soldaten<br />

übernehmen aktuell vorwiegend<br />

sicherheitspolizeiliche<br />

Aufgaben wie etwa Grenzschutz<br />

und Ausreisemanagement.<br />

Sind in Zukunft auch<br />

noch andere Aufgaben<br />

denkbar?<br />

All das, was unsere Milizsoldaten<br />

während dieser Krisensituation<br />

an Unterstützung leisten, ist<br />

grundsätzlich ein wesentlicher<br />

Beitrag zur Sicherung des zivilen<br />

Lebens und unseres Wirtschaftsstandortes.<br />

Zu den konkreten<br />

Aufgaben gehören etwa die Unterstützung<br />

der Exekutive beim<br />

Objektschutz, aber auch Überwachungsaufgaben<br />

von Botschaften<br />

und anderen Einrichtungen der<br />

kritischen Infrastruktur sowie<br />

die Erhöhung der Präsenz im<br />

öffentlichen Raum.<br />

UNSERHEER<br />

Entgeltliche Einschaltung


Wie viel Verständnis<br />

herrscht für den Einsatz der<br />

Miliz in der Wirtschaft? Viele<br />

Dienstgeber müssen dadurch<br />

schließlich monatelang auf<br />

wichtige Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter verzichten.<br />

Ich bin sehr froh darüber, dass es<br />

bei den meisten Unternehmen<br />

Verständnis für den Einsatz ihrer<br />

Mitarbeiter gibt. Diese Einstellung<br />

ist auch ein wichtiges Zeichen<br />

gegenüber den einrückenden<br />

Milizsoldaten. Ich komme selbst<br />

aus einer großen Unternehmensgruppe,<br />

die Milizsoldaten aus<br />

Überzeugung unterstützt, weil es<br />

auch stolz macht, Menschen im<br />

Unternehmen zu haben, die in<br />

dieser Krisensituation für die<br />

Allgemeinheit anpacken und ihre<br />

staatsbürgerliche Pflicht erfüllen.<br />

Bei solchen Fällen, in denen Mitarbeiter<br />

für das Unternehmen absolut<br />

unabkömmlich sind, wurde<br />

vonseiten des Bundesheeres<br />

Rücksicht genommen und nach<br />

Lösungen gesucht. Dafür gibt es<br />

Möglichkeiten für Dienstfreistellungen,<br />

aber auch gesetzliche<br />

Befreiungsgründe.<br />

Die Miliz gilt – wie Sie zuvor<br />

gesagt haben – als wichtiger<br />

„Garant für die Durchhaltefähigkeit<br />

des Bundesheeres“<br />

und muss daher im Ernstfall<br />

mit vielen komplexen Herausforderungen<br />

von Cyberbedrohungen<br />

bis hin zu Einsätzen<br />

wie nun bei der Corona-Krise<br />

umgehen können. Entsprechen<br />

die Ausrüstung und die Ausbildung<br />

der Soldatinnen und<br />

Soldaten diesem hohen<br />

Anspruch?<br />

Unsere Soldaten erfahren eine<br />

ausgezeichnete Ausbildung. Das<br />

Problem ist aber, dass aufgrund<br />

der ausgesetzten Truppenübungen<br />

seit 2006 es nur für rund die<br />

Hälfte der Beorderten möglich ist,<br />

ihre Kenntnisse regelmäßig zu<br />

schulen. Dies erfordert im Anlassfall<br />

dann eine professionelle und<br />

umfassende Einsatzvorbereitung.<br />

Ähnlich verhält es sich mit der<br />

Ausrüstung: Diese ist prinzipiell<br />

ausgezeichnet, aber in vielen<br />

Bereichen nur unzureichend<br />

vorhanden, hier sind zweifellos<br />

Investitionen in hohem Umfang<br />

notwendig. Fakt ist, nicht nur jetzt,<br />

sondern auch nach der Corona-<br />

Krise wird das Bundesheer mit<br />

komplexen Herausforderungen<br />

und Gefahren konfrontiert sein.<br />

Laut einer aktuellen Umfrage<br />

des Instituts Market Extra<br />

sieht der Großteil der Österreicher<br />

den Covid-19-Einsatz<br />

des Bundesheeres positiv.<br />

Erhoffen Sie sich davon auch<br />

eine langfristig positive Wirkung<br />

– etwa in Form einer<br />

„Die kommenden<br />

Monate stellen die<br />

Professionalität<br />

und die Bedeutung<br />

unserer Miliz unter<br />

Beweis.“<br />

Generalmajor<br />

Erwin Hameseder<br />

Budgetaufstockung – für das<br />

Bundesheer und insbesondere<br />

die Miliz?<br />

Das wäre nicht nur zu wünschen,<br />

sondern auch dringend notwendig.<br />

Ich werte es als sehr positives<br />

Signal, wenn von der Frau<br />

Bundesminister die Bedeutung<br />

der Miliz öffentlich angesprochen<br />

wird. Wenn es darum geht, das<br />

Bundesheer und die Miliz nachhaltig<br />

zu stärken und zukunftsfit<br />

zu machen, dann braucht es<br />

letztlich den politischen Weitblick<br />

und die ausreichende budgetäre<br />

Ausstattung. Eine umfassende<br />

Sicherheit zum Nulltarif wird es<br />

jedenfalls nicht geben. Unsere<br />

Hoffnungen stecken im Verantwortungsbewusstsein<br />

unserer<br />

aktuellen Regierung, da es um<br />

den Schutz der österreichischen<br />

Bevölkerung geht. Hier wird man<br />

sich bei objektiver Beurteilung<br />

der zukünftigen komplexen<br />

Herausforderungen, die sich<br />

dem Bundesheer stellen, einer<br />

entsprechenden Erhöhung des<br />

Verteidigungsbudgets nicht<br />

verschließen können.<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Foto: Bundesheer/Karlovits<br />

Impressum: Amtliche Publikation der Republik Österreich / Bundesministerium für Landesverteidigung. Medieninhaber, Herausgeber und<br />

Hersteller: Republik Österreich / Bundesministerin für Landesverteidigung, BMLV, Roßauer Lände 1, 1090 Wien. Erscheinungsjahr: <strong>2020</strong>.<br />

UNSERHEER


CORONA<br />

SPEZIAL<br />

GSVPIM FOKUS<br />

Neue Militär Aktuell-Serie: Generalmajor Johann Frank berichtet ab sofort in jeder Ausgabe über<br />

Neuheiten und Entwicklungen rund um die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)<br />

der Europäischen Union. Dieses Mal im Fokus: Wird die Coronakrise langfristig zu einem Katalysator<br />

für mehr militärische Zusammenarbeit? Oder wirkt sie vielmehr als Zentrifugalkraft?<br />

Foto : Kas p e r l p o st / CC BY- sa ( h t t p s : / / C r e at i v e Co m m o n s .o r g / l i C e n s e s / BY- sa / 4 .0 )<br />

trump, putin und BreXit haben dazu<br />

geführt, dass die gemeinsame sicherheits-<br />

und verteidigungspolitik<br />

(gsvp) der eU seit 2016 an Dynamik<br />

gewonnen hat. Wichtige neue verteidigungsinitiativen<br />

waren seither die erstellung<br />

einer neuen globalstrategie, die einrichtung<br />

einer permanenten strukturierten<br />

Kooperation (pesCo) zur entwicklung<br />

neuer militärischer Fähigkeiten, die schaffung<br />

neuer Finanzierungsmechanismen<br />

etwa in Form des europäischen verteidigungsfonds<br />

(eDF) und institutionelle<br />

neuerungen wie die schaffung eines militärischen<br />

planungselements (mpCC) zur<br />

selbstständigen Führung nicht-exekutiver<br />

einsätze wie beispielsweise trainingsmissionen<br />

in afrika. Die zugrunde liegende<br />

politische ambition ist, dass die eU an strategischer<br />

autonomie gewinnen und mehr<br />

verantwortung für die eigene sicherheit<br />

übernehmen möchte.<br />

mitten in diesen an sich positiven entwicklungstrend<br />

brach nunmehr die Covid-Krise<br />

herein, die auch für die gsvp zu einem<br />

definierenden Faktor geworden ist. aus<br />

heutiger sicht ist es entwicklungsoffen,<br />

ob die pandemie zu einem Katalysator für<br />

eine engere militärische Zusammenarbeit<br />

wird oder ob sie sich als Zentrifugalkraft<br />

auswirken wird.<br />

in der ersten phase der Krisenbewältigung<br />

wurden die streitkräfte fast aller eU-staaten<br />

als strategische handlungsreserve und<br />

als vielfältig verwendbare Krisenreaktionskräfte<br />

entweder zur humanitären assistenz<br />

oder als ordnungskräfte etwa im grenzmanagement<br />

eingesetzt. gleichzeitig ist<br />

es gelungen, das internationale engagement<br />

der eU, also die aktuell 17 missionen<br />

und operationen, unter punktuellen anpassungen<br />

der einsatzführung weiterzu-<br />

GENERALMAJOR<br />

JOHANN FRANK<br />

ist Leiter des Instituts für<br />

Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement<br />

(IFK). Von 2014 bis <strong>2020</strong><br />

Verteidigungspolitischer<br />

Direktor und Mitglied<br />

des Nationalen<br />

Sicherheitsrats.<br />

„Für die längerfristige Weiterentwicklung<br />

der GSVP wird entscheidend sein, welche Lehren<br />

aus der Coronakrise man auf konzeptioneller,<br />

finanzieller und fähigkeitenbezogener<br />

Ebene zieht.“<br />

führen. mit der mittelmeermission „irini“<br />

zur Überwachung des Waffenembargos<br />

in libyen wurde sogar ein neuer einsatz<br />

beschlossen.<br />

Beim letzten virtuellen treffen am 12. mai<br />

stand die Frage der auswirkungen von<br />

Covid auf die weitere gsvp-entwicklung<br />

bereits auf der agenda der eU-verteidigungsminister.<br />

Die minister waren sich<br />

einig, dass die Krise gezeigt hat, dass man<br />

die herausbildung einer strategischen autonomie<br />

der eU in allen ihren Dimensionen<br />

einschließlich der militärischen, zügig<br />

vorantreiben müsse und dass die europäischen<br />

und nationalen verteidigungsbudgets<br />

auch angesichts der Wirtschaftskrise<br />

nicht reduziert werden dürften. es brauche<br />

angesichts der neuen risiken mehr und<br />

nicht weniger europäische Zusammenarbeit<br />

und die schon beschlossenen neuen<br />

verteidigungsinitiativen sollen zügig und<br />

konsequent implementiert werden.<br />

Für die längerfristige Weiterentwicklung<br />

der gsvp wird entscheidend sein, welche<br />

lehren man auf konzeptioneller, finanzieller<br />

und fähigkeitenbezogener ebene zieht.<br />

Konzeptionell geht es um die Frage, ob<br />

über das internationale Krisenmanagement<br />

hinaus zukünftig auch verstärkt der<br />

einsatz von militär innerhalb der eU berücksichtigt<br />

werden soll. Finanziell geht es<br />

um die Frage, ob die mitgliedstaaten den<br />

Budgetvorschlag der eU-Kommission in<br />

der höhe von insgesamt 10,6 milliarden<br />

euro für den eDF und die militärische<br />

mobilität für den Zeitraum 2021 bis 2027<br />

zustimmen werden und wie vermieden<br />

werden kann, dass die nationalen verteidigungsbudgets<br />

nicht wie bei der Finanzkrise<br />

im Jahr 2008 um rund 20 prozent<br />

reduziert werden. Und auf der ebene<br />

der Kapazitäten stellt sich die Frage, in<br />

welchen Fähigkeitsbereichen prioritär<br />

investiert werden soll.<br />

Zur Klärung dieser Fragen haben die eUverteidigungsminister<br />

die erarbeitung<br />

eines „strategischen Kompasses“, eine art<br />

Weißbuch der verteidigung, in auftrag<br />

gegeben. ausgangspunkt für diesen prozess,<br />

der unter der deutschen eU-präsidentschaft<br />

<strong>2020</strong> gestartet wird, soll eine<br />

umfassende risikoanalyse sein. Darüber<br />

dann mehr in der nächsten ausgabe.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

WENN EIN<br />

VIRUS<br />

Die<br />

ZUR WAFFE<br />

WIRD<br />

Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Corona-Pandemie hat<br />

Extremisten gezeigt,<br />

wie verwundbar moderne<br />

Gesellschaften sind.<br />

Drohen uns künftig<br />

Anschläge mit künstlich<br />

erzeugten Krankheitserregern,<br />

Mikroorganismen<br />

und Agenzien?<br />

FOTO : P I X A B AY<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


B<br />

ars und Restaurants sind<br />

wieder geöffnet. Die meisten<br />

Geschäfte gut besucht,<br />

die Fallzahlen überschaubar<br />

und trotzdem treibt Mediziner<br />

derzeit vor allem eine<br />

Frage um: Kommt eine zweite Infektionswelle<br />

auf uns zu und wenn ja, wie gefährlich<br />

wird sie? In Sicherheitskreisen wird inzwischen<br />

ein noch weit brisanteres Thema diskutiert:<br />

Könnte auf Corona bald schon eine<br />

menschengemachte Katastrophe folgen?<br />

Könnte also ein Staat, eine Organisation<br />

oder ein terroristisches Netzwerk mit einem<br />

ausgesetzten Virus, manipulierten Mikroorganismen<br />

oder anderen Krankheitserregern<br />

absichtlich eine Epidemie auslösen?<br />

„Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass sich<br />

weltweite Epidemien leicht aus kleinen Herden<br />

entwickeln können und wie verwundbar<br />

moderne Gesellschaften durch Virusinfektionen<br />

und ihr Erschütterungs-Potenzial<br />

sind“, heißt es dazu in einem aktuellen Papier<br />

des Ausschusses für Terrorbekämpfung<br />

des Europarats in Straßburg. UN-Generalsekretär<br />

António Guterres sieht in Bioterrorismus<br />

gar eine potenzielle Gefahr für den<br />

Frieden und die internationale Stabilität.<br />

Das Risiko von Angriffen durch Bioterroristen<br />

sei in den vergangenen Monaten jedenfalls<br />

gestiegen, so der Portugiese in einer<br />

Videokonferenz des Sicherheitsrats. „Die<br />

Schwächen und mangelhafte Vorbereitung,<br />

die durch das Coronavirus offengelegt wurden,<br />

geben Einblicke darin, wie ein bioterroristischer<br />

Angriff aussehen könnte.“ Guterres<br />

weiter: „Wenn nichtstaatliche Gruppen<br />

Zugang zu virulenten Stämmen erhalten,<br />

könnte das für Gesellschaften auf der ganzen<br />

Welt eine ähnliche Verwüstung bedeuten<br />

wie nun das Coronavirus.“<br />

Eine Warnung zur rechten Zeit oder übertriebenes<br />

Alarmgetöse? Laut Leyla Daskin<br />

vom Institut für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie<br />

sei die Bedrohung durch<br />

Bioterrorismus durchaus ernst zu nehmen.<br />

„Vorfälle wie die unmittelbar auf die Anschläge<br />

vom 11. September 2001 folgenden<br />

Attacken mit Milzbranderregern in den<br />

USA haben gezeigt, dass die psychologischen,<br />

gesellschaftlichen und politischen<br />

Auswirkungen weitaus größer sind als bei<br />

,traditionellen‘ Terroranschlägen. Durch die<br />

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0 3 2 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

sogenannten ,Anthrax-Briefe‘ starben<br />

,nur‘ fünf Personen“, so Daskin,<br />

„über Wochen und Monate hinweg<br />

trauten sich aber Millionen Menschen<br />

nicht mehr, ihre Post zu öffnen.<br />

Schon vergleichsweise kleine<br />

Anschläge mit Biowaffen haben also<br />

das Potenzial, ganze Gesellschaften<br />

in Angst und Schrecken zu versetzen<br />

und unseren Alltag aus dem Lot zu<br />

bringen.“<br />

Am ehesten könnte eine derartige<br />

Attacke aktuell wohl von Terrororganisationen<br />

wie al-Qaida oder dem Islamischen<br />

Staat ausgehen, der IS hat<br />

in der Vergangenheit bereits Anleitungen<br />

zur Herstellung biologischer<br />

Kampfstoffe im Internet verbreitet.<br />

Vorstellbar wäre auch, dass Extremisten<br />

über dunkle Kanäle bei staatlichen<br />

Stellen und Streitkräften in<br />

die Hand von Biowaffen kommen<br />

und diese einsetzen. Nach einem<br />

richtiggehenden Entwicklungswettlauf<br />

zwischen den Großmächten um<br />

immer noch zerstörerischere Biowaffen<br />

zur Zeit des Kalten Kriegs<br />

sind diese zwar offiziell seit 1975<br />

verboten, einige Staaten – im Verdacht<br />

steht unter anderem Nordkorea<br />

– sollen sich aber nicht an die<br />

Vereinbarungen halten. Um die Weitergabe<br />

durch mögliche schwarze<br />

Schafe zu verhindern und verdächtige<br />

Fälle rasch aufdecken zu können,<br />

fordern Vertreter des Europarats<br />

mehr internationale Zusammenarbeit<br />

und ein gemeinsames Überwachungssystem.<br />

Mit praktischen<br />

Übungen sollten sich die Länder zudem<br />

auf den potenziellen Ernstfall<br />

bestmöglich vorbereiten. Unter Beobachtung<br />

stehen rund 100 Erreger,<br />

Toxine und biologische Agenzien,<br />

die laut Experten Eigenschaften aufweisen,<br />

die für Militärs und auch<br />

Terroristen interessant sind. Zwölf<br />

davon, das sogenannte „dreckige<br />

Dutzend“, gelten als wahrscheinliche<br />

Ausgangstoffe potenzieller B-Waffen:<br />

Bakterien wie die Erreger von<br />

Pest und Q-Fieber finden sich darunter<br />

ebenso wie Pocken- und Ebola-<br />

Viren.<br />

„Vor diesem Hintergrund stufen wir<br />

Terrorismus mit Massenvernichtungswaffen<br />

als ein systemisches,<br />

also die Resilienz Österreichs gefährdendes<br />

Risiko ein. Systemischer<br />

Terrorismus, insbesondere in Form<br />

von Bioterrorismus, setzt zwei bisherige<br />

Grundannahmen strategischer<br />

Sicherheitsplanungen außer Kraft:<br />

Vorwarnzeiten und Eintrittswahrscheinlichkeiten.<br />

Daher müssen bisher<br />

als hypothetisch angenommene<br />

Risiken, mit geringer Wahrscheinlichkeit<br />

aber hohen Auswirkungen,<br />

sogenannte strategische Schocks,<br />

nunmehr als planungsrelevant<br />

eingestuft werden“,<br />

so Daskin.<br />

Für Martin Weiler, Referatsleiter<br />

Biologie und Toxikologie im ABC-<br />

Abwehrzentrum in Korneuburg,<br />

geht von Biotoxinen wie dem ebenfalls<br />

zum „dreckigen Dutzend“ gehörenden<br />

Rizin die größte Gefahr aus.<br />

„Das sind Giftstoffe, die durch Organismen<br />

produziert werden und die<br />

vergleichsweise einfach herstellbar<br />

sind.“ Damit lassen sich zwar keine<br />

Massenvernichtungswaffen erzeugen<br />

oder eine Pandemie mit übertragbaren<br />

Erregern auslösen, internationale<br />

Aufmerksamkeit wäre Angreifern<br />

trotzdem garantiert. Ein vor zwei<br />

Jahren vereitelter Plan Kölner Islamisten<br />

zum Einsatz einer „Rizin-<br />

Bombe“ in Deutschland machte jedenfalls<br />

weltweit Schlagzeilen. Nicht<br />

anders verhielt es sich 1978 infolge<br />

des sogenannten Regenschirmattentats,<br />

als der bulgarische Journalist<br />

und Dissident Gergi Markow in London<br />

von bulgarischen Geheimdienstagenten<br />

auf offener Straße mit einem<br />

Regenschirm angegriffen wurde, dessen<br />

Spitze zuvor mit einer kleinen<br />

Rizin-Kugel präpariert worden war.<br />

Wie steht es aber um das Risiko eines<br />

großflächigen terroristischen Angriffs<br />

mit einem neuen Krankheitserreger<br />

mit großem Ansteckungs- und Tötungspotenzial?<br />

Könnten sich Terroristen<br />

die Möglichkeiten moderner<br />

Gentechnik und Mikrobiologie für<br />

die Konstruktion eines „neuen Supervirus“<br />

zunutze machen und global<br />

zur Anwendung bringen? Martin<br />

Weiler sitzt am Besprechungstisch<br />

eines Aufenthaltsraums in der<br />

Dabsch-Kaserne und überlegt: „Das<br />

ist rein theoretisch natürlich nicht<br />

auszuschließen“, sagt er dann nach<br />

einigen Sekunden, „wahrscheinlich<br />

ist es aber nicht. Da bewegen wir uns<br />

im Bereich der absoluten Spitzenforschung.<br />

Dafür ist viel Wissen notwendig,<br />

enorm viel Geld, Zeit und<br />

eine hochprofessionelle Infrastruktur.<br />

Das ist also nichts, was eine Gruppe<br />

FOTO : P I X A B AY<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


von Terroristen selbst bewerkstelligen<br />

oder realisieren könnte.“<br />

Einfacher sei es für Terroristen, existierende<br />

Mikroorganismen nachzubauen<br />

und zu vermehren oder mit<br />

einzelnen Zusatzfunktionen zu versehen<br />

und zu modifizieren, um etwa<br />

die gesundheitlichen Auswirkungen<br />

zu erhöhen oder sie leichter übertragbar<br />

zu machen. „Die dafür<br />

notwendigen Prozedere sind in der<br />

Biotechnologie Standard, aber auch<br />

dafür bräuchte es viel Wissen und<br />

Know-how, das Extremisten nur in<br />

den seltensten Fällen zugänglich sein<br />

wird. Dazu kommt das Problem<br />

einer effektiven Verbreitung, die in<br />

der Praxis mit vielen Unwägbarkeiten<br />

und Schwierigkeiten verbunden<br />

ist“, so Weiler. Zudem müsse man<br />

sich laut dem Experten bei so einem<br />

Szenario immer die Frage von Sinn<br />

und Zweck stellen: „Terrororganisationen<br />

wollen in den meisten Fällen<br />

in möglichst kurzer Zeit möglichst<br />

große Aufmerksamkeit erregen und<br />

sich Attacken möglichst eindeutig<br />

auf die Fahne heften können“, so<br />

Weiler. „Mit punktuellen Anschlägen<br />

ist das vergleichsweise einfach möglich,<br />

die globale Verbreitung eines<br />

Krankheitserregers glaubhaft für<br />

sich zu beanspruchen, ist aber schon<br />

etwas ganz anderes.“<br />

CORONA<br />

SPEZIAL<br />

Alternativ könnten Extremisten auch<br />

auf bestehende „Biokampfstoffe“<br />

zurückgreifen, die für jedermann<br />

verfügbar, leicht vermehrbar und<br />

ohne großes Risiko zum Einsatz gebracht<br />

werden könnten, sagt Weiler<br />

mit einem Lächeln. An was er dabei<br />

denkt? „Es reichen auf den ersten<br />

Blick harmlose Kartoffelkäfer“, so<br />

der Experte der ABC-Abwehr.<br />

„Künstlich vermehrt und massenhaft<br />

in einem bestimmten Gebiet ausgesetzt<br />

können sie die Ernten ganzer<br />

Regionen vernichten, damit die<br />

Lebensmittelversorgung eines Staates<br />

gefährden, zur Destabilisierung<br />

beitragen und massive wirtschaftliche<br />

sowie gesellschaftliche Verwerfungen<br />

zur Folge haben.“<br />

Schon einmal wähnte sich ein Staat<br />

als Opfer einer Kartoffelkäfer-Attacke:<br />

Als es zu Beginn der 1950er-Jahre<br />

in der gerade erst gegründeten<br />

DDR zu einem massenhaften Auftreten<br />

des Schädlings kam, bezichtigte<br />

die Staatspropaganda die USA der<br />

Sabotage. In Medien und auf Plakaten<br />

wurde eine breit angelegte Kampagne<br />

gegen die „Ami-Käfer“ gefahren,<br />

der Schutz der Ernte zu einer<br />

Frage der nationalen Sicherheit und<br />

zehntausende Bürger mussten am<br />

Land heißhungrige Plagegeister einsammeln.<br />

Der Schaden war da aber<br />

längst angerichtet. Wie interne Unterlagen<br />

der DDR-Regierung bewiesen,<br />

saß der Feind allerdings nicht in<br />

den USA, sondern im eigenen Land.<br />

Die Regierung hatte bei der Vorbereitung<br />

auf die sich ankündigende<br />

Käferplage schlicht geschlampt und<br />

bei der Bekämpfung der gefräßigen<br />

Biowaffen kläglich versagt.


0 3 4 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

VERTEIDIGUNG<br />

NACH CORONA<br />

Sicherheitspolitik im Zeitalter viraler Bedrohungen neu<br />

denken und in die strategische Krisenfestigkeit<br />

von Staat und Wirtschaft vermehrt investieren. Ein<br />

Beitrag von Generalmajor Johann Frank, Leiter<br />

des Instituts für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement.<br />

D<br />

er Kampf gegen pathogene<br />

wie digitale<br />

Viren wird die Zukunft<br />

der Sicherheitspolitik<br />

mitbestimmen.<br />

Gemeinsam<br />

mit Terrorismus und hybriden<br />

Bedrohungen bilden Pandemien und<br />

Cyber-Angriffe die Quadriga jener<br />

Bedrohungen, auf welche die Sicherheits-<br />

und Verteidigungspolitik in<br />

Europa neue strategische Antworten<br />

finden muss.<br />

Diese Bedrohungsformen weisen<br />

trotz aller Unterschiede bemerkenswerte<br />

Gemeinsamkeiten auf. Sie sind<br />

anfänglich nur schwer erkennbar, sie<br />

wirken systemisch auf das gesamte<br />

öffentliche und wirtschaftliche Leben,<br />

sie sind von grenzüberschreitendtransnationaler<br />

Natur und sie werden<br />

von den globalisierungsbedingten<br />

Verwundbarkeiten moderner Gesellschaften<br />

kontinuierlich verstärkt.<br />

Auch ihre Wirkungsketten sind ähnlich:<br />

Nach anfänglicher Herabsetzung<br />

beziehungsweise Ausschaltung der<br />

Immunschwelle beginnen sie mit einer<br />

anonymen Infektion von Einzelnen,<br />

kontaminieren in weiterer Folge<br />

Teilsysteme und können letztlich<br />

nach einer breitflächigen Infiltration<br />

zu einem „Systeminfarkt“ führen, der<br />

für den Einzelnen den Tod, für strategische<br />

Infrastrukturen den Totalausfall,<br />

für die Wirtschaft eine tiefe Rezession<br />

und für den Staat die Zerstörung<br />

seiner Freiheitsordnung bedeuten<br />

kann.<br />

Solange diese Szenarien innerhalb des<br />

vorbereiteten Erwartungsraums der<br />

jeweiligen gesundheitlichen, technologischen<br />

oder militärischen Sicherheitsvorsorgen<br />

verlaufen, können sie<br />

mit vorhandenen Mitteln und Verfahren<br />

bewältigt werden. Das war bislang<br />

über weite Strecken der Fall. Übersteigen<br />

sie eine strategische Schwelle<br />

oder treten gar mehrere Szenarien<br />

gleichzeitig ein, so erfordern sie eine<br />

neue Qualität in der Vorbereitung<br />

und Reaktion, einen Wechsel vom<br />

konventionellen Krisenmanagement-<br />

Modus hin zu einem „strategischen<br />

Resilienzmanagement“. Dazu braucht<br />

es geänderte strategische Zielsetzungen,<br />

also Erneuerungsfähigkeit statt<br />

bloßer Wiederherstellung des ursprünglichen<br />

Zustands, neuartige<br />

Verfahren, also Improvisation und<br />

Agilität durch Schaffung neuer ungebundener<br />

Ressourcen statt starrem<br />

Implementieren von Krisenplänen<br />

und bloßem Einsatz von vorhandenen<br />

Mitteln und<br />

neue Führungsqualitäten,<br />

also<br />

Visionäre statt<br />

Manager.<br />

Im Zeitalter hybrid-viraler<br />

Bedrohungen<br />

sind zwei bisherige<br />

Grundannahmen<br />

europäischer Sicherheitsstrategien<br />

obsolet geworden,<br />

nämlich Vorwarnzeiten und Eintrittswahrscheinlichkeiten.<br />

Es gibt<br />

keine strategischen Vorwarnzeiten,<br />

die in einem konkreten Anlassfall ein<br />

Hochfahren von Sicherheitsmaßnahmen<br />

zulassen würden, weil lange unklar<br />

bleibt, ob ein Angriff, eine Infektion<br />

oder eine Infiltration bereits<br />

stattgefunden hat. Bewusste Verschleierung<br />

ist vielmehr ein Charakteristikum<br />

hybrider Angriffe oder von<br />

Cyber-Attacken. Und angesichts der<br />

hohen Unsicherheiten, was zukünftige<br />

Sicherheitsszenarien betrifft, muß<br />

Sicherheitspolitik auch Risiken mit<br />

niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit,<br />

aber hohen Auswirkungen angemessen<br />

berücksichtigen und als planungsrelevant<br />

einstufen und sich auf strategische<br />

Überraschungen einstellen.<br />

Damit sollte im Fokus zukünftiger<br />

FOTO : U N S P L AS H<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


CORONA<br />

SPEZIAL<br />

Sicherheitskonzepte Prävention und<br />

Immunisierung von Staat, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft auf Basis eines umfassenden<br />

und europäisch-kooperativ<br />

ausgerichteten Resilienzkonzepts stehen.<br />

Unter den massiven Eindrücken<br />

der Covid-19-Krise besteht die Chance,<br />

die Sicherheitspolitik Österreichs neu<br />

zu denken und mit Innovationskraft<br />

und Kreativität neu zu organisieren.<br />

Hybrid-virale Bedrohungen sind<br />

eingebettet in eine sich zunehmend<br />

verschärfende geopolitische Konkurrenz,<br />

eine sogenannte konfrontative<br />

Multipolarität: Mit den USA als der<br />

im relativen Niedergang befindlichen<br />

Weltmacht, die sich von ihrer Rolle<br />

als Weltordnungshüter verabschiedet,<br />

einem zunehmend offensiver vorgehenden<br />

China, einem selbstbestimmt<br />

agierenden, insgesamt aber im Niedergang<br />

begriffenen Russland und<br />

einer EU, die sich nicht entscheiden<br />

kann, ob sie die Kraft zur Bündelung<br />

ihrer enormen Ressourcen aufbringt<br />

und ihr Schicksal in die eigene Hand<br />

nimmt. Je mehr die transatlantische<br />

Gemeinschaft erodiert, desto größer<br />

werden die Möglichkeiten Chinas<br />

und Russlands, Europa und die USA<br />

gegeneinander auszuspielen. Dieser<br />

Dynamik liegen insbesondere geoökonomische<br />

Entwicklungen zugrunde,<br />

denn der Wettstreit dieser vier<br />

Akteure wird im Wesentlichen durch<br />

den Wettbewerb um Zugang zu und<br />

Verfügungsgewalt über strategische<br />

Infrastrukturen, Kommunikationsnetzwerke,<br />

Rohstoffe, Technologien,<br />

Versorgungswege und Lieferketten<br />

bestimmt. Im Fadenkreuz stehen dabei<br />

primär jene Unternehmen, die für<br />

die Versorgungssicherheit in Bereichen<br />

wie Energie, Gesundheit, Ernährung,<br />

Digitalisierung und anderen<br />

Hochtechnologiesegmenten entscheidend<br />

sind. Ohne Schutz dieser<br />

strategischen Unternehmen und der<br />

Wirtschafts- und Versorgungsketten<br />

kann es weder eine strategische<br />

Krisenfestigkeit (Resilienz) noch<br />

eine strategische Autonomie Europas<br />

geben.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 6 H E E R &<br />

Resilienz ist das Ergebnis von robuster<br />

Widerstandsfähigkeit und agiler Anpassungsfähigkeit.<br />

Strategische Krisenfestigkeit<br />

erfordert daher, dass der<br />

Staat einerseits Risiken für Wirtschaft<br />

und Gesellschaft durch robuste<br />

Schutzmaßnahmen und Notprogramme<br />

abfedert. Andererseits muss der<br />

Staat auch in eine aktivierende Rolle<br />

schlüpfen, die Wirtschaft, Gesellschaft<br />

und den einzelnen Bürger darin befähigt,<br />

Risiken künftig selber besser<br />

erkennen und bewältigen zu können.<br />

Diese Form der strategischen Krisenfestigkeit<br />

setzt ganz besonders darauf,<br />

die Fähigkeit zur Antizipation auszubauen,<br />

um die Ursprünge möglicher<br />

strategischer Schocks frühzeitig zu<br />

erkennen. Risikoanalyse ohne sicherheitspolitische<br />

Maßnahmen ist aber<br />

nutzlos. Es reicht nicht aus, Risiken zu<br />

erkennen, Risikobeurteilung muss<br />

auch in konkrete politische Maßnahmen<br />

umgesetzt werden.<br />

M<br />

E H R<br />

CORONA<br />

SPEZIAL<br />

SICHERHEITSFAKTOR Streitkräfte können einen wichtigen Part einer gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge<br />

übernehmen, müssen dafür aber ihre eigene Durchhaltefähigkeit sicherstellen.<br />

LEHREN AUS DER<br />

KRISE Im Moment<br />

dominiert die unmittelbare<br />

Reaktion,<br />

mittel- bis langfristig<br />

müssen Staaten und<br />

Sicherheitsapparate<br />

aber ihre Lehren<br />

aus der Covid-19-<br />

Pandemie ziehen<br />

und die Resilienz<br />

ihrer Strukturen und<br />

kritischen Infrastrukturen<br />

sicherstellen.<br />

Schocks werden zunehmen – ob als<br />

Folge einer Pandemie, eines Naturereignisses<br />

oder der Exportkontrolle<br />

kritischer Rohstoffe beziehungsweise<br />

Technologien. Ohne strategische<br />

Krisenfestigkeit sind Wirtschaft und<br />

Standortattraktivität unkalkulierbaren<br />

Risiken ausgesetzt. Das erfordert ein<br />

Umdenken: Der Staat sollte Anreize<br />

schaffen, damit Unternehmen stärker<br />

in die Sicherheit investieren, beispielsweise<br />

durch gemeinsame Bevorratung<br />

kritischer Komponenten, die Förderung<br />

von Forschung und Technologie<br />

oder die Abnahme neuer Sicherheitsprodukte<br />

als Erstkunde. Für Unternehmen<br />

werden strategische Reserven,<br />

die die Krisenfestigkeit der Betriebsabläufe<br />

und der Lieferketten gewährleisten,<br />

zu einem Differenzierungsmerkmal<br />

im Wettbewerb, denn<br />

sie sichern die Leistungsfähigkeit auch<br />

in außerordentlichen Lagen. Staat und<br />

Wirtschaft brauchen eine neue Form<br />

des strategischen Dialogs, um diese<br />

Aspekte gemeinsam zu diskutieren<br />

und neue Sicherheitsansätze zu entwickeln.<br />

Der Wunsch nach nationaler<br />

Krisenfestigkeit wird Post-Covid lauter;<br />

ebenso die Versuchung, diesen<br />

Wunsch für protektionistische Maßnahmen,<br />

Renationalisierung und Isolationismus<br />

zu instrumentalisieren.<br />

Genau das wäre jedoch dem Ziel einer<br />

neuen strategischen Krisenfestigkeit<br />

abträglich, denn Protektionismus untergräbt<br />

Diversität und nur vernetzte<br />

Staaten, Wirtschaftssysteme und<br />

Gesellschaften sind resilient.<br />

Gleichzeitig muss der Staat Sicherheitspolitik<br />

als strategische Gestaltungsaufgabe<br />

verstehen, die mit entsprechenden<br />

Mitteln unterlegt wird,<br />

nicht als politisches Randgebiet, dessen<br />

Bedeutung und Umfang sich nach<br />

den Prioritäten anderer Politikfelder<br />

bemisst.<br />

Wie immer bleibt aber die Frage nach<br />

der Gewichtung des Sicherheitssektors<br />

bei kommenden Budgetdebatten<br />

von wesentlicher Bedeutung. Dabei<br />

sollte die Erhaltung der österreichischen<br />

Sicherheitswirtschaft in<br />

Kombination von staatlicher Hilfe und<br />

unternehmerischer Innovationskraft<br />

im Fokus stehen. Und angesichts der<br />

Erfahrungen vergangener Finanz- und<br />

Wirtschaftskrisen wäre eine immunisierende<br />

Schutzimpfung für nationale<br />

und europäische Verteidigungsbudgets<br />

eine Grundbedingung für eine<br />

sicherheitspolitische Erneuerung. Das<br />

nicht nur wegen der breit anerkannten<br />

Leistungen des Bundesheeres in der<br />

aktuellen Krise, sondern weil in allen<br />

Risikoszenarien das Bundesheer immer<br />

als die strategische Handlungsreserve<br />

und als die für die Resilienz unverzichtbare<br />

Institution beurteilt wurde.<br />

Diese Aufgabe kann das Bundesheer<br />

aber nur erfüllen, wenn es selbst<br />

eine resiliente Organisation ist.<br />

Anmerkung: Zur strategischen Krisenfestigkeit<br />

von Staat und Gesellschaft<br />

siehe Heiko Borchert und Johann<br />

Frank, NZZ Gastkommentar vom<br />

10. Mai <strong>2020</strong>.<br />

FOTO S : B U N D E S H E E R , 1 2 3 R F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Held under the prestigious patronage of<br />

His Majesty King Hamad bin Isa Al Khalifa<br />

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and Ministry of Transportation and Telecommunications<br />

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MAPS <strong>2020</strong> offers a range of sponsorship opportunities for companies to position themselves before key international customers and making a high-impact with<br />

decision-makers. For further information on sponsorship packages contact Rasha Kayyal by telephone +971 4 399 8355 or email [rasha@segma.co].


0 3 8<br />

S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />

BLICK IN DIE<br />

ZUKUNFT<br />

Auf das „Kampfflugzeug der Zukunft“ folgt nun der „Kampfpanzer der Zukunft“: Frankreich und Deutschland wollen parallel zur<br />

Entwicklung ihres Future Combat Air System (FCAS) auch beim neuen Main Ground Combat System (MGCS) gemeinsame Sache<br />

machen. Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre französische Kollegin Florence Parly<br />

haben vor wenigen Wochen einen Rahmenvertrag zur Realisierung unterzeichnet, bei der – im Gegensatz zum Kampfflugzeugsystem<br />

– Deutschland die Führung inne hat. Die Finanzierung ist mit 50:50 festgelegt. Das Abkommen beinhaltet die Projekt -<br />

organisation und die Managementstrukturen, wobei das initiale „Agreement 1“ eine zweijährige Systemarchitektur-Studie sowie<br />

eine Analyse des künftigen operationellen Umfelds betrifft. Dabei wird wohl Russlands neuer Panzer M-14 Armata eine gewisse<br />

Rolle spielen. Darauf aufbauend soll ein Technologie-Demonstrator realisiert werden, den die namhaften Hersteller Krauss-Maffei<br />

Wegmann, Nexter und Rheinmetall gemeinsam bauen sollen. In einem nächsten Schritt folgen dann Systemintegration und<br />

-demonstration. Geplant ist, dass das neue System Mitte der 2030er-Jahre die Familien Leopard-2 und Leclerc ablöst.<br />

IM FOKUS<br />

DIE KONZERNE<br />

IM ÜBERBLICK<br />

Lürssen<br />

3.000 Mitarbeiter,<br />

1,5 Mrd. € Umsatz<br />

German<br />

Naval Yards<br />

1.100 Mitarbeiter,<br />

250 Mio. € Umsatz<br />

TKMS<br />

6.000 Mitarbeiter,<br />

1,8 Mrd. € Umsatz<br />

LÜRSSEN & GERMAN NAVAL YARDS<br />

Die norddeutschen Schiffbauer Lürssen und German Naval<br />

Yards (Kiel) wollen ihre Marinesparten zusammenführen.<br />

Vertreter beider Unternehmen haben sich darauf geeinigt, die<br />

explizit militärischen Bereiche in einer Gemeinschaftsfirma zu<br />

bündeln, um potenter am Markt auftreten zu können. Mit ihrer<br />

Fusion lösen die beiden Gruppen die vor allem für diesel-elektrische<br />

U-Boote (mit und ohne außenluftabhängigem Antrieb)<br />

weltbekannte Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) als deutschen<br />

Marktführer ab. Um langfristig gegen Schwergewichte<br />

wie die Naval-Group aus Frankreich bestehen zu können ist<br />

eine weitere Marktkonsolidierung zu erwarten: TKMS befindet<br />

sich aktuell in Gesprächen über eine weitreichende Zusammenarbeit<br />

mit der italienischen Fincantieri-Werft, auch eine Megafusion<br />

mit Lürssen und German Naval Yards ist denkbar.<br />

FOTO S : G E O R G M A D E R , h E R ST E L L E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N E W S A U S D E R S I C H E R H E I T S B R A N C H E<br />

„WIR GEHEN WEITER RICHTUNG NATO“<br />

GENERALOBERST<br />

SERHII DROZDOV<br />

ist Kommandant<br />

der ukrainischen<br />

Luftstreitkräfte.<br />

Anlässlich der von Defence-IQ und den österreichischen<br />

Luftstreitkräften organisierten „Airpower Eastern<br />

Europe“-Konferenz führte Militär Aktuell ein Hintergrundgespräch<br />

mit dem Kommandanten der Luftwaffe der<br />

ukrainischen Armee, Generaloberst Serhii Drozdov.<br />

Die Ukraine geht – trotz des Konflikts mit Russland – weiter<br />

in Richtung NATO. Was bedeutet das für die Luftwaffe?<br />

Das stimmt, infolge des Konflikts wurden die Bemühungen<br />

möglicherweise sogar intensiviert. In einem ersten<br />

Schritt geht es nun darum, unsere Logistik und unser<br />

Training an die neuen Standards anzupassen und unser<br />

Personal vorzubereiten. In weiterer Folge wird es dann<br />

auch um neues Material und die Anpassung unserer Ausrüstung<br />

gehen. Dazu „westernisieren“ wir auch bereits<br />

laufend Su-27, MiG-29, Su-24 und Su-25.<br />

Ihre Luftwaffe war einst die drittgrößte der Welt …<br />

… und ist nun die siebtgrößte Europas. Noch vor Beginn<br />

des Konflikts mit Russland wurden Hunderte Fluggeräte<br />

abgestellt und zahlreiche Basen geschlossen. Inwiefern<br />

damit die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes gefährdet<br />

wurde, wird aktuell gerichtlich untersucht.<br />

Gehört auch Aserbaidschan zu diesen Partnern? Ich habe dort<br />

zuletzt blaue MiG-29 gesehen, die aus der Ukraine sein sollen.<br />

Ja, und das sogar samt Simulator. Die Depot-Wartungen dieser<br />

Flugzeuge erfolgen bei uns in Lemberg. Die vertiefte Kooperation<br />

in lufttechnischen Aspekten besteht bereits seit 2016 und<br />

Ähnliches konnten wir auch bereits mit Georgien etablieren.<br />

Stimmt es, dass sich die Ukraine für die leichten Kampfflugzeuge<br />

EMB-314 Super-Tucano von Embraer interessieren?<br />

Ja, Sie sind gut informiert. Deshalb begleitete im vergangenen<br />

Sommer auch ein Su-25-Fluglehrer den Staatsbesuch unseres<br />

Präsidenten in Brasilien. Das Konzept ist sehr interessant und<br />

eignet sich bei niedrigen Betriebskosten gut für Präzisions-<br />

Lufteinsätze in niedrigschwelligen Konflikten. Noch wurde<br />

über eine Beschaffung aber nicht entschieden.<br />

Wird es absehbar westliche Flugzeuge im Inventar geben?<br />

Wir haben bereits türkische Bayraktar-2-Drohnen, weitere<br />

Beschaffungen wird es nach unserem NATO-Beitritt geben.<br />

Polen zeigt den Weg vor, Warschau kauft nun sogar F-35-Jets.<br />

Wie stark sind die russischen Luftstreitkräfte, die der Ukraine<br />

gegenüberstehen?<br />

Die Zahl der stationierten russischen Luftmittel östlich der<br />

Ukraine und auf der besetzten Krim dürfte mittlerweile bei<br />

500 taktischen Jets und 340 Hubschraubern liegen. Damit<br />

hat Russland in jedem Fall eine numerische Überlegenheit.<br />

Wie hoch waren die Verluste im Krieg von 2014?<br />

Wir haben 19 Flugzeuge und Hubschrauber verloren,<br />

plus 40, die Russland nicht an uns zurückgegeben hat.<br />

Aber wir werden das mit Hilfe unserer Partner aufholen.


0 4 0 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

HIDDEN<br />

CHAMPIONS<br />

Überblick: GEORG MADER<br />

Österreich spielt am globalen Rüstungs- und<br />

Sicherheitsmarkt keine Rolle? Stimmt nicht!<br />

In vielen Nischen sind heimische Player<br />

mit innovativen Produkten sogar Weltmeister.<br />

W<br />

enn Frequentis<br />

unbemannte<br />

Flugzeugtower<br />

an die US-Armee<br />

verkauft<br />

oder Glock<br />

Zehntausende Handfeuerwaffen an<br />

Frankreich, dann ist das auch den heimischen<br />

Breitenmedien Berichte wert.<br />

GENERAL<br />

DYNAMICS<br />

EUROPEAN<br />

LAND -<br />

SYSTEMS<br />

Über zuletzt volle Auftragsbücher<br />

durfte sich der GDELS-Standort in<br />

Wien-Simmering freuen. Von der Neuentwicklung<br />

des Radpanzers Pandur<br />

gingen um 105 Millionen Euro 34 Stück<br />

in der Version Pandur EVO (Evolution)<br />

an das Bundesheer, die Belegschaft<br />

musste dafür um zehn Prozent aufgestockt<br />

werden. Die Fahrzeuge werden<br />

seit Anfang 2019 bis Ende des laufenden<br />

Jahres ausgeliefert und sind mit einer<br />

ferngesteuerten 12,7-mm-Waffenstation<br />

(RWS) ausgerüstet. Die älteren<br />

Pandur A2 sind mit Panther RWS von<br />

ESL Advanced Information Technology<br />

GmbH bewaffnet, einer Tochter des<br />

israelischen Herstellers ELBIT.<br />

Davor, dazwischen und danach führt<br />

die rot-weiß-rote Sicherheits- und Rüstungsindustrie<br />

aber meist ein mediales<br />

Schattendasein, das ihrem eigentlichen<br />

Status so gar nicht gerecht wird. Aktuell<br />

sind es schließlich deutlich mehr als<br />

100 Unternehmen, die aus Österreich<br />

für den Weltmarkt produzieren und<br />

mit ihrem Jahresumsatz von rund<br />

2,7 Milliarden Euro direkt und indirekt<br />

24.000 Arbeitsplätze sichern. Der Exportanteil<br />

ist mit 94 Prozent hoch, die<br />

F&E-Quote vorbildlich und die Ausstrahlungseffekte<br />

der Branche auf andere<br />

Sektoren wie beispielsweise die<br />

Luftfahrtindustrie oder die Elektroindustrie<br />

sind nicht zu unterschätzen.<br />

Der heutige Status ist hart erarbeitet:<br />

Ausnahmen wie der in 110 Länder exportierte<br />

Puch Haflinger täuschten von<br />

den 1960er-Jahren bis in die späten<br />

1980er-Jahre darüber hinweg, dass es<br />

heimische Player angesichts des Kalten<br />

Krieges und der Blockbildung auch mit<br />

hochwertigen Produkten schwer hatten,<br />

international Kundschaft zu finden.<br />

Also blieb das Bundesheer oft der<br />

einzige Abnehmer und so konnte<br />

„Made in Austria“ wie der Jagdpanzer<br />

Kürassier oder der Schützenpanzer<br />

Saurer zumindest in Kleinserie produzieren<br />

werden. Die sinkenden Verteidigungsbudgets<br />

machten aber auch diese<br />

Praxis mit der Zeit zunichte und der<br />

Skandal um die illegal in den Mittleren<br />

Osten verkauften Noricum-Kanonen<br />

gab der Branche schließlich den Rest.<br />

Anfang der 2000er-Jahre war von der<br />

ehemals wichtigen Industriesparte<br />

kaum mehr etwas übrig.<br />

Damals hätte man unter die rot-weißrote<br />

Sicherheits- und Rüstungsindus-<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


A U S T R I A N S E C U R I T Y & D E F E N C E<br />

HIRTENBERGER DEFENCE<br />

Als eines der ältesten heimischen Unternehmen wurde der seit 1887 produzierende<br />

Munitionshersteller mit Oktober 2019 von der Konzernmutter – obwohl wirtschaftlich<br />

gesund und mit gutem Auftragsbestand – an den ungarischen Staatskonzern HDT-<br />

Defense Industrial verkauft. Mit 60-mm-, 81-mm- und 120-mm-Mörsermunition erwirtschafteten<br />

85 Mitarbeiter zuletzt rund 30 Millionen Euro. Laut dem ungarischen Regierungskommissär<br />

für Verteidigungsindustrie will man keinen direkten Einfluss auf Marke,<br />

Management oder Mitarbeiter nehmen. Direktor Carsten Barth blieb daher in seiner<br />

Funktion, das Geschäft läuft vorerst weiter.<br />

AMST<br />

Ein besonders „schweres Teil“ aus Österreich ist mittlerweile im Dienst der britischen<br />

Luftwaffe (RAF). Um im Simulatortraining für moderne Kampfjets wie Typhoon oder<br />

F-35 Beschleunigungsbeginnraten von mehr als 10 G herzustellen, reichte die 62 Jahre<br />

alte Zentrifuge in Farnborough nicht mehr aus. Thales aus Frankreich gewann den<br />

Auftrag für die Neuausstattung und beauftragte AMST aus Ranshofen mit der neuen,<br />

39 Tonnen schweren Zentrifuge, die in nur einer Sekunde von 1G auf 9G beschleunigen<br />

kann. In der Kapsel ist auch – ein Novum – eine realistische, hochauflösende Missions-<br />

Flugsimulation für Typhoon, Hawk und F-35 inkludiert, samt Radarwarnempfänger und<br />

elektronischer Kampfführung.<br />

FOTO S : G E O R G M A D E R , A M ST<br />

trie eigentlich einen Schlussstrich ziehen können.<br />

Aber: Die wenigen verblieben Branchengrößen<br />

intensivierten in einer Art „letztem Aufbäumen“<br />

Forschung und Innovation, neue Player drängten<br />

auf den Markt und so blühen auf der Asche von<br />

gestern heute quer durch das ganze Land zahlreiche<br />

„Nischenmeister“. Ob als Start-up, in mittelständischem<br />

Familienbesitz, als Joint-Ventures oder in<br />

ausländischem Mehrheitsbesitz, viele heimische<br />

Unternehmen konnten sogar zu globalen Marktführern<br />

in ihrem Segment aufsteigen und bedienen vor<br />

allem folgende Fertigungsbereiche: Fahrzeuge und<br />

Zubehör, Überwachungsplattformen sowie -sensoren<br />

für Propellerflugzeuge (bemannt und unbemannt),<br />

leichte Waffen und Munition, Soldaten-<br />

/Polizisten-Verteidigungsausrüstung sowie Informations-,<br />

Kommunikations- und Cybertechnologie.<br />

Der Erfolg verleitet zur Zufriedenheit, dabei könnte<br />

vieles noch besser laufen: Als späte Schockwellen<br />

des Noricum-Skandals gehören die österreichischen<br />

Kriegsmaterial-Exportbestimmungen heute zu den<br />

strengsten Exportregimen für Militärgüter weltweit.<br />

Dabei sorgt nicht primär die Strenge für Kritik bei<br />

den exportorientierten Unternehmen, sondern vielmehr<br />

die Unvorhersehbarkeit der Auslegung. Diese<br />

würde die Planung und Koordination von Vorhaben<br />

erschweren, den Fortschritt heimischer Unternehmen<br />

im Vergleich zu europäischen Wettbewerbern<br />

bremsen und letztlich den Standort gefährden. Besonders<br />

schädlich für kleinere und oft familienge-<br />

HOCHLEISTUNG<br />

Rheinmetall ist sowohl bei 40mm Waffensystemen als auch bei Spezialeinsatzmitteln<br />

einer der weltweit führenden Anbieter.<br />

In beiden Bereichen deckt das Unternehmen das gesamte Spektrum ab und<br />

beliefert Streit- und Sicherheitskräfte weltweit mit Komponenten und Systemen.<br />

Neben 40mm Low Velocity und High Velocity Munition treibt Rheinmetall die<br />

Fortentwicklung der zukunftsträchtigen 40mm Medium Velocity Familie voran.<br />

Darüber hinaus bietet das führende wehrtechnische Systemhaus auch<br />

passende Waffensysteme und Feuerleittechnologie für 40mm Munition an.<br />

www.rheinmetall-defence.com<br />

FORCE PROTECTION IS OUR MISSION.


0 4 2 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

führte Hersteller ist die Möglichkeit der Zurücknahme<br />

von Ausfuhrgenehmigungen auch noch unmittelbar<br />

vor oder sogar während der laufenden Produktion.<br />

Dies sorgt bei den betroffenen Firmen vielfach für<br />

Unverständnis und kann durchaus existenzbedrohende<br />

Ausmaße annehmen. Für die WKO (siehe Interview<br />

mit ARGE-Sicherheit-Spartenobmann Reinhard<br />

Marak auf Seite 44) wäre daher „eine vorhersehbare<br />

und nichtdiskriminierende Exportkontrolle verglichen<br />

mit anderen europäischen Ländern für den<br />

Fortbestand des strategischen Wirtschaftszweigs von<br />

entscheidender Bedeutung.“ Oberstes Ziel müsse jedenfalls<br />

eine weisungsfreie, von der Politik möglichst<br />

unabhängige Rüstungsexportbehörde nach schwedischem<br />

Vorbild sein. Nur so könne man im Wettbewerb<br />

mit anderen europäischen Ländern potent<br />

am Markt auftreten und mittel- bis langfristig den<br />

Fortbestand der Branche sichern.<br />

RHEINMETALL<br />

Die Rheinmetall-Tochter Rheinmetall Waffe Munition<br />

Arges GmbH mit Sitz in Schwanenstadt ist auf<br />

40-mm-Munition spezialisiert. Direkt am Standort<br />

können auf einem eigenen Testgelände Produkte<br />

umfangreichen Erprobungen unterzogen werden.<br />

Neben 40-mm-HE-Munition (Low Velocity) mit<br />

unterschiedlichen Effekten werden auch Übungs-<br />

Granaten sowie Wirkmittel und Wirkmittelkomponenten<br />

erzeugt.<br />

LUFTFAHRT-CLUSTER<br />

In Wiener Neustadt sind gleich drei namhafte österreichische<br />

Hersteller angesiedelt, von denen zwei wiederum Weltmarktführer<br />

sind. Diamond Aircraft – seit 2017 Teil der chinesischen<br />

Wanfeng-Holding – steht für eine Art Marktdominanz bei kommerziellen<br />

Kunststoff-Leichtflugzeugen mit einem und zwei<br />

Motoren. Letztere sind die DA42- und DA62-Plattformen für<br />

Sensorträger für Behörden und militärische Nutzer weltweit.<br />

Davon wurden bislang rund 110 Stück verkauft, zudem hat man<br />

60 verschiedene Konfigurationen von Spezialmissionssystemen<br />

installiert und in zehn verschiedene ausländische Plattformen<br />

integriert. Letzter Wurf ist das DA62 MAS, eine zusammen mit<br />

Leonardo entwickelte Version für See-/Küsten- und Überlandüberwachungsmissionen.<br />

Eine feste Größe am Fertigungsstandort ist auch Rotordrohnen-<br />

Pionier Schiebel. Laut Firmenchef Hans-Georg Schiebel habe<br />

man bisher mehr als 300 Camcopter S-100 in 16 Nationen abgesetzt,<br />

zuletzt wurden Systeme an die Royal Thai Navy und für<br />

den französischen Hubschrauberträger Dixmude geliefert. Die<br />

Produktionsfläche wurde in den vergangenen Jahren in zwei<br />

Schritten auf 7.700 Quadratmeter vergrößert, der Personalstand<br />

soll demnächst um weitere 200 Mitarbeiter aufgestockt werden.<br />

Aus einem Weggang von Diamond entstanden sind die am<br />

Standort genau gegenüberliegenden Airborne Technologies<br />

rund um Chef Wolfgang Grumeth. Sie bauen keine eigenen<br />

Plattformen, sondern rüsten eine Vielzahl bestehender Behördenmaschinen<br />

(Fläche und Rotor) mit maßgeschneiderten, schlüsselfertigen<br />

Lösungen für Luftüberwachungs-, Vermessungs- und<br />

Kommunikationssysteme aus, zuletzt mehrere Vulcanair P68R-<br />

Patrouillenflugzeuge des britischen National Police Air Service.<br />

FOTO S : G E O R G M A D E R , S C H I E B E L , ST E Y R A R M S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


A U S T R I A N S E C U R I T Y & D E F E N C E<br />

STEYR ARMS<br />

Die Traditionsbüchsenschmiede (vormals Steyr-<br />

Mannlicher) ist vor allem für ihr als StG77 beim<br />

Bundesheer eingeführtes Sturmgewehr Steyr<br />

AUG bekannt, das in 70 Länder weltweit geliefert<br />

wurde und wird. Aktuell laufen bei den rot-weißroten<br />

Streitkräften insgesamt 120 Stück des mittleren<br />

Scharfschützengewehrs mSSG Steyr 08A2 zu.<br />

20 Jahre nach Einführung des SSG69 erhalten die<br />

Scharfschützentrupps und -gruppen der Bataillone<br />

der Jägertruppe sowie das Jagdkommando<br />

damit eine neue Präzisionswaffe, welche sich in<br />

zwei Durchgängen zuerst gegen elf und dann<br />

gegen vier andere Anbieter durchgesetzt hat.<br />

Auch das Zielfernrohr kommt aus Österreich,<br />

es ist das K624i der Firma Kahles, mit 6- bis 24-<br />

fachem, stufenlosem Vergrößerungsbereich.<br />

Die Gesamtkosten des Auftrags (samt jeweils<br />

umfangreichem Zubehörsatz) werden vom Bundesheer<br />

mit rund 1,6 Millionen Euro angegeben.<br />

EMPL<br />

Der Fahrzeughersteller ist für viele Abarten<br />

an Spezialversionen und -aufbauten<br />

bekannt. So wurden zum Beispiel 110<br />

Unimog U5000 mit flexiblen Aufbauten<br />

an das litauische Verteidigungsministerium<br />

geliefert, weitere 142 Stück sollen bis<br />

2021 folgen. Neu bei Empl ist auch das<br />

Bison-Bergefahrzeug mit einer 30-t- und<br />

einer 10t-Winde sowie dem Tatra 815-7<br />

FORCE 6×6.1R-Fahrgestell mit 1,2m<br />

Watfähigkeit.<br />

RHEINMETALL-MAN<br />

Weitaus größter Militärfahrzeughersteller Österreichs sind die Rheinmetall-<br />

MAN Militärfahrzeuge Österreich (RMMV/Ö) in Wien. Das Team um CEO<br />

Bernhard Pöltl hat jüngst von der deutschen Bundeswehr einen Auftrag zur<br />

Lieferung von weiteren 1.000 Logistik-Lkw (675 mit 5 Tonnen Nutzlast, 325<br />

mit 15 Tonnen) im Bruttowert von 382 Millionen Euro erhalten, der dritte Teil<br />

aus einer im Juli 2017 geschlossenen Rahmenvereinbarung über 2.271 Lkw<br />

der HX-Familie. Davor baute man in Liesing in zwei Tranchen 3.500 Lkw für<br />

die Australian Defence Force (ADF), in Summe um rund 1,5 Milliarden Euro.<br />

Auch das Bundesheer durfte kürzlich in seiner Flotte einige Neuwagen<br />

von RMMV begrüßen, die schwedischen Streitkräfte halten ihr neues Luftverteidigungssystem<br />

Patriot mit insgesamt 40 RMMV HX-Fahrzeugen mobil.<br />

FOTO : C H R I ST I A N H U B E R<br />

Gezielt für Scharfschützen<br />

Paul Loos sen. mit dem Scharfschützenhandschuh<br />

Die österreichische Firma ESKA hat als Teil des deutschen<br />

Modernisierungsprogramms „Infanterie der Zukunft" bemerkenswerte<br />

Ergebnisse erreicht. Gezielt für Scharfschützen wurde der<br />

TARIUS entwickelt. Dieser Handschuh wird den hohen Ansprüchen<br />

an Taktilität, Schutz und Funktionalität mehr als gerecht.<br />

Der Fingerkappenüberzug mit spezieller Steppnaht und die<br />

Schießfinger Straffvorrichtung sind patentiert. Gefühl und Sicherheit<br />

werden vom TARIUS genial in Einklang gebracht. Der Schießfinger<br />

mit Bewegungsfalte am Abzug unterstützt den perfekten Waffengebrauch<br />

und der perforierte Schießfinger maximiert das Tastgefühl.<br />

Aus Digitalleder gefertigt sind der Grip Innenhand-besatz und<br />

die praktische Anziehhilfe. Die Fäden aus 100% Nomex® sind<br />

flammhemmend und reißfest. Ein Volltreffer!<br />

Mehr auf www.eskagloves.com<br />

B E Z A H LT E A N Z E I G E


0 4 4 S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />

„Nationen haben Interessen, keine Freunde“<br />

REINHARD MARAK ist leitender<br />

Funktionär und Spartenobmann<br />

der Arbeitsgemeinschaft Sicherheit<br />

und Wirtschaft in der Wirtschaftskammer<br />

(WKO).<br />

Herr Marak, ist der Eindruck richtig, dass<br />

sich der österreichische Rüstungs- und<br />

Sicherheitssektor nach dem Niedergang<br />

in den 1980er- und 1990er-Jahren nun<br />

beständig aufwärts entwickelt?<br />

Dieser Eindruck täuscht nicht – in den vergangenen<br />

fünf Jahren weisen die Unternehmen<br />

des Sektors eine Wachstumsrate von<br />

28 Prozent auf. Inzwischen zählt das Segment<br />

rund 130 Unternehmen, von denen<br />

100 in unserer Arbeitsgemeinschaft organisiert<br />

sind. 90 Prozent dieser Unternehmen<br />

sind KMU und Zulieferer von Komponenten<br />

wie Elektronik oder Kommunikation, allesamt<br />

sind sie äußerst wettbewerbsfähig<br />

und decken fast das gesamte Spektrum der<br />

Militär- oder Polizeibedürfnisse ab.<br />

Angeblich könnte das Bundesheer einer<br />

neuen Untersuchung zufolge einen Großteil<br />

seines Materialbedarfs ausschließlich<br />

bei heimischen Anbietern abdecken?<br />

Basierend auf den beiden Generalstabsberichten<br />

über den Investitionsrückstau und<br />

die Materialnöte beim Bundesheer aus dem<br />

vergangenen Jahr, haben wir unter unseren<br />

rund 100 assoziierten Mitgliedsunternehmen<br />

gefragt, inwieweit verfügbare Technologien<br />

und Produkte aus ihrem Portfolio<br />

diese Anforderungen erfüllen können. Die<br />

Antworten haben sogar uns überrascht: Im<br />

Bereich der geschützten Mobilität könnten<br />

inländische Anbieter erstaunliche 92 Prozent<br />

des Bedarfs abdecken, bei der Soldaten-Ausrüstung<br />

sind es 90 Prozent, bei der<br />

allgemeinen Mobilität 87 Prozent und bei<br />

den Luft-Überwachungskomponenten immerhin<br />

50 Prozent. Unter dem Strich<br />

könnten unsere Mitglieder rund 70 Prozent<br />

der benötigten Fähigkeiten liefern.<br />

Wurde auch untersucht, wie groß bei<br />

Aufträgen bei heimischen Herstellern die<br />

Rückflüsse in den Staatshaushalt sind?<br />

GDELS-Steyr hat das im Zusammenhang mit<br />

dem Auftrag über 34 neuen Pandur EVO<br />

durch das Bundesheer gemacht. Demnach<br />

laufen vom Auftragswert von 105 Millionen<br />

Euro rund 30 Prozent als Mehrwertsteuer<br />

retour ins Budget und 20 Prozent als Lohnsteuer<br />

aus den Gehältern der Mitarbeiter. Es<br />

gibt auch noch weitere kleinere Rückflüsse,<br />

unter dem Strich refinanzieren sich die Ausgaben<br />

für den Staat zu mehr als 50 Prozent.<br />

Inwieweit sind die Kriegsmaterial-<br />

Exportgesetze Österreichs ein Wettbewerbsnachteil<br />

für heimische Hersteller?<br />

Grundsätzlich handeln alle europäischen<br />

Unternehmen entsprechend den EU-Verordnungen<br />

für Waffenausfuhren, allerdings werden<br />

diese in den Ländern unterschiedlich<br />

ausgelegt. Es gibt daher Märkte, für die<br />

Österreich keine Exportlizenz zulassen<br />

würde, während andere – wie beispielsweise<br />

Frankreich, die Tschechische Republik<br />

oder die Slowakei – dies sehr wohl tun.<br />

Sie orten eine Wettbewerbsverzerrung?<br />

Natürlich, wobei das Exportprozedere im<br />

Vergleich zu früher definitiv berechenbarer<br />

geworden ist und rascher abgewickelt wird.<br />

In diesem Zusammenhang würde ich gerne<br />

mit einem Vorurteil aufräumen ...<br />

Nämlich?<br />

Die Öffentlichkeit glaubt, dass wir und die<br />

anderen europäischen Verteidigungs- und<br />

Sicherheitsfirmen von sich zuspitzenden<br />

Konflikten profitieren. Allerdings ist das Gegenteil<br />

der Fall: Wenn das Risiko gegeben<br />

ist, dass unsere Produkte Kämpfe und Auseinandersetzungen<br />

befeuern könnten,<br />

schließt sich dieser Exportmarkt für uns.<br />

Dann übernehmen außereuropäische Akteure<br />

wie China oder Russland den Markt.<br />

Können Sie abschließend einen Ausblick<br />

auf die Zukunft des Sektors geben?<br />

Die meisten europäischen Staaten haben<br />

zuletzt die Relevanz von Sicherheit und<br />

Verteidigung wiedererkannt. Es wurden ein<br />

Europäischer Verteidigungsfonds und eine<br />

Generaldirektion für die Verteidigungs- und<br />

Raumfahrtindustrie eingerichtet, mithilfe von<br />

PESCO soll mehr in die Verteidigung investiert<br />

werden. Es wäre wünschenswert, wenn<br />

sich Österreich mehr an diesem Trend orientieren<br />

könnte und der Investitionsanteil beim<br />

Bundesheer deutlich steigen würde. Das<br />

würde unserem Sektor enorm helfen, davon<br />

würde aber auch die europäische Sicherheit<br />

profitieren. Denn niemand sollte glauben,<br />

dass alle um uns herum für immer Freunde<br />

und Partner sein werden. Nationen haben<br />

primär Interessen, keine Freunde.<br />

M I l I t ä R A K t U E l l


FOTO S : G E O R G M A D E R , G LO C K<br />

GOLDECK TEXTIL<br />

Eigentlich für Bettwäsche und hochwertige Wasserbetten bekannt,<br />

zählen zum Produktportfolio auch Outdoor-, Jagd- und Military-<br />

Equipment von Schlafsäcken über Biwakzelte und Windstopper bis<br />

hin zu Isolationsbekleidung. Jüngst haben die Kärntner einen Auftrag<br />

für die neuen ECWS-2010-Tarnuniformen der tschechischen Armee<br />

erhalten, das Volumen von mehr als 15 Millionen Euro umfasst<br />

39.276 Stück in grünem Muster für Ausbildung und Einsatz in Tschechien<br />

sowie 3.535 in sandfarbenem Druck für Auslandsmissionen.<br />

FREQUENTIS<br />

Die Wiener Firma Frequentis ist vor allem für ihre Flugsicherungsausrüstung<br />

für zivile und militärische Nutzer bekannt und zählt in diesem Bereich zu<br />

den Weltmarktführern. Jüngste Innovation sind – im Wettbewerb mit Saab<br />

– unbemannte Kontrolltürme und -stationen, deren Bilder von hochauflösenden<br />

Infrarot- und Schwenk-Neige-Zoom-Kameras an weit entfernte<br />

Zentralen und Fluglotsen übertragen werden. Die US Air Force installierte<br />

zwei solcher Systeme auf der Homestead Air Reserve Base, die US-Navy<br />

sowie die US-Marines je eines in Corpus Christi und in Camp Lejeune.<br />

Weiters nutzen Japan und Südkorea, sowie andere NATO- und lateinamerikanische<br />

Staaten in ihren Luftwaffen diverse Baugruppen aus Wien.<br />

GLOCK<br />

Der niederösterreichische Familienbetrieb ist einer<br />

der Weltmarktführer für Selbstladepistolen. Niederlassungen<br />

gibt es in mehreren Ländern, unter<br />

anderem auch in den USA. Als jüngster Großauftrag<br />

konnte die Pistolet Automatique de Nouvelle<br />

Génération (siehe Bild) für alle französischen Waffengattungen<br />

eingefahren werden, 74.596 Glock-<br />

17 Gen. 5 ersetzen ab 2022 eine Lizenz-Beretta 92.<br />

Der 44-Millionen-Euro-Auftrag umfasst auch Holster,<br />

7.000 Schalldämpfer-Kits, 15.000 Laserlichtmodule<br />

und 9.000 Trainingswaffen.<br />

The Mortar Company.<br />

DIGITALISATION OF MORTAR SYSTEMS


0 4 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

WETTLAUF MIT<br />

HYPERSCHALL<br />

Text: GEORG MADER<br />

chneller, präziser<br />

und zerstöre-<br />

S<br />

rischer. Seit Jahrtausenden<br />

treiben<br />

diese Maximen die<br />

Entwicklung von immer<br />

neuen Waffensystemen voran. Die<br />

Armbrust und Langbögen leiteten mit ihrer<br />

Reichweite und Durchschlagskraft den<br />

langsamen Niedergang des Rittertums ein,<br />

U-Boote machten überraschende Angriffe in den<br />

Weiten des Ozeans möglich und Bomber trugen<br />

Tod und Vernichtung von der Front bis weit ins<br />

Hinterland. Hyperschallwaffen dürften eine ähnliche<br />

Revolution auslösen – mit fünf- bis zehnfacher Schallgeschwindigkeit<br />

sollen sie in vergleichsweise geringer Flughöhe<br />

ihre Ziele anfliegen und enorme Zerstörungen verursachen<br />

können. Kein Wunder also, dass in den vergangenen Jahren welt-<br />

China und Russland haben<br />

sogenannte Hyperschallwaffen<br />

bereits im Truppentest, die USA<br />

wollen möglichst schnell nachziehen<br />

und auch andere Länder forschen<br />

bereits intensiv an der neuen<br />

Waffentechnologie.<br />

Steht die Welt am<br />

Beginn eines neuen<br />

Rüstungswettlaufs?<br />

FOTO S : G E O R G M A D E R , H E R ST E L L E R<br />

RUSSISCHE HOFFNUNG<br />

Die Hyperschall-Bemühungen<br />

Russlands umfassen mit der<br />

KH-47M2 Kinschal auch eine<br />

Luft-Boden-Rakete, die von<br />

MiG-31BM aus gestartet<br />

werden kann.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


H Y P E R S C H A L LW A F F E N<br />

weit ein neuer Rüstungswettlauf um<br />

die neue Technologie entbrannt ist.<br />

Führend dabei: Russland – zumindest<br />

wenn es nach Präsident Wladimir<br />

Putin geht. Wie bereits in Militär Aktuell<br />

#2/2019 unter dem Titel „Putins<br />

Wunderwaffen“ berichtet, war es der<br />

russische Präsident, der im vergangenen<br />

Jahr erstmals eine größere Öffentlichkeit<br />

auf die neue Waffenkategorie<br />

aufmerksam machte und dabei keinen<br />

Zweifel an der Pionierrolle seines<br />

Landes ließ. „Die USA haben sich aus<br />

dem ABM-Vertrag (Anm.: Rüstungskontrollvertrag<br />

zur Begrenzung von<br />

Raketenabwehrsystemen) zurückgezogen,<br />

weil sie geglaubt haben, dass<br />

sie sich mit einem Schutzschild vor<br />

einer strategischen Bedrohung schützen<br />

können. Wir haben einen anderen<br />

Weg verfolgt: Wir haben nicht<br />

Dutzende Milliarden in ein derartiges<br />

System investiert, sondern Angriffswaffen<br />

entwickelt, die jedes Abwehrsystem<br />

besiegen können, um damit<br />

das strategische Gleichgewicht zu<br />

wahren. Niemand außer uns hat heute<br />

Hyperschallraketen und bis andere<br />

Länder derartige Systeme entwickeln,<br />

werden wir uns etwas Neues einfallen<br />

lassen.“<br />

Nun: Gänzlich überraschend kam<br />

Putins Ankündigung freilich nicht.<br />

Vor allem im Raumfahrtbereich wird<br />

seit Jahrzehnten an Hyperschall-<br />

Technologien geforscht. Naheliegend,<br />

dass irgendwann auch Militärs auf<br />

den 6.000 bis 18.000 km/h schnellen<br />

Zug aufspringen und in die Technologie<br />

investieren. Sie sehen darin<br />

Wirkmittel- wie Aufklärungsmittel<br />

gleichermaßen. Längst werden daher<br />

in Hyperschall-Windkanälen die<br />

thermischen Herausforderungen an<br />

Metallurgie und intelligente Materialien,<br />

Antriebe und die Miniaturisierung<br />

von Kontrollkomponenten untersucht.<br />

Abhängig von Technologie<br />

und der Einsatzart wird zwischen<br />

Boostern oder luftgestarteten Systemen<br />

unterschieden, mit eigenem<br />

luft atmendem Antrieb (wie beispielsweise<br />

sogenannte Scramjets), im<br />

Luftraum operierend oder nicht angetriebene<br />

Flugkörper und Gefechtsköpfe,<br />

die anfänglich von einer ballistischen<br />

Rakete getragen werden und<br />

anschließend über Tausende Kilometer<br />

hinweg in wellenförmiger Bahn<br />

durch die obere Atmosphäre gleiten<br />

können.<br />

SCHWER ABZUFANGEN Während<br />

herkömmliche ballistische Raketen auf<br />

vorberechenbaren Flugbahnen ihrem<br />

Ziel entgegenfliegen, erlaubt die<br />

Manövrierbarkeit von Hyperschallwaffen<br />

unkonventionelle Flugbahnen in<br />

vergleichsweise geringer Flughöhe<br />

mit enormer Geschwindigkeit.<br />

Funktion eines<br />

Hyperschallgleiters<br />

EIN PROJEKT VON VIELEN<br />

Die USA treiben derzeit viele<br />

verschiedene Hyperschall-<br />

Projekte voran. Darunter auch<br />

die taktische Hyperschallrakete<br />

AGM-183A Arrow, die sich von<br />

einer B-52 ausklinkt und bis<br />

zu Mach-20 erreichen soll.<br />

Flugbahn<br />

konventioneller<br />

ballistischer<br />

Raketen<br />

ca. 100 km<br />

Manövrierbarkeit<br />

des Gleiters<br />

Atmosphäre<br />

Raketenstart<br />

Trennung<br />

von der Rakete<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

IM RAMPENLICHT China zeigte bei seiner letzten<br />

großen Militärparade in Peking gleich mehrere Stück<br />

des neuen Hyperschallgleiters DF-17 HGV.<br />

innewohnenden Potenzial müssen<br />

dazu neue Systeme und Verfahren<br />

untersucht und entwickelt werden.<br />

Dies schließt bei entsprechenden<br />

Forschungsprojekten den Einsatz<br />

von Automatisierung und künstlicher<br />

Intelligenz, zum Beispiel zur Berechnung<br />

von Abfangmöglichkeiten<br />

und -zeitpunkten, mit ein.<br />

Zurück zu Wladimir Putin, der sich<br />

in seiner Wahrnehmung des russischen<br />

Entwicklungsstatus wohl vor<br />

allem auf die Systeme Avangard<br />

(Gleiter auf Raketenstufe, Projekt<br />

4202/Yu-74) und 3M22 Tsirkon (seegestützt)<br />

bezog, die angeblich bereits<br />

mehrfach erfolgreich getestet aber<br />

noch nicht öffentlich gezeigt wurden.<br />

Bereits zu sehen war die aus der<br />

ballistischen Boden-Boden-Rakete<br />

SRBM Iskander entwickelte luftgestützte<br />

Kh-47M2 Kinschal, die 2019<br />

unter zwei MiG-31BM über den<br />

Roten Platz geflogen wurde und mittlerweile<br />

in mehreren Militärbezirken<br />

stationiert sein soll. Was Putin außer<br />

Acht ließ: Die Fortschritte, die China<br />

zuletzt auf diesem Gebiet gemacht<br />

hat. Im vergangenen Jahr konnte das<br />

Publikum bei der großen Pekinger<br />

Parade gleich mehrere Stück des neuen<br />

Hyperschallgleiters DF-17 HGV<br />

bestaunen, weitere Systeme sind in<br />

Entwicklung. Viele Experten sehen<br />

China im Hyperschall-Wettlauf mit<br />

Russland mittlerweile gleichauf.<br />

Und die USA? Die scheinen im<br />

Vergleich zu Moskau und Peking<br />

vorerst im Hintertreffen zu sein. Vor<br />

einigen Jahren erreichte das USAF-<br />

Projekt X-51 Waverider nach Ausklinken<br />

von einer B-52 zwar mehrmals<br />

Mach-5, eine einsatzfähige<br />

Waffe wurde aber nicht daraus.<br />

Nun treiben die USA gleich mehrere<br />

Projekte parallel voran, die meisten<br />

in sogenannten „Black Programs“,<br />

von denen kaum etwas nach außen<br />

dringt. In einer Tabelle des Defense<br />

Departments wurden zuletzt sieben<br />

verschiedene Hypersonic-Missiles,<br />

-Weapons und -Glider aufgelistet,<br />

beziffert mit einem Budgetvolumen<br />

von knapp acht Milliarden Euro bis<br />

2024. Im Februar wurde ein erfolgreicher<br />

Test eines Common Hypersonic<br />

Glide Body (C-HGB) von<br />

Kauai/Hawaii vermeldet. Ein anderes<br />

Projekt mit bis zu Mach 20 trägt<br />

die Bezeichnung AGM-183A Advanced<br />

Rapid Response Weapon (Arrow),<br />

Tragetests an B-52 sind fotografisch<br />

festgehalten und wurden von Entwickler<br />

Lockheed Martin umfangreich<br />

illustriert.<br />

Abseits der „großen Drei“ haben auch<br />

Japan (Anti-Schiffs-Hyperschall-<br />

Marschflugkörper), Indien (HSTDV<br />

auf Agni-1) und Großbritannien (SA-<br />

BRE von Reaction Engines) Studien,<br />

Pläne und Forschungen zu Hyperschallwaffen<br />

laufen. Mit Ausnahme<br />

eines ersten Fehlschlags in Indien<br />

wurden in diesen Ländern aber noch<br />

keine realen Objekte außerhalb von<br />

Windkanälen getestet und so liegt der<br />

Fokus der meisten Militärs dort wie<br />

anderswo momentan vor allem auf<br />

Überlegungen zur Abwehr von Hyperschall-Offensivwaffen.<br />

Aufgrund der<br />

erwähnten Eigenschaften und dem<br />

Fazit: Wie aktuell das Thema mittlerweile<br />

ist, zeigte sich Ende 2019 bei<br />

einer Fachtagung am German Institute<br />

for Defence and Strategic Studies<br />

(GIDS) in Hamburg. Das GIDS und<br />

die Fakultät Luftwaffe der Führungsakademie<br />

der Bundeswehr hatten<br />

zum Thema „Auswirkungen und Bedrohungen<br />

durch Hyperschallwaffen<br />

auf die bestehende Luftverteidigungsarchitektur“<br />

geladen und dabei trieb<br />

die versammelten Experten vor allem<br />

eine Frage um: Wird die neue Technologie<br />

zum „Game Changer“? Haben<br />

Hyperschallwaffen also das Potenzial<br />

– wie zuvor das Schießpulver, Panzer<br />

oder Cyber-Technologien –, das strategische<br />

Denken und Handeln von<br />

Militärs auf den Kopf zu stellen?<br />

Müssen damit alle geltenden Spielregeln<br />

neu geschrieben werden? Die<br />

Antwort lautet: Ja. Hält die Technologie,<br />

was sie verspricht, sind die bestehenden<br />

Konzepte der Luft- und<br />

Raketenabwehr von einem Tag auf<br />

den nächsten überholt. Hyperschall-<br />

Flugkörper sind nicht nur schnell,<br />

sondern lassen sich auch steuern –<br />

anders als ballistische Interkontinentalraketen<br />

folgen sie keiner vorhersehbaren<br />

Flugbahn. Dazu kommt: Sie<br />

können deutlich niedriger als ballistische<br />

Systeme fliegen, was sie aufgrund<br />

der Erdkrümmung für Radarsysteme<br />

erst spät erkennbar macht.<br />

Eine Abwehr wird damit für einzelne<br />

Staaten schwierig bis unmöglich.<br />

Erfolg versprechender scheinen<br />

Abwehrlösungen im Verbund oder<br />

innerhalb eines Bündnisses wie der<br />

NATO zu sein, womit Hyperschallwaffen<br />

die internationale Sicherheitsarchitektur<br />

nachhaltig beeinflussen<br />

dürften.<br />

FOTO : C H I N A M I L<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


F R A U E N I M K R I E G<br />

VON DER<br />

FRIEDENS-BERTHA<br />

FLINTEN-USCHI<br />

BIS ZUR<br />

Das Buch Frauen.Medien.Krieg. blickt auf die weiblichen Seiten des Krieges<br />

und spannt den Bogen von Kriegskrankenschwestern über Soldatinnen bis zur<br />

Anwendung sexueller Gewalt als Teil der Kriegsführung etwa von Boko Haram<br />

und dem Islamischen Staat.<br />

Text: MORITZ KOLAR<br />

FOTO S : M AU R I T I U S I M AG E S , B E I G E ST E L LT<br />

as „starke Geschlecht“<br />

D<br />

im Fokus: Wird über<br />

Kriege berichtet, dann<br />

geht es in den Texten<br />

und Reportagen<br />

meist um Männer.<br />

Um Männer, die zur Waffe greifen.<br />

Männer, die in Schützengräben hocken.<br />

Männer, die unter Feuer auf feindliche<br />

Stellungen zustürmen, Kriegsverbrechen<br />

begehen und die auf großen<br />

Landkarten Divisionen verschieben.<br />

Frauen sind der vorherrschenden<br />

Kriegsliteratur hingegen kaum eine<br />

Zeile wert und während unzählige<br />

Kriegerdenkmäler an gefallene Soldaten<br />

erinnern, sucht man Gedenksteine<br />

für Frauen, die an der oder durch die<br />

Front ihr Leben ließen, meist vergebens.<br />

Zu Unrecht, sagt Bettina Biron: „Es<br />

wird größtenteils ausgeblendet, dass<br />

auch Frauen aktiv und passiv an<br />

Kampfhandlungen teilnehmen und<br />

in Kriegen ebenso Opfer bringen<br />

wie Männer. Beispiele wie die österreichische<br />

Soldatin Viktoria Savs<br />

zeigen, dass Frauen sogar schon im<br />

Ersten Weltkrieg an der Front<br />

kämpften. Sie spielten dann auch im<br />

Zweiten Weltkrieg etwa als Kriegskrankenschwestern<br />

oder Wiederstandskämpferinnen<br />

unter Einsatz<br />

ihres Lebens wichtige Rollen. Die<br />

später als Unternehmerin erfolgreiche<br />

Deutsche Beate Uhse überführte<br />

beispielsweise im Range eines Hauptmanns<br />

für die Luftwaffe Flugzeuge<br />

an die Front. In der Berichterstattung<br />

ist das trotzdem nur ein Randthema<br />

– wenn überhaupt.“ Um das<br />

zu ändern hat die Konfliktforscherin<br />

gemeinsam mit Kommunikationswissenschaftler<br />

Wolfgang Duchkowitsch<br />

sowie dem ehemaligen<br />

SOLDATINNEN In vielen Armeen versehen Frauen heute ganz selbstverständlich Dienst. In der Berichterstattung<br />

über Kämpfe und Kriege übernehmen aber immer noch beinahe ausschließlich Männer die Rolle der Helden.<br />

Kriegsberichterstatter Wolfgang<br />

Lamprecht das Buch Frauen.Medien.<br />

Krieg. (<strong>2020</strong>, LIT Verlag) herausgegeben.<br />

Forscher unterschiedlicher<br />

Disziplinen (unter anderen Heinz<br />

Gärtner und Christa Hämmerle)<br />

lenken darin den Blick auf aktive<br />

und passive weibliche Protagonisstinnen<br />

von Kriegen der vergangenen<br />

rund hundert Jahre. Auf Opfer<br />

und Täterinnen, von der „Friedens-<br />

Bertha“ bis zur „Flinten-Uschi“, von<br />

der Kriegskrankenschwester bis zur<br />

systematischen Anwendung sexueller<br />

Gewalt als Teil der Kriegsführung<br />

von Terrorgruppen wie Boko Haram<br />

und dem Islamischen Staat.<br />

„Uns war natürlich bewusst, dass wir<br />

bei den Recherchen auf jede Menge<br />

Klischees von der Frau als leidendes<br />

Opfer und dem Mann als Held oder<br />

Täter stoßen werden. Wie stark diese<br />

Klischees ausgeprägt und präsent<br />

sind, hat uns dann aber doch überrascht“,<br />

sagt Bettina Biron. „Überraschend<br />

war zudem, dass sich daran<br />

über die vergangenen Jahre trotz der<br />

erhöhten Präsenz von Frauen in vielen<br />

Streitkräften – der Frauenanteil<br />

in der US-Armee liegt beispielsweise<br />

mittlerweile bei rund 15 Prozent –<br />

wenig geändert hat. In Medien, Filmen,<br />

der Kriegspropaganda und der<br />

öffentlichen Wahrnehmung spielen<br />

fast immer ausschließlich Männer<br />

die Rolle des Helden. Frauen sind<br />

meist weiterhin bestenfalls Statisten.“<br />

NEUERSCHEINUNG<br />

Frauen.Medien.Krieg<br />

von Bettina Biron,<br />

Wolfgang Duchkowitsch<br />

und Wolfgang Lamprecht,<br />

erschienen <strong>2020</strong> im<br />

LIT Verlag.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 1 P A N O R A M A<br />

GRIPEN: KOSTENEFFIZIENT<br />

Das Mehrzweck- und Überschall-Kampfflugzeug Gripen<br />

von Saab erfüllt sämtliche Anforderungen<br />

der österreichischen Luftwaffe zum besten<br />

Preis-Leistungs-Verhältnis.<br />

Kostengünstige Trainings, wetterunabhängige<br />

Verfügbarkeit rund um die<br />

Uhr bei gleichzeitig geringem Wartungs-<br />

und Logistikaufwand am Boden.<br />

Gripen ist die richtige strategische<br />

Komponente für eine in<br />

te, kostengünstige und gleich<br />

moderne Luftraumüberwach<br />

Österreich. Mit einer<br />

1-Flotten-Strategie, regelmäß<br />

MODERNE LUFTWAFFE<br />

Regelmäßige Upgrades und Weiterentwicklungen auf Gripen<br />

stellen eine moderne Luftwaffe in Österreich sicher.<br />

ÜBERLEBENSFÄHIGKEIT<br />

Das Electronic Warfare System<br />

(EW) umfasst einen Radarwarnempfänger<br />

(RWR), interne Störsender<br />

zur Unterstützung der<br />

aktiven elektronischen Gegenmaßnahmen<br />

sowie Chaff- und<br />

Flare Dispenser. Das Gripen-System<br />

ermöglicht eine eigenhändige<br />

Programmierung des<br />

EW-Systems, einschließlich der<br />

souveränen Kontrolle über die<br />

Bedrohungs- und Gegenmaßnahmenbibliotheken.<br />

Weitere<br />

Upgrades im Bereich von Digital<br />

Radio Frequency Memory<br />

(DRFM) der nächsten Generation:<br />

erhöhte Sensitivität und Selektivität<br />

sowie Signal- und<br />

Datenverarbeitungstechniken.<br />

24/7 EINSATZBEREITSCHAFT<br />

Mit Gripen werden Training und<br />

Einsatz rund um die Uhr bei allen<br />

Wetterbedingungen geflogen.<br />

Die hohe Verfügbarkeit und kurze<br />

Bodenzeiten von rund<br />

10 Minuten zwecks Betankung<br />

und Bewaffnung ermöglichen das<br />

geforderte 24/7 QRA. Das moderne<br />

BIT-System überprüft laufend<br />

alle flugkritischen Systeme<br />

und unterstützt mittels<br />

fortgeschrittenem MGSS<br />

(Maintenance Ground Support<br />

System) das Bodenpersonal bei<br />

allfälliger Fehlerlokalisierung. Gripen<br />

zeichnet sich durch<br />

einen minimalen logistischen Fußabdruck<br />

aus und kann in<br />

Friedens- und Konfliktzeiten<br />

mit einem Bodenpersonal<br />

von lediglich drei bis fünf<br />

Soldaten operiert werden.<br />

AIR-TO-AIR<br />

Für große Reichweiten verfügt Gripen über integrierte<br />

Luft/Luft-Waffen (Meteor, AMRAAM). Für Einsätze innerhalb<br />

des Sichtbereichs kommen IRIS-T, A-DARTER<br />

und Sidewinder zum Einsatz – integriert<br />

im HMD (Helmet Mounted Display). Mittels<br />

Radar-Upgrades in den Bereichen Datenverbindung,<br />

Reichweite und AESA-Technologie wird das volle Potenzial<br />

neuer Waffenversionen ausgeschöpft. Ein verbessertes HMD<br />

mit Nachtsichtfähigkeit ist ebenfalls Teil der Weiterentwicklung.<br />

AIR-TO-GROUND<br />

Gripen verfügt über alle Anforderungen im Bereich Close Air Support (CAS). Auch die<br />

CAS-Kommunikation zwischen Forward Air Controller (FAC) und Gripen wird unter<br />

Berücksichtigung minimalster Investitionen ins Funknetz künftig möglich sein.<br />

LÄNGE 14,9 Meter<br />

FOTO S : SA A B<br />

INTEROPERABILITÄT<br />

Das IFF-System (Freund/Feind-Identifzierzung) umfasst Fähigkeiten zur Unterstützung<br />

des zivilen, nationalen und NATO-Modus. Gripen wird in naher Zukunft mit neuen<br />

Krypto-Lösungen und Mode-Standards interoperabel sein.<br />

MODERNES DATENVERBINDUNGSSYSTEM<br />

Gripen ist mit dem einzigartigen taktischen Fighter-zu-Fighter-<br />

Datenverbindungssystem (TIDLS) ausgerüstet. TIDLS empfängt von allen Beteiligten<br />

einer taktischen Lufteinheit relevante Flugzeugstatus-Informationen zu Treibstoff,<br />

Radar- und anderen Sensordaten sowie Missionsinformationen von der Einsatzleitung<br />

und tauscht diese in Echtzeit zwischen den Flugzeugen aus. TIDLS schafft entscheidende<br />

Informationsüberlegenheit für den Piloten.<br />

MULTIROLE<br />

Gripen ist ein kosteneffizientes Mehrzweck-<br />

Kampfflugzeug und verfügt über ein hochmoder<br />

Überschallgeschwindigkeit für den Luftpolizeidie<br />

allwettertaugliche Waffensysteme mit integrierte<br />

Boden-Kapazitäten, Nachtsichtfähigkeit sowie üb<br />

flugzeug wurde Gripen unter NATO-Kommando i<br />

Luftaufklärung eingesetzt. Über 650 Einsätze und<br />

die insgesamt acht Gripen während sieben Mona<br />

Aufrechterhaltung des QRA werden im Rahmen v<br />

ungarischen Luftwaffe eingesetzt. Zusammen ab<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N F O G R A F I K<br />

tegrier-<br />

zeitig<br />

ung für<br />

igen<br />

UND LEISTUNGSSTARK<br />

System-Upgrades und Weiterentwicklungen<br />

kann Gripen heute und auch in Zukunft<br />

effizient und effektiv operiert werden.<br />

Hohe Agilität, Schnelligkeit und die<br />

Leistungsfähigkeit der Sensoren ermögli-<br />

chen einen umfassenden Luftpolizeidienst,<br />

die taktische Luftaufklärung sowie<br />

die Erdkampffähigkeit zur Unterstützung<br />

eigener Bodentruppen. Gripen verfügt<br />

über modernste allwettertaugliche Waf-<br />

fensysteme, wie die BVR-Langstrecken-<br />

Lenkwaffe Meteor und stellt auch in Zukunft<br />

mit zunehmender<br />

Datenflut die Interoperabilität mittels<br />

High Speed Datalink sicher.<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

1-FLOTTEN-STRATEGIE<br />

Eine 1-Flotten-Strategie erfüllt alle betrieblichen<br />

Anforderungen mit einer geringeren Anzahl von<br />

Flugzeugen und ist deshalb maximal kosteneffizient. Aufgrund<br />

besserer und vielseitiger<br />

Einsatzmöglichkeiten aller Piloten können mit<br />

Gripen sämtliche jährlich erforderten Flugstunden<br />

(Simulator inklusive) produziert werden.<br />

Eine 1-Flotten-Strategie optimiert zugleich die<br />

Ressourcen im Bereich des Bodenpersonals.<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

Gripen<br />

Hersteller Saab<br />

Maximales Startgewicht 14 Tonnen<br />

Triebwerk (Schub) 80,5 kN<br />

Maximalgeschwindigkeit Mach 2+<br />

Interne Treibstoffkapazität 2,4 Tonnen<br />

Reichweite 3.000 Kilometer<br />

Startstrecke 400 Meter<br />

Landestrecke 500 Meter<br />

g-Limits –3 / +9<br />

RESSOURCEN UND INFRASTRUKTUR<br />

Die Einführung und der Betrieb von<br />

Gripen erfordert minimale Investitionen zur<br />

Anpassung bestehender Infrastruktur<br />

auf den Stützpunkten Zeltweg und<br />

Hörsching. Der Übergang und die<br />

Umrüstung der österreichischen<br />

Piloten auf Gripen gestaltet sich<br />

einfach und erfolgt innerhalb<br />

kurzer Zeit. Eine kurz- und<br />

langfristige Ausbildungslösung<br />

stellt die volle Einsatzfähigkeit<br />

der österreichischen Luftwaffe<br />

innerhalb von rund zwei Jahren<br />

nach Vertragsunterzeichnung sicher.<br />

SPANNWEITE<br />

8,4 Meter<br />

nes Radar,<br />

enst, beste Manövrierfähigkeit,<br />

n Kurzstrecken-Langstrecken-Luft- und Luftber<br />

ein umfassendes Selbstschutzsystem. Als Multirole-Kampfim<br />

Rahmen der internationalen Militäroperation über Libyen im Jahr 2011 zwecks<br />

d mehr als 2.000 Flugstunden mit einer Verfügbarkeit von über 92 Prozent absolvierten<br />

aten vom Luftwaffenstützpunkt Sigonella in Sizilien aus. Im Luftpolizeidienst sowie zwecks<br />

von „Baltic Air Policing“ unter NATO-Kommando vier Gripen der tschechischen und<br />

solvieren die Gripen während der jeweils viermonatigen Missionen 400 Flugstunden.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />

china + ruSSland<br />

= StrategiSche allianz?<br />

Russland liefert Öl und Gas und nun sogar modernste Waffensysteme nach China,<br />

Peking wiederum forciert die Zusammenarbeit beim Megaprojekt Neue Seidenstraße und unterstützt<br />

Moskau beim Aufbau seiner Technologie-Infrastruktur. Was ist von dieser immer intensiver<br />

werdenden Zusammenarbeit zu halten? Beobachten wir gerade das Entstehen einer neuen<br />

strategischen Allianz? Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.<br />

schon 1996 beschlossen Moskau und<br />

peking eine strategische partnerschaft<br />

und 2001 unterzeichneten die<br />

beiden länder einen neuen Freundschaftsvertrag.<br />

die Absichtserklärungen blieben<br />

aber meist formal und gewinnen erst seit<br />

einigen Jahren zunehmend an substanz –<br />

und das vor allem in den Bereichen Geopolitik,<br />

in den handelsbeziehungen sowie<br />

der sicherheits- und Verteidigungspolitik.<br />

dabei eint Moskau und peking ein gemeinsames,<br />

übergordnetes Ziel: den einfluss<br />

– aus ihrer sicht dominanz – des Westens<br />

zu reduzieren. russland und china<br />

sind strikte Verfechter von nationaler souveränität,<br />

lehnen eine einmischung in innere<br />

Angelegenheiten kategorisch ab und<br />

vertreten die idee einer mulitpolaren Weltordnung<br />

mit unterschiedlichen Wertesystemen.<br />

Mit den Absichten der usA ist das<br />

nur schwer unter einen hut zu bringen,<br />

weshalb der einfluss Washingtons in<br />

europa, in Zentralasien und im Westpazifik<br />

weiter zurückgedrängt werden soll. und<br />

auch bei der erschließung der Arktis wollen<br />

Moskau und peking ein Gegengewicht<br />

zum Westen bilden.<br />

einen enormen schub für die bilateralen<br />

Beziehungen bedeuteten vor allem die<br />

Annexion der krim durch russland 2014<br />

und die folgenden sanktionen des Westens.<br />

china vermied eine Verurteilung<br />

Moskaus und stieg dadurch im kreml<br />

nolens volens über nacht zum „partner<br />

erster Wahl“ auf. in der Folge stieg das<br />

bilaterale handelsvolumen Jahr für Jahr,<br />

zuletzt 2018 um 25 prozent – erstmals<br />

konnte damit die Grenze von 100 Milliarden<br />

us-dollar (rund 89 Milliarden euro)<br />

überschritten werden. die Zahlen für 2019<br />

sind zwar noch nicht veröffentlicht, alles<br />

andere als ein weiterer deutlicher Antstieg<br />

wäre aber eine Überraschung. russlands<br />

exportschlager sind Öl und Gas. im Gegenzug<br />

ersetzt china vielfach europäische<br />

„trotz allem bestehen<br />

zweifel an der<br />

tragfähigkeit der<br />

strategischen<br />

Partnerschaft.“<br />

technologielieferanten, huawei baut in<br />

russland beispielsweise gerade das 5Gnetz<br />

auf. Vor allem aber gibt es kredite<br />

und darlehen für Moskau, peking investiert<br />

zudem massiv in Flüssiggasprojekte in<br />

der Arktis. russland wiederum will china<br />

beim Aufbau eines Frühwarnsystems zur<br />

raketenabwehr unterstützen und liefert<br />

seit 2018 modernste Militärtechologie wie<br />

das S-400-luftabwehrsystem oder den<br />

kampfjet Su35 an die chinesische Volksarmee.<br />

Mittlerweile gibt es sogar gemeinsame<br />

Militärmanöver zu land, zur see und<br />

in der luft. noch <strong>2020</strong> möchte man ein<br />

rechtliches rahmenwerk für sämtliche<br />

Militärkooperationen verabschieden.<br />

sicherheitspolitisch gab und gibt es zwar<br />

von beiden seiten Bedenken vor einer<br />

noch engeren Zusammenarbeit, doch die<br />

krim-krise hat auch hier für entspannung<br />

gesorgt. Man kooperiert in regionalen<br />

Foren wie der shanghaier organisation für<br />

Zusammenarbeit, stimmt die positionen<br />

gegenüber nordkoreas Atomwaffenprogramm<br />

ab und arrangiert sich beim seidenstraßenprojekt<br />

und in un-Gremien.<br />

trotz allem bestehen aber Zweifel an der<br />

tragfähigkeit der strategischen partnerschaft.<br />

denn russland ist de facto nur<br />

Juniorpartner, während chinas einfluss<br />

zunimmt. Mittel- und langfristig könnten<br />

auch die politische konkurrenz in Zentralasien<br />

oder der wirtschaftliche Wettkampf<br />

auf dem rüstungsmarkt für spannungen<br />

sorgen. chinesische Beobachter zweifeln<br />

außerdem an der Zuverlässigkeit Moskaus<br />

– in krisen könnte es sich für europa und<br />

den Westen entscheiden. solange daher<br />

die Auseinandersetzung mit dem „gemeinsamen<br />

Feind usA“ das politische Geschehen<br />

in peking und Moskau bestimmt,<br />

werden china und russland ihre kooperation<br />

zwar ausbauen, aber keine dauerhafte<br />

Allianz bilden. das würde ihren strategischen<br />

Freiraum zu sehr einschränken.<br />

Brigadier a. D. Walter Feichtinger ist<br />

Präsident des Center for Strategic<br />

Analysis (CSA). Davor war er Leiter<br />

des Instituts für Friedenssicherung<br />

und Konfliktmanagement (IFK) an<br />

der Landesverteidigungsakademie.<br />

Foto s : p i c t u r e d e s k , B u n d e s h e e r / M i n i c h<br />

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