24Das Stadtmagazin für Cloppenburg & umzu | Alles für die Frau
reportageir alle trinken Tee. Mehr oder weniger regelmäßig,traditionell friesisch oder in grün oderweiß, als Hagebutten-, Kamillen- oder Roibostee;mit Sahne oder ohne, mit Kandis oder ohne; imSommer kalt und im Winter unbedingt heiß, amliebsten mit Rum – und natürlich um der Gesundheit willen,denn es gibt kaum ein Weh, das nicht mit Tee zu heilenwäre. Einschließlich Herzschmerz, ach! Wie also würde es unsergehen, wäre nicht der Tee zu uns gekommen? Man magnicht darüber nachdenken, darum erzählen wir hier von demGlück, das uns vor langer Zeit an Land geschwemmt wurde.Es geschah vor gut 300 Jahren, dass eine Fregatte auf ihrerPassage von Asien nach Dänemark in der Höhe der nordfriesischen,vielleicht aber auch der ostfriesischen Inseln inSeenot geriet. Bald war offensichtlich, dass nichts mehr zuretten war, auch nicht Mann und Maus. Das Schiff versank.Am nächsten frühen Morgen, es war die Zeit, da die Strandloopersihr Revier in Augenschein nahmen um zu sehen, waswährend der Nacht an Strandgut angeschwemmt wordenwar, am nächsten frühen Morgen also war der Strand übersätmit den Trümmern der untergegangenen Fregatte. Undmittendrin Ballen, größer abgepackt als die norddeutschenKüstenbewohner das bisher gewohnt waren. Dabei hatteman schon so manches angeschwemmte Gut an Landgezogen...Noch stürmte es kräftig, so hüteten die Strandgutsammlersich, die Ballen zu öffnen, um das offenbar kostbare Gut nichtin alle Himmelsrichtungen davon fliegen zu sehen. Blieb alsonur der Transport der Kawenzmänner ins Dorf, doch selbstnachdem die Verstärkung des Bergungskommandos durchalles, was Beine hatte, organisiert war, dauerte die Schuftereibis zum Abend.„Dat mutt jo wat Goodes sinn!“ Es oblag wie immer demPastor, verschlossenes Strandgut zu öffnen. Ihn, da war mansicher, würde ein eventuell darin versteckter Fluch nicht treffen.Außerdem konnte man einen Gottesmann nicht dafürverantwortlich machen, wenn unnützes Zeug zum Vorscheinkam und die ganze Plackerei dann umsonst gewesen war.Das schien auch mit dem Inhalt dieser Ballen so zu sein,denn das, was da verpackt war, sah aus wie getrockneterGrünkohl – und das war das einzig Essbare, von dem manselbst genug hatte.„Na ja,“ verfügte der Ortsvorsteher, „die Weiber sollen estrotzdem kochen, wäre ja schade, das ganze Zeug zu verbrennen!“Sprach´s und verteilte den „Grünkohl“ ballenweisean die Familien des Dorfes. Auch seinem Haushalt genehmigteer ein paar Portionen und so konnte er die Unruheverstehen, die in den nächsten Tagen die Gemeinde erfasste– immer dann, wenn wieder jemand den angeschwemmtenGrünkohl gekocht hatte. Wie gewohnt mit ordentlich Talg,fettem Speck und Pinkel. Doch das Standardgericht des Nordensschmeckte mit einem Mal derart ekelerregend, dassman sich fragte, was andernorts wohl für komische Leuteleben – die so was zu sich nehmen mögen! Ein Friese jedenfallswürde das Zeug nicht länger essen. Also packte man dieReste auf die Speicher, immerhin könne man noch Matratzendamit ausstopfen...Dass es dazu nicht kam und der vermeintliche Grünkohlals Tee identifiziert wurde, ist das Verdienst eines Matrosen,der, als er mal wieder in heimische Gefilde kam, sich das Desastermit dem Strandgut-Grünkohl anhörte. „Zeigt mir maldas Zeug,“ bat er und wollte sich dann schier totlachen. „Wasseid ihr bloß für Döösbaddels,“ rief er und erklärte, dass dies„Chai“ sei. Dass man die Blätter nur verschneiden und dannmit kochendem Wasser aufgießen müsse, um ein köstlichesGetränk zu erhalten. Eines, das man in China und Indien, inEngland und in Russland an den Königshöfen trinke, übrigenssei dahin auch das Schiff, vermutlich von Indien kommendunterwegs gewesen.Das Stadtmagazin für Cloppenburg & umzu | Teetied – Zeit für Tee25