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kopfnoten zählen | | gute reise - handfest-online.de

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Die Diskussion ist alt, die For<strong>de</strong>rung brandneu: Vertreter <strong>de</strong>s Handwerks machen sich<br />

aktuell im Ausbildungspakt dafür stark, dass die Schüler wie<strong>de</strong>r Kopfnoten bekommen. Ihr<br />

Argument: Wenn wir verstärkt Lehrstellen für junge Menschen schaffen, muss die<br />

Regierung was dafür tun, dass die Bewerber fit für die Lehre sind. Fit heißt mehr als <strong>gute</strong><br />

Noten. Min<strong>de</strong>stens so wichtig sind die so genannten "soft skills" (weiche Eigenschaften):<br />

also Ausdauer, Einsatz, Höflichkeit, Sorgfalt, Selbstständigkeit, <strong>gute</strong> Umgangsformen und<br />

Zuverlässigkeit. Wer was wer<strong>de</strong>n will, <strong>de</strong>r muss auch hier Farbe bekennen. Weil die<br />

Bemerkungen zu Persönlichkeit und Verhalten traditionell oben am Zeugnis stehen, hat<br />

man sie kurzerhand "Kopfnoten" genannt. Kopfnoten gab's früher schon mal. Mitte <strong>de</strong>r<br />

Siebziger Jahre wur<strong>de</strong>n sie vielerorts abgeschafft. Wer<strong>de</strong>n sie jetzt wie<strong>de</strong>r belebt?<br />

Selda (14), Hauptschülerin aus Augsburg<br />

In Bayern haben wir so was schon im Zeugnis.<br />

Keine Noten, aber eine längere Bemerkung.<br />

An meiner gibt es nix zu meckern. Wenn ich<br />

selbst einen Betrieb hätte, wür<strong>de</strong> ich mir die<br />

Bemerkungen im Zeugnis auch genau<br />

anschauen. Denn was nützt mir ein Schüler<br />

mit <strong>gute</strong>n Noten, <strong>de</strong>r keinen Respekt hat?<br />

Viele Jungs sagen einem direkt ins Gesicht,<br />

wenn ihnen etwas nicht passt – egal, wer vor<br />

ihnen steht! Mädchen sind meistens diplomatischer.<br />

Dominik (15), Klassenbester aus Augsburg<br />

Gegenüber uns Hauptschülern gibt es eine<br />

Menge Vorurteile. Zum Beispiel, wir hätten<br />

keine Manieren und hängen <strong>de</strong>n ganzen Tag<br />

nur ab. So’n Quatsch. Ich weiß, was sich<br />

gehört. Außer<strong>de</strong>m muss ich weniger tun als<br />

ein Realschüler o<strong>de</strong>r Gymnasiast. Ich kann es<br />

mir erlauben, erst mal zum Billardspielen zu<br />

gehen. Meine Hausis mach' ich meist erst<br />

abends und trotz<strong>de</strong>m bin ich <strong>de</strong>r Beste in meiner<br />

Klasse.<br />

Stefan (15), Neuntklässler aus Augsburg<br />

Ich werd' Mechatroniker. Die Lehrstelle hatte<br />

ich als erster in <strong>de</strong>r Klasse. Es hat gleich beim<br />

Praktikum geklappt. Man muss zupacken, darf<br />

nicht rumzicken. Der Meister hat gesagt, dich<br />

nehmen wir. Trotz<strong>de</strong>m musste ich <strong>de</strong>r Firma<br />

noch acht Wochen hinterhertelefonieren, bis<br />

sie endlich mit <strong>de</strong>m Vertrag rüberkamen. Eine<br />

Zitterpartie.<br />

Nico Frodl (20), Anlagenmechaniker<br />

Kraftwerk aus Berlin.<br />

Kopfnoten sind nicht verkehrt. Wenn die<br />

Zensuren nur mittelmäßig sind – mit einer<br />

Ich will was tun!<br />

<strong>gute</strong>n Bemerkung kann man was rausreißen.<br />

Wer im Beruf anfängt, muss sich erst mal<br />

beweisen. Man muss sich verkaufen können,<br />

von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren abheben: Vernünftiges<br />

Auftreten, sich engagieren, keine Fehltage<br />

haben. Ich habe mich zu allen Wettbewerben<br />

gemel<strong>de</strong>t, meinen Schweißerpass gemacht.<br />

Heute trage ich viel Verantwortung und muss<br />

mir um meinen Job keine Gedanken mehr<br />

machen! Ich bin gera<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Lehre fertig<br />

gewor<strong>de</strong>n, frisch von <strong>de</strong>r Bewag, einem<br />

Energieversorger, übernommen.<br />

Reinhold Wimmer (61), Rektor einer<br />

Hauptschule in Augsburg<br />

Wir haben traditionell fünf Zeilen im Zeugnis,<br />

um ein genaueres Bild von <strong>de</strong>n Schülern zu<br />

geben, von ihrer sozialen Kompetenz, ihrer<br />

Teilnahme am Unterricht und ihrem Einsatz im<br />

Schulleben. Das Schwierige daran: Diese<br />

Bemerkung soll so realistisch wie möglich,<br />

aber wie<strong>de</strong>rum nicht negativ sein, um <strong>de</strong>m<br />

Schüler nicht <strong>de</strong>n Eintritt ins Berufsleben zu<br />

erschweren.<br />

Jörg Aumann (29), Leiter <strong>de</strong>r Orthopädieund<br />

Schuhtechnik an <strong>de</strong>r Hessing Klinik<br />

Augsburg<br />

Das Zeugnis allein genügt uns nicht. Wir wollen<br />

uns selbst ein Bild von <strong>de</strong>n Bewerbern<br />

machen. Wer bei uns lan<strong>de</strong>n will, muss vorher<br />

eine Schnupperlehre machen. Wichtig ist, dass<br />

die Bewerber <strong>gute</strong> Umgangsformen haben, mit<br />

unseren Kun<strong>de</strong>n umgehen können und<br />

Eigeninitiative zeigen. Uns ist lieber, jemand<br />

probiert selbstständig etwas aus, als dass wir<br />

ihm alles zeigen müssen. Zurzeit bil<strong>de</strong>n wir<br />

sechs Lehrlinge aus. Es sind immer mehr junge<br />

Frauen dabei.<br />

Du willst die Fähigkeiten trainieren, die so viel <strong>zählen</strong>? Da gibt es viele Möglichkeiten:<br />

1. Du hängst dich ins Internet. Wenn du bei <strong>de</strong>r Suchmaschine Google <strong>de</strong>n Begriff<br />

"soft skills" eingibst, spuckt es dir über 4 Millionen Einträge aus. Du fin<strong>de</strong>st beispielsweise<br />

was unter www.focus.msn.<strong>de</strong>, unter www.jobpilot.at/content/journal/softskills/in<strong>de</strong>x.html<br />

o<strong>de</strong>r<br />

www.abimagazin.<strong>de</strong>/rubrik/schwerpunkt200303jsp<br />

2. Du holst dir ein Buch, etwa "Mit Soft Skills mehr erreichen" von Penny Schiffer und<br />

Boris von <strong>de</strong>r Lin<strong>de</strong> (Verlag mo<strong>de</strong>rne industrie, 15,90 Euro)<br />

3. Du wirst Mitglied in einem Sportverein. Das trainiert Body and Soul!<br />

„Die zusätzliche Benotung<br />

bereitet auf das vor, worauf<br />

es in <strong>de</strong>r Berufswelt – neben<br />

<strong>de</strong>r Fachkompetenz – gleichfalls<br />

ankommt: die Persönlichkeit.<br />

In größeren Betrieben<br />

wird genau diese getestet.<br />

Handwerksbetriebe<br />

haben dafür we<strong>de</strong>r Zeit,<br />

noch die geeigneten Instrumente.<br />

Daher wäre es ratsam,<br />

wenn pädagogisch<br />

geschulte Profis die Aufgabe<br />

in <strong>de</strong>n allgemein bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Schulen übernähmen.<br />

Gerechter wür<strong>de</strong> es dadurch<br />

allemal.“<br />

Reiner Nolten,<br />

Geschäftsführer<br />

West<strong>de</strong>utscher<br />

Handwerkskammertag,<br />

Düsseldorf<br />

09

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