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Rafik Schami: »Wie sehe ich aus?« fragte Gott (Leseprobe)

Gott will wissen, wie seine Geschöpfe ihn sehen. Er fragt die Wolke, den Schmetterling, den Fisch, die Schildkröte und das Atom. Auch die Jasminblüte, die Maus und den Regenbogen. Ihre Antworten bezeugen die wunderbare Verbindung von Geschöpf und Schöpfung. So weiß sich die Wolke bewegt, der Schmetterling mit Schönheit gesegnet, die Maus geschützt, und der Regenbogen ist sicher, dass sich hinter Gott nur ein unvorstellbar humorvoller Zauberer verbergen kann. Am Ende fragt Gott ein kleines Mädchen und einen alten Maler. Über deren Antworten muss er allerdings gründlich nachdenken.

Gott will wissen, wie seine Geschöpfe ihn sehen. Er fragt die Wolke, den Schmetterling, den Fisch, die Schildkröte und das Atom. Auch die Jasminblüte, die Maus und den Regenbogen. Ihre Antworten bezeugen die wunderbare Verbindung von Geschöpf und Schöpfung. So weiß sich die Wolke bewegt, der Schmetterling mit Schönheit gesegnet, die Maus geschützt, und der Regenbogen ist sicher, dass sich hinter Gott nur ein unvorstellbar humorvoller Zauberer verbergen kann. Am Ende fragt Gott ein kleines Mädchen und einen alten Maler. Über deren Antworten muss er allerdings gründlich nachdenken.

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<strong>Rafik</strong> <strong>Schami</strong><br />

„ Wie <strong>sehe</strong> <strong>ich</strong> <strong>aus</strong>?“,<br />

<strong>fragte</strong> <strong>Gott</strong><br />

Mit Illustrationen von<br />

Sandra Beer


<strong>Rafik</strong> <strong>Schami</strong><br />

„Wie <strong>sehe</strong> <strong>ich</strong> <strong>aus</strong>?“,<br />

<strong>fragte</strong> <strong>Gott</strong><br />

Mit Illustrationen von Sandra Beer


Für r.


Eines Tages wollte <strong>Gott</strong> wissen, wie die<br />

Wesen seiner Schöpfung ihn sahen.<br />

Er, der alles erschaffen hatte, die Sonne<br />

und die anderen Sterne, die Erde und die<br />

anderen Planeten, wusste n<strong>ich</strong>t genau,<br />

was seine Geschöpfe über ihn dachten.


Und so kam <strong>Gott</strong> auf die Erde, uns<strong>ich</strong>tbar<br />

wie ein Gedanke und neugierig wie<br />

ein Kind. Der Zufall wollte es, dass das<br />

Erste, was ihm begegnete, eine kleine<br />

Wolke war.<br />

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„Wie sieht <strong>Gott</strong> <strong>aus</strong>?“, <strong>fragte</strong> <strong>Gott</strong><br />

die Wolke.<br />

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„Er ist uns<strong>ich</strong>tbar und doch immer da:<br />

Ich spüre ihn bei jeder Bewegung.<br />

Viel weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, <strong>ich</strong> bin noch sehr<br />

jung, aber er ist mächtiger als alles<br />

auf der Welt. Er bewegt m<strong>ich</strong>, wohin<br />

er will.<br />

9


Manchmal bringt er m<strong>ich</strong> dorthin,<br />

wo <strong>ich</strong> am liebsten sein möchte,<br />

als hätte er meine Gedanken gelesen,<br />

und wenn er wütend ist, wirbelt er<br />

m<strong>ich</strong> durch den Himmel, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

mehr weiß, wo oben und wo unten ist.“<br />

10


Und weil <strong>Gott</strong> auch in diesem Moment<br />

wusste, wohin die Wolke wollte,<br />

zu den durstigen Feldern näml<strong>ich</strong>,<br />

blies er sie dorthin. Erle<strong>ich</strong>tert sah er<br />

bald darauf ihre Freudentränen.<br />

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Als Nächstes begegnete er einem<br />

Schmetterling.<br />

„Wie sieht <strong>Gott</strong> <strong>aus</strong>?“, <strong>fragte</strong> <strong>Gott</strong> den<br />

Schmetterling, der gle<strong>ich</strong> ängstl<strong>ich</strong><br />

zur Seite flatterte.<br />

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Als das scheue Wesen s<strong>ich</strong> beruhigt<br />

hatte, sagte es: „<strong>Gott</strong> ist wie eine<br />

zauberhafte Hand, die alles Hässl<strong>ich</strong>e<br />

in Schönheit verwandelt, die eine<br />

unansehnl<strong>ich</strong>e Raupe in ihrem Kokon<br />

stre<strong>ich</strong>elt, und schon komme <strong>ich</strong> her<strong>aus</strong>.“<br />

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Zufrieden stre<strong>ich</strong>elte <strong>Gott</strong> den<br />

Schmetterling, und der freute s<strong>ich</strong><br />

über zwei neue bunte Streifen,<br />

die seine Flügel schimmern ließen.<br />

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15


„Wie sieht <strong>Gott</strong> <strong>aus</strong>?“, <strong>fragte</strong> <strong>Gott</strong><br />

einen Distelfink, der s<strong>ich</strong> im kleinen<br />

Bach erfrischte.<br />

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„Ach, <strong>Gott</strong>? Ich glaube, er ist der beste<br />

Gesprächspartner der Welt. Er hört<br />

immer zu, wenn Menschen, Wale,<br />

Vögel, ja sogar dieser Kieselstein,<br />

der s<strong>ich</strong> geräuschvoll im Bach badet,<br />

zu ihm sprechen. Es sind seine Ohren,<br />

die <strong>aus</strong> mir die schönsten Melodien<br />

her<strong>aus</strong>locken. Und wie alle, die gut<br />

zuhören, lacht <strong>Gott</strong> gerne, ja <strong>ich</strong> bin<br />

s<strong>ich</strong>er, auch er braucht das Lachen, um<br />

sein Werk zu vollenden.“<br />

39


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verze<strong>ich</strong>net diese Publikation in der<br />

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten<br />

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

ISBN 978-3-86921-263-0<br />

Autor: <strong>Rafik</strong> <strong>Schami</strong><br />

Redaktion: Elke Rutzenhöfer<br />

Illustrationen: Sandra Beer<br />

Gestaltung und Satz: Lisa Fernges, Gemeinschaftswerk der Evangelischen<br />

Publizistik (GEP) gGmbH · Frankfurt am Main<br />

Druck und Bindung: BELTZ Grafische Betriebe GmbH<br />

4. Auflage 2020<br />

© 2011 by edition chrismon in der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH · Leipzig<br />

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließl<strong>ich</strong> seiner Teile ist<br />

urheberrechtl<strong>ich</strong> geschützt. Jede Nutzung außerhalb der Grenzen des<br />

Urheberrechts ist ohne schriftl<strong>ich</strong>e Einwilligung des Verlags unzulässig.


ISBN 978-3-86921-263-0<br />

12,00 € (D) | 12,40 € (A)

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