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10 dorfleben - das Magazin für Herten-<strong>Westerholt</strong><br />
Schwimmende Schu<br />
Seit 1921 gibt es ein Schuhhaus Wilmsen. Susanne Schlüter-Wil<br />
Die Siebzigerjahre lassen grüßen: braun-beige und groß kaiert<br />
der Fußboden wie auch die Verkleidung der Theke, ales<br />
selbst ausgebaut von Werner und Margret Wilmsen.<br />
979 konnte das Paar glücklich im neu erbauten Haus an<br />
er Bahnhofstraße 117 Eröffnung feiern. —FOTO: PRIVAT<br />
„We are family“<br />
Sechster Teil der „dorfleben“-Serie<br />
(da-ho) „We are family“ sangen<br />
Sister Sledge mitreißend<br />
und temperamentvoll. „Wir<br />
sind eine Familie.“ Das hört<br />
sich gut an – nach Nähe, nach<br />
usammenhalt, nach Verrauen<br />
und Nestwärme. Was<br />
ist aber, wenn die Familie<br />
nicht nur privat eine Rolle<br />
spielt, sondern auch berufich?<br />
Wenn die Pflicht ruft, in<br />
einem Familienbetrieb Verntwortung<br />
zu übernehmen,<br />
Vater und Mutter gleichzeitig<br />
auch „Chef“ sind?<br />
„We are family“ heißt unsere<br />
„dorfleben“-Serie, in der Failienbetriebe<br />
einen Blick<br />
inter die Kulissen gewähren<br />
– beruflich und auch privat.<br />
Den Auftakt machte die Familie<br />
Gödde, die 2018 ihr 60-<br />
jähriges Bestehen als Marmor-<br />
und Granit-Unternehmen<br />
an der Langenbochumer<br />
Straße 401 feierte. Es folgten<br />
die Familie Neises mit ihrer<br />
Firma Neiko, der Garten- und<br />
Landschaftsbauer Bertlich<br />
und der Malerbetrieb Knebel.<br />
In letzten „dorfleben“ ging es<br />
um die Schreinerei Wolter.<br />
Heute stellen wir das Schuhhaus<br />
Wilmsen mit seiner langen<br />
Tradition in <strong>Westerholt</strong><br />
vor.<br />
Also dann: „We are family!“<br />
Von Dagmar Hojtzyk<br />
I<br />
n manch einem Bücherregal<br />
mögen noch heute die<br />
Geschichten über den „Waldbauernbub“<br />
von Peter Rosegger<br />
schlummern. Das Buch<br />
mit Widmung war ein Kommunions-Geschenk<br />
aus dem<br />
Schuhhaus Wilmsen, das<br />
1921 gegenüber der Martinus-Kirche<br />
von Wilhelm und<br />
Maria Wilmsen gegründet<br />
wurde.<br />
So wie es diese Art der Kundenbindung<br />
heute nicht<br />
mehr gibt, entfernten sich im<br />
Laufe der Jahrzehnte die<br />
Schuhe vom Alten Dorf und<br />
wanderten zur Bahnhofstraße.<br />
Zuerst zur Bahnhofstraße<br />
129, wo Wilhelm Wilmsen<br />
ein Haus baute. Dann ins<br />
Haus Nummer 117, wo Werner<br />
und Margret Wilmsen<br />
neu bauten. Dort ist das<br />
Schuhhaus Wilmsen bis heute<br />
zu finden. Geführt wird es<br />
seit 2007 von Susanne Schlüter-Wilmsen<br />
(52).<br />
Ein Name, eine Familie,<br />
dennoch keine direkte Linie.<br />
Susanne Schlüter-Wilmsen ist<br />
die Tochter von Werner und<br />
Margret Wilmsen. Werner<br />
Wilmsen war ein Neffe des<br />
Firmengründers und hat 1971<br />
gemeinsam mit seiner Frau<br />
Margret den Schuhladen<br />
übernommen. Beide brachten<br />
beste Voraussetzungen<br />
mit. Werner Wilmsen war<br />
Schuhmacher-Meister und<br />
hatte zusätzlich eine orthopädische<br />
Ausbildung. Margret<br />
Wilmsen war gelernte Schuhund<br />
Lederwaren-Verkäuferin.<br />
Ihren Mann hat sie, das versteht<br />
sich, im Schuhladen<br />
kennengelernt.<br />
Das gemeinsame<br />
Abendessen als Ritual<br />
Nicht alle Mitglieder in dieser<br />
verzweigten Familie fühlten<br />
sich Schuhen verpflichtet,<br />
aber viele. Letzten Endes<br />
auch Susanne, die ursprünglich<br />
Chemikerin werden wollte.<br />
Heute überlegt sie, ob die<br />
Chemie zumindest kurzzeitig<br />
dem ganz eigenen Dunst der<br />
väterlichen Schuhwerkstatt<br />
geschuldet war. „Es roch nach<br />
Leder, Kleber, Aceton und Farbe,<br />
eine ganz eigenwillige Mischung,<br />
die ich bestimmt nie<br />
vergessen werde.“ Schon als<br />
Das aktuelle Team im Schuhhaus Wilmsen: Tochter Susanne Schlüter-W<br />
rin Andrea Bolgen (v.l.). Bei den Wilmsens war es immer familiär. Chef<br />
he, Susanne Schlüter-Wilmsen.<br />
Kind hatte sie ihre eigene,<br />
kleine Schusterschürze, hockte<br />
in der Werkstatt, durfte<br />
Sohlen andrücken und Lederschnipsel<br />
nach eigener Fantasie<br />
verkleben.<br />
Als sie ihr Chemie-Studium<br />
abgebrochen hatte, gab es sofort<br />
einen Plan B. Sie ging zur<br />
Schuh-Fachschule Mainz,<br />
machte ihren Praktischen Betriebswirt<br />
und wusste: „Das ist<br />
mein Ding.“<br />
Ein Jahr lang arbeitete sie<br />
im renommierten Schuhhaus<br />
Zumnorde am Münsteraner<br />
Prinzipalmarkt. Als sich<br />
Nachwuchs ankündigte, zog<br />
es sie zurück nach Hause, und<br />
sie verlegte mit ihrer Familie<br />
den Lebensmittelpunkt nach<br />
<strong>Westerholt</strong>.<br />
Doch noch einmal ein<br />
Stück zurück in der Familiengeschichte:<br />
Als Werner Wilmsen 1988<br />
an den Folgen eines Krebsleidens<br />
verstarb, führte Margret<br />
Wilmsen das Geschäft weiter.<br />
„Und so richtig in Rente ist sie<br />
nie gegangen“, sagt Susanne<br />
Schlüter-Wilmsen.<br />
Tatsächlich wirkt Margret<br />
Wilmsen mit ihren 78 Jahren<br />
so fit wie der oft zitierte Turnschuh.<br />
Dass sie zurzeit nicht<br />
im Laden zu sehen ist, ist der<br />
Corona-Pandemie geschuldet.<br />
Die drei Töchter Susanne,<br />
Christiane und Barbara wollen<br />
ihre Mutter schützen.<br />
Folgt man Margret Wilmsens<br />
Erinnerungen, hört man<br />
die Geschichte einer Kleinun-<br />
Bunte Luftballons an der Hausfassade und Aufkleber in den<br />
chaufenstern: So wurde 2006 der 35. Geburtstag des<br />
chuhgeschäfts an der Bahnhofstraße gefeiert. Drinnen<br />
ab es Angebote und Überraschungen. —FOTO: : PRIVAT