artensuite
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zu vervollständigen, all das, was durch<br />
Abriss und Neubau bedroht war, wollte<br />
er – schon fast zwanghaft – im Bild sichern.<br />
Dieses Streben kommt nicht von<br />
ungefähr, war doch Paris erst im 19.<br />
Jahrhundert derart umgestaltet worden,<br />
wie wir es heute kennen. Vor allem der<br />
ab den 1850er Jahren als Präfekt wirkende<br />
Georges-Eugène Baron Haussmann<br />
wollte Paris zu einer modernen<br />
Metropole umbauen, Sichtachsen entstehen<br />
lassen und die mittelalterlichen<br />
Wurzeln von Paris zum Verschwinden<br />
bringen.<br />
Nur wenig ist bekannt über diesen<br />
Atget und doch wurde im 20. Jahrhundert<br />
aus diesem Wenigen eine aufregende<br />
Vita geschaffen, die dem Superstar<br />
Atget nur zu gut zu stehen kam.<br />
Seereisender soll er gewesen sein und<br />
sicher ein erfolgloser Theaterschauspieler,<br />
ein Aussenseiter und Bohemi-<br />
<strong>artensuite</strong> Mai Nr. 5 | 08<br />
en wurde geschaffen, der sich in den<br />
1890er Jahren vermehrt der Fotografie<br />
widmen wird, sich aber immer noch als<br />
«dramatischer Künstler» bezeichnet.<br />
Als Fotograf wird sein Tun mit Erfolg<br />
gekrönt, er kann nicht nur an zahlreiche<br />
Museen und Institute seine Fotografien<br />
(bis zu seinem Lebensende werden es<br />
über 25‘000 sein) von Paris verkaufen,<br />
sondern liefert auch Vorlagen für<br />
Künstler. Die Ansichten von Paris stehen<br />
denn auch im Zentrum der Ausstellung<br />
im Fotomuseum Winterthur.<br />
Daneben sind die frühen Fotografien<br />
von Strassenverkäufern und einfachen<br />
Leuten zu sehen sowie Detailaufnahmen<br />
von Türen, Toren, Türklopfern<br />
und ornamentalem Schmuck.<br />
Dass aus Atget einer der wichtigsten<br />
Fotografen aller Zeiten wurde, ist vor<br />
allem seiner Rezeption im 20. Jahrhundert<br />
zu verdanken. In Frankreich wird<br />
er bereits kurz nach seinem Tod 1927<br />
für den Surrealismus eingenommen,<br />
vielleicht wegen seiner Ansichten der<br />
Pariser Schaufenster mit ihren Puppen.<br />
In Deutschland stellte man Atget aufgrund<br />
seiner Fotografien von einfachen<br />
Dingen in die Reihe der Neuen Sachlichkeit<br />
und in den USA wurde Atget<br />
unter Beihilfe von Man Ray und vor<br />
allem Berenice Abbott zum Vorläufer<br />
von Fotografen wie Walker Evans, den<br />
FSA-Fotografen bis hin zu Lee Friedlander.<br />
Doch eigentlich muss man Atget<br />
wohl eher als atypischen Fotografen<br />
ansehen, denn als Erneuerer des Mediums,<br />
zu dem er im 20. Jahrhundert<br />
stilisiert wurde. Er nutzt das Medium<br />
als Dokument und trotzt damit all den<br />
piktorialistischen Trends seiner Zeit,<br />
die das Medium wie die Malerei als individuell<br />
und eben malerisch ansahen.<br />
<strong>artensuite</strong><br />
Theo Frey, Küche, Flühli,<br />
Entlebuch, 1941. ©<br />
Fotostiftung Schweiz<br />
Eugène Atget –<br />
Paris um 1900<br />
(Retrospektive)<br />
Fotomuseum<br />
Winterthur,<br />
Grüzenstrasse 44 +<br />
45, Winterthur. Geöffnet<br />
Dienstag bis<br />
Sonntag 11:00-18:00<br />
h, Mittwoch<br />
11:00-20:00 h. Bis<br />
25. Mai.<br />
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