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Highlight<br />
Nach Corona:<br />
Denkanstösse für Wirtschaft und Politik<br />
Herr Müller, seit dem Beginn der Corona-Krise sind Gesundheitsexperten<br />
wie Sie in den Medien omnipräsent. Wie schätzen<br />
Sie diesen Boom ein?<br />
Axel Müller: Ich denke, dass die Corona-Krise uns allen den<br />
überragenden Wert der Gesundheit und eines funktionierenden<br />
Gesundheitssystems vor Augen geführt hat.<br />
Die Bewältigung der Pandemie stellt auch die Schweiz vor<br />
grosse Herausforderungen und hier ist Fachexpertise gefragt.<br />
Während insbesondere seit der Finanzkrise Wirtschafts- und<br />
Finanzexperten eine starke Medienpräsenz hatten, stehen nun<br />
aktuell Spezialisten wie Virologen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.<br />
Da die Krise noch lange nicht ausgestanden ist, wird<br />
dies wohl bis auf Weiteres so bleiben.<br />
Zu welchen Themen beziehen Sie Stellung?<br />
Als Apotheker sind Medikamente mein Fachgebiet, und als<br />
Geschäftsführer des Branchenverbands Intergenerika liegen<br />
Generika, die günstigeren Nachfolgemedikamente, in meinem<br />
Fokus. Wir setzen uns für eine qualitativ hochwertige und gesicherte<br />
Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit diesen patentabgelaufenen<br />
Qualitätsarzneimitteln zu günstigen Preisen<br />
ein.<br />
Was uns im Moment besonders besorgt, sind die Lieferengpässe<br />
bei teilweise lebensnotwendigen Medikamenten wie Antibiotika<br />
oder Schmerzmittel. Die eh schon akute Verknappung<br />
– derzeit bestehen hierzulande Lieferengpässe bei über 600<br />
Medikamenten – hat sich im Zuge der Corona-Krise weiter verschärft.<br />
Hier besteht akuter Handlungsbedarf.<br />
Wie kommt es zu diesen Lieferengpässen und welche Lösungsansätze<br />
sehen Sie?<br />
Das Problem liegt vor allem in der hohen Abhängigkeit der<br />
Schweiz und Europas von China als weltweitem Produzenten<br />
von Arzneimittelwirkstoffen begründet. Patentfreie Wirkstoffe<br />
sind über Jahrzehnte hinweg immer mehr zu margenschwachen<br />
„Commodities“ verkommen und so für die Hersteller im hochpreisigen<br />
Europa uninteressant geworden.<br />
Die Corona-Krise ist deshalb als ein Weckruf zu verstehen, dass<br />
wir die Abhängigkeit von der Monopolstellung China`s reduzieren<br />
müssen. Die Repatriierung der Produktion einiger wichtigern<br />
Arzneistoffe Arzneimittelwirkproduktion schätze ich von<br />
nationaler strategischer Bedeutung ein, um die Arzneimittelversorgung<br />
Medikamentenversorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten<br />
nachhaltig sicherzustellen.<br />
Aufgrund der teilweise über Jahrzehnte aufgebauten Lieferketten,<br />
kann dies nicht von heute auf morgen geschehen und<br />
sollte im Schulterschluss mit unseren europäischen Nachbarn<br />
erfolgen.<br />
Da dort, vor allem in Deutschland, ähnliche Überlegungen derzeit<br />
laufen, ist das Timing für eine solche „Entente“ wohl ideal.<br />
Ich habe die Idee eines „New Deal“ für Generika-Wirkstoffe zur<br />
Diskussion gestellt, der am runden Tisch mit Vertretern der Politik,<br />
Sschweizer und europäischen Wirkstoffproduzenten und<br />
weiteren Interessensgruppen wie Ärzte, Apotheker und Krankenkassen<br />
ausgearbeitet werden sollte.<br />
Im Übrigen freue ich mich, dass sich mittlerweile Politiker jeglicher<br />
Couleur wie Ruth Humbel, Pascal Couchepin, Christian<br />
Levrat und Regula Rytz oder auch der ehemalige Preisüberwacher<br />
Rudolf Strahm mit ähnlichen Überlegungen äussern.<br />
Wem würde ein solches Vorhaben Nutzen bringen?<br />
Allem voran geht es hier um die Sicherung der Arzneimittelgrundversorgung<br />
der Schweizer Bevölkerung. Für Hersteller<br />
– und darunter befinden sich auch zahlreiche KMU – müssten<br />
interessante Anreize geschaffen werden, um die Wirkstoffproduktion<br />
Produktion einiger essentiellern Wirkstoffe in Europa<br />
wieder fest zu verankern. Zu diesen Anreizen können Steuererleichterungen<br />
oder garantierte Abnahmekontingente zählen.<br />
Langfristig, so bin ich überzeugt, würde der Produktionsstand-<br />
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