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Ausgabe 03.2020

Magazin für Kunden der Stadtwerke Erfurt. Aktuelle Informationen zu den Leistungen und Produkten der SWE. Geschichten aus Erfurt und der Region, Porträts und Reportagen. Themen der aktuellen Ausgabe: Corona und die Auswirkung auf die Kunst, Pop-Up-Store und Papeterie in Erfurt vorgestellt, BUGA-Vorfreude in Erfurt, Fachwerkhaus auf Reisen in Hohenfelden, Sponsoringprojekt 21x1000 startet wieder

Magazin für Kunden der Stadtwerke Erfurt. Aktuelle Informationen zu den Leistungen und Produkten der SWE. Geschichten aus Erfurt und der Region, Porträts und Reportagen. Themen der aktuellen Ausgabe: Corona und die Auswirkung auf die Kunst, Pop-Up-Store und Papeterie in Erfurt vorgestellt, BUGA-Vorfreude in Erfurt, Fachwerkhaus auf Reisen in Hohenfelden, Sponsoringprojekt 21x1000 startet wieder

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Journal<br />

Herbst 2020<br />

Das Magazin für unsere Kunden<br />

Die Herren<br />

vom Schloss<br />

Zu Besuch in Molsdorf Seite 38<br />

Wiedersehen<br />

nach 10 Jahren<br />

Happy End für Rocky Seite 8


Inhalt<br />

Alles Jugger oder was?<br />

21x1000: Zu Besuch im Kinderund<br />

Familientreff „Jumpers“ ............... 10<br />

Wir machen weiter...<br />

Corona und die Folgen für<br />

Theater und Herbstlese ....................... 12<br />

Ursula Poznanski in Erfurt<br />

Interview mit einer<br />

Bestsellerautorin ................................ 14<br />

Zukunft zu vermieten<br />

Pop-up-Store Erfurt:<br />

Chance für junge Kreative ................... 16<br />

Der richtige Qnik<br />

Klitzekleine Papeterie auf<br />

der Krämerbrücke .............................. 18<br />

Eine Frau sieht orange<br />

Ausbildung bei der SWE: Mandy Puffe<br />

lernt Berufskraftfahrerin ..................... 22<br />

Das blüht Ihnen zur BUGA<br />

Ein Spaziergang ins Jahr 2021 ............. 28<br />

Ein Haus geht auf Reisen<br />

Neue Heimat für altes<br />

Fachwerkgebäude in Hohenfelden .......44<br />

Ihre Stadtwerke im Netz:<br />

www.stadtwerke-erfurt.de<br />

Der Stadtwerke-Blog:<br />

www.swefuererfurt.de<br />

Unsere Facebook-Seite:<br />

www.facebook.com/sweerfurt<br />

Impressum<br />

HERAUSGEBER: SWE Stadtwerke Erfurt GmbH<br />

REDAKTION: Henry Köhlert, Anke Roeder-Eckert<br />

E-Mail: presse@stadtwerke-erfurt.de, Telefon: 0361 564-1128<br />

BEIRAT: Udo Bauer, Ivo Dierbach, Annett Glase, Anne Griese,<br />

Christine Karpe, Inka Kaufmann, Anja Kümpfel, Sabine Lehmann,<br />

Barbara Mörstedt, Hanno Rupp, Anett Schmidt<br />

REDAKTIONSSCHLUSS: 28.08.2020<br />

GESTALTUNG: Stefan Waldert, Janet Waldert<br />

TITELBILD: Steve Bauerschmidt<br />

FOTO: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

V<br />

ivian, Arran, Julia, Helene, Julia,<br />

Mieke und Marlene haben<br />

gewonnen. Mit Erdbeer-Sahne,<br />

Weltraum, Klecks und Sommerwiese<br />

– alle vier sind farbenfrohe<br />

Hüte aus Papier – räumten sie den<br />

2. Platz beim Kreativteil unseres Papiersammelwettbewerbs<br />

2019/2020<br />

ab. Die Grundschülerinnen gehören<br />

zur neu gegründeten Upcycling-AG<br />

der Grundschule Alach. 200 Euro gab<br />

es dafür von den Stadtwerken Erfurt.<br />

Doch die kleinen Künstler wollten es<br />

nicht für sich selbst, sondern spendeten<br />

es an krebskranke Kinder.<br />

Auch im neuen Schuljahr loben<br />

wir wieder einen Papiersammelwettbewerb<br />

aus. Vielleicht könnt ihr den<br />

Sammelrekord von 21.794 Kilogramm<br />

Papier ja knacken? Oder ihr macht es<br />

wie die Alacher und nehmt am Kreativteil<br />

teil. Dieses Mal dreht sich alles<br />

um kleine Papiermonster.<br />

Mehr dazu unter www.stadtwerkeerfurt.de/papiersammelwettbewerb.<br />

2<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 3


Sabine Hahnel in<br />

der Alten Synagoge<br />

vor einem Schaubild<br />

der mittelalterlichen<br />

Besiedlung in Erfurt.<br />

H<br />

ier, wo wir jetzt stehen, eigentlich<br />

im Herzen der Stadt, befand sich<br />

im Mittelalter das jüdische Quartier“,<br />

sagt Sabine Hahnel und dreht sich einmal<br />

im Kreis. Sie ist eine von vielen Stadtführerinnen,<br />

die Touristen im Auftrag der Erfurt<br />

Tourismus und Marketing GmbH durch Erfurt<br />

führen. Auf dem Benediktsplatz treffen<br />

wir uns zu einer besonderen Reise in die<br />

Vergangenheit. Eine Reise durch die Zeit im<br />

besonderen Sinne, denn so, wie wir heute<br />

laufen, gibt es die Stadtführung eigentlich<br />

nicht. Extra für uns hat Sabine Hahnel sie zusammengestellt,<br />

wir wandeln quasi auf den<br />

Spuren jüdischen Lebens in Erfurt.<br />

Die 45-Jährige ist seit über 20 Jahren<br />

Stadtführerin aus Leidenschaft und kann sich<br />

nichts anderes vorstellen. Wie sie dazu kam?<br />

Sabine Hahnel lacht. „Ich hatte zu Abizeiten<br />

eine wahnsinnig gute Geschichtslehrerin, die<br />

Geschichte mit Geschichten erzählen konnte<br />

und uns nicht ausschließlich auf Jahreszahlen<br />

getrimmt hat. Da war ich quasi ‚angefixt‘<br />

und konnte gar nicht anders, als Geschichte<br />

zu studieren“, sagt sie, zückt ihren<br />

Regenschirm und führt uns durch die engen<br />

mittelalterlichen Schlippen zur Mikwe, dem<br />

mittelalterlichen Ritualbad der Stadt hinter<br />

der Krämerbrücke. Sie liegt mitten im jüdi-<br />

Auf den Spuren<br />

Blick in die mittelalterliche<br />

Mikwe. Über Stufen<br />

ging es ins kalte Bad<br />

zur rituellen Reinigung.<br />

JÜDISCHEN LEBENS<br />

Unterwegs mit Stadführerin SABINE HAHNEL –<br />

ein Rundgang durch die Geschichte<br />

4<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

5


1<br />

schen Quartier, hier wohnten die ärmeren<br />

Leute. „Hinter der Furt, also östlich der Gera,<br />

war alles christlich“, sagt sie. Bis dicht an die<br />

Gera waren die ärmlichen Häuser gebaut, so<br />

ähnlich wie die Bursen, die sich nur wenige<br />

Schritte entfernt befinden. Bei Bauarbeiten<br />

wurde die Mikwe 2007 entdeckt. Wie so oft<br />

war es ein Zufall, eine Stützmauer brach ein:<br />

Zum Vorschein kam ein alter Keller. „Ein bedeutender<br />

Fund, denn das jüdische Ritualbad<br />

war noch viel wichtiger als die Synagoge.<br />

Man nannte es auch das kalte Bad, denn<br />

es wurde direkt aus der Gera gespeist. Der<br />

mittelalterliche Bau war gut durchdacht“, erzählt<br />

sie. Kiesel und Steine wirkten wie Filter<br />

auf das Wasser, das durch die Fugen ins<br />

Tauchbecken floss. Dadurch war es sehr sauber,<br />

aber auch sehr kalt. Nackt und einzeln<br />

ging es ins Wasser. „Vor allem für die Frauen<br />

war die rituelle Reinigung elementar, um<br />

sich von Körperflüssigkeiten zu reinigen,<br />

besonders an den weißen Tagen fünf oder<br />

sechs Tage nach der Menstruation“, so Sabine<br />

Hahnel. Aber auch wenn Tote berührt<br />

wurden oder nach der Hilfe bei Geburten<br />

stiegen Hebammen und Ärzte nach getaner<br />

Arbeit ins Wasser. Dreimal tauchten sie tief<br />

ein, Augen und Mund offen, sprachen Gebete.<br />

In der Michaelisstraße macht uns Sabine<br />

Hahnel auf die großzügig geschnittenen<br />

Grundstücke aufmerksam. Hier wohnten<br />

sich im 14. Jahrhundert Juden und Christen<br />

gegenüber, auch die wohlhabenderen jüdischen<br />

Fernhändler. Vorbei geht es an der<br />

Großen Alten Waage, es ist die Nr. 7. Das<br />

ganze Areal gehörte einst Abraham von Rotenburg,<br />

einem jüdischen Kaufmann, der das<br />

Haus gemeinsam mit der Nr. 6 errichten ließ.<br />

„Es war einer der größten und ältesten jüdischen<br />

Besitze vor der Judenverfolgung im<br />

13. Jahrhundert“, so Sabine Hahnel. 1349<br />

– während des Pogroms – fiel es dem Brand<br />

zum Opfer, wurde später aber wieder aufgebaut,<br />

da die Stadt die Waage aus dem<br />

Rathaus dorthin verlegen wollte. Bis 1712<br />

wurden die Häuser als Waage und Kaufhaus<br />

genutzt. Viele der ehemals jüdischen<br />

Wohnhäuser in unmittelbarer Umgebung<br />

wurden damals zu Stapelspeichern umgebaut,<br />

auch in der Waagegasse – ein Schicksal,<br />

das auch die Alte Synagoge teilte. Die<br />

übrigens war nicht der Zufallsfund, wie gern<br />

2<br />

1 Sabine Hahnel mit einer<br />

Ansicht der Bebauung hinter<br />

der Krämerbrücke aus<br />

den 1940er-Jahren.<br />

2 Jahrhundertelang war die<br />

Alte Synagoge hinter Speicherhäusern<br />

versteckt. 1998<br />

wurde sie freigelegt. Seit<br />

2009 können Besucher<br />

hier mehr über die Geschichte<br />

der ersten jüdischen<br />

Gemeinde erfahren.<br />

3 Kunsthistorikerin Dr.<br />

Maria Stürzebecher im<br />

Keller des Steinernen Hauses<br />

mit dem spannendsten<br />

jüdischen Grabstein, der<br />

jemals gefunden wurde.<br />

4 2010 wurde die Plastik<br />

eines Mannes an einem<br />

Sandstein in der Mikwe entdeckt.<br />

Sie zeigt die umgekehrte<br />

Ansicht eines Mannes<br />

mit Lilienkrone, die<br />

vermutlich aus dem 12. Jahrhundert<br />

stammt. Jahrhundertelang<br />

war sie unter<br />

dem Mörtel verborgen.<br />

dargestellt, erzählt Sabine Hahnel. Ende der<br />

1980er-Jahre, als das politische Klima milder<br />

wurde, tauchten in der ganzen DDR plötzlich<br />

Befunde jüdischen Ursprungs auf. Dass die<br />

Synagoge sich zu Teilen in der „Feuerkugel“<br />

befand, wurde schon lange vermutet, erzählt<br />

Sabine Hahnel und berichtet von Rosita Peterseim,<br />

einer Denkmalpflegerin und Kunsthistorikerin,<br />

die es genau wissen wollte und<br />

sich auf die Personaltoiletten des Restaurants<br />

schlich, den Putz abkratzte und mittelalterliches<br />

Mauerwerk entdeckte. Erst, als<br />

die Stadt das Grundstück 1998 zurückkaufte,<br />

konnte man der Sache auf den Grund gehen<br />

und fand Erfurts großartige Besonderheit,<br />

eine mittelalterliche Synagoge, die von den<br />

Grundmauern bis zum Dach aus dem Mittelalter<br />

– in ihren ältesten Teilen sogar aus dem<br />

11. Jahrhundert – stammt und komplett erhalten<br />

ist, trotz des Umbaus zum Speicher.<br />

„Das gibt es so nirgendwo anders und es ist<br />

absolut richtig, dafür das Weltkulturerbe zu<br />

beantragen“, sagt sie.<br />

Den Abschluss macht das Steinerne Haus<br />

aus dem 13. Jahrhundert. Hier treffen wir<br />

Kunsthistorikerin Dr. Maria Stürzebecher, die<br />

uns mit in den Keller nimmt. Über 100 alte<br />

jüdische Grabsteine und Fragmente des frühen<br />

13. bis frühen 15. Jahrhunderts sind hier<br />

3 4<br />

aufgestellt. Manche Inschriften sind kaum<br />

noch lesbar, andere sehen aus, als hätten<br />

die Steinmetze ihre Arbeit erst gestern beendet.<br />

„Sie waren im ganzen Stadtgebiet in<br />

alten Mauern und Kellern verbaut“, sagt sie<br />

und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen<br />

Stein. „Das ist der Spannendste. Ich dachte<br />

damals, jetzt haben wir endlich unseren<br />

Rabbiner-Grabstein, der hat so viel Text.<br />

Aber nein, es war der Leichenstein für eine<br />

Frau, die liebenswerte, ehrbare Frau Hannah.<br />

Und auch der Ehemann kommt zu Wort. Er<br />

spricht sie als sein Hannele direkt an, das ist<br />

nicht nur anrührend, sondern zutiefst ungewöhnlich“,<br />

sagt sie, denn einen solchen<br />

Grabstein hat man bisher noch nicht gefunden,<br />

weder in Erfurt noch anderswo.<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

Mehr zum jüdischen Leben lesen Sie im<br />

Blog www.swefuererfurt.de. Einfach den<br />

QR-Code scannen oder unter www.stadtwerke-erfurt.de/swejournal<br />

schauen.<br />

Reise durch die Zeit<br />

Viele Stadtführungen bietet die Erfurt Tourismus<br />

und Marketing GmbH an, die auch<br />

für Erfurter interessant sind. Wie wäre es<br />

mit dem „Romantischen Abendspaziergang“?<br />

Ein gemütlicher Rundgang mit einem<br />

Erfurter Original durch Altstadt, Universitätsviertel<br />

und „Klein Venedig“. Auch<br />

das „Erfurter Tratschweib“ lohnt sich, denn<br />

es kann keine Geheimnisse bewahren. „Unterwegs<br />

mit dem Erfurter Weinmönch“<br />

heißt die Tour durch Erfurts Weingeschichte<br />

vom Mittelalter bis heute.<br />

Sehr beliebt ist auch die „Erfurt-Tour<br />

mit der Straßenbahn“. Mit der historischen<br />

Stadtbahn geht es zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten<br />

der jüngeren und älteren<br />

Erfurter Stadtgeschichte. Informationen<br />

zur Buchung gibt es im Internet unter<br />

www.erfurt-tourismus.de.<br />

6<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 7


Happy End für ROCKY<br />

Cocker Spaniel nach zehn Jahren im Tierheim Erfurt wiederentdeckt<br />

Dass sie ihren geliebten Cocker Spaniel mal<br />

wiedersehen würde, hätte Nara Alieva nie<br />

gedacht. Vor zehn Jahren, da war sie 15,<br />

verschwand Rocky spurlos. Beim Spazierengehen<br />

riss er sich von der Leine los. Sie selbst war damals<br />

im Urlaub, der Hund zur Pflege bei Bekannten.<br />

„Als ich wiederkam, war ich in Tränen aufgelöst, ich<br />

habe überall nach ihm gefragt, ihn gesucht, aber keiner<br />

wusste etwas“, erzählt die 25-jährige Lehramtsstudentin,<br />

die inzwischen in Leipzig wohnt. „Das hat<br />

mich so traurig gemacht und immer, wenn ich einen<br />

Cocker Spaniel gesehen hab, musste ich an Rocky denken<br />

und was wohl aus ihm geworden ist“, sagt sie.<br />

Anfang dieses Jahres beschlossen Nara und ihr Freund,<br />

sich einen Hund zuzulegen. „Eigentlich wollte ich einen<br />

aus einer spanischen Tierauffangstation aufnehmen.<br />

Aber ich war mir nicht sicher, als sollte es nicht sein“, erinnert<br />

sie sich. „Ich weiß nicht mehr genau, warum ich<br />

danach ausgerechnet im Erfurter Tierheim nach einem<br />

Hund suchte, aber es hat mich magisch angezogen“, berichtet<br />

sie.<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

Als sie über die Tierheimseiten scrollte, sah sie einen<br />

Westi und einen alten Cocker Spaniel. „Auf dem Foto war<br />

er ziemlich dick und hatte ein weißes Gesicht, das Fell war<br />

kurz geschoren, aber im Profil erinnerte er mich an Rocky.<br />

Die Nase, die Augen. Manche Leute sagen, Cocker sehen<br />

doch alle gleich aus, aber es gibt ganz feine Unterschiede,<br />

wenn man genau hinschaut: die Länge der Ohren, wie<br />

die Stirn verläuft. Ich hatte gleich so ein Gefühl“, sagt sie.<br />

Ein reger E-Mail-Kontakt mit Judith Lotthammer vom<br />

Tierheim kam in Gang und immer mehr kam die Gewissheit<br />

in ihr auf: Blacky ist Rocky. Auch der Fundort von<br />

Nara ist froh: Endlich<br />

hat sie ihren Rocky<br />

wieder. Verschmitzt 2010 passte, in der Krämpfervorstadt,<br />

ebenso wie die Eigen-<br />

schaut Rocky in die<br />

Kamera. Trotz seiner arten des Tieres. „Wie viel Zeit<br />

15 Jahre ist er ein haben wir dadurch verloren“,<br />

frecher Bursche.<br />

sagt sie und streichelt Rocky<br />

liebevoll, der inzwischen wieder<br />

bei ihr wohnt.<br />

Der Cocker lebte bis November 2019 bei älteren Leuten<br />

in Erfurt. Doch die Frau starb und der Mann war selbst<br />

sehr alt und konnte sich nicht mehr um Rocky kümmern,<br />

der inzwischen Blacky hieß, sodass er wieder ins Tierheim<br />

kam. „Das war mein Glück und jetzt ist Rocky wieder bei<br />

mir“, freut sich Nara.<br />

Einfach war es dennoch nicht. Rocky erkannte sie am<br />

Anfang nicht, denn aus dem Mädchen war eine junge<br />

Frau geworden. „Das war schmerzhaft, aber ich wollte ihn<br />

unbedingt zurück“, sagt sie. Regelmäßig besuchte sie ihn<br />

im Tierheim, ging mit ihm Gassi und irgendwann kam der<br />

Tag, an dem sie ihn mit nach Leipzig in ihre hübsche kleine<br />

Dachgeschosswohnung nahm. „Ich weiß auch nicht, es<br />

war seltsam: Wir standen an der Treppe und er schaute<br />

mich plötzlich so ganz intensiv und prüfend an. Und ich<br />

dachte: Ist das jetzt der Moment, in dem er mich wiedererkennt?“<br />

Und auch wenn er es vielleicht nicht war, kam<br />

er spätestens zwei Wochen danach, als ihre Eltern sie besuchten.<br />

„Von da an war es, als wäre Rocky nie weggewesen,<br />

ich glaube, er hat uns als Familie erkannt“, sagt sie.<br />

Seit Juni wohnt Rocky wieder bei Nara, er ist nicht der<br />

Gesündeste, hat Probleme mit der Bauchspeicheldrüse<br />

und braucht regelmäßig seine Enzyme. Mit 15 Jahren ist<br />

er inzwischen ein alter Herr und vieles geht langsamer.<br />

Wenn Nara aber mit dem Halsband klimpert, springt er<br />

wie ein junger Hund auf und freut sich aufs Gassi gehen,<br />

besonders auf seine Lieblingswiese, auf der er sich wohlig<br />

wälzt. „Auch wenn ich nicht weiß, wieviel Zeit wir beide<br />

noch zusammen haben, ich möchte es ihm so schön wie<br />

möglich machen“, sagt sie.<br />

8<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 9


Sophia Haufe, Debbie, Paul, Mahdi,<br />

Till, Sina, Sajjad, Sabst, Leon, Mohammed,<br />

Mert und Klaus Wissemborski<br />

freuen sich aufs Spiel (v. l.).<br />

Alles<br />

JUGGER<br />

oder was?<br />

V<br />

orm „Jumpers“ haben sich um<br />

die 15 Kinder versammelt. Wie<br />

Flummis hüpfen sie hin und<br />

her. Grundschüler sind dabei, aber auch<br />

größere Kindergartenkinder. Heute ist<br />

Donnerstag, es ist kurz vor 15 Uhr. Gleich<br />

geht es los. „Zweimal die Woche spielen<br />

wir mit den Kindern Jugger. Sie sind total<br />

verrückt danach“, sagt Sophia Haufe,<br />

Projektleiterin im Kinder- und Familientreff<br />

am Drosselberg.<br />

Schnell haben sich die beiden Teams<br />

gefunden. Eifrig greifen die Kinder nach<br />

den Pompfen, den weich abgepolsterten<br />

Schlägern. Mit ihnen schlagen sie<br />

die gegnerischen Spieler ab, um ihren<br />

eigenen Läufer zu schützen. Der wiederum<br />

ist mit dem Ball – auch Hundekopf<br />

genannt – auf dem Weg zum gegnerischen<br />

Tor unterwegs. „Aber keine Angst,<br />

das tut nicht weh“, sagt Klaus Wissemborski,<br />

der ebenfalls im Stadtteilzentrum<br />

arbeitet. „Genau, es macht nur irre viel<br />

Wanda und Christian<br />

haben das kleine<br />

Dampfhäuschen mit<br />

einem Drachen verziert.<br />

Deljan, Sina und Leon lieben Jugger.<br />

Projektförderung<br />

21x1000: Zu Besuch im<br />

Kinder- und Familientreff „Jumpers“<br />

Spaß“, ruft uns Tim zu, der gerade mit<br />

seinem Schläger vorbeigerannt kommt.<br />

Zielsicher nimmt er seinen Pompfen und<br />

berührt ein Mädchen aus dem gegnerischen<br />

Team an der Schulter. Sie ist raus,<br />

kniet sich sofort hin. Aber wo ist der Ball,<br />

fragen wir uns?<br />

„Wegen Corona und der Abstandsregeln<br />

haben wir das Spiel ein bisschen<br />

verändert und spielen derzeit ohne den<br />

Ball. Es funktioniert trotzdem und ist super<br />

für die Teambildung, denn alle müssen<br />

gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten“,<br />

erklärt Sophia Haufe. Im Jugger verbinden<br />

sich Elemente des Fechtsports und<br />

Stockkampfes mit Teamsportarten wie<br />

American Football und Rugby und machen<br />

es zu einem taktisch anspruchsvollen<br />

Spiel, bei dem jede Menge Konzentration<br />

gefragt ist. Das allerdings fällt den<br />

Kindern gar nicht auf. Fröhlich toben sie<br />

über die Wiese, wirbeln die Pompfen geschickt<br />

durch die Gegend und frönen ihrem<br />

Bewegungsdrang. Überhaupt ist es<br />

Jetzt<br />

bewerben<br />

Auch 2021 fördern<br />

wir 21 tolle Projekte<br />

aus den Bereichen<br />

Bildung, Sport, Soziales,<br />

Kultur und BUGA,<br />

die Erfurt ein bisschen<br />

schöner machen.<br />

Bis zum 31. Dezember<br />

können sich Vereine,<br />

Schulen und Kindergärten<br />

bei der Stadtwerke<br />

Erfurt Gruppe<br />

mit ihren Ideen bewerben.<br />

Mehr unter<br />

www.stadtwerkeerfurt.de/21x1000.<br />

hier sehr schön, was man vielleicht nicht<br />

auf Anhieb vermuten würde, denn der<br />

Drosselberg gilt als sozialer Brennpunkt.<br />

Zwischen den großen sanierten Wohnblocks<br />

ist ein wunderschöner Spielplatz<br />

entstanden, mit einem großen Schiff aus<br />

Holz. Das hat die TAG Wohnen & Service<br />

GmbH, die Wohnungsgesellschaft<br />

vor Ort, gespendet und dabei die Wünsche<br />

der Kinder berücksichtigt. Auf der<br />

angrenzenden Wiese ist, begrenzt von<br />

schattenspendenden Bäumen, jede<br />

Menge Platz für die Juggerfreunde.<br />

„Ohne unseren ehemaligen Praktikanten<br />

Jonas wären wir nie auf das Spiel<br />

gekommen. Dabei ist es gerade total<br />

im Trend“, erzählt Klaus Wissemborski.<br />

„Weil die Ausrüstung sehr teuer ist, haben<br />

wir sie uns zum Testen beim CVJM<br />

in der Magdeburger Allee ausgeliehen,<br />

aber die Kinder waren sehr traurig, als<br />

wir sie wieder zurückgeben mussten.<br />

So kamen wir auf die Idee, uns bei den<br />

Stadtwerken für die Projektförderung<br />

21x1000 zu bewerben, um die Spielgeräte<br />

kaufen zu können“, erzählt er und<br />

ist überglücklich, dass es geklappt hat.<br />

Seit 2016 kümmern sich Sophia Haufe<br />

und Klaus Wissemborski um die Familien<br />

des Wohngebietes. „Wir helfen Kindern<br />

und ihren Eltern, die es nicht ganz<br />

so einfach haben. Wir stärken das soziale<br />

Familienleben, helfen bei Lern- und<br />

Sprachproblemen und machen viele<br />

Ausflüge in die Natur“, erzählt Sophia<br />

Haufe. Auf über 300 Quadratmetern<br />

haben sie im Erdgeschoss<br />

eines großen Wohnblocks<br />

das „Jumpers“ – einen Treff für die ganze<br />

Familie – im Wohngebiet eingerichtet.<br />

Die Räume hat ihnen die TAG zur Verfügung<br />

gestellt. „Das ist toll, wir sind mitten<br />

im Geschehen“, sagt Sophia Haufe,<br />

die sich freut, dass auch viele junge<br />

Mütter regelmäßig im Café vorbeischauen.<br />

„Zum Glück geht das ja jetzt wieder.<br />

Aber auch in den Zeiten der strengen<br />

Hygieneschutzauflagen waren wir immer<br />

vor Ort und haben notfalls über das<br />

Fenster bei den Hausaufgaben geholfen“,<br />

erzählt sie.<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: KARINA HEßLAND-WISSEL<br />

10<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 11


Wir machen<br />

weiter…<br />

…nur etwas anders<br />

SWE Journal bat die<br />

Herbstlese und das<br />

Theater zum Interview<br />

über Corona und die<br />

Folgen für die Kunst<br />

Monika Rettig ist Programmchefin der Erfurter<br />

Herbstlese, die seit 1997 Jahr für Jahr<br />

tausende Bücherfans und namhafte Autoren<br />

anlockt. Christian Stark ist technischer<br />

Direktor des Theaters, das zu den bestausgelasteten<br />

Spielbühnen der Republik zählt<br />

und mit den DomStufen-Festspielen kulturelle<br />

Höhepunkte setzt.<br />

Wie hart hat Corona Sie getroffen?<br />

Monika Rettig: „Wir machen weiter! Aber<br />

es waren bedrückende Monate, es war eine<br />

Zeit, in der wir verunsichert waren – und<br />

die Unsicherheit hält immer noch an. Wir<br />

hatten uns aber dennoch<br />

relativ schnell entschieden,<br />

dass es trotz<br />

Corona auch dieses Jahr<br />

eine Herbstlese geben<br />

soll. Sie wird etwas anders<br />

aussehen als die<br />

<strong>Ausgabe</strong>n der vergangenen<br />

Jahre, diesmal<br />

haben wir die Herbstlese<br />

in drei Blöcke gegliedert<br />

und sind schon im<br />

August mit Freiluftveranstaltungen<br />

gestartet.<br />

Die September- und Oktoberveranstaltungen<br />

bilden den zweiten Block, gefolgt<br />

von der Schlussetappe im November und<br />

Dezember. Durch diese Staffelung versprechen<br />

wir uns mehr Planungssicherheit, es<br />

Unsere Sponsoren<br />

und Partner halten zu<br />

uns, genauso wie das<br />

Publikum – und das<br />

macht uns Mut und<br />

Hoffnung<br />

Monika Rettig,<br />

Erfurter Herbstlese<br />

weiß ja niemand, wie es mit Corona weitergeht.“<br />

Christian Stark: „Wir können noch nicht<br />

so agieren, wie wir wollen. Mit den Domstufen<br />

Open-Air-Veranstaltungen haben<br />

wir uns ein wenig aus der Starre befreit, in<br />

der wir durch Corona steckten. Unsere Leute<br />

waren bis dahin alle zu Hause, wir haben<br />

Videos produziert und uns damit über<br />

Wasser gehalten. Der Bedarf nach Kunst ist<br />

da, auch wenn wir erst einmal nur 240 Plätze<br />

verkaufen können – statt 800.“<br />

Wie sind die finanziellen Folgen?<br />

Christian Stark: „Das kann man sich ausrechnen.<br />

Bei den DomStufen-Festspielen<br />

haben wir ein Viertel der Kapazitäten zur<br />

Verfügung, verkaufen die Tickets für die<br />

Hälfte. Da kann man nicht erwarten, dass<br />

man in solchen Zeiten schwarze Zahlen<br />

schreibt – ausgeschlossen. Wir hoffen auf<br />

zusätzliche Unterstützung von der Politik<br />

und haben die auch schon signalisiert bekommen.<br />

Und auch unser Publikum, unsere<br />

Partner und Sponsoren halten zu uns.“<br />

Monika Rettig: „Auch<br />

wir rechnen in diesem<br />

Jahr mit einem Defizit.<br />

Spannender ist die<br />

Frage, wie geht es im<br />

nächsten und übernächsten<br />

Jahr weiter?<br />

Unsere Sponsoren und<br />

Partner halten zu uns,<br />

genauso wie das Publikum<br />

– und das macht<br />

uns Mut und Hoffnung.“<br />

Was sind die Pläne?<br />

Christian Stark: „Wir<br />

wollen im Spätsommer mit vier kleineren<br />

Produktionen starten, die unter Corona-Bedingungen<br />

stattfinden werden. Musiktheater<br />

ist dabei besonders schwierig<br />

– wir werden das Orchester hinter die Sän-<br />

Monika Rettig und Christian<br />

Stark im Foyer des Theaters. Die<br />

Treppe steht als Symbol, dass<br />

es mit der Kunst wieder bergauf<br />

geht – Corona zum Trotz…<br />

ger platzieren, die selber sechs Meter Abstand<br />

einhalten müssen. Alles, was wir auf<br />

dem Plan hatten, La Traviata zum Beispiel,<br />

können wir zurzeit nicht machen. Das bereiten<br />

wir aber vor, für den Fall, dass wir<br />

irgendwann wieder mit Premieren an den<br />

Start gehen können. Wir starten zum Beispiel<br />

mit dem Stück ,Drunter und Drüber‘,<br />

bekannte Arien im Kontext zur Isolation<br />

durch Corona – also wie verändert die<br />

Pandemie unseren Alltag. Premiere war am<br />

20. September. Wir planen die Oper ,Der<br />

Schauspiel-Direktor‘, mit maximal 30 Musikern,<br />

vier Sängern, einem Schauspieler. Wir<br />

spielen alle Stücke zwei Mal hintereinander,<br />

damit mehr Besucher die Chance haben,<br />

Karten zu bekommen.“<br />

Monika Rettig: „Die Solidarität und gegenseitige<br />

Unterstützung ist in der Buchbranche<br />

recht groß. Nach dem ersten<br />

Schock war bei den Autoren klar: Wir wollen<br />

Lesungen machen, über unsere Bücher<br />

sprechen. Dabei ist bei uns der Aufwand<br />

nicht so groß wie im Theater – in der Regel<br />

sind ja nur ein, zwei Personen auf der<br />

Bühne. Wir planen um die 50 Veranstaltungen<br />

für diese Herbstlese und nutzen dabei<br />

auch das Mittel der Doppelauftritte. Im<br />

Theater sind drei Termine geplant, etwa<br />

mit dem Schauspieler Christian Berkel, der<br />

am 1. November seinen neuen Roman vorstellt,<br />

und Stefan Schwarz am 7. Dezember<br />

mit dem Kolumnenband ,Voller Wermut<br />

blicke ich auf mein Leben zurück’.“<br />

Sie sind auch wieder bei den Stadtwerken<br />

zu Gast?<br />

Monika Rettig: „Ja, hier stehen uns tolle<br />

Veranstaltungen ins Haus! Auch im Atrium<br />

ist die Platzanzahl begrenzt, es wird wohl<br />

nur etwa ein Drittel der üblichen Kapazität<br />

von 450 Plätzen verfügbar sein. Bernhard<br />

Vogel kommt am 28. Oktober – mit seinem<br />

Buch ,Deutschland aus der Vogelperspektive‘,<br />

das er gemeinsam mit seinem jüngst<br />

verstorbenen Bruder Hans-Jochen geschrieben<br />

hat. Tagesschausprecherin Linda<br />

Zervakis erwarten wir am 29. Oktober,<br />

und am 18. November ist der schwedische<br />

Krimistar Arne Dahl zu Gast. Auch der traditionelle<br />

Abschluss des Festivals mit dem<br />

Literaturkritiker Denis Scheck findet im Atrium<br />

der Stadtwerke statt.“<br />

12<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

TEXT: HENRY KÖHLERT<br />

FOTO: JAKOB SCHRÖTER<br />

SWE-Journal 03_2020 13


URSULA POZNANSKI zu Gast bei der Erfurter Herbstlese<br />

Frau Poznanski,<br />

wie wird man<br />

Bestsellerautorin?<br />

Unzählige Bücher hat Ursula Poznanski geschrieben.<br />

Schon mit ihrem Erstlingswerk „Erebos“ eroberte sie die<br />

Bestsellerlisten, gewann den Deutschen Jugendliteraturpreis.<br />

Seitdem schreibt und schreibt sie: Jugendbücher,<br />

Thriller, Dystopien. Mit „Cryptos“ hat sie ein neues<br />

gesellschaftskritisches Buch über eine Welt nach der<br />

Klimakatastrophe geschrieben. Am 24. November stellt<br />

sie es zur Erfurter Herbstlese im Evangelischen Ratsgymnasium<br />

vor.<br />

SWE: Frau Poznanski, Sie sind sehr erfolgreich. Wie<br />

haben Sie geschafft, wovon viele träumen?<br />

Das weiß ich auch nicht, es ist einfach passiert. Vieles<br />

hat sich von selbst ergeben, ohne, dass ich einen Masterplan<br />

gehabt hätte. Ich war selbst überrascht, dass<br />

„Erebos“ so ein großer Erfolg wurde. Ich habe zwar<br />

schon immer geschrieben, aber meist nur ein paar<br />

schön formulierte Seiten, Geschichten und Studien, die<br />

plötzlich abbrachen. Lange habe ich gedacht, dass ich<br />

gar keinen Roman schreiben kann, weil mir die Ausdauer<br />

fehlt. Das erste, was ich wirklich fertig geschrieben<br />

habe, war ein Drehbuch für einen Wettbewerb<br />

in Österreich. Das war 2000, mein<br />

Sohn war gerade geboren. Ich war sehr<br />

verblüfft, als ich nach 100 Seiten endlich<br />

die vier Buchstaben „Ende“ daruntersetzen<br />

konnte. Gewonnen hab ich nicht, aber<br />

inzwischen weiß ich, dass es für mich nicht<br />

funktioniert, wenn ich einfach so ins Blaue<br />

hineinschreibe, ich brauche nicht nur eine<br />

Idee, sondern ein grobes Skript, muss<br />

wissen, wo die Geschichte hingeht. Wichtig<br />

ist es, sich darauf einzustellen, dass ein<br />

Buch zu schreiben ein Marathon ist und<br />

kein Sprint. Angefangen hab ich mit Kinderbüchern<br />

für Erstleser, das lief ganz gut,<br />

aber mein Jugendbuch – reine Fantasy –<br />

an dem ich fünf Jahre geschrieben habe,<br />

wollte keiner haben.<br />

Mehr über Ursula<br />

Poznanski gibt es im<br />

Blog der Stadtwerke<br />

Erfurt. Einfach den<br />

QR-Code scannen oder<br />

über www.stadtwerkeerfurt.de/swejournal<br />

nachschauen.<br />

Sie schreiben Thriller, Jugendbücher, sogar Dystopien.<br />

Gibt es ein Genre, in dem Sie sich am wohlsten<br />

fühlen?<br />

Nein, ich bin sehr froh, so vielseitig arbeiten zu können<br />

und immer wieder etwas Neues ausprobieren zu<br />

dürfen. Ich finde es viel spannender als Autorin, nicht<br />

monothematisch zu sein. Das ist auch das, was Verlage<br />

und Leser von mir erwarten. Ich habe einfach das<br />

Glück, dass ich das darf, weil meine Verlage sehr freudig<br />

mit dabei sind. Auf die Art schaffe ich es, zwei Bücher<br />

pro Jahr zu schreiben, einen Jugend- und einen Erwachsenenroman.<br />

Wie schaffen Sie es, sich in die Lebenswelt von Jugendlichen<br />

hineinzuversetzen und die Themen aufzugreifen,<br />

für die sich die junge Generation interessiert?<br />

Ich glaube, das sind einfach Dinge, die mich selbst interessieren,<br />

auch wenn ich definitiv nicht mehr zur Gruppe<br />

der Jugendlichen zähle. Aber ich schreibe über Themen,<br />

die alle Altersgruppen interessieren können. Der<br />

Jugendbuchfaktor definiert sich ja oft vor allem über die<br />

sehr jungen Protagonisten. Es ist nicht zwingend das<br />

Thema, das das Jugendbuch ausmacht,<br />

sondern vielmehr die Perspektive eines<br />

17-Jährigen. Wobei ich mich sehr gut daran<br />

erinnere, wie ich die Welt in dem Alter<br />

gesehen und betrachtet habe. Ich denke,<br />

ich habe mir viel von dieser Verspieltheit<br />

erhalten. Die Unterschiede, wie ich die<br />

Dinge damals gesehen habe und wie ich<br />

sie heute sehe, sind nicht so gravierend,<br />

wie man vielleicht glaubt.<br />

„Cryptos“ heißt Ihr neues Buch. Darin<br />

thematisieren Sie eine Welt nach dem<br />

Klimawandel. Ich habe das Gefühl, dass<br />

es hier eine Verbindung zur Eleria-Trilogie<br />

gibt. Ist das so?<br />

Nein. Das funktioniert bei mir nicht so.<br />

Vielmehr kommt eine Idee daher und ich<br />

weiß, die ist es jetzt, ohne dass ich vor-<br />

her lange darüber nachdenke. Ich hab oft eine Idee, die<br />

sich mehr an den Randbereichen meines Bewusstseins<br />

abspielt und der laufe ich dann hinterher wie ein Hund<br />

einer Spur im Wald. Es ist nicht sehr kopfgesteuert, am<br />

Anfang sind es nur ein paar Bilder, die sich dann verdichten,<br />

und dann kann ich anfangen zu schreiben.<br />

Das war bei „Cryptos“ auch so. Das Buch ist aus einem<br />

Gedankenexperiment heraus entstanden, aus der Frage:<br />

Was wäre wenn? Wo geht man hin, wenn man nirgends<br />

mehr hin kann? Was, wenn viele der Landmarken<br />

und Städte nicht mehr existieren? Und dann kam<br />

mir die Idee von Jana, die virtuelle Welten schafft, in<br />

der alles in Ordnung ist wie in Kerrybrook, einem idyllischen<br />

Fischerdorf, aber auch das ist<br />

nur Schein...<br />

Wenn man „Cryptos“ liest, muss<br />

man unweigerlich an Fridays for Future<br />

und die Klimaaktivisten denken.<br />

Wie stehen Sie dazu?<br />

Das Engagement ist großartig,<br />

ich finde es wahnsinnig wichtig,<br />

vor allem, dass es von der jungen<br />

Generation kommt, vollkommen<br />

zu Recht, weil die Leute, die an<br />

den Hebeln sitzen, Entscheidungen<br />

fällen, die sie teilweise selbst<br />

nicht mehr betreffen. Es ist wichtig,<br />

dass die Jugend da aufschreit,<br />

Am Anfang steht<br />

eine erste Idee,<br />

der ich hinterherlaufe<br />

wie ein<br />

Hund einer Spur<br />

im Wald<br />

Ursula Poznanski,<br />

Bestsellerautorin<br />

wichtig, dass die Eltern und Großeltern sich dranhängen,<br />

Verantwortung übernehmen, um die Welt so gut<br />

wie möglich zu reparieren und den Klimawandel aufzuhalten.<br />

Ohne die Wirtschaft funktioniert das aber<br />

leider nicht. Es ließe sich ja durchaus auch Geld mit<br />

Ideen machen, die das Klima schützen und die Welt stabilisieren.<br />

Aber mir ist auch klar, dass Betriebe wie riesige<br />

Schlachtschiffe sind, die lange brauchen, um zu<br />

bremsen und die Richtung zu ändern.<br />

Sie waren schon öfter in Erfurt. Wie gefällt Ihnen<br />

die Stadt?<br />

Erfurt ist eine wirklich, wirklich schöne Stadt. Ich gehe<br />

hier sehr gern spazieren. Man kann hier sehr gut einkaufen.<br />

Mein Koffer ist anschließend jedes Mal voller.<br />

Und die Cafés und Restaurants, wirklich hübsch. Ich<br />

komm ja aus Wien und wir haben einen großen Hang<br />

zu Kaffeehäusern und da ist Erfurt ganz wunderbar mit<br />

seinen gemütlichen Ecken, wo man einfach sitzen, lesen<br />

und Kaffee trinken kann.<br />

INTERVIEW: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTO: JEFF MANGIONE | © LOEWE VERLAG GMBH<br />

14<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 15


TEXT: HENRY KÖHLERT FOTO: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

16<br />

Am Fischmarkt 11 gibt’s<br />

Erfurts ersten Pop-up-Store<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

Das Haus mit der Nummer 11 ist mit seiner eher schmucklosen<br />

grauen Natursteinfassade vielleicht nicht das<br />

schönste Haus am Fischmarkt. Es ist etwas anderes, das es<br />

auszeichnet. Die wahre Schönheit verbirgt sich hier nämlich<br />

im Inneren…<br />

Denn in den Räumen dieses Hauses, das übrigens der<br />

Stadt Erfurt gehört, arbeitet nicht nur das Amt für Wirtschaftsförderung,<br />

hier gibts im Erdgeschoss Erfurts ersten<br />

Pop-up-Store. „To pop up“ bedeutet „plötzlich auftauchen“<br />

und genau das ist das Konzept in dem einzigartigen<br />

Laden.<br />

Vera Golenia vom Amt für Wirtschaftsförderung (und<br />

zuständig für das Projekt) erklärt das Ganze: „Das Konzept<br />

des Pop-up-Stores richtet sich an Gründer und kleine<br />

Unternehmen, an Menschen, die ihre Kreativität nicht<br />

in der Komfortzone eines Angestelltenverhältnisses entfalten<br />

möchten.“ Die Jungunternehmer können hier ihre<br />

Ideen und Produkte verkaufen, es ist wie ein Testballon,<br />

ob ihr Projekt erfolgreich sein kann. Deshalb gilt: Das Ganze<br />

muss kostengünstig und kurzzeitig sein. Die Mietdauer für nach Leipzig, Berlin oder München gehen zu müssen“,<br />

für das Ladenlokal in bester Lage liegt zwischen zwei Wochen<br />

und drei Monaten, der Mietpreis beträgt 130 Euro Vera Golenia: „Der erschwingliche Preis, gepaart mit der<br />

sagt Erfurts Wirtschaftsbeigeordneter Steffen Linnert.<br />

die Woche, inklusive Nebenkosten.<br />

Kurzzeitvermietung, macht es einem kleinen Unternehmen<br />

überhaupt erst möglich, sich im Einzelhandel auszuprobieren.<br />

Es sind häufig junge Menschen, die das Risiko<br />

Papeterie, App-Entwickler, Industriedesign, Holzprodukte,<br />

Fashion, Mode, Accessoires und energetische Heilweisen<br />

– die Vielfalt der Nutzer und ihrer Ideen ist enorm. Linnert: „Pop-up-Stores sind ein gutes Instrument, um<br />

der Freiberuflichkeit angenommen haben.“<br />

„Es ist wichtig, Menschen und Ideen in Erfurt Perspektiven<br />

zu bieten. Viel davon spielt sich natürlich online ab,<br />

zustehen. Sie sind ein farbiger und innovativer<br />

den Innenstädten im Kampf gegen den Onlinehandel bei-<br />

aber die, die raus auf die Straße und rein in den lokalen<br />

Markt wollen, sollen nicht das Gefühl bekommen, da-<br />

wollen diese Idee unbedingt weiterleben.“<br />

Tupfer, der die Innenstadt lebendig hält. Wir<br />

Interesse? www.erfurt.de/ef133778<br />

SWE-Journal 03_2020 17


D<br />

ass es auf den richtigen<br />

Qnik ankommt, wissen<br />

Claudia Beck und Nico<br />

Reinhardt schon lange. Zuvor haben<br />

sie ihre unvergleichlichen Papierkunstwerke<br />

zu Hause gefaltet, jetzt<br />

haben sie endlich einen eigenen kleinen<br />

Laden auf der Krämerbrücke.<br />

Die Papeterie in der Nummer 27 ist<br />

mit 24 Quadratmetern überschaubar,<br />

aber dafür umso faszinierender. „Ein<br />

bisschen wie ein kleiner Kosmos mitten<br />

in der Stadt“, sagt Claudia, die<br />

von allen nur Claudi genannt wird,<br />

und meint damit nicht nur ihr kleines<br />

Lädchen, sondern auch die Gemeinschaft<br />

auf der Krämerbrücke. „So intensiv<br />

hätte ich das gar nicht erwartet,<br />

aber wir wurden sehr freundlich<br />

aufgenommen und abends trifft man<br />

sich auf ein Glas Wein auf der Brücke“,<br />

erzählt die 30-Jährige begeistert.<br />

Beide haben an der Bauhaus-Uni<br />

in Weimar studiert – sie Produktdesign,<br />

er Visuelle Kommunikation –<br />

und können vom Papier nicht mehr<br />

lassen. „Es ist so ein kreativer Werkstoff,<br />

damit kann man echt viel machen“,<br />

schwärmt Nico.<br />

Die Kreativität der beiden Papierverliebten<br />

kennt keine Grenzen.<br />

Überall hängen ihre Papierkunstwerke,<br />

angefangen von samtigen Rosen über elegante Pi ñatas<br />

bis hin zu fantastisch geformten Lampen. Besonderes<br />

Highlight ist ihr 30 cm großer Erfurter Papierdom – eine<br />

Hommage an ihre Heimatstadt. Natürlich darf auch eine<br />

Extraportion Freude nicht fehlen: Konfetti. Das gibt es in allen<br />

Regenbogenfarben und für jeden Anlass. Es ist mit jeweils<br />

2,5 cm nicht nur ein ganzes Stück größer als normal,<br />

es wird garantiert auch nicht übersehen, denn es ist ziemlich<br />

farbenfroh.<br />

Die Hochzeitsmischung schillert in rosé- und cremefarbenen<br />

Tönen, „Dschungel“ lockt mit grün-gelben Farben,<br />

aber auch maritime Variationen gibt es, ebenso wie Einhorncharme.<br />

Besonders beliebt ist „Love“, es ist in dezenten<br />

purpurnen Abstufungen gehalten. Und immer wieder<br />

kreiert Claudi neue Sorten. „Vor Kurzem erst, es war so gegen<br />

23.50 Uhr, war sie völlig berauscht von einer neuen,<br />

durch Zufall entstandenen Mischung“, meint Nico grinsend.<br />

„Jetzt brauchen wir nur noch einen Namen“, meint Claudi,<br />

die gern mit den Besuchern der kleinen Papeterie plaudert<br />

Liebe auf den<br />

ersten QNIK<br />

CLAUDIA BECK und NICO REINHARDT vor ihrer<br />

klitzekleinen Papeterie auf der Krämerbrücke<br />

und genau hinhört, wenn der eine oder andere eine schöne<br />

Idee hat, gibt aber auch zu: „So ganz zufällig entstehen<br />

die Mischungen nicht. Es ist ein spannender Prozess, fast<br />

wie beim Backen, 50 g hiervon, 50 g davon“, meint Claudi,<br />

die auf einen Ventilator als Mischer schwört und Nico ergänzt:<br />

„Nur, dass es nicht schmecken muss.“<br />

Warum ihr Laden Qnik<br />

heißt und wieso Claudi<br />

Papier so liebt, lesen Sie<br />

im Blog der Stadtwerke<br />

Erfurt. Einfach den QR-<br />

Code scannen oder auf<br />

der Internetseite www.<br />

stadtwerke-erfurt.de/<br />

swejournal schauen.<br />

Nichts in ihrem Lädchen ist neu, alles hat irgendwie eine<br />

Geschichte. Die kleinen Deko-Messingtürmchen, die wie<br />

eine futuristische Stadt anmuten, stammen aus der alten<br />

Erfurter Schnürsenkelfabrik. Ihr inzwischen rosaroter Tresen<br />

ist eigentlich eine Kommode aus den 1950ern. Gefunden<br />

haben sie das gute Stück in Amsterdam. Es stammt aus<br />

einem Grachtenhaus. „Wenn Claudi hier Postkarten zeichnet,<br />

drücken sich die Besucher die Nasen am Schaufenster<br />

platt“, meint Nico. Hin und wieder gibt es auch Skurrilitäten<br />

zu bestaunen. Im Moment sind es kleine rote Plättchen mit<br />

merkwürdigen Aufschriften in Schreibmaschinenschrift. Sie<br />

stammen aus dem Verkehrsamt und schmückten als Dokumentenreiter<br />

alte Akten. „Die Leute mögen es, Dinge<br />

zu entdecken. Manche kommen regelmäßig und schauen,<br />

was wir Neues haben“, erzählt Claudia mit einem lachenden<br />

und weinenden Auge. Denn momentan ist keine Zeit,<br />

um über Trödelmärkte zu schlendern. Auch wenn die Papeterie<br />

auf den ersten Blick perfekt wirkt, Claudia und Nico<br />

haben große Pläne. Die Schreibmaschine muss wieder her,<br />

damit die Leute ihre Weihnachtskärtchen selbst tippen kön-<br />

Oben: Die vergoldeten Puffbohnen<br />

sind die Garantie für drei<br />

Jahre Glück.<br />

Rechts: Die Hände an der Wand<br />

stammen von alten Schaufensterpuppen,<br />

die Claudi und Nico in<br />

Containern gefunden haben.<br />

Unten: Regenbogenbunt sind die<br />

Konfettimischungen der kleinen<br />

Papeterie auf der Krämerbrücke.<br />

nen, so wie damals im Pop-up-Store am Fischmarkt. „Toll<br />

wäre eine Konfettikanone, die man von außen starten kann,<br />

auch wenn wir nicht geöffnet haben“, träumen die beiden,<br />

die jetzt schon wissen, dass es nächstes Jahr auf jeden Fall<br />

neue Pi ña tas geben wird, Ananas und Melonen sind geplant.<br />

Nur wie sie geqnikt werden, das bleibt ihr Geheimnis.<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: KARINA HEßLAND-WISSEL<br />

18<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 19


Erfurt ist<br />

KEIN Aschenbecher<br />

Es ist nur 5 x 5 x 15 mm groß<br />

und wiegt 0,17 g. Es wird<br />

schnell aus dem Auto, an Haltestellen<br />

oder vor Kneipen in<br />

die Umwelt geschnippt. Kann so ein<br />

kleines Ding stören? Ja, es kann –<br />

und wie. Es geht um den Zigarettenfilter.<br />

Seit den 1950er-Jahren gibt<br />

es Zigaretten mit Filter. Sie reduzieren<br />

Gifte im inhalierten Rauch. Nach<br />

fünf Minuten ist eine Zigarette geraucht.<br />

Der Filter bzw. der Zigarettenstummel<br />

bleibt übrig. Dieser landet<br />

viel zu oft auf dem Pflaster oder<br />

der Wiese und nicht in den öffentlichen<br />

Abfallbehältern. Kaum ein anderer<br />

Müll wird so selbstverständlich<br />

vor Ort in die Umwelt entsorgt wie<br />

eine abgerauchte Zigarette. Laut Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) verschmutzen pro Jahr 4 Billionen Zigarettenfilter<br />

unseren Planeten.<br />

Kippen auf Straßen<br />

und Wegen<br />

sind nicht nur ein<br />

ästhetisches Problem,<br />

sie sind ein<br />

Problem für die<br />

Umwelt. Eine Verhaltensänderung<br />

ist nötig.<br />

Die Filter bestehen aus dem Kunststoff Celluloseacetat<br />

und es kann je nach äußerem Umfeld bis zu 15 Jahre dauern,<br />

bis sie sich zersetzen. Im Meer dauert es sogar bis<br />

zu 400 Jahre. Herumliegende Kippen sind ein großes ästhetisches<br />

Problem, aber viel größer<br />

sind die Auswirkungen auf die Umwelt.<br />

Denn die Stoffe, die in den Filtern<br />

stecken, machen die Kippe zum<br />

Problemmüll. In Zigarettenstummeln<br />

sammeln sich jede Menge giftige<br />

Substanzen wie beispielsweise<br />

Arsen, Blei, Chrom, Kupfer, Cadmium,<br />

Formaldehyd, Benzol und polyzyklische<br />

aromatische Kohlenwasserstoffe.<br />

Und nicht zu vergessen:<br />

Nikotin. Laut Bund für Umwelt und<br />

Naturschutz (BUND) vergiftet schon<br />

ein einziger weggeworfener Zigarettenstummel<br />

schätzungsweise 40<br />

Liter Grundwasser. Wissenschaftler<br />

von der San Diego State University<br />

gehen sogar noch weiter. Ihre Experimente<br />

zeigten, dass schon ein Zigarettenstummel pro<br />

Liter Wasser Fische tötet. Selbst ungerauchte Filter töteten<br />

zur Überraschung der Forscher noch: Die Chemikalien,<br />

die den Filtern und dem umgebenden Papier zugesetzt<br />

werden, sind offenbar ungesund genug. Hierfür<br />

muss man auch keine Kippe ins Wasser werfen. Berliner<br />

Wissenschaftler haben gezeigt, dass Nikotin durch Regen<br />

sehr schnell aus der Kippe gelöst wird. Bis die Stadtreinigung<br />

kommt und die Stummel aufsammelt, kann also<br />

einiges davon in die Umwelt gelangen. Bei Regen ist die<br />

Konzentration von Nikotin zum Beispiel im Berliner Fluss<br />

Panke zehnmal so hoch wie bei trockenem Wetter, so<br />

eine Studie der Technischen Universität Berlin. Gefährdet<br />

sind aber nicht „nur“ Tiere, sondern auch Menschen. Bei<br />

Kleinkindern kann schon eine verschluckte<br />

Kippe zu Vergiftungssymptomen<br />

wie Übelkeit, Erbrechen und<br />

Durchfall führen.<br />

Vielen Rauchern ist das gar nicht<br />

bewusst. Die Probleme entstehen<br />

eben erst, wenn die Kippen achtlos<br />

weggeworfen werden. Nur Bußgelder<br />

zu verlangen, reicht nicht.<br />

Es muss ein Umdenken stattfinden,<br />

ein Problembewusstsein geschaffen<br />

werden. Hier setzt eine Kampagne<br />

der Stadt Erfurt in Kooperation<br />

mit den Stadtwerken an. Unter dem<br />

Hashtag #erfurtkippenfrei klären<br />

Plakate über die Umweltschädlichkeit<br />

von Stummeln auf. Ein Promotionteam<br />

– deutlich am Kippen-Kostüm<br />

erkennbar – ging durch die<br />

Falls kein Abfallbehälter<br />

in der Nähe ist, hilft ein<br />

Taschenaschenbecher.<br />

Stadt, informierte Raucher diesmal nur über die Giftigkeit<br />

von Kippen und verteilte sogenannte Taschenascher. Sie<br />

sind eine gute Alternative, wenn mal kein Abfallbehälter<br />

in der Nähe ist. Wer nicht das Glück hatte, der wandelnden<br />

Kippe zu begegnen: Taschenascher bekommt man in<br />

jedem guten Fachhandel für wenig Geld.<br />

Genauso sieht das auch die Europäische<br />

Union und setzt auf die Sensibilisierung<br />

der Menschen. Um den<br />

Kippen-Müll zu reduzieren, hat die<br />

EU auch die Hersteller im Visier. Sie<br />

sollen sich nicht nur an Säuberungen,<br />

sondern auch an den Kosten für<br />

Sensibilisierungsaktionen beteiligen.<br />

Das formuliert die EU-Kommission in<br />

einem „Vorschlag für eine Richtlinie<br />

des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates über die Verringerung der<br />

Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte<br />

auf die Umwelt“.<br />

Nicht (mehr) rauchen ist übrigens<br />

die wirkungsvollste Methode. Auch<br />

wenn es oft leichter gesagt als getan<br />

ist.<br />

TEXT: IVO DIERBACH<br />

FOTOS: COVERMADE, IVO DIERBACH<br />

20<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 21


Eine FRAU sieht orange<br />

„Eins ist klar, mit 18 hätte ich das als Frau nicht gemacht“,<br />

sagt Mandy Puffe. Auch wenn die Kollegen nett und hilfsbereit<br />

sind, die Entsorgung ist nach wie vor eine Männerdomäne.<br />

„Und manchmal sind die Sprüche halt etwas rauer.<br />

Da braucht man schon ein bisschen Lebenserfahrung,<br />

um damit umzugehen“, sagt sie und grinst. Ungewohnt<br />

ist es trotzdem noch, vor allem für Passanten. „Die müssen<br />

manchmal zweimal hinschauen, wenn ich aus dem<br />

Lkw steige und mit zufasse“, meint sie.<br />

Heute ist Mandy auf Sperrmülltour, gemeinsam mit ihren<br />

beiden Kollegen Robin Kubsch und Frank Dürkopp. Die<br />

Mandy Puffe in Aktion.<br />

Sie lernt Berufskraftfahrerin<br />

bei der SWE<br />

Stadtwirtschaft GmbH.<br />

30-Jährige lernt Berufskraftfahrerin bei der SWE Stadtwirtschaft<br />

GmbH. Gerade hat das dritte Lehrjahr begonnen.<br />

Die Tour ist effektiv zusammengestellt, sodass keine<br />

Zusatzwege anfallen. Wir treffen sie am Juri-Gagarin-Ring<br />

18. Dort liegt einiges, alte Bretter, ein Schrank,<br />

ein großes Sofa. All das gilt es zu entsorgen. Mandy Puffe<br />

packt ordentlich mit zu. Nach und nach verschwinden<br />

die alten Möbel in der Presse des Lkws. Und schon steht<br />

die nächste Station auf dem Programm. „Das ist das Schöne,<br />

man sitzt nicht nur im Lkw, sondern hat immer wieder<br />

auch Bewegung“, sagt sie und steigt wieder in ihren MAN,<br />

um die nächste Anlaufstation anzufahren.<br />

Heute steht Sperrmüll auf dem Programm. Gern packt<br />

sie mit zu. Hier mit ihren Kollegen Robin Kubsch und<br />

Frank Dürkopp.<br />

Zur Ausbildung kam die Mutter einer 13-jährigen Tochter<br />

eher per Zufall. Viel hat sie in ihrem Leben schon ausprobiert.<br />

Sogar als Hundefriseur hat sie schon gearbeitet,<br />

denn ihre Welt sind eigentlich die Tiere, verrät sie. Einige<br />

Jahre war sie im Tierheim, erst als Bufdi, dann als Schwangerschaftsvertretung.<br />

„Hier wäre ich gern geblieben, das<br />

war genau meine Welt. Ich bin gern draußen in der Natur,<br />

im eigenen Garten oder kümmere mich um meine Tiere“,<br />

erzählt sie. Und davon hat sie einige, zwei Hunde, drei<br />

Katzen, sieben Wachteln, Nymphensittiche, Kanarienvögel<br />

und Zebrafinken.<br />

Bei einer Weihnachtsfeier schließlich erzählte ihr ein<br />

Kollege, dass die Stadtwirtschaft noch Azubis für Berufskraftfahrer<br />

sucht. „Anfangs war ich etwas zögerlich, ich<br />

war ja schon fast 30, ob die mich wohl nehmen?“, erinnert<br />

sie sich an ihre Zweifel. „Aber dann dachte ich mir, warum<br />

eigentlich nicht? Versuchen kann ich es ja mal. Es war ja<br />

schließlich das gleiche Unternehmen“,<br />

erzählt sie. Sie schickte eine<br />

Bewerbung, wurde zum Eignungstest<br />

eingeladen und bewährte sich<br />

auch im Vorstellungsgespräch. Wenig<br />

später ging es los.<br />

Mehr zur Ausbildung<br />

bei den<br />

Den Lkw-Führerschein machte<br />

Mandy schon im ersten Jahr. „Das Stadtwerken Erfurt<br />

gibt es hier.<br />

ist schon was anderes, als mit dem<br />

Pkw durch die Gegend zu fahren. Ich Einfach den QRhatte<br />

ordentlich Respekt, vor allem Code scannen.<br />

vor der Prüfung, da ging es mit einem<br />

40-Tonner mit Anhänger durch<br />

die Stadt“, denkt sie zurück. Seitdem<br />

ist sie mit den Entsorgungsfahrzeugen<br />

in Erfurt unterwegs, anfangs mit<br />

ihrem Lehrausbilder, später allein.<br />

„Die Arbeit ist abwechslungsreich.<br />

Manchmal fahre ich Sperrmüll, dann<br />

wieder weiße Ware, teilweise bin ich<br />

im Containerdienst eingesetzt oder ich helfe den Kollegen<br />

bei Haushaltsauflösungen und fahre die Möbel ins<br />

Stöberhaus“, berichtet die junge Frau, die sich für harte<br />

Arbeit nicht zu schade ist. Anpacken kann sie. „Und wenn<br />

die Waschmaschine, die zum Wertstoffhof soll, zu schwer<br />

ist, dann nehme ich halt die Sackkarre. Bei den Hausmülltonnen<br />

ist das manchmal schon schwieriger, wenn ich bei<br />

der Entsorgung eingeteilt bin und mal mit zufasse. Manche<br />

sind so schwer, dass ich mich frage, was die Leute da<br />

reinpacken. Da müssen die Kollegen dann schon mal reinschauen<br />

und manchmal auch einen Hinweis anbringen,<br />

dass die Tonne falsch befüllt ist“, erzählt sie. „Am schönsten<br />

aber ist es, wenn sich die Leute bedanken, dass wir<br />

den Müll abholen und für eine saubere Stadt sorgen.“<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

22<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 23


#swelokal Erfurter Radshop-Tour<br />

Es braucht manchmal nicht viel, um einen Beitrag für die Umwelt zu leisten und seinen eigenen CO 2 -Fußabdruck<br />

zu verkleinern. Fahrradfahren ist eine Möglichkeit. Gute Fahrradläden und -werkstätten sind da<br />

nicht unwichtig. Wir haben Erfurter Fahrradläden besucht und stellen vier davon vor.<br />

RAD-ART Seit 1994 kann man Drahtesel im Klostergang kaufen. Falk Fischer<br />

und Jens Schädler führen den Laden mit 15 Angestellten. Klar, beide sind passionierte Fahrradfahrer<br />

und fahren 3.000 km im Jahr. Während Jens Schädler schon dem Radsport bei Post<br />

Erfurt frönte, kam Falk Fischer über den Rennrodelsport – er war sogar 1982 DDR-Meister –<br />

zum Radfahren.<br />

ADRESSE<br />

Johannesstraße 53,<br />

99084 Erfurt<br />

ÖFFNUNGSZEITEN<br />

Montag bis Freitag<br />

10:00 bis 18:00 Uhr<br />

Samstag 10:00 bis 12:00 Uhr<br />

WEBSEITE<br />

www.erfurter-radshop.de<br />

VERKAUFSSCHLAGER<br />

Querbeet, Sporträder<br />

CHEFRAD<br />

erstes Rad: BMX Rad<br />

Lieblingsrad:<br />

Mountainbike BH Lynx<br />

ADRESSE<br />

Klostergang 2, 99084 Erfurt<br />

ÖFFNUNGSZEITEN<br />

Montag bis Freitag<br />

10:00 bis 18:00 Uhr<br />

Samstag 10:00 bis 16:00 Uhr<br />

WEBSEITE www.rad-art.de<br />

VERKAUFSSCHLAGER E-Bikes<br />

CHEFRAD<br />

Jens Schädler, erstes Rad:<br />

weißes Mountainbike<br />

Lieblingsrad:<br />

e Mountainbike Levo SL<br />

Falk Fischer, erstes Rad:<br />

Mifa Klapprad<br />

Lieblingsrad:<br />

BMC Roadmachine<br />

RADSHOP am Johannesturm<br />

Der Kfz-Schlosser Uwe Mende sattelte im wörtlichen Sinne 1999 vom Auto auf das Fahrrad um. In der<br />

Johannesstraße repariert er leidenschaftlich gern Fahrräder und verkauft natürlich auch neue –<br />

als „Einzelkämpfer“. Das begeisterte Reparieren hat ihm sogar einen Preis beschert. Eine Kundenbefragung<br />

von Statista im Auftrag des neuen Testmagazins Imtest ergab: Der Fahrradladen von<br />

Uwe Mende gehört zu den besten in Erfurt.<br />

BACHUS-Bike Viele kennen Christian Bach – Bachus ist sein Spitzname<br />

– als Profisportler im Bahnrennen und Zeitfahren. Er ist zehnfacher Deutscher Meister<br />

und hat 2002 den Vizeweltmeistertitel im Bahnradvierer in Dänemark geholt. Nach der Profikarriere<br />

war er kurz Polizeibeamter. Schließlich hängte er den gesicherten Beamtenstatus an<br />

den Nagel und verwirklichte seinen Traum vom eigenen Fahrradladen. Noch heute legt er im<br />

Jahr bis zu 4.000 km mit dem Rad zurück.<br />

ADRESSE<br />

Häßlerstraße 8a, 99096 Erfurt<br />

ÖFFNUNGSZEITEN<br />

Montag bis Freitag<br />

10:00 bis 18:00 Uhr<br />

Samstag 10:00 bis 14:00 Uhr<br />

WEBSEITE<br />

www.radscheune.de<br />

VERKAUFSSCHLAGER E-Bikes<br />

CHEFRAD<br />

Rüdiger Derer, erstes Rad:<br />

Aus Schrott<br />

zusammengebautes 26er<br />

Lieblingsrad:<br />

Riese & Müller Delite<br />

Frank Derer, erstes Rad:<br />

Mifa 28er Dreigang<br />

Lieblingsrad:<br />

Tourenfully Santa Cruz<br />

ADRESSE<br />

Steigerstraße 1, 99096 Erfurt<br />

ÖFFNUNGSZEITEN<br />

Montag bis Freitag<br />

13:30 bis 20:00 Uhr<br />

Samstag<br />

10:00 bis 16:00 Uhr<br />

WEBSEITE<br />

www.bachus-bike.de<br />

VERKAUFSSCHLAGER<br />

E-Bikes, Sporträder<br />

CHEFRAD<br />

erstes Rad:<br />

Diamant Rennrad<br />

Lieblingsrad:<br />

Creme Caferacer Man<br />

RADSCHEUNE Wie der Name andeutet, fing alles in einer Melchendorfer<br />

Scheune an. Die Brüder Rüdiger und Frank Derer wechselten 1994 vom Uhrmacher- bzw.<br />

Tischlerhandwerk zum Fahrrad-Business. Schon zu DDR-Zeiten frisierten sie Fahrräder. Ausgedehnte<br />

Fahrradtouren durch Europa gehören bis heute zu ihrem Hobby. Die dabei gesammelten<br />

Erfahrungen helfen bei Beratung und Verkauf. Vor zehn Jahren verließen sie die Scheune<br />

und residieren nun in der Häßlerstraße.<br />

TEXT: IVO DIERBACH FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

24<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 25


Busfahrer Mario Stolte<br />

schwört auf die neuen Busse.<br />

Das gab es<br />

noch nie<br />

14 neue EVAG-Busse auf<br />

einen Streich – im Frühjahr<br />

kommen noch mal sechs<br />

D<br />

ie neuen Busse sind schon eine Schau,<br />

fahren sich fast wie ein Pkw, das Lenkrad<br />

liegt gut in der Hand“, meint Mario Stolte.<br />

Er arbeitet seit drei Jahren als Busfahrer für die<br />

EVAG. Eigentlich kommt er aus Potsdam. „Was soll<br />

ich machen? Ich habe meine Jugendliebe wiedergefunden,<br />

und sie wohnt in Erfurt, ist ja auch eine<br />

schöne Stadt“, erzählt er.<br />

„Bei den Fahrgästen kommen die neuen Busse gut<br />

an, vor allem auch die großen Dachfenster, ist gleich<br />

viel heller im Bus“, sagt der 52-Jährige. Der Gelenkbus<br />

ist einer von 14 neuen EfficientHybrid-Fahrzeugen<br />

der EVAG-MAN‘s der neuen Generation.<br />

Sie erfüllen die Euro 6d-Norm und sind sehr leise.<br />

Die neue Vorderachse mit Einzelradaufhängung<br />

garantiert einen besseren Fahrkomfort. Alle Fahrzeuge<br />

haben LED-Licht innen und außen, einen neu<br />

gestalteten Fahrerarbeitsplatz. Seit September sind<br />

die sechs Solo- und acht Gelenkbusse, die je 360 PS<br />

unter der Haube haben, im Einsatz.<br />

„Sie fahren mit Diesel, können aber die Bremsenergie<br />

elektrisch speichern. Das ist ideal für Stadtbusse,<br />

diese fahren täglich auf Linien mit vielen Haltestellen<br />

und Ampeln sowie Steigungen und Gefällen.<br />

Hier kann die gespeicherte Bremsenergie<br />

sofort wieder eingesetzt werden“, sagt Myriam<br />

Berg, Vorstand der EVAG, die sich im Vorfeld intensiv<br />

mit dem Thema beschäftigt hat.<br />

Zur Energierückgewinnung haben die Busse ein<br />

Ultra-Cap-Speichermodul auf dem Dach – speziell<br />

im Heckbereich. Sowohl die Energie für die Anfahrhilfe<br />

als auch für die neue Start-Stopp-Automatik<br />

kommt aus dem Dachspeicher. Die neue Technik<br />

führt zu Kraftstoffeinsparungen und Verringerungen<br />

des Schadstoffausstoßes um bis zu 16 Prozent.<br />

Pro Solobus wurden 273.900 Euro investiert, die<br />

Gelenkbusse kosten je 366.900 Euro. Von den sechs<br />

in diesem Jahr gelieferten Solobussen wurden drei<br />

Fahrzeuge mit je 70.000 Euro durch den Freistaat<br />

Thüringen gefördert. 100.000 Euro steuerte der<br />

Freistaat für die Beschaffung der Gelenkbusse bei.<br />

Im Frühjahr kommen übrigens noch sechs weitere<br />

Solobusse. Denn 2019 wurden insgesamt 20<br />

neue Busse bestellt – um den Fuhrpark zu erneuern,<br />

aber auch, um die Auflagen des Erfurter Nahverkehrsplans<br />

zu erfüllen. Unter anderem soll die<br />

Taktung auf mehreren Bus-Linien verkürzt werden<br />

– und dafür braucht man mehr Fahrzeuge. Mit<br />

der Neuanschaffung wächst die Linienbusflotte der<br />

EVAG im Frühjahr 2021 dann auf 73 Fahrzeuge. Bisher<br />

waren es 67.<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

Gefällt Ihnen<br />

unser Journal?<br />

Auf 52 Seiten erzählen wir Geschichten<br />

über Erfurt und seine Menschen,<br />

schauen aber auch hinter die Kulissen<br />

der Stadtwerke Erfurt. Wie gefällt<br />

Ihnen das? Was halten Sie von<br />

der Gestaltung?<br />

3<br />

Gutscheine im<br />

Wert von jeweils<br />

50 Euro vom<br />

Restaurant TEXAS<br />

Steaklounge<br />

Was sagen Sie<br />

zu unseren<br />

Fotos? Was<br />

können wir<br />

besser machen?<br />

Was<br />

würden Sie<br />

gern in unserem<br />

Magazin<br />

lesen?<br />

Schenken Sie uns fünf Minuten Ihrer<br />

Zeit und machen Sie bei unserer<br />

Befragung mit.<br />

Unter allen Teilnehmern verlosen<br />

wir drei Restaurantgutscheine im<br />

Wert von jeweils 50 Euro vom Restaurant<br />

TEXAS Steaklounge. Teilnahmeschluss<br />

ist der 30. Oktober 2020.<br />

Einfach den QR-Code scannen.<br />

Aber auch per www.stadtwerkeerfurt.de/swejournal<br />

ist die Teilnahme<br />

möglich.<br />

Wir sagen Danke!<br />

Neues<br />

aus der<br />

App<br />

„SWE Für Erfurt.“<br />

Die App „SWE Für Erfurt.“ kann<br />

jetzt noch mehr. Sie ist nicht nur<br />

gefälliger gestaltet, sondern bietet<br />

zusätzliche Funktionen.<br />

Auf einen Blick sieht<br />

man die Belegungsstände<br />

der Erfurter Parkhäuser.<br />

Wer mag, kann sich<br />

sein Lieblingsparkhaus<br />

sogar als Favoriten abspeichern<br />

und hat immer<br />

den Überblick, ob<br />

es noch freie Plätze gibt.<br />

Nutzerfreundlicher zeigt<br />

sich auch die Vorteilswelt<br />

mit besonderen Angeboten für<br />

SWE Kunden. Perspektivisch sollen<br />

auch praktische Tipps rund<br />

um die SWE eingespielt werden.<br />

Zusätzlich zum bewährten<br />

Event-Kalender gibt es jetzt eine<br />

Ab jetzt riecht Erdgas anders<br />

Umstellung der Odorierung im Erfurter Netzgebiet<br />

Nachrichtenfunktion. Nutzer haben<br />

damit die Möglichkeit, eine<br />

Auswahl aktueller Artikel der<br />

„Thüringer Allgemeine“<br />

zu lesen – alle lokal<br />

und mit Erfurt-Bezug.<br />

Aber auch die neuesten<br />

Informationen der<br />

Stadtwerke Erfurt werden<br />

eingespielt, ebenso<br />

wie interessante Beiträge<br />

aus unserem Blog<br />

SWE für Erfurt rund um<br />

unsere schöne Stadt und<br />

ihre Menschen.<br />

Sie haben die App noch nicht?<br />

Hier können Sie „SWE Für Erfurt.“<br />

herunterladen. Einfach den<br />

QR-Code scannen. Weitere Infos<br />

auf www.stadtwerke-erfurt.de/<br />

swe-app.<br />

Von Natur aus ist Gas eigentlich geruchlos, wir mischen<br />

aber einen Warngeruch bei, damit ausströmendes Gas sofort<br />

erkannt wird. Dieser Vorgang nennt sich Odorierung.<br />

Zum 2. November 2020 stellen wir in unserem gesamten<br />

Netzgebiet auf einen neuen Geruchsstoff um. „Dafür<br />

setzen wir jetzt Sentinel E ein – ein bewährtes Odoriermittel.<br />

Dieses erzielt durch seinen prägnanten und unangenehmen<br />

Geruch nach faulen Eiern eine hohe Warnwirkung,<br />

denn Ihre Sicherheit liegt uns am Herzen. Auf<br />

die Gasqualität hat der neue Odorstoff keine Auswirkungen.<br />

Andere Netzbetriebe haben in der Vergangenheit<br />

sehr gute Erfahrungen mit Sentinel E gemacht, zudem<br />

ist es durch seinen geringen Schwefelgehalt noch<br />

umweltfreundlicher“, sagt Martin Rudolf, Projektingenieur<br />

bei der SWE Netz GmbH, und betont: „So ist jederzeit<br />

sichergestellt, dass schon geringste Mengen ausströmenden<br />

Gases wahrgenommen werden können.“ Wer schon<br />

jetzt wissen möchte, wie Sentinel E riecht, kann sich im<br />

Kundenzentrum der Stadtwerke Erfurt Odorkarten abholen.<br />

Sie sind mit dem Geruchsstoff versetzt.<br />

BILDMONTAGE: PATRICK KOCH<br />

26<br />

SWE-Journal 03_2020 27


H<br />

aben Sie eine Glaskugel? Fein. Dann<br />

holen Sie das gute Stück jetzt mal<br />

raus, putzen drüber, und blicken hinein.<br />

Denken Sie sich ins Jahr 2021, irgendwann<br />

im Juni. Der Ort des Geschehens – Erfurt,<br />

die blühendste Stadt der Republik…<br />

Sie stehen vor dem Eingangsbereich der<br />

ega, jetzt ein Teil der BUGA. Sie haben eine<br />

Dauerkarte in der Tasche, Sie wollen ja die<br />

ganze Bundesgartenschau auskosten. Klar,<br />

die „alte“ ega kennt man – aber die neue ega,<br />

die die Herausforderungen des Klimawandels<br />

angenommen hat? „Du wirst den egapark<br />

nicht wiedererkennen, du wirst staunen“, hat<br />

Ihnen ein Freund oder eine Freundin gesagt.<br />

Jetzt sind Sie neugierig.<br />

Sie sind früh dran, natürlich scheint die<br />

Sonne und lauwarmer Wind streichelt die<br />

Haut. Sie gehen durch das neue Besucherzentrum<br />

und bleiben vor einem kunterbunten<br />

Markttreiben voller grüner Tupfer stehen.<br />

Es ist der Gärtnermarkt, hier gibt es die<br />

Pflanzen, die Sie gleich im Park sehen werden<br />

und mit nach Hause nehmen wollen. Sie<br />

drehen sich nach rechts, gehen zu den Themengärten.<br />

Vorher war hier Wiese, umrahmt<br />

von alten Bäumen – jetzt zeigen Fachbetriebe ihr Können.<br />

„Draußen daheim“ heißt eine Ausstellung, „Mit Leichtigkeit<br />

in Form und Farbe“ eine andere. Pflanzenvielfalt in Zeiten<br />

des Klimawandels – alles Ideen für Ihr eigenes Grün.<br />

Entlang von zwei sanierten Brunnen, deren Wasserfontänen<br />

einen kühlen Nebel erzeugen, gehts zur sanierten<br />

Blumenhalle – mit einmaligen Ausstellungen rund um<br />

die Themen Pflanzen, Gärtner und Gärten. 22 sind es, dank<br />

Dauerkarte können Sie alle sehen. Raus aus der Halle und<br />

am großen Blumenbeet mit seinen in allen Farben blühenden<br />

Pflanzen vorbei. Das Blumenbeet kennen Sie aus „alten“<br />

Zeiten, aber jetzt ist es Teil eines blumigen Wettstreites zwischen<br />

verschiedenen Gärtnereien.<br />

Ihr Ziel – die Wasserachse. Sie riechen den Duft der Blüten<br />

rund um die Anlage, können die Fontänen plätschern hören.<br />

Ein Farben- und Blütenspektakel mit Rot-, Gelb-, Orangeund<br />

Violetttönen empfängt Sie – hier sind 5.000 Stauden zu<br />

Hause. Sie schlendern weiter, betrachten unterschiedlichste<br />

Gräser, vielleicht denken Sie dabei an einen Urlaub am Mittelmeer.<br />

Sie entdecken längst vergessene Arten und Sorten,<br />

für die BUGA zu neuem Leben erweckt.<br />

Irgendwo, vielleicht im SWE Journal, haben Sie gelesen,<br />

dass der Boden entlang der Wasserachse ausgetauscht werden<br />

musste. 1.200 Kubikmeter Spezialmischung aus Erfurter<br />

Erde, Blähschiefer, Sand und Unterboden – gemixt auf der<br />

Erfurter Deponie. Nachhaltigkeit par excellence…<br />

DAS blüht<br />

Ihnen zur<br />

BUGA<br />

Ein Spaziergang der<br />

Gedanken in die Zukunft<br />

Einen Steinwurf entfernt ist der Rosengarten.<br />

15.000 Quadratmeter Fläche, 1.700 davon<br />

bepflanzt. 4.300 Rosen, 400 verschiedene<br />

Sorten. Darunter DDR-Züchtungen<br />

wie die intensiv gelb blühende „Rose Sonnengold“,<br />

die blutrot blühende „Rose Journal“<br />

oder die in einem samtigen Rot erblühte<br />

„Vulkanrose“. Dazu 17.000 Stauden, 21.000<br />

Frühblüher (die jetzt nach und nach ersetzt<br />

werden). Elf Rosenbaumschulen zeigen ihre<br />

Neuheiten, ein Rosen-Café mit Sonnenterrasse<br />

lädt Sie ein.<br />

Der Park füllt sich, doch davon merken Sie kaum etwas<br />

– 36 Hektar sind viel Platz, auch für die BUGA. Sie spüren<br />

das Staunen der Besucher und Sie sind vielleicht auch ein<br />

klein wenig stolz auf Erfurt und seine BUGA. Sie schlendern<br />

Richtung Luisenpark, am Lilien- und Irisgarten vorbei. Sieben<br />

Beete und ein Wasserspiel locken im Liliengarten, 6.000<br />

Quadratmeter sind der Iris vorbehalten: historische Iriszüchtungen,<br />

Sorten aus DDR-Zeiten. Das Ganze ist Teil des Klimawandelgartens,<br />

hier sehen Sie, wie sich die Pflanzen an<br />

die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen.<br />

Zurück zur Parkmitte, vorbei an der Ausstellungsfläche<br />

Grabgestaltung sowie Denkmal der Friedhofsgärtner und<br />

Steinmetze – einer der besucherstärksten Ausstellungsbereiche<br />

jeder BUGA. Wenn Ihnen das Thema nicht so liegt,<br />

So soll der Festungsgraben<br />

2021 aussehen:<br />

Rutschen führen<br />

vom mittleren Plateau<br />

nach unten, vorbei<br />

an verschiedensten<br />

Gemüsesorten. Alles<br />

(typisch erfurterisch)<br />

in bunten Pflanzstreifen<br />

angeordnet.<br />

VISUALISIERUNG: KLP - KUMMER - LUBK - PARTNER<br />

gehen Sie nach rechts und nach wenigen<br />

Schritten stehen Sie vor dem Deutschen Gartenbaumuseum<br />

(vielleicht haben Sie vorher<br />

noch in der „Caponniere“ zu Mittag gegessen,<br />

vor der Sonne von großen Bäumen geschützt).<br />

Die nagelneue Ausstellung im Museum<br />

ist ein Muss: Auf 1.500 Quadratmetern<br />

gibt es Gartenkunst und Gartenkultur in Mitmachform<br />

zu erleben, Sie erfahren alles über<br />

Stadtgrün und Urban Gardening, über gärtnerische<br />

Erzeugnisse.<br />

Durch den Wissenswald (eine Art Schnitzeljagd<br />

auf 4.000 Quadratmetern zum Thema<br />

Wald) geht’s weiter zum Karl-Foerster-Garten<br />

am Nordhang des egaparks.<br />

Vielleicht sind Sie früher schon einmal hier<br />

gewesen und haben sich gefragt, wann der<br />

in die Jahre gekommene Garten saniert wird.<br />

Jetzt ist er es, Treppen, Wege und Pflanzflächen<br />

sind im historischen Kontext auferstanden.<br />

Vielleicht haben Sie gehört, dass viele<br />

Ehrenamtliche dabei mitgeholfen haben –<br />

und Sie haben sich gefreut, dass so ein Engagement<br />

auch heutzutage noch möglich<br />

ist. Mitten im Garten, zwischen bunten Stauden<br />

und zierlichen Gräsern, bleiben Sie stehen,<br />

blicken auf den Dom und sind von der<br />

Schönheit verzaubert.<br />

Wie gut, dass dieser Spaziergang nur gedanklicher<br />

Natur ist – so sind Sie jetzt noch<br />

fit genug, weiter zu schlendern. Sie kommen<br />

an den Gartenideen vorbei. Hier kann man<br />

auf 45.000 m² verschiedene Formen der Bewirtschaftung<br />

eines Gartens kennenlernen<br />

und miteinander vergleichen. Die Gärten<br />

handeln von Gärten zum Umziehen, von einem<br />

Space- und einem Upcycling-Garten,<br />

einem Flower-Power- und einem Naturgarten. Der MDR<br />

Garten sitzt im Zentrum des Geschehens und führt während<br />

der BUGA Regie.<br />

S<br />

chräg<br />

gegenüber lockt Danakil, das einmalige Urwald-<br />

und Wüstenhaus – doch dafür haben Sie sich<br />

einen Extratag freigeschaufelt. Daneben der Dahliengarten,<br />

dessen Blütenpracht ab Ende Juni richtig Fahrt<br />

aufnehmen wird – also wird gleich der nächste BUGA-<br />

Park-Besuch im Geiste notiert.<br />

Für heute ist es sowieso genug – am GärtnerReich (mit<br />

35.000 Quadratmetern der größte Spielplatz Thüringens)<br />

vorbei geht es zum Ausgang. Und auf zur nächsten<br />

BUGA-Station…<br />

28<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 29


D<br />

ie EVAG hat es schon wieder getan – nämlich Sie<br />

zur BUGA gefahren, diesmal Haltestelle Domplatz.<br />

Es ist Markttag, der Platz voller Menschen. Sie hören<br />

verschiedenste Sprachen und Dialekte, viele sind wegen<br />

der Bundesgartenschau gekommen und genießen das einzigartige<br />

Flair der Stadt. Immer wieder wandern die Blicke<br />

von den historischen Fassaden an der Nordseite über den<br />

Domberg mit Dom und Severi hin zum Petersberg mit der<br />

größten barocken Festungsanlage Europas.<br />

„Wir haben die Festung zum Blühen gebracht“, so die Aussage<br />

der BUGA. Jetzt, im Juni, legt die Natur richtig los und<br />

lässt den Satz wahr werden. Sie wählen den neuen Panoramaweg,<br />

um zur Festung und damit aufs BUGA-Gelände zu<br />

kommen. Links und rechts des Weges große<br />

bunte Sommerblumenfelder statt Rasenflächen.<br />

Sie steigen in den großen, lichtdurchfluteten<br />

Fahrstuhl an der Außenmauer und<br />

stehen wenig später vor dem Eingang zum<br />

oberen Plateau der Festung.<br />

„Zeitreisen durch die Gartenepochen“<br />

heißt der erste Beitrag, den Sie sich ansehen.<br />

Hier werden die verschiedenen Epochen der<br />

Gartenkunst nebeneinander und ineinander<br />

verwoben: Rabatten und kunstvoll geschnittene<br />

Gehölze, ornamentale Pflanzungen, üppige<br />

Beete, gepaart mit zurückhaltender Farbigkeit<br />

und idealisierter Natürlichkeit. Von<br />

Die neu sanierte<br />

Wasserachse im egapark,<br />

umrahmt von<br />

5.000 Staudengewächsen,<br />

die sich im<br />

nächsten Jahr besonders<br />

farbenfroh zeigen<br />

werden. Das Element<br />

Wasser und der<br />

Klimawandel spielen<br />

eine zentrale Rolle im<br />

egapark.<br />

hier aus führt ein waidblaues Band, vier Meter hoch und 15<br />

Meter lang, kunstvoll geschwungen, in die Defensionskaserne<br />

– direkt zur Landespräsentation von Thüringen. Hier findet<br />

sich auch ein Regionalitätenmarkt (Küche und Handwerk),<br />

hier treffen sich zur BUGA Künstler und ihre Projekte,<br />

hier gibt es ein Restaurant, das mit großen Terrassen zum<br />

Verweilen einlädt.<br />

Doch das wollen Sie später, erst spazieren Sie durch den<br />

mittelalterlichen Klostergarten voller aromatischer Kräuter<br />

und duftender Heilpflanzen, nehmen sich Zeit für die wundervoll<br />

sanierte Peterskirche. 1181 beugte sich hier, genau<br />

dort, wo Sie gerade stehen, Heinrich der Löwe dem Kaiser<br />

Barbarossa. Sie entdecken überall Zeugnisse<br />

der vielfältigen Vergangenheit des höchsten<br />

Gotteshaues der Stadt, tauchen in die faszinierende<br />

Ausstellung „Paradiesgärten – Gartenparadiese“<br />

der Stiftung Thüringer Schlösser<br />

und Gärten ein. Vor der Kirche lädt ein<br />

Tanzboden zum gemeinsamen Abend mit<br />

Musik und Tanz ein, werden Andachten gehalten,<br />

gibt es ein Rosenwunder und Kinder<br />

dürfen (und sollen) hier Schätze ausgraben –<br />

im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

Und der Petersberg wäre kein richtiger<br />

Berg, wenn er nicht auch Höhenunterschiede<br />

aufzuweisen hätte. So gehts eine Etage<br />

FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

tiefer, auf das mittlere Plateau. 1,7 Hektar<br />

ist die Fläche groß – hier gibt es den Verkehrsgarten,<br />

einen Spielplatz, den Kinder lieben<br />

werden, einen Bienenlehrpfad (hier gibt<br />

es besonders viele Wildbienen) und Erfurts<br />

größte Rutschen. Suchen Sie sich eine aus,<br />

setzen Sie sich – und ab geht’s! Sie sausen<br />

durch den Kräutergarten (Vorsicht: Duftexplosion)<br />

in den Festungsgraben.<br />

Hier schlägt das eigentliche Herz der<br />

BUGA auf dem Petersberg. 4.200 Quadratmeter<br />

Beetflächen, die Pflanzen (typisch erfurterisch)<br />

in bunten Pflanzstreifen angeordnet.<br />

„Erfurter Gartenschätze“, so heißt das zentrale Thema,<br />

mehr als 11.000 Pflanzen bestimmen den Hang. Während<br />

Sie rutschen, sehen und riechen Sie verschiedene Gemüsekulturen,<br />

Heil-, Duft- und Gewürzpflanzen – und natürlich<br />

Waid, das Gewächs, das Erfurt im Mittelalter reich gemacht<br />

hat.<br />

M<br />

ehr<br />

als 2.000 Quadratmeter haben die BUGA-<br />

Gärtner mit Gemüsesorten bepflanzt, die sich<br />

in der reichen Erfurter Gartenbaugeschichte<br />

besonders bewährt haben: der „Erfurter Zwerg“ (Blumenkohl),<br />

„Ruhm von Erfurt“ (Buschbohne), „Brauner Trotzkopf“<br />

(Salat), „Beste Erfurter Volltragende“ (Puffbohne), „Erfordia“<br />

(Kohlrabi), „Juni-Riesen“ (Weißkohl). Dazu noch Lauch,<br />

Salate, Kohl, Radieschen, Fenchel, Petersilie – alles leider<br />

„Pflücken verboten“ und so gestaltet, dass Form, Farbe und<br />

Tausende Rosen zieren<br />

(nicht nur zur<br />

BUGA) den egapark.<br />

4.300 Pflanzen mit<br />

400 verschiedenen<br />

Sorten gibt es im neu<br />

gestalteten Rosengarten<br />

zu entdecken,<br />

auch in den Hallenhöfen<br />

sind 1.100 Rosen<br />

gepflanzt worden.<br />

Kontraste der Blätter, Blüten und Früchte besonders<br />

zur Geltung kommen.<br />

Sie machen sich auf die Suche nach etwas,<br />

das es eigentlich gar nicht mehr gibt<br />

– und zur BUGA sozusagen auferstanden<br />

ist. Es sind alte Gemüse- und Nutzpflanzen,<br />

von denen Samen quasi archiviert und<br />

jetzt wieder auf 100 Quadratmetern zum<br />

Leben erweckt wurden. In einem Informationspavillon<br />

nebenan gibt es die vielfältigsten<br />

Veranstaltungen der „Grünen Akteure“ zum<br />

Thema Erwerbsgartenbau. Und an der Festungsmauer<br />

des „Ravelin Anselm“ lädt der<br />

Thüringer Interessenverband Heil-, Duft- und Gewürzpflanzen<br />

in seinen Ausstellungspavillon.<br />

Sie wollen noch mehr sehen und erleben? Kein Problem:<br />

Hier gibt es noch Obstgehölze, eine kleine Bühne mit Lounge,<br />

Hochbeete mit essbaren Pflanzen, eine Outdoorküche, einen<br />

Kreativgarten, 620 Quadratmeter Rosen und andere Duftpflanzen<br />

sowie Wein. Eine Etage tiefer, auf dem unteren Plateau<br />

kommen Sie zur Festwiese, zu den Horchgängen und<br />

zur großen Bühne mit bis zu 3.000 Plätzen.<br />

Jetzt, wo der Rundgang beendet ist, schlendern Sie wieder<br />

zurück auf das obere Plateau und setzen sich an die Festungsmauer.<br />

Sie genießen den Ausblick auf Erfurt, vielleicht<br />

mit einem Glas Wein. Und Sie denken sich, wie die BUGA<br />

dabei geholfen hat, Erfurt noch lebens- und liebenswerter<br />

zu machen…<br />

TEXT: HENRY KÖHLERT<br />

30<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 31


Aus dem BUGA-<br />

Veranstaltungsprogramm<br />

12.05.2021 Erfurter Taschenlampenkonzert<br />

2021<br />

13.05.2021 Lebendiges Schach<br />

14.05.2021 Volker Rosin – Der König<br />

der Kinderdisco<br />

03.–05.06.2021 Thüringer Landesmeisterschaften<br />

im Poetry-Slam<br />

05.06.2021 Northern Lite<br />

Die Frau der<br />

5.000 Termine<br />

NADJA KERSTEN ist Veranstaltungschefin der BUGA<br />

21.06.2021 YOGA FEST „Wachse<br />

durch Yoga“<br />

26.06.2021 Chorfest der Evangelischen<br />

Kirche in Mitteldeutschland<br />

27.06.2021 Alice im Wunderland –<br />

Familienpicknickkonzert des<br />

THEATER ERFURT<br />

07.07.2021 The Graces of Love mit der<br />

Brass Band BlechKLANG<br />

09.07.2021 Die MDR Gartenparty zur<br />

Bundesgartenschau<br />

10.07.2021 Brautmodenschau<br />

Berlin, München, Prag oder in die Republik Moldau<br />

– Nadja Kerstens berufliche Wege haben sie<br />

durch halb Europa geführt. Gestartet ist sie in ihrer<br />

Geburtsstadt Gotha, hat in Weimar und Malmö<br />

Medienkultur studiert, den Master in Kultur- und<br />

Medienmanagement in Hamburg absolviert. Jetzt ist sie<br />

zurück in Thüringen und leitet den Bereich Veranstaltungen<br />

und Kultur für die Bundesgartenschau Erfurt 2021.<br />

Der Schritt in die Selbständigkeit eröffnete der damals<br />

21-Jährigen direkt nach dem Studium eine spannende<br />

berufliche Welt: vielfältig, anspruchsvoll und reich an<br />

einzigartigen Erfahrungen. Das weltweit tätige Goethe-<br />

Institut war ihr wichtigster Auftraggeber.<br />

„Die BUGA 2021 ist für mich in vielerlei Hinsicht ein<br />

Glücksfall. Meine Familie lebt jetzt in Erfurt, mein Mann<br />

arbeitet im benachbarten Jena. Ein 171-tägiges Gartenfest<br />

mit mehr als 5.000 Veranstaltungen bekommt man<br />

als berufliche Herausforderung nicht allzu oft angeboten“,<br />

sagt Nadja Kersten.<br />

Ihre internationalen Erfahrungen, wie man Symposien<br />

organisiert, Publikationen erarbeitet, Messeauftritte<br />

koordiniert, haben ihr den schnellen Einstieg in die<br />

BUGA-Aufgabe erleichtert. Nach einigen Monaten als<br />

Einzelkämpferin leitet sie derzeit ein achtköpfiges Team.<br />

„Der Veranstaltungskalender füllt sich mit jeder Woche,<br />

mit jedem Tag, den die Eröffnung näher rückt. Neue<br />

Partner werden gebunden, weitere Formate entstehen.<br />

Wo vor Wochen noch Lücken klafften, gibt es nun Verbindlichkeit“,<br />

sagt sie.<br />

Nadja Kersten weiß um die hohen Erwartungen an die<br />

BUGA. Der 35-Jährigen geht es nicht darum, den Erfolg<br />

anderer Gartenschauen zu kopieren: „Wir wollen ein eigenständiges<br />

Konzept, das seine Wurzeln in Erfurt und<br />

Thüringen hat. Das Team ist für mich ein wichtiger Ideenlieferant,<br />

gemeinsam feilen wir an den 25 Themenwochen<br />

und den 20 Veranstaltungsreihen.“<br />

Die Idee der Themenwochen hat Nadja Kersten noch in<br />

der Phase als Ein-Frau-Abteilung entwickelt, um die mehr<br />

als 5.000 Veranstaltungen für die BUGA-Besucher und<br />

für die Organisation zu strukturieren. „Thüringen, Frankreich,<br />

Rosen, Familie, Klimawandel, Musik oder Waid: Neben<br />

Erfurt-typischem finden sich Klassiker und Trendthemen,<br />

spielt Regionalität eine ebenso große Rolle wie<br />

Originalität. Erfurts BUGA-Veranstaltungskonzept hat die<br />

passenden Zutaten für eine ganz besondere Mischung.“<br />

Die Mutter eines dreijährigen Sohnes kennt die Wünsche<br />

junger Familien. Das alles ist in die Familienwoche<br />

und die Themenreihen eingeflossen und präsentiert sich<br />

jetzt zum Beispiel als Abenteuer unterm Lesebaum oder<br />

als Taschenlampenkonzert. Einen besonderen Favoriten<br />

im Veranstaltungsprogramm hat sie nicht: „Ich finde die<br />

Vielfalt wichtig und die Regionalität. In dieser Kombination<br />

kann man das so nur in Erfurt erleben und das macht<br />

unsere BUGA besonders.“<br />

TEXT: CHRISTINE KARPE<br />

FOTO: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

10.07.2021 The Silver Beatles<br />

16.07.2021 Vortrag von Prof. Dr. Harald<br />

Lesch „Klimawandel und<br />

Gesundheit“<br />

17.07.2021 Stegreif Orchester<br />

22.–25.07.2021 Danetzare – Internationales<br />

Folklorefestival<br />

01.08.2021 Der Traumzauberbaum und<br />

Mimmelitt – Familienmusical<br />

mit dem REINHARD LAKOMY-<br />

Ensemble<br />

07.08.2021 Jamaram<br />

08.08.2021 Regenbogenfarben-Show mit<br />

dem Helene Fischer Double<br />

Berit<br />

27.08.2021 Element of Crime<br />

28.08.2021 A4u – Die ABBA Revival Show<br />

04.09.2021 Mode- und Kostümtheater<br />

GNADENLOS schick<br />

11.09.2021 13. Thüringer Landestrachtenfest<br />

18.09.2021 Fools Garden<br />

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SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 33


BUGA-Außenstandorte<br />

GOTHA, GREIZ und DORNBURG<br />

Parks der<br />

Residenzen<br />

und Schlösser<br />

Residenzstadt Gotha<br />

In Gotha wird das fürstliche Erbe der Gartenkunst in einer<br />

besonderen Vielfalt und Qualität präsentiert. Als spätbarockes<br />

Gartenensemble aus dem 18. Jahrhundert gilt die<br />

Herzogliche Orangerie als eine der größten und schönsten<br />

Anlagen ihrer Art in Deutschland. Die Parkanlagen<br />

um Schloss Friedenstein bestanden ehemals als eigenständige<br />

Gärten nebeneinander. Der südlich gelegene,<br />

1769 entstandene Englische Garten gehört zu den frühesten<br />

Landschaftsgärten in Deutschland. Die ursprüngliche<br />

Raumstruktur, Baumgruppen und Sichtbeziehungen<br />

innerhalb des Parks sind noch heute nachvollziehbar.<br />

Der Park ist eines der wichtigsten Gartendenkmale Thüringens.<br />

Eine weitere Attraktion ist die historische Wasserkunst<br />

von 1895. Die wunderschöne Wasserspiel- und<br />

Brunnenanlage im Herzen der Residenzstadt wird durch<br />

den 650 Jahre alten Leinakanal gespeist.<br />

Thüringens grüner<br />

Schatz – das sind<br />

Schlossparks, Gärten,<br />

ganz besondere gärtnerische<br />

Anlagen, die<br />

zur BUGA Erfurt 2021<br />

in den Mittelpunkt gerückt<br />

werden. Auf der<br />

BUGA-Ausstellungsfläche<br />

Petersberg zeigt<br />

der Spaziergang durch<br />

die Epochengärten einen<br />

Ausschnitt aus Thüringens<br />

Gartenpracht.<br />

Die 25 Außenstandorte<br />

der BUGA beweisen noch<br />

mehr Vielfalt, Schönheit<br />

und Besonderheiten. Drei<br />

stellen wir heute vor.<br />

TEXT: CHRISTINE KARPE FOTOS GOTHA: KULTOUR STADT GOTHA GMBH, SEBASTIAN POHL<br />

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SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 35


Greizer Park<br />

Entstanden ist der Fürstliche Greizer Park im<br />

Tal der Weißen Elster aus einem barocken<br />

Orangeriegarten, der ab 1800 als Landschaftsgarten<br />

angelegt wurde. Gestaltet haben<br />

ihn nach 1873 Carl Eduard Petzold und<br />

der Greizer Hofgärtner Rudolph Reinecken.<br />

Höhepunkt der künstlerischen Konzeption ist<br />

der Binsenteich, der fast ein Drittel der Parkfläche<br />

einnimmt. Durch die abwechslungsreiche<br />

Gestaltung der Uferpartien mit Ein- und<br />

Ausbuchtungen und durch Aufschüttungen<br />

von Inseln wurde eine erlebnisreiche Szenerie<br />

geschaffen. Der Park ist etwa 45 Hektar groß<br />

und markiert als letzte größere fürstliche<br />

Parkanlage, die in Thüringen entstand, den<br />

Schlusspunkt der fürstlichen Gartenkunst.<br />

Dornburger Schlossgärten<br />

Reizvoll über einer steil abfallenden Felswand reihen sich<br />

die unterschiedlich gestalteten Gärten der Dornburger<br />

Schlösser aneinander. 90 Meter oberhalb des Saaletales<br />

bestimmen die drei nebeneinanderliegenden Herrschaftshäuser<br />

das malerische Landschaftsbild. Sie sind von<br />

mehreren kleineren Gärten umgeben – dem Landschaftsgarten,<br />

dem Eschen- und dem Rosengang sowie dem<br />

in barocken Formen gestalteten Parterre, den Weinbergen<br />

am Felshang mit Wegen und Bastionen und dem Kräuter-,<br />

Obst- und Grasegarten. Höhepunkt ist der zum<br />

Rokokoschloss gehörige Garten mit Blumenbeeten, Laubengängen<br />

und Rosenspalieren. Der Dresdner Gartenarchitekt<br />

Hermann Schüttauf legte in den 1960er-Jahren<br />

den Garten neu an und empfand ihn dem Rokoko nach.<br />

TEXT: CHRISTINE KARPE FOTOS ADOBE STOCK<br />

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SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 37


Die Herren<br />

von Molsdorf<br />

Ein Spaziergang durch die<br />

Jahrhunderte – unterwegs<br />

mit Dr. Kai Uwe Schierz<br />

und Grit Straßburg<br />

War Gustav Adolf von Gotter der Hallodri,<br />

der Lüstling und Ausrichter rauschender<br />

Feste ohne Sitte und Anstand? Wohl eher<br />

nicht. „Diese Eigenschaften hat ihm das<br />

19. Jahrhundert angedichtet.“ Dr. Kai Uwe<br />

Schierz ist sich da ziemlich sicher. Der Direktor<br />

der Erfurter Kunstmuseen hat sich<br />

intensiv mit dem Diplomaten beschäftigt,<br />

der im 18. Jahrhundert für Sachsen-Gotha<br />

und später für Friedrich den Großen arbeitete<br />

und zum Reichsgrafen aufstieg. „Allerdings<br />

hat sein schlechter Ruf auch seine<br />

Vorteile. Sonst hätten wir im Schloss<br />

Molsdorf wohl kaum eine so umfangreiche<br />

Sammlung erotischer Kunst. In den<br />

1980er-Jahren war man der Meinung, die<br />

Erotika wären im Lustschloss des Grafen<br />

gut aufgehoben“, meint er.<br />

Sicher richtete Gotter großartige Feste<br />

aus, denn er wollte auch zeigen, was<br />

er als Bürgerlicher erreicht hatte. „In erster<br />

Linie aber war er ein Ästhet, der sich<br />

sein eigenes Sabinum erschaffen wollte“,<br />

betont Schierz, ähnlich Horaz, dem römischen<br />

Dichter, in dessen Annalen man viel<br />

über seine Villa abseits der Hektik Roms<br />

lesen kann. Davon kündet ein Schlussstein<br />

am Nordportal mit einer an Horaz angelehnten<br />

lateinischen Inschrift, die sinngemäß<br />

bedeutet: „Lacht mir doch kein Winkel<br />

dieser Erde wie dieser“.<br />

Überhaupt gibt es einige Parallelen zwischen<br />

dem Dichter der Augusteischen Zeit,<br />

Dr. Kai Uwe<br />

Schierz, Direktor<br />

der Erfurter<br />

Kunstmuseen,<br />

und Grit Straßburg,<br />

Verwalterin<br />

von Schloss<br />

Molsdorf, im<br />

Marmorsaal des<br />

barocken Lustschlosses.<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

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SWE-Journal 03_2020 39


Prächtig: Das Deckengemälde im Festsaal wurde vom Wiener Hofmaler Peter Weingart gemalt:<br />

Die Wahrheit (Venus) zeigt der Aufklärung (Flora im weißen Gewand mit großem Blumengebinde)<br />

den Weg zur Erkenntnis, dargestellt vom Gott des Lichts Apoll.<br />

der in einem Atemzug mit Vergil und Ovid genannt wird,<br />

und dem aus Gotha stammenden Diplomaten. Auch für<br />

Gotter war Molsdorf ein Rückzugsort, ein Ort der Muße<br />

und Entspannung, abseits von den Ränkespielen des Hofes.<br />

Während Gotter bürgerlicher Herkunft war, soll Horaz<br />

gar dem Sklavenstand entstammen. Beide haben erreicht,<br />

was ihnen von Geburt an eigentlich verwehrt gewesen<br />

wäre...<br />

„Gotters Bibliothek war erlesen, die Bildersammlung bedeutend.<br />

Er muss ein sehr guter Netzwerker gewesen sein“,<br />

sinniert Schierz. Wie sonst hätte er sich<br />

solch eine Anlage leisten können, auch<br />

wenn das Rittergut, als er es 1734 erwarb,<br />

ziemlich heruntergekommen war?<br />

Von seinen sehr guten Kontakten künden<br />

nicht nur die großartigen Deckenmalereien<br />

seiner prachtvollen Salons,<br />

für die er bekannte Künstler seiner Zeit<br />

engagierte, sondern auch die Porträts<br />

im Festsaal. Sie alle sind Personen nachempfunden,<br />

die Gotter im Laufe seiner<br />

diplomatischen Dienste kennenlernte.<br />

Eugen von Savoyen nimmt darin einen<br />

besonderen Platz ein. Es ist eines<br />

von drei sehr großen Gemälden, die für<br />

ihn eine besondere Bedeutung gehabt<br />

haben müssen. Auch wenn Schierz viel<br />

über Gotter zu berichten weiß, so manches<br />

bleibt im Dunkeln, kann nur vermutet<br />

werden. Denn die Belege fehlen.<br />

So stellt sich die Frage, wie Gotter und<br />

Mehr zum Thema lesen<br />

Sie im Blog unter<br />

www.swefuererfurt.de.<br />

Einfach den QR-Code<br />

scannen oder unter<br />

www.stadtwerkeerfurt.de/swejournal<br />

schauen.<br />

Prinz Eugen miteinander bekannt wurden? Immerhin war<br />

Gotter „nur“ Diplomat eines klitzekleinen Fürstentums<br />

und Prinz Eugen einer der größten Feldherren der Habsburger.<br />

Wer ist Graf Wenzel von Lichtenstein? Auch ihm<br />

widmete Gotter in seinem Bildersaal ein überlebensgroßes<br />

Porträt. „Wir wissen noch gar nichts über ihn“, sagt<br />

Schierz und schaut nachdenklich zu dem Bildnis des jungen<br />

Mannes auf.<br />

15 Jahre lang nannte Gotter das Molsdorfer Wasserschloss<br />

sein Eigen. In zwei Bauphasen ließ er die alte<br />

Schlossanlage in einen repräsentativen<br />

rechteckigen vierflügeligen Bau umgestalten.<br />

Auch der alte Bergfried, den genaue<br />

Betrachter im Marmorsaal noch<br />

auf einem Gemälde entdecken können,<br />

musste weichen. Fertig wurde Gotter allerdings<br />

nie. Das sieht man nicht nur an<br />

dem etwas eigenwilligen Grundriss der<br />

Anlage, sondern auch an den unterschiedlichen<br />

Geschosshöhen im Inneren<br />

des Lustschlosses.<br />

Oben: Die repräsentativ<br />

gestaltete Südseite des<br />

Barockschlosses.<br />

Mitte: „Lacht mir doch<br />

kein Winkel dieser Erde<br />

wie dieser“ – so die Übersetzung<br />

der lateinischen<br />

Inschrift auf dem<br />

Schlussstein über dem<br />

Nordportal.<br />

Unten: Grit Straßburg im<br />

Tränenkabinett der Gräfin<br />

von Gneisenau.<br />

Am Ende musste er es verkaufen, 1748<br />

waren seine Mittel restlos erschöpft.<br />

„Der klassische Notverkauf aufgrund seiner<br />

unermesslichen Verschwendungssucht.<br />

Ein Freund half ihm aus der Patsche<br />

und ließ ihn bis 1754 noch hier<br />

wohnen“, berichtet Schierz.<br />

„Eine faszinierende Anlage“, sagt auch<br />

Grit Straßburg. Seit April ist sie die Herrin<br />

von Schloss Molsdorf, das im Eigentum<br />

der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten<br />

liegt. „Naja, eher Schlossverwalterin“,<br />

schränkt die sympathische junge Frau ein.<br />

Das „Thüringer Versailles“, wie Molsdorf<br />

in seiner Blütezeit oft genannt wurde, hat<br />

sie schon immer fasziniert. Die gebürtige<br />

Dresdnerin hat einen Hang zu barocken<br />

Bauten und stattete der Anlage schon früher<br />

öfter einen Besuch ab. „Dass ich jetzt<br />

hier arbeiten darf, ist großartig, aber auch<br />

nicht einfach. Unsere Hauptaufgabe ist<br />

die Erhaltung des Gebäudes und der Parkanlage.<br />

Da gibt es viel zu tun“, sagt sie.<br />

Denn das alte Gemäuer mit Ursprüngen<br />

im 16. Jahrhundert knarzt an allen Ecken<br />

und Enden, hat nasse Füße bekommen.<br />

Während Schierz sich mehr für Gotter<br />

begeistert, ist Grit Straßburg besonders<br />

von der Gräfin Maria von Gneisenau<br />

angetan. Eine emanzipierte Frau, die das<br />

Schloss 1909 erwarb. Auch sie drückte der<br />

Anlage ihren Stempel auf, allerdings behutsamer<br />

als der Reichsgraf. „Auch ihre<br />

Projekte waren größerer Natur, die Heizungsanlage<br />

z. B., die das ganze Schloss<br />

mit Wärme versorgt, aber so gut versteckt<br />

ist, dass man sie nicht sieht. Eine beachtliche<br />

Leistung“, findet Grit Straßburg, die<br />

von Haus aus Bauingenieurin ist.<br />

Hinter der Gotter’schen Bibliothek, die<br />

um die 2.000 Bände umfasste, ließ die belesene<br />

Gräfin einen besonderen Ruheraum<br />

einbauen. Schiebt man die getäfelte<br />

Holzwand beiseite, steht man in einem<br />

grottenartigen, im Jugendstil gehaltenen<br />

dunklen Raum, der mit tropfenförmigen<br />

Perlmuttarbeiten verziert ist. Sie erinnern<br />

an Tränen. Für die Gräfin war es wohl<br />

im doppelten Sinne ein Tränenkabinett.<br />

Die zweifache Mutter zog sich nach ihrer<br />

Scheidung vom Urenkel des berühmten<br />

Generalfeldmarschalls nach Molsdorf<br />

zurück. Der Umbau des Anwesens war für<br />

sie ein künstlerisches Vorhaben, das ihr<br />

half, eine schwere Sinn- und Lebenskrise<br />

zu überwinden.<br />

Wer mehr über Molsdorf erfahren<br />

möchte, hat dienstags bis sonntags von<br />

10 bis 18 Uhr die Gelegenheit dazu. Führungen<br />

finden zu jeder vollen Stunde und<br />

nach Vereinbarung statt.<br />

40<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 41


Sie kümmern sich<br />

um unsere Gäste<br />

NANCY LUTZ und ANJA FISCHER<br />

arbeiten in der Tourismusbranche –<br />

die eine als Managerin im Hotel an<br />

der Krämerbrücke, die andere bei<br />

der Erfurter Tourismus und Marketing<br />

GmbH. Hier ihre Erfahrungen.<br />

Von NANCY LUTZ,<br />

Direktionsassistentin Hotel Krämerbrücke<br />

„Ich bin seit drei Jahren dabei, nach beruflichen<br />

Stationen in Hamburg und Weimar bin<br />

ich wieder zurück in Thüringen – und darüber<br />

bin ich sehr, sehr glücklich. Nicht nur, weil<br />

Erfurt meine bezaubernde Heimat ist, sondern<br />

auch, weil ich unseren Besuchern die<br />

Schönheiten der Stadt aus erster Hand verraten<br />

kann.<br />

Unsere Gäste kommen vor allem aus<br />

Deutschland – Ruhrgebiet, Bayern, Baden-Württemberg.<br />

Sie bleiben im Schnitt<br />

zwei Tage und so mancher ärgert sich, dass<br />

er nicht länger gebucht hat. Ein Tag weniger<br />

Weimar, ein Tag mehr in Erfurt – diese<br />

Erkenntnis macht so mancher Gast. Das liegt<br />

auch daran, dass einige Besucher gar nicht<br />

wissen, wie schön es hier bei uns ist. Viele<br />

werden zum Wiederholungstäter, sie kommen<br />

immer wieder und entdecken dabei auch<br />

jedes Mal etwas Neues.<br />

Was alle sagen: Die Erfurter sind so herzlich!<br />

Unsere Gäste fühlen sich gut angenommen.<br />

Viele bewundern auch das südländische<br />

Flair der Stadt, hier ist immer etwas los und<br />

die Stadt sieht immer toll aus – egal zu welcher<br />

Jahreszeit. Natürlich sind unsere Gäste<br />

vom Domplatz beeindruckt, auch vom Petersberg<br />

und der Bastion. Sie sind fasziniert<br />

von der Geschichte der Stadt, von den vielen<br />

alten Häusern und Kirchen. Erfurt ist so herrlich<br />

überschaubar – nicht zu groß und nicht<br />

zu klein. Das Highlight für viele ist die Krämerbrücke,<br />

die jeden, der sie zum ersten Mal<br />

sieht, verzaubert. Sie mögen die kleinen Läden,<br />

die herzlichen Ladenbesitzer – die Künstler<br />

wie den Puppenschnitzer Martin Gobsch<br />

zum Beispiel.<br />

Und die Thüringer Küche? Klar, die Bratwurst<br />

ist der Renner, Brätel kennt dagegen<br />

kaum jemand. Was oft geht – Thüringer Klöße<br />

und Rouladen…“<br />

FOTOS: JAKOB SCHRÖTER<br />

Von ANJA FISCHER,<br />

Abteilungsleiterin der<br />

Erfurt Tourist Information<br />

„Ich bin seit 2007 bei der Erfurter Tourismus<br />

und Marketing GmbH – für mich ein toller<br />

Job. Denn ich bin eine gebürtige Puffbohne<br />

und liebe meine Stadt. Mit viel Freude bringe<br />

ich unseren Besuchern die Schönheiten Erfurts<br />

nahe und informiere sie über die vielen<br />

kulturellen Highlights.<br />

Mein Arbeitsplatz ist die Tourist Information<br />

am Benediktsplatz. In der Regel haben<br />

wir hier jeden Tag um die 1.000 Besucher,<br />

an Samstagen in guten Monaten auch<br />

schon mal um die 2.000. Die Touristen kommen<br />

vor allem aus Deutschland, Österreich,<br />

der Schweiz, aber auch aus den Niederlanden<br />

und den USA. Städtereisen werden immer<br />

beliebter – uns besuchen junge Familien,<br />

Seniorengruppen und Menschen aus allen<br />

Himmelsrichtungen, die sich Deutschlands<br />

schönste Mitte anschauen wollen.<br />

Viele sind von Erfurt positiv überrascht, sie<br />

bewundern das Flair der Stadt, aber auch die<br />

Ruhe und Gelassenheit, die die Stadt ausstrahlt.<br />

Die Mehrheit kommt<br />

wieder, um weitere schöne<br />

Dinge zu entdecken. Und zu<br />

entdecken hat unsere Landeshauptstadt<br />

wahrlich genug! Wer<br />

zum ersten Mal hierherkommt, ist<br />

von der Historie und den prächtig<br />

sanierten Häusern der Stadt begeistert.<br />

Das gibt es so in vielen anderen<br />

Städten kaum noch, vielleicht noch in<br />

Heidelberg oder Trier. Zum Glück ist<br />

unsere Stadt kein Museum, sondern<br />

lebt und das schätzen unsere Besucher.<br />

Doch wir informieren nicht nur unsere Gäste<br />

zu touristischen Angeboten, wie Sehenswürdigkeiten<br />

und Stadtführungen, sondern<br />

bieten auch einen umfassenden Kartenverkauf<br />

für Veranstaltungen – nicht nur für Erfurt,<br />

sondern auch deutschlandweit an. Beratung<br />

inklusive und auch die Sitzplätze kann<br />

man sich selbst am Bildschirm aussuchen.“<br />

42<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 43


Franziska Zschäck,<br />

Museumsleiterin im<br />

Freilichtmuseum Hohenfelden,<br />

schaut aus<br />

dem Umgebindehaus.<br />

Es stammt von 1685<br />

und ist sehr selten.<br />

Dieses HAUS<br />

ist UMGEZOGEN<br />

Das Freilichtmuseum in Hohenfelden wächst<br />

TEXT: ANKE ROEDER-ECKERT<br />

FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

44<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 45


W<br />

er denkt, ein Besuch im Freilichtmuseum<br />

Hohenfelden, das reicht doch<br />

für die Ewigkeit, liegt völlig falsch.<br />

Hier – in dem kleinen Dorf am Eichenberg<br />

– ist ziemlich viel in Bewegung. Denn das beschauliche<br />

Örtchen, das Einblicke in eine Welt ohne moderne<br />

Technik gibt, wächst.<br />

„Mit 38 Häusern ist unser Dorf inzwischen schon so<br />

groß, dass wir vor den Toren weiterbauen müssen“, sagt<br />

Franziska Zschäck stolz. Die Museumsleiterin hat es<br />

wachsen sehen, war dabei, als es 1999 am Ortsrand eröffnet<br />

wurde.<br />

Wer sich Zeit nimmt und genauer hinter die Fassaden<br />

der Häuser – sie stammen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert<br />

– schaut, hört die Steine sprechen. Im aktuellen Fall sind<br />

es wohl eher die Hölzer, denn momentan sind Zimmerleute<br />

wie Marcel Riedel am Werk. Sie setzen<br />

das älteste Wohnhaus Thüringens aus<br />

Abtsbessingen im Kyffhäuserkreis Stück für<br />

Stück wieder zusammen – wie ein Puzzle,<br />

allerdings sind die Teile durchnummeriert,<br />

denn die alten Balken und Steine, Fenster<br />

und Türen sollen ja wieder an ihren angestammten<br />

Platz zurück. Das braucht Zeit,<br />

jede Menge Geduld und Sorgfalt. Im April<br />

wurde es an seinem alten Standort abgebaut.<br />

Ganz vorsichtig, denn jeder Balken,<br />

jeder Stein wird genau dokumentiert, damit<br />

die Handwerker alle Teile wieder an ihren<br />

Platz setzen können. Sogar die alte Treppe<br />

wurde gesichert. Und auch das Fachwerk<br />

wird nach historischem Vorbild mit Lehm<br />

und Fichtenästen verfüllt.<br />

Als Vorarbeiter bei der Firma Pfeiffer aus<br />

Berlstedt beherrscht Marcel Riedel die alte<br />

Handwerkskunst perfekt und liebt es, mit<br />

Holzzwinge, Stechbeitel und Säge in frühere<br />

Jahrhunderte einzutauchen. Mehrere<br />

große Kirchen hat die Firma saniert, in Bebra<br />

oder Dosdorf. Das liegt bei Arnstadt.<br />

Dort haben sie einen alten Kirchturm komplett neu aufgebaut,<br />

erzählt er. Und auch der schiefe Turm von Bad<br />

Frankenhausen, dessen Neigung stärker ausfällt als<br />

beim Turm von Pisa – das Sorgenkind der Salinestadt im<br />

Kyffhäuserkreis – hatten die Berlstedter schon in der Kur.<br />

„Das Wohnhaus in Hohenfelden ist mein erstes Haus,<br />

das ich wiederaufbaue, aber es macht Spaß. Es ist schön,<br />

dabei zu sein“, sagt Riedel, der die Herausforderungen<br />

alter Gemäuer liebt, und erzählt: „Leider war das Erdgeschoss<br />

in keinem guten Zustand und ziemlich verschlissen.<br />

Deshalb mussten wir die Hölzer tauschen, sogar die<br />

Wände waren verformt, weil es am alten Standort leicht<br />

abgesackt war. Da ist ein gutes Aufmaß wichtig, damit am<br />

Ende alles passt. Also haben wir das Erdgeschoss genauso<br />

krumm wieder aufgebaut.“ Das Dachgeschoss aber ist<br />

Original, hier haben die Zimmerleute nur ein paar einzelne<br />

Hölzer reparieren müssen.<br />

Natürlich schauen<br />

wir schon, was<br />

passt in die Region,<br />

was wäre eine<br />

Bereicherung für<br />

unser Museumsdorf?<br />

Das kann<br />

manchmal auch<br />

eine besondere<br />

Familiengeschichte<br />

sein, die eng mit<br />

einem alten Haus<br />

verbunden ist<br />

Franziska Zschäck,<br />

Leiterin des Museumsdorfes<br />

Hohenfelden<br />

„Das Haus selbst stammt von 1550 und weist an den<br />

Wänden noch Spuren alter Bemalungen auf“, sagt Franziska<br />

Zschäck, die fast jeden Tag vorbeischaut, um<br />

zu sehen, wie es vorangeht. Doch das Gebäude, das<br />

14 mal 5 Meter fasst, ist nicht das Einzige, das gerade neu<br />

errichtet wird. Am Berghang – mitten im Dorf – entsteht<br />

eine alte Scheune. Sie stammt aus Alkersleben und wird<br />

gerade mit Feldsteinen ausgemauert. „Das Dach wurde<br />

schon mit historischen Ziegeln, sogenannten ,Linksdeckern‘<br />

eingedeckt, einer Ziegelsorte, die im 19. Jahrhundert<br />

besonders gern im heutigen Ilmkreis verwendet<br />

wurde“, sagt Franziska Zschäck. Ab 2021 soll es hier eine<br />

kleine Ausstellung über Bienen geben.<br />

„Und wenn wir damit fertig sind, steht schon wieder ein<br />

neues Haus auf dem Programm, sagt sie. „So Schlag auf<br />

Schlag geht es sonst aber eher selten. Wir<br />

sind ja immer auch von Fördermitteln abhängig“,<br />

sagt die Museumsleiterin. „Manchmal<br />

vergehen zehn Jahre vom ersten Anruf<br />

eines Bauherrn, der uns gern sein altes<br />

Bauernhaus spenden möchte, bis zur Umsetzung“,<br />

sagt sie, schränkt aber auch ein:<br />

„Natürlich schauen wir schon, was passt in<br />

die Region, was wäre eine Bereicherung für<br />

unser Museumsdorf? Das kann manchmal<br />

auch eine besondere Familiengeschichte<br />

sein, die eng mit einem alten Haus verbunden<br />

ist.“<br />

Davon gibt es einige in Hohenfelden. Viel<br />

kann man hier entdecken. Auf das Umgebindehaus<br />

ist Franziska Zschäck besonders<br />

stolz. Es wurde 1685 in der Nähe von Langenbuch<br />

im Saale-Orla-Kreis gebaut, stand<br />

an einem See und bekam regelmäßig nasse<br />

Füße. „Unsere Kollegen haben es dort<br />

selbst abgebaut und nach Hohenfelden gebracht“,<br />

sagt sie. Die Wände des Hauses bestehen<br />

aus dicken Bohlen, die an den Ecken<br />

miteinander verbunden sind. Ein besonderes<br />

Schmuckstück ist die ehemalige Stube<br />

mit ihrem Ofen aus Napfkacheln. Aber auch die Steinerne<br />

Küche mit ihrem Schlot, der bis über das Dach reicht,<br />

lädt zu einer Zeitreise ein.<br />

Bis zum 1. November hat das Freilichtmuseum in Hohenfelden<br />

noch geöffnet. Sonntags zeigen Handwerker<br />

alte Techniken. Auch das „Alte Pfarrhaus“ im Ortskern ist<br />

einen Besuch wert. Bis zum 3. Januar 2021 ist dort die<br />

Sonderausstellung „Franz Markau – Farbkünstler aus Leidenschaft“<br />

zu sehen. Einige seiner Bilder sind direkt im<br />

Dorf Hohenfelden entstanden, darunter Landschaften,<br />

aber auch dörfliche Motive. Der Thüringer Künstler lebte<br />

von 1881 bis 1968 und gilt als einer der wichtigsten Thüringer<br />

Künstler des 20. Jahrhunderts.<br />

Mehr zum Freilichtmuseum gibt es im Internet<br />

unter www.freilichtmuseum-hohenfelden.de.<br />

❶<br />

❹<br />

❷<br />

1 Das alte Wohnhaus vor den Toren des Freilichtmuseums wird Stück für Stück wieder aufgebaut. 2 Franziska Zschäck<br />

an der alten Scheune aus Alkersleben. 3 Blick in das alte Umgebindehaus von 1685. 4 Blick von oben auf das Freilichtmuseum<br />

Hohenfelden. 5 Marcel Riedel ist Zimmermann. Er liebt es, die Vergangenheit zu restaurieren.<br />

❸<br />

❺<br />

46<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 47


STROM SPAREN bei<br />

Computer & Co.<br />

L<br />

aptops, Smartphones, Tablets:<br />

in vielen Haushalten fließt rund<br />

ein Drittel des Stromverbrauchs<br />

in die Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik.<br />

Aber auch das<br />

Internet selbst verbraucht Strom,<br />

genauer gesagt: die Rechenzentren<br />

der Internetunternehmen. Die Kosten<br />

hierfür erscheinen nicht auf der<br />

eigenen Stromrechnung, aber jeder<br />

Klick erzeugt klimaschädliches CO 2 .<br />

Die Verbraucherzentrale Thüringen<br />

zeigt, an welchen Stellen man sinnvoll<br />

sparen kann.<br />

ABSCHALTEN: Schalten Sie die Geräte<br />

komplett aus, wenn Sie sie nicht<br />

nutzen. Mit einer schaltbaren Steckerleiste<br />

können Sie Computer, Monitor<br />

und Drucker gemeinsam vom<br />

Stromnetz trennen. Nur wenige Geräte<br />

wie zum Beispiel Router oder<br />

Telefon brauchen den permanenten<br />

Stand-by, doch selbst die selten rund<br />

um die Uhr. Das Mobiltelefon kann<br />

nachts in den Flugmodus.<br />

ENERGIESPARMODUS: In den Energieoptionen<br />

der Geräte lassen sich<br />

genaue Spareinstellungen vornehmen.<br />

Achtung: Ein Bildschirmschoner<br />

ist keine Energiesparmaßnahme!<br />

Gerade bei bunten, bewegten Bildern<br />

verbrauchen Monitor und Grafikkarte<br />

mehr Strom als bei der Arbeit mit<br />

einem Textverarbeitungsprogramm.<br />

ROUTER: Moderne Router funken<br />

auf zwei Frequenzen (2,4 und 5 Gigahertz),<br />

um ein besseres und stabileres<br />

Signal zu bieten. Gerade das<br />

5-Gigahertz-Netz benötigt viel<br />

Strom – schalten Sie es in Zeiten geringer<br />

Nutzung aus. Bei vielen Modellen<br />

lässt sich die WLAN-Funktion<br />

auch zeitlich begrenzen.<br />

STREAMING: Die Übertragung<br />

von Videos ist der Hauptgrund für<br />

den rasant steigenden Stromverbrauch<br />

des Internets. Aber nicht immer<br />

müssen Filme und Serien mit<br />

der höchstmöglichen Auflösung geschaut<br />

werden. Für das Smartphone<br />

zum Beispiel ist Full HD völlig ausreichend.<br />

Nutzen Sie die Videoplattform<br />

gerade nur zum Musikhören,<br />

können Sie die Auflösung noch weiter<br />

reduzieren. Filme, die Sie mehrmals<br />

anschauen möchten, sollten Sie<br />

auf das eigene Endgerät herunterladen,<br />

wenn dies technisch möglich ist.<br />

So müssen die Daten nicht jedes Mal<br />

aufs Neue übertragen werden.<br />

E-MAIL: Ein überfülltes E-Mail-Postfach<br />

kostet nicht nur Nerven, sondern<br />

auch Speicherplatz. Löschen Sie nicht<br />

mehr benötigte Nachrichten und bestellen<br />

Sie Werbemails, selten gelesene<br />

Newsletter oder automatische<br />

Benachrichtigungen konsequent ab.<br />

So senken Sie nicht nur den eigenen<br />

Stresslevel, sondern auch den Stromverbrauch<br />

der Mailserver.<br />

CLOUD-DIENSTE: Grundsätzlich ist<br />

es zwar praktisch, immer und überall<br />

auf die eigenen Daten zugreifen<br />

zu können. Aber wenn Sie Ihre Urlaubsfotos<br />

statt in der Internetwolke<br />

auf einer externen Festplatte lagern,<br />

schützen Sie nicht nur das Klima,<br />

sondern auch Ihre Privatsphäre.<br />

TIPP: Holen Sie einen Energieberater<br />

der Verbraucherzentrale zu sich<br />

nach Hause und gehen Sie gemeinsam<br />

auf die Suche nach Stromfressern.<br />

Terminvereinbarung unter Tel.<br />

0800 809 802 400. Die Beratung wird<br />

vom Bundeswirtschaftsministerium<br />

gefördert und ist für Sie kostenfrei.<br />

TEXT: VERBRAUCHERZENTRALE ERFURT FOTO: ADOBE STOCK<br />

Neues Gesicht<br />

der Energieberatung<br />

Wer Energiespartipps braucht, ist bei JAN STREBEL genau richtig<br />

Was? Mein Nachbar bezahlt weniger für Strom und Heizung?<br />

Kann sein. Vielleicht war er ja schon beim Energieberater<br />

der Erfurter Stadtwerke. Seit März verrät der 40-jährige<br />

Jan Strebel Tricks und Tipps,<br />

um Energiekosten zu senken. Warum<br />

er das tut? Klar, er ist bei den<br />

Stadtwerken angestellt.<br />

Aber der Wunsch, Energieberater<br />

zu werden, hat mit einem wichtigen<br />

persönlichen Ereignis zu tun:<br />

der Geburt seines ersten Kindes.<br />

Zuvor war der studierte Verfahrenstechniker<br />

aus Sachsen für die<br />

Bayer AG tätig, sogar für eine Außenstelle<br />

in Tennessee, USA. Dann<br />

wurde er Vater und seine Prioritäten<br />

änderten sich.<br />

Kinder brauchen eine Zukunft,<br />

deshalb ist für Jan Strebel der Begriff<br />

Nachhaltigkeit keine Floskel.<br />

Er wollte konkret etwas tun.<br />

Also wieder studieren. Zwei Jahre<br />

„Nachhaltige Energieversorgung“<br />

in Aachen. Es folgten Tätigkeiten<br />

als Berater der Verbraucherzentrale<br />

in Nordrhein-Westfalen und der<br />

Kennen Sie schon<br />

Ihren Verbrauch?<br />

Sie wollen genau wissen, was<br />

Sie wo an Energie verbrauchen?<br />

Denn nur wenn Sie Ihr Verbrauchsverhalten<br />

exakt kennen,<br />

können Sie es auch ändern. Der<br />

Energieberater leiht Ihnen ein<br />

Strommessgerät.<br />

Telefon: 0361 564-1030<br />

E-Mail: beratung.energie@<br />

stadtwerke-erfurt.de<br />

Energie Agentur Nordrhein-Westfalen. Seine Schwerpunkte<br />

waren Photovoltaik, Elektromobilität und Energiesparen.<br />

Im Herbst 2019 bewarb sich Jan Strebel bei den Erfurter<br />

Stadtwerken. Unbekannt war<br />

ihm Erfurt nicht, schließlich wohnen<br />

seine Schwiegereltern in der<br />

Nähe.<br />

Der Start als Energieberater für<br />

Erfurter Stadtwerkekunden begann<br />

mitten in der Corona-Pandemie.<br />

Persönliche Beratungen waren<br />

nicht möglich. Das Telefon und der<br />

PC blieben die Hauptkommunikationsmittel.<br />

Jan Strebel berät nicht<br />

nur zu Stromtarifen, Heizungsaustausch,<br />

Fördermöglichkeiten und<br />

Photovoltaik für Unternehmen,<br />

sondern auch zu Energieaudits<br />

oder zur Wohngebäudesanierung.<br />

Gefragt nach seinen kostengünstigsten<br />

Spartipps, rät der Energieberater<br />

zum Sparduschkopf und<br />

dazu, die Raumtemperatur um ein,<br />

zwei Grad zu senken.<br />

TEXT: IVO DIERBACH<br />

FOTO: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

48<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 49


Checkt<br />

mal<br />

App!<br />

Jetzt mit<br />

BUGA-Quiz<br />

• Sicheres Lernen in Corona-Zeiten<br />

unter freiem Himmel<br />

und außerhalb der Schule?<br />

Geht das? Ja, vorausgesetzt,<br />

die Klasse darf zum Unterricht<br />

in die Stadt. Wir haben die Augmented-Reality-Stadterkundungstour<br />

„SWE Wissenswelt“<br />

für diese besonderen Zeiten fit<br />

gemacht. An zehn Tablets können<br />

Schüler ab Klasse 7 die interaktive<br />

Lern-App einzeln oder<br />

paarweise mit Sicherheitsabstand<br />

ausprobieren. Und die<br />

App kann jetzt noch mehr: Mit<br />

dem BUGA-Quiz hat sie ein neues<br />

Gewinnelement mit spannenden<br />

Fragen rund um das blumige<br />

Event 2021. Auch der Check<br />

zu nachhaltigen Themen rund<br />

um Energiegewinnung, Mobilität,<br />

Trinkwasserversorgung und<br />

Zukunftsvisionen macht Spaß.<br />

Tolle Preise, u. a. Prämien im<br />

Wert von 500 Euro, locken im<br />

BUGA-Jahr.<br />

Die Tour beginnt in der Kinder-<br />

und Jugendbibliothek: Dort<br />

erfolgt die Einweisung und <strong>Ausgabe</strong><br />

der desinfizierten Pads.<br />

Ganz wichtig: vorher anmelden<br />

unter 0361 655-1592.<br />

BILDMONTAGE: KIDS INTERACTIVE<br />

Jürgen Valdeig – Ur-Erfurter und Stadtmaler.<br />

Stadtliebe in Bildern<br />

Junges Gemüse wird bei uns gefördert<br />

Wir suchen zehn Kindereinrichtungen und Schulen, die<br />

sich für 2021 ein Gartenprojekt vorstellen könnten. Egal,<br />

ob sie ein Hochbeet bauen, sich mit Gartenausrüstung<br />

oder Technik zur Verarbeitung der Ernte eindecken wollen.<br />

Wir sind gespannt, wo das „Junge Gemüse“ im kommenden<br />

Jahr wächst. Förderungen im Wert von jeweils<br />

500 Euro locken, sodass zum Start des Gartenjahrs im<br />

März 2021 gleich losgelegt werden kann. Die Bewerbungsfrist<br />

endet am 28. Februar<br />

2021. Drei Kategorien<br />

werden ausgelobt:<br />

Starthilfe: Fehlen euch Geräte,<br />

die zu einem Garten dazugehören?<br />

Braucht die Erde eine<br />

Kompostverjüngungskur? Tropft die Regentonne, fehlt<br />

es an Mitteln für die Saatgutbeschaffung?<br />

Junges Gemüse: Wir suchen Grüne-Daumen-Projekte<br />

in Sachen selber Gärtnern und fördern<br />

Vorzeigebeispiele zum Anbauen, Hegen,<br />

Pflegen, Ernten, egal, ob Kräuterspirale<br />

oder Weidenhaus, Insektenhotel oder<br />

mobiles Hochbeet.<br />

Gesunde Ernährung: Ist eure Einrichtung fit<br />

für die Produktion von leckeren Dingen aus dem<br />

eigenen Garten? Braucht ihr in der Gartenküche<br />

Unterstützung? Unter www.stadtwerke-erfurt.de/<br />

jungesgemuese gibt es weitere Informationen und<br />

das Anmeldeformular.<br />

Mehr als 1.000 Mal hat Jürgen Valdeig seine<br />

Stadt gemalt, in der er vor 69 Jahren<br />

geboren wurde und der er Zeit seines Lebens<br />

verbunden blieb. In Erfurt gründete<br />

er eine Familie, zog drei Kinder groß. Nahe<br />

dem Domplatz führt seine Tochter Kathrin<br />

Valdeig-Meinung ein Geschäft als Familienunternehmen.<br />

Bilder, Kalender, Bücher,<br />

Karten gemalt und gedruckt – hier<br />

wird fündig, wer ein besonderes, ein persönliches<br />

Stück mit nach Hause nehmen<br />

oder sich über die Stadthistorie unterhalten<br />

möchte.<br />

Bereits als Kind hat Jürgen Valdeig Stifte<br />

und Pinsel kaum aus der Hand gelegt.<br />

Der gelernte Elektriker machte 1987 aus seinem Hobby einen<br />

Beruf. Als Kunstmaler gründete er 1990 mit seiner Frau<br />

Hannelore einen Verlag. Häufigstes Motiv ist der Dom, in<br />

dessen Nähe er Kindheit und Jugend verbrachte, dessen<br />

Faszination ihn bis heute beschäftigt. Eine Stadtliebe in Bildern<br />

verbindet ihn mit Erfurt. Die Krämerbrücke, den Anger,<br />

den Dom und die engen Gassen der Altstadt, den egapark,<br />

die vielen Türme und Kirchen der Stadt – all das hat<br />

Den 30. Kunstkalender gibt<br />

es in der Kunsthandlung<br />

Valdeig in der Kettenstraße<br />

zum Preis von 21 Euro.<br />

er vielfach gezeichnet. Inzwischen entstehen<br />

nur noch Aquarelle, am Anfang seiner<br />

Laufbahn verewigte er die Erfurt-Ansichten<br />

auch in Öl. Die Liebe zum Detail<br />

prägt seine Bilder, die seit 1968 nach eigenen<br />

Forschungen entstanden und vor<br />

Ort skizziert wurden.<br />

„Der Kunstkalender ist in unserem Laden<br />

das meistverkaufte Erfurt-Souvenir.<br />

Die 30. Auflage ist in diesem Jahr erschienen.<br />

Darin finden sich auch zwei besondere<br />

Motive: das entstehende Wüsten- und<br />

Urwaldhaus Danakil und die dampfbetriebene<br />

iga-Bahn“, macht Jürgen Valdeig<br />

neugierig. Der Erfurt-Botschafter wirbt<br />

damit auf seine ganz eigene Art und Weise für das große<br />

Gartenfest. Als Mitglied des Tourismusvereins Erfurt e. V.<br />

sieht er die Chancen für den lokalen Handel und das Gastgewerbe.<br />

Persönlich freut er sich vor allem auf den umgestalteten<br />

egapark. Mit den eigenen Kindern verbrachte er<br />

dort gern und viel Zeit, später begleitete er die Enkel. 2021<br />

gibt es dort vieles neu zu entdecken. Dann greift der Stadtmaler<br />

garantiert auch wieder zu Pinsel und Farben.<br />

TEXT: CHRISTINE KARPE FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

50<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 51


VERNÜNFTIG SEIN.<br />

GENAU MEIN DING.<br />

MIT MASKE KOMMEN WIR<br />

#BesserWeiter<br />

Eine gemeinsame Initiative von Bund, Ländern und<br />

öffentlichen Verkehrsunternehmen. Mehr Infos unter<br />

www.besserweiter.de<br />

Kontakte<br />

■ SWE HAUPTSITZ<br />

Magdeburger Allee 34, Erfurt<br />

■ VERSORGUNG<br />

Kommunales Dienstleistungszentrum<br />

An-, Um- und Abmeldungen Gas, Strom und<br />

Wasser, Telefon: 0361 564-1010<br />

Störungsnummern<br />

Strom 0361 564-1000<br />

Wärme 0361 564-3000<br />

Erdgas 0361 564-3333<br />

Wasser 0361 564-1818<br />

Entsorgung<br />

Kundendienst<br />

Telefon: 0361 564-3455<br />

■ MOBILITÄT<br />

EVAG-Mobilitätszentrum<br />

am Anger: Beratung, Verkauf<br />

und Information<br />

Fahrplan und Tarifauskünfte<br />

Telefon: 0361 19449<br />

Kundenbetreuung<br />

Telefon: 0361 564-4644<br />

■ FREIZEIT<br />

egapark Erfurt<br />

Besucherservice<br />

Telefon: 0361 564-3737<br />

Bäder<br />

Telefon: 0361 564-3532

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