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Ausgabe 03.2020

Magazin für Kunden der Stadtwerke Erfurt. Aktuelle Informationen zu den Leistungen und Produkten der SWE. Geschichten aus Erfurt und der Region, Porträts und Reportagen. Themen der aktuellen Ausgabe: Corona und die Auswirkung auf die Kunst, Pop-Up-Store und Papeterie in Erfurt vorgestellt, BUGA-Vorfreude in Erfurt, Fachwerkhaus auf Reisen in Hohenfelden, Sponsoringprojekt 21x1000 startet wieder

Magazin für Kunden der Stadtwerke Erfurt. Aktuelle Informationen zu den Leistungen und Produkten der SWE. Geschichten aus Erfurt und der Region, Porträts und Reportagen. Themen der aktuellen Ausgabe: Corona und die Auswirkung auf die Kunst, Pop-Up-Store und Papeterie in Erfurt vorgestellt, BUGA-Vorfreude in Erfurt, Fachwerkhaus auf Reisen in Hohenfelden, Sponsoringprojekt 21x1000 startet wieder

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W<br />

er denkt, ein Besuch im Freilichtmuseum<br />

Hohenfelden, das reicht doch<br />

für die Ewigkeit, liegt völlig falsch.<br />

Hier – in dem kleinen Dorf am Eichenberg<br />

– ist ziemlich viel in Bewegung. Denn das beschauliche<br />

Örtchen, das Einblicke in eine Welt ohne moderne<br />

Technik gibt, wächst.<br />

„Mit 38 Häusern ist unser Dorf inzwischen schon so<br />

groß, dass wir vor den Toren weiterbauen müssen“, sagt<br />

Franziska Zschäck stolz. Die Museumsleiterin hat es<br />

wachsen sehen, war dabei, als es 1999 am Ortsrand eröffnet<br />

wurde.<br />

Wer sich Zeit nimmt und genauer hinter die Fassaden<br />

der Häuser – sie stammen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert<br />

– schaut, hört die Steine sprechen. Im aktuellen Fall sind<br />

es wohl eher die Hölzer, denn momentan sind Zimmerleute<br />

wie Marcel Riedel am Werk. Sie setzen<br />

das älteste Wohnhaus Thüringens aus<br />

Abtsbessingen im Kyffhäuserkreis Stück für<br />

Stück wieder zusammen – wie ein Puzzle,<br />

allerdings sind die Teile durchnummeriert,<br />

denn die alten Balken und Steine, Fenster<br />

und Türen sollen ja wieder an ihren angestammten<br />

Platz zurück. Das braucht Zeit,<br />

jede Menge Geduld und Sorgfalt. Im April<br />

wurde es an seinem alten Standort abgebaut.<br />

Ganz vorsichtig, denn jeder Balken,<br />

jeder Stein wird genau dokumentiert, damit<br />

die Handwerker alle Teile wieder an ihren<br />

Platz setzen können. Sogar die alte Treppe<br />

wurde gesichert. Und auch das Fachwerk<br />

wird nach historischem Vorbild mit Lehm<br />

und Fichtenästen verfüllt.<br />

Als Vorarbeiter bei der Firma Pfeiffer aus<br />

Berlstedt beherrscht Marcel Riedel die alte<br />

Handwerkskunst perfekt und liebt es, mit<br />

Holzzwinge, Stechbeitel und Säge in frühere<br />

Jahrhunderte einzutauchen. Mehrere<br />

große Kirchen hat die Firma saniert, in Bebra<br />

oder Dosdorf. Das liegt bei Arnstadt.<br />

Dort haben sie einen alten Kirchturm komplett neu aufgebaut,<br />

erzählt er. Und auch der schiefe Turm von Bad<br />

Frankenhausen, dessen Neigung stärker ausfällt als<br />

beim Turm von Pisa – das Sorgenkind der Salinestadt im<br />

Kyffhäuserkreis – hatten die Berlstedter schon in der Kur.<br />

„Das Wohnhaus in Hohenfelden ist mein erstes Haus,<br />

das ich wiederaufbaue, aber es macht Spaß. Es ist schön,<br />

dabei zu sein“, sagt Riedel, der die Herausforderungen<br />

alter Gemäuer liebt, und erzählt: „Leider war das Erdgeschoss<br />

in keinem guten Zustand und ziemlich verschlissen.<br />

Deshalb mussten wir die Hölzer tauschen, sogar die<br />

Wände waren verformt, weil es am alten Standort leicht<br />

abgesackt war. Da ist ein gutes Aufmaß wichtig, damit am<br />

Ende alles passt. Also haben wir das Erdgeschoss genauso<br />

krumm wieder aufgebaut.“ Das Dachgeschoss aber ist<br />

Original, hier haben die Zimmerleute nur ein paar einzelne<br />

Hölzer reparieren müssen.<br />

Natürlich schauen<br />

wir schon, was<br />

passt in die Region,<br />

was wäre eine<br />

Bereicherung für<br />

unser Museumsdorf?<br />

Das kann<br />

manchmal auch<br />

eine besondere<br />

Familiengeschichte<br />

sein, die eng mit<br />

einem alten Haus<br />

verbunden ist<br />

Franziska Zschäck,<br />

Leiterin des Museumsdorfes<br />

Hohenfelden<br />

„Das Haus selbst stammt von 1550 und weist an den<br />

Wänden noch Spuren alter Bemalungen auf“, sagt Franziska<br />

Zschäck, die fast jeden Tag vorbeischaut, um<br />

zu sehen, wie es vorangeht. Doch das Gebäude, das<br />

14 mal 5 Meter fasst, ist nicht das Einzige, das gerade neu<br />

errichtet wird. Am Berghang – mitten im Dorf – entsteht<br />

eine alte Scheune. Sie stammt aus Alkersleben und wird<br />

gerade mit Feldsteinen ausgemauert. „Das Dach wurde<br />

schon mit historischen Ziegeln, sogenannten ,Linksdeckern‘<br />

eingedeckt, einer Ziegelsorte, die im 19. Jahrhundert<br />

besonders gern im heutigen Ilmkreis verwendet<br />

wurde“, sagt Franziska Zschäck. Ab 2021 soll es hier eine<br />

kleine Ausstellung über Bienen geben.<br />

„Und wenn wir damit fertig sind, steht schon wieder ein<br />

neues Haus auf dem Programm, sagt sie. „So Schlag auf<br />

Schlag geht es sonst aber eher selten. Wir<br />

sind ja immer auch von Fördermitteln abhängig“,<br />

sagt die Museumsleiterin. „Manchmal<br />

vergehen zehn Jahre vom ersten Anruf<br />

eines Bauherrn, der uns gern sein altes<br />

Bauernhaus spenden möchte, bis zur Umsetzung“,<br />

sagt sie, schränkt aber auch ein:<br />

„Natürlich schauen wir schon, was passt in<br />

die Region, was wäre eine Bereicherung für<br />

unser Museumsdorf? Das kann manchmal<br />

auch eine besondere Familiengeschichte<br />

sein, die eng mit einem alten Haus verbunden<br />

ist.“<br />

Davon gibt es einige in Hohenfelden. Viel<br />

kann man hier entdecken. Auf das Umgebindehaus<br />

ist Franziska Zschäck besonders<br />

stolz. Es wurde 1685 in der Nähe von Langenbuch<br />

im Saale-Orla-Kreis gebaut, stand<br />

an einem See und bekam regelmäßig nasse<br />

Füße. „Unsere Kollegen haben es dort<br />

selbst abgebaut und nach Hohenfelden gebracht“,<br />

sagt sie. Die Wände des Hauses bestehen<br />

aus dicken Bohlen, die an den Ecken<br />

miteinander verbunden sind. Ein besonderes<br />

Schmuckstück ist die ehemalige Stube<br />

mit ihrem Ofen aus Napfkacheln. Aber auch die Steinerne<br />

Küche mit ihrem Schlot, der bis über das Dach reicht,<br />

lädt zu einer Zeitreise ein.<br />

Bis zum 1. November hat das Freilichtmuseum in Hohenfelden<br />

noch geöffnet. Sonntags zeigen Handwerker<br />

alte Techniken. Auch das „Alte Pfarrhaus“ im Ortskern ist<br />

einen Besuch wert. Bis zum 3. Januar 2021 ist dort die<br />

Sonderausstellung „Franz Markau – Farbkünstler aus Leidenschaft“<br />

zu sehen. Einige seiner Bilder sind direkt im<br />

Dorf Hohenfelden entstanden, darunter Landschaften,<br />

aber auch dörfliche Motive. Der Thüringer Künstler lebte<br />

von 1881 bis 1968 und gilt als einer der wichtigsten Thüringer<br />

Künstler des 20. Jahrhunderts.<br />

Mehr zum Freilichtmuseum gibt es im Internet<br />

unter www.freilichtmuseum-hohenfelden.de.<br />

❶<br />

❹<br />

❷<br />

1 Das alte Wohnhaus vor den Toren des Freilichtmuseums wird Stück für Stück wieder aufgebaut. 2 Franziska Zschäck<br />

an der alten Scheune aus Alkersleben. 3 Blick in das alte Umgebindehaus von 1685. 4 Blick von oben auf das Freilichtmuseum<br />

Hohenfelden. 5 Marcel Riedel ist Zimmermann. Er liebt es, die Vergangenheit zu restaurieren.<br />

❸<br />

❺<br />

46<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

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