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Ausgabe 03.2020

Magazin für Kunden der Stadtwerke Erfurt. Aktuelle Informationen zu den Leistungen und Produkten der SWE. Geschichten aus Erfurt und der Region, Porträts und Reportagen. Themen der aktuellen Ausgabe: Corona und die Auswirkung auf die Kunst, Pop-Up-Store und Papeterie in Erfurt vorgestellt, BUGA-Vorfreude in Erfurt, Fachwerkhaus auf Reisen in Hohenfelden, Sponsoringprojekt 21x1000 startet wieder

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Prächtig: Das Deckengemälde im Festsaal wurde vom Wiener Hofmaler Peter Weingart gemalt:<br />

Die Wahrheit (Venus) zeigt der Aufklärung (Flora im weißen Gewand mit großem Blumengebinde)<br />

den Weg zur Erkenntnis, dargestellt vom Gott des Lichts Apoll.<br />

der in einem Atemzug mit Vergil und Ovid genannt wird,<br />

und dem aus Gotha stammenden Diplomaten. Auch für<br />

Gotter war Molsdorf ein Rückzugsort, ein Ort der Muße<br />

und Entspannung, abseits von den Ränkespielen des Hofes.<br />

Während Gotter bürgerlicher Herkunft war, soll Horaz<br />

gar dem Sklavenstand entstammen. Beide haben erreicht,<br />

was ihnen von Geburt an eigentlich verwehrt gewesen<br />

wäre...<br />

„Gotters Bibliothek war erlesen, die Bildersammlung bedeutend.<br />

Er muss ein sehr guter Netzwerker gewesen sein“,<br />

sinniert Schierz. Wie sonst hätte er sich<br />

solch eine Anlage leisten können, auch<br />

wenn das Rittergut, als er es 1734 erwarb,<br />

ziemlich heruntergekommen war?<br />

Von seinen sehr guten Kontakten künden<br />

nicht nur die großartigen Deckenmalereien<br />

seiner prachtvollen Salons,<br />

für die er bekannte Künstler seiner Zeit<br />

engagierte, sondern auch die Porträts<br />

im Festsaal. Sie alle sind Personen nachempfunden,<br />

die Gotter im Laufe seiner<br />

diplomatischen Dienste kennenlernte.<br />

Eugen von Savoyen nimmt darin einen<br />

besonderen Platz ein. Es ist eines<br />

von drei sehr großen Gemälden, die für<br />

ihn eine besondere Bedeutung gehabt<br />

haben müssen. Auch wenn Schierz viel<br />

über Gotter zu berichten weiß, so manches<br />

bleibt im Dunkeln, kann nur vermutet<br />

werden. Denn die Belege fehlen.<br />

So stellt sich die Frage, wie Gotter und<br />

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Prinz Eugen miteinander bekannt wurden? Immerhin war<br />

Gotter „nur“ Diplomat eines klitzekleinen Fürstentums<br />

und Prinz Eugen einer der größten Feldherren der Habsburger.<br />

Wer ist Graf Wenzel von Lichtenstein? Auch ihm<br />

widmete Gotter in seinem Bildersaal ein überlebensgroßes<br />

Porträt. „Wir wissen noch gar nichts über ihn“, sagt<br />

Schierz und schaut nachdenklich zu dem Bildnis des jungen<br />

Mannes auf.<br />

15 Jahre lang nannte Gotter das Molsdorfer Wasserschloss<br />

sein Eigen. In zwei Bauphasen ließ er die alte<br />

Schlossanlage in einen repräsentativen<br />

rechteckigen vierflügeligen Bau umgestalten.<br />

Auch der alte Bergfried, den genaue<br />

Betrachter im Marmorsaal noch<br />

auf einem Gemälde entdecken können,<br />

musste weichen. Fertig wurde Gotter allerdings<br />

nie. Das sieht man nicht nur an<br />

dem etwas eigenwilligen Grundriss der<br />

Anlage, sondern auch an den unterschiedlichen<br />

Geschosshöhen im Inneren<br />

des Lustschlosses.<br />

Oben: Die repräsentativ<br />

gestaltete Südseite des<br />

Barockschlosses.<br />

Mitte: „Lacht mir doch<br />

kein Winkel dieser Erde<br />

wie dieser“ – so die Übersetzung<br />

der lateinischen<br />

Inschrift auf dem<br />

Schlussstein über dem<br />

Nordportal.<br />

Unten: Grit Straßburg im<br />

Tränenkabinett der Gräfin<br />

von Gneisenau.<br />

Am Ende musste er es verkaufen, 1748<br />

waren seine Mittel restlos erschöpft.<br />

„Der klassische Notverkauf aufgrund seiner<br />

unermesslichen Verschwendungssucht.<br />

Ein Freund half ihm aus der Patsche<br />

und ließ ihn bis 1754 noch hier<br />

wohnen“, berichtet Schierz.<br />

„Eine faszinierende Anlage“, sagt auch<br />

Grit Straßburg. Seit April ist sie die Herrin<br />

von Schloss Molsdorf, das im Eigentum<br />

der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten<br />

liegt. „Naja, eher Schlossverwalterin“,<br />

schränkt die sympathische junge Frau ein.<br />

Das „Thüringer Versailles“, wie Molsdorf<br />

in seiner Blütezeit oft genannt wurde, hat<br />

sie schon immer fasziniert. Die gebürtige<br />

Dresdnerin hat einen Hang zu barocken<br />

Bauten und stattete der Anlage schon früher<br />

öfter einen Besuch ab. „Dass ich jetzt<br />

hier arbeiten darf, ist großartig, aber auch<br />

nicht einfach. Unsere Hauptaufgabe ist<br />

die Erhaltung des Gebäudes und der Parkanlage.<br />

Da gibt es viel zu tun“, sagt sie.<br />

Denn das alte Gemäuer mit Ursprüngen<br />

im 16. Jahrhundert knarzt an allen Ecken<br />

und Enden, hat nasse Füße bekommen.<br />

Während Schierz sich mehr für Gotter<br />

begeistert, ist Grit Straßburg besonders<br />

von der Gräfin Maria von Gneisenau<br />

angetan. Eine emanzipierte Frau, die das<br />

Schloss 1909 erwarb. Auch sie drückte der<br />

Anlage ihren Stempel auf, allerdings behutsamer<br />

als der Reichsgraf. „Auch ihre<br />

Projekte waren größerer Natur, die Heizungsanlage<br />

z. B., die das ganze Schloss<br />

mit Wärme versorgt, aber so gut versteckt<br />

ist, dass man sie nicht sieht. Eine beachtliche<br />

Leistung“, findet Grit Straßburg, die<br />

von Haus aus Bauingenieurin ist.<br />

Hinter der Gotter’schen Bibliothek, die<br />

um die 2.000 Bände umfasste, ließ die belesene<br />

Gräfin einen besonderen Ruheraum<br />

einbauen. Schiebt man die getäfelte<br />

Holzwand beiseite, steht man in einem<br />

grottenartigen, im Jugendstil gehaltenen<br />

dunklen Raum, der mit tropfenförmigen<br />

Perlmuttarbeiten verziert ist. Sie erinnern<br />

an Tränen. Für die Gräfin war es wohl<br />

im doppelten Sinne ein Tränenkabinett.<br />

Die zweifache Mutter zog sich nach ihrer<br />

Scheidung vom Urenkel des berühmten<br />

Generalfeldmarschalls nach Molsdorf<br />

zurück. Der Umbau des Anwesens war für<br />

sie ein künstlerisches Vorhaben, das ihr<br />

half, eine schwere Sinn- und Lebenskrise<br />

zu überwinden.<br />

Wer mehr über Molsdorf erfahren<br />

möchte, hat dienstags bis sonntags von<br />

10 bis 18 Uhr die Gelegenheit dazu. Führungen<br />

finden zu jeder vollen Stunde und<br />

nach Vereinbarung statt.<br />

40<br />

SWE-Journal 03_2020<br />

SWE-Journal 03_2020 41

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