Pfarrbrief St. Maurinus und Marien – Bruecke – Ausgabe Herbst 2020
Der Pfarrbrief der Gemeinde St. Maurinus und Marien
Der Pfarrbrief der Gemeinde St. Maurinus und Marien
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Ganz bei Gott sein...
Eines Tages besuchte Johannes
Cassian (360-435) den Wüstenvater
und seinen geistlichen Lehrer
Evagrius Ponticus in der Sketis,
einer Wüstenregion in Ägypten.
Dorthin hatten sich im 2.-5.
Jh.n.Ch. viele geistliche Gelehrte
und Theologen „Wüstenväter“
zurückgezogen, um dem Lärm
und der Unrast der Städte zu entgehen
und sich umso tiefer mit
Gott im Gebet zu verbinden und
mit dem Studium der Heiligen
Schrift - Wort Gottes - zu beschäftigen.
Durch sie entstand
das frühe Mönchtum.
Evagrius Ponticus und Johannes
Cassian stammten beide aus Rumänien,
das verband beide vermutlich
in weiterer besonderer
Weise. Als Johannes Cassian
nun die Kellia (Mönchszelle)
seines Lehrers Evagrius Ponticus
betrat, sah er dort auf einem
kleinen Tischchen einen Stapel
ungeöffneter Briefe liegen, ungeöffnete
Briefe aus der Heimat.
Johannes Cassian traute wohl
kaum seinen Augen und konnte
dies nicht verstehen, wie man
Briefe aus der so fernen Heimat
nicht einmal öffnen und lesen
konnte. Als er seinen Lehrer danach
fragte, wie das sein könne,
antwortete ihm dieser: „Wenn
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ich die Briefe aus der Heimat
öffne und lese, dann fällt eine so
große Sehnsucht in mein Herz,
das ich nicht mehr ganz bei Gott
sein kann.“
Uns mag diese Haltung der
Strenge, Konsequenz und Radikalität
der Wüstenväter zunächst
erschrecken und verständnislos
zurücklassen. Das wundert nicht,
denn wir Gläubigen heute leben
eben nicht in der Wüste, sondern
in der Welt mit all ihren Herausforderungen
und Ablenkungen
und nicht in der Lebensform der
Wüstenväter und -mütter, die
heute vermutlich am ehesten
noch bei den Wüstenvätern (z.B.
im Makariuskloster in Ägypten)
oder dem Karthäuserorden zu
finden ist. Dennoch kann auch
uns diese Geschichte etwas Entscheidendes
lehren, denn auch
wir sollen Gott in unserem Leben
den ersten Platz gewähren
(1. Gebot), nicht den Platz eines
Besuchers, der uns nur hin und
wieder willkommen ist und mal
kurz vorbeikommen kann, wenn
uns danach ist.
Und wie oft kommt es vor, dass
auch uns etwas davon ablenkt
ganz bei Gott zu sein? Das können
belastende Dinge, Herausforderungen
oder Begebenheiten