Fraenkische-Nacht-Oktober-2020-ALLES
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Gastronom Ralf „Schmitti“ Schmidtlein
über ein Überleben in der Corona-Krise
„mehr Qualität,
weniger Quantität!“
Wer nix wird, wird Wirt, heißt
es abfällig im Volksmund. Das
„Bonmot“ kann bei Ihnen nicht
stimmen. Jedes Ihrer fünf Lokale
in Bamberg wurde zur führenden
Gastronomie in dem jeweiligen
Bereich. Verraten Sie uns doch
bitte das Geheimnis Ihres Erfolges.
Ralf Schmidtlein: Ein großes Geheimnis
gibt es da nicht. Wir haben
das Rad nicht neu erfunden. Wir
haben es jeweils nur zuerst nach
Bamberg gebracht. Alle Lokale, die
wir haben, die gab es schon in ähnlicher
Form in anderen Städten.
Hätten Sie je erwartet, dass
ein Virus-Winzling solche wirtschaftlichen
Folgen haben kann?
Nie im Leben. Selbst eine Woche
vor dem Lockdown hätten wir uns
nie vorstellen können, dass alles
dichtgemacht wird. Es hat sich
zwar mit Italien angekündigt, dass
da was Größeres im Anmarsch ist.
Doch letztlich hat uns das Virus
mit seinen Folgen dann doch völlig
kalt erwischt.
Was war Ihre erste Reaktion,
als Sie hörten, dass Kneipen,
Gasthäuser und Clubs geschlossen
werden - die Welt geht unter
oder wir schaffen das?
Beides. Natürlich denkst du, wenn
du von heute auf morgen auf
Ware von über 30 000 Euro sitzen
bleibst, die Welt geht unter. Auch
dadurch, dass man sie zur Tafel
fährt oder ans Personal verteilt,
wird die Situation ja nicht besser.
Du merkst, hoppla, jetzt wird
Ralf Schmidtlein im Bolero
Foto: FN
Ihre fünf Lokale sind in Bamberg so bekannt wie die sieben Hügel und die Brauereien der
Domstadt. Wer abseits der traditionellen Gastronomie nach kulinarischen Alternativen
sucht, wer Urlaubsfeeling am Speisetisch erleben will, der kommt schon seit Jahren und
Jahrzehnten nicht an Lokalitäten wie Bolero, Salino, Brasserie, Little Italy oder Rodez 7
vorbei. Rund 300 Mitarbeiter arbeiten für die Restaurantgruppe von Thomas Gebert und
Ralf Schmidtlein. Die FN ließ sich von „Schmitti“ reinen Wein und auch den einen oder
anderen Wermutstropfen zur gastronomischen Coronalage einschenken.
es sehr ernst, da kommt etwas
auf dich zu, was du dir in deinen
schlimmsten Albträumen nie vorstellen
würdest. Auf der anderen
Seite haben wir unser Personal immer
ermutigt, dass es weitergehen
wird. Keine Macht der Welt wird
auf Dauer alle Kneipen, Gasthäuser
und Bistros dichtmachen können.
Das gilt ja auch für Geschäfte
und Einkaufshäuser. Ich habe nie
ernsthaft daran gezweifelt, dass
wir es schaffen werden.
Der Corona-Lockdown legte
ja die ganze Gastronomie im
Frühjahr komplett lahm. Inwieweit
haben sich Ihre Lokale inzwischen
wieder davon erholt?
Dadurch, dass wir in unseren Lokalen
Außen- und Freiflächen
haben, waren wir nach den Lockerungen
in der glücklichen Lage,
unsere Gäste wieder bedienen
und die Auflagen, so gut es eben
geht, erfüllen zu können. Natürlich
haben wir Tische weggelassen,
haben für Abstand gesorgt und
großen Wert auf die Umsetzung
der Hygienemaßnahmen gelegt.
Doch die Freiflächen haben uns
über den Sommer gerettet. Was
im Winter passiert, das wissen wir
noch nicht. Da sind wir noch etwas
zurückhaltend. Aber ich weiß auch,
dass es Gastro-Kollegen gibt, die
es viel härter getroffen hat. Viele
von ihnen haben keine Freifläche.
Die müssen ums nackte Überleben
kämpfen. Die verloren gegangenen
Umsätze während des
zweimonatigen Lockdowns holt
keiner zurück. Der entstandene
Verlust durch die zeitweise Komplettschließung
in der Gastronomie
ist endgültig.
Kann ein Unternehmer in
der Gastronomie nur überleben,
wenn er Rücklagen gebildet hat?
Rücklagen sind nicht nur für jeden
Gastronomen, sondern für jeden
Selbstständigen notwendig. Das ist
auch allen bewusst. Es ist immer
gut, etwas in der Rückhand zu haben,
um wirtschaftlich schwierige
Situationen zu überstehen. Aber
auf ein solches Ereignis wie diese
weltweite Covid-19-Pandemie
kann man sich nicht vorbereiten.
Ich bin daher froh, dass es
das Kurzarbeitergeld und andere
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