22.12.2012 Aufrufe

Krakau –– Warschau nach Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV ...

Krakau –– Warschau nach Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV ...

Krakau –– Warschau nach Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

frisch, rosig, jung sie aussah, wie unbeschwert,<br />

wie glücklich!<br />

Jetzt würden wir gleich zusammen<br />

sein. Ich zitterte. Durfte ich sie umarmen?<br />

Da wich sie leise und leicht, als<br />

wollte sie jede Berührung vermeiden.<br />

Die Grenze zwischen uns gestattet<br />

kein Übertreten, begriff ich sofort. Ich<br />

nahm alle Kräfte zusammen.<br />

Mit unsagbar liebevollem Blick – diesen<br />

Ausdruck werde ich wohl nie vergessen<br />

– nickte sie mir lächelnd zu,<br />

als wollte sie mir Recht geben, mich<br />

belohnen, mich trösten – und ging<br />

dann weiter, ohne zu verweilen. Ich<br />

war ratlos, hilflos. Vorbei! Und nichts<br />

gesagt, nicht einmal meine Hand berührt!<br />

Wie angewurzelt stand ich da<br />

und schaute ihr <strong>nach</strong>. Sie sah sich<br />

noch einmal um, nickte wieder freundlich,<br />

ermutigend voll Güte – dann war<br />

der Traum vorbei!<br />

Erschöpft überließ ich mich meinem<br />

Glücksgefühl. Ich muss ihn festhalten,<br />

diesen seltsamen Traum, festhalten,<br />

dachte ich. Doch es war ja kein<br />

Traum, alles war erlebt! Sie war gekommen,<br />

wie sie es mir einst versprochen<br />

hatte. Als die Zeit erfüllt war.<br />

Hätte sie mir behutsamer, rücksichtsvoller<br />

begegnen können als in ihrer<br />

vertrauten Gestalt auf dem Weg zur<br />

Kirche? „Kind, ich werde euch doch<br />

nicht erschrecken!“<br />

Ich erzählte meinem Vater, meinen<br />

Geschwistern von diesem Traum. Sie<br />

zeigten sich angetan, ergriffen. Und<br />

doch legte sich ein Hauch des Zweifels<br />

über mein kostbares Medaillon:<br />

Hatte sich im Unterbewusstsein ein<br />

Traumgebilde aus Erinnerung, Heimweh<br />

und Liebe zusammengefügt?<br />

War es mir erlaubt, dieses Geschenk<br />

als Erfüllung ihres Versprechens aus<br />

früher Kinderzeit zu werten?<br />

Dann kam mein 52. Geburtstag; an<br />

ihm schloss sich dieses für mich so<br />

wichtige Gedächtnisjahr. In froher<br />

Stimmung deckte ich den Kaffeetisch<br />

mit selbstgebackenen, duftenden Kuchensorten,<br />

um dann meinen Mann<br />

zu rufen. Wider meine Gewohnheit,<br />

schon morgens Musik zu hören, zog<br />

es mich heute zum Radio hin. Würde<br />

es wohl eine schöne Melodie zur Feier<br />

des Tages bringen? Und schon hörte<br />

ich die anmutigen Klänge meines<br />

liebsten Straußschen Walzers, den<br />

Mutter so oft gespielt und zu dem wir<br />

so beschwingt getanzt hatten.<br />

Ich fuhr zusammen, wie von einem<br />

elektrischen Schlag getroffen. Weder<br />

vorher noch auch <strong>nach</strong>her habe ich<br />

diesen Walzer im Radio oder sonst<br />

wo gehört, ich kannte ihn nur von ihr.<br />

Mir traten Tränen in die Augen; sofort<br />

wusste ich felsenfest, dass es wieder<br />

Mutter war, die in ihrer Liebe zu mir<br />

kam, die sich auf diese Weise eingefunden<br />

hatte, um mich in ihre Arme zu<br />

schließen.<br />

„Was ist denn los?“, fragte mein Mann<br />

erschreckt, als er mich weinen sah.<br />

Ich fand keine andere Antwort, was<br />

kümmerte mich, wie er darüber denken<br />

würde: „Muttchen ist eben bei mir<br />

gewesen und hat mich mit ihrem<br />

schönen Walzer erfreut!“ Auch für ihn<br />

war es ein seltsames Erlebnis.<br />

Für mich aber war es der beste Beweis,<br />

dass ich meinen Traum richtig<br />

aufgefasst hatte. Ich wusste nun, wozu<br />

Liebe noch über das Grab hinaus<br />

fähig ist; für mich gab es keinen Zweifel<br />

mehr.<br />

Dankbar legte ich dieses neue Geschenk<br />

zu dem ersten in mein goldenes<br />

Medaillon: Zum Traum die Melodie!<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!