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Der ausgesperrte Tod und das eingesperrte Leben

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Eine Antwort darauf gibt der existenzialistische Philosoph Karl Jaspers, der feststellt:

„Der Tod wird verschleiert, man will ihn vergessen. Oder umgekehrt: man denkt ständig an

den Tod, das Leben versäumend – von beiden Unwahrhaftigkeiten befreit die Haltung: Was

ich tue und erfahre steht unter dem Maßstab: hält es stand vor dem Tode?“ (vgl. PÖHLMANN,

1985, S. 120).

Während sich Philosophie, Theologie und Medizin schon immer mit der Todesthematik befaßten,

folgten verstärkt seit den 70er Jahren auch Psychologie und Pädagogik. Gemeinsamer

Ausgangspunkt aller Disziplinen ist die Erkenntnis der Notwendigkeit, die Todesthematik-

man spricht auch von Thanatologie- zum Forschungsgegenstand zu machen. Ziel dieser Forschung

ist es, mehr Humanität nicht nur in das Sterben, sondern vor allem in das Leben der

Menschen zu bringen. (vgl. BROMMER, 1989, S. 37).

Zusammenfassend kommen die oben genannten zu folgender Schlußfolgerung: Auch wenn

sich die Lebensspanne der meisten Menschen (der nördlichen Erdhälfte) verlängert, ändert

dies nichts an ihrer Endlichkeit, da diese zur Seinsstruktur gehört. Daher würde im Fall ihrer

Nicht-Integrierung eine Selbstentfremdung des Menschen stattfinden, welche die weitere

Selbstwerdung erheblich behindern würde. (vgl. BROMMER, 1989, S. 43f).

Somit sind sich also viele kluge Leute einig, daß es wichtig ist, sich mit dem Tode zu befassen,

wie steht es diesbezüglich um den Sterblichen von heute und hier?

3. Die Sterblichen von heute

„Der Tod ist groß; wir sind die Seinen, lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen,

beginnt er zu weinen, mitten unter uns.“ Rainer Maria Rilke

Der Mönch und Autor des „Tibetischen Buchs vom Leben und vom Sterben“ Sogyal Rinpoche,

war nach seinen ersten Besuchen im Westen schockiert davon, wie grundlegend sich die

hier vorherrschende Einstellung zum Tod von den Vorstellungen, mit denen er aufgewachsen

war, unterschied.: “Trotz allen technologischen Errungenschaften besitzt die moderne westliche

Zivilisation kein wirkliches Verständnis vom Tod, von den Vorgängen beim Sterben. Ich

begriff, daß die Menschen heutzutage lernen, den Tod zu verdrängen, und daher im Sterben

nichts als Vernichtung und Verlust sehen. Daraus folgt, daß die meisten Menschen den Tod

entweder leugnen oder in Angst vor ihm leben.

Bloß über den Tod sprechen wird schon als morbid angesehen. Andere sehen dem Tod mit

einer trivialisierenden Zuversicht entgegen. Sie denken aus irgendwelchen unbekannten

Gründen werde schon alles gut gehen, und man müsse sich keinerlei Sorgen machen. Das ist

eine nette Theorie- bis man dann stirbt“. (RINPOCHE, 1993, S. 22).

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