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edition der gemeinderat - DIE BESTEN 2020

Sonderheft: Produkte und Dienstleistungen für Kommunen 2020

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<strong>DIE</strong> <strong>BESTEN</strong><br />

BESCHAFFUNG<br />

<strong>DIE</strong> <strong>BESTEN</strong><br />

IMPULSE FÜR INNOVATION<br />

Die öffentliche Beschaffung befindet sich im Wandel: Ein Einkauf, bei dem die<br />

Beachtung <strong>der</strong> formalen Kriterien im Vor<strong>der</strong>grund steht, genügt heute nicht<br />

mehr. Künftig wird sich <strong>der</strong> Blick auf neue Produkte und Projekte richten<br />

müssen. Nur so kann die öffentliche Hand effizienter sein und Märkte beeinflussen.<br />

Zum Beispiel zugunsten nachhaltigen Wirtschaftens.<br />

Königlicher Hoflieferant, mit diesem<br />

Titel durften sich in <strong>der</strong> deutschen<br />

Monarchie ausgewählte Handwerker<br />

und Betriebsinhaber schmücken. Die „Königsnähe“<br />

brachte Vorteile für die Betriebe:<br />

Der Titel vermittelte den Kunden<br />

die Botschaft, dass es sich hier um Unternehmen<br />

mit bestem Leumund handelte,<br />

<strong>der</strong>en Waren und Leistungen höchsten<br />

Ansprüchen genügten. Das zog bürgerliche<br />

wie adelige Käufer beson<strong>der</strong>s an.<br />

Die Zeiten, als die Versorgung des<br />

Staates mit Waren und Leistungen ein Privileg<br />

war, das man sich erdienen o<strong>der</strong> verdienen<br />

konnte, und in <strong>der</strong> Geschäftsmöglichkeiten<br />

mit <strong>der</strong> Obrigkeit von <strong>der</strong>en<br />

Wohlwollen abhing, endeten vor rund 100<br />

Jahren. Im Zuge <strong>der</strong> Ablösung <strong>der</strong> Monarchie<br />

durch die Demokratie übernahm das<br />

Volk durch seine gewählten Vertreter die<br />

Kontrolle über den Staatshaushalt und es<br />

galt ein neuer Grundsatz, <strong>der</strong> Schluss<br />

machte mit privilegierten Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen:<br />

Der<br />

Staat sollte mit dem Geld <strong>der</strong> Bürger sparsam<br />

und wirtschaftlich umgehen. Fortan<br />

ging es um Wettbewerb auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong><br />

Anbieter.<br />

DAS VERGABERECHT WILL DISTANZ<br />

„Hoflieferantenbeziehungen“ will das<br />

heutige Vergaberecht ausdrücklich ausschließen,<br />

es wird bewusst eine Distanz<br />

zwischen öffentlichem Auftraggeber und<br />

dem privatwirtschaftlichen Auftragnehmer<br />

geschaffen. Alles an<strong>der</strong>e, so die Überzeugung,<br />

würde Vetternwirtschaft und<br />

Korruption Tür und Tor öffnen.<br />

Eine solche gewollte Distanz setzt voraus,<br />

dass Auftragnehmer klar vorgegebene<br />

Gewerke von Produkten und Dienstleistungen<br />

liefern, die einen definierten<br />

Nutzen stiften, indem sie klar definierte<br />

Ziele erfüllen. Für die Beschaffung standardisierter<br />

Produkte – Bleistifte,<br />

LED-Leuchtmittel, Klassenzimmerbestuhlung<br />

– mag das zutreffen. Schwieriger,<br />

wenn nicht gar unmöglich ist dies allerdings<br />

bei komplexen Gütern, beispielsweise<br />

<strong>der</strong> IT-Infrastruktur im Rathaus,<br />

kommunalen Kliniken o<strong>der</strong> dem öffentlichen<br />

Nahverkehrssystem. Hier können in<br />

vielen Fällen we<strong>der</strong> das Produkt noch <strong>der</strong><br />

Nutzen beziehungsweise das durch die<br />

Beschaffung angestrebte Ziel bereits am<br />

Anfang des jeweiligen Ausschreibungsprojekts<br />

klar und abschließend definiert<br />

werden.<br />

Das gilt umso mehr, als gerade hochwertige<br />

Anlageninvestitionen häufig im<br />

Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften<br />

mit langen vertraglichen Laufzeiten<br />

realisiert und betrieben werden. Niemand<br />

wird sicher voraussagen können,<br />

wie sich die Nutzungsansprüche an das<br />

jeweilige Gut im Laufe <strong>der</strong> nächsten 10, 20<br />

o<strong>der</strong> gar 30 Jahre verän<strong>der</strong>n.<br />

Wird die öffentliche Beschaffung nach<br />

bisherigem Muster den Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

wie sie sich heute <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />

stellen, noch gerecht? Genügt es, das Einkaufen<br />

und Ausschreiben Juristen und<br />

Verwaltungsbeamten zu überlassen, für<br />

die im Vor<strong>der</strong>grund die Frage steht: „Wie<br />

schreibe ich richtig aus?“ – und erst an<br />

zweiter Stelle die Zieldefinition, also, was<br />

es mit <strong>der</strong> jeweiligen Beschaffung zu erreichen<br />

gilt? Es darf nicht vergessen werden,<br />

dass die öffentliche Beschaffung dem<br />

Haushaltsrecht entspringt, nicht <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre.<br />

Im privatwirtschaftlichen Sektor trägt<br />

Einkauf, soweit er als strategische Beschaffung<br />

verstanden und angewendet<br />

wird, zum Unternehmenserfolg<br />

bei. Dies<br />

nicht nur im Hinblick<br />

auf Einsparungen bei den<br />

Ausgaben für Rohwaren o<strong>der</strong><br />

Zulieferteile, son<strong>der</strong>n auch bezüglich<br />

<strong>der</strong> Produktqualität. Zudem<br />

geht es um Innovation durch<br />

die Vernetzung in „intelligenten“<br />

Lieferketten. Lediglich „einzukaufen“<br />

und dabei nur den billigsten<br />

Preis erzielen zu wollen,<br />

führt im Gegenteil auf Dauer zum<br />

Qualitätsverlust.<br />

„NACH VORN“ DENKEN<br />

Die klassische Aufgabenstellung<br />

<strong>der</strong> behördlichen Vergabestellen<br />

heute genügt dem nicht: Soll die<br />

Verwaltung innovativ und strategisch<br />

„nach vorne“ denken und<br />

managen, muss die öffentliche Beschaffung<br />

als ein effektiver Hebel<br />

gesehen werden. Der aber sei viel<br />

zu lange unberührt geblieben, sagt<br />

<strong>der</strong> Betriebswirtschaftler Dr.<br />

Michael Eßig, Professor an <strong>der</strong> Bundeswehruniversität<br />

München und<br />

Experte für Beschaffung und Supply<br />

Management.<br />

Ein wesentlicher Handlungsspielraum<br />

und damit Einsparpotenziale<br />

für den Beschaffer liegen in den<br />

vor- und nachgelagerten Prozessschritten.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Bedarfsfeststellung<br />

werden die wesentlichen<br />

Kostenbestandteile bestimmt, an dieser<br />

Stelle können auch Innovationen<br />

Foto: Ra2 Studio/Adobe Stock<br />

Ganz oben: Innovation ist<br />

maßgebend für den Erfolg<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft, aber auch<br />

für die Leistungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung.<br />

Strategische Beschaffung<br />

hilft hier, Bestleistungen<br />

zu erbringen.<br />

wirksam werden. Beschaffung<br />

könnte hier <strong>der</strong> Impulsgeber<br />

sein, wenn sie statt einer<br />

klassischen Vergabe Lieferanten-Know-how<br />

mithilfe<br />

des wettbewerblichen Dialogs<br />

o<strong>der</strong> in Public Private<br />

Partnerships nutzt. Im üblichen<br />

Vergabeverfahren, bei<br />

dem <strong>der</strong> Beschaffer nach Verfahrensstart<br />

nicht mit den<br />

Bietern in Kontakt treten<br />

darf, wird <strong>der</strong> hierzu notwendige<br />

Austausch zwischen<br />

Auftraggeber und<br />

Auftragnehmer unterbunden.<br />

Für Dr. Elisabeth Fröhlich, Professorin<br />

an <strong>der</strong> Cologne Business School für den<br />

Bereich Strategisches Beschaffungsmanagement,<br />

ist aber gerade <strong>der</strong> Lieferant<br />

<strong>der</strong> Schlüsselfaktor, um Innovationen in<br />

Organisationen zu tragen. Fröhlich plädiert<br />

dafür, die Qualifizierung von Lieferanten<br />

schon in <strong>der</strong> Lieferantenvorauswahl<br />

stattfinden zu lassen und einen kontinuierlichen<br />

Austausch zwischen Lieferant<br />

und Beschaffer zu för<strong>der</strong>n.<br />

Wie in Unternehmen des privatgewerblichen<br />

Sektors wird es für die öffentliche<br />

Beschaffung <strong>der</strong> Zukunft ebenfalls<br />

darauf ankommen, durch die sogenannte<br />

Lieferantenentwicklung die Qualität <strong>der</strong><br />

Leistung und sonstige Leistungsmerkmale<br />

im laufenden Vertragsverhältnis zu verbessern.<br />

Dem Auftraggeber gibt dieses<br />

Instrument die Möglichkeit, genauer über<br />

seinen Bedarf zu reflektieren und ihn gegebenenfalls<br />

anzupassen.<br />

Der sich dadurch zwangsläufig ergebende<br />

engere Kontakt zwischen den Mitarbeitern<br />

des öffentlichen Auftraggebers<br />

und dem Lieferanten ist nicht ohne Risiken.<br />

Er könne leicht ein schlechtes Licht<br />

auf alle Beteiligten werfen und den Verdacht<br />

von Vetternwirtschaft, Korruption<br />

o<strong>der</strong> zumindest leichtgläubiger Abhängigkeit<br />

vom Lieferanten begründen, sagt<br />

Prof. Dr. Matthias Einmahl von <strong>der</strong> Fachhochschule<br />

für öffentliche Verwaltung<br />

Nordrhein-Westfalen in Köln und Lehrbeauftragter<br />

im Masterstudiengang New Public<br />

Management <strong>der</strong> Fachhochschule<br />

Dortmund für das Modul öffentliche Beschaffung/Vergaberecht.<br />

Einmahl plädiert dafür, <strong>der</strong> Gefahr<br />

durch konsequente Transparenz zu begegnen,<br />

indem etwa die beabsichtigte Lieferantenentwicklung<br />

in den Vergabeunterlagen<br />

angekündigt wird, die Kommunikation<br />

zwischen Auftraggeber und Lieferant<br />

nach klar definierten Regeln erfolgt und<br />

auch <strong>der</strong> gesamte Entwicklungsprozess<br />

genau dokumentiert wird.<br />

INSTRUMENT DER INNOVATIONSFÖRDERUNG<br />

Nicht min<strong>der</strong> wichtig ist, das vergaberechtliche<br />

Gebot <strong>der</strong> Produktneutralität zu<br />

beachten. Dieses wäre dann gefährdet,<br />

wenn <strong>der</strong> Auftraggeber sich in seiner Bedarfsfindung<br />

zu einseitig an dem ausrichtet,<br />

was er über die Vertragslaufzeit gemeinsam<br />

mit dem Lieferanten entwickelt.<br />

Dadurch würde er sich möglicherweise<br />

den Zugang zu alternativen, besseren<br />

Marktlösungen verschließen.<br />

Beschaffung als Instrument <strong>der</strong> Innovationsför<strong>der</strong>ung<br />

– zugunsten sowohl <strong>der</strong><br />

Wirtschaft als auch des Staates – zu nutzen,<br />

ist auch das Ziel des Vergabeverfahrens<br />

<strong>der</strong> „Innovationspartnerschaft“. Dieses<br />

will seit 2016 <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen öffentlichen Auftraggebern und<br />

Lieferanten mit dem Ziel <strong>der</strong> Entwicklung<br />

und dem anschließenden Kauf bisher<br />

nicht am Markt vorhandener, innovativer<br />

Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen<br />

die Türen öffnen. In Deutschland allerdings<br />

wird es bisher kaum genutzt. Das<br />

liegt zum einen an seiner Komplexität,<br />

zum an<strong>der</strong>en auch daran, dass Beschaffer<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Hand sich vielfach noch<br />

schwertun, den Einkauf „strategisch“<br />

zu sehen. Wolfram Markus<br />

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