ST:A:R_20
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Printmedium Wien – Berlin<br />
<strong>ST</strong>/ /A/ /R<br />
Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund<br />
Nr. <strong>20</strong>/ Winter <strong>20</strong>09<br />
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. <strong>20</strong>/09<br />
KUN<strong>ST</strong><br />
PETER KOGLER IM MUMOK<br />
ISABELLE GRAEFF – BERLIN<br />
<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK LINZ<br />
WARAN<br />
ARCHITEKTUR<br />
HANS HOLLEIN<br />
HEIDULF GERNGROSS<br />
KURT CABALLERO<br />
PREISE DER <strong>ST</strong>ADT WIEN <strong>20</strong>08<br />
FÜR KULTUR UND WISSENSCHAFT<br />
LITERATUR<br />
GER<strong>ST</strong>L, JELINEK,<br />
MAYRÖCKER, JAREMENKO-TOL<strong>ST</strong>OJ<br />
MANFRED <strong>ST</strong>ANGL – GANZHEITLICHE Ä<strong>ST</strong>HETISCHE PRINZIPIEN<br />
ALEXANDER SCHIESSLING ÜBER DEN DICHTER THOMAS FRECHBERGER<br />
AUTO-<strong>ST</strong>/A/R<br />
DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />
<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK DER KULTURHAUPT<strong>ST</strong>ADT LINZ <strong>20</strong>09<br />
JETZT NEU MIT MARCUS HINTERTHÜR!<br />
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
PETER KOGLER<br />
3,– Euro<br />
<br />
Biennale di Venezia, Projekt MUDAM, Luxembourgh Pavillon, Internetprojekt, <strong>20</strong>01 Foto: Manfred Grübl
2 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch I - MUMOK Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />
EDITORIAL :<br />
Heidulf Gerngross<br />
PARTYBILD MIT <strong>ST</strong>ARARCHITEKT PAUL MESSNER -<br />
VILLACHER BIER, THOMAS KIANGBUFFET UND AN DIE 1000 MENSCHEN I
Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch I - MUMOK<br />
<strong>ST</strong>/A/R 3<br />
m Museumsquartier - Wien<br />
Foto: MUMOK/Rastl
Städteplanung / Architektur / Religion Buch I - MUMOK <strong>ST</strong>/A/R 5<br />
MUMOK <strong>20</strong>08<br />
Foto: MUMOK/Rastl
6 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch I - MUMOK Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />
Text über den Einfluss der Koglermalerei auf die<br />
Architektur und auf mich<br />
Peter Kogler: von Heidulf Gerngross<br />
Für mich ist er ein Animator des<br />
Räumlichen. Er erzauberte vor Jahren<br />
eine Ausstellung in der Sezession. Mit<br />
einigen Papiertapeten verwandelte er die<br />
Olbrichthallen in ein Raumeldorado.<br />
Raum Pur – Ökonomie perfekt.<br />
Wir hatten dann auch eine Zusammenarbeit<br />
als er einen Entwurf für eine Eishokeyhalle<br />
in Magnitogrorsk für den damaligen<br />
russischen Eishokeymeister zum grössten<br />
Freilandbild Russlands machte<br />
(ca. <strong>20</strong>0 x 1<strong>20</strong> meter) mit Archiquantenbahnen,<br />
die dem Gebäude eine zusätzliche<br />
Dynamik verpasst haben –<br />
ohne konstruktive Strapazen.<br />
Zu einem meiner Geburtstage schenkte er<br />
mir für meinen ungehemmten Gebrauch<br />
einen „Kogler-2er“. Ich wählte die Farbe und<br />
machte daraus einen Grundriss für einen<br />
Supermarkt. Es ist für die österreichische<br />
Kulturgeschichte schon gut das es den<br />
Peter Kogler gibt.<br />
Das zeigt auch seine Ausstellung im<br />
MUMOK.<br />
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch IX - Kärnten<br />
<strong>ST</strong>/A/R<br />
EISHALLE<br />
MAGNITOGORSK<br />
Ein Projekt von Werkstatt Wien.<br />
Architektur: Markus Spiegelfeld, Heidulf Gerngross,<br />
Janosch Papp.<br />
Visualisierung: Werner Skvara.<br />
Konzeptionelle Archiquant-Außenhaut: Peter Kogler.<br />
Eishockey-Mehrzweckhalle für 10.000 Personen<br />
mit Entertainmenteingangshalle, Spiel, Restaurant,<br />
Bar, Shops und der größten Malerei Russlands,<br />
ca. <strong>20</strong>0x1<strong>20</strong> meter
Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch I - MUMOK<br />
<strong>ST</strong>/A/R 7<br />
Grundriss für einen Supermarkt<br />
Von Heidulf Gerngross um <strong>20</strong>02.
Inserat 5 Jahre Star 18.12.<strong>20</strong>08 23:49 Uhr Seite 1<br />
5 JAHRE<br />
<strong>ST</strong>/A/R<br />
PRINTMEDIUM WIEN<br />
gebunden<br />
in Leder– oder Leinencover<br />
Limited Edition<br />
Auflage 50 Stück in 2 Bänden<br />
Gold Prägung<br />
Herausgegeben von Galerie Konzett<br />
KONZETT<br />
Galerie Konzett | Spiegelgasse 21 | A-1010 Wien<br />
Anfragen unter: gallery@artkonzett.com
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch II - Leopold <strong>ST</strong>/A/R 9<br />
MuseumsQuartier Wien<br />
www.leopoldmuseum.org<br />
AUS<strong>ST</strong>ELLUNGEN <strong>20</strong>09<br />
ERN<strong>ST</strong> BARLACH<br />
KÄTHE KOLLWITZ<br />
13.02. – 25.05.<strong>20</strong>09<br />
WIEN 1900<br />
Sammlung Leopold<br />
Die weltgrößte<br />
EGON SCHIELE<br />
Sammlung<br />
ROBERT HAMMER<strong>ST</strong>IEL<br />
WINTERREISE<br />
Zeichnungen und Druckgrafiken<br />
06.02. – 27.04.<strong>20</strong>09<br />
JOSEF MARIA AUCHENTALLER<br />
Jugendstil pur!<br />
11.06. – 21.09.<strong>20</strong>09<br />
EDVARD MUNCH<br />
und das UNHEIMLICHE in der Kunst<br />
16.10.<strong>20</strong>09 – 18.01.<strong>20</strong>10
10 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch II - Leopold Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Manifest der Astralarchitektur – der Architektur des neuen Raums<br />
von Alexander Sobolev<br />
Sämtliche Übergangsperioden, die die jeweils letzte<br />
Etappe der Ansammlung bestimmter grundlegender<br />
Erfahrungen bilden, sind Versuche, unwillentlich<br />
erworbene Gewohnheiten abzuwerfen, die traditionelle<br />
Ordnung zu verändern oder gänzlich aufzugeben. Ein<br />
Kennzeichen der Veränderung ist auch der Übergang<br />
von der Quantität zur Qualität. Der moderne Mensch ist<br />
immer öfter ohne direkten Kontakt zum Erdboden. Im<br />
Raum wird er von Flugzeugen, Autos, Segelbooten, Luftkissen,<br />
Fahrrädern, Rollschuhen getragen, von Trampolins<br />
in die Höhe katapultiert. Mit Hilfe der Geschwindigkeit<br />
ist es ihm gelungen, selbst die Zeit zu verdichten.<br />
Bis zum ersten Raumfl ug des Menschen wuchsen die<br />
Architektur und ihre räumlichen Objekte aus der Erde<br />
und waren ein Teil von ihr. Am Höhepunkt der Renaissance<br />
der überholten Architektur wurde der Maulwurf<br />
zum Architekten gekürt. Heutzutage kann man von der<br />
Überwindung der Erdanziehung mittels des Ingenieursgedanken<br />
und der architektonischen Fantasie sprechen.<br />
Gestaltung: Anatoli Bourikine<br />
Kennzeichen der Astralarchitektur:<br />
01. Das Bestreben, die Stadtfl ächen nicht zu vergrößern sondern bestehende, “verlorene” und leer<br />
stehende Räume zu nutzen, d.h. die Städte wachsen in die Höhe.<br />
02. Die Grundfl äche und Fläche freitragender Gebäudestützen ist kleiner als die der oberen Querschnitte.<br />
03. Der visuelle Schwerpunkt von Gebäuden liegt bedeutend über dem Straßenniveau.<br />
04. Die Berührungsfl äche durchsichtiger Gebäudewände mit umgebender Luft und Wasser beträgt<br />
mehr als 50 %.<br />
05. Das Raumvolumen von Terrassen, Balkonen und Atrien ist größer als das Gesamtinnenraumvolumen<br />
von Gebäuden.<br />
06. Die Fläche von Konsolen und Terrassen auf einer Hochhausfassade ist größer als die Fläche ihrer<br />
vertikalen Projektion.<br />
07. Licht, Schatten und Farben kommt die Rolle von Baumaterialien zu. Dafür werden Spiegel, Glas<br />
mit unterschiedlicher Durchlässigkeit und buntes Glas von großer Fläche und komplizierten Formen<br />
verwendet. Die Schattenseiten von Gebäuden werden mit natürlichem Licht gefüllt.<br />
08. Bauwerke entstehen auf natürliche Weise über und in historischen Stadtteilen und in natürlicher<br />
Landschaft. Das Problem leer stehender Verkehrskreuzungsfl ächen wird gelöst.<br />
09. Weitreichende Verwendung wechselnder Wohnmodule.<br />
10. Multifunktionalität aufgrund der Integration funktioneller öffentlicher Plätze in Strukturelementen<br />
von Bauten.<br />
11. Modellierung natürlicher Formen der Biosphäre, von Meeresklima, Hochgebirgsregionen, Eukalyptus-<br />
und Nadelwäldern in Innenräumen.
Es klopft erneut an der Tür.<br />
Herein!<br />
Die Tür öffnet sich, ein österreichisches Mädchen mit einem Eimer in der Hand tritt<br />
schüchtern ins Zimmer.<br />
Mädchen: (auf Deutsch) Grüß Gott! Ich bin die Tochter des Hausherrn, Herrn Semmelweis.<br />
Ich heiße Magdalena Semmelweis!<br />
Gradusow: (verständnislos) Was? (schüttelt den Kopf) Ich habe nichts verstanden! Wer bist du?<br />
Mädchen: (tippt sich mit dem Finger auf die Brust, erneut auf Deutsch) Ich bin Magdalena!<br />
(deutet auf die Tür) Ich bin die Tochter des Wirtes!<br />
Gradusow: Ahh! (lächelt breit, tritt an Magdalena und tippt ihr mit dem Finger auf die Brust)<br />
Jetzt habe ich verstanden! Magdalena?<br />
Mädchen: (nickt und tippt sich wieder auf die Brust) Magdalena!<br />
Gradusow: (lächelt) Magdalena! (tippt ihr auf die Brust)<br />
Mädchen: (macht zwei leichte Knickse) Magdalena! Magdalena!<br />
Gradusow: (streckt die Brust hervor) Andrej! (schlägt sich mit der Faust auf die Brust) Ich heiße<br />
Andrej!<br />
Mädchen: (klopft Gradusow mit der Faust auf die Brust) Andrej!<br />
Gradusow: (berührt erfreut ihre Brust mit dem Finger) Magdalena!<br />
Das Mädchen dreht sich zur Seite. Zeigt auf den Eimer.<br />
Mädchen: (deutsch) Ich räume Ihr Zimmer auf. (macht Gesten des Aufwischens) Zwei Mal die<br />
Woche. Gut?<br />
Gradusow: (wiederholt auf Deutsch) Gut! Gut!<br />
Mädchen: Haben Sie irgendein Tuch, mit dem ich den Boden aufwischen kann? Ein altes<br />
Hemd vielleicht? (zeigt mit entsprechenden Gesten, was sie braucht)<br />
Gradusow: Ah, ich verstehe, ich verstehe, gleich werden wir etwas finden! (blickt sich um,<br />
beginnt dann seine Hose aufzuknöpfen)<br />
Mädchen: (weicht erschrocken einen Schritt in Richtung Tür zurück) Nein, nein, Sie haben<br />
mich nicht verstanden! Ich bin gekommen, um den Boden zu wischen! Ich brauche nur<br />
irgendeinen Fetzen! (gestikuliert)<br />
Gradusow: So nehmen Sie doch die Hose, es ist eine alte, ich habe eine andere. Da, nehmen<br />
Sie! (zieht die Hose aus und steht in langen Unterhosen da) Nimm schon!<br />
Das Mädchen streckt argwöhnisch die Hand aus und nimmt Gradusows Hose. Schürzt den<br />
Rocksaum auf, versenkt die Hose im Eimer, holt sie heraus, windet sie aus. Mit hochrotem<br />
Kopf beginnt sie den Fußboden zu schrubben. Gradusow verfolgt unverwandten Blickes<br />
jede ihrer Bewegungen.<br />
Mädchen: Bitte, sehen Sie mich nicht so an! Sie verwirren mich.<br />
Gradusow: (zu sich gewandt) Was für eine Schönheit! Und versteht kein Wort Russisch.<br />
Ein idealer Gesprächspartner für einen Menschen wie mich! Magdalena, ein interessanter<br />
Name! Und jung ist sie, 19 oder <strong>20</strong> …<br />
Pause.<br />
Das Mädchen schrubbt den Boden, nähert sich rücklings Gradusow.<br />
Ach, wie schade, dass es uns kategorisch verboten ist, eine geschlechtliche Beziehung mit<br />
der lokalen Bevölkerung einzugehen! Aber warum nicht? Es erfährt doch keiner! Es gibt<br />
keine Zeugen! Ich sperre die Tür ab und es hat sich! Ein Mal nur! Ein einziges Mal in<br />
diesem langen Krieg! Auf den Sieg! Auch wenn ich dafür erschossen werde …<br />
Pater Bonifaz: Was gibt es Neues bei Ihnen, Herr Major?<br />
Gradusow: Es gibt Neuigkeiten (kickt den Ball)…<br />
Pater Bonifaz: Hat man Ihnen genehmigt, eine Mannschaft aufzustellen?<br />
Gradusow: Vielmehr noch!<br />
Pater Bonifaz: Was kann es mehr geben?<br />
Gradusow: Der Kommandant der 2. Ukrainischen Front, Marschall Rodion Jakowlewitsch<br />
Malinowski höchstpersönlich interessiert sich für das Projekt! Er äußerte den Wunsch, dem<br />
Match beizuwohnen!<br />
Pater Bonifaz: Meinen Glückwunsch, Herr Major!<br />
Gradusow: Das ist noch nicht alles!<br />
Pater Bonifaz: Nein?<br />
Gradusow: Ja! (versetzt dem Ball einen Trittl)<br />
-9-<br />
-8-<br />
Schleicht auf Zehenspitzen zur Tür und verriegelt sie leise. Atmet tief ein, zieht die<br />
Unterhose aus. Das Mädchen schrubbt den Fußboden, ohne sich umzudrehen. Gradusow<br />
tritt von hinten an sie heran und legt seine Arme um ihre Taille. Sie hält inne.<br />
Gradusow: Magdalena!<br />
Mädchen: Andrej!<br />
Gradusow: Magdalena!<br />
Mädchen: Andrej!<br />
Gradusow: Magdalena!<br />
Mädchen: Andrej!<br />
Sie vereinigen sich, bewegen sich im Rhythmus des Bodenaufwaschens auf dem<br />
Zimmerboden. Schließlich gibt Gradusow einen gedehnten Schrei von sich und hält inne.<br />
Einige Augenblicke verharren beide still. Dann dreht sich Magdalena zur Seite, reibt sich<br />
verwirrt die Stirn, überlegt schamhaft, wo sie sich verstecken kann. Sie erblickt den Eimer,<br />
stülpt ihn über den Kopf und eilt, einige Male gegen die Wand stoßend, aus Gradusows<br />
Zimmer.<br />
Gradusow: Komm wieder! (Pause) Morgen! Das halbe Zimmer ist ja noch dreckig! Bleib!<br />
Wo willst du hin?!<br />
Vor der Tür reißt das Mädchen den Eimer vom Kopf, der laut scheppernd zu Boden fällt,<br />
und läuft davon. Gradusow stürzt hinterdrein, schafft es jedoch nicht sie einzuholen. Er hebt<br />
den über die Bühne rollenden Eimer auf und trägt ihn ins Zimmer.<br />
3. AKT<br />
1. BILD<br />
Das klösterliche Stadion mit Blick auf die Rückseite des Klosters. Ein Fußballtor. Pater<br />
Bonifaz wärmt sich mit dem Ball spielend auf. Er trägt eine Mönchskutte. Das Klopfen<br />
eines Mopedmotors ist zu hören. Major Gradusow fährt auf die Bühne, am Tor vorbei. Pater<br />
Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt, der Ball trifft Gradusow. Gradusow stützt mit dem<br />
Moped, erhebt sich, klopft sich ab.<br />
Gradusow: Das war ein Schlag! Sie hätten mich beinahe umgebracht!<br />
Pater Bonifaz: Entschuldigen Sie, das wollte ich nicht! Ich habe Sie nicht kommen sehen…<br />
Gradusow: Zum Teufel noch mal! Dafür stelle ich Sie ins Tor und bombardiere Sie mit dem<br />
Ball!<br />
Pater Bonifaz: Ich habe nichts dagegen…<br />
Gradusow: Her mit dem Ball!<br />
Pater Bonifaz gibt Gradusow den Ball und stellt sich ins Tor. Gradusow schießt einmal,<br />
schießt ein weiteres Mal. Und dann noch einmal. Pater Bonifaz wehrt alle Bälle ab.<br />
-16-<br />
Das Moped verschwindet von der Bühne. Das Motorengeräusch verstummt. Gradusow sinkt<br />
auf die Knie. Bedeckt sein Gesicht mit den Händen. Weint. Reißt sich die Schulterstücke<br />
von der Uniform. Wirft sie in hilfloser Wut in Richtung der abfahrenden Magdalena. Schlägt<br />
mit der Stirn gegen die Erde, krümmt sich zusammen und wälzt sich auf den Rücken.<br />
Ein Schellack mit dem russischen Kriegslied „Tag des Sieges“ erklingt auf einem<br />
Grammophon. Der Vorhang fällt. Auf der Vorbühne Magdalena auf dem Weg nach Wien.<br />
Ende<br />
Das Licht erlischt. Auf den geschlossenen Vorhang wird wie beim Film ein Nachspanntext<br />
projiziert: Regisseur, Bühnenbildner, Dramaturg, Schauspieler etc. Danach der Kommentar:<br />
Das Stück basiert auf historischen Fakten, die Namen der Personen wurden nicht verändert:<br />
Magdalena Semmelweis konnte nach der Abtreibung keine Kinder mehr bekommen.<br />
Magdalenas Brüder Siegfried und Manfred kehrten aus der sowjetischen Gefangenschaft nicht<br />
wieder.<br />
Die Soldaten der Besatzungsmächte verließen 1956 Österreich.<br />
Pater Bonifaz ertrank 1949 bei einem Badeunfall in der Donau..<br />
Major a.D. Andrej Gradusow lebt 93-jährig in Novosibirsk.<br />
Wladimir Jaremenko-Tolstoj lebt und arbeitet in Wien.<br />
Im 1994 erlassenen Bundesgesetz Lex Leopold wurde die Finanzierung des Erwerbs der „Sammlung<br />
Leopold“ durch die Republik Österreich und die Österreichische Nationalbank beschlossen. Das<br />
gleichnamige Museum öffnete im Jahre <strong>20</strong>01 seine Tore in Wien. In der Stiftung Leopold ist<br />
Leopold museologischer Direktor auf Lebenszeit.<br />
LEX LEOPOLD<br />
(gekürzte Version) - Wladimir Jaremenko-Tolstoj –<br />
Deutsch von Valie Göschl<br />
Ein Fußballdrama aus dem Jahr 1945. Ein Fußballteam der Roten Armee<br />
spielt im Stift Melk gegen Mönche. Die drei sowjetischen Marschalls -<br />
Malinowski, Rokossowski und Wassiljewski sind anwesend..<br />
Personen:<br />
Andrej Gradusow – Major der Roten Armee<br />
Magdalena Semmelweis – österreichische Bauerntochter<br />
Pater Bonifaz – Benediktinermönch<br />
Sowjetische Besatzungssoldaten, darunter die drei sowjetischen Marschalls - Malinowski,<br />
Rokossowski und Wassiljewski<br />
-1-<br />
WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU
Stapelt die gezogenen Briefe auf einen Stoß. Nimmt Zeichenbrett und Griffel zur Hand.<br />
Nun die Liste:<br />
Semjonow, Timofeew, Jegorow, Petrow, Sorokin, Korowin, Toporow, Kurizyn, Tjulkin,<br />
Ustjugow, Schuljak, Lewin, Feldman, Kormilzew, Stodolski, Bajkeew, Sabatjugin, Gadasik,<br />
Beberaschwili, Simogljadow, Sawin, Osipow, Injuschin, Rubzow …<br />
So! Morgen sind alle verhaftet …<br />
Von diesem Moment an sind sie alle Verräter …<br />
Volksfeinde …<br />
2. BILD<br />
Gradusow erhebt sich vom Tisch. Ordnet die Uniform. Tritt vor den Spiegel, rupft sich ein<br />
Haar aus der Nase. Niest.<br />
Gradusow: Was für eine enorme Hitze! Vierzig Grad! Nein, wahrscheinlich sind es nur<br />
dreißig… Egal, es ist unerträglich heiß! Ich brauche eine Abkühlung, ich fahre an die Donau<br />
baden, ein wenig schwimmen.<br />
Zieht sein Moped aus der Wand, startet und fährt weg. Die Bühne dreht sich.<br />
Donauufer. Froschgequake. Gradusow stellt den Motor ab, zieht sich aus und begibt sich ins<br />
Wasser. Schwimmt.<br />
Gradusow: Huch, was ist das? Wer …?<br />
Pater Bonifaz erhebt sich aus dem Wasser, er ist ebenfalls nackt.<br />
Pater Bonifaz: Haben Sie keine Angst, ich bin es, Pater Bonifaz! Ich tauche hier.<br />
Gradusow: Pater Bonifaz? Haben Sie mich erschreckt!<br />
Pater Bonifaz: Entschuldigen Sie, ich bin zufällig hier.<br />
Der nackte Pater Bonifaz erhebt sich aus dem Wasser und schüttelt Gradusow die Hand.<br />
-11-<br />
Gradusow: Tauchen Sie öfters hier?<br />
Pater Bonifaz: Fast täglich.<br />
Gradusow: Es ist schön hier …<br />
Pater Bonifaz: Haben Sie sich bereits eingewöhnt?<br />
Gradusow: Ja, alles bestens. Ich wohne bei einem Bauern und habe ein großes, helles<br />
Zimmer. Ich bin zufrieden. Die besten Voraussetzungen für eine fruchtbare Arbeit.<br />
Pater Bonifaz: Was, haben Sie so viel zu arbeiten?<br />
Gradusow: An Arbeit mangelt es uns nie!<br />
Pater Bonifaz: Aber der Krieg ist doch zu Ende! Gegen wen kämpfen Sie noch?<br />
Gradusow: Wie, gegen wen? Gegen den ideologischen Feind.<br />
Pater Bonifaz: Aha …<br />
Gradusow: Hören Sie, bei einem Spaziergang um das Kloster stieß ich auf einen großen<br />
Sportplatz mit einem Fußballfeld. Er gehört wahrscheinlich zum Kloster. Spielen Sie<br />
Fußball? Spielen Mönche Fußball?<br />
Pater Bonifaz: Ja, wir haben in der Tat eine Fußballmannschaft. Ich bin der Trainer. Ich<br />
selbst spiele nicht mehr, ich stehe im Tor. Im März haben wir sogar gegen die Mannschaft<br />
des 4. Bataillons der „Totenkopf-Panzerdivision aus Amstetten gewonnen.<br />
Gradusow: Früher habe ich auch Fußball gespielt. Im Krieg hatte ich keine Möglichkeit<br />
dazu.<br />
Pater Bonifaz: Der Krieg ist zu Ende! Zeit Fußball zu spielen!<br />
Gradusow: Ja. Fußball …!<br />
Pater Bonifaz: Wir haben zurzeit niemanden gegen den wir antreten können! Die<br />
-6-<br />
Und die Mädchen wollen es auch! Ihre Männer sind im Krieg gefallen oder wurden als<br />
Kriegsgefangene nach Sibirien verschleppt. Von dort kehrt kaum einer zurück, und sollte es<br />
doch einmal einer schaffen, ist ungewiss wann. Es kommen nur Vereinzelte, gebrochen und<br />
gebeugt, wieder.<br />
Wenn die Nazi-Befehlshaber, die all diese Verbrechen in Auftrag gegeben haben, durch den<br />
internationalen Gerichtshof in Nürnberg verurteilt sind, werden Millionen von Soldaten<br />
und Offizieren, die gezwungen waren, diese Befehle auszuführen, ohne Gericht und ohne<br />
Verfahren zur Zwangsarbeit nach Russland verfrachtet, um unsere vom Krieg zerstörte<br />
sozialistische Wirtschaft wiederaufzubauen. Und wir, die Sieger, dürfen nicht einmal ihre<br />
Frauen heiraten!<br />
Hitler züchtete sich die Herrennation, Stalin die der Sklaven. In der deutschen Armee war<br />
die Anrede „Herr“ üblich, bei uns „Genosse“! Das russische Wort für Genosse „Towarisch“<br />
hat eine zweifelhafte Etymologie, es wurde erstmals zu Zeiten Iwan des Schrecklichen<br />
im Umgang unter Banditen, die Kaufleute mit den Worten „towar ischi – such die Ware“<br />
ausraubten, schriftlich festgehalten …<br />
Magdalena erhebt sich vom Bett und kleidet sich an.<br />
Magdalena: (deutsch) Andrej, es wird schon hell, ich muss gehen! (deutet zum Fenster)<br />
Gradusow: Warte! Es ist noch völlig dunkel! Und die Nacht ist warm! Gehen wir baden?<br />
Fahren wir mit dem Motorrad an die Donau! Ich kenne einen schönen Ort! Lass uns<br />
schwimmen gehen! (macht Schwimmgesten) Dawaj, kommst du?<br />
Magdalena: (russisch) Dawaj!<br />
Gradusow: Ja, du verstehst alles, was ich dir sage! Und kennst sogar zwei Worte auf<br />
Russisch: „da“ und „dawaj“! Sehr gut!<br />
Magdalena: Da, da …<br />
Gradusow zieht sich an und startet das Moped, schaltet den Scheinwerfer ein. Steigt auf das<br />
Moped. Magdalena löscht die Tischlampe, setzt sich auf den Rücksitz, schlingt die Arme um<br />
seine Hüften.<br />
Gradusow: Halte dich gut fest! Ich gebe Vollgas! Wie schon Gogol sagte: „Ach, welch Russe<br />
liebt es nicht, mit ungaublicher Geschwindigkeit dahinzujagen!“<br />
Magdalena: Dawaj, dawaj!<br />
Der Scheinwerfer zerschneidet die Dunkelheit, das Moped dreht einige Kreise und Achter.<br />
Es hält. Erste Morgendämmerung. Am Horizont ist die aufgehende Sonne zu sehen.<br />
Gradusow und Magdalena entkleiden sich und steigen in die Donau. Lachen und Plätschern<br />
des Wassers.<br />
Zur selben Zeit pirscht sich die dunkle Silhouette eines Mannes an das Moped heran,<br />
sammelt die Kleidungsstücke der Badenden auf und läuft davon. Eine Minute später steigen<br />
Gradusow und Magdalena aus dem Wasser. Gradusow blickt sich um.<br />
Gradusow: Zum Teufel!<br />
Magdalena: (deutsch) Mein Gott!<br />
Gradusow: Unser Gewand ist weg! (spuckt aus) Wer ist da? Was soll der Scherz? (sieht sich<br />
um) Geben Sie das Gewand zurück! Her mit den Kleidern! Haben Sie gehört? Geben Sie<br />
sofort unsere Sachen her!<br />
Keine Antwort.<br />
Magdalena: (bedeckt das Gesicht mit den Händen) Mein Gott!<br />
Gradusow: Verdammte Scheiße! (stürzt zum Moped) Schnell, solange es noch nicht ganz<br />
hell ist! Fahren wir! So wie wir sind, nackt! Schnell! Dawaj! Dawaj!<br />
Sie fahren. Helles Tageslicht.<br />
Pater Bonifaz: (wehrt den Ball geschickt ab) Sagen Sie schon, ich sterbe vor Neugierde!<br />
Gradusow: Marschall Malinowski hat Marschall Rokossowski, den Kommandanten der 1.<br />
Weißrussischen Front zum Match eingeladen!<br />
Pater Bonifaz: Oho, sieh einer an!<br />
Gradusow: Und das ist immer noch nicht alles!<br />
Pater Bonifaz: Das kann nicht sein.<br />
Gradusow: Doch, ist es!<br />
Pater Bonifaz: Nun!<br />
Gradusow: (schießt den Ball in Richtung Pater Bonifaz) Marschall Rokossowski Hat Marschall<br />
Wasiljewski, den Kommandanten der 2. Weißrussischen Front eingeladen!<br />
Pater Bonifaz: (verfehlt den Ball, der hinter die Kulissen landet) Was Sie nicht sagen!<br />
Gradusow: Ja! Das wird ein Spiel!<br />
Pater Bonifaz: Drei Marschalls auf einen Schlag! AhA!<br />
Gradusow: (biegt einen Finger nach dem anderen zurück, zählt auf) Malinowski, Rokossowski<br />
und Wasiljewski!!<br />
Pater Bonifaz: Malinowski, Rokossowski und Wasiljewski!<br />
Gradusow: (ballt die Hand zur Faust) Hurra!<br />
Pater Bonifaz: (klopft Gradusow auf den Rücken) Hurra!<br />
Gradusow vollführt einen spontanen Freudentanz, springt, läuft, einen imaginären Ball mit<br />
Füßen und Kopf in Richtung Tor schlagend. Pater Bonifaz sieht ihm lachend zu.<br />
Gradusow: (hält inne) Wer zuletzt lacht, lacht am besten!<br />
Pater Bonifaz: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!<br />
Gradusow: Ich fahre und stelle die Mannschaft zusammen!<br />
Pater Bonifaz: Gute Fahrt!<br />
Gradusow springt auf das Moped, dreht einige Kreise und Achterschleifen auf der Bühne<br />
und fährt mit einem lauten „Hurra“ ab.<br />
2. BILD<br />
Völlige Finsternis. Knarren eines Bettes. Stöhnen. Gedämpfte Schreie.<br />
- Magdalena!<br />
- Andrej!<br />
- Magdalena!<br />
- Andrej!<br />
- Magdalena!<br />
- Andrej!<br />
Ein Streichholz flammt auf, die Tischlampe wird angezündet. Gradusows Zimmer. Die<br />
Einrichtung ist unverändert, nur drei Portraits hängen jetzt über dem Bett: Marschall<br />
Malinowski, Marschall Rokossowski und Marschall Wasiljewski. Im Bett liegen Gradusow<br />
und Magdalena.<br />
Schon wieder Post? Die wurde heute doch schon einmal gebracht! Oder irre ich mich?<br />
-7-<br />
Gradusow: Wie schön! Niemals zuvor in meinem Leben war ich so glücklich! Ich liebe dich,<br />
Magdalena!<br />
Magdalena: (deutsch) Ich liebe dich, Andrej!<br />
Gradusow: Magdalena! Magda und Lena! Zwei in einem! Zwei Namen in einem, die<br />
deutsche Magda und die russische Lena. Darf ich dich Lena nennen?<br />
Magdalena: (nickt, auf Russisch) Da, da, Lena…<br />
Gradusow: Lena! Lena… (küsst sie auf die Stirn)<br />
Magdalena: Andrej…<br />
Gradusow: Warum kann ich dich nicht heiraten? Wieso ist es uns verboten, Kontakt mit<br />
österreichischen Mädchen zu haben? Nichts dürfen wir. Dabei ist der Wunsch so stark!<br />
-10-<br />
Wehrmachtstruppen haben sich zerschlagen, die einen sind umgekommen, die anderen in<br />
Gefangenschaft geraten. Es wäre übrigens nicht uninteressant gegen die Russen zu spielen!<br />
Gradusow: (nachdenklich) Ich könnte wahrscheinlich eine Mannschaft aufstellen.<br />
Pater Bonifaz: Versuchen Sie es!<br />
Gradusow: Ich kann Ihnen nichts versprechen, ich muss erst mit meinen Vorgesetzten<br />
reden.<br />
Pater Bonifaz: Nun denn, reden Sie mit Ihnen! Sobald Sie etwas wissen, kommen Sie ins<br />
Kloster und fragen Sie nach Pater Bonifaz, man wird Sie zu mir führen. Sie können auf<br />
unserem Platz trainieren, der Fußballplatz ist hervorragend.<br />
Gradusow: Das wäre großartig!<br />
Pater Bonifaz: Wie immer, es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, ich würde mich<br />
freuen, Sie wieder zu sehen. Ich werde nun wieder in die Kühle der Donau eintauchen.<br />
Pater Bonifaz schüttelt Gradusow die Hand und begibt sich in die Gewässer der Donau.<br />
Gradusow kleidet sich an, steigt auf das Moped und fährt ab.<br />
3. BILD<br />
Das Zimmer von Gradusow. Es wird bereits dunkel. Auf dem Tisch steht eine Lampe.<br />
Gradusow geht nervös im Zimmer auf und ab. Greift sich mit den Händen an den Kopf.<br />
Gradusow: Herrgott, warum muss ich das tun? Die Verurteilung tausender unschuldiger<br />
Menschen unterschreiben, heldenhafte sowjetische Offiziere in den Tod schicken, die ihr<br />
Leben im Namen des Sieges eines Diktators über den anderen riskiert haben?<br />
Ich will nicht, ich will nicht mehr, ich will es nicht!!! Wenn ich es allerdings nicht tue,<br />
werde ich selbst Repressionen ausgesetzt. Ich tue das nur um meine eigene Haut zu retten!<br />
Tue ich es nicht, macht es ein anderer! „Niemand ist unersetzbar!“, wer kennt ihn nicht,<br />
Stalins Ausspruch, den er gegenüber seiner Frau Nadjeschda Krupskaja äußerte, als sie<br />
versuchte ihn zu kritisieren. „Wir erklären eine andere Frau zur Witwe des Führers.“ Und<br />
die Krupskaja sagte kein Wort mehr. Und trotzdem hat er sie dann vergiftet. Wie den Maxim<br />
Gorkij. Und viele andere. Auch Lenin soll er auf dem Gewissen haben …<br />
Was, wenn Hitler gewonnen hätte? Die Amerikaner warteten bis zum Schluss, bevor sie die<br />
zweite Front eröffneten, weil sie Angst hatten in den Konflikt der zwei Ungeheuer involviert<br />
zu werden. Sie warteten ab. Hätte sich Hitler als Sieger abgezeichnet, hätten sie ihn<br />
unterstützt und wären auf jegliche Verhandlungen und Abkommen mit ihm eingegangen.<br />
Sie verstanden, dass es Hitler nicht um Sibirien ging, dass er nicht weiter als bis zum<br />
Ural vorstoßen würde, zumindest stand es nicht auf seinem Plan, die Territorien östlich<br />
des Uralgebirges und des Kaukasus zu erobern. Ihn interessierte nur das Öl und Erz, und<br />
keineswegs die grenzenlose unwegsame Taiga. Der Plan der Amerikaner war es, Stalin in<br />
den Rücken zu fallen, indem sie den Fernen Osten und die Halbinsel Kamtschatka, die<br />
Weiten Südsibiriens bis zum Baikalsee einnahmen und Mittelasien Japan in Pacht abgeben<br />
würden. Nur zu gerne hätten Sie die UdSSR mit Hitler geteilt, so wie seinerzeit Polen<br />
zwischen Hitler und Stalin aufgeteilt worden war.<br />
Jetzt teilen sich Stalin und die Amerikaner Europa. Mir kommt das Kotzen angesichts<br />
dieser ganzen Politik. Da ist es wohl besser, mit den Mönchen Fußball zu spielen. Ich muss<br />
den Vorschlag Oberst Rogatkin unterbreiten und eine Mannschaft aufstellen. Marschall<br />
Malinowski würde sich in einem Match sicher auch nicht schlecht machen. Wenn er Spaß<br />
an dem Spiel findet, könnte er mich zum Mannschaftskapitän der 2. Ukrainischen Front<br />
ernennen, und wir würden die Mannschaft der 3. Ukrainischen Front, die es zwar noch<br />
nicht gibt, die sich aber sicher finden wird, zum Kampfe herausfordern. Dann wäre ich von<br />
meinen leidigen Pflichten als Feldzensor befreit!<br />
Keine schlechte Idee! Traumhaft!<br />
Es klopft an der Tür. Gradusow schreckt auf. Gereiztheit spiegelt sich in seinem Gesicht.<br />
ER<strong>ST</strong>ER AKT<br />
1. BILD<br />
Drehbühne mit zerstörten Gebäuden, gebrochenen Bäumen und Wrackteilen eines<br />
abgestürzten Flugzeugs. Unter den Klängen des russischen Kriegsliedes „Tag des Sieges“<br />
beginnt sich die Bühne zunächst langsam, dann immer schneller zu drehen. Hinter den<br />
Kulissen ist ein Motorengeräusch zu vernehmen. Der Major der sowjetischen Roten Armee<br />
Andrej Gradusow erscheint auf einem alten Moped. Er fährt auf die Drehbühne und beginnt<br />
dort Kreise und Achterschleifen zu ziehen.<br />
Ruf: Halt! Oder ich schieße!<br />
Eine sowjetische Militärpatrouille bestehend aus einem Offizier und zwei Soldaten stürzt<br />
auf die Bühne. Gradusow bleibt stehen.<br />
Offizier: Ihren Ausweis!<br />
Gradusow zieht seine Dokumente aus der Tasche und reicht sie dem Offizier.<br />
Offizier: (liest) So, so. Major des NKWD - Volkskommissariat für innere Angelegenheiten<br />
Gradusow Andrej Stepanowitsch. Das sind Sie? (blickt Gradusow eindringlich an) Wohin des<br />
Wegs?<br />
Gradusow: Nach Melk!<br />
Offizier: Haben Sie eine Weisung?<br />
Gradusow: Hier, bitte. (kramt ein weiteres Papier aus der Tasche)<br />
Offizier: (liest) Befehl der 4. Armee, 2. Ukrainische Front. Hiermit berufe ich Major<br />
Andrej Stepanowitsch Gradusow zum Leiter der Feldzensur der 326. Sondereinheit<br />
der Zentralgruppe der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Melk. Unterzeichnet:<br />
Kommandant der 2. Ukrainischen Front, Marschall R.J. Malinowski, Zweifacher Held der<br />
Sowjetunion. (Der Offizier hebt seine Hand zum Gruß an den Helm und händigt dem Major die<br />
Papiere aus) Gute Reise, Genosse Major!<br />
Gradusow grüßt auf gleiche Weise zurück und steigt auf das Moped.<br />
Offizier: Genosse Major, erlauben Sie mir eine Frage, nur aus Neugierde: Woher haben Sie<br />
das Motorrad? Eine Kriegsbeute? Ist es ein deutsches?<br />
Gradusow: (stolz) Ein italienisches! Ich habe es in der Garage des Sohnes vom<br />
Burgtheaterdirektor in Wien gefunden. Es gab ein zweites Motorrad dort, noch steiler als das<br />
hier, doch Oberst Rogatkin kam mir zuvor. Leider!<br />
Offizier: Genosse Major! Wollen Sie nicht tauschen? Ich gebe Ihnen zehn Paar Schweizer<br />
Uhren dafür, wollen Sie? … Oder zwölf?<br />
Gradusow: Nein, ich tausche nicht!<br />
Offizier: Dann verkaufen Sie es mir!<br />
Gradusow: (startet das Moped) Ich gebe das Motorrad nicht her, um kein Geld in der Welt!<br />
Zieht einige Kreise und Achterschleifen auf der Bühne und verschwindet hinter den<br />
Kulissen. Ein dicker österreichischer Bauer in kurzen Lederhosen und mit einem Tirolerhut<br />
auf dem Kopf tritt auf die Bühne.<br />
Offizier: Halt! Oder ich schieße!<br />
Der Bauer bleibt erschrocken stehen.<br />
Offizier: Die Uhr! Dawaj, her mit der Uhr!<br />
Gradusow: (völlig erschöpft) Lena! Ich liebe dich! Lena-a-a!<br />
-15-<br />
Der Bauer versteht nicht, was der Offizier von ihm will. Der Offizier erklärt gestikulierend,<br />
-2-<br />
WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />
Magdalena: Wem nützen die in Moskau gedruckten Schilling? Die sind wertlos, dafür<br />
kannst du doch nichts zu kaufen! Leopold nimmt nur amerikanische Dollar oder englische<br />
Pfund!<br />
Gradusow: Dollar? Pfund? Ich habe weder Pfund noch Dollar. Aber ich kann die Uhr<br />
verkaufen! (zeigt seine Uhr) Eine erbeutete deutsche Uhr. Ich habe sie einem gefallenen<br />
Offizier in Polen abgenommen.<br />
Magdalena: Die Uhr verkaufen? Das reicht ja nicht einmal für den Zug nach Wien!<br />
Gradusow: Was sollen wir denn tun? Was?<br />
Magdalena: Wir können uns umbringen, wie Hitler und Eva Braun …<br />
Gradusow: Nein! Du musst leben! Du musst nach Wien fahren, die Abtreibung hinter dich<br />
bringen und ein neues Leben beginnen. Mich wird man garantiert bestrafen und nach<br />
Sibirien ins Lager schicken. Man wird mir nie verzeihen, dass ich das Match gegen die<br />
Mönche verloren habe …<br />
Magdalena: Sibirien…<br />
Gradusow: Ja, nach Sibirien, ins Lager … Vielleicht treffe ich dort deine Brüder. Deine<br />
Brüder, hörst du? Wie heißen sie? Deine Brüder von der WaffenSS …<br />
Magdalena: (russisch) Da, da … (deutsch) Sie heißen Siegfried und Manfred.<br />
Gradusow: Gut, ich versuche es nicht zu vergessen. Siegfried und Manfred …<br />
Pause.<br />
Magdalena: Doktor Leopold nimmt keine Abtreibungen ohne Geld vor! Weißt du, wie lange<br />
die Warteschlange ist? Die Freundinnen von Amerikanern, Franzosen und Engländern,<br />
Soldaten der Besatzungsmächte. Er macht nur dreißig Abtreibungen am Tag … (zeichnet die<br />
Zahl mit dem Finger auf den Tisch) 30 Abtreibungen pro Tag!<br />
Gradusow: (zuckt zusammen) 30 am Tag, das ist ja wie bei mir, meine Planvorgabe! Jeden<br />
Tag erstelle ich eine Liste mit dreißig Namen und unterschreibe faktisch ihr Todesurteil,<br />
den Abtransport nach Sibirien.<br />
Nur vernichte ich die unsrigen, er jedoch Fremde, Feinde. Doktor Leopold ist ein getarnter<br />
Partisan. Er tötet die Kinder der Okkupatoren, bevor sie geboren sind.<br />
Magdalena: Woher das Geld nehmen, wie soll ich nach Wien fahren??<br />
Gradusow: (tippt sich auf die Stirn) Mein Motorrad! Ich werde es nicht mehr brauchen! Du<br />
fährst mit meinem Motorrad nach Wien und verkaufst es dort! Dann hast du Geld. Es reicht<br />
für die Abtreibung und für ein neues Leben!<br />
Magdalena: Dein Motorrad … Ja, aber ich kann nicht Motorrad fahren! Ich habe keinen<br />
Führerschein …<br />
Gradusow: Das ist ganz leicht. Ich zeige es dir. Komm!<br />
Sie löschen die Lampe und verlassen das Zimmer. Die Sonne geht auf. Der Tag beginnt.<br />
Gradusow holt das Moped. Zeigt Magdalena wie man es startet und lenkt. Sie zieht einige<br />
Kreise und Achterschleifen. Hält.<br />
Gradusow: Siehst du, es ist ganz einfach!<br />
Magdalena: Ich muss fahren, bevor Vater munter wird!<br />
Gradusow: Lass dich umarmen, bevor du abfährst! Komm zu mir…<br />
Sie umarmen sich und versinken in einem langen Kuss.<br />
Magdalena: Andrej!<br />
Gradusow: Magdalena! Lena …<br />
Magdalena steigt auf das Moped, startet und fährt ab. Gradusow begreift, dass sie sich nie<br />
wieder sehen werden, stürzt ihr nach, rennt, strauchelt, fällt, steht wieder auf und rennt,<br />
rennt …<br />
Major Gradusow springt von der Seite auf die Bühne und schießt den Ball mit Schwung<br />
in Richtung Tor. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab. Enttäuschtes Raunen geht durch das<br />
Stadion.<br />
Major Gradusow stellt sich ins Tor. Pater Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt, der elegant<br />
im Tor landet. Enttäuschtes Raunen im Stadion.<br />
Wieder Pater Bonifaz im Tor. Gradusow am Ball. Pater Bonifaz fängt den Ball. Enttäuschtes<br />
Raunen geht durch das Stadion.<br />
Im Tor erneut Major Gradusow. Pater Bonifaz schießt den Ball und trifft ins Tor.<br />
Enttäuschtes Raunen im Stadion.<br />
Zum dritten Mal im Tor – Pater Bonifaz. Gradusow am Ball. Pater Bonifaz schlägt den Ball<br />
ab. Enttäuschung im Stadion.<br />
Major Gradusow steht im Tor. Pater Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt und schießt ein<br />
Tor. Enttäuschtes Raunen geht durch das Stadion.<br />
Wieder steht Pater Bonifaz im Tor. Gradusow kickt. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab.<br />
Enttäuschtes Gemurmel geht durch das Stadion.<br />
Noch einmal Major Gradusow im Tor. Pater Bonifaz kickt, der Ball landet im Tor.<br />
Enttäuschung im Stadion.<br />
Pater Bonifaz im Tor. Gradusow schießt. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab. Enttäuschtes<br />
Raunen im Stadion.<br />
Zum fünften Mal steht Major Gradosow im Tor. Pater Bonifaz nimmt Anlauf und schießt<br />
den Ball ins Tor. Anhaltendes Raunen der Enttäuschung, das in Gejohle übergeht.<br />
Schlusspfiff …<br />
Die Sonne geht unter, es wird dunkel.<br />
5. BILD<br />
Die Lampe auf Gradusows Tisch flammt auf. Im Zimmer befinden sich Gradusow und<br />
Magdalena. Gradusow steht am Tisch, Magdalena sitzt auf dem Bett.<br />
Mönch: Keine Angst, es wird Sie keiner belästigen, wenn Sie bei uns über Nacht bleiben.<br />
-3-<br />
Gradusow: Wir haben gegen die Mönche verloren, aufs Schändlichste verloren! An einem<br />
derartigen bedeutungsvollen Tag, vor Malinowski, Rokossowski und Wasiljewski, am Vortag<br />
ihrer Versetzung an die japanische Front. Der Krieg mit Japan geht weiter. Die quantunische<br />
Armee mischt China auf. Wir müssen dem Genossen Mao Tse-dung helfen!<br />
Puh, was rede ich! Ich spucke auf diesen Mao Tse-dung! Wir haben das Match gegen die<br />
Mönche verloren! Meine Mannschaft … die Mannschaft der ruhmreichen Roten Armee!<br />
Hast du gesehen wie mich Oberst Rogatkin, mein direkter Vorgesetzter, nach dem Match<br />
angesehen hat? Ein Blick, der mehr als tausend Worte sagt! Das ist das Ende! Morgen wird<br />
man mich verhaften! Vollkommen klar. Es gibt keinen Zweifel daran …<br />
Magdalena: (deutsch) Andrej, ich habe gute Nachrichten! Ich habe erfahren, dass es in Wien<br />
einen jungen Arzt gibt, Doktor Leopold, der Abtreibungen vornimmt. Aber er verlangt viel<br />
Geld, er braucht das Geld, er sammelt österreichische Kunst, die unter Hitler als entartete<br />
Kunst degradiert und verbrannt wurde und jetzt wieder in Mode kommt: Egon Schiele,<br />
Gustav Klimt, Oskar Kokoschka … Er hat eine ganze Sammlung! Eine riesige Kollektion! Er<br />
braucht Geld!<br />
Gradusow: Geld? Hier nimm! Das ist mein Offiziersgehalt. Österreichische Schilling.<br />
Fünftausend, mein Lohn für diesen Monat. Ich habe nichts davon ausgegeben.<br />
-14-<br />
WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />
deutet auf die Uhr. Der Bauer nimmt eilig die Uhr ab und reicht sie dem Offizier. Dieser<br />
betrachtet aufmerksam das Ziffernblatt.<br />
Offizier: Eine echte Schweizer! Wahnsinn, 17 Steine! Fast neu. (krempelt den linken<br />
Hemdärmel hoch, findet keinen freien Platz für eine weitere Uhr, krempelt den rechten Ärmel hoch,<br />
findet dort ebenfalls keine freie Stelle und versenkt die Uhr in der Tasche)<br />
Der Bauer beobachtet ihn, zitternd vor Angst.<br />
Offizier: (blickt auf) Was stehst du da, wie der Ochs vorm Scheunentor? Verpiss dich, du<br />
deutscher Wichser! (tritt dem Bauern mit dem Stiefel in den Arsch)<br />
Der Bauer nimmt Reißaus. Der Offizier holt ihn unter lautem Gejohle ein und versetzt ihm<br />
weitere Tritte in den dicken Hintern. Die Soldaten machen es ihm gleich. Sie verschwinden<br />
allesamt hinter den Kulissen. Hundegebell ist zu hören. Das Licht wird gedämmt und<br />
erlischt fast völlig.<br />
Andrej Gradusow kommt, mit eingeschaltetem Scheinwerfer, auf die Bühne gefahren und<br />
zieht einige Kreise und Achter.<br />
3. BILD<br />
Dunkelheit. Lautes Klopfen. Scharren einer Tür. Ein Riegel wird hörbar zurückgeschoben.<br />
Licht fällt durch die Türöffnung, in der die Silhouette eines Mönches erscheint. Andrej<br />
Gradusow tritt aus der Dunkelheit.<br />
Gradusow: Ich suche die Kommandantur!<br />
Mönch: (auf Russisch) Es gibt keine Kommandantur hier, die ist in das Schulgebäude<br />
übersiedelt.<br />
Gradusow: Sie sprechen russisch?<br />
Mönch: Ja, ich war zwei Jahre in russischer Gefangenschaft, in Irkutsk. Von 1916 bis 1918.<br />
Im Ersten Weltkrieg.<br />
Gradusow: Und wo befindet sich die Schule?<br />
Mönch: Unten in der Stadt. Ziemlich weit von hier. Ich fürchte, Sie werden sie in der<br />
Dunkelheit nicht finden, die Straßenbeleuchtung funktioniert nicht. Kommen Sie doch auf<br />
einen Tee herein, wollen Sie? Übernachten Sie bei uns im Kloster, morgen begleite ich Sie<br />
zur Kommandantur. Übrigens, ich bin Pater Bonifaz!<br />
Gradusow: Sehr erfreut! Major Andrej Gradusow.<br />
Mönch: Treten Sie ein, Herr Major! Was? Sie sind mit dem Motorrad gekommen?<br />
Gradusow: Ja, ich bin mit dem Motorrad da. Das Benzin ist ausgegangen und ich musste es<br />
den ganzen Berg hochschieben.<br />
Mönch: Nicht so schlimm, morgen gebe ich Ihnen Benzin.<br />
Gradusow: Was ist das für ein Kloster?<br />
Mönch: Wir sind Benediktiner! Ein religiöser Orden. Als ich aus der russischen<br />
Gefangenschaft zurückkehrte, beschloss ich ins Kloster zu gehen. Hier lebe ich nun schon<br />
seit 25 Jahren.<br />
Gradusow: Wie viele Mönche leben hier?<br />
Mönch: Bis zum Anschluss Österreichs an Deutschland waren es etwa zwanzig. Jetzt sind<br />
es fast <strong>20</strong>0. Viele sind in den letzten Jahren zu uns gestoßen, um dem Armeedienst zu<br />
entkommen. Aber nicht nur. Auch einige Homosexuelle, die von den Nazis verfolgt wurden,<br />
fanden bei uns Unterschlupf.<br />
Bei diesen Worten macht Gradusow erschrocken einen Schritt zur Seite und wirft Pater<br />
Bonifaz einen misstrauischen Blick zu.
Ruf: Halt, oder ich schieße!<br />
Gradusow: Die Patrouille! (reißt das Moped herum)<br />
Ruf: Halt, habe ich gesagt! Feuer!<br />
Gradusow: Halt dich fest!<br />
Einzelne Schüsse, dann eine Maschinengewehrsalve. Das Moped dreht einige<br />
Achterschleifen und fährt von der Bühne ab. Vogelgesang. Glockengeläute vom Kloster her.<br />
3. BILD<br />
Gradusow sitzt am Tisch und liest Briefe, von Zeit zu Zeit trägt er seufzend einen<br />
Familiennamen in eine Liste ein.<br />
Gradusow: Diese Unsehligen, ich kann ihnen nicht einmal irgendwie helfen! In<br />
Kriegszeiten musste man zumindest noch eine Anzahl von Jahren vergeben. Jetzt ist das<br />
nicht mehr nötig. Es war wie die Verteilung von Schulnoten, bloß nach einem anderen<br />
System. Zehn, fünfzehn, zwanzig, fünfundzwanzig. Manchmal konnte man fünf oder acht<br />
Jahre vergeben. Acht habe ich jenem Kapitän gegeben - das war noch im Februar - der es<br />
wagte, Stalin in einem langen ausschweifenden Brief an einen Freund offen zu kritisieren.<br />
Er war der einzige, der dies riskiert hatte. Seine Kritik veränderte meine Einstellung zur<br />
Macht grundlegend, zwang mich nachzudenken und die Ordnung der Dinge mit anderen<br />
Augen zu betrachten. Was beabsichtigte er, wozu schrieb er diese Zeilen? Er war wohl kaum<br />
so naiv zu glauben, die Briefe würden nicht zensuriert werden?!<br />
Vielleicht steckte eine spezielle Absicht dahinter? Versuchte er, dem Tod an der Front<br />
zu entrinnen, ins Lager zu entkommen, um zu überleben? Kann man in einem Lager<br />
überleben?<br />
Ich habe ihm acht Jahre gegeben, um ihm die Möglichkeit des Überlebens einzuräumen.<br />
Ihm fünf zu geben, habe ich nicht gewagt. Offensichtlich trieb ihn etwas dazu. Vielleicht<br />
war ihm eine höhere Mission aufgetragen: zu überleben um jeden Preis und den mächtigen<br />
Diktator zu besiegen. Klingt unwahrscheinlich. Wie kann ein einfacher Gefangener Stalin<br />
besiegen? Aber egal, ich habe ihm acht Jahre gegeben. Ich habe es riskiert.<br />
Ich kann mich an seinen Namen erinnern: Alexander Solschenizyn. Ein seltsamer Name.<br />
Er leitet sich von den Worten „losch-Lüge“, „lschiwij-falsch“, „soglawschij-verlogen“<br />
ab. Russische Nachnamen basieren nicht auf einem Zufall, sie drücken vielmehr einen<br />
vererbten Charakterzug aus. Wahrscheinlich pflegte ein Vorfahre von Solschenizyn die<br />
Wahrheit zu sagen, und die Wahrheit wird in Russland immer eine Lüge gestraft und die<br />
Lüge Wahrheit genannt. Die Zeitung nannte man auch „Prawda-Wahrheit“, um die Lüge<br />
zu kaschieren. Dieser Solschenizyn „belog“ selbst Stalin. In meiner Begründung schrieb<br />
ich: „Seinem Nachnamen nach zu urteilen ist Kapitän Solschenizyn ein erblich bedingter<br />
Lügner, weshalb seine Äußerungen nicht ernst zu nehmen sind. Doch Strafe muss sein!<br />
Acht Jahre“.<br />
Es klopft leise an der Tür. Gradusow hört es nicht, reißt den nächsten Brief auf. Die Tür<br />
öffnet sich einen Spalt breit und Magdalena schaut vorsichtig ins Zimmer. Gradusow liest<br />
weiter. Magdalena nähert sich ihm auf Zehensitzen, reißt ihm den Brief aus der Hand und<br />
versteckt sich hinter seinem Rücken. Gradusow springt auf.<br />
Gradusow: (erstaunt) Lena?!<br />
Magdalena blickt ihm lange, ohne ein Wort zu sagen, in die Augen.<br />
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht …<br />
…dreißig!<br />
-5-<br />
Gradusow: Ist etwas passiert? Was? Hat uns gestern früh jemand gesehen?<br />
Magdalena: Andrej… (reicht ihm den Brief zurück, senkt die Augen)<br />
Gradusow: (fasst sie an den Schultern) Nun sag schon!<br />
Magdalena: (deutsch) Andrej, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Ich bin schwanger.<br />
-12-<br />
In Lienz wurden 300.000 weißrussische Kosaken erschossen, die mit ihren ganzen<br />
Familien gemeinsam mit den deutschen Truppen vor der Roten Armee geflohen und von<br />
den Engländern den Russen übergeben worden waren. Sie wurden einfach auf der anderen<br />
Seite des Flusses erschossen. Die Truppen des NKWD …<br />
Furchtbar! Mir ist schrecklich zumute. Ich gehöre zu den Siegern, und doch habe ich Angst.<br />
Ich fürchte mich, denn in Wahrheit bin ich kein Sieger, denn im Kampf des Bösen gegen<br />
das Böse kann es nur Opfer geben …<br />
Ein Soldat mit einem Sack auf den Schultern nähert sich der Tür. Klopft.<br />
Soldat: Genosse Major, gestatten Sie, dass ich eintrete?<br />
Gradusow: Was wollen Sie?<br />
Soldat: Ich bringe die Post!<br />
Gradusow: Jetzt schon?<br />
Soldat: So ist es!<br />
Gradusow: Treten Sie ein!<br />
Der Soldat tritt in das Zimmer und entleert seinen Sack. Hunderte von dreieckigen<br />
Feldpostkuverts ergießen sich über den Tisch, fallen auf den Boden, da sie auf dem Tisch<br />
keinen Platz finden.<br />
Soldat: (faltet den leeren Sack zusammen) Sie erlauben, ich verlasse Sie?<br />
Gradusow: Gehen Sie!<br />
Der Soldat tritt ab.<br />
Gradusow: (versenkt die Hände in dem Berg von Umschlägen) Das sind die Briefe derer, die<br />
diesen Krieg gewonnen haben! Die Briefe der Sieger! Alle schreiben den Verwandten und<br />
Bekannten, dass sie bald nach Hause kommen werden, dass sie lebendig und gesund sind,<br />
sie schreiben über ihre Zukunftspläne! Aber braucht sie irgendjemand, die Sieger?<br />
Pause.<br />
Nein, niemand braucht sie! Unser sowjetischer Staat benötigt nur Sklaven und Mörder!<br />
Stalin kennt die beredten Lehrstunden der napoleonischen Kriege nur zu gut, als sich die<br />
russischen Offiziere, die als Sieger aus Europa heimkehrten, gegen die Selbstherrschaft im<br />
eigenen Land erhoben. Folglich muss auch jetzt ihre Heimkehr verhindert werden. Alles<br />
sehr einfach …<br />
Reißt die Umschläge auf. Liest die Briefe. Stapelt sie.<br />
“Meine liebste Mama ...“ „Sei gegrüßt, meine Mutter, in deinen alten Tagen …“ „Meine<br />
kleinen Schwestern Tanja und Sascha …“ „Werte Tante Sinaida …“ „Meine süßen Kinder …“<br />
„Mein weiser, geschätzter Opa …“ „Meinen Gruß übermittle ich Ihnen, verehrte Nachbarin<br />
Katjuscha …“ „Sehr geehrte Witwe meines gefallenen Kamerades …“<br />
Nichts Interessantes in diesen Briefen. Sie sind alle wie über einen Kamm geschoren.<br />
Wozu habe ich sie zu lesen? Unschuldig sind sie alle. Das ist offensichtlich! Und ich habe<br />
Schuldige unter ihnen zu finden. Ich habe die strenge Vorgabe von 30 Menschen pro<br />
Tag. In Form einer Namensliste. Ohne Kommentare und Details. Der Auftrag lautet, den<br />
Offiziersstab der Zentralgruppe der sowjetischen Besatzungsgruppen zu säubern und die<br />
einfachen Soldaten in Ruhe zu lassen.<br />
Vielleicht sollte ich das Los entscheiden lassen?<br />
Zieht blind Briefe heraus.<br />
Gradusow: Nun denn, der Krieg ist zu Ende! Deutschland hat bedingungslos kapituliert.<br />
Was bedeutet das, „bedingungslose Kapitulation“? Kolonnen Kriegsgefangener der<br />
Deutschen, die mir auf dem Weg nach Melk auf der Westautobahn entgegenkamen. Wohin<br />
sie wohl geführt wurden? Den Anblick werde ich nie vergessen, wie sie mir mit den<br />
Rufen „Nach Hause“ und „Hitler kaputt“ zuwinkten. Sie dachten, sie würden nach Hause<br />
entlassen! Diese einfachen Soldaten und Offiziere, die unfreiwillig in der Armee gelandet<br />
waren. Ob man sie tatsächlich laufen lässt? Ha! Von wegen!<br />
Und die „befreiten“ Gefangenen aus den Konzentrationslagern? Ha! Sie glaubten wirklich,<br />
wir würden sie befreien! Diese Naivlinge, sie dachten, sie hätten das Schrecklichste hinter<br />
sich! Jetzt beneiden sie diejenigen, die den Sieg nicht erlebt haben! Es gab den Befehl, alle<br />
sowjetischen Bürger, die sich in den Konzentrationslagern der Nazis befunden hatten, zu<br />
verhaften und auf die Halbinsel Kolyma zu verfrachten… Als sowjetische Bürger galten auch<br />
Letten, Litauer, Esten...<br />
-4-<br />
Gradusow: Ich kann also hier übernachten?<br />
Mönch: Wenn Sie wollen, kann ich Sie im Keller unterbringen, wo schon 1805 russische<br />
Soldaten untergebracht waren.<br />
Gradusow: In einer Pfarre nicht weit von Melk habe ich ein Grab russischer Soldaten aus<br />
Napoleons Zeiten gesehen, aber es war schon ziemlich dunkel und ich blieb nicht stehen.<br />
Mönch: Das waren Gefangene. Nach der Schlacht von Austerlitz eskortierten die Franzosen<br />
500 russische Soldaten. Sie machten im Kloster halt. Die Gefangenen wurden über Nacht<br />
im Keller eingeschlossen. Es war kalt. Um sich aufzuwärmen, entfachten die Russen ein<br />
Lagerfeuer aus Stroh. Am nächsten Morgen erwachten nur wenige von ihnen. Die meisten<br />
waren an den Kohlendioxidgasen erstickt. Die Mönche bestatteten sie. 50 Jahre danach<br />
errichtete die russische Regierung ein Denkmal für sie. Sie sind daran vorbeigekommen.<br />
Doch diese Geschichte findet keine Erwähnung darauf.<br />
Gradusow: Nein, im Keller übernachte ich nicht!<br />
Mönch: Es gibt noch das Zimmer, in dem Napoleon abstieg. Auf dem Boden ist noch der<br />
Brandfleck einer umgefallenen Kerze zu sehen, er wurde bis heute nicht aufgewaschen. Ich<br />
zeige es Ihnen. Doch schlafen können Sie dort nicht. Seit Napoleon hat niemand mehr darin<br />
übernachtet. Das Beste ist, ich führe Sie in den Stall! Dort gibt es genug Heu. Am Morgen<br />
kommen die Frauen, um die Kühe zu melken, und werden Sie aufwecken.<br />
Gradusow: Es gibt Frauen im Kloster?<br />
Mönch: Nein, es gibt nur externe Arbeiterinnen, die kommen und gehen. Denn die Mönche<br />
dürfen nicht arbeiten. Sie müssen beten und sich geistigen Aufgaben widmen.<br />
Gradusow: Ich bin unendlich müde!<br />
Mönch: Dann legen Sie sich hin!<br />
Kuhgebrüll ist im Hintergrund zu vernehmen. Pater Bonifaz bringt Heu. Gradusow wirft<br />
sich darauf und schläft ein.<br />
Mönch: Eine gute Nacht! (löscht das Licht)<br />
Die Träume des Majors Gradusow werden auf die Leinwände projiziert: ein Spaziergang<br />
durch das Kloster, das Napoleon’sche Zimmer, die Brandspuren der Kerze auf dem<br />
Fußboden, das Begräbnis der russischen Soldaten. Dann eine Frau, die die sich anschickt,<br />
die Kühe zu melken. Gradusow pirscht sich von hinten an sie heran und macht sich an<br />
ihrem Rock zu schaffen. Die Frau melkt weiter die große, fleckige Kuh, als hätte sie nichts<br />
bemerkt. Gradusow fummelt etwa 30 Sekunden an ihr herum und sinkt dann kraftlos<br />
zusammen. Kuhgebrüll.<br />
ZWEITER AKT<br />
1. BILD<br />
Ein einfach eingerichtetes Zimmer. Fenster. Tisch. Zwei Stühle. Ein mit einer grauen<br />
Soldatendecke bedecktes Metallbett. Einsam im Hintergrund steht eine Tür. Am Tisch sitzt<br />
Major Gradusow.<br />
-13-<br />
WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />
Verstehst du, ich bekomme ein Baby! (beschreibt in einer Geste einen großen Bauch)<br />
Gradusow: (versteht sofort, lässt sich schwer auf den Stuhl sinken) Du bist schwanger?<br />
Magdalena: Da, da, da… (bedeckt das Gesicht mit den Händen, weint)<br />
Gradusow: (wischt mit einer heftigen Bewegung die Briefe vom Tisch, schüttelt den Kopf) Scheiße!<br />
Verdammte Scheiße! Was sollen wir tun? (erhebt sich und geht schnellen Schrittes im Zimmer<br />
auf und ab) Das kann nicht sein! Das ist unmöglich! Was soll nun werden. Sie werden mich<br />
bestrafen. Versetzen werden sie mich. Einsperren. Ausweisen …<br />
Magdalena: (schluchzt laut, gibt unartikulierte Laute von sich) Ah, uh, ah …<br />
Gradusow: Du musst abtreiben lassen! (deutet ihr in Gesten) Suche einen Arzt, einen Doktor!<br />
Doktor! Doktor! Verstehst du?<br />
Magdalena: (deutsch) Ich verstehe! Aber es gibt keinen Arzt in Österreich, der eine<br />
Abtreibung vornehmen wird! Verstehst du? Keinen einzigen! Ich habe mich schon<br />
erkundigt! Österreich ist ein katholisches Land! Der Papst verbietet Abtreibungen!<br />
Gradusow: Wie? Was?<br />
Magdalena versucht mithilfe von Worten und Gesten das Wesen des Problems zu erklären.<br />
Schlussendlich begreift Gradusow, nimmt Magdalena in den Arm, weint.<br />
Magdalena: (deutsch) Andrej, wie soll es weitergehen? Mein Vater… Wenn er davon erfährt!<br />
Er wird mich aus dem Haus jagen! Er hasst die Russen! Er hat die Nazis unterstützt,<br />
er ist noch vor dem Anschluss Österreichs an Großdeutschland der Partei beigetreten.<br />
Meine beiden Brüder waren Offiziere der WaffenSS. Wir haben seit Monaten keine<br />
Nachricht mehr von ihnen, wir wissen nicht, wo sie sich befinden, ob sie gefallen oder in<br />
Gefangenschaft geraten sind. Werden sie irgendwann heimkehren?<br />
Vater träumt davon, dass wir nach Kriegsende ein fruchtbares Stück Land in der Ukraine<br />
erhalten und reiche Bauern werden, für die die Slawen als Sklaven arbeiten werden. Das hat<br />
uns Hitler versprochen! Wir sind in den Krieg gezogen, um für Lebensraum zu kämpfen,<br />
den die deutsche Nation so sehr braucht!<br />
Was wird Vater sagen, wenn er erfährt, dass ich ein Kind von einem Russen erwarte?<br />
Gradusow: Was sollen wir jetzt tun? Ich werde den ärgsten Repressionen ausgesetzt sein!<br />
(führt in einer beredten Geste die Hand an die Kehle) Das ist das Ende! Sobald das bekannt<br />
wird …<br />
Magdalena: (deutsch) Vielleicht sollten wir unserem Leben ein Ende setzen?<br />
Gradusow: Was?<br />
Magdalena: (versucht zu erklären, als sie sieht, dass Gradusow nicht ganz verstanden hat, findet<br />
sie ein Beispiel aus der Literatur) Shakespeare! Romeo und Julia? Verstehst du? Du und ich!<br />
Wir sind wie Romeo und Julia!<br />
Gradusow: (entgeistert) Durch Selbstmord sterben? (tippt sich mit dem Zeigefinger an die<br />
Schläfe)<br />
Magdalena: (russisch) Da, da … (deutsch) Lass uns freiwillig in den Tod gehen. Das ist<br />
romantisch! Wie Romeo und Julia! Wie Hitler und Eva Braun! Wir brauchen Gift! Wir<br />
können Pater Bonifaz bitten uns zu trauen, und dann nehmen wir das Gift …<br />
Gradusow: Warte! Wir werden nichts übereilen! Morgen ist das Spiel! Das ist äußerst<br />
wichtig! Weißt du, was das bedeutet, gleich drei Marschalls: Malinowski, Rokossowski und<br />
Wasiljewski? Das ändert vielleicht alles. Lass uns morgen darüber reden. Nach dem Spiel. In<br />
Ordnung? Und jetzt geh! Du kannst nicht hier bleiben, das ist zu gefährlich …<br />
Hoffen wir auf das Beste. Vielleicht ist noch nicht alles verloren!<br />
Küsst Magdalena auf die Stirn und schiebt sie zur Tür hinaus.<br />
4. BILD<br />
Fußballplatz. Tor. Im Tor steht Pater Bonifaz in der Mönchskutte, beugt sich nieder<br />
und richtet sich den Rock. Stadionlärm. Projektionen von WM-Spielen. Anpfiff des<br />
Schiedsrichters. Der Ball in der Mitte des Feldes.
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch II - Leopold<br />
<strong>ST</strong>/A/R 15<br />
Einen Schwerpunkt bilden Videofilme, mal kurz und<br />
knapp, mal poetisch, lyrisch oder ironisch, mal<br />
enervierend. Die Mittel spiegeln die Bandbreite moderner<br />
Medien wider, bilden die Manipulationsmöglichkeit von<br />
Zeitabläufen ab. Da ist die promovierte Medizinerin und<br />
Künstlerin Barbara Musil, die in ihrem Film „market<br />
sentiments“ den Investitionsboom im estnischen<br />
Immobilienmarkt durch Katasterpläne optisch und<br />
akustisch seziert. Im Rhythmus der Musik formt die<br />
Künstlerin neuen imaginäre Marktplätze – ein Spiel,<br />
formal und dennoch lebendig mit animierten Linien und<br />
freien Flächen auf Landkarten.<br />
Oder die Trickfilm-Darstellung des Huchel-Gedichtes<br />
„Exil“ durch Magdalena Pfeiffer. Die akustische Ebene des<br />
Gedichtes folgt der Natur, Himmel und Wolken, Wasser<br />
und Stein. Die fotografische Ebene, aufgenommen in der<br />
Berliner U-Bahn, bildet die Filmkulisse, in der sich<br />
gezeichnete Figuren und Formen aus der Kulisse lösen,<br />
bewegen und wieder verschwinden. Ein poetisches<br />
Wechselspiel zwischen Sichtbarem und Verborgenem,<br />
Kommen und Gehen.<br />
Reinhold Bertlmann und John Bell<br />
Fotos: Renate Bertlmann<br />
Ein Spiel über Grenzen und Genres<br />
„eMOTION“ - Die erste Ausstellung im Kunst-<br />
Projekt-Raum G.A.S-station in Berlin zeigt<br />
Arbeiten zum Thema Bewegung und Gefühl<br />
Es ist nicht zu übersehen in seiner quadratisch<br />
anmutenden Größe: Etwa zwei Meter hoch, , Meter<br />
breit, schwarz. Darauf zeichnen sich die Konturen eines<br />
Sofas ab. Eine foto-grafische Arbeit im engsten Sinne: Die<br />
Kontur gezeichnet mittels eines Lichtstrahls, eine warme,<br />
gelb-orange changierende Linie auf Schwarz. Mal geht die<br />
Linie forsch und direkt ihren Weg, dann wieder schleicht<br />
sie leicht unentschlossen dahin. Während der Lichtstrahl<br />
die Kontur erschafft, bleibt der Umraum dunkel, schwarz.<br />
Der Künstler Ronald Hackl zeichnet mit Licht, die<br />
Bewegung hinterlässt ihre Spuren. Wir ahnen sie, ohne<br />
die Bewegung zu kennen.<br />
Ein weißer Vorhang, zwei Lichtquellen – sonst nichts.<br />
Dahinter verbirgt sich eine interaktive Installation von<br />
Matthias Richter „nur liebe zählt“. Um Zweisamkeit geht<br />
es. Darauf muss man sich einlassen, denn die Kunst<br />
entsteht durch die Agierenden vor und hinter dem weißen<br />
Vorhang, diesseits und jenseits, im Licht oder im Schatten,<br />
je nach Betrachtung. Spielend oder erstarrt, distanziert<br />
oder ganz zugewandt, mit Furor oder In-sich-gekehrt –<br />
das Spiel mit dem Licht erzeugt den Schatten. Der<br />
Schatten ist ein Abbild der Begegnung. Die Bewegung hier<br />
ist Teil der Emotion!<br />
Ich kann beim besten Willen keinen Teddybären erkennen!, <br />
Ralph Bageritz<br />
Dies sind nur zwei der Arbeiten, die in der G.A.Sstation,<br />
dem neu geschaffenen Berliner Kunst-Projekt-<br />
Raum der beiden Wiener Künstler Elisa Asenbaum und<br />
Thomas Stuck (Grafik Art & Sound) zu sehen sind.<br />
„eMOTION“ heißt ihr erstes Ausstellungsprojekt in Berlin-<br />
Kreuzberg. Es ist nicht einer Persönlichkeit oder einer<br />
Kunstrichtung gewidmet, vielmehr steht die Auseinandersetzung<br />
mit einem Thema im Vordergrund. „eMOTION“<br />
meint Bewegung im Gefühl. Und dafür haben die Beiden<br />
den Schritt gewagt, verschiedene Sparten zusammen zu<br />
bringen: Kunst, Wissenschaft, Literatur. Es ist das Spiel<br />
dieser Genres, ihr unterschiedlicher Zugang zu Bewegung<br />
und Gefühl, der interessante Sichtweisen offenbart. Mehr<br />
als Bewerbungen aus neun Ländern gab es.<br />
eMOTION bis . Jänner <br />
Filmtage_Filmnächte: .. / ..<br />
jeweils - Uhr und . - Uhr<br />
Vortrag: .., Uhr - Prof. Thomas Born<br />
“Vom Tanz der Körper zum Tanz der Bilder”<br />
Ein Vortrag mit zahlreichen Videobeispielen.<br />
Der Vortrag spannt einen Bogen von den frühen Kung<br />
Fu-Filmen (Wuxia) bis zu den modernen Martial Artund<br />
Actionfilmen des Hollywoodkinos.<br />
Lesungen und Buchpräsentation: .., Uhr<br />
Maria Consuelo Vargas de Speiss stellt ihr neues Buch<br />
"Hispana" vor und liest daraus auf Spanisch. Auf Deutsch<br />
gelesen von Wolfgang Grossmann.<br />
"Feuerwerkskirschbäume" von Iris Blauensteiner<br />
gelesen von Judith Mauthe.<br />
"Augustina" von Elisa Asenbaum und Urs Riegl<br />
gelesen von Ina Krauß.<br />
Öffnungszeiten: Di-Fr - Uhr, Sa - Uhr<br />
oder nach telefonischer Vereinbarung<br />
Raumkonzept:<br />
Die Räumlichkeiten der G.A.S-station bieten Platz für<br />
kulturelle Veranstaltungen. Sie können als Studio,<br />
Veranstaltungsort, Labor, Entwicklungsplattform für<br />
Projekte, Ausstellungsplatz, Diskussions-, Seminar- und<br />
Präsentationsraum oder auch für private Veranstaltungen<br />
gemietet werden.<br />
G.A.S-station:<br />
Tempelherrenstraße , Berlin/Kreuzberg<br />
fon: + mob. + () <br />
www.gas-station.net - info@gas-station.net<br />
Anfahrt:<br />
G.A.S-station befindet sich im Bezirk Kreuzberg in der<br />
Tempelherrenstraße , Ecke Blücher-/Urbanstraße und ist<br />
sehr gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Bus:<br />
M direkt ab Hauptbahnhof, hält unmittelbar vor der<br />
Tempelherrenstraße. U-Bahn-Stationen: U Prinzenstraße,<br />
U Hallesches Tor und U Gneisenaustraße sind ca. min. zu<br />
Fuß entfernt. Auto/Fahrrad: Zufahrt über das Carl-Herz-Ufer,<br />
Johanniterstraße oder Wilmsstraße, die Tempelherren-straße<br />
ist eine Sackgasse.<br />
Und wer sich fragt, wie Darstellungen aus dem<br />
naturwissenschaftlichen Bereich hier hinein passen, wird<br />
überrascht. Diese Arbeiten sind mindestens genauso<br />
spannend und anregend. Physiker wie Reinhold A.<br />
Bertlmann oder Franz Embacher, beide Koryphäen in<br />
ihrem Spezialgebiet, machen ganz unmissverständlich<br />
klar, dass Formel-Sprache weit mehr ist als nüchterne<br />
Wissenschaft oder pure Ratio. Egal, ob es um Beschleunigung,<br />
Trägheit oder Masse geht, um den freien<br />
Fall, Quantenmechanik oder die richtige Art, Teebeutel zu<br />
analysieren. Wer eine Konstante eines Systems verändert,<br />
erzeugt neue Formen, neue Bewegungen, neue<br />
Richtungen.<br />
So unterschiedlich Assoziationen von Bewegung in der<br />
Raum-Zeit-Achse sein können, so streng durchdacht ist<br />
das Konzept der Ausstellung. Unmittelbar neben der Leseund<br />
Hörecke sind Arbeiten platziert, die sich mit der<br />
Dynamik des Lesens befassen. Neben den interaktiven<br />
Computeranimationen, die die Gesetze der Physik anschaulich<br />
erfahrbar machen, hängen Landschaftsaufnahmen,<br />
die dem Betrachter suggerieren, er befinde sich<br />
in Bewegung. Die große Lichtzeichnung mit dem Sofa<br />
wird durch ein Buch über Quantenmechanik ergänzt. Auf<br />
der gegenüberliegenden Seite hängen Kunstwerke, die<br />
sich eher emotionalen Aspekten im Kontext zu<br />
gesellschaftspolitischen Aussagen widmen.<br />
Und auch der Begriff Filmteppich wird beim Wort<br />
genommen. Super--Filmstreifen aus den er und er<br />
Jahren, die analog dem Weben zu einem Teppich<br />
zusammengefügt wurden, bilden den Übergang zum<br />
Videoraum. Hier ist nichts zufällig, selbst wenn es so<br />
scheint!<br />
peng peng, , video<br />
Tanja Seiner<br />
Die Besucher werden bei diesem Parcours aus Malerei,<br />
Grafik, Fotografie, Film, Hörstücken, Wissenschaft,<br />
Literatur und Analyse aus der Konsumentenhaltung<br />
herausgerissen. „Das Werk setzt sich erst beim Betrachter<br />
zusammen und dazu braucht er die Fähigkeit zu<br />
assoziieren und auch die Motivation, Kunst und<br />
Wissenschaft verstehen zu können.“ Elisa Asenbaum und<br />
Thomas Stuck sind überzeugt, dass ihr Ausstellungskonzept<br />
einen Aha-Effekt bewirkt, dass Besucher einen<br />
aktiven, kreativen Prozess vollziehen, in einen Dialog mit<br />
den Kunstwerken treten, jetzt oder später.<br />
Elisa Asenbaum und Thomas Stuck haben in der G.A.Sstation<br />
mit ihrer ersten Ausstellung „eMOTION“ ein<br />
ambitioniertes Kunst-Projekt auf die Beine gestellt. Auch<br />
der Katalog, Seiten in Farbe und als Hardcover mit<br />
interessanten thematischen Bezügen, unterstreicht ihren<br />
Anspruch, nicht in Sparten oder Schubladen zu denken.<br />
Ina Krauß (Freie Journalistin, Berlin)
16 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch II - Leopold Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
WAS TUT DIE KUN<strong>ST</strong> FÜR DIE GESELLSCHAFT?<br />
VON KUN<strong>ST</strong> UND WELTKULTUR Von Wolf Guenter Thiel, Berlin Von Wolf Guenter Thiel, Berlin<br />
Ein Resultat des Zusammenbruchs der politischen Systeme<br />
des kalten Krieges und seiner fest definierten Weltmodelle<br />
ist ein seither vorherrschendes Defizit an Utopien. Es scheint<br />
als sei die Utopie eine Idee der Vergangenheit und nicht eine<br />
Vision von Zukunft. Utopie als eine Wunschvorstellung, die<br />
zwar denkbar, aber vor dem Hintergrund aktueller Problemund<br />
Aufgabenstellungen der Weltpolitik nicht realistisch zu<br />
sein scheint. Utopie wird zum Synonym für einen als<br />
unausführbar betrachteten Plan und eine realitätsferne Vision.<br />
An die Stelle der Utopie ist ein makro- und mikropolitischer<br />
Pragmatismus getreten, der die wichtigen Fragen der<br />
Menschheit direkt und ohne den scheinbaren Umweg der<br />
Utopie angeht und nach unmittelbaren Lösungswegen sucht.<br />
Fragen der Erderwärmung, des Klimawandels und der<br />
Bewahrung der natürlichen Umwelt - wie der Polkappen - sind<br />
in den Fokus der Politik und der Wissenschaft gerückt. Es gilt<br />
zu handeln! Hierbei ist die Situation dadurch erschwert, dass<br />
sich mit den großen neuen Industriemächten im fernen und<br />
mittleren Osten, Wirtschaften entwickeln, die durch ihre<br />
Geschichte und ihre Bevölkerungsentwicklung zum<br />
Wachstum verpflichtet sind und so die industrielle Produktion<br />
ihrer Volkswirtschaften fast zwangsläufig steigern müssen,<br />
um den sozialen Frieden innerhalb ihrer Gesellschaften zu<br />
waren oder herzustellen. Eine Analyse dieser Art setzt voraus,<br />
zu akzeptieren, das sich die Gesellschaften der Erde in<br />
unterschiedlichen Entwicklungszuständen ihrer jeweiligen<br />
Wirtschaften und Kulturen befinden. Das wichtigste hierbei,<br />
Fukuyama<br />
so scheint es mir, ist die unterschiedliche kulturelle<br />
Geschichte mit ihren aktuellen Ausprägungen in China,<br />
Indien oder am arabischen Golf zur Kenntnis zu nehmen und<br />
zu respektieren. Die Antwort des amerikanischen<br />
Politikwissenschaftlers Samuel Huntington gibt er in seiner<br />
Schrift „The Clash of Civilizations“ im Jahr 1996. Diese<br />
Schrift hat die amerikanische Globalpolitik der Bush Ära<br />
maßgeblich legitimiert und politologisch fundiert. Er lehnt die<br />
Vorstellung einer universellen Weltkultur - wie sie nach dem<br />
Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 und dem Ende des<br />
Kalten Krieges von Francis Fukuyama vertreten wurde - ab. Er<br />
geht von einem Konflikt zwischen Zivilisationen und Kulturen<br />
aus. Den Grund sieht er darin, das die weltpolitische, westliche<br />
Dominanz mit ihrer den Zivilisationen anderer Prägung<br />
aufgezwungenen Geschichte des Imperialismus und<br />
Kolonialismus andere kulturelle Identitäten bis heute<br />
maßgeblich unterbewertet. In der Folge ist ein<br />
Akzeptanzproblem westlicher Wertvorstellungen entstanden,<br />
das andere Kulturen in die fundamentale Opposition zwingt.<br />
Huntington fordert anstelle einer Politik der Menschenrechte,<br />
eine Geopolitik der Macht, angeführt von den Vereinigten<br />
Staaten. Eine Lösung dieses Konfliktpotentials sieht<br />
Huntington in der Stärkung der westlichen Identität nach<br />
Außen und Innen. Francis Fukuyama sieht mit dem Ende<br />
des zweiten Weltkrieges und dem Fall der Berliner Mauer<br />
(1989) eine Schlussphase der politischen Systementwicklung.<br />
Totalitäre Systeme stellen keine politischen Alternativen mehr<br />
dar. Fukuyama vertritt die These, dass die durch diesen<br />
Wandel entstehenden sozialen Probleme von den<br />
Gesellschaften durch die gesetzmäßige Bildung neuer<br />
formeller und informeller Normen (gesellschaftliche<br />
Vereinbarungen auf Konsensbasis) gelöst werden. Jede<br />
Gesellschaft sei in der Lage, eine neue Ordnung zu erfinden.<br />
Dabei geht Fukuyama von der Prämisse aus, dass nur<br />
Gesellschaften in der Lage seien eine neue Ordnung zu<br />
erfinden, die genügend Sozialkapital aufweisen. Sozialkapital<br />
ist als die Zusammenfassung informeller sowie formeller<br />
Normen zu verstehen, die alle Mitglieder einer Gesellschaft<br />
teilen, um eine effektive Kooperation innerhalb der<br />
Gesellschaft zu ermöglichen. Hohes Sozialkapital stehe häufig<br />
im Zusammenhang mit niedrigen Kriminalitätsraten und der<br />
generellen Bereitschaft, sich für die Gesellschaft einzusetzen.<br />
Beispiele sind Hilfsorganisationen, soziale Netzwerke oder<br />
exemplarisch für die Kunst alternative Ausstellungsräume,<br />
junge und aufstrebende Galerien oder Kunstvereine und<br />
-Initiativen. Kunst und Künstler geben einen hervorragenden<br />
Prospekt für die von Fukuyama vertretene These ab. Mit dem<br />
Begriff „Soziales Kapital“ bezeichnet Pierre Bourdieu die<br />
Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Ressourcen, die<br />
mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen<br />
Kennens und Anerkennens verbunden sein können. Das<br />
soziale Kapital bezieht sich auf die Beziehungen zwischen<br />
natürlichen Personen. Es bietet für die Individuen einen<br />
Zugang zu den Ressourcen des sozialen und<br />
gesellschaftlichen Lebens wie Unterstützung, Hilfeleistung,<br />
Anerkennung, Wissen und Verbindungen bis hin zum Finden<br />
von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Es produziert und<br />
reproduziert sich auch über Tauschbeziehungen, wie<br />
gegenseitige Geschenke, Gefälligkeiten, Besuche und<br />
Ähnliches. Dies alles gilt exemplarisch für die Kunstwelt. Wo<br />
aber finden diese beschriebenen Dialoge statt und wer spricht<br />
mit wem? Otto Neurath österreichischer Philosoph und<br />
Ökonom gründet 1929 in Wien den so genannten „Wiener<br />
Kreis“ und bringt ein Manifest heraus, die diesen gedanklich<br />
und wissenschaftlich fundiert. Es ist eine Gruppe von<br />
Wissenschaftlern, Philosophen und Künstlern, die er als<br />
„realitätsnahe Utopisten“ bezeichnet. Ziel dieses Kreises war<br />
es den „Geist der wissenschaftlichen Forschung“ zu<br />
durchdenken und aufzuzeigen, worin eine „wissenschaftliche<br />
Weltauffassung“ besteht. Es ging diesem Kreis um die<br />
Durchsetzung einer Sprache und einer Wissenschaft, die sich<br />
für die Entwicklung und den Aufbau von „Sozialkapital“<br />
Sparten übergreifend einsetzen sollte und wollte. Was die<br />
Kreismitglieder verband waren nicht gemeinsame Thesen,<br />
sondern, wie das Manifest sagt, „die grundsätzliche<br />
Einstellung, die Gesichtspunkte, die Forschungsrichtung.“<br />
Neurath<br />
Der Kreis war in Wien durch den aufkommenden Faschismus<br />
jedoch leider nur von kurzer Dauer, bevor er in der Masse<br />
seiner Mitglieder ins Exil gezwungen wurde. „Eine moderne<br />
Demokratie, so schrieb Neurath unmittelbar nach dem Krieg<br />
1945 in England, brauche gesellschaftliche Räume, in denen<br />
ein abwägender, nachdenklicher Diskurs über die<br />
gesellschaftliche Ordnung, in der wir leben, geführt werden<br />
kann. Mit überprüfbaren Argumenten, in einer klaren<br />
Sprache. Visuelle Mittel könnten dabei eine wichtige Hilfe<br />
sein. Die Demokratie werde nur dann eine Chance haben,<br />
wenn möglichst viele Menschen lernen, die Welt unter<br />
verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten, ihre<br />
Erfahrungen in Worte zu fassen, sie mit anderen<br />
auszutauschen und ihre Sicht der Dinge unter bestimmten<br />
Umständen zu ändern.“ Künstler sind gewohnt ihre Sicht auf<br />
Welt, ihre Kommentare und Ansichten zur Gesellschaft in<br />
Ausstellungen zur Diskussion zu stellen. Kunsträume, seien<br />
sie nun kommerziell oder nicht kommerziell, haben die<br />
Aufgabe übernommen, diese von Neurath geforderten,<br />
gesellschaftlichen Räume zur Verfügung zu stellen. Hierbei<br />
sind es insbesondere die jungen und aufstrebenden Galerien,<br />
die ihren Markt erst noch finden müssen, die sich durch<br />
inhaltliche und innovative Arbeit hervortun. Es sind die<br />
Betreiber dieser Art von Ausstellungsräumen, die soziale<br />
Beziehungen mobilisieren und in soziale Beziehungen<br />
investieren und so langfristig soziales Kapital aufbauen. Sie<br />
streben die soziale Dynamik von Kennen und Anerkennen an,<br />
wie sie in der internationalen Kunstwelt üblich ist: Aus dem<br />
Kennen von Personen kann ein Informationsvorsprung<br />
entstehen, der dann auch in einen Vertrauensvorschuss<br />
„umgemünzt“ werden kann. Dieser Vertrauensvorschuss<br />
macht letztlich den ökonomischen Erfolg der Kunst, ihrer<br />
Produzenten und Vermittler aus. Die visuellen Mittel der<br />
Kunst, die Otto Neurath als wichtige Hilfe eingeschätzt hat,<br />
sind also vom illustrativen Hilfsmittel zum Anlassgebenden<br />
Ausgangspunkt für Dialoge geworden. Künstler und ihre<br />
Werke geben den Anlass für Symposien, Begleitvorträge und<br />
wissenschaftliche Beiträge zu gesellschaftspolitischen und<br />
sozio- kulturellen Fragestellungen, die der normale<br />
Wissenschaftsbetrieb so nicht vorsieht. Hier beginnt ein<br />
Dialog der erheblich intensiviert werden könnte und vor allem<br />
sehr viel ernster genommen werden sollte. Wissenschaftler<br />
der naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen<br />
Fachbereiche im Dialog mit Philosophen und Künstlern. Die<br />
letztgenannten rücken hierbei in die Rolle von realitätsnahen<br />
Utopisten. Utopisten, die durch die Freiheit des<br />
künstlerischen Ausdrucks in die Lage versetzt werden,<br />
Planspiele durchzuspielen, die real-utopistische Formen<br />
annehmen und die Räume bespielen, die sich für die von<br />
Neurath so benannten „nachdenklichen Dialoge“ öffnen. Aber<br />
wie laufen solche Prozesse in der Realität Berlins ab. Künstler<br />
aus allen Regionen der Welt leben und arbeiten derzeit in<br />
Berlin. Sie tun dies aus zwei Gründen: Sie finden eine<br />
Vielzahl bezahlbarer Räume vor, die sie sich leisten können<br />
und finden eine Stadt vor, die so offen für Künstler ist, das sie<br />
sehr einfach Anschluss an einen der vielen Kunstkreise<br />
finden. Mit seiner internationalen, von jungen, engagierten<br />
Galerien und temporären Ausstellungsräumen bestimmten<br />
Kunstszene, hat sich die Stadt inzwischen als einer der<br />
wichtigsten Standorte des internationalen Kunstgeschehens<br />
etabliert. Die Berliner Kunstlandschaft zeigt und lebt geradezu<br />
exemplarisch kulturelle Globalisierungsphänomene aus. Hier<br />
entstehen zwischen den Künstlern aus unterschiedlichsten<br />
Kulturkreisen neuartige und soziale, dynamische Netzwerke.<br />
Diese Erfahrung einer lebendigen „Weltkultur“ macht die<br />
große Attraktivität der Stadt Berlin aus. In Berlin erleben die<br />
Künstler und Kreativen etwas von eben dieser neuen Kultur.<br />
Diese weist unterschiedlichste kulturelle Prägungen auf und<br />
etabliert hierdurch eine neuartige Anschlussfähigkeit an die<br />
unterschiedlichsten Zentren der Kunstwelt und ihrer<br />
Kulturkreise. Traditionelle, regional oder national bestimmte<br />
kulturelle Mentalitäten und Eigenschaften beginnen zu<br />
verschwimmen und verändern sich sukzessive. Durch den<br />
ständigen Austauschprozess von Ideen und Wissen entstehen<br />
neue solidarische und globalisierte Gruppen von Kreativen,<br />
die sich zusammentun und gegenseitig helfen und<br />
unterstützen. Diese Gruppen sind<br />
Solidargemeinschaften, die sich über<br />
ihre Mitglieder direkt mit den<br />
unterschiedlichen Herkunftsländern und<br />
ihren kulturellen Zentren und<br />
Einrichtungen vernetzen. Dieser Prozess<br />
wird heute wesentlich durch das Internet<br />
ermöglicht. Die Gruppen formieren sich<br />
einerseits in den Städten der<br />
globalisierten Welt wie Berlin und<br />
andererseits auf unterschiedlichen<br />
Internetplattformen. Auf diesen<br />
Plattformen finden die Prozesse, die in<br />
Berlin und anderen Städten in der<br />
Realität stattfinden, parallel hierzu in<br />
der virtuellen Welt statt. Sie verstärken<br />
die realen Kulturphänomene. So entsteht<br />
ein ständiger Informationsaustausch<br />
und ein ständiges Angebot von<br />
Ausstellungen und<br />
Thiel<br />
Ausstellungsmöglichkeiten, der den<br />
Solidaritätsgedanken nachhaltig<br />
befördert. Das beschriebene Phänomen<br />
widerlegt Huntington und erweist sich<br />
als ein Beleg für das Gegenteil. Neue gesellschaftliche Normen<br />
werden gefunden, sie werden entwickelt und etabliert und<br />
strahlen auch in Berlin auf die gesellschaftlichen<br />
Umgebungen aus. Diese kulturellen Brücken ergeben sich<br />
durch das engagierte Eintreten für realitätsnahe Utopien. Eine<br />
von Huntington proklamierte geforderte Rückwendung zu<br />
nationalen Leitkulturen erscheint vor diesem Hintergrund<br />
grundsätzlich abwegig. Die große Qualität Berlins im<br />
Hinblick auf dieses Sozialkapital wurde erstmals während der<br />
Fußballweltmeisterschaft <strong>20</strong>06 in Berlin mit ihren<br />
hunderttausenden internationaler Gästen, den Fanmeilen und<br />
dem kollektiven „Public Viewing“ deutlich. Dieses<br />
transnationale Wir-Gefühl jenseits von Nationalmannschaften<br />
haben zur Illustration des Phänomens „Weltkultur“ erheblich<br />
beigetragen und wurden von Medien weltweit auch so<br />
kommuniziert. Die Frage: „Was tut Kunst für die<br />
Gesellschaft?“, können wir so beantworten. Kunst belegt die<br />
Richtigkeit der These einer Weltkultur. Sie erfüllt ebenfalls<br />
eine Funktion in der Bildung von sozialen und kulturelle<br />
Netzwerken, die eindeutig das Verständnis zwischen<br />
unterschiedlichen Kulturen in einer Stadt wie Berlin fördern<br />
und befördern. Sie schafft eine kulturelle Anschlussfähigkeit<br />
an die unterschiedlichen Weltkulturen Asiens, Amerikas,<br />
Arabiens und Afrikas. Vor allem belegt sie, das es möglich ist,<br />
kulturelle Brücken zu bauen, diese zu begehen und sich<br />
zusammen für und miteinander, solidarisch zu engagieren.<br />
Vgl. Samuel Huntington:The Clash of Civilizations and the Remaking of<br />
World Order. Simon & Schuster, New York 1996, auf deutsch erschienen<br />
als: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21.<br />
Jahrhundert. Goldmann, München 1998<br />
Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte (The End of History and the<br />
Last Man), 1992<br />
Scheitert Amerika? Supermacht am Scheideweg. Berlin: Propyläen Verlag,<br />
März <strong>20</strong>06. Wir benutzen den Begriff Sozialkapital (Fukuyama) und<br />
Soziales Kapital(Bourdieu) analog. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/<br />
Soziales_Kapital; Pierre Bourdieu: Sozialer Raum und „Klassen“. Zwei<br />
Vorlesungen. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1985 Vgl. Elisabeth Nemeth:<br />
Einleitung, in: Volker Thurm (Hg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte<br />
einer unvollendeten Moderne. Ein Begleitbuch. Wien <strong>20</strong>03 Der Wiener<br />
Kreis orientierte sich im Sprachverständnis an Ludwig Wittgenstein<br />
und seinem Tractatus logico philosophicus. Vgl. Ludwig Wittgenstein:<br />
Tractatus logico-philosophicus, Logisch-philosophische Abhandlung.<br />
Suhrkamp, Frankfurt am Main <strong>20</strong>03. Elisabeth Nemeth: Einleitung,<br />
in: Volker Thurm (Hg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte einer<br />
unvollendeten Moderne. Ein Begleitbuch. Wien <strong>20</strong>03.<br />
Vgl. Samuel Huntington: Who Are We? Die Krise der amerikanischen<br />
Identität. Europa-Verlag, Hamburg <strong>20</strong>04
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch III - Berlin <strong>ST</strong>/A/R 17
18 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch III - Berlin Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch III - Berlin<br />
<strong>ST</strong>/A/R 19
Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Berlin <strong>ST</strong>/A/R 21
22 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch III - Berlin Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch III - Berlin<br />
<strong>ST</strong>/A/R 23
24 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch III - Berlin Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch IV - Alena <strong>ST</strong>/A/R 25<br />
Alena Baich Schauspielerin<br />
Alena Baich gab ihr Theaterdebut am Wiener Burgtheater, wo sie drei Jahre als fixes Ensemblemitglied engagiert war und u.a. in<br />
Arbeiten unter der Regie von Peter Zadek, Luc Bondy und Martin Kušej zu sehen war.<br />
Heute lebt und arbeitet sie als freischaffende Schauspielerin in Wien und in Kroatien.<br />
Neben ihrer Arbeit auf diversen Bühnen und vor der Kamera realisiert sie auch eigene Kunstprojekte, in denen ihr Fokus auf<br />
der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur und Musik liegt und Künstler aus dem südosteuropäischen Sprachraum<br />
eingebunden werden.<br />
<strong>20</strong>09 wird sie in unserem Russischen <strong>ST</strong>/A/R Theater in Berlin als Gast auftreten. www.alenabaich.com
26 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VI - Alena<br />
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
AUS DEM FOTOTAGEBUCH<br />
Bei einem Besuch der Ausstellung von Lies Maculan in Linz<br />
mit Erich X. und dem Galleristen Konzett sahen wir die<br />
Fotoinstallationen von Lies Maculan.<br />
Man glaubt ein Fenster mit einem Mädchen zu sehen oder<br />
eine badende Frau – man glaubt durch die offene Tür in<br />
einen anderen Raum zu blicken, man glaubt man kann auf<br />
dem Klavier spielen – man glaubt im Kamin ein Feuer<br />
anzünden zu können – man glaubt – man glaubt –<br />
man glaubt – Alles FAKE – Dann weiß man – eine super<br />
Fotoinstallationen von Lies Maculan!<br />
Heidulf Gerngross<br />
LIES<br />
ERICH<br />
PHILIP
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Buch VI - Alena<br />
Oliver Rosenauer bringt eine Flasche<br />
Sekt als Neujahrsgruss ins<br />
<strong>ST</strong>/A/R-Büro.<br />
Diese Flasche wurde an Milan Mijalkovic<br />
weitergeschenkt.<br />
DANK an Oliver Rosenauer<br />
<strong>ST</strong>/A/R 27<br />
Franz West mit Richie Hoeck und<br />
mit dem Galeristen Michael Hall<br />
roböXotica, Festival for Cocktail Robotics mit dem St. Petersburger<br />
Künstler Michael Crest – initiert von Vallie Airport<br />
Barbara Kramer mit Alena Baich<br />
Moderatoren: Barbara Kramer<br />
und Jimmy Lend und die<br />
großartigen Schauspieler 1,2,3,4.<br />
Chobot and Chobot<br />
Chobot - Winner vom 6. DRAMA SLAM am 6.12.<strong>20</strong>09<br />
Jimmy Lend Organisator<br />
der DRAMA SLAMs in Wien,<br />
Berlin und St. Petersburg
Mag. Harro Berger<br />
Kachelöfen nach Mass<br />
1010 Wien, Weihburggasse 17<br />
email: harro.berger@chello.at<br />
In kalten Zeiten -<br />
ein großes, warmes, gutes Herz -<br />
ein ökologisches,<br />
ein ökonomisches -<br />
ein Kachelofen<br />
in Ihrer Wohnung<br />
4-8 Scheite Holz täglich!<br />
1010 Wien, Weihburggasse 17 • Tel: 01/512 14 34 • Handy: 0699/19525378 • Fax: 512 57 97 • email: harro.berger@chello.at
30 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VI - Alena Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
DER GROSSARTIGE KÜN<strong>ST</strong>LER<br />
ISMAEL BASARAN<br />
und <strong>ST</strong>/A/R-Reporter<br />
2/<strong>20</strong>08<br />
Nr. 02/ III,IV <strong>20</strong>08<br />
Eur 3,50<br />
Christian Boltanski<br />
Gyula Pauer<br />
Muzej Macura<br />
Herausgegeben von Thomas BUCH Redl und 1Wolf Guenter Thiel<br />
Zeitung für Kunst und Ästhetik - Wien / Berlin<br />
Wittgensteins Fotografie<br />
Michael Nedo<br />
Thomas Macho<br />
Zeitung für Kunst und Ästhetik<br />
www.fairarts.org<br />
Wolfgang Ullrich<br />
Peter Markowich<br />
Sabine Folie<br />
<br />
3/<strong>20</strong>08 Nr. 03/III,IV <strong>20</strong>08<br />
RothStauffenberg<br />
Miao Xiaochun<br />
Herausgegeben von Thomas BUCH Redl und 1Wolf Guenter Thiel<br />
Zeitung für Kunst und Ästhetik - Wien / Berlin<br />
Bruno Gironcoli<br />
Joseph Beuys<br />
Zeitung für Kunst und Ästhetik<br />
www.fairarts.org<br />
Beat Wyss<br />
Peter Tscherkassky<br />
<br />
fair – Zeitung für Kunst & Ästhetik<br />
erscheint <strong>20</strong>09 4 x jährlich in Wien und Berlin.<br />
Auflage: 10.000 Stück,<br />
erhältlich im Fachbuchhandel, Trafiken, Museen,<br />
Institutionen, Cafes (Vertrieb Morawa)<br />
fair Statement<br />
Die Aufgabe und das Ziel von fair ist es einen Dialog auf hohem<br />
Niveau im Bereich bildende Kunst und Kunsttheorie und in den<br />
Bereichen Film, Architektur und Kulturphilosophie zu führen, der<br />
nicht ausgerichtet ist auf die aktuellen Tendenzen des Kunst- und<br />
Kulturbetriebs und deren ökonomischen Zwänge.<br />
fair stellt einen diskursiven Raum zu Verfügung, indem das<br />
Verhältnis von Kultur, Ästhetik und Ethik im Kultur- und<br />
Kunstbetriebs sowie in gesellschaftlichen und urbanen<br />
Entwicklungen aktuell diskutiert werden kann.<br />
Das Wirkungsfeld ist der deutschsprachige Raum mit Schwerpunkt<br />
Wien und Berlin. <strong>20</strong>09 wird ein wesentlicher Fokus auf den zentralund<br />
osteuropäischen Raum gelegt.<br />
<strong>20</strong>08 berichtete fair unter anderem von:<br />
Hiroshi Sugimoto, Christian Boltanski, Bruno Gironcoli, Miao<br />
Xiaochun, Joseph Beuys,<br />
RothStauffenberg, Peter Kogler / Autoren: Beat Wyss, Peter Weibel,<br />
Silvia Eiblmayr. Carl Pruscha, Peter Tscherkassky, Thomas Macho,<br />
Sabine Folie.<br />
Christian Boltanski, Detail aus Autoportrait, <strong>20</strong>07, © Kewenig Galerie, Köln<br />
RothStauffenberg<br />
Grande Hotel Moçambique<br />
fair wird herausgegeben von Thomas Redl (Wien) und wolf Guenter Thiel<br />
(Berlin)
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VI - Alena<br />
<strong>ST</strong>/A/R 31<br />
MILANS GEBURT<strong>ST</strong>AG<br />
MILAN 24 AND AMIGOS<br />
MILAN MIJALKOVIC, A NATURAL BORN ARCHITECT<br />
AT HIS BIRTHDAY IN VIENNAS FAMOUS EISSALON,<br />
GUMPENDORFER<strong>ST</strong>RASSE. AND HIS DESIGN “FÜR EINE<br />
MUSEUMSBIENE” DIE ALLE WIENER KULTUR<strong>ST</strong>ÄTTEN VOM<br />
MUSEUMSQUARTIER BIS ZUM WIEN-MUSEUM VERBINDET.<br />
CAT<br />
Foto: Andrea Baczynski
KUB0804_An_star_Fabre.indd 1<br />
02.12.<strong>20</strong>08 11:23:51 Uhr<br />
32 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VI - Alena Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Kunsthaus Bregenz<br />
Jan Fabre<br />
From the Cellar to the Attic – From the Feet to the Brain<br />
27 | 09 | <strong>20</strong>08 – 25 | 01 | <strong>20</strong>09<br />
I had to break down a part of the ceiling of the Royal Palace because there was something growing out of it | <strong>20</strong>08<br />
Photo: Markus Tretter © Jan Fabre/VBK, Wien, <strong>20</strong>08, Kunsthaus Bregenz<br />
Symposium Jan Fabre<br />
Schlachtfeld der Liebe und des Lebens |<br />
Battlefield of Love and Life<br />
• Samstag, 17. Januar, 10 bis 18 Uhr | Auf Einladung<br />
von Jan Fabre diskutieren internationale Kuratoren<br />
spezifische Aspekte der KUB-Ausstellung.<br />
Zugesagt haben bisher: Jacopo Crivelli (Kurator<br />
Sao Paolo Biennale), Giacinto di Pietrantonio<br />
(Direktor GAMEC, Bergamo), Dirk Snauwaert<br />
(Direktor Kunstzentrum Wiels, Brüssel),<br />
Stefanie Rosenthal (Kuratorin Hayward Gallery,<br />
London), Thomas Trummer (Siemens Arts<br />
Program, München) und Augustine Zenakos<br />
(Kurator Athen Biennale). Im Anschluss wird der<br />
Katalog zur Ausstellung präsentiert.<br />
Kunsthaus Bregenz<br />
Karl-Tizian-Platz, A-6900 Bregenz<br />
Telefon (+43-5574) 485 94-0<br />
www.kunsthaus-bregenz.at<br />
Öffnungszeiten<br />
Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr<br />
Donnerstag 10 – 21 Uhr<br />
24.12.08 10 – 14 Uhr<br />
25.12.08 geschlossen<br />
26.12.08 10 – 18 Uhr<br />
31.12.08 10 – 14 Uhr<br />
01.01.09 14 – 21Uhr<br />
Kind – Jugend<br />
Engelchen Bengelchen<br />
• Dienstag, 23. Dezember, 10 bis 13 Uhr und 14 bis<br />
17 Uhr | Gerade noch rechzeitig vor Weihnachten<br />
wird im KUB Christbaumschmuck gebastelt.<br />
Wunderkammer<br />
• Freitag, 2. Januar bis Sonntag, 4. Januar, jeweils<br />
10 bis 13 Uhr | In den Ferien bietet Marco Ceroli<br />
einen Workshop nach der Munari-Methode für<br />
Kinder von 6 bis 12 Jahren an. Präsentiert werden<br />
die Ergebnisse am Sonntag, 4. Januar, um 13 Uhr.<br />
Teilnahmegebühr für alle 3 Tage: 27 €. Buchung<br />
einzelner Tage möglich; Anmeldung unter:<br />
(+43-55 74) 4 85 94-415.<br />
ART CRASH<br />
• Freitag, 16. Januar, 16 bis 18 Uhr | Der ART<br />
CRASH bietet Jugendlichen zwischen 12 und<br />
17 Jahren die Möglichkeit, Ausstellungen zu<br />
besuchen, Künstlern in ihrem Atelier über die<br />
Schulter zu schauen und ganz generell über<br />
Kunst zu sprechen.<br />
Workshop<br />
• Für Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren<br />
findet jeden Samstag von 10 bis 12 Uhr<br />
ein Workshop statt. Nach einem Rundgang<br />
durch die aktuelle Ausstellung werden<br />
die vermittelten Inhalte anschließend beim<br />
praktischen Arbeiten vertieft.<br />
Film<br />
Filme von Jan Fabre<br />
• Donnerstag, 8. Januar, <strong>20</strong> Uhr | Zusammen mit<br />
dem Künstler wurden vier Werke seines filmischen<br />
Œuvre ausgewählt, die Themen der Ausstellung<br />
ansprechen. The Problem <strong>20</strong>01, Is the Brain<br />
the Most Sexy Part of the Body? <strong>20</strong>07,<br />
The Meeting/Vstrecha 1997, A Consilience <strong>20</strong>00<br />
Dokumentarfilme über den Künstler Jan Fabre<br />
• Donnerstag, 22. Januar, <strong>20</strong> Uhr | The Man<br />
Measuring the Clouds <strong>20</strong>03, Jan Fabre au<br />
Louvre <strong>20</strong>08, A Royal Mission <strong>20</strong>02<br />
Führung<br />
• Öffentliche Führungen werden am Donnerstag<br />
19 Uhr, Samstag 14 Uhr und Sonntag 16 Uhr<br />
angeboten.<br />
Architektur<br />
• Sonntag, 4. Januar, 11 Uhr<br />
Familienführung<br />
• Sonntag, 11. Januar, 14 Uhr<br />
Backstage<br />
• Donnerstag, 15. Januar, 19 Uhr<br />
Finale<br />
• Sonntag, 25. Januar, 16 Uhr
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch V - Wien Kultur <strong>ST</strong>/A/R 33<br />
dr. andreas mailath-pokorny.<br />
Stadtrat für Kultur und Wissenschaft<br />
dr . andreas mailat -pokorny
34 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch V - Wien Kultur Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />
Koer<br />
Die Aufgabe von KÖR ist die Belebung des<br />
öffentlichen Raums der Stadt Wien mit permanenten<br />
bzw. temporären künstlerischen<br />
Projekten. Dadurch soll die Identität der<br />
Stadt und einzelner Stadtteile im Bereich<br />
des Zeitgenössischen gestärkt sowie die<br />
Funktion des öffentlichen Raums als Agora<br />
– als Ort der gesellschaftspolitischen und<br />
kulturellen Debatte – wiederbelebt werden.<br />
KÖR versteht Kunst im öffentlichen Raum<br />
nicht als Dekor, sondern als Angebot zur<br />
Auseinandersetzung mit Inhalten und radikalen<br />
ästhetischen Setzungen sowie als<br />
symbolische Markierung bislang<br />
kulturabstinenter Territorien.<br />
KÖR wickelt künstlerische Projekte ab,<br />
erteilt Aufträge an KünstlerInnen, lobt<br />
Wettbewerbe für künstlerische Projekte im<br />
öffentlichen Raum aus, vergibt Förderungen<br />
an KünstlerInnen bzw. Projektträger und<br />
führt damit verbundene Tätigkeiten, wie<br />
Veranstaltungen und Symposien, durch.<br />
Die Mittel werden von den Geschäftsgruppen<br />
Kultur und Wissenschaft, Stadtentwicklung<br />
und Verkehr sowie Wohnen,<br />
Wohnbau und Stadterneuerung zur Verfügung<br />
gestellt.<br />
Die Projekte werden im frei zugänglichen,<br />
öffentlichen Raum der Stadt Wien, in dem<br />
Kunst von jedermann erlebt werden kann,<br />
umgesetzt.<br />
Ken Lum PI<br />
Westpassage Karlsplatz / Friedrichstraße, 1010 Wien<br />
Eröffnung: 1. Dezember <strong>20</strong>06<br />
© Jörg Auzinger<br />
Ingeborg Strobl EIN GARTEN (ZUM BEISPIEL)<br />
Novaragasse 8, 10<strong>20</strong> Wien<br />
Eröffnung: 7. Mai <strong>20</strong>08<br />
© Christian Wachter<br />
Maria Hahnenkamp und Architekt<br />
Willi Frötscher ORNAMENT-VORHANG<br />
Kabelwerkpark, 11<strong>20</strong> Wien<br />
Eröffnung: 17.September <strong>20</strong>08<br />
© Fotostudio Huger<br />
Lois und Franziska Weinberger<br />
DACHGARTEN DER WIENBIBLIOTHEK<br />
Rathaus (Hof 6), 1010 Wien<br />
Eröffnung: 17. Oktober <strong>20</strong>05<br />
© Jörg Auzinger
Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch V - Wien Kultur<br />
<strong>ST</strong>/A/R 35<br />
Joep van Lieshout<br />
„WELLNESS SKULL“<br />
KÖR am Kunsthalle Wien public<br />
space karlsplatz<br />
Treitlstraße 2, 1040 Wien<br />
19. November <strong>20</strong>08 bis 15. März <strong>20</strong>09<br />
© Stephan Wyckoff<br />
URBAN SIGNS – LOCAL<br />
<strong>ST</strong>RATEGIES<br />
Sonia Leimer, Michael<br />
Gumhold, David Moises, Anna<br />
Artaker, Christian Egger Boris<br />
Ondreicka, Lucie Stahl und<br />
Stefan Sandner<br />
Fluc Vorplatz und Fassade, Praterstern,<br />
10<strong>20</strong> Wien<br />
21. Oktober bis 22. Dezember <strong>20</strong>08<br />
Oliver Hangl DIE RE-<br />
KLAME REKLAMIEREN 2:<br />
ANDREA VAN DER<br />
<strong>ST</strong>RAETEN<br />
Leo Kandl BEKLEIDUNG<br />
AUS DER SERIE<br />
„KOLLEKTION“<br />
Schaufenster KÖR am Kunsthalle<br />
Wien public space karlsplatz<br />
Treitlstraße 2, 1040 Wien<br />
5. August <strong>20</strong>08 bis 1. März <strong>20</strong>09<br />
Barbara Krobath DREI<br />
CHINESEN IN DER<br />
QINGHAI-TIBET-BAHN<br />
K48, Kirchgasse 48, 1070 Wien<br />
18. Dezember <strong>20</strong>08 bis 31. März <strong>20</strong>09 Flora Neuwirth<br />
U2 Station Schottentor, Vitrine<br />
über dem Bahnsteig, 1010 Wien<br />
14. Mai <strong>20</strong>08 bis 28. Februar <strong>20</strong>09<br />
Marko Lulić MAHNMAL<br />
GEGEN DEN MYTHOS<br />
DES ER<strong>ST</strong>EN OPFERS<br />
Parkanlage am Mexikoplatz<br />
10<strong>20</strong> Wien<br />
10. April <strong>20</strong>08 bis 10. April <strong>20</strong>09<br />
CLUBBLUMEN - EIN<br />
UTOPISCHES<br />
UNTERNEHMEN IM<br />
SOZIALEN RAUM<br />
Johannagasse 42, 1050 Wien<br />
30. April <strong>20</strong>08 bis 31. Jänner <strong>20</strong>09<br />
KÖR Kunst im öffentlichen Raum<br />
GmbH<br />
Museumsplatz 1, Stiege 15<br />
A-1070 Wien<br />
T +43 (0)1 521 89 - 1257<br />
F +43 (0)1 521 89 - 1217<br />
office@koer.or.at<br />
www.koer.or.at
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Gelitin<br />
Dr. Andreas Mailath-Pokorny<br />
FOTO: MEDIA WIEN<br />
Heidulf Gerngross<br />
Dominik Steiger<br />
Hahnenkamp<br />
Bernhard Lang<br />
Foto:media wien
star_ok:Layout 1 19.12.<strong>20</strong>08 15:00 Uhr Seite 1<br />
38 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch V - Wien Kultur Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />
MUSA Museum auf Abruf<br />
— ist Ausstellungsort und Präsentationsraum für die seit 1951 bestehende Sammlung<br />
zeitgenössischer Kunst der Stadt Wien – mit über <strong>20</strong>.000 Objekten aller Sparten von<br />
rund 3.500 KünstlerInnen<br />
— ist die Artothek, in der Kunstbegeisterte gegen eine geringe Leihgebühr Grafiken für<br />
den privaten Wohnbereich entlehnen können (€ 2.50/Bild/Monat)<br />
— ist die Startgalerie, die als Fördereinrichtung und Präsentationsfläche mit wechselndem<br />
Ausstellungsprogramm junge KünstlerInnen der Öffentlichkeit vorstellt<br />
MUSA Museum auf Abruf<br />
— bietet jeden Donnerstag ab 17.00 Uhr sowie gegen Voranmeldung Kunstvermittlungsprogramme<br />
(T +43-(0)1-4000-84752)<br />
— organisiert auch spezielle Führungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen<br />
— macht Schenken leicht – mit dem Geschenkgutschein der Artothek (ab € 10,–)<br />
— Freier Eintritt zu sämtlichen Ausstellungen und Veranstaltungen!<br />
Weitere Informationen zu unseren aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen sowie<br />
zum Kunstvermittlungsprogramm finden Sie unter www.musa.at<br />
MUSA Museum auf Abruf<br />
1010 Wien, Felderstraße 6-8, neben dem Rathaus<br />
T +43-(0)1-4000-8400, musa@musa.at, www.musa.at<br />
MUSA<br />
musa<br />
© Ein Projekt der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) 1082 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 5
Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch V - Wien Kultur<br />
<strong>ST</strong>/A/R 39
40 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch V - Wien Kultur Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />
Wien<br />
Mission Ignition Kagran.<br />
Oder: Transdanubien wächst!<br />
Foto: H.Preis<br />
Kagran, so hieß die U1 Station früher<br />
„Zentrum“<br />
– bis die Häufung japanischer Touristen, die<br />
vorm Donauzentrum herumirrten und den Stephansdom<br />
suchten, auffällig wurde. Und obwohl das DZ - das lange<br />
Zeit größte Einkaufszentrum (heute „Urban Entertainment<br />
Center“ ) Wiens , das nach eigenen Angaben das „größte<br />
Unterhaltungsangebot der Stadt unter einem Dach“ zu<br />
bieten hat, konnte sich Kagran als Touristen-Magnet nicht<br />
wirklich durchstezen. Das „Zentrum“ vor „Kagran“ wurde<br />
schließlich entfernt.<br />
Für die DonaustädterInnen scheint Kagran<br />
als Verkehrknotenpunkt, Versorgungs- und<br />
Unterhaltungsquelle aber immer noch das Zentrum<br />
zu sein. Hier setzt auch „Misson Ignition Kagran“<br />
– MIK, ein Kollektiv junger KünstlerInnen und<br />
LandschaftsarchitektInnen an, das sich von dort aus weiter<br />
in den Bezirk/an den Stadtrand bewegt, und es sich zur<br />
Aufgabe gemacht hat, das – für die meisten WienerInnen<br />
unbekannte und auch unattraktive Territorium Donaustadt<br />
– oder auch: Transdanubien zu erforschen und unter<br />
einem neuen Blickwinkel zu betrachten.<br />
Welche Motivation hat der Wiener/die Wienerin ÜBER<br />
DIE DONAU zu fahren? - Meistens keine. Vielerorts<br />
herrscht sogar die Meinung, Transdanubien gehöre gar<br />
nicht mehr zu Wien. Die Motivation der Initiative MIK<br />
ist, Aufmerksamkeit auf die zu entdeckenden Orte und<br />
„Unorte“ über der Donau zu lenken – einerseits die<br />
WienerInnen (oder auch Wien-Besuchenden) jenseits der<br />
Donau für „ihre“ Stadt – über die Donaugrenze hinaus zu<br />
interessieren, und andererseits den, auch als „Kulturwüste“<br />
bekannten Bezirk durch Initiativen, Aktionen, und<br />
Interventionen FÜR die BewohnerInnen und MIT<br />
den BewohnerInnen hinsichtlich Lebensqualität und<br />
kulturellem Angebot zu bereichern.<br />
Donaustadt wächst – am ehemaligen Flugfeld Aspern<br />
ensteht ein neuer Stadtteil. Der Masterplan wurde für bis<br />
zu 50.000 neue BewohnerInnen konzipiert. Die maximal<br />
projektierte BewohnerInnenzahl entspricht etwa einem<br />
Drittel der derzeitigen Donaustädter Bevölkerung.<br />
Das kulturelle Angebot muss – angepasst an die<br />
BewohnerInnen und ihre Bedürfnisse mitwachsen. Das<br />
„Urban Entertainment Center“ Donauzentrum muss<br />
in seiner zentralen Rolle als Kulturzentrum des Bezirks<br />
abgelöst werden. Schicht* ist nicht mehr Pflicht!<br />
(*Schicht=Nachtschicht=Großraumdisco im Donauplexx/<br />
Donauzentrum)<br />
Die erste Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf einen<br />
einzigartigen Ort in Transdanubien zu lenken, und die<br />
WienerInnen über die Donau – bis nach Kagran – und<br />
sogar noch weiter Richtung Stadtrand zu locken, ergab sich<br />
durch die Ausschreibung „Misguide – Stadtverführungen<br />
in Wien“, veranstaltet von den Wiener Festwochen im<br />
Juni <strong>20</strong>07. Die MIK-KünstlerInnen verführten mit der<br />
Aktion „Suburb Safari – Oder wer findet die Bergziege?“<br />
zur Mülldeponie Rautenweg um die einzigartige, vom<br />
Aussterben bedrohte Donaustädter Bergziege zu suchen.<br />
Als weiterer Schwerpunkt der Mission Ignition Kagran<br />
ergab sich das Thema Leerstand und Zwischennutzung<br />
bzw. ein markanter Ort in Stadlau: der seit Jahren<br />
stillgelegte GENOCHMARKT. Angeregt durch einen<br />
Artikel im Bezirksmagazin, in dem BewohnerInnen die<br />
Stadt auffordern, endlich etwas gegen den fortschreitenden<br />
Verfall des „Geisterhüttendorfes“ Genochmarkt zu<br />
unternehmen, trat MIK in Aktion und erreichte nach<br />
fast zweijähriger Überzeugungsarbeit die Öffnung<br />
der ehemaligen Marktstände, die Genehmigung der<br />
künstlerischen Zwischennutzung und die Unterstützung<br />
der Kooperationspartner Bezirksvorstehung Donaustadt,<br />
MA7 (Kulturabteilung der Stadt Wien), MA18<br />
(Projektkoordination für Mehrfachnutzung), MA59<br />
(Marktamt) und Wien Holding bzw. Star22 GesmbH<br />
(zukünftige Grundeigentümerin).<br />
Ziel war es von Anfang an, die sieben leerstehenden<br />
Räume und Zwischenräume nicht im Sinne privater oder<br />
wirtschaftlicher Zwecke zu nutzen (z.B. an Einzelpersonen<br />
oder Gruppen als Ateliers, Verkaufs- oder Proberäume<br />
zu vergeben), sondern eine Mehrfachnutzung, die auf<br />
Partizipation beruht, ins Leben zu rufen und ein belebtes<br />
Kulturzentrum zu schaffen. MIK lud im November 07 im<br />
Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung zur Beteiligung<br />
an der (künstlerischen) Zwischennutzung ein - über 30<br />
Konzepte wurden eingereicht.<br />
Ein vielfältiges Programm - Ausstellungsreihen z.B.<br />
„unORtnung III“ (www.unortnung.net), „Holiday In<br />
Stadlau“ – das Feriendorf am Genochmarkt (www.<br />
kampolerta.blogspot.com), offene Werkstätten, Konzerte,<br />
Schul- und Jugendprojekte wie z.B. „Freibad Stadlau“,<br />
gefördert von „Cash for Culture“, einem Jugendkultur-<br />
Förderprogramm der MA7, Seniorenprojekte, Open Air<br />
Kino, uvm. konnte auf die Beine gestellt werden.<br />
Ein Programm für <strong>20</strong>09 liegt bereits vor. Der<br />
Genochmarkt wird in seiner jetzigen Form noch bis<br />
<strong>20</strong>11 existieren, die Mission Ignition Kagran wird weiter<br />
wirken. Die Möglichkeit der Beteiligung besteht bis zum<br />
Abriss des Genochmarktes und darüber hinaus. Weitere<br />
Informationen: www.mik22.at<br />
Kontakt:<br />
Stefanie Sandhäugl & Helmut Preis: office@mik22.at<br />
von S. Sandhäugl, I. Bittner
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung <strong>ST</strong>/A/R 41<br />
S/T/A/R-Kunstsammlung in der<br />
Kulturhauptstadt Linz <strong>20</strong>09.<br />
Der Artpark<br />
präsentiert noch bis<br />
31. Jänner 09 die<br />
S/T/A/R-Kunstsammlung.<br />
Manfred Kielnhofer, Herbert Brandl und Franz West im ARTPARK Linz<br />
kuratiert von <strong>ST</strong>/A/R<br />
Gloria Gerngross<br />
Schutzpatroness der<br />
<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG<br />
Fotos: Heidulf Gerngross<br />
Abschied im neuen <strong>ST</strong>/A/R Büro Gumpendorferstrasse 42 - Bernhard bringt Gloria zum Flughafen - Gloria fliegt nach Singapur
42 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Hans Biwi Lechner<br />
“Ohne Titel”, Mischtechnik<br />
Preis: 435 Euro<br />
Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />
“Snörk”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 1235 Euro<br />
Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />
“Huhn”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 135 Euro<br />
Thomas Strobl<br />
“Ohne Titel”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 250 Euro<br />
<strong>ST</strong>/A/R Galerist Rudolph Gerngroß<br />
im Gespräch mit unserer<br />
russischen Performancebotschafterin<br />
Tatjana Romanov<br />
Otto Zitko<br />
“Transparent”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 1735 Euro
Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung<br />
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 <strong>ST</strong>/A/R 43<br />
Hinterthür / Gerngroß !<br />
“Ein Mahnmal”, CGI Photoprint<br />
Preis: 1700 Euro<br />
Waran<br />
“Teddiebär”, Skulptur<br />
Preis: 235 Euro<br />
Semjonov van Coke<br />
“O.T.”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 350 Euro<br />
Sergej Volgin<br />
“Russischer Wald”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 530 Euro<br />
Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />
“Elefant von hinten”, Öl auf Leinwand<br />
Preis:235 Euro<br />
Semjonov van Coke<br />
“O.T.”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 350 Euro<br />
Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />
“Hase von hinten”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 1235 Euro
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung <strong>ST</strong>/A/R 45<br />
Waran !<br />
“Farbenlere”, Öl auf Papier<br />
Preis: 4000 Euro<br />
Catherine Pandora !<br />
“Kaffeesymphonie”, Mischtechnik<br />
Preis: 235 Euro<br />
Mounty R.P. Zentara !<br />
“Smoke”, Photokollage<br />
Preis: 235 Euro<br />
Richard Hoeck<br />
“Superstars”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 3<strong>20</strong> Euro<br />
WARAN<br />
“Wandteppich”, Öl auf Pappe<br />
Preis: 135 Euro
46 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Thomas Redl<br />
“Zeitungsseiten”, Dispersion auf<br />
Zeitungspapier, Preis: <strong>20</strong>0 Euro<br />
Semjonov van Coke<br />
“O.T.”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 350 Euro<br />
Michael Starkmeyer<br />
“Fussballspiel”, Öl auf Leinwand<br />
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Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />
“Krokodildo”, Öl auf Holz<br />
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höchstwahrscheinlich vom<br />
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“Snörk”, Öl auf Leinwand<br />
Preis: 1235 Euro<br />
Herbert Brandl<br />
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Preis: 40´000 Euro<br />
Marcus Hinterthür/Heidulf Gerngroß<br />
“Ein Mahnmal”, CGI. Photoprint<br />
Preis: 1700 Euro<br />
Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />
“Snjevelsjökul”, Öl auf Holz<br />
Preis: 786 Euro
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung<br />
<strong>ST</strong>/A/R 47<br />
WARAN !<br />
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Rauminstalation, Preis: 1235 Euro<br />
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“lebt unter dem Himmel”<br />
Foto: Heidulf Gerngross, Preis: 440 Euro<br />
LOVE<br />
is the<br />
ULTIMA- TIVE<br />
FIGHTER<br />
Rudi is the alternative<br />
answer<br />
of Heidulf<br />
the mighty once again<br />
and the holy hinterthür stting<br />
next to sitting bull.<br />
matthiss mighty graphiti is doing<br />
every shiti with me<br />
bis baldrian bussi sicher<br />
nicht . salzi & gurki<br />
murcksi
48 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Die Wiener Kunstszene<br />
kommt nach Linz - mit<br />
dabei ein paar Russen<br />
THEATER NE<strong>ST</strong>ROYHOF HAMAKOM SONDERMELDUNG IN LETZTER MINUTE<br />
www.theater-nestroyhof-hamakom.com<br />
Das Theater Nestroyhof Hamakom hat eine über ein Jahrhundert lange, gleichermaßen lebendige wie tragische Entwicklungsgeschichte.<br />
Seit Mai <strong>20</strong>08 wird unter der Leitung von Frederic Lion und Amira Bibawy daran gearbeitet, ihm seine Funktion und Bestimmung als Ort<br />
zwischenkultureller und interdisziplinärer Auseinandersetzung wieder zu ermöglichen. In diesem Ansinnen und im historischen Kontext<br />
wurde dem Theater im Nestroyhof, das neue Wort ‚ha Makom’ (hebräisch: der Ort) hinzugefügt, weil dieser Begriff eine transzendente<br />
Form der geistigen Verortung, des Erinnerungsortes und der Eingrenzung umreißt, die zu einer schönen und spannenden Möglichkeit der<br />
Erweiterung und der Entgrenzung anregt.<br />
Das Gesamtprojekt wird die 4 Jahres Konzeptförderung des Kulturamts der Stadt Wien erhalten. Ab April <strong>20</strong>09 soll dieses Haus<br />
im großstädtisch-dörflichen zweiten Wiener Bezirk eine Spielstätte werden für gesellschaftliche Reibungsflächen, Denkfelder und<br />
Bewegungsräume, die sich hier und anderswo finden: Ein Topos, der Lust und Fantasie erzeugt, Spuren zu erkunden, um Geschichten<br />
der Gegenwart zu erzählen.<br />
<strong>ST</strong>/A/R und HAMAKOM planen eine fruchtbare Zusammenarbeit auch mit dem<br />
Russischen <strong>ST</strong>/A/R-Theater in Berlin<br />
Informationen über das Projekt sind auf www.theater-nestroyhof-hamakom.com zu finden, über die Pläne für <strong>20</strong>09 wird ab Februar<br />
<strong>20</strong>09 informiert. contact@theater-nestroyhof-hamakom.com / +43- (0)1 8900314, +43-(0)69918900314<br />
AUS<strong>ST</strong>ELLUNG im ARTPARK<br />
Kuratiert von <strong>ST</strong>/A/R, Printmedium Wien<br />
Mit Werken von: Herbert Brandl, Otto Zitko, Franz Graf, Franz West, Stefan Weber, alfred Heidulf Gerngross, Thomas Redl, Thomas Strobl, Michael<br />
Starkmeyer, Eva Schlegl, Marcus Hinterthür, Catherine Pandora, Hans Biwi Lechner, Manfred Kielnhofer, Andrea Baczynski, Kurt Hofstätter, Barbara<br />
Doser, Richard Hoeck, Mounty R. P. Zentara, Karin Sulima, Wladimir Jaremenko Tolstoj, Semjonov van Coke, Alexej Alexejev, Popov, Elisabeth von<br />
Samsonow, Sergej Volgin, Reinhold Kirchmayr<br />
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A-40<strong>20</strong> Linz, Hamerlingstrasse 42/1.Stock<br />
Mo-Sa: 10.00-19.00 0043-732-946726<br />
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European Cultural Capital <strong>20</strong>09 Linz
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
ALLES I<strong>ST</strong> ARCHITEKTUR<br />
TEXT 1966: Hans Hollein gelesen im Dezember <strong>20</strong>08 in der „Roten Bar“<br />
Buch VII - Architektur <strong>ST</strong>/A/R 49<br />
ALLES I<strong>ST</strong> ARCHITEKTUR<br />
Begrenzte Begriffsbestimmungen und traditionelle<br />
Definition der Architektur und<br />
ihrer Mittel haben heute weitgehend an<br />
Gültigkeit verloren. Der Umwelt als Gesamtheit<br />
gilt unsere Anstrengung und allen Medien, die<br />
sie bestimmen. Dem Fernsehen wie dem künstlichen<br />
Klima, den Transportationen wie der Kleidung,<br />
dem Telephon wie der Behausung.<br />
Die Erweiterung des menschlichen Bereiches<br />
und der Mittel der Bestimmung der Um-”Welt”<br />
geht weit über eine bauliche Feststellung hinaus.<br />
Heute wird gewisser-maßen alles Architektur.<br />
“Architektur” ist eines dieser Medien.<br />
Unter den verschiedensten Medien, welche heute<br />
unser Verhalten und unsere Umgebung definieren<br />
– als auch als Lösung bestimmter Probleme<br />
– ist “Architektur” eine Möglichkeit.<br />
Der Mensch schafft künstlich Zustände. Dies ist<br />
die Architektur. Physisch und psychisch wiederholt,<br />
transformiert, erweitert er seinen physischen<br />
und psychischen Bereich, bestimmt er<br />
“Umwelt” im weitesten Sinne.<br />
Seinen Bedürfnissen und seinen Wünschen gemäß<br />
setzt er Mittel ein, diese Bedürfnisse zu befriedigen<br />
und diese Wünsche und Träume zu<br />
erfüllen. Er erweitert sich selbst und seinen Körper.<br />
Er teilt sich mit.<br />
Architektur ist ein Medium der Kommunikation.<br />
Der Mensch ist beides – selbstzentriertes Individuum<br />
und Teil der Gemeinschaft. Dies bestimmt<br />
sein Verhalten.<br />
Von einem primitiven Wesen hat er sich selbst<br />
mittels Medien kontinuierlich erweitert, seinerseits<br />
diese Medien kontinuierlich erweiternd.<br />
Der Mensch hat ein Gehirn. Seine Sinne sind<br />
die Grundlage zur Wahrnehmung der Umwelt,<br />
Medien der Definition, der Festlegung einer (jeweils<br />
gewünschten) Umwelt beruhen auf der<br />
Verlängerung der Sinne.<br />
Dies sind die Medien der Architektur.<br />
Architektur im weitesten Sinne.<br />
Enger gefasst könnte man für den Begriff Architektur<br />
etwa folgende Rollen und Definitionen<br />
formulieren:<br />
Architektur ist kultisch, sie ist Mal, Symbol, Zeichen,<br />
Expression.<br />
Architektur ist Kontrolle und Körperwärme –<br />
schützende Behausung.<br />
Architektur ist Bestimmung – Festlegung – des<br />
Raumes, Umwelt.<br />
Architektur ist Konditionierung eines psychologischen<br />
Zustandes.<br />
Jahrtausende erfolgte künstliche Veränderung<br />
und Bestimmung der Umwelt, als auch Klimaund<br />
Wetterschutz, primär durch bauen, wie<br />
auch das Bauwerk wesentlichste Manifestation<br />
und Expression war. Bauen war verstanden als<br />
Kreation eines dreidimensionalen Gebildes, das<br />
den Erfordernissen als Definition des Raumes,<br />
als schützende Umhüllung, als Gerät und Werkzeug,<br />
als psychisches Mittel und als Symbol entsprach.<br />
Die Entwicklung der Wissenschaft und<br />
Technologie, wie auch der Gesellschaft und ihrer<br />
Bedürfnisse und Forderungen hat uns mit<br />
ganz anderen Gegebenheiten konfrontiert. Andere<br />
und neue Medien der Umwelt-bestimmung<br />
entstanden.<br />
Sind dies zuerst vielfach nur technologische Verbesserungen<br />
herkömmlicher Prinzipien und Erweiterungen<br />
der physischen “Bau-Materialien”<br />
durch neue Materialien und Methoden, so werden<br />
darüber hinaus etwa nichtstoffliche Mittel<br />
zur Raumbestimmung entwickelt. Eine Anzahl<br />
von Aufgaben und Problemen werden heute nur<br />
noch traditionellerweise durch Bauen, durch<br />
“Architektur” gelöst. Ist jedoch für viele Fragen<br />
die Antwort noch “Architektur”, wie sie verstanden<br />
wurde, oder stehen uns nicht geeignetere<br />
Medien zur Verfügung?<br />
Architekten können in dieser Hinsicht einiges<br />
von der Entwicklung der Strategie lernen. Wäre<br />
diese derselben Schwerfälligkeit unterworfen<br />
gewesen wie die Architektur und ihre Konsumenten,<br />
so würde man heute noch immer Mauern<br />
und Türme bauen. Die Strategie hat jedoch<br />
die Bindung an das “Bauwerk” weitestgehend<br />
verlassen und zur Bewältigung ihrer Aufgaben<br />
und Forderungen neue Möglichkeiten herangezogen.<br />
Ganz offensichtlich fällt es auch niemanden<br />
mehr ein, etwa Abflusskanäle zu mauern oder<br />
astronomische Geräte aus Stein zu errichten<br />
(Jaipur). Viel weitergehend jedoch sind die Konsequenzen,<br />
die etwa die neuen Medien der Kommunikation<br />
( sei es Telephon, Radio, Fernsehen<br />
u.a.) mit sich bringen, und es wird so ein Begriff<br />
wie der des Lehr- und Lerngebäudes (Schule)<br />
unter Umständen ganz verschwinden und durch<br />
diese Mittel ersetzt werden.<br />
Architekten müssen aufhören, nur in Bauwerken<br />
zu denken.<br />
Erwähnt sei auch die Verlagerung des Gewichtes<br />
von Bedeutung zu Wirkung. Architektur hat einen<br />
“Effekt”. So wird auch die Art und Weise der<br />
Inbesitznahme, der Verwendung eines Objektes<br />
im weitesten Sinne wichtig. Ein Gebäude kann<br />
ganz Information werden, seine Botschaft<br />
könnte ebenso nur durch die Medien der Information<br />
(Presse, TV u.dgl.) erlebt werden. Tatsächlich<br />
erscheint es fast unwichtig, ob etwa die<br />
Akropolis oder die Pyramiden physisch existieren,<br />
da sie der Majorität der Allgemeinheit sowieso<br />
nicht durch eigenes Erlebnis, sondern<br />
durch andere Medien bewußt werden, ja ihre<br />
Rolle eben auf ihrem Informationseffekt beruht.<br />
Ein Gebäude könnte also simuliert werden.<br />
Frühe Beispiele der Extensionen der Architektur<br />
durch Kommunikationsmedien sind Telephonzellen<br />
– ein Gebäude minimaler Größe, doch<br />
eine globale Umwelt direkt erschließend. Umwelten<br />
dieser Art in noch engerem Bezug zum<br />
Körper und noch konzentrierterer Form liefern<br />
auch zum Beispiel die Helme der Düsenpiloten,<br />
die durch ihre telekommunikatorischen Anschlüsse<br />
die Sinne und Sinnesorgane erweitern,<br />
als auch weitere Bereiche mit ihnen direkt in Beziehung<br />
bringen. Einer Synthese entgegen und<br />
zu extremen Formulierungen des Standortes einer<br />
heutigen “Architektur” führt schließlich die<br />
Entwicklung der Raumkapseln und insbesondere<br />
des Raumanzuges. Hier wird eine “Behausung”<br />
geschaffen, die weitaus perfekter als jedes<br />
“Gebäude” außerdem noch eine umfassende<br />
Kontrolle der Körperwärme, der Nahrungszufuhr<br />
und Fäkalienverwertung, des Wohlbefindens<br />
und dergleichen in extremsten Umständen<br />
bietet, verbunden mit einem Maximum an Mobilität.<br />
Diese weitentwickelten physischen Möglichkeiten<br />
leiten dazu über, phsychische Möglichkeiten<br />
einer künstlichen Umwelt verstärkt ins<br />
Auge zu fassen, da nach Wegfall der Notwendigkeit<br />
gebauter Umwelten (etwa Umhüllung, Klimaschutz<br />
und Raumdefinition) ganz neue Freiheiten<br />
erahnt werden. Der Mensch wird nun<br />
echt Mittelpunkt und Ausgangspunkt der Umweltbestimmung<br />
sein, da Einschränkungen<br />
durch eine geringe Zahl vorgegebener Möglichkeiten<br />
nicht mehr zutreffen.<br />
Die Erweiterung der Medien der Architektur<br />
über den Bereich puren tektonischen Bauen und<br />
seiner Ableitungen hinaus begann mit Versuchen,<br />
insbesondere mit Zugkonstruktionen. Das<br />
Verlangen, unser “environment” nach Wunsch<br />
so geschwind und leicht als möglich zu verändern<br />
und es zu transportieren, ließ zum ersten<br />
Mal über einen weiteren Bereich von Materialien<br />
und Möglichkeiten Ausschau halten – zu Mitteln,<br />
die etwa in anderen Gebieten zum Teil<br />
schon seit langem Anwendung fanden. So haben<br />
wir heute “genähte” Architektur, wie es auch<br />
“aufgeblasene” Architektur gibt. Dies alles sind<br />
jedoch Mittel der Architektur, die im Grunde<br />
noch materiell, noch Bau-”Materialien” sind.<br />
Wenig Versuche wurden jedoch gemacht, mit<br />
anderen als physischen Mitteln (etwa Licht,<br />
Temperatur, Geruch) unsere Umwelt zu definieren,<br />
Raum zu bestimmen. Hat hier schon die<br />
Verwendung herkömmlicher Verfahren weitgehende<br />
Erweiterungs-möglichkeiten, so sind diejenigen<br />
der Laser (Holograph) noch kaum vorauszusagen.<br />
Schließlich sind praktisch überhaupt<br />
keine Untersuchungen für die gezielte<br />
Verwendung von Chemikalien und Drogen sowohl<br />
zur Kontrolle der Körper-temperaturen<br />
und Körperfunktionen, als auch zur artifiziellen<br />
Schaffung einer Umwelt angestellt worden. Architekten<br />
müssen aufhören, nur in Materialien<br />
zu denken.<br />
Die gebaute und physikalische Architektur wird,<br />
da nun im Gegensatz zu den wenigen und beschränkten<br />
Mitteln vergangener Epochen eine<br />
Vielzahl solcher zur Verfügung steht, sich intensiv<br />
mit Raumqualitäten und der Befriedigung<br />
psychologischer und physiologischer Bedürfnisse<br />
beschäftigen können und einen anderen<br />
Bezug zum Prozeß der “Errichtung” einnehmen.<br />
Räume werden deshalb weit bewusster<br />
etwa haptische, optische und akustische Qualitäten<br />
besitzen, Informationseffekte beinhalten,<br />
wie auch sentimentalen Bedürfnissen direkt entsprechen<br />
können.<br />
Eine echte Architektur unserer Zeit ist daher im<br />
Begriffe, sich sowohl als Medium neu zu definieren,<br />
als auch den Bereich ihrer Mittel zu erweitern.<br />
Viele Bereiche außerhalb des Bauens<br />
greifen in die “Architektur” ein, wie ihrerseits<br />
die Architektur und die “Architekten” weite Bereiche<br />
erfassen.<br />
Alle sind Architekten. Alles ist Architektur.<br />
Hans Hollein heute<br />
Hans Hollein heute
50 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Thomas Frechberger – Nachrichten aus<br />
der Schattenwelt DER DICHTER – von Alexander Schießling<br />
Es gibt Dinge, deren Fehlen beinah<br />
unbemerkt bleibt. Ein solches<br />
Ding ist in Österreich die literarische<br />
Auseinandersetzung. Es<br />
gibt hier keine literarischen<br />
Debatten in der Öffentlichkeit,<br />
keine emphatische Auseinandersetzung<br />
mit Texten und die Schriftsteller<br />
besitzen absolut keinen<br />
Einfluss auf die Gesellschaft mehr.<br />
Sie leben am Rande und die einzige<br />
Weise, in der von ihnen Kenntnis<br />
genommen wird, ist die Rezension<br />
in irgendeiner Kulturbeilage. Ob<br />
positiv oder negativ spielt dabei<br />
keine Rolle, da in beiden Fällen<br />
belangloses Zeug geschrieben<br />
wird. Anders gesagt: Bücher<br />
wurden seit den Achtzigerjahren<br />
immer mehr zum kurzlebigen Konsumartikel<br />
und die Schriftsteller<br />
zu Rädchen im Getriebe der Unterhaltungsindustrie.<br />
Oder zu Schatten<br />
am Rand der Welt, die Selbstgespräche<br />
führen. Um eine solche<br />
Schattenexistenz geht es hier.<br />
Thomas Frechberger wurde 1962 in<br />
Haslach a.d. Mühl in Oberösterreich<br />
geboren und kam 1983 mit ein<br />
paar Gedichten in der Hosentasche<br />
nach Wien. Hier entdeckte er sehr<br />
schnell das „Alt Wien“ und funktionierte<br />
es im Handumdrehen in<br />
sein Wohnzimmer um. Dort fand er<br />
sein Publikum, nämlich Leute, die<br />
bereit waren, für ein Gedicht ein<br />
Bier springen zu lassen. Hier begegnete<br />
er anderen jungen Schriftstellern<br />
und Dichtern, die, ebenso<br />
in ewiger Geldverlegenheit wie<br />
er, nach Überlebensmöglichkeiten<br />
suchten – freilich ohne sie zu<br />
finden. Frechberger inskribierte an<br />
der Wiener Universität Publizistik<br />
und Germanistik und begann beides<br />
zu hassen, was ganz von selbst<br />
zum Studienabbruch führte. In<br />
diesen Jahren muss die Entscheidung<br />
gefallen sein, sich ganz und<br />
gar dem Schreiben zu verschreiben<br />
und die Figur des Dichters<br />
zu verkörpern. Nicht: Still und<br />
bescheiden diesen Beruf auszuüben,<br />
sondern ihn als das Wunderbarste<br />
auf der Welt gewissermaßen<br />
zu verkünden und manchmal auch<br />
nur, ihn als hohles Triumphgeheul<br />
in den Lärm hinauszuposaunen.<br />
„ICH BIN EIN DICHTER“ Diesen Satz<br />
hört man nun seit mehr als zwanzig<br />
Jahren in allen möglichen und<br />
unmöglichen Variationen und bei<br />
allen erdenklichen Gelegenheiten<br />
und Ungelegenheiten aus dem Mund<br />
von Frechberger, den ihm schon so<br />
mancher gern gestopft hätte. „Ich<br />
bin ein Dichter“ heißt aus diesem<br />
Mund „Ich bin ein Heiliger und die<br />
Welt hat mir zu Füßen zu liegen“,<br />
ist also keine bescheidene und demütige<br />
Berufsbezeichnung, sondern<br />
der in Worte gefasste Anspruch,<br />
von den Anderen verehrt, bewundert<br />
und geliebt zu werden. Mit der<br />
Zeit verschmolz Frechberger in der<br />
Wahrnehmung der Anderen so sehr<br />
mit diesem Satz, dass ganz Wien<br />
von ihm nur noch als „DEM Dichter“<br />
spricht. „Gestern habe ich den<br />
Dichter getroffen“, sagt man und<br />
nicht “Gestern habe ich den Frechberger<br />
gesehen“. Er ist der Einzige,<br />
der die Figur des DICHTERS<br />
überhaupt noch im Gespräch hält.<br />
Man könnte natürlich sagen, dass<br />
dies in Zeiten von YouTube und Hypertext<br />
geradezu rührend anachronistisch<br />
oder von Gestern ist: Ich<br />
bin hier anderer Ansicht.<br />
DER DICHTER I<strong>ST</strong> DER VON DER WELT<br />
GEWORFENE SCHATTEN. Er blinzelt im<br />
allzu hellen Licht: „und der himmel<br />
donnert dir<br />
ein azur in<br />
die schau<br />
dass dir die Luft weg<br />
bleibt“ schreibt der Dichter in<br />
seinem bislang letztem und dritten<br />
Gedichteband „Fanatasien“. Dieses<br />
Gedicht nennt sich übrigens DER<br />
DICHTER SPRICHT.<br />
Der Dichter als Marke und corporate<br />
identity, als Imago, als<br />
Rolle und Maske, die die Realität<br />
nicht verbirgt, sondern sie in<br />
ein (noch) verständliches und anschauliches<br />
Wort übersetzt. Frechberger<br />
hat, indem er dieses Wort<br />
aus dem Abfallhaufen der Geschichte<br />
herausgeklaubt und es recyclet<br />
hat, ein Monopol geschaffen.<br />
Niemand kann, wenigstens in Wien,<br />
von sich behaupten, ein Dichter<br />
zu sein, denn der Dichter ist ja<br />
schon von Frechberger besetzt. Die<br />
abertausendfache Wiederholung hat<br />
den Dichter zum geistigen Eigentum<br />
Frechbergers werden lassen. Natürlich<br />
ist das kein bloßer PR-Gag,<br />
aber mit Eigenwerbung hat es sehr<br />
wohl zu tun. Das Wort DICHTER ist<br />
also wie ein Schlüssel zu „Leben<br />
und Werk“ von Thomas Frechberger<br />
verwendbar. Untersuchen wir es und<br />
versuchen zu hören, was es uns sagen<br />
will.<br />
DAS SCHLÜSSELWORT<br />
„das weite all ist unsere mutter<br />
es verneigt sich vor jedem von<br />
uns“<br />
(DER DICHTER SPRICHT)<br />
Der Beruf des Dichters nimmt im<br />
Denken Thomas Frechbergers also<br />
eine Sonderstellung ein. Von allen<br />
Berufen, die man wählen könnte,<br />
unterscheidet er sich durch etwas.<br />
Wodurch? Ich würde sagen durch<br />
eine fast sakrale Weihe, die<br />
dieser Beruf für Frechberger hat<br />
und durch etwas, das vielleicht<br />
nur in der christlichen „Gnade“<br />
ein Gegenstück hat. Es gab in der<br />
katholischen Theologie einmal eine<br />
Prädestinationslehre, das war die<br />
Lehre, dass Gott die Seinen durch<br />
Gnade erwählt. Für Frechberger<br />
scheint das Schreiben noch innigst<br />
mit der Berufung zusammenzuhängen.<br />
Der Dichter wird zum Dichter, weil<br />
er den Ruf hört, weil ihm das Ohr<br />
gegeben ist, den Ruf zu hören. Wer<br />
ruft und wohin ruft dieser Ruf?<br />
Die Sprache ruft und sie ruft in<br />
die weite Leere des Alls, in der<br />
die Sterne erst zu erscheinen vermögen:<br />
„vieles sagen die sterne<br />
wenn man höflich zu ihnen ist“<br />
In dieser Leere wartet die Einsamkeit<br />
und die Sprache. Vielleicht<br />
auf beides bezieht sich die folgende<br />
Sentenz aus „Zuvielisation“<br />
(Fanatasien):<br />
„.........unermesslich wie das<br />
ausmaß meiner einsamkeit auch die<br />
dimension meiner verführungskunst“<br />
Sprache als Verführung, Verführung<br />
zur erfüllten Stille. Schon<br />
bei Nietzsche taucht dieses Modell<br />
auf: Der Künstler als tanzender<br />
Verführer (Zarathustra).<br />
Der berufene Verführer wird von<br />
seiner Berufung selbst geführt und<br />
kann deshalb sorglos tanzen, da er<br />
den Weg weder suchen noch finden<br />
muss, sondern vom Weg gegangen<br />
wird:<br />
„geh von quacksalbern zur deuterin<br />
zur fee<br />
geh geh durchs gegangene ins geh<br />
nur geh“<br />
Der Dichter muss sich nicht fragen,<br />
wo’s lang geht, da die Dichtung<br />
ihn hinter sich her schleift,<br />
was oft und meist schmerzlich<br />
ist, aber dafür tödliche Sicherheit<br />
und Gewissheit verleiht. Wenn<br />
Frechberger den Dichter also mit<br />
besonderer Betonung „spielt“, so<br />
ist dies nicht bloße Selbststilisierung<br />
oder gar narzistische<br />
Selbsterhöhung, sondern hebt das<br />
Besondere, das in Vergessenheit<br />
geraten ist, hervor: Schreiben ist<br />
ein Weg, der ihn geht, wird von<br />
ihm bewegt, mit Traumwandlerischer<br />
Buch VII – ARCHITEKTUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Sicherheit. Der Dichter ist das<br />
Sprachrohr einer Sprache, er<br />
spricht, indem er auf den Ruf<br />
seiner Berufung hört, er ist, kurz<br />
gesagt, der einzige heute mögliche<br />
Prophet.<br />
Der Dichter weiß nicht, was er tut<br />
und sagt: Die Dichtung spricht.<br />
Der Dichter ist gerade dadurch,<br />
dass er sich hingibt: „feuerakazien<br />
lodern erdab“ (DER DICH-<br />
TER.....)<br />
Dieser Dichter ist also gar kein<br />
bloßes Ego, dass sich in narzistischer<br />
Weise selbst liebt,<br />
sondern der Dichter liebt die<br />
Sprache, die ihn spricht und ihn<br />
zum Dichter macht, er nimmt sich<br />
als Geschenk der Götter an. „Die<br />
Götter lieben die Dichter“ sagt<br />
Frechberger manchmal.<br />
Das Es, um es mit psychoanalytischen<br />
Begriffen zu umschreiben,<br />
hat die Stelle des Ich eingenommen.<br />
Aus den dunklen, unzugänglichen<br />
Bereichen erwächst dem Dichter<br />
das Gedicht, es kommt und erst<br />
dann wird es bearbeitet (nach den<br />
Regeln der jeweiligen Kunst).<br />
Wenn man das Wort Dichter, wie es<br />
Frechberger meint, mit Prophet<br />
übersetzt, trifft man sicherlich<br />
etwas sehr Wesentliches, aber es<br />
hat noch andere Bedeutungen, die<br />
ebenso wichtig sind. Beispielsweise<br />
gibt es da die Figur auch<br />
des Kämpfers:<br />
„wer sagt, dass wir die sprache<br />
nicht formen konnten<br />
zu pfauenfedern aber zu spitzwaffen<br />
auch<br />
und wer sagt dass wir nicht zu<br />
kämpfen wussten.......“<br />
(WER SAGT)<br />
Die Figur des Dichters hat also<br />
mehrere Gesichter. Der Kämpfer,<br />
auch im politischen Sinn, gehört<br />
weitaus deutlicher und vordergründiger<br />
zu ihr.<br />
Das Soziale, das Politische und<br />
der kämpfende Dichter. Diese<br />
Figuren und Kontexte kennen wir<br />
seit der Aufklärung. Frechberger<br />
zollte ihnen seinen Tribut, indem<br />
er vor gut zwanzig Jahren eine<br />
Zeitschrift gründete, die zu den<br />
bekanntesten Literaturzeitungen in<br />
Wien gehört, die wienzeile. Mit<br />
ihr wollte er dem Kämpfer, dem<br />
Politischen und Sozialen Raum geben.<br />
Der Verführer, der Sprachtänzer,<br />
der Prophet, der Kämpfer: Der leidenschaftlich<br />
Liebende, der im<br />
Lichte seiner Leidenschaft von<br />
Exzess zu Exzess besser lernt, die<br />
Existenz des Dichters als paradigmatischen<br />
Exzess schlechthin, als<br />
Verausgabung und Verschwendung,<br />
als irren Trip zu erkennen und zu<br />
leben.<br />
DIE GEDICHTE<br />
Ich beschränke mich im Folgenden<br />
darauf, ein Gedicht aus „Fanatasien“<br />
zu untersuchen.<br />
MARTYRIUM<br />
sakrademisch will dandytölpel durch<br />
öhr<br />
bouteille im mantelinnen pfäuisch<br />
pluster<br />
bleierne lider sinken getrübt ist<br />
das gehör<br />
im zerfledderten anzug hahnentrittmuster<br />
dichter ist der arme mann und<br />
maler auch<br />
ein wirrläufer in musen verachtender<br />
zeit<br />
seit tagen knurrt rumort sein hängebauch<br />
der künste saat erntet hohn und<br />
heiterkeit<br />
als spinner versager wird er verspottet<br />
man zahlt schnäpse für nichtrezitation<br />
dichter? wir dachten die sind ausgerottet!<br />
verzweiflung der mann verrüdet im<br />
ton<br />
das ist nicht charmant verständlich<br />
aber:<br />
dresche gegen ödes konventionsgelaber<br />
Es fällt mir deshalb leicht,<br />
dieses Gedicht zu „verstehen“,<br />
weil der Dichter mir die Situation<br />
und Erfahrung, auf die sich dieses<br />
Gedicht bezieht, schon mehrmals in<br />
Prosa geschildert hat. Trotzdem<br />
bleibt mir der erste Vers, oder<br />
wenn man lieber will, die erste<br />
Zeile, ein Rätsel. Aber schon<br />
die zweite ruft in mir bekannte<br />
Bilder hervor: Frechberger mit<br />
einer Flasche Wein in der Innentasche<br />
eines Mantels bei irgendeiner<br />
Veranstaltung, wahrscheinlich<br />
verkauft er gerade ein paar Ausgaben<br />
der neuesten wienzeile. Der<br />
Genuss des Alkohols hat ihn schon<br />
etwas ermüdet, seine Kleidung ist<br />
unabhängig davon ebenfalls schwer<br />
mitgenommen. Natürlich tritt<br />
er hier als Dichter auf, dass er<br />
sich manchmal wegen seiner Bilder<br />
auch als Maler empfindet, möchte<br />
ich hier nicht kommentieren. Als<br />
Dichter (und meinetwegen Maler<br />
auch) ist er ein „wirrläufer in<br />
musen verachtender zeit“. Auf den<br />
ersten Blick will man schon widersprechen:<br />
diese Zeit eine Musen<br />
verachtende? An jeder Ecke wird<br />
Musik gehört, die Museen sind<br />
überlaufen, die Preise für so manche<br />
Bilder erinnern an die Berechnungen<br />
von Astronomen, Filme gibt<br />
es mehr als Sand am Meer, Fotos<br />
und Skulpturen kann man gar nicht<br />
nicht sehen etc. Wenn man dieser<br />
Oberfläche trauen könnte, wäre unsere<br />
Zeit eine, die von der Allgegenwart<br />
der Musen beherrscht wird,<br />
was man als Hinweis darauf interpretieren<br />
könnte, dass die Künste<br />
heute so beliebt sind, wie niemals<br />
zuvor. Aber das Gedicht sagt uns<br />
das Gegenteil. Wenn wir sehen wollen,<br />
was dieses Gedicht behauptet,<br />
müssen wir also woanders hin<br />
schauen, als auf die Oberfläche.<br />
Nehmen wir an, dass mit „zeit“<br />
hier der „Geist der Zeit“ gemeint<br />
ist. Dieser Zeitgeist ist weit<br />
entfernt von den Künsten, so weit,<br />
dass selbst dann, wenn er sich den<br />
Künsten zuwendet, er nicht umhin<br />
kommt, sie zu verachten, weil<br />
er ihr Geheimnis nicht nur nicht<br />
kennt, sondern selbst wenn er es<br />
kennen würde, es niemals in sich<br />
aufnehmen könnte. Dieses Geheimnis<br />
ist das Leiden. Man wird Kunst<br />
nicht ohne Leiden bekommen. Der<br />
Zeitgeist möchte durchaus Kunst,<br />
aber ohne Leiden, also Kunst ohne<br />
Kunst. Man wird jetzt vielleicht<br />
den Kopf voller Verwunderung<br />
schütteln: Kunst muss durchlitten<br />
werden? „warum ich schreibe?<br />
weil ich leide. mit dem leid aber<br />
steige ich, mount everests tödlich<br />
verwundete krönung, bis ich (ver)<br />
fallen darf.“ (zuvielisation/Fanatasien)<br />
Da diese Zeit nichts<br />
so sehr fürchtet als das Leiden<br />
und den Schmerz, diese Dimensionen<br />
aber eben die Dimensionen des<br />
Kunstwerkes sind, kann man sagen,<br />
dass diese Zeit die „musen“ in<br />
dem Maße verachtet, als sie sie<br />
fürchtet. Der Bauch des Dichters<br />
rumort und knurrt, weil da nichts<br />
drin ist, er ist hungrig, weil er<br />
kein Ein- und Auskommen hat – ein<br />
Nebeneffekt der musen verachtenden<br />
zeit. Nun wird er mit seinen<br />
Werken auch noch verhöhnt und<br />
verspottet, man nimmt diese elende<br />
Figur nicht ernst. Jemand will<br />
ihm einen Schnaps zahlen, damit<br />
er seine Gedichte nicht vorträgt.<br />
„dichter? wir dachten die sind<br />
ausgerottet!“ Dieser Satz bringt<br />
die Verzweiflung im Dichter hervor.<br />
Verzweiflung? Ja, denn es stimmt,<br />
sowohl die Dichtung als auch die<br />
Dichter sterben langsam und unauffällig<br />
aus. Warum? Weil niemand<br />
mehr da ist, der sie lesen kann.<br />
Wo keine Nachfrage, da bald auch<br />
kein Angebot mehr. Die Dichter<br />
sterben. Sie laufen wie Schatten<br />
durch die Welt, elende Figuren,<br />
die man eher für Clochards als für<br />
Kulturschaffende halten möchte.<br />
Auch der Frechberger ist so eine<br />
elende Figur. Ich würde ihm ein<br />
Jahresstipendium wünschen, dass er<br />
sich mal erholen kann vom rumorenden<br />
Bauch. Vielleicht ist er der<br />
letzte DICHTER.
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VII – ARCHITEKTUR<br />
<strong>ST</strong>/A/R 51<br />
City in space 1966 von Heidulf Gerngross<br />
Sprachknödel von Heidulf Gerngross als Vorbild für die Caballero Cybercity - Raumalphabet<br />
Foto der <strong>ST</strong>/A/R-Zeitung 18, Seite 90/91
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII – ARCHITEKTUR <strong>ST</strong>/A/R 53<br />
Cybercity - Raumalphabet von Kurt Caballero <strong>20</strong>08 nach dem Raumalphabet von Heidulf Gerngross
54 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VII – ARCHITEKTUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Starfotoartistin Andrea Baczynski und Weltmathematiker<br />
Dr. Peter Markovic, Professor in Cambridge und<br />
begrüßen uns im Spitzenrestaurant LIoUNGE<br />
Täglich im Eissalon - unsere Bar - Gumpendorferstrasse 47<br />
Dort<br />
Weltmathematiker<br />
erhältlich:<br />
Dr. Peter Markovic, Professor in<br />
DVD<br />
Cambridge<br />
von Heidulf Gerngross:<br />
und Starfotoartistin<br />
WELTARCHITEKTUR<br />
Andrea Baczynski<br />
IM EISSALON<br />
begrüßen uns im Spitzenrestaurant LILUNGE
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VII – ARCHITEKTUR<br />
<strong>ST</strong>/A/R 55<br />
LAURA GOTTLOB<br />
LAURA<br />
Hat uns beeindruckt!
56 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VII - Architektur Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch VIII - Religion <strong>ST</strong>/A/R 57<br />
a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z<br />
a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z<br />
Marcus Hinterthür ist neuer wissenschaftlicher Berater für<br />
Religionsangelegenheiten, Computer Generated Information<br />
und Datenmontage für den <strong>ST</strong>/A/R. Ab heute neu mit seinen<br />
Verfluchungen, Geschichten und Scheisse aus der Fibel<br />
ein Auszug<br />
Angelehnt an die Einheitsübersetzung<br />
Der Originaltexte<br />
Verfluchungen<br />
In 1999 Professore Cubera Died in<br />
the Anden while taking this Film.<br />
Marcus Hinterthür in der Bibliothek der Akademie der Bildenden Künste<br />
Dem Untergang<br />
Altar, Altar ! Die Gebeine von Menschen<br />
wird man auf dir verbrennen. Wohnt<br />
denn Gott wirklich auf der Erde?<br />
Baale und Astarten. Nichts anderes<br />
als den Tod.<br />
Soll ich diese Räuberbande verfolgen?<br />
Vernichten und zerstören. Zur<br />
Schädelhöhle Verbrecher zur Hinrichtung<br />
Jetzt hat die Finsternis die Macht<br />
Himmel und Erde vergehen In meinem<br />
Blut Der Satan hat verlangt Es wird<br />
euch ekeln vor euch selbst.<br />
Aussätzige Ich beschwöre euch Blast<br />
mit euren Trompeten Alarm! Blast mit<br />
den Trompeten!<br />
Ich bin euer Gott Seht doch, wie sie mich<br />
hassen.<br />
Schlagt tot!<br />
Dann werden sie verachtete Leichen<br />
sein Ewiger Spott Sie werden völlig<br />
vernichtet<br />
Und erleiden Qualen; Die Erinnerung an<br />
sie verschwindet Ich sage euch: Wo ein<br />
Aas ist, da sammeln sich auch die Geier<br />
Doch meine Feinde – bringt sie her, Und<br />
macht sie vor meinen Augen nieder!<br />
Das sind die Tage der Vergeltung Von<br />
allen gehasst Sie werden dich und<br />
deine Kinder zerschmettern Der Satan<br />
aber ergreift Besitz Er wird kommen<br />
und töten Sechshundertsechsundsechzig<br />
Goldtalente<br />
Ich bin es! Zerstörung Schon empfängt<br />
der Schnitter seinen Lohn Kinder werde<br />
ich töten Wehe! Wehe! Wehe den Bewohnern<br />
der Erde! Hagel und Feuer Blut<br />
an den Bewohnern der Erde Die Sonne<br />
schwarz Der ganze Mond wie Blut Blitze,<br />
Stimmen und Donner Macht, zu töten<br />
Komm ! Damit die Menschen sich gegenseitig<br />
abschlachten Der Hund kehrt<br />
zurück zu dem, was er erbrochen hat<br />
Die gewaschene Sau wälzt sich wieder<br />
im Dreck Menschen sind ein Schandfleck<br />
Sie sind Nörgler Daher werden<br />
sie mit ewigem Feuer bestraft Ihnen<br />
ist auf ewig die dunkelste Finsternis<br />
bestimmt Der Tod Die Seelen hingeschlachtet<br />
Feuer !<br />
Furcht ! Sie werden<br />
zerstören Finsternis<br />
Draussen bleiben<br />
die »Hunde« Und sogar<br />
Menschen mit Leib<br />
und Seele Halleluja<br />
Sie sind Kinder des<br />
Fluches Sklaven des<br />
Verderbens Für sie<br />
ist die dunkelste Finsternis<br />
bestimmt<br />
die toten von st.<br />
tropes<br />
1982 starb Professor Cubera in den peruanischen<br />
Anden während den Vorbereitungen zur<br />
Anfertigung dieses Filmmaterials. Er sollte nicht<br />
der einzige bleiben, der während der Filmaufnahmen<br />
sein Leben lassen musste.<br />
1984: Die Expeditionsleiterin Dr. Dana Valenta erkrankt<br />
im Forschungslabor Svanvik, nahe der<br />
Nordpolarmeerküste und mehr als 1´000 km entfernt,<br />
an einer unbekannten bakteriologischen<br />
Entzündung und stirbt noch in der gleichen Woche.<br />
Zwei Tage später ist ihre aufgebahrte Leiche<br />
verschwunden. Mysteriöse Todesfälle und ein militärisches<br />
Grossaufgebot an der skandinavischrussischen<br />
Grenze legen bald den Verdacht nahe,<br />
das hier etwas vertuscht werden soll.<br />
Diese, noch unkommentierten Veröffentlichungen<br />
aus Zentralarchiven, mehr als <strong>20</strong> Jahre nach<br />
ihrem Entstehungsdatum, scheinen die Gerüchte und<br />
Mitteilungen des sapa (südamerikanischer presseagentur)<br />
, die sich über das plötzliche Wiederauferstehen<br />
kürzlich Verstorbener ranken, zu<br />
bestätigen. Mit welchen Phänomenen haben wir es<br />
hier zu tun?<br />
Diese anmassenden<br />
Menschen schrecken nicht davor<br />
zurück, zu lässtern Liebt die Brüder,<br />
fürchtet Gott und ehrt den Kaiser<br />
Ihr Sklaven Ordnet euch in aller Ehrfurcht<br />
euren Herren unter Ist es<br />
vielleicht etwas besonderes, wenn ihr<br />
wegen einer Verfehlung Schläge erduldet?<br />
Kommt zu ihm, dem lebendigen<br />
Stein Seid gehorsame Kinder Unterwerft<br />
euch Das Ende aller Dinge ist<br />
nahe Feuersglut Der Teufel geht wie<br />
ein brüllender Löwe umher und sucht,<br />
Wen er verschlingen kann Euer Widersacher<br />
Verfinsterung Alles Schmutzige<br />
und Böse Läutert euer Herz, ihr<br />
Menschen Klagt und trauert und<br />
weint Euer Lachen verwandle sich in<br />
Trauer Eure Freude in Betrübnis Teuflische<br />
Weisheit Unordnung und böse<br />
Taten Mit ihr verfluchen wir die Menschen<br />
Fluch Ihr mordet und führt<br />
Krieg Eure Kinder werden von Motten<br />
zerfressen Euer Reichtum verfault<br />
Euer Gold und Silber verrostet Noch<br />
am Schlachttag habt ihr euer Herz<br />
gemässtet Von der Hölle in Brand gesetzt<br />
ist euer Fleisch Sie selbst Verzehren<br />
wie Feuer. Du glaubst: Es gibt<br />
nur den einen Gott Damit hast du recht<br />
Das glauben auch die Dämonen, und sie<br />
zittern Denn unser Gott ist verzehrendes<br />
Feuer Der Vernichter Einige liessen<br />
sich foltern Gesteinigt wurden<br />
sie, verbrannt, zersägt, Mit dem Schwert<br />
umgebracht Im Kampf bis aufs<br />
Blut Ihr seid beschimpft und gequält<br />
worden Wer das Gesetz verwirft,<br />
muss ohne Erbarmen sterben Es gibt<br />
für diese Sünden kein Opfer mehr<br />
Sondern nur ein wütendes Feuer Eine<br />
noch viel härtere Strafe Mit Füssen<br />
getreten Verachtet Mein ist die Rache<br />
Ich werde vergelten.<br />
Das sollst du wissen Es gibt viele<br />
ungehorsame, abscheuliche Menschen<br />
Gefährliche Tiere Ich schäme mich Das<br />
führt ins Verderben Wird um sich<br />
fressen wie ein Krebsgeschwür »Erkenntnis«<br />
Ehre und ewige Macht Gericht des<br />
Teufels Viele Qualen Dämonen<br />
ZOMBIES?<br />
Aus Gründen der Diskretion und des persönlichen<br />
Dankes, denen wir den Mittarbeitern dieses<br />
Projektes Schuldig sind, wollen wir Abstand vom<br />
Aufzählen unserer persönlichen Verlusste<br />
nehmen und über unsere Opfer Schweigen. Der<br />
Weltöffentlichkeit dürfen diese Filmaufnahmen<br />
jedoch nicht länger vorenthallten werden. Der<br />
Schleier der Angst, der sich um das Thema „LEBENDE<br />
TOTE“ legt, muss gelüftet werden, so grauenvoll und<br />
beängstigend die Erkenntniss über die wandelnden<br />
Leichen auch sein mag.<br />
Schutz bietet nur die Aufklärung über die vorliegenden<br />
Fakten, Tatsachen dürfen nicht totgeschwiegen<br />
werden.<br />
Dieses Dokumentationsmaterial zeigt jedoch nur<br />
einen Teil der bisher zugänglichen Filmaufzeichnungen.<br />
Die vielen undokumentierten, nur durch<br />
Zeugenaussagen bestätigten Berichte aus Mexiko<br />
und Brasilien, aber auch aus Landstrichen der<br />
ehemaliegen UDSSR, Osteuropa bis zu den vielen Sichtungen<br />
in Österreich lassen die Bedrohung auch<br />
für Europa erdrückend erscheinen und unterstreichen<br />
die Forschungen dieses renomierten Institutes.<br />
Forschungen und wissenschaftliche Untersuchungen<br />
haben stattgefunden. Herausgekommen ist<br />
eine Sammlung an S- und 1mm Filmmitschnitte, teils<br />
Restauriert, Teils nur unvollständig erhallten,<br />
das Fragen aufwirft. Fragen zur struckturellen<br />
Umwälzung unserer Gesellschaft und Fragen<br />
zur Staatlichen Zensur. Aber auch Fragen zur<br />
wiederaufkommenden Integrität unserer Religiösen<br />
Vorstellungen in einem Zeitalter rasanter Technologischer<br />
Entwicklungen.<br />
Ja, ich komme Ich komme mit dem Blut<br />
von Böcken und jungen Stieren Bund<br />
mit Blut Sein Ende ist die Vernichtung<br />
durch Feuer Fleisch und Blut Teufel<br />
Tod Gewalt<br />
Es gibt keine Vergebung ohne Blutvergiessen<br />
Wir waren von Natur aus Kinder<br />
des Zorns Diese Tage sind Böse Ihr<br />
Sinn ist verfinstert<br />
Gebt acht auf die Verschnittenen! Gebt<br />
acht auf diese Hunde Freut euch mit<br />
mir<br />
Seid Dankbar! Darum tötet
58 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VIII - Religion Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Das Gesetz ist Gut Ich sage die Wahrheit<br />
und lüge nicht Für solche, die Vater<br />
oder Mutter töten, für Mörder, Unzüchtige,<br />
Knabenschänder, Menschenhändler<br />
Für Leute, die Lügen Böse<br />
Menschen Auch wir waren früher<br />
Verhasst und hassten einander Sohn<br />
des Verderbens In loderndem Feuer<br />
übt er Vergeltung<br />
An denen, die nicht gehorchen Mit ewigem<br />
Feuer werden sie bestraft Verderben<br />
Wie die Heiden Die Gott nicht kennt<br />
Feinde aller Zorn, Wut und Bosheit<br />
Diese Leute sollen sich doch gleich entmannen<br />
lassen Sklaven der Götter<br />
Alle stehen unter dem Fluch Ich sage<br />
das, damit ihr euch schämt Werdet<br />
nüchtern Verflucht ist jeder<br />
Fleisch und Blut Schlechter Umgang<br />
Was wird, ist verweslich Ist armselig,<br />
ist schwach Der letzte Feind ist<br />
der Tod Lasst euch nicht irreführen<br />
Ihr seid in euren Sünden verloren<br />
Todesurteil Todesnot Danach kommt<br />
das Ende Wir sind entschlossen, alle<br />
Ungehorsamen zu strafen Fluch des<br />
Gesetzes<br />
Beliar? Im Namen unseres Herrn wollen<br />
wir uns versammeln Und zusammen<br />
diesen Menschen dem Satan übergeben,<br />
Zum Verderben seines Fleisches<br />
Schafft den Übeltäter weg aus eurer<br />
Mitte Das ist Opferfleisch Urteilt<br />
selbst Satan Versuchung Die Welt<br />
vergeht Kein Fleisch mehr<br />
Knabenschänder / Lustknaben Gott<br />
wird beide vernichten Ich sage das,<br />
damit ihr euch schämt Blutschande<br />
Eure Kinder unrein Wie ein Sklave gebunden<br />
Was man dort opfert, opfert<br />
man den Dämonen Einige von ihren Götzen<br />
Essen das Fleisch<br />
Im Götzentempel Beim Mahl Götzenopferfleisch<br />
Alles ist mir erlaubt »Alles<br />
ist mir erlaubt« Bosheit und Schlechtigkeit<br />
Zum Fluch geworden Das Feuer wird<br />
prüfen Gott verderben Bis ans Ende<br />
Fürchte dich Ich werde vergelten<br />
Mein ist die Rache Darum ermahne ich<br />
euch Heute Soll ich mit dem Stock zu<br />
euch kommen?<br />
Welt,<br />
Leben, Tod<br />
V e r f -<br />
lucht sie<br />
F e i n d e<br />
G o t t e s<br />
Alles gehört<br />
euch<br />
G o t t e s<br />
T e m p e l<br />
verdirbt<br />
Jener Tag<br />
/ im Feuer<br />
Brennt es<br />
nieder<br />
Ich will<br />
das Böse<br />
Ja, ich<br />
m ö c h t e<br />
s e l b e r<br />
v e r f -<br />
l u c h t<br />
sein Ver<br />
a c h t e t<br />
Schwach<br />
Sozusagen<br />
der Abs<br />
c h a u m<br />
der Welt<br />
Unglückl<br />
i c h e r<br />
M e n s c h<br />
N i c h t s<br />
Gutes in<br />
m e i n e m<br />
F l e i s c h<br />
In mir,<br />
was ich<br />
hasse Ich<br />
tue, was<br />
ich will<br />
Ich bin<br />
F l e i s c h<br />
Die Mächte<br />
des Unh<br />
e i l s<br />
Sünde und<br />
Tod Dem<br />
F l e i s c h<br />
verfallen<br />
Wir dienen<br />
Denn der<br />
Lohn ist<br />
der Tod<br />
S k l a v e n<br />
G o t t e s<br />
S k l a v e n<br />
der Sünde<br />
Jetzt<br />
Sie bringen den Tod Ich bin nicht verrückt<br />
Was ich sage ist wahr und<br />
vernünftig Strafen in massloser<br />
Wut Blut vergiessen Pest Der sei<br />
verflucht Er darf nicht am Leben<br />
bleiben Weg mit so einem Menschen Fesseln<br />
und zur Bestrafung ins Gefängnis<br />
werfen Und in den Synagogen auspeitschen<br />
Ich habe den Weg bis auf<br />
den Tod verfolgt, Habe Männer und<br />
Frauen gefesselt Weg mit ihm Zur<br />
Verwesung Ins Grab Schaut hin, ihr<br />
Verachter, Staunt und erstarrt! Er<br />
hat die Verwesung gesehen Brüder und<br />
Väter ! Hört: Gross ist die Artemis von<br />
Ephesus! Gross ist die Artemis von Ephesus!<br />
Nackt und zerschunden Ich beschwöre<br />
euch Blut komme über euer<br />
Haupt Antiochia Zeus Hermes Prophetisch<br />
begabte Jungfrauen Götzenopferfleisch,<br />
Blut Ersticktes und Unzucht<br />
die leichen stehen<br />
wieder auf<br />
Pisidien Pamphylien Attalia Von der Finsternis<br />
Voll Fluch »Der Eine« Todesleiden<br />
Macht des Satans Steh auf! Auch ich<br />
bin nur ein Mensch Stern des Gottes<br />
Romfa Steh auf! Schlachte und iss!<br />
Theudas Frau Saphira Deine Hand Dein<br />
Wille Von den Toten Kranke Menschen<br />
Wollen wir ihnen bei Strafe verbieten,<br />
sie zu bestrafen Jeder wird ausgemerzt<br />
werden Von Furcht ergriffen Sieh<br />
uns an! Schaut die Verwesung Einfalt<br />
des Herzens Verwesung<br />
schauen Blutacker<br />
auf der Erde<br />
Bosheit Blut und Feuer<br />
Dann stürzte er<br />
vornüber zu Boden,<br />
sein Leib barst auseinander<br />
Und alle Eingeweide<br />
fielen heraus<br />
Weide<br />
Habt Mut: Ich habe die<br />
Welt besiegt Die Welt hat<br />
sie gehasst Ich werde<br />
nicht mehr viel zu euch<br />
sagen Denn es kommt der<br />
Herrscher der Welt<br />
Auch Judas, der Verräter<br />
Ohne Grund haben<br />
sie mich gehasst Es<br />
hat gedonnert Jetzt wird<br />
Gericht gehalten über<br />
diese Welt Ihr sagt zu<br />
mir Meister und Herr<br />
Und ihr nennt mich mit<br />
recht so Denn ich bin<br />
es Niemals sollst du<br />
mir die Füsse waschen<br />
Warum rede ich überhaupt<br />
noch mit euch? Ihr<br />
werdet in euren Sünden<br />
sterben Euch kann die<br />
Welt nicht hassen Mich<br />
aber hasst sie<br />
Murrt nicht! In euren<br />
Sünden sterben Ich bin<br />
es, der mit dir spricht<br />
Damit dir noch schlimmeres<br />
zustösst Mein<br />
Fleisch Verflucht es<br />
Ihr werdet in eurer<br />
Sünde sterben Ich will<br />
euch zeigen, wen ihr<br />
fürchten sollt Ihr Heuchler!<br />
Du aber musst<br />
leiden In der Unterwelt<br />
Qualvolle Schmerzen<br />
Ort der Qual Ich leide<br />
grosse Qual in diesem<br />
Feuer Wir sind unnütze<br />
Sklaven Mutter Wird<br />
Zwietracht herrschen<br />
Nicht Frieden, sondern<br />
Spaltung Ich bin gekommen,<br />
um Feuer auf die<br />
Erde zu werfen Zwietracht Doch weh<br />
euch Warnung Weh euch: ihr seid wie<br />
Gräber Diese Generation ist böse Raubgier<br />
und Bosheit Königin des Südens Ich<br />
sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel<br />
fallen In die Unterwelt wirst du<br />
hinabgeworfen Mit Hilfe von Beelzebul,<br />
dem Anführer der Dämonen Sollen wir<br />
befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt<br />
und vernichtet? Weh euch! Weh euch, ihr<br />
werdet hungern Weh euch, ihr werdet<br />
klagen und weinen Ich bin ein Sünder<br />
Weh euch Ihr Schlangenbrut Tote stehen<br />
auf Du Heuchler! Verfluchen Diese<br />
Fresser und Säufer Werden In einer<br />
anderen Gestalt Verdammt Wir haben<br />
für euch auf der Flöte gespielt Und<br />
ihr habt nicht getanzt In nie erlöschendem<br />
Feuer verbrennen Dir selbst<br />
aber wird ein Schwert durch die Seele<br />
dringen Heil dir Schädelhöhle / Golgotha<br />
Er ist schuldig und muss sterben<br />
Der Verräter Ihr werdet von allen<br />
gehasst werden Das muss geschehen Es<br />
ist aber noch nicht das Ende Glaubt<br />
nur, das ihr es schon erhalten habt<br />
Ich bin es Den du verflucht hast<br />
Die Verfluchung<br />
Wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer<br />
nicht erlischt Das nie erlöschende<br />
Feuer Weg mit dir Er werde getötet<br />
Mit Feuer Gebt acht Öffne dich! Verflucht<br />
Talita kum! Quäle mich nicht!<br />
Schweig, sei still! Die Zeit der Ernte ist<br />
da Besessen Keine Vergebung In sich<br />
gespalten In sich gespalten Satan Satan<br />
Die Dämonen Er ist von Beelzebul<br />
besessen Er ist von Sinnen Donnersöhne<br />
Die Dämonen Mit Vollmacht Gekommen,<br />
um ins Verderben zu stürzen<br />
Bis zum Ende der Welt<br />
Die Gräber<br />
Ihr Verfluchten<br />
Weg von mir<br />
In das ewige Feuer<br />
Zeichen am Himmel<br />
Erkennen, dass das Ende vor der Tür<br />
steht Am Heiligen Ort Dem Unheilvollen<br />
Greuel Dann kommt das Ende Dann<br />
wird man euch töten und ihr werdet<br />
Von allen gehasst Das muss geschehen<br />
Ihr Nattern Ihr Schlangenbrut! Wie<br />
wollt ihr dem Strafgericht der Hölle<br />
entrinnen? Wie die Gräber, voll Knochen<br />
Schmutz und Verwesung<br />
Hörst du, was sie rufen? Du elender<br />
Diener! Folterknecht In das Feuer der<br />
Hölle<br />
In das ewige Feuer Unzucht Diebstahl<br />
Mord Böse Gedanken kommen aus dem<br />
Herzen Meine Tochter wird von einem<br />
Dämon gequält Ihr Heuchler! Verflucht<br />
Sie waschen sich nicht die Hände<br />
vor dem Essen Habt ihr das alles verstanden?<br />
Er sagte So wird es am Ende<br />
der Welt sein:<br />
Die Engel werden kommen Und die Bösen<br />
von den Gerechten trennen Und in den<br />
Ofen werfen In dem das Feuer brennt<br />
a
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VIII - Religion<br />
<strong>ST</strong>/A/R 59<br />
Dort werden sie heulen und mit den Zähnen<br />
knirschen Wie die Sonne leuchten<br />
Heulen und mit den Zähnen knirschen<br />
In den Ofen werfen In dem das Feuer<br />
brennt Am Ende der Welt Im Feuer<br />
verbrannt Das Ende der Welt Teufel<br />
Die Söhne des Bösen Der gute Same Kommt<br />
der Böse Und nimmt Immer alles<br />
weg Immer Königin des Südens Ihr Schlangenbrut<br />
Sodom Tote stehen auf Und<br />
ihr werdet von allen gehasst werden<br />
Fürchtet euch vor dem, Der Seele und<br />
Leib ins Verderben der Hölle stürzen<br />
kann Geht und weckt Tote auf Mit hilfe<br />
des Anführers der Dämonen Bringt<br />
Opfer dar Vergeltung: Du Heuchler!<br />
Besessene Sie können euch zerreissen<br />
Dein ganzer Leib in die Hölle geworfen<br />
eiou<br />
Mark wie Kot Da jage ich den Menschen<br />
Angst ein Und ich rotte die Menschen<br />
auf der Erde aus - ich raffe alles<br />
vom Erdboden weg – Das Gericht<br />
DAS GERICHT<br />
Die Weherufe Hört man vom Fischtor<br />
her Geschrei Wie die Fische im Meer<br />
Wie das Gewürm Die Menschen Doch sie<br />
werden es büssen Zwietracht Mit Kot<br />
bewerfe ich dich Gebe dich der Vernichtung<br />
preis Und mache dich zum<br />
Schaustück Entblösst Zur Schau<br />
gestellt Wird weggeführt Rächender<br />
Gott Zertreten Wie Gossenkot Bestrafung<br />
kommt Um dich zu Schlagen In<br />
Die Hunde fressen dann Und zerreissen<br />
ihnen die Brust und das Herz Und<br />
die wilden Tiere zerfleischen sie Am<br />
Tag der Schlacht Dort habe ich sie<br />
hassen gelernt Sie waren so abscheulich<br />
wie der, den sie liebten Mein Gott! Sie<br />
schreien Sie liegen nur da und heulen<br />
»Unflat«<br />
Sie haben Bastarde geboren Sie gehen<br />
mit Schande zugrunde Schändliche<br />
Schamlosigkeit Ich aber werde euch<br />
alle bestrafen Deine Mutter lasse<br />
ich umkommen Ich schleppe sie weg Und<br />
keiner kann sie mir entreissen Ich, ja,<br />
ich reisse, Dann gehe ich davon Wie ein<br />
junger Löwe<br />
Ich gehe<br />
weg Ich<br />
kehre an<br />
meinen Ort<br />
z u r ü c k<br />
B l u t t a t<br />
reiht sich<br />
an Bluttat<br />
Fluch und<br />
B e t r u g<br />
Mord Mein<br />
Baal! Mein<br />
Mann!<br />
;<br />
-<br />
Auch mit<br />
i h r e n<br />
K i n d e r n<br />
habe ich<br />
kein Erb<br />
a r m e n<br />
D e n n<br />
es sind<br />
D i r n e n<br />
kinder Ja,<br />
ihre Mutter<br />
war<br />
eine Dirne<br />
Die Frau,<br />
die sie Gebar<br />
Trieb<br />
schändliche<br />
Dinge<br />
S o n s t<br />
ziehe ich<br />
sie nackt<br />
aus Dann<br />
entblösse<br />
ich ihre<br />
Scham Kein<br />
Erbarmen!<br />
Hass gegen dich vorgehen Und dir alles<br />
nehmen Sie werden dich nackt und<br />
bloss zurücklassen Deine lüssterne,<br />
schändliche und unzüchtige Scham<br />
wird entblösst Das tut man dir an,<br />
weil du so unzüchtig bist Und dich unrein<br />
gemacht hast<br />
Ich reisse und schlage dir Haken in die<br />
Kinnbacken Du musst sterben! Ringsum<br />
sind Gräber Jeder hat Angst um<br />
sein Leben Ich tränke das Land bis zu<br />
den Bergen Mit der Flut deines Blutes<br />
Von dir vordere ich Rechenschaft<br />
Schreckenerregende Rechenschaft<br />
Wer nicht niederfällt Wird in den glühenden<br />
Feuerofen geworfen Ein drittes<br />
Reich Das die ganze Erde beherrschen<br />
wird Das war der Traum Endgültig<br />
ausgetilgt und vernichtet Fresst<br />
Fleisch und trinkt Blut! Du bist das<br />
goldene Haupt Überhaupt keinen Gott<br />
Erschrecken Blut soll dich verfolgen<br />
Hass Zorn Stöhnt wie ein tödlich<br />
verletzter Finstere Wolken Es wird<br />
ein schwarzer Tag Das Urteil<br />
In Krämpfen winden Verbrennen Verbrecher<br />
Ich führe das Ende herbei Ich habe<br />
gesprochen Verbrennen<br />
Jammert und schreit:<br />
Weh über diesen Tag!<br />
Denn der Tag ist nahe<br />
Ein Tag dunkler Wolken<br />
Beim Gestöhn der zu Tode getroffenen<br />
Beim mörderischen Blutbad Ha, Ich<br />
schicke Pest und Mord in die Gossen<br />
Ich bin ein Gott Voll Verachtung Meine<br />
Rache Verwüstung Ich vernichte<br />
Mensch und Tier Ich vernichte dich<br />
Ich rotte dich aus »Ha, ha« Meine Rache<br />
Man berufe eine Volksversammlung<br />
gegen sie ein; Sie sollen misshandelt und<br />
ausgeraubt werden Die Volksversammlung<br />
soll sie steinigen Und mit Schwertern<br />
in Stücke hauen Ihre Söhne und<br />
Töchter soll man töten Und ihre Häuser<br />
verbrennen<br />
Rache<br />
Auf dem nackten Felsen vergiesse<br />
ich ihr Blut; Ich schichte einen grossen<br />
Holzstoss auf Ich häufe das Holz<br />
Ich entzünde das Feuer Ich koche das<br />
Fleisch Ich giesse die Brühe ab Und die<br />
Knochen sollen verbrennen<br />
Dämonen Um uns schon vor der Zeit<br />
zu quälen?<br />
Denen, die im Schattenreich des Todes<br />
wohnten Ihr Schlangenbrut Ins Feuer<br />
Mit Feuer taufen Fresser Und der<br />
Tag, der kommt, wird sie verbrennen<br />
Denn seht, der Tag kommt Er brennt<br />
wie ein Ofen Seht, ich schlage euch den<br />
Arm ab Und werfe euch Unrat ins<br />
Gesicht<br />
Von meinem Schwert durchbort Ja, er<br />
vernichtet Alle Götter der Erde So<br />
wahr ich lebe<br />
Sodom wie Gomorrah Dann bereitet er<br />
allen Bewohnern der Erde ein Ende Ein<br />
schreckliches Ende Ihr Blut wird hingeschüttet<br />
wie Schutt Und ihr fettes<br />
Schrecken zu stürzen Jetzt ritze dich<br />
wund Winde dich, stöhne Am Ende der<br />
Tage wird es geschehen Sie trinken<br />
und taumeln Sie werden, als seien sie<br />
niemals gewesen Alles ist voller Leichen<br />
Überall wirft man sie hin Still!<br />
Doch seht Ich schicke ein Volk, das<br />
euch quälen wird Dann erhebt sich<br />
ein Gestank Verwesungsgeruch steigt<br />
von ihm aus Ruft den Heiligen Krieg<br />
aus! Ein Volk<br />
Wacht auf, ihr Betrunkenen, und<br />
weint!<br />
Jammert, ihr Zecher!<br />
Ihre Kinder werden zerschmettert<br />
Die schwangeren Frauen aufgeschlitzt<br />
Tod, wo sind deine Seuchen?<br />
Aber der<br />
kann euch<br />
nicht heilen<br />
Er befreit<br />
euch<br />
nicht von<br />
euren Geschwüren<br />
S e i n e<br />
Krankheit<br />
Sein Geschwür<br />
Ich aber bin wie Eiter, wie Fäulnis<br />
»Unflat«<br />
Fremde<br />
Sie sollen vor mir stehen, um mir Fett<br />
und Blut darzubringen Meine Opferspeise,<br />
Fett und Blut Es bersten die<br />
Berge Im Feuer meines Zorns Ungeheures<br />
Verderben Zur Zeit des Endes<br />
Ha, ich rede voll Leidenschaft und<br />
Grimm Du bist eine Menschenfresserin<br />
Du sollst Scherben zerbeissen und<br />
dir die Brüsste zerreissen<br />
Denn ich habe gesprochen Zum Gelächter<br />
und Gespött sollst du werden Ich will<br />
dich in die Gewalt derer geben Gegen die<br />
du jetzt voll Hass bist Sie werden voll<br />
Sie fressen Menschen Noch am selben<br />
Tag, da sie ihre Söhne den Götzen<br />
schlachteten Trieben sie es in meinem<br />
Haus Ich vernichte sie im Feuer meines<br />
Zorns<br />
Du sollst sagen: Schwert, Schwert,<br />
Gezückt zum schlachten Zu Trümmern,<br />
Trümmern, Trümmern Nichts soll bleiben<br />
wie es ist<br />
Du Entweihter Die Zeit der entgülltigen<br />
Abrechnung Ich liefere dich<br />
grausamen Menschen aus Die ihr<br />
mörderisches Handwerk verstehen<br />
Das Feuer soll dich verzehren Mitten<br />
im Land soll dein Blut fliessen<br />
An dich wird sich niemand erinnern<br />
Jetzt ist der Tag gekommen Die Zeit der<br />
entgülltigen Abrechnung Ein Schwert<br />
zum Morden ist es Zum Morden Das gewalltige<br />
Schwert, das sie durchbohrt<br />
Schrei und heule, Menschensohn!<br />
Für des Henkers Hand Ein Schwert<br />
Zum Schlachten, zum Schlachten ist es<br />
geschärft; Ein Schwert, ein Schwert<br />
Geschärft und poliert Er soll nicht<br />
am Leben bleiben So wahr ich lebe Sein<br />
Blut wird auf ihm sein Eine Totenklage<br />
ist dieses Lied; Zur Totenklage ist es ge-
MAHNMAL<br />
MAHNMAL<br />
Computer Generated Images by Marcus Hinterthür - ask for custom m.hinterthuer@gmx.net<br />
nach einer Architekturskizze von Heidulf Gerngross
62 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VIII - Religion Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Wie am Meer brechen sich die Wellen am Sandstrand von Tamtchi,<br />
dem ersten Badeort am Nordufer des kirgisischen Issyk Kul - Sees. Seine<br />
Uferzonen werden von der Seidenstraße berührt und gelten seit Jahrtausenden<br />
als Kreuzweg der Kulturen, als Ort der Erholung und Begegnung.<br />
Eine alte Kirgisenweisheit besagt, wer hier einmal im Jahr ins Wasser<br />
steigt, bleibt gesund. Der Issyk Kul gilt als wasserreichster Gebirgssee<br />
der Welt. Von Ost nach West misst er 140, von Nord nach Süd bis zu 70<br />
Kilometer und reicht 600 Meter in die Tiefe.<br />
Die gletscherbedeckten Gebirge im Hintergrund, die sich am Vorabend<br />
noch malerisch im Wasser spiegelten sind in die Ferne gerückt. Sie gehören<br />
zum Tien Schan, den Himmelsbergen und ragen bis zu 7.439 Meter<br />
empor. Nach den ersten kräftigeren Schwimmzügen im leicht salzhältigen<br />
Wasser bleibt einem der Atem weg.<br />
Die dünnere Luft auf 1.600 Metern spürt man deutlich. Ein hervorragendes Anpassungstraining,<br />
wenn man durchs Gebirge wandernt möchte. 90 Prozent des Landes,<br />
das mit 195.500 Quadratkilometern etwa die Fläche von Österreich, Bayern und<br />
der Schweiz umfasst, liegen über tausend Metern Seehöhe. 34 Prozent der Fläche<br />
ragen über 3.000 Meter hinaus.<br />
Die Fahrt in die Berge führt uns zunächst das mediterrane Südufer des Sees<br />
entlang. Immer wieder finden sich bizzarre Vorgebirgsformationen. Rot leuchten die<br />
neun Ochsen bei Tscheti Ögüs, Bergrücken, die die Erosion ausgewaschen hat.<br />
Am Song Kul, dem „schönen See“, auf 3.000 Metern Seehöhe verbringen die Hirten<br />
mit ihren Pferden, Schafen, Rindern, Yaks den Sommer. Am Leben der Clans hat<br />
sich in den letzten Jahrhunderten nur wenig geändert. Schon die Zehnjährigen gelten<br />
als hervorragende Reiter, die es nicht verstehen können, dass Erwachsene Männer<br />
bei Pferden für Verwirrung sorgen.<br />
Perfektion am Sattel ist Selbstverständlichkeit hier. Es gehört viel Übung dazu, um<br />
um jene akrobatischen Übungen zu beherrschen, die bei den legendären Reiterspielen<br />
dargeboten werden. Oder um jenes wilde, poloartige Reiterspiel zu erlernen, das<br />
die Kirgisen voll Enthusiasmus pflegen. Dabei wird ein Schafsbock geschlachtet, der<br />
Kopf abgetrennt, die unterel Läufe gehäutet. Danach jagen zwei Mannschaften damit<br />
über die Wiesen. Es gilt als Ehre, wenn der Bock in den Eingang einer bestimmte<br />
Jurte geworfen wird.<br />
Als nomadisierendes Turkvolk gelten die Kirgisen gastfreundlilch langmütig und tolerant.<br />
Sie stellen mit zirka 65% die Bevölkerungsmehrheit. Außerdem leben Usbeken,<br />
Russen, Dunganen (chinesische Muslime), Uiguren (1,0 %), Ukrainer, Tadschiken ,<br />
Tataren , Kasachen und Angehörige weiterer Ethnien, wie etwa 57.000 Mescheten,<br />
im Lande.<br />
Die Bevölkerungsmehrheit bekennt sich zum sunnitischen Islam, der stark mit Schamanstischen<br />
Ritualen und Naturreligionen durchsetzt ist. Gegen ein gutes Stamperl<br />
hat hier keiner was einzuwenden, zu jung ist die Vergangenheit als Kirgisische Sowjetrepublilk.<br />
Auch der Luftgetrockenete von daheim kommt gut an. Selbstbewusst,<br />
modern und vor allem unverschleiert ist der Auftritt der Frauen. Sie stellen vielerorts<br />
in der Wirtschaft ihren Mann.<br />
Am Kuhfladenherd in der Gemeinschaftsjurte erwärmen wir uns rasch und stärken<br />
uns beim Nachtmahl mit allerlei kirgisischen Leckereien. Es gibt Lagmat, einen suppigen<br />
Nudeleintopf, Butter, Käse, Wurst, Weißbrot, Tee und als Nachspeise Brandteigspiralen,<br />
die hervorragend zu den aromatischen Marmeladen passen. Kirgistan<br />
ist ja die Heimat der Marille doch die anderen Früchte des Sommers, vor allem die<br />
Himbeeren aus der Höhe schmecken einzigartig. Zum Abschluss<br />
Etwas schweigsam und müde schauen sie ins Feuer. Einer von Ihnen entschuldigt<br />
sich für die Einsilbigkeit am ersten Abend und fügt hinzu, dass sich dies schon ändern<br />
wird, wenn wir uns mal näher kennen. Er soll recht behalten. Denn schon bald<br />
erleben wir zünftige Jurtenabende mit viel Gelächter und Self-Entertainment, das<br />
unsere Tagesmärsche beschließt.
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VIII - Religion<br />
<strong>ST</strong>/A/R 63<br />
Die Hauptstadt Bischkek ist das Zentrum des Wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Auf Kirgisisch<br />
bezeichnet bischkek oder pischpek ein Gefäß für die Zubereitung von Kymys, fermentierter<br />
Stutenmilch. Planmäßig im Schachbrettformat ausgelegt, ist es eine Stadt mit breiten Boulevards,<br />
marmorverkleideten öffentlichen Gebäuden und massigen Wohnblocks in typisch sowjetischer<br />
Bauart. Aufgrund seiner kurzen Geschichte hat Bischkek keine historischen Bauwerke. Fast alle<br />
Straßen in der Kernstadt sind beidseitig von Bewässerungskanälen flankiert, welche die zahllosen<br />
Bäume bewässern, die im heißen Sommer Schatten spenden.<br />
Im Gespräch mit Gerald Kofler und Peter Felch hat der russisschstämmige Künstler, Valeri Ruppel,<br />
namhafter Vertreter der modernen Kunst, Stellung bezogen.<br />
Als Sie nach Kirgistan kamen, was war Ihre Motivation zu bleiben und hier zu arbeiten?<br />
Wie ich hierher kam, ist ganz einfach erklärt: Als ich mit <strong>20</strong> nach Zentralasien kam, waren meine<br />
Motive rein romantischer Natur. Ich wollte exotische Länder kennen lernen. Und so begab ich mich<br />
damals in das, wie mir schien, sehr exotische Asien, das mich bis heute Staunen lässt über das,<br />
was mich umgibt. Außerdem ist der altruistische Dienst an der Kunst, an der modernen Kunst, auch<br />
keine schlechte Aufgabe. Das ist mein Karma!: hier in Zentralasien<br />
moderne Kunst zu betreiben und zu vertreten. Irgendjemand muss das<br />
ja tun.<br />
Denken Sie, dass Sie in anderen Ländern mehr Resonanz und Erfolg<br />
haben könnten?<br />
Wenn ich mich in Europa aufhalte, gefällt mir sehr, was sich dort in der<br />
modernen Kunst abspielt, mir gefällt der kontinuierliche und schnelle<br />
Prozess des Wechsels von Prioritäten, von Ausrichtungen. Dieser lebendige<br />
Prozess ist wichtiger als alles andere. Wenn ich nach Kirgistan<br />
zurückkomme, versuche ich meine Inspirationen hier einzubringen. Ich<br />
weiß nicht, wie ich dort leben und arbeiten würde, aber ich kann diesen<br />
paradoxalen Unterschied und Kontrast zwischen dem, was dort passiert<br />
und hier, überprüfen und auflösen, indem ich hier arbeite.Das ist auch<br />
ein gewisses Experiment, meine Teilnahme am Werdegang und am<br />
Leben der zeitgenössischen Kunst. Als lebendes Wesen will ich an<br />
diesen Prozessen teilnehmen.<br />
Sehen Sie eine Kommerzialisierung der Kunst in Europa?<br />
Das gibt es alles in Europa in einem enormen Ausmaß, daneben aber nimmt die zeitgenössische<br />
experimentelle Kunst einen wichtigen Platz ein; sie hat einen hohen Stellenwert in der Kunst<br />
allgemein, in den Museen und Galerien, in der Gesellschaft. Das ist hier nicht der Fall. Hier nimmt<br />
die kommerzielle Kunst den größten Raum ein. Das liegt wahrscheinlich daran, es den Bedarf dafür<br />
gibt. Mit der Bildung der neuen Mittelschicht von Businessleuten, den Neureichen, wie sie genannt<br />
werden, entstand der Bedarf an Dekorativem, der Wunsch nach Verzierung. Geschmack haben<br />
sie keinen, wohl aber den Wunsch, das Bedürfnis sich mit etwas zu schmücken. Und es gibt einen<br />
großen Künstlerkreis, der bereit ist, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Dazu kommt, dass wir haben<br />
kaum Zugang zu Informationen haben, es gibt keine Kunstberichterstattung, keine Kunstzeitschriften,<br />
das Netz ist unsere einzige Informationsquelle.<br />
Welche zeitgenössischen Künstler der westlichen Welt haben Sie besonders beeindruckt?<br />
Ein absolut herausragendes Beispiel der modernen Kunst für mich ist der Franzose Yves Klein.<br />
Vielleicht weise ich in meiner Suche, meinen Experimenten nicht sehr viele Ähnlichkeiten mit ihm<br />
auf, aber ich halte ihn für ein Paradebeispiel eines modernen Künstlers, ein glänzendes Beispiel<br />
dafür, wie man der zeitgenössischen Kunst und der Kunst im Allgemeinen dienen kann. Das ist für<br />
mich Yves Klein.<br />
Was interessiert Sie an Zen, an der Philosophie, der Kunst des Fernen Ostens und des Buddhismus?<br />
Die Leere in der Kunst, die Leere als philosophischer Zen-Begriff,<br />
die Leere als allumfassende philosophische Erkenntnis. Das ist im Buddhismus wichtig, mich interessiert,<br />
dass es nicht nur die Leere im physischen Sinne gibt – so gibt es zum Beispiel in chinesischen<br />
und japanischen Bildern Freiflächen. Die Leere muss da sein als etwas, das der Betrachter<br />
selbst füllen kann. Ich suche die Komponenten, die helfen, die Leere als etwas zu erfassen,<br />
das eigentlich nicht leer ist, sondern gefüllt ist … mit der Energie des Künstlers.<br />
Das ist bis heute eine schwierige Aufgabe. Diese „Formel“ ist nicht zufällig vor 10.000 Jahren entstanden,<br />
und sie lebt bis heute als Frage und Herausforderung fort, die nie an Bedeutung verlieren<br />
wird:<br />
Jede Leere kann von einem Künstler mit Bewusstsein gefüllt werden.<br />
Das ist keine einfache Aufgabe, aber es macht Sinn für mich, mich damit auseinanderzusetzen.<br />
Gerald Kofler
Nr. XX/ Herbst <strong>20</strong>08<br />
64 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch VIII - Religion Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. xx/xx<br />
Bleiben wir relaxed und scheiß ma auf den Text<br />
Städteplanung / Architektur / Religion 3,– Euro<br />
Zenita
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch IX - LITERATUR <strong>ST</strong>/A/R 65<br />
LITERATUR<br />
<strong>20</strong>09<br />
<strong>ST</strong>/A/R bedankt sich bei Elfriede Gerstl<br />
und Herbert Wimmer für die Konzeption<br />
der <strong>ST</strong>/A/R-Literaturseiten
66 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch IX - LITERATUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
KEINE ANWEISUNG, KEINE AUSZAHLUNG,<br />
KEIN BETRAG, KEIN BETRUG.<br />
(Ein paar Anmerkungen zu „Neid“)<br />
ELFRIEDE JELINEK<br />
Ich habe das Gefühl, etwas zum Privatroman „Neid“ sagen zu<br />
müssen. Jetzt flehen mich schon seit Wochen meine besten<br />
Freundinnen und Freunde an, fast weinend, das Buch „Neid“,<br />
das gar kein Buch ist, nicht lesen zu müssen. Sie glauben, sie<br />
müssen es, wie jedes ordentliche Buch (bei dem man das Ende<br />
nicht vor dem Anfang kennen soll, manchmal, bei einem Krimi,<br />
will man das ja wider besseres Wissen), von vorne bis hinten<br />
durchlesen. Gut, also kein Buch, meinetwegen, ja, wegen mir!,<br />
aber: Ausdruck kompliziert und papierverschlingend, neuer<br />
Toner muß gekauft werden, die Blätter fliegen herum wie<br />
Vögel, man kann sie nicht bändigen, man kann sich mit diesem<br />
Papierhaufen nicht auf den Balkon setzen, überhaupt nicht ins<br />
Freie, ins Offene, man kann das nirgendwohin mitnehmen, es<br />
kommt alles durcheinander. Man muß es dann womöglich<br />
wieder ordnen. Man bereut schon bald bitter, es ausgedruckt zu<br />
haben, denn nun ist das Papier verschwendet, das hat ja<br />
schließlich auch was gekostet, Bäume mußten gefällt werden,<br />
nur damit einem selbst das dann überhaupt nicht gefällt, was<br />
man da liegen hat, dieser Klotz, dieser unordentliche<br />
Papierstrunk, dieser Blättertorso, den man nie im Leben auf<br />
Kante kriegt, nicht einmal, wenn man sich die Kante selber<br />
gibt. Wie beträgt man sich diesem Betrug, ich meine diesem<br />
Roman gegenüber? Bitte, ich zum Beispiel möchte das eh nicht<br />
lesen müssen. Mir ist das ja egal, ob es jemand liest oder nicht,<br />
und meine Freunde bleiben weiterhin meine Freunde, ob sie<br />
meine Sachen nun lesen oder nicht. Was jammern sie mich an?<br />
Ich doch nicht! Was auch immer. Ich möchte nur gern sagen,<br />
wie ich es mir vorstelle: Man soll den Text überhaupt nicht<br />
ausdrucken. Man kann natürlich, aber man soll nicht. Man<br />
kann machen, was man will, das sowieso, die Menschen<br />
beklagen sich ohnedies immer. Sie wollen, daß man weiß, was<br />
sie über einen denken. Man tut ihnen einen Gefallen, sie zu<br />
enttäuschen, denn dann haben sie noch mehr Grund zur Klage.<br />
Das freut sie so sehr, das freut sie umso mehr. Ich schaue über<br />
die Menschen hinweg, egal, was sie tun, nicht im Sinn von<br />
Arroganz, im Gegenteil, sondern weil ich vielleicht zuwenig<br />
Zugehörigkeitsgefühl zu ihnen habe, was sie mir nicht eigens<br />
zu sagen brauchen (sie tun es ja trotzdem, weil sie alles trotzdem<br />
tun, jetzt erst recht). Ich schaue über sie weg und gehe durch<br />
sie hindurch, weil ich sie gar nicht mehr anschaue und auch<br />
nicht zu ihnen gehe. Dieser Text mit Namen „Neid“ gehört<br />
nicht in ein Buch. Er gehört nicht auf Papier, er gehört in den<br />
Computer hinein, dort habe<br />
ich ihn hineingestellt, dort<br />
habe ich ihn deponiert, dort<br />
kann er in Ruhe verderben wie<br />
Müll (nur auf Wunsch und<br />
mit Hilfe einiger<br />
Knopfdrückereien können Sie<br />
ihn sich aber holen, wann Sie<br />
sollen, solang Sie und soviel<br />
davon wie Sie wollen), und bin<br />
dann einfach weggegangen.<br />
Ich weiß ja, daß der Roman<br />
dableibt, auch in meinem<br />
eigenen Gerät mit dem<br />
Flachschirm. Er ist zur<br />
Entnahme frei, der Text, was<br />
ich nicht bin. Ich bin nicht<br />
frei, schon gar nicht zur<br />
Entnahme, wer würde mich<br />
auch nehmen, wer würde<br />
denn dem etwas entnehmen<br />
wollen, was ich sage? Ich hebe<br />
ja oft Tagesneuigkeiten und<br />
Aktualitäten, auch Klatsch und<br />
Tratsch, in die Texte hinein,<br />
um ihnen ihr Verfallsdatum<br />
einzuprägen. Das muß man<br />
ihnen immer wieder<br />
einbläuen, sonst vergessen sie<br />
es. Jeden Augenblick können<br />
sie fällig sein, und das ist gut<br />
so. Wenn ich sterbe, warum<br />
soll dann dieses Geschreibe<br />
leben dürfen? Es darf aber,<br />
irgendwo wird es überleben,<br />
in irgendeiner Maschine. Ich hätte vieles, das mir zu intim war,<br />
niemals in einem Buch schreiben wollen und können. Es soll<br />
so schnell verzehrt sein wie ein Hamburger oder eine<br />
Leberkässemmel. Es ist zum raschen Verbrauch bestimmt.<br />
Holen Sie es sich, wenn Sie wollen, wann immer Sie wollen, in<br />
ihr Handy, auf ihren Computer, in Ihr electronic book (nein,<br />
sowas haben Sie wahrscheinlich noch nicht, aber bald werden<br />
wir es alle haben, alles andre haben wir ja auch gekriegt), wenn<br />
Sie zehn Minuten warten müssen, an einer Haltestelle, auf<br />
einem Bahnhof, in einer Hotellobby, ein paar Stunden auf<br />
einem Flughafen, in einem Lokal. Holen Sie sich einen runter<br />
von mir, holen Sie sich etwas von mir runter, überfliegen Sie<br />
es, buchstabieren Sie es, kriechen Sie rein, kommen Sie wieder<br />
raus oder bleiben Sie drin. Die Sache ist ordentlich gearbeitet<br />
und ixmal überarbeitet, aber Sie können es einfach so<br />
überfliegen, als wäre das nichts, unter Ihnen, über Ihnen, vor<br />
Ihnen: nichts. Sie können es fressen oder sofort wieder<br />
wegschmeißen, Sie können alles, Sie haben nichts bezahlt, ich<br />
habe mit meinem Leben bezahlt, doch das ist nicht Ihr Problem,<br />
Sie können es für eine Sekunde laden und dann gleich wieder<br />
rausschmeißen. Das ist ein wunderbares Gefühl, welches ich<br />
genieße, obwohl ich gar nicht weiß, was Sie jeweils damit<br />
machen und Genuß leider nicht meine Spezialität ist. Aber<br />
bitte: nicht ausdrucken (Sie können es sich aber auch in<br />
Schweinsleder binden lassen, auch darüber hätte ich nicht zu<br />
entscheiden)! Es soll da sein und verschwinden gleichzeitig<br />
oder hintereinander, es soll eine gespensterhafte<br />
Erscheinungsform haben, dieses Geschriebene da vor Ihnen.<br />
Die gespenstische Existenz eines Wesens, das da ist und auch<br />
wieder nicht, ein Phänomen, das mich schon immer interessiert<br />
hat: lebende Tote, die nicht wissen, daß sie tot sind, Geister,<br />
Gespenster, Erscheinungen, Grusel, Schauder. Etwas, das ist<br />
und gleichzeitig nicht ist. Etwas, das sich zur Schau stellt, wenn<br />
auch ohne das Gepränge, das der Buchmarkt und das Feuilleton<br />
manchmal mit sich bringen, um Ohnmacht bzw. Aufmachung<br />
(Verlag, Buchhandel) oder Macht (Feuilleton) zu demonstrieren.<br />
Ich habe mich für die Flüchtigkeit entschieden, was meinen<br />
Text betrifft. Ich bleibe immer da, schicke meine Sachen jedoch<br />
auf Wunsch überall herum, in, ja, in all ihrer Flüchtigkeit<br />
(vielleicht Flüchtigkeit, gerade weil ich selbst nicht fliehen<br />
kann?). Jeder Mensch (oder keiner) kann sich das aus dem<br />
universellen Raum des Nichts materialisieren lassen, eine Zeile<br />
lesen, hunderte Seiten lesen, alles eins, und dann kann er das<br />
wieder verstoßen. Er kann es mehrmals aufrufen und parallel<br />
lesen, neue Verbindungen auf dem Bildschirm herstellen.<br />
Überhaupt selber Neues schaffen. Er kann sich was erklären<br />
oder nichts erklären, er oder sie, sie können sich was erklären<br />
lassen oder auch nicht. Sie können es sich anders erklären als<br />
ich es tue. Ich habe mit Entschiedenheit das Machtmittel Buch<br />
und Buchbetrieb zurückgewiesen, nur für mich, ich mache ja<br />
keine Regel draus, ich bin für mich da, sonst ist es ja keiner.<br />
Genau: Keine bin ich auch! Ich bin auch für Sie da, wenn Sie<br />
das wollen, und wenn sie es nicht wollen, bin ich sofort wieder<br />
weg. Ich will keine Macht mit diesem Text entfalten wie<br />
Buchseiten, im Gegenteil, ich will jede Macht aufheben und<br />
Ihnen dafür die Vollmacht übertragen: Machen Sie damit, was<br />
Sie wollen. Ich gebe mich ganz in Ihre Hand, schmeißen Sie<br />
mich weg oder behalten Sie mich ein wenig, eine Weile, ganz<br />
wie Sie wollen. Durch die rasch, beinahe sofort verderbenden<br />
Aktualitäten im Text habe ich ja die Flüchtigkeit des<br />
Geschriebenen geradezu beschworen, weil alles jederzeit wieder<br />
vollkommen und spurlos verschwinden kann. Das ist doch eine<br />
Chance, oder? Gehören Sie zu den Genießern oder den<br />
Entsagenden oder den Hassern?, von mir aus, oder gehören Sie<br />
zu gar niemandem?, hören Sie mir zu oder nicht; ich merke das<br />
ja gar nicht, ich merke nicht, zu wem Sie gehören, Sie können<br />
gehören, wem Sie wollen. Dieser Text gehört mir, ob Sie wollen<br />
oder nicht, ich habe ihn an niemand verkauft, ich behalte ihn,<br />
aber Sie können ihn jederzeit haben, wenn Sie wollen und<br />
wann Sie wollen. Und noch nicht einmal geliehen. Er gehört<br />
ganz Ihnen, wenn Sie mögen. Und dann ist er wieder weg. Sie<br />
müssen nichts herumschleppen, Sie müssen keine Lesezeichen<br />
einlegen, Sie können Lesepausen einlegen, Sie können das<br />
alles überfliegen, Ihre Augen können woandershin gehen als<br />
Sie selber, Sie können woandershin gehen als Ihre Augen, die<br />
herumschweifen und sich heften an ein Wort, einen Buchstaben,<br />
einen Satz, einen Absatz, hundert Seiten, egal. Ich teile mein<br />
Eigentum in all seiner Flüchtigkeit mit Ihnen, um, wie gesagt,<br />
selbst die Illusion zu haben, jederzeit weg zu können, oben am<br />
Bildschirmrand ins Nichts abtauchen zu können. Dieser Roman<br />
ist da und gleichzeitig nicht da, in all seiner Rücksichtslosigkeit<br />
gegen mich (und äußerste Rücksichtnahme gegen Sie, denn<br />
Sie allein bestimmen ja über ihn!), in all seiner Leere, wenn<br />
man ihn mit einem einzigen Knopfdruck entfernt hat. Das ist<br />
es vielleicht: Die Leere zum Vorschein bringen, durch den<br />
Druck einiger Tasten. Es wird alles ganz weiß, weil Sie es vorhin<br />
gerade gelöscht haben. Es kann aber jederzeit wieder gerufen<br />
werden. Ich zähle nicht, wie oft und was wie oft. Ich zähle auf<br />
niemanden und zu niemandem. Ich habe Sie längst<br />
ausgeblendet, jetzt können Sie dasselbe mit meinem Werkchen<br />
machen, das ich ist und wieder nicht ich ist, auch wenn es Ich<br />
sagt oder dem Ich widersagt oder es dem Ich immer wieder<br />
reinsagt. Ich durchbreche jedes Ziel und mache am andern<br />
Ende weiter, auch wenn ich zu schwach bin, das Zielband zu<br />
zerreißen, das Sie mir da dauernd vorhalten, sodaß ich nicht<br />
einmal mit Zielvorgabe loslaufen kann, weil da schon das blöde<br />
Band ist, das doch so leicht zu zerreißen wäre. Ich bin am Ende.<br />
Ich bin am Anfang. Sie können das auch, jederzeit! Sie können<br />
sein, wo immer Sie wollen. Ich kann nicht sein, wo ich will.<br />
Dafür kann ich mein Schreiben schicken, wohin ich will, auch<br />
wenn ich nicht weiß, wo das ist. Was sagt man dazu? Diese<br />
Rücksichtslosigkeit, die gleichzeitig Leere ist und Leere<br />
hinterläßt, erweckt den Eindruck, daß der Machthaber<br />
(Heidegger spricht in diesem Sinn von ihm, und die<br />
Machthaberei wird den Künstlerinnen und Künstlern<br />
seltsamerweise immer zugeschrieben, Machthunger auf ihr<br />
Publikum, aber genau das will ich nicht, ich will diese Verhaberei<br />
sowieso nicht, der Filz kann zu einer Fußangel werden) etwas<br />
kann, was eigentlich jeder kann, was jeder vollziehen kann.<br />
Und auch das können Sie ja<br />
gern ausprobieren. Stellen Sie<br />
sich neben mich, einen<br />
Augenblick, fünf Minuten,<br />
eine Stunde, ein paar Stunden,<br />
Sie werden sehen: Sie können<br />
das auch! Es ist unverbindlich,<br />
denn es will nichts verbinden,<br />
kann es aber auch, wenn<br />
gewünscht, es kann ein Pflaster<br />
für eine Wunde sein oder<br />
selbst eine Wunde aufreißen.<br />
Es gehört nichts dazu außer<br />
ein paarmal Knopfdrücken<br />
und Mausfahrereien und<br />
Gedankenschiebungen. Nichts<br />
ist echt, alles ist ich. Ich bin<br />
nicht echt, was soll an mir<br />
schon echt sein? Nicht einmal<br />
die Farbe auf meinen<br />
Augenlidern, denn die ist<br />
dorthin geschmiert worden.<br />
Wo Ich draufsteht, ist zwar Ich<br />
drin, aber Ich ist sowieso nicht<br />
Herr im eigenen Haus, es ist<br />
höchstens der Hausmeister,<br />
der die Böden des Bodenlosen<br />
wischt. Aber das alles kann<br />
Ihnen egal sein. Wenn Sie ich<br />
sein wollen – bitte, von mir<br />
aus, aber wenn Sie ich wären,<br />
würden Sie merken, daß Sie<br />
alles sein wollen und überall,<br />
nur nicht ich und nur nicht<br />
dort, wo ich bin. Oder bitte,<br />
von mir aus, lernen Sie nichts, auch das können Sie. Sie können<br />
das Nichts, und Sie können alles, Sie können ein Wesen oder<br />
ein Unwesen sein, indem Sie Macht über andre (und wäre es<br />
Ihr Hund oder Ihr Partner oder Ihr Kind) ausüben wollen. Ich<br />
will das nicht. Ich will es nicht. Ich bin mir genug. Und ich<br />
habe von Ihnen genug, selbst wenn Sie nicht genug von was<br />
auch immer kriegen können. Bleiben wir getrennt! Das ist gut<br />
so. Aber das Bleibende möchte ich nicht geschaffen haben, also<br />
bitte nicht ausdrucken! Lassen Sie es laufen. Es genügt, daß ich<br />
derweil noch dableiben muß.<br />
http://ourworld.compuserve.com/homepages/elfriede/
WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch IX - LITERATUR<br />
<strong>ST</strong>/A/R 67<br />
MEMBRAN-<strong>ST</strong>ORY<br />
herbert j. wimmer<br />
als klingelton ein tiefer bronchial-katarrhalischer husten.<br />
eigentlich ist es ja ein bisschen gruselig, erzählt sich<br />
eine männliche stimme in meine nähe, schiebt sich ein<br />
sprechender langsam an mir vorbei, einen fernen abschnitt<br />
des bahnsteigs fest als fluchtpunkt seines horizonts im auge<br />
behaltend. er sieht so aus, wie ich mir vorstelle, dass ich in<br />
einigen jahrzehnten aussehen könnte. ob ihm, würde er nur<br />
einmal kurz seitenblicken, die vorstellung einschösse, er hätte<br />
vor vielen jahrzehnten so ausgesehen, so dagestanden wie ich?<br />
da habe ich ein feed bekommen, in dem ein zellbiologe<br />
von parasiten erzählt, die verhalten verändern können,<br />
vielleicht auch bei unsereinem. irgendwer hat in vielen<br />
staaten untersuchungen über parasitenbefall gemacht und<br />
angefangen herumzukorrelieren, dass ein parasit, den<br />
wir durch rohes fleisch, ungewaschenes gemüse oder die<br />
hauskatze mimi bekommen können, unsere person auf<br />
unmerkliche weise verändern könnte.<br />
fast die hälfte der menschen in den untersuchten ländern<br />
tragen in ihrem blut antikörper gegen den parasiten. und<br />
in einigen bio-psychologischen oder psycho-biologischen<br />
untersuchungen lässt sich nun angeblich zeigen,<br />
dass der parasit frauen unabhängiger, dynamischer<br />
und intelligenter macht, während hingegen männer<br />
konservativer, eifersüchtiger und gruppenhöriger werden.<br />
in beiden geschlechtern allerdings steige die neigung zu<br />
schuldbewusstsein. was hältst du davon? speichelt er ganz<br />
vergnügt am mikrofon seines headsets vorbei in die (noch)<br />
öffentliche luft.<br />
an der privatisierung der atemluft, wer möchte nicht<br />
daran verdienen. abrechenbar ist alles, ein lebenslanger<br />
einziehungsauftrag, verbrauchsschätzungen nach<br />
durchschnittlichen kubikmeter pro tag, eine gebühr fürs<br />
einatmen der wie auch immer frischen luft, eine andere<br />
gebühr fürs ausatmen der verbrauchten luft; vielleicht auch die<br />
verpflichtung, von geburt an ein luftkonto zu haben, von dem<br />
man bis auf null wegatmen kann, so heftig oder so sparsam,<br />
wie man will. die ewig undankbare bevölkerung muss daran<br />
gewöhnt werden, dass es nichts umsonst gibt, alles muss<br />
gekauft und abbezahlt werden. respekt und dankbarkeit, mehr<br />
verlangen sie ja nicht, die alles ins private umverteilenden<br />
luft-provider. wer sportelt und mehr und heftiger atmet als der<br />
durchschnitt, lebt halt kürzer, die bewegungslosen wenigatmer<br />
dürfen dafür länger in der welt sein. gebühren fürs unter- und<br />
überschreiten von durchschnittswerten, wie auch gebühren<br />
fürs hartnäckige angleichen an durchschnittswerte sind so<br />
schnell ausgedacht wie eingehoben. niemand hustet in den<br />
augenblick der abschweifung.<br />
beef tatar, carpaccio und salate aus hygiene-resistenten<br />
restaurant- und kantinen-küchen, fällt mir dazu sofort<br />
ein. weil sie ihn tragen, verlieren mäuse und ratten ihre<br />
angeborene furcht vor katzenduft, im gegenteil, sie suchen<br />
ihn, und werden der katzen leichte beute. so kann der parasit<br />
wieder in den katzendarm zurückkehren, sich vermehren und<br />
wieder ausgeschieden werden.<br />
die verstärkte neigung zu frei flottierenden schuldgefühlen<br />
kann ja nur die charity-industrie freuen.<br />
angeblich wirken medikamente, die gegen schizophrenie<br />
eingesetzt werden, auch gegen den parasiten.<br />
das finde ich ja so kurios!<br />
treibt man den parasiten aus, werden dann die von ihm<br />
geheilten frauen weniger intelligent sein, klebrige gruppen<br />
bilden und antriebslos in den familien herumhängen?<br />
und die männer verlieren dann ihren schrecklichen<br />
hang zum konservativen, hören auf elende eifersucht –<br />
othello ade! – zu zelebrieren und geraten wieder mehr zu<br />
eigenverantwortlich funktionierenden individuen, abhold<br />
dem dumpfen zusammenglucken an stammtischen und in<br />
traditionsvereinen?<br />
dafür empfinden dann alle diese verdammten unbestimmten<br />
schuldgefühle überhaupt nicht mehr?<br />
ist nicht mein, unser unbewusstes ergebnis von<br />
parasitenbefall?<br />
die ganze evolution hoch?<br />
manchmal hat der befall was mit der ausschüttung von<br />
botenstoffen zu tun. die werte von dopamin zum beispiel,<br />
diesem neurotransmitter, der anscheinend im zusammenhang<br />
mit neugierverhalten steht, sind bei infizierten erhöht. ob<br />
allerdings die substanzen vom parasiten stammen oder der<br />
parasit den oder die befallene zwingt, mehr von diesem stoff<br />
zu produzieren, ist noch lange nicht raus.<br />
manche parasiten wiederum scheinen neurotransmitter<br />
imitieren zu können. sie zerstören einfach nervenzellen oder<br />
verändern das physiologische gleichgewicht und lösen damit<br />
immunreaktionen aus. man fand auch schon – allerdings ist<br />
das noch sehr schwer zu belegen – dass manche parasiten<br />
gezielt gene ausschalten, welche die produktion von<br />
neuropeptiden steuern.<br />
ein parasit folgt dem anderen.<br />
von vielen parasiten gleichzeitg befallen.<br />
irgendwer muss immer erfinderisch sein, unkonventionell,<br />
innovativ; mal die frauen, mal die männer.<br />
sind bewusstein und unbewusstsein als folge von<br />
parasitenbefall entstanden?<br />
verdanken wir die fähigkkeit zu selbstreflexion, zu<br />
selbstspiegelung einem oder unzähligen parasiten?<br />
ist die entstehung von spiegelneuronen folge eines<br />
parasitenbefalls oder folge einer entstandenen resistenz?<br />
sind parasiten evolutionsbeschleuniger, entwicklungsturbos?<br />
jetzt müssen wir unbedingt nach einem parasiten suchen<br />
– oder einen gentechnisch herstellen, der sowohl frauen<br />
wie männer intelligenter, dynamischer und unabhängiger<br />
macht, ohne die neigung zu schuldgefühlen, dieser negativen<br />
emotionalen grundhaltung, zu verstärken, denke ich dem<br />
davonsprechenden nach.<br />
der lautsprecher scheppert neue verspätungen in unsere<br />
zukunftsoffene gegenwart.<br />
FRIEDERIKE MAYRÖCKER<br />
ich auch den weich‘ Kräutern, Höld.<br />
ich auch den weich‘ Kräutern alle Stimmen Maria Callas‘ nämlich in<br />
meinem Schädel. Vergiszmeinnicht in meinem Schädel der Sturm tobt<br />
die Angst Veilchen Vergiszmeinnicht in meinem Schädel die Einsamkeit<br />
tobt die Verzweiflung in meinem Schädel die Angst tobt der<br />
Schrecken. Venedig und Veilchen Vergiszmeinnicht Wahn und Wäldchen des<br />
Alters in meinem Schädel renne zum Veilchenbusch Fliederbusch<br />
noch keine Blüten kein Duft gegenüber die Wander Klassik (der<br />
Schneider Aslan Gültekin) sein weiszer Schädel die Himmelschlüssel<br />
Anemone Päonie in meinem Schädel hl.kl.Frau im Fenster mir winkend<br />
mir lächelnd versinke in Blumen Tränen Küssen Veilchen Vergiszmeinnicht<br />
Augen der Mutter Kehlen der Vögel : schönen Schwalben Lieblingen<br />
meiner frühen Tage nämlich die Wander Klassik 1 Jimi Hendrix<br />
steht an der Straszenkreuzung / es sei als sei es 1 Maientag rauschender<br />
Mai unter der Kuppel des Blattwerks des Baumes hin durch<br />
den Maientag Rosen der Augen der Auen im Südwind durch diesen Tag<br />
während die Tränen sind vom Himmel geflossen und sprieszend an den<br />
Ästchen (Kätzchen) des Waldes in meinem Schädel des reinen Waldes<br />
unter dem Himmel unsterblichen Himmel. Verzaubert ist mir die Welt<br />
und fiebrig in meinem Schädel Nachtviolen Fuchsien Weiden Pinien<br />
und Reseden lauschend im Garten (ich) Krokus und Haferkorn auch,<br />
kirschenessend in tiefer Nacht, auch, ich auch den weich‘ Kräutern,<br />
Hölderlin<br />
FRIEDERIKE MAYRÖCKER<br />
dieser Leiterwagen dieses Schluchzen diese 70 Jahre danach<br />
dieses mit Mutter hinauf die Dorfstrasze hinauf (damals in<br />
D.) das Kreuz der Deichsel in den Händen ach weiszt du<br />
noch der ockerfarbene Staub der Strasze an meinen Füszen<br />
(nackt) das Kreuz auf der Anhöhe wo die Felder Wiesen<br />
sich breiteten wie mit offenen Armen und wir zum nahen<br />
Steinbruch die kl. und gröszeren Steine einsammelten diese<br />
Grotten Gottesblumen in D. während über dem Stege begannen<br />
Schaafe den Zug usw.<br />
jemand, 1 Traum, hügelt mir wie Schnee oder Schwan, 1 POMP die<br />
beweglichen Primeln über dem Wasser / Mystifikation eines<br />
Lebens 80 liebliche Sommer ach weiszt du noch die Erdbeeren<br />
in den Beeten (mit Steinen bekränzt) im groszen Garten die<br />
Hauswurz die weiszen Lilien der Hibiskus in den Wolken in<br />
den duftenden Lauben die MADONNA gesehen wo die verborgenen<br />
Veilchen sprossen<br />
(aber es fallen auseinander meine Gebeine . .)<br />
6.2.08<br />
12.4.08<br />
FRIEDERIKE MAYRÖCKER
Städteplanung / Architektur / Religion Buch IX - LITERATUR <strong>ST</strong>/A/R 69<br />
Foto: Andrea Baczynski<br />
Worüber man nicht sprechen kann, dass muss man fotografieren
70 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch IX - LITERATUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
ANDREAS OKOPENKO<br />
Spontangedichte (Stand: 26.09.<strong>20</strong>08)<br />
Schiedspruch<br />
Ein hechelnder Hecht<br />
ist zwar Hund, doch nicht echt.<br />
Berliner Gedanke<br />
Das Restaurant, wo Schinkel aß,<br />
heißt jetzt „Zum goldenen Winkelmaß“.<br />
Nörgler beim Baden<br />
Die blöde Technik! Unser Wasser<br />
wird jedes Jahr ein bissel nasser!<br />
Osterhase in Parknöten<br />
Der Rasen ist voll nasser Eier –<br />
das macht der große Wasserspeier.<br />
Tadel<br />
Dem Käptn im Piratenschiff<br />
fehlt doch sehr der Prälatenschliff.<br />
Piratenfang<br />
Die zerlegte Liese<br />
schmort in der Kombüse<br />
(mit sehr viel Gemüse).<br />
Der Unermüdliche<br />
Und wenn alle Hasen schlafen,<br />
kann man noch die Katzen loven.<br />
Und wenn alle Katzen streiken,<br />
kann man noch die Igel liken.<br />
Schlager<br />
Ich schenke dir<br />
meine Sehnsucht nach mir.<br />
Der tragische Hase<br />
Und fänd er hier selbst ein Grammelknödel<br />
voll Kraut –<br />
nichts tröstet ihn über sein Rammelmädel,<br />
die Braut,<br />
die der verdammte Koloß –<br />
der Jäger – erst gestern erschoß.<br />
Christian Katt<br />
oder eine spiel.konsole<br />
- - - - -<br />
Aus den erweiterten Bauernregeln<br />
Wenn der Osterhase gockelt,<br />
wird die Welt umgesockelt.<br />
Endzeit<br />
Allenthalben<br />
Monde kalben<br />
Sonnen flammen<br />
eng beisammen.<br />
Vöglein<br />
Ich bin die böse Rohrdommel<br />
und bettle gern um Kuchen.<br />
Wenn ich dir nachts ins Ohr trommel,<br />
dann wirst du mich verfluchen.<br />
Nachtgeheimnis<br />
Nachts, wenn die Frösche unken,<br />
erwachen die Halunken.<br />
Die dümmsten sind betrunken,<br />
die schlimmsten blutversunken.<br />
Die uns in Asphalt tunken,<br />
betrachten uns versunken,<br />
bis wir total ertrunken<br />
und ohne Lebensfunken.<br />
Damit hört man sie prunken<br />
vor dümmeren Halunken,<br />
die spenden ihnen Toast.<br />
Die klugen bröchzen „Prost!“<br />
Höllisch<br />
Kamin –<br />
Come in!<br />
Liebeslied für M.<br />
Du bist so schön,<br />
du bist so nützlich –<br />
ich bin ein Frosch,<br />
und bei dir ist mir pfützlich.<br />
Verliebter Rehbock<br />
Selbst ihre Losung<br />
ist mir Liebkosung.<br />
Ausnahme<br />
Ausnahmsweise<br />
preist der Weise<br />
auch einmal das Dumme.<br />
Freu dich und verstumme.<br />
Aus der Gehirnforschung<br />
Hunde, die Tabellen bellen,<br />
haben viele graue Zellen.<br />
Purgatorium<br />
Im Fegefeuer wirst du<br />
bis zur Kenntlichkeit verbrannt.<br />
blick ganz dicht<br />
dran momentaanes voor.schnelln<br />
sofort dann das ganze<br />
lehm in sicht in<br />
sicht.weite tastbar zäh.bilder<br />
sicht.bar im augn.blikk<br />
in den augen<br />
in der augn.haltung<br />
augn.halterung<br />
augen aus bodn haltung<br />
aus zu boodn haltung<br />
gesichts.halterung<br />
geschichts.alterung<br />
zwieseitig gestützt<br />
geschichts.halterung<br />
gestützt auf sozialisierung<br />
schichtig dick schichtich<br />
meer an gesichts.schicht peeling<br />
mehr halb in der brandung (branding)<br />
ueber : set.zung<br />
tongue set over<br />
(zuende : l.ehm)<br />
blick alterung schichtn haltung<br />
schichtn halterung wie<br />
die haltn die g.schichtn<br />
von.einander weg die<br />
zwischnmenschn im<br />
aufenthaltsamkeits.b reich<br />
trennt sträng arm in arm toll.erans<br />
- - - - -<br />
als reaktion auf leute<br />
die letale dosis immer bei sich<br />
auch wenn die devise lautet all.g.mein<br />
dopplpunkt<br />
o vergnueget euch einander recht.zeitig<br />
un.ziemlich b.nommen täglich<br />
oder wenn ihnen was nicht passst<br />
wenns nicht g.lingt<br />
so nehmens doch gleich die dosis<br />
an.g.nommen es ist gift rufz<br />
aber da setzt es gleich.mut<br />
voraus zur entspannung<br />
da ist schnellstwirkendes r.wünscht<br />
g.setzt den fall gleich setzt<br />
zuerst das vergnuegn ein<br />
dann die wirkung erst<br />
und wir lassn<br />
das liquide b.dauern<br />
tröpfchenweise eins<br />
um das andre getrunkn<br />
wird immer artich<br />
wie jede andre flüssichkeit<br />
auch also tun sie sich nix an<br />
- - - - -<br />
rück.flug von vilnius<br />
nach vienna<br />
vorbereitung auf oesterreichische mimik<br />
die junge mongolin neben mir<br />
hat haarfransn als sichtschutz<br />
bei.nah rundum<br />
der mundhai schwimmt ab und an<br />
durch den vorhang aus angst<br />
verzweiflung<br />
verächtung ätzung verzweiflung<br />
zur landung streift sie<br />
die gruenseidnen handschuh ueber<br />
an.spannung volle konzentration<br />
ton und licht blendn sich aus<br />
all.es beginnt<br />
nicht zu wackln<br />
(oktober, <strong>20</strong>05)<br />
- - - - -<br />
o der herr oberrat<br />
im unterhemd kettnhemd<br />
am wochnend<br />
aus abendland unterwegs ins morgenland<br />
mit ehernem kreuz<br />
streitaxt kettenschuh und nicklbrille<br />
ausm fachgeschäft in die freizeit<br />
ja wo solls denn hingehn fragz<br />
sososo eine schlacht<br />
nach.stelln<br />
historisch<br />
non-hystergischer<br />
erkenntnisvorschutz<br />
also hirnriss also<br />
ganz alltäglicher hirnschiss also<br />
- - - - -<br />
ELFRIEDE GER<strong>ST</strong>L<br />
kunst & erotik<br />
hurtig<br />
hurig<br />
haarig<br />
behaglich<br />
wie gehabt<br />
begabt<br />
- - - -<br />
denkkrümel 01<br />
ich möchte niemandem<br />
die maske vom gesicht reissen<br />
ich will nicht sehen<br />
was darunter alles nicht ist<br />
- - - -<br />
denkkrümel 02<br />
die vermehrung des wissens<br />
erzeugt zugleich eine vermehrung<br />
des unwissens<br />
Vision<br />
Ein Hauch von Soldat<br />
verdampft für den Staat.<br />
Immer höflich<br />
(oder: Asteroiden-Einschlag)<br />
Es war, es war - -<br />
ein großes Entgegenkommen.<br />
Hölle<br />
Die Helligkeit schärft das Entsetzen,<br />
die Düsternis steigert die Qual.<br />
das junge pärchen mit dem laptop<br />
in der chirurgischn ambulanz<br />
sucht netzanschluss im wartebereich<br />
zwischn den nächstn bitte eine steckdose<br />
nach 90 minuten warten auf<br />
behandlungsbeginnen<br />
rolln die notfälle zwischndurch auf bettn oder<br />
stühlen vorbei<br />
fragz spieln die spiele oder<br />
arbeitn da 2 mit der gleichn oder selbm<br />
erkrankung<br />
an einem thema<br />
wolln eine maus sie sich oder einander<br />
implan.tiern lassn<br />
supported by<br />
W ien<br />
Kultur
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch IX - LITERATUR<br />
<strong>ST</strong>/A/R 71<br />
ELFRIEDE GER<strong>ST</strong>L<br />
tagesprogramm<br />
ordnung ins kopfchaos bringen<br />
gedankenknoten lösen &<br />
und in überschaubare<br />
bahnen<br />
geleiten<br />
unsinnige ängste verscheuchen<br />
traurigkeiten mit freunden teilen<br />
entkrampfen<br />
entkanten<br />
faltergleich durch den tag<br />
tanzen<br />
nur diese stunde zählt<br />
Der Übermensch ist<br />
der Mensch<br />
Heidulf Gerngross um <strong>20</strong>00<br />
ELFRIEDE GER<strong>ST</strong>L<br />
kunst & erotik<br />
hurtig<br />
hurig<br />
haarig<br />
behaglich<br />
wie gehabt<br />
begabt<br />
- - - -<br />
denkkrümel 01<br />
ich möchte niemandem<br />
die maske vom gesicht reissen<br />
ich will nicht sehen<br />
was darunter alles nicht ist<br />
- - - -<br />
denkkrümel 02<br />
die vermehrung des wissens<br />
erzeugt zugleich eine vermehrung<br />
des unwissens<br />
SCHILLER<br />
&<br />
GOETHE<br />
HEIDULF GERNGROSS, 19.12.<strong>20</strong>08 FÜR PUPPA
72 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch IX - LITERATUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
GANZHEITLICHE Ä<strong>ST</strong>HETISCHE PRINZIPIEN<br />
v. Manfred Stangl<br />
Gegenwärtige<br />
postmoderne<br />
oder „hochpostmoderne“<br />
Ästhetiken<br />
weisen sich<br />
durch die Verweigerung<br />
fassbarer,<br />
verbindlicher<br />
Auflistung<br />
von ästhetischen<br />
Mitteln oder gar<br />
ästhetischer Prinzipien eher als Anti-Ästhetiken<br />
aus.<br />
Letztlich führt der Dekonstruktionsprozess<br />
so weit, dass das Wort Ästhetik selbst in<br />
Misskredit gerät, sofort an Vorgaben, Einengung,<br />
fremdbestimmte Totalität gedacht<br />
wird.<br />
Die „alte“ Frage nach der instrumentellen<br />
Deutung von Kunst – also danach, ob die Anwendung<br />
ästhetischer Mittel auf das Erreichen<br />
eines bestimmten Zwecks in der Kunst<br />
abzielt, erscheint lächerlich, weil Kunst ja<br />
als jeglicher genaueren Einordnung, jeder<br />
Zweckunterwerfung erhaben definiert ist.<br />
Allerdings hängt der solches Denkende folgsam<br />
den gängigen Kunstkonzeptionen an,<br />
übersieht zumindest, dass Kunst erst seit<br />
Baudelaire, seit Heine (bzw. Hegel) als dem<br />
Fortschritt und dem Neuen verpflichtet verstanden<br />
wird und ignoriert im schlimmsten<br />
Fall die Tatsache, dass moderne Kunst vollständigerweise<br />
durch ein strenges, rigides<br />
Korsett beengt wird: der Ich-Heiligung, der<br />
Zentrierung des Ichs als den Mittelpunkt der<br />
Welt. Wobei ja pikanterweise so getan wird,<br />
als engten alle Normen, Werte und Verbindlichkeiten<br />
das Ich in dessen unbändigen Expansionsstreben<br />
ein und müsste daher alles<br />
„Bewertende“, wie schön/hässlich, links/<br />
rechts, gut/böse Dichotomien abgeschafft<br />
werden – ein Hauptanliegen der aktuellen<br />
Kunst – die meist nur „Neuartigkeit“ als Kriterium<br />
für Kunst anerkennen will, wodurch<br />
sie in Wirklichkeit oft unheimlich seicht und<br />
aufgeblasen funktioniert.<br />
Insofern ist fast jede moderne, postmoderne<br />
und „hochpostmoderne“ (sich jeglicher<br />
Deutung entziehen wollende) Kunst instrumentell<br />
zu deuten: sie wendet ästhetische<br />
Mittel an, um die Größe und die Kreativität,<br />
die Grenzenlosigkeit und die unermessliche<br />
Vielseitigkeit des Ichs zu feiern.<br />
Ihre ästhetische Mittel sind dabei die bewusst<br />
unnachvollziehbar gestaltet Vernetzung<br />
konträrer Inhalte und Formen, die<br />
Vielschichtigkeit und quasimystische Undurchschaubarkeit<br />
und Tiefe vorgaukeln<br />
soll, aber in Wahrheit in ihrer ich-erhöhenden<br />
Absicht – sobald man den begreifenden<br />
Blick dafür hat – oberflächlich, geschwätzig,<br />
selbstdarstellerisch und kitschig gekünstelt<br />
wirkt.<br />
Jene (hochpost-)modernen Künstler/Autoren<br />
sind in ihrem Selbstdarstellungskitsch<br />
pikanterweise der Romantik verpflichtet,<br />
die ja dieses überhöhte Ich-Konzept mitgestaltete;<br />
zudem forciert die sich gerne innovativ<br />
gebende Gegenwartsliteratur die Rolle<br />
der Kunst als Ersatzreligion, womit sie die<br />
Kunstreligionskonzeption der Romantiker<br />
des 18 Jahrhunderts zur Vollendung bringt,<br />
worin die Wurzeln der - eben ins Negative<br />
gepolten – Verkitschung liegen.<br />
Die „Ästhetik der Ganzheit“ benennt dezidiert<br />
ästhetische Prinzipien, die mittels<br />
entsprechender Mittel angestrebt werden<br />
können – aber natürlich von überhaupt niemandem<br />
nachvollzogen werden müssen<br />
– ist es doch die freie Entscheidung jedes<br />
Einzelnen, sich durch jene Prinzipien inspirieren<br />
und bereichernd erweitern zu lassen<br />
oder nicht.<br />
Zu den Prinzipien der „Ästhetik der Ganzheit“<br />
zählen:<br />
Einfachheit<br />
In erster Linier als Reaktion gegen die mystifizierende<br />
Unsitte heutiger Kunst, Banales<br />
oder Unsinniges mittels unnachvollziehbarer<br />
Privatassoziationen komplex und kompliziert<br />
erscheinen zu lassen. Einfachheit<br />
meint allerdings nicht Knappheit und Strenge<br />
(wie das klassizistische Ideal vorgibt)<br />
oder moderne Verknappung, die eher dem<br />
männlichen Prinzip entspricht. Einfachheit<br />
mag sich üppig und sinnlich und vollrund<br />
äußern: in solch Einfachheit ist tatsächliche<br />
Vielschichtigkeit aufgehoben – diese wird<br />
aber nicht (hoch-)postmodern durch massige<br />
Summation und willkürliche Verkreuzung<br />
der Ebenen hergestellt, sondern in der<br />
Wahrheit erkannt: dass im Regentropfen<br />
der Mond wohnt und der Himmel und die<br />
breiten Schultern der Berge.<br />
Einfach ist der Sommerregen, der auf die<br />
duftenden Gärten einer Brust fällt; einfach<br />
ist der Wind, der auf seiner Panflöte das<br />
Lied vom Vergessen und Verwehen haucht;<br />
einfach sind das Leben und der Tod.<br />
Ausgewogenheit<br />
Meint ein Gleichgewicht in einem Kunstwerk,<br />
einem Text herzustellen zwischen<br />
Zwist, Kritik, Ironie, Provokation (Stilmittel<br />
der Moderne) und der Würdigung der<br />
Schönheit des Seins, der Freude an der Existenz.<br />
Moderne Kunst/Literatur ergießt sich<br />
in die Darstellung des Negativen, Hässlichen<br />
zu Kritisierenden (zu recht oftmals); ausschließlich<br />
die Zerrissenheit und Zerstörtheit<br />
der Welt und der Seelen zu beschwören<br />
führt jedoch leicht dazu, die Zerrissenheit<br />
als allgültige Wahrheit misszudeuten. Nicht<br />
sind die Menschen nur entfremdet, in jedem<br />
blüht eine Knospe der Schönheit des<br />
Seins, ist die Potenz zu Glück und Liebe<br />
eingefaltet. Ein ganzheitliches Kunstwerk<br />
wird diesen Umstand betonen, statt ausschließlich<br />
die Zerstückelung und Kaputtheit<br />
moderner Welten zu klonen (oder wir<br />
in postmodernen Texten die Versatzstücke<br />
der Zerbrochenheit beliebig und emotionslos<br />
aneinanderzulöten – dabei geht jegliche<br />
Betroffenheit und der Wille zur Besserung<br />
und Entwicklung flöten).<br />
Stille<br />
Viel zu laut jault und schrillt die Welt in ihrer<br />
Jagd und Gier nach dem Geld. Die Kunst<br />
quietscht eifrig mit: spreizt die Beine für das<br />
fetteste Bankkontenglied. Schreit und windet<br />
sich und stößt spitze Töne aus, dem Vorgetäuschten<br />
Sinnlichkeitsorgasmus zollt der<br />
Eventbesucher befriedigt Applaus.<br />
Prinzipiell schreit jeder: „ich bin die Nummer<br />
eins. Seins ist kleiner und weniger wichtig<br />
als meins. Die Medien machen eifrig mit,<br />
bemerken den, der am Lautesten um Aufmerksamkeit<br />
buhlt und nach dem Skandal<br />
schielt. Soviel Lärm ist in der Welt, Eitelkeit<br />
und Kunst, die mittels aus sich selbst verweisender<br />
Codes nur sich selbst gefällt – deshalb<br />
interessiert niemand wirklich sich für<br />
Kunst, außer die Kunstbetriebangehörigen<br />
und Skandalblättchen, wenn wieder mal wer<br />
öffentlich brunzt.<br />
Stille aber ist die Erde in uns, aus der der<br />
Himmel erblüht, ist der O-Ton einer Musik,<br />
der man sich versunken hingibt. Ist die<br />
Bedächtigkeit und Kraft mit der ein Text die<br />
Menschen liebt Ist die Tiefe der Farben,<br />
der ruhige Kameraschwenk am Abend, das<br />
vertrauensvolle Heilenlassen der Narben.<br />
Still ist das herzliche Lachen des Kinds, der<br />
Schrei im Orgasmus, der aus der Ewigkeit<br />
stammt, das aufwühlende Flüstern des Sommerwinds,<br />
die Glut, von Sonne und Mond<br />
entflammt.<br />
Mitgefühl<br />
Das ästhetische Prinzip „Mitgefühl“ kontrastiert<br />
Kälte, Isolation und Gleichgültigkeit<br />
in der (hochpost-) modernen Welt.<br />
„Ästhetisches Prinzip“ meint - um zu verdeutlichen,<br />
wie das, heute ja gar verpönte<br />
Wort „Prinzip“ gemeint ist – ein Text oder<br />
ein Kunstwerk wird formal unter Anwendung<br />
diverser Stilmittel derart gestaltet, das<br />
der Leser, Betrachter, Hörer im besten Falle<br />
zu Mitgefühl bzw. Empathie angeregt wird,<br />
zumindest aber die Absicht des Autors/<br />
Künstlers verspürt, mit Personen/Gestalten,<br />
Menschen oder Tieren such mitfühlend zu<br />
identifizieren. In optimaler Ausgestaltung<br />
sind im Kunstwerk Prinzip Mitgefühl und<br />
Ausgewogenheit gleichrangig vertreten, bei<br />
einem Text, wie ihn der Roman „evil“ von<br />
Jack Ketchum darstellt, in dem das Martyrium,<br />
die Vergewaltigung und bestialische<br />
Quälerei eines Mädchens geschildert werden,<br />
appelliert wohl der Autor ans Mitgefühl<br />
und die Haltung des Nicht-Wegsehens und<br />
wirkt damit auf die Verhinderung solcher<br />
Vorfälle ein, ein zynischer und weltverachtender<br />
Zeitgenosse aber mag den Roman als<br />
Beweis für die Grausamkeit der Menschen<br />
sowie der Sinnlosigkeit jeglichen Optimismus<br />
oder Veränderungswillen ansehen und<br />
die bequeme Position des gleichgültig Gefühlskalten<br />
zementieren.<br />
Emotionalität/<br />
Sinnlichkeit/Intuition<br />
Dieses Prinzip der „Ästhetik der Ganzheit“<br />
fußt auf der Notwendigkeit die Durchdrungenheit<br />
der Literatur und der Kunst von abstrakten<br />
Konstrukten (Beispiel Konzeptkunst,<br />
Intellektuellen- Bildungsbürgerroman. wie<br />
etwa „Die Vermessung der Welt“) die Sinnlichkeit,<br />
die Pracht und die Fülle der Natur,<br />
der Gefühle der Menschen und Tiere (und<br />
zwar nicht nur die ausschließlich „negativen“)<br />
gegenüberzustellen, um Lebensfreude<br />
und sinnliches Glück (und eben nicht nur<br />
rein sexuelles) in die logisch-dualistische<br />
technozentrierte, Abstraktheit verherrlichende<br />
abendländische Kultur zu reintegrieren.<br />
Ebenfalls sollen die vergessenen Ebenen von<br />
Intuition und Synchronizität bedacht sein.<br />
„Positive Emotionalität“ meint übrigens<br />
nicht im Mindesten jenen verordneten<br />
Dauerspaß in den angesagten Partydomen,<br />
hinter deren Fassaden die Leere und die Depression<br />
einer ausgehöhlten, entsinnlichten<br />
und entfremdeten Kultur schaurig lauern.<br />
Diverse Stilmittel:<br />
Verwendung analoger, zyklischer Formen,<br />
Märchen, Fabel, Weisen, lyrische Prosa;<br />
Transzendierung der Romanform durch<br />
epische, lyrische Formen etc….<br />
„Ja aber, was sollen wir denn nun machen?“<br />
fragen die Zeitgenossen des Hohns, der Ironie,<br />
der Auflösung und der gewohnten Distanz.<br />
„Lasst uns einen Frühling machen“, zwitschert<br />
eine Amsel zur Antwortet, „einen<br />
März, den wir fühlen von den Wurzeln bis<br />
ins goldblaue Blätterdach. Dann lasst uns<br />
einen Mai machen, den nie jemand zwingt.<br />
Und lasst uns einen Regen machen mit<br />
schweren Tropfen die nach Thymian duften<br />
und Hoffnung süß und silbrigweich wie der<br />
Mond.<br />
Und lasst uns dann noch einen Regenbogen<br />
machen, in mindestens sieben Farben;<br />
das Orange für die Löwen, das Gelb für die<br />
Kinder, die wieder im Sonnenlicht spielen,<br />
das himmeldunkle Blau für den Wind, wie<br />
er vertrauend einschläft im heilendweißen<br />
Arm des Monds.<br />
Zusammenfassung der „Ästhetik der Ganzheit“<br />
von Manfred Stangl und das komplette Kapitel<br />
über ganzheitliche ästhetische Prinzipien sowie<br />
Stilmittel und Formen unter www.sonneundmond.at<br />
Andreas Okopenko: Rezension des Gedichtbands:<br />
„Gesang des blauen Augenvogels“ v. Manfred Stangl<br />
Der Philosoph und Lyriker Manfred Stangl, der eine umfassende<br />
„Ästhetik der Ganzheit“ verfasst hat, in der<br />
er unserer gängigen Kunstauffassung und darüber hinaus<br />
der Lebensweise unserer modernen Zivilisation mit ihrer bis<br />
zur Vernichtungsgefahr gehenden Polarisierung und Megalisierung<br />
und ihrem Prinzip Schein statt Sein den Kampf ansagt,<br />
hat es sich zum Anliegen gemacht, in seinem Werk als Lyriker<br />
eine – wie er es nennt – mystische für alle Welt eingängige<br />
Lyriksprache zu entwickeln.<br />
Schon sein erster Lyrikband „Ein Auge Sonne, ein Auge Mond“,<br />
der sich im Untertitel als Sammlung „Magischer Naturgedichte“<br />
ausweist, zeigt deutlich und unter Aufbietung reiner Poesie<br />
fernab von hochakademischer Indoktrinierung diese Tendenz<br />
des Dichters.<br />
Nun geht Stangl in seinem zweiten - an Aussagekraft gewachsenen<br />
- Lyrikwerk, den Weg weiter, der nicht die Herkunft des Poeten von der<br />
fernöstlichen Schule verleugnet, der er in all seinem Denken und Fühlen weit jenseits<br />
oberflächigen Haiku-Formalismus stark verbunden ist.<br />
Das „magisch“ ist nicht als Hokuspokus mit dem Kaninchen aus dem Ärmel zu verkennen,<br />
vielmehr – wenn ich mich aus einem frühen Gegenbekenntnis aus Zeiten des vielstrapazierten<br />
„Magischen Realismus“ in der bildenden Kunst zitieren darf – im Sinn<br />
meines Satzes: „Magischer Realismus ist eine Tautologie; die Dinge s i n d magisch,<br />
durch ihr Sein; durch ihre unendlichfaltigen Beziehungen, Möglichkeiten; die Dinge sind<br />
von Natur aus magisch; der Mensch kann sie nur negativ verzaubern, nämlich entzaubern.“<br />
Bei Stangl stehen die Dinge, besonders die Jahreszeiten und Landschaften, nicht allegorisch<br />
für irgendwas Anderes da, sondern als das, was sie konkret s i n d. Ein Fluss fließt,<br />
oder kühlt, oder beschmutzt… - vergleiche: „Was immer der Zen-Meister mitteilt, ist<br />
nicht Symbol, sondern die Sache selbst.“ (Alan W. Watts: Zen-Buddhismus). Und Feng-<br />
Hsüch erwiderte auf die Frage, wie zwischen Reden und Schweigen einem Irrtum auszuweichen<br />
sei: „Ich denke immer an Kiangsu im März – an den Ruf des Rebhuhns, an<br />
die Fülle der duftenden Blumen.“ Viel von solchem Geist spricht den Leser aus Stangls<br />
„Naturlyrik“ an, mag ihn die Elfen- und Nixen-Sicht in manchen Gedichten auch – heute<br />
befremdlich – an den Animismus der Urreligionen erinnern, mit der Vorstellung, alle<br />
Naturdinge seien belebt, beseelt – das „belebt“ wird schwer abzuweisen sein. Zudem<br />
wird der Leser, selbst wenn er nicht auf einer Wellenlänge mit Stangl ist, wohl in dessen<br />
Botschaft ein abweichendes aber respektables perfekt durchdachtes und durchfühltes<br />
Ganzes und im Gedichtschatz ein echtes Lyricum sehen.<br />
„Gesang des blauen Augenvogels – mystische Naturlyrik“, Wien, 2oo8, geb. 116 S.<br />
Verkaufspreis. 15 € im Buchhandel. ISBN: 978-3-2oo-o1111-3<br />
direkt bestellbar unter info@sonneundmond.at
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 73<br />
David Staretz<br />
schreibt, redigiert und fotografiert den Auto-<strong>ST</strong>/A/R
74 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
KUESSEN<br />
Selberfahren im McLaren SLR 722 GT<br />
LASS MICH DEINEN<br />
WINDSCHATTEN KÜSSEN<br />
David Staretz hetzt Christina Surer vor sich her. Ach, wenn<br />
sie das nur wahrhaben wollte!<br />
Christina Surer kann meinen Annäherungsversuchen<br />
nicht mehr standhalten. Ok, ihr stehen nicht<br />
680 PS zur Verfügung, ihr SLR McLaren Edition<br />
722 hat um 30 PS weniger als mein Hardcore-Racing-Tool<br />
(das kann man allerdings als Serienstreuung durchgehen<br />
lassen), aber so knallhart, wie ich aus der Fahrerlagerkurve<br />
von oben runtergestochen komme, so verwegen, wie<br />
Baron Richthofen sich aus der Sonne in den Nacken des<br />
Gegners fallen ließ, das scheint sie doch überrascht zu<br />
haben. Gebietet es meine Höflichkeit, zu blinken? Ach<br />
nein, es gibt ja keinen Blinker hier in der Rennversion<br />
des SLR McLaren722 GT. Rennversion? Was läuft hier<br />
eigentlich?<br />
Bitte erst mal von vorn. Also, wir erinnern uns: Mercedes<br />
entwickelte zusammen mit McLaren einen Supersportwagen<br />
auf der Höhe seiner Zeit, dem trotz extremer Features<br />
wie Sidepipes, völlig glatter Unterboden, Carbon-<br />
Body vorgeworfen wurde, ein bißchen zu fancy zu sein,<br />
sich beliebt machen zu wollen bei Leuten, die nicht so<br />
viel Sachverstand wie Geld besaßen. Es ist auch kein Geheimnis,<br />
dass der Wagen dann nicht so kompromisslos<br />
wurde, wie McLarens Headbrain Gordon Murray dies<br />
vorgestellt hätte. Er hätte sich wohl eine Steigerung seines<br />
F1 gewünscht.<br />
Herbst <strong>20</strong>08, fünf Jahre später: Der Wagen lebt, verkauft<br />
sich nach Belieben, beherrscht seinen Auftrag, die Funktion<br />
eines Imageträgers zu verwalten, um der breiten<br />
Mercedes-Käuferschaft klarzumachen, dass man sehr gut<br />
weiß, wie die lauten Töne gespielt werden.<br />
Man offenbarte den SLR McLaren Roadster und danach<br />
noch den auf 150 Exemplare limitierten Edition 722 mit<br />
strafferem Fahrwerk, leistungsgesteigertem Motor (um<br />
25 PS auf 650 PS), weniger Gewicht (minus 44 kg) und<br />
Keramikbremsen.<br />
Um die Zündschnur der Begeisterung am Brennen zu<br />
halten, gründete man den Club SLR, der den Vorteil hat,<br />
keinerlei Eintrittsgebühr zu verlangen, allerdings ausschließlich<br />
SLR-Besitzern vorbehalten ist.<br />
Unter diesen Passionierten wiederum gründete man eine<br />
Gentlemen-Renngesellschaft, einen Markencup oberster<br />
Gehobenheit, befeuert von der auf 21 Exemplare limitierten<br />
Racing-Version namens 722 GT.<br />
Hier, in der kompromisslosen Zurichtung auf Rennmaschine,<br />
herrschen Rennfahrwerk, funktionale Aerodynamik,<br />
680 PS, ein Drehmoment von 830 Nm und<br />
ein Leistungsgewicht von zwei Kilogramm pro PS, kontrollierbar<br />
aus einem kompromisslos zugeschneiderten<br />
Renncockpit.<br />
So. Und hier, wo von den Privat-Racern richtig viel Geld<br />
ausgegeben wird, um die vom Rennstall und Engineering-Unternehmen<br />
Ray Mallock präparierten Fahrzeuge<br />
zu erwerben, sie unter Dampf zu setzen samt Mechanikern,<br />
Boxencrew, Telemetrie, Catering, Hostessen, und<br />
was noch alles zu einem gelungenen Wochenende gehört,<br />
wollte man dem Spaß noch eins draufsetzen. Also<br />
lud man hochverdiente Haudegen des Rennsports dazu,<br />
wie Christian Ludwig, Jochen Mass, und Jean Alesi, sowie<br />
Chris Goodwin, Michael Mallock oder Christina Surer<br />
aus der jüngeren Fahrergeneration. Zusammen mit<br />
den Privatfahrern werden sie zu den Teams gelost, um<br />
dem ganzen Renngeschehen mehr Pep zu verleihen.<br />
Vorläufig sind etwa elf Fahrzeuge im Einsatz, das ist ok<br />
für die erste Saison, sollte aber noch besser werden.<br />
Erstmals wagte man sich auch daran, zwei, drei Journalisten<br />
ans Steuer zu lassen, also einen nach obenhin<br />
kaum zu beziffernden Schaden in Kauf zu nehmen. Um<br />
Die Stempel, auf denen der Wagen in der Box ruht, kommen hydraulisch aus dem<br />
Wagenboden geschossen, fahren also immer mit.
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />
<strong>ST</strong>/A/R 75<br />
der Sache die Spitze zu nehmen: Nach dem komplizierten<br />
Reinturnen war nichts mehr so mühevoll (außer<br />
dem Aussteigen). Multimillionären wird auch nichts geschenkt.<br />
Aber dann: Die tiefe Sitzposition, dieses Eingepacktsein<br />
in die Schale, das Heranwachsen von Lenkrad und<br />
Paddles, die grandiose Knopfgalerie, das abknöpfbare<br />
Steuer, das heisere Anfachen der Maschine in der Box,<br />
nachdem die Mechaniker die Luft für die vier im Wagenboden<br />
integrierten Hebestempel aus der Hydraulik gelassen<br />
haben und der Wagen schlagartig um zwanzig Zentimeter<br />
zu Boden fällt, das Rausrollen ans Tageslicht unter<br />
frenetischen Gasstößen, nochmals zurück, (Retourgangfummeln<br />
im E-Display) weil der geringe Einschlag nicht<br />
reicht, jetzt aber richtig voran und Christina Surer hinterher,<br />
die mir die Pace macht und längst schon in die<br />
Schikane einschneidet.<br />
Das macht alles unerhörten Spaß, von dem ich gar nicht<br />
erklären könnte, woher er kommt, denn jetzt ist alles<br />
netzfrei ungesichert, dröhnend laut und metallen schroff,<br />
doch mein Vertrauen in Fahrwerk, Bremsen und Christinas<br />
Linie lässt Raum, um diese frenetische Kraftentfaltung,<br />
das massige Einfurchen, das sideslide-gewandte<br />
Durchspulen der wie getöpferten Nocksteinkehre oder<br />
der sich zur Schikane einkringelnden Fahrerlagerkurve<br />
richtig zu genießen, somit aber nahe an eine gefährliche<br />
Selbstgefälligkeit zu rücken, der Gegenhaltung zur angebrachten<br />
Demut; und einen Moment lang denke ich<br />
an einen Tennisspieler, der nach seinem Outsider-Sieg<br />
sagte: „Sobald man sich im Vorsprung sonnt, sich an<br />
der anbahnenden Sensation delektiert, vergisst man, das<br />
es um nichts anderes als den Kampf um den nächsten<br />
Punkt geht. Nur der zählt! Sonst verliert man Konzentration<br />
und Spiel“. Das rückt mich wieder zurecht, und<br />
ehe ich wirklich glaube, dass Christina mich resigniert<br />
vorbei lässt, um mir freies Bolzen zu gewähren, schau’<br />
ich lieber noch in den zittrigen Rückspiegel und ziehe<br />
gleich den Nacken ein (und klemme die Backen zusammen),<br />
denn hinten kommen Jochen Mass und seine<br />
Trainee, ein Privatfahrer, im Duett herangeröhrt und<br />
brausen vorbei, dass es mir beinah Heckspoiler aufstellt.<br />
Sie hat also nur meinetwegen gebremst, um schnelleren<br />
Verkehr vorbeizulassen. Naja, lern deinen Platz kennen.<br />
Immerhin ist der gar nicht so übel hinter einem der prominentesten<br />
und hübschesten aller Racinggirls, dem es<br />
perfekt gelingt, zwischen echten Renn-Einsätzen, ihren<br />
Aufgaben als Model und Markenbotschafterin (etwa für<br />
Seat und Yokohama) und, wie hier, als Driver/Trainer zu<br />
brillieren.<br />
Sie kultiviert am Salzburgring, (immer noch ein unerforschtes<br />
Gelände für Sucher der Ideallinie), die flache<br />
Linie, eine umstandslose Kampfspur, wo dir niemand ins<br />
Gewand fahren kann. Sie macht schon kurveneingangs<br />
klar, wem die Führung gehört, und wenn du durchaus<br />
imponieren möchtest, so darfst du beim Anbremsen ein<br />
wenig später und härter ins Eisen steigen, aber wie sich<br />
schnell zeigt, ist Geschmeidigkeit immer noch die bessere<br />
Taktik, das Mitnehmen von Geschwindigkeit in die<br />
Kurve, wie es Christina so beispielhaft zelebriert, aber wie<br />
eine gute Freundin und Pferdediebin wartet sie hinter<br />
der nächsten Ecke, lupft hie und da einmal das Hauptpedal<br />
für dich, und flash-artig muss ich dran denken,<br />
wie ich mit siebzehn in eine gleichaltrige Schilehrerin<br />
verliebt war und wie schnell ich damals lernte im reinen<br />
Bestreben, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Ich sehe<br />
Christinas Locken vor mir die Zielgerade entlang fliegen.<br />
Ob auch masselose Schönheit der Fliehkraft unterworfen<br />
sind? Wüsste ich nicht, dass sie Helm trägt, ich würde<br />
dringend vermuten, dass sie den Lidstrich nachzieht und<br />
die Lippen auffrischt, während ich hinter ihr mit Klauen<br />
und Zähnen am Lenkrad kämpfe, um noch ein Zipfelchen<br />
Windschatten zu erhaschen. Tease me, please me,<br />
thrill me, grill me, aber bitte don’t kill me. Als sie in die<br />
Boxenstraße einbiegt, wirkt das wie eine Einladung zum<br />
Cocktail. Aber wir sind hier Professionisten in unseren<br />
Kisten, erst mal das Interview in den Kasten bringen.<br />
*<br />
Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass Frau Surer<br />
schon umgezogen war, als ich an die Box zurückhechelte,<br />
aber ihre Frische und Geschminktheit waren beschämend.<br />
Gekonnt vermied sie jeden Kommentar über<br />
unseren Pas de deux, denn sie ist eine höfliche und anregende<br />
Gesprächspartnerin, mit der man sich über allerlei<br />
unterhalten kann, auch über das Wetter. Aber dieses<br />
Thema würden wir gewiss nicht anschneiden.<br />
Übrigens: Christina ist nicht die Tochter, sondern die<br />
Schiebefenster wie an der Kinokassa.<br />
Exfrau des ehemaligen F1-Piloten Marc Surer. Und natürlich<br />
vergeben.<br />
du<br />
Irgendwie unentspanntes Dastehen.<br />
➋<br />
➊<br />
➊ Einschlag wie ein Öltanker:<br />
Die Ausfahrt aus der Box<br />
gestaltet sich schwierig.<br />
➌<br />
➋ So sitzen Hobby-Renn-<br />
Millionäre.<br />
➌ Das setzen sie auf.<br />
➍ Das ziehen wir Lohnfahrer an.<br />
➎➏ So fassen wir Helme und<br />
Gewand aus.<br />
➏<br />
➎<br />
➍
Städteplanung / Architektur / Religion Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 77<br />
DER <strong>ST</strong>OFF, AUS DEM<br />
DIE AUTOS SIND<br />
Wir erblickten die Zukunft und<br />
sahen, dass sie textil ward.<br />
David Staretz sprach mit BMW-<br />
Chefdesigner Chris Bangle im BMW-<br />
Museum München.<br />
TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />
BMW GINA LIGHT<br />
Alles schon da gewesen: Velorex Bj. 71 mit Stoffkarosserie Operation am offnen Harzen: Öl nachschauen, bitte! Und so öffnen sich die Scheinwerfer-Augen. Wie auch sonst?<br />
Stoffbespannte Karosserien zählen zum ältesten, was die Autoindustrie<br />
zu bieten hat. Ursprünglich vom Flugzeugbau übernommen,<br />
wurde Textilbespannung zusehend von Metallhaut<br />
abgelöst und das Kapitel war geschlossen. Dachten wir.<br />
Jetzt erfährt man, dass BMW wieder Experimente mit Stoffverkleidungen<br />
aufgenommen hat, nämlich schon vor acht, neun Jahren, in der<br />
Phase, als man sich, beflügelt vom Erfolg des Z3, dem Z4 annäherte.<br />
Mit Hilfe einer BMW-internen Spezialeinheit wurde auf der Basis<br />
eines Stahlrahmens eine textile Kunststoffverkleidung erarbeitet, die<br />
mittels Streben, Bügeln, teils aus Metall, teils aus Kunststoff und Karbon,<br />
durch Innendruck gespannt und in Form gehalten wird. Darüber<br />
hinaus aber versuchte man, der Textilverkleidung neue Qualitäten<br />
abzuringen: Transparenz, zum Beispiel – die ganze Rücklicht- und<br />
Blinkereinheit durchdringt den Stoff, sobald sie eingeschaltet wird.<br />
Auf reizvolle Weise öffnen sich die Scheinwerferlider, sobald das Licht<br />
eingeschaltet wird und die Motorhaube teilt sich auf geradezu makaber<br />
elegante Weise über dem Aggregat, das man sich als pulsierendes Herz<br />
vorstellen möchte. Raffiniert wurden die beiden Türen eingesetzt – es<br />
gibt keine erkennbaren Fugen: in der Anlenkung nicht, weil der Stoff<br />
durchgängig drübergespannt ist und sich beim Öffnen so elegant und<br />
sparsam faltet wie der Lycra-Ärmel eines Schirennläufers, und in der<br />
Klaffung nicht, weil die Tür so raffiniert als Kadenz eingesetzt wurde,<br />
dass man keine Störung wahrnimmt. Auch im Cockpit setzt sich das<br />
Zauberspiel mit den Formen fort, die Instrumente treten zutage und<br />
die Kopfstützen fahren unter dem gespannten Material hoch, sobald<br />
Platz genommen wurde. Dem Reiz, Formen ambulant zu verändern,<br />
konnte man sich natürlich nicht entziehen, so lässt sich die Form des<br />
Hecks deutlich anheben und auch die Seitenschweller sowie der vordere<br />
Lufteinlass verändern sich nach Bedarf.<br />
Nur noch Räder, Grill, Auspuffrohr und Windschutzscheibe (raffiniert<br />
geteilt und äußerst flach gelegt) sind harte Materialien, alles anderes<br />
wird stofflich überspannt.<br />
Zwei Fragen bleiben offen: Wo ist der Tankdeckel? Und wo bliebe die<br />
schlüssige Eleganz angesichts von Scheibenwischern? Sicherlich alles<br />
lösbar – Chris Bangle, auf die Frage, wie weit der Wagen von Serienreife<br />
entfernt wäre, sagt auf seine aufgeräumte Art: “Bitte, Sie können<br />
sofort einsteigen und losfahren!” Kann ich natürlich nicht, denn wir<br />
befinden uns auf dem obersten Schneckengewinde der BMW-Welt, im<br />
abgedimmten Museumslicht der Spezialfahrzeug-Ausstellung (gerade<br />
haben wir im Aufstieg das viertürige Concept-Coupé CS hinter uns<br />
gelassen).<br />
Doch dieser Mann ist gefährlich in seiner Überzeugungskraft, das sieht<br />
man am ungehinderten Sturmlauf seiner mittlerweile berüchtigten<br />
Kofferraumdeckel, in einer eigenen Ablehnungs-Community-Plattform<br />
des Internets auch als “Bangle-Butt” bezeichnet. (Diese Plattform<br />
www.petitiononline.com/<strong>ST</strong>OPCB/petition.html zieht sich aber weit<br />
größeren Unmut durch ein Scientology-Banner auf Ihrer Homepage<br />
zu.)<br />
Der Chefdesigner erklärt GINA light im unverwechselbaren Bangle-<br />
Sprech: “Only the basic lines sind Hardteile, das meiste of this Ding ist<br />
alles soft”. Sind da Federdrähte? “ It is a Mischung zwischen Stahlteile,<br />
Drahtteile und Kunststoff. Bangle huscht um das Auto herum wie ein<br />
Kobold: “Und die ganze Front, der Lufteinlass, bewegt sich. Und sehen<br />
Sie bei der Tür, wie sich das biegt – das muss um einen Wendepunkt<br />
gehen!” Faszinierend, wie der grauschimmernde Stoff dabei elegante<br />
Falten wirft wie ein Neopren-Ärmel. Wunderbares Faltenspiel. Die<br />
Raumbeleuchtung tut noch ihr übriges dazu.<br />
Wir gehen ein Stück weiter zum Z4 M, gewissermaßen ein Nachfolger<br />
von GINA light: “Diese beiden markanten Sicken in der Motorhaube<br />
werden normalerweise mit Druckpressen gemacht, das bedeutet, es<br />
kostet viel Geld und Zeit, mit Werkzeugmachen und so weiter. Wir<br />
haben dieses GINA-Prinzip verwendet, indem das Teil nur frei schwebend<br />
in der Luft gehalten wird, ohne Widerpart, und dann kommt ein<br />
Roboter und macht so sssck, sssck, und bringt diese zwei Linien rein,<br />
was im Prinzip das gleiche ist wie unsere Stoffgeschichte.” Wie bitte?<br />
“Ja, wir haben mit Stoff begonnen und kamen dann zu einer neuen<br />
formalen Lösung in Stahl. Das hat uns auf folgende Idee gebracht: We<br />
are talking about a material, we are talking about a car – we are talking<br />
about a philosophy! A philosophy, die erlaubt: Lass das Material sprechen<br />
und sieh zu, was passiert!”<br />
Haben wir es hier nicht nur mit des Autos neuen Kleidern zu tun?”<br />
Chrtis Bangle lacht: “Jaa, es ist ein bisschen so. Aber grundsätzlich:<br />
Ich bin ein echter Vertreter der Meinung, dass das Automobil zu einer<br />
Lösung führen kann und nicht zu einem Problem mit sich selbst. Ich<br />
glaube, man kann durch technologische Entwicklungen zur Problemlösung<br />
finden”.<br />
Manchmal wünscht man, er hätte Recht.
78 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Dacia Sandero 1.6 MPI<br />
ZURÜCK ZUM AUTO<br />
Der neue Dacia Sandero zeigt noch deutlicher als der<br />
Logan, dass wir lange genug zu teure Autos gekauft<br />
haben.<br />
TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />
Der kompakte Halbpreisgolf namens Sandero ist<br />
Dacias Antwort auf den Millionenseller Dacia Logan.<br />
Worauf auch sonst?<br />
Ok, auf den Logan Kombi MCV, der eine Neun-zu-eins-<br />
Beliebtheit unter den Logans aufweist.<br />
Diese konkurrenzlos billigen Fahrzeuge, ursprünglich<br />
für den Markt von Hoffnungsländern entwickelt, bringen<br />
bei uns neue Tugenden ans Licht: Indem wir uns nicht<br />
nur vordergründig an der spektakulären Preisgestaltung<br />
erfreuen, sondern dahinter die erfrischenden Botschaften<br />
einer gesamtheitlichen Unaufgeregtheit erkennen. Wir<br />
schätzen Sanderos gekonnten Umgang mit Einfachheit<br />
– gesteigert zur Klarheit des Erscheinungsbildes dank<br />
stimmiger Nachvollziehbarkeit im Detail und gezielter<br />
Reduktion auf das Wesentliche. Was ja in unserer überfrachteten<br />
Zeit wieder hoch bewertet wird.<br />
Ok, genug der Vorrede: Ab 8.000 Euro ist man dabei,<br />
billiger geht’s nicht.<br />
Der Sandero überrascht zudem durch sein gelungenes Package,<br />
die solide Verarbeitung, durch seine durchdachte<br />
Ausstattung und geringe Betriebskosten. (Der Norm-Gesamtverbrauch<br />
liegt bei 7,0 Liter beim 1.4-Liter-Modell,<br />
erhöht sich unwesentlich auf 7,2 Liter/100 km beim<br />
1.6-Liter-Motor. Und dank der geringen CO2-Ausstöße<br />
dürfen sich sämtliche Sandero-Modelle einen vom Staat<br />
ausgegebenen Bonus von <strong>20</strong>0 Euro netto zuschreiben).<br />
Mit Gelassenheit und Qualität schiebt sich der kompakte<br />
Viertürer zum halben Preis eines VW Golf unauffällig<br />
in die Mitte der Wahrnehmung – so, als wäre er schon<br />
längst da gewesen, aber aus unerklärlichen Gründen haben<br />
wir ihn bisher übersehen.<br />
Sein Erscheinungsbild ist schlüssig, sämtliche Proportionen,<br />
die dreidimensionale Frontpartie, das klarflächige<br />
Heck, die gekonnte Seitenansicht des Viertürers, die<br />
sauber angelegte Heckklappe, alle mitlackierten Stoßfänger,<br />
wirken appetitlich und erfreuen das Auge. Selbst die<br />
Auch dort,<br />
wo sich das<br />
Waldviertel zum<br />
Weine hin öffnet,<br />
im Retzer Land,<br />
macht<br />
Dacias Sandero<br />
eine gute Figur<br />
hohe Bodenfreiheit schafft Vertrauen und Größe. Gleich<br />
hier muss die sanft-coole Sonderfarbe Mineral-Blau erwähnt<br />
und empfohlen sein, die dem Wagen gut steht,<br />
den Grundpreis allerdings um 389 Euro hebt.<br />
Wir fuhren die Motorvariante 1,6 MPI mit 87 PS in der<br />
Ausstattung Laureate, also den Benziner mit 87 PS, das<br />
Topmodell der bei 7.990 Euro Basispreis einsetzenden<br />
Modellpalette.<br />
Unser Testwagen verfügt demnach serienmäßig über<br />
das sonst mit 272,16 Euro veranschlagte Sicherheitspaket<br />
(Seitenairbag, Gurtstraffer, Sicherheitskopfstützen<br />
und höhenverstellbare Sicherheitsgurte vorne) und über<br />
das E-Paket, seinerseits 324 Euro schwer. Es beinhaltet<br />
Fensterheber vorn sowie die funkferngesteuerte Zentralverriegelung.<br />
Die hinteren Fensterheber unseres Testwagens wären<br />
verzichtbar gewesen, man könnte also durch schieres<br />
Kurbeln 194,40 Euro einsparen. Umso lieber gönnt man<br />
sich die 1.166-Euro-Option von Klimaanlage plus Soundanlage<br />
(MP3-CD-Radio mit vier Lautsprechern).<br />
Einstieg, Sitzposition, Übersichtlichkeit der Instrumente<br />
(allein der Drehzahlmesser macht was her) überzeugen<br />
sofort, der Schalthebel liegt gut zur Hand, das Lenkrad<br />
kann sogar höhenverstellt werden, Instinktiv findet man<br />
alles an seinem Platz, verstohlen versucht man herauszufinden,<br />
wo denn nun so entscheidend eingespart werden<br />
konnte, denn die Anmutung der Oberflächen, der<br />
Klang beim Türenschlagen, die Druckwiderstände der<br />
Schalter und Regler – alles wirkt souverän, wenn auch<br />
nicht überladen mit Design, Luxus, Sportlichkeit oder<br />
sonstwie zweifelhaften Gütern. Jedes Funktionsteil erfüllt<br />
seine Aufgabe auf selbstverständliche Weise, über<br />
unerwartete Extras wie die Lordosenverstellung im Fahrersitz<br />
freut man sich besonders. Die Rücksitzlehnen<br />
(mit drei Kopfstützen!) lassen sich auf klassische Weise<br />
im Zwei-Drittel-Verhältnis umlegen, falls man mit dem<br />
3<strong>20</strong>-Liter-Laderaum irgendwie nicht genügend Auslangen<br />
finden sollte, etwa beim Tansport von Stehlampen,<br />
Pendeluhren, Waschmaschinen und was sonst noch so<br />
anfallen mag im robusten Alltag.<br />
Faustregel: Alles was durch die Heckklappe passt, lässt<br />
sich auch transportieren (und notfalls an den vier Bodenösen<br />
verankern).<br />
Doch im Grunde denkt man beim Sandero nicht an reine<br />
Nützlichkeit – er hat sogar einen hippen Faktor an sich,<br />
etwas Unnennbares, wie es junge oder sonst wie kritische<br />
Leute erkennen, die sich nicht von Marketingleuten und<br />
Demoskopen ihr artgerechtes Käuferverhalten vorschreiben<br />
lassen, sondern ihre eigenen Wege und Regeln finden,<br />
um einen etwas anderen Weg zu beschreiten, der<br />
dann durchaus klassisch sein kann.<br />
In diesem Sinn ist es aber auch ziemlich hilfreich zu wissen,<br />
dass der in Rumänien hergestellte Sandero über die<br />
gesamte Renault- und Nissan-Infrastruktur verfügt, also<br />
über hochmoderne Großserientechnik auf Basis des neuen<br />
Clio-Fahrgestells, das man auch bei Renault Modus<br />
und Nissan Note vorfindet.<br />
So erklärt sich auch das hochwertig klare Verhältnis zur<br />
Lenkung, zur Bremse, zum Fahrwerk, also das fahrerische<br />
Gesamtgefühl, wie es letztlich über die straffen<br />
Sitze vermittelt wird. Man ist gar nicht langsam unterwegs,<br />
denn jede Situation, jede Kurve ist gut einschätzbar,<br />
der Geradeauslauf höchst stabil, die Schaltung erfreut<br />
durch extreme Leichtgängigkeit – nur gerade bei<br />
der Geräuschentwicklung merkt man noch, dass es doch<br />
wahrnehmbare Unterschiede gibt zu Autos in höheren<br />
Preislagen.<br />
Die brauchbaren 87 PS erlauben es, Situationen zu klären,<br />
Überholvorgänge schell anzuschließen, sich bei<br />
Ampelstarts freizusetzen. Der Fahrer hat einen hervorragenden<br />
Rundumblick; für klare Sicht sorgen auch die gut<br />
bestückten Scheinwerfer (samt Nebelscheinwerfern) und<br />
das große Wischfeld (auch im Heckfesnter).<br />
Man findet reichlich Ablagen und zwei Cupholder vor,<br />
darf sich über die luxuriöse Größe des Handschuhfachs<br />
freuen.<br />
Dass der Sandero auch die Sprache des Luxus versteht,<br />
zeigt sich im reichlichen Zubehörangebot, das Dachspoiler,<br />
Dachreling, Kofferraum-Bodennetz, Kindersitze,<br />
Bluetooth, Carminat-Navigation, elegante Türschweller<br />
oder einen coolen silbergrauen SUV-Kit für den Rundumschutz<br />
umfasst. Eher auf die praktische Seite schlagen<br />
Dachträger, Schwanenhals-Anhängerkupplung oder<br />
die maßgeschneiderten Bodenmatten.<br />
Die übliche Dreijahres-Garantie kann übrigens aufgestockt<br />
werden, beinhaltet dann also fünf sorgenfreie Jahre<br />
(oder maximal 100.00 km). Das sollte eigentlich überzeugen.<br />
Aber wie gesagt: Man kann den Sandero schon<br />
aus unökonomischen Überlegungen heraus mögen: Weil<br />
er uns den Weg zurück zum einfachen Auto zeigt, ohne<br />
zu langweilen.<br />
Wir vergeben 11 von 12 <strong>ST</strong>/A/R-Sternen<br />
Karg ist anders. Sogar mit Airbag.<br />
Laden, was der Raum hält.
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />
<strong>ST</strong>/A/R 79<br />
Porsche Targa 4 / Targa 4S.<br />
PORSCHE <strong>ST</strong>ATT ESSEN<br />
Seit zwei, drei Generationen hat sich der Targa zum schneidigsten<br />
911 entwickelt.<br />
TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />
Wer dem verfetteten Porsche-911-Mainstream<br />
der Generation Essen-statt-Sex entkommen<br />
möchte, ohne dabei auf Porsche 911 verzichten<br />
zu wollen, der ist mit dem geschärften, eleganten 911 Targa<br />
gut beraten. Das Modell steht in einem Verkaufsanteil<br />
von unter zehn Prozent zum 911, womit man zu einer<br />
delikaten Minderheit von Fortgeschrittenen zählen kann,<br />
die erkannt haben, dass erstens die Versionen 4 (Allrad)<br />
wegen der Technik-Unterbringung viel appetitlicher ausgestellt,<br />
bzw. tailliert sind als die graden faden Zweier,<br />
und dass zweitens diese Art, wie das Dach hinten auf die<br />
Radkastenschulter auftrifft, etwas Scharfes, Schnittiges,<br />
Modernes an sich hat. Verschärft wurde dieser Aspekt<br />
noch, indem man der Dachlinie eine Chromleiste einließ.<br />
Das eigentliche Targa-Feeling reduziert sich auf ein sehr<br />
großes Glasschiebedach mit Verdunkelungsoption: Der<br />
geschlossene (aber auch der nach hinten unter die Heckscheibe<br />
geschobene) Glasdeckel lässt sich mittels feingehäkeltem<br />
Rollo abdecken. Was aber kaum einer weiß: Die<br />
Heckscheibe lässt sich durch Anheben öffnen wie jede<br />
vernunftbanale Heckklappe. Immer wieder eine Überraschung.<br />
Porsche scheint das irgendwie peinlich zu sein,<br />
deshalb spricht man wenig darüber. (Ab er was soll ihnen<br />
seit Cayenne und Panamera noch peinlich sein?)<br />
Targa entstand ja ursprünglich als Sicherheits-Cabriolet<br />
für Leute, die zum Gürtel gerne Hosenträger tragen.<br />
Damit hat Targa modern schon längst nichts mehr zu<br />
tun.<br />
Man spürt Frischluft, ohne allzusehr von Fahrtwinden<br />
und Turbulenzen abgelenkt zu sein. Die Offenfahr-Saison<br />
lässt sich über sämtliche Jahreszeiten ausdehnen.<br />
Der neue Targa kommt mit neuen Motoren: Die Benzineinspritzer<br />
liefern 345 PS (im Targa 4) oder 385 PS<br />
(im Targa 4S). Damit werden Höchstgeschwindigkeiten<br />
von 284 bzw. 297 km/h erreicht.<br />
Gegen Aufpreis gibt es das neue PDK (Porsche-Doppelkupplungsgetriebe)<br />
mit sieben Gängen, wobei der jeweils<br />
nächste schon vorsortiert auf seinen blitzschnellen Einsatz<br />
wartet. So beschleunigt der 4S in 4,7 Sekunden auf<br />
Hundert. Neu ist auch die Hinterachs-Quersperre, die<br />
dem Allrad zu höchster Effizienz verhilft. Dank Porsche<br />
Traction Management sorgt eine elektromagnetisch gesteuerte<br />
Lamellenkupplung für optimalen Vortrieb.<br />
So erspart man sich wenigstens die 245-Euro-Lenkradheizung.<br />
Nette Instrumente, sympathisch angeordnet und<br />
irgendwie zu harmlos, so weiß.<br />
Das Lenkrad kann man mit Heizung bestellen. Aber<br />
Schwitzen ist auch so garantiert.<br />
Das Schönste am Targa ist der scharfe Dachabschluß
80 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
<strong>ST</strong>AR WÜNSCHT EIN GLÜCKLICHES <strong>20</strong>09<br />
Reinhold Kirchmayr Schneewitchen und die 7 Zwerge, gestickt in Nepal <strong>20</strong>06 für <strong>ST</strong>AR
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch XI - Waran <strong>ST</strong>/A/R 81<br />
woman is the nigger of the world<br />
Regie: Rudlov Gerngrass<br />
Schnitt: Rudlov Gerngrass<br />
Drehbuch: Rudlov Gerngrass<br />
Maske: Rudlov Gerngrass<br />
Durchbruch: Rudlov Gerngrass<br />
Ton: Rudlov Gangrass-hole (BLACK BEAUTY-TUTTLFREE)<br />
Regieassistenz: Rudlov Gerngrass<br />
Kostüm: Rudlov Gerngrass
82 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch XI - Waran Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XI - Waran<br />
<strong>ST</strong>/A/R 83<br />
As long as I love U
Städteplanung / Architektur / Religion Buch XI - Waran <strong>ST</strong>/A/R 85<br />
WARAN $UCK$ (sox
86 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch XI - Waran Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Wir bleiben relaxed und scheissen auf den Text<br />
WARAN $UCK$ (sox
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XI - Waran<br />
<strong>ST</strong>/A/R 87<br />
Jämmen mit tschon lännen<br />
Die rechte und die linke Hand des Heidulfs.<br />
Welcher Heidorf?<br />
ZWEI ASSE TRUMPFEN AUF
88 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch XI - Waran Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch XII - Unser Schuhdoktor <strong>ST</strong>/A/R 89<br />
<strong>ST</strong>/A/R verschenkt an Besessene<br />
100<br />
Peter<br />
Noever<br />
Bücher<br />
Unser<br />
Schuhdoktor<br />
und unser<br />
Schlüsseldienst
90 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
<br />
star_1_4 Kopie:Layout 1 19.12.<strong>20</strong>08 14:58 Uhr Seite 2<br />
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MUSA<br />
noch bis 31. Jänner <strong>20</strong>09<br />
MUTATIONS II<br />
Moving Stills<br />
Eine Ausstellung des Europäischen Monats<br />
der Fotografie<br />
Museum auf Abruf<br />
1010 Wien, Felderstraße 6–8<br />
(neben dem Rathaus)<br />
Info 01-4000-8400 | www.musa.at<br />
Eintritt frei<br />
ab 27. Februar bis 30. Mai <strong>20</strong>09<br />
<strong>ST</strong>ARK BEWÖLKT<br />
Flüchtige Erscheinungen des Himmels<br />
Wolken als Motiv und Metapher in Kunst<br />
und Fotografie<br />
PAUL AIGNER<br />
MUSIK<br />
many thanks to my parents<br />
and friends!<br />
P.R.A. music <strong>20</strong>08 I:I Paul Aigner<br />
© P.R.A. music <strong>20</strong>08 I:I Paul Aigner<br />
1. sehnsucht 3:56<br />
dedicated to my beloved parents<br />
2. take time 19:29<br />
3. be and do it 7:53<br />
4. bereitschaft 4:11<br />
5. summerly 8:41<br />
6. melodic baustelle 6:49<br />
7. renaisantic blues 4:36<br />
8. in blue 1:28<br />
9. to shimira 4:<strong>20</strong><br />
10. melancolodic delay 3:38<br />
11. exit love 5:23<br />
rec. june, juli <strong>20</strong>08 • mastering 31.7.08 by ton engineer johann lapitz • duration: 70:31<br />
P.R.A. music <strong>20</strong>08 I:I Paul Aigner
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XII - Unser Schuhdoktor<br />
<strong>ST</strong>/A/R 91<br />
OPEN UP<br />
Insel Nr. 2<br />
Quick Change<br />
13.–25. Okt. <strong>20</strong>08<br />
Insel Nr. 3<br />
Its Our Pleasure<br />
<strong>20</strong>.–29. Nov. <strong>20</strong>08<br />
Insel Nr. 4<br />
ALLREADY<br />
15.–19. Dez. <strong>20</strong>08<br />
Hans Schabus<br />
OPEN UP KOMMUNIKATION<br />
www.tqw.at<br />
Foto: Gregor Ecker © Hans Schabus
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch XII - Bruno Rey <strong>ST</strong>/A/R 92<br />
Bruno Rey Zeichnungen von Hand aus der Serie Kopf- und Handarbeit<br />
„Für den nachhaltigen Erfolg gehören schlanke Prozesse klug eingefädelt, straff durchgezogen und transparent dargestellt.“ (Zitat: <strong>ST</strong>ANDARD 4/5. Okt. 08)<br />
GALERIE <strong>ST</strong>RICKNER<br />
1060 Wien,<br />
Fillgradergasse 2/7<br />
T: +43-(0)680-<strong>20</strong>1 44 52<br />
www.galeriestrickner.com<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di. - Fr. 16:00 – 19:00,<br />
Sa. 11:00 – 13:00 und nach telefonischer Vereinbarung
94 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Nietzsche und wir – Teil 1, Sils Maria<br />
Andreas Ferdinand Lindermayr<br />
Neun Jahre waren vergangen, da ich wieder einmal zu meinem Bruder und seiner<br />
Familie nach Tirol fuhr. Ich gedachte diesmal meine Reise weiter in den Westen<br />
fortzusetzen, per Bahn, den Inn flussaufwärts, nach Landeck und von dort per<br />
Bus weiter in das Engadin, so, wie mir der Tiroler Künstler Hans Waigand bei einem<br />
zufälligen Treffen in einem Wiener Szene-Wirtshaus riet. Schon bei diesem Gespräch<br />
und meinen vorbereitenden Studien der Schweiz rund um den Maloja-Paßrr und den<br />
östlichst glegenen Viertausender, den Piz Bernina, via Google-Maps, tauchte die Vorstellung<br />
eines Bergauf - dem Ursprung zu - Gehens auf. Der Lauf des Inns würde meine<br />
Reiseroute vorgeben.<br />
Im Zug von Wien nach Kufstein las ich ausser in der an mir vorbeiziehenden Landschaft<br />
und in den Gesichtern, die mir begegneten, keine Zeile. Ich stimmte mich ein, auf das<br />
Oberengadin. Endlich.<br />
Die zwei Tage, die ich in Ellmau am Wilden Kaiser verbrachte, waren gesegnet von hochsommerlichem<br />
Schönwetter und familiärer Atmosphäre. Bei meinem Aufbruch jedoch,<br />
verdunkelten Wolken den Himmel im Westen. Ich hatte mir eigens für diese Fahrt eine<br />
günstige Videokamera gekauft und nahm im Bus von Landeck den durch immer enger<br />
werdende Talschluchten, immer reißrender werdenden Inn auf.<br />
Nun fuhr ich den Alpen-Hauptkamm entlang, immer höher. Ab der Grenze zur Schweiz<br />
veränderte sich der Baustil eklatant, eine andere Kultur tauchte auf, mitten in den Alpen.<br />
Wie in dem von barocken Zwiebeltürmen übersäten Oberbayern und in den Steil-Tälern<br />
Tirols, überwiegt auch hier der Einhof, aber doch von einer ganz anderen, viel verspielteren<br />
Art. Auf der Busfahrt von der Grenze weg zur ersten Station der roten Räthner-<br />
Bahn, fiel mir auf, dass der Busfahrer, nachdem ihm von Einsteigenden das Fahrgeld<br />
gereicht wurde, sich mit einem „Gratias“ bedankte. Das erinnerte mich unwillkürlich an<br />
das Kirchen-Latein, das ich als Ministrant im Stufen-Gebet herunter zu leiern hatte.<br />
Und noch 90 Kilometer per Bahn bis Sankt Moritz, immer höher, stets dem Inn, nun En<br />
genannt, entlang. Bis schließrlich zwei vergletscherte Pyramiden auftauchten, die mich<br />
unwillkürlich an Piz Palü und Piz Bernina denken lie√üren. In Anbetracht der Grand<br />
Hotels, die bei Sankt Moritz reihum aus dem Boden schießren, kehrte zudem ein Wort<br />
aus alten Tagen zurück. - Mitte der Sechzigerjahre, als ich noch in die Volksschule ging,<br />
wurde mir das Wort Weltkurort beigebracht. Das also war nun der Welt-Kurort Sankt<br />
Moritz! Einst Reiseziel hauptsächlich jener gesellschaftlichen Oberschicht, wenn auch<br />
aus aller Welt, die sich teure Urlaube mit allem drum und dran leisten konnte: Englische<br />
Lords, russische Gro√ürgrundbesitzer, amerikanische Millionäre, deutsche Industrielle,<br />
chinesische Mandarine und last not least bereits der eine oder andere Star einer noch im<br />
embryonalen Stadium befindlichen Show- und Unterhaltungsbranche.<br />
Im Sommer 1881 traf hier ausserdem ein frühpensionierter, leicht sächselnder Professor<br />
der alten Sprachen, ein. Er war extrem kurzsichtig und litt an der Franzosenkrankheit.<br />
Auf der etwas mühsamen Zugs-Fahrt, steil bergan, dürften ihn schwere Migräne-Anfälle<br />
geplagt haben, aber schon beim ersten Atemzug der reinen Gebirgsluft, kaum dass er<br />
seine beiden Koffer auf den Bahnsteig stellte, kam ihm der Gedanke, dass hier etwas<br />
ganz Entscheidendes auf ihn zukommt. Die Landschaft gefiel ihm augenblicklich - sehr.<br />
Er nahm eine Postchaise und fuhr, von einer tiefgreifenden Seelenregung ergriffen, weiter,<br />
den Silvaplaner-See entlang, in die wunderlich anmutende Ortschaft Sils, wo er sich<br />
spontan zu verweilen entschloss und in einem kleinen Auszugshäuschen ein billiges<br />
Quartier fand. Seiner Spur folgte ich.<br />
Inzwischen war der Himmel verhangen und im Bus nach Sils fielen die ersten<br />
Regentropfen. Bei der Post angelangt, stieg ich aus. Schon um den ersten<br />
Häuserblock tauchte jenes Häuschen auf, das ich mir schon lange zu<br />
besuchen vornahm. Ich habe mir das in meiner Phantasie immer<br />
so ausgelegt, dass das nunmehr Nietzsche-Haus genannte<br />
Häuschen, irgendwo abseits am Waldrand liegt. Es liegt indes<br />
zentral, aber an einem felsigen, mit Büschen und Bäumen<br />
bewachsenen Hügel. Zur Rechten ein mit schweren Schieferplatten<br />
gedeckter, typisch räthischer Einhof. Auch das<br />
Nietzsche Häuschen, das längst zu einem Museum umgewidmet<br />
wurde, ist mit Schieferplatten gedeckt und hat<br />
grüne Fensterläden.<br />
Im „Communale“, dem Gemeindehaus auf dem Marktplatz<br />
unterhalb des imposanten Schlosses, erkundigte ich<br />
mich am Informations-Schalter nach einem günstigen Hotel<br />
und fand eines, gleich in der Nähe. Im Hotelzimmer, das<br />
am selben Felsen liegt, wie die bretterverschlagene Kammer,<br />
in der Nietzsche sieben Sommer hindurch sein Logis hatte,<br />
wie sich bald herausstellen sollte, legte ich zuerst mein Gepäck<br />
ab, packte mein Notebook aus, legte es auf den Tisch, schlug es<br />
auf und öffnete ein neues Dokument.<br />
Dann ging ich hinüber ins Nietzsche-Haus.<br />
Schon links und rechts hinter der Eingangstür frappierten mich die Handschriften<br />
verschiedener Berühmtheiten, die dem gescheiterten Basler Professor und Verkünder<br />
einer neuen Zeit, ihre Reverenz erwiesen. Mein erster, zufälliger Blick fiel auf<br />
den Namenszug von Eugen Ionesco und Jean Cocteau, dann auf den von Dürrenmatt<br />
und - Elias Canetti. Also doch! Ich ging weiter vor und bezahlte an der Kassa, die sich in<br />
der Stube rechter Hand befindet für den Eintritt und sah mich darauf im Erdgeschoss<br />
um.<br />
Die meisten Fotos von Nietzsche beziehungsweise seiner Zeit, die hier ausgestellt sind,<br />
kannte ich bereits aus diversen Büchern. Viel Raum wurde auch Rudolf Steiner gewidmet,<br />
der in den Achtzehnhundertneunziger-Jahren in Weimar das Goethe-Archiv leitete<br />
und zu jener Zeit ein Buch schrieb mit dem Titel: „ Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer<br />
gegen seine Zeit“. Elisabeth Förster-Nietzsche, die Schwester des bereits umnachteten,<br />
bereits berühmten Philosophen, die den Nachlass<br />
ihres Bruders mit allen ihr zur Verfügung<br />
stehenden Mitteln von der Villa Silberblick in<br />
Weimar aus, im bürgerlichen Sinne, sehr erfolgreich<br />
verwaltete, dürfte dem auf Wahrheitssuche<br />
ausgehenden jungen Goetheaner und<br />
Mystik-Experten wenig Freude bereitet haben.<br />
√úberraschend fand ich ein an Nietzsche gerichtetes<br />
Jugendgedicht von Karl Kraus.<br />
Was für ein klarer, reiner Spiegel der Ansto√ür<br />
gebenden Ideen, des die großre Gesundheit<br />
suchenden, kranken Altphilologen!<br />
Ich nahm auch dieses Gedicht mit meiner<br />
Videokamera auf.<br />
Dann ging ich über eine schmale, relativ<br />
Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
steile Holztreppe in<br />
den ersten Stock.<br />
Kaum ist man oben<br />
angelangt, klafft<br />
linker Hand eine<br />
offene Kammertür,<br />
die mit einer Kordel<br />
abgesperrt ist. Nietzsches<br />
Kämmerlein,<br />
- mit Bett, Tisch und<br />
Stuhl. Eh basta! Natürlich<br />
gehörte mit<br />
zur Ausstattung eine<br />
Petroleumlampe.<br />
Der Mann musste<br />
ja auch in der Nacht<br />
schreiben können!<br />
Vom Zimmerfenster aus sieht man nicht etwa auf den malerischen Marktplatz, mit dem<br />
berühmten Brunnen, sondern den hinteren, den Wirtschaftstrakt der Meierei. Damit<br />
hatte ich fürs Erste genug gesehen.<br />
Zurück im Hotel, machte ich mich an die Arbeit und beschrieb meine Eindrücke. Im Regen<br />
ging ich noch hinüber in den Supermarkt „Volg“ wo ich mich mit Proviant eindeckte.<br />
Frühstücken würde ich im Hotel.<br />
In der Nacht wurde der Regen stärker. Das Schweizer Fernsehen brachte einige Beiträge<br />
zur Immobilienkrise und ihre negativen Auswirkungen auf die einheimischen Banken, -<br />
ein warnendes Vorzeichen für die so genannte Finanzkrise, die bald darauf erfolgen sollte.<br />
Zehnmal, nein wohl schon hundertmal sagte ich mir: „ich bleibe, egal wie schlecht<br />
das Wetter ist“. Und noch am Morgen darauf regnete es in Strömen. „Hier, an diesem<br />
Ort ist jedes Wetter ein gutes Wetter“, dachte ich, „aushalten“. Und behielt recht. Als ich<br />
nach dem Frühstück, gerüstet mit einem Regenschirm hinaus an den Silser See ging,<br />
wurde der Regen zusehends schwächer. Es nieselte nur noch ein wenig. Der Himmel<br />
klarte auf und die wuchtigen Gebirgsmassen, die den Silser See umgeben, kamen nach<br />
und nach zum Vorschein. Die Luft war rein und kühl, da und dort ein beschirmter Tourist,<br />
- zu meiner unsäglichen Erleichterung weit und breit kein einziger Mountainbiker!<br />
So schritt ich auf die bewaldete Halbinsel zu, die wie ein riesiger Finger in den tiefen,<br />
reinen Gebirgssee ragt.<br />
Mich faszinierte die Thermik, die dräuenden Wolkenmassen im Süden, direkt über dem<br />
Maloja-Pa√ür. Am nördlichen Silser-Ufer sang jetzt eine Frau mit geschulter Stimme<br />
eine Opern-Arie. Etwas von Wagner oder Strauss - oder Bizet? Und dann diese Entdekkung!<br />
Als ich um die Fingerkuppe der felsigen, mit Föhren bewachsenen Halbinsel bog, tauchte<br />
plötzlich, ohne dass ich damit gerechnet hätte, die berühmte Steintafel auf, mit den<br />
eingemeißrelten Worten:<br />
Oh Mensch! Gieb acht!<br />
Was spricht die tiefe Mitternacht!<br />
Ich schlief, ich schlief -<br />
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -<br />
Die Welt ist tief,<br />
und tiefer als der Tag gedacht.<br />
Tief ist ihr Weh - ,<br />
Lust - tiefer noch als Herzeleid:<br />
Weh spricht: vergeh!<br />
Doch alle Lust will Ewigkeit - ,<br />
will tiefe, tiefe Ewigkeit!<br />
Am Nachmittag desselben Tages, nach einer Siesta in meinem<br />
Hotel, machte ich mich<br />
auf den Weg zum nördlich gelegenen Silvaplaner See. Ich wollte<br />
noch unbedingt zum Surlej-Felsen oder Surlej-Wasserfall.<br />
Dort nämlich soll Nietzsche der Gedanke der ewigen Wiederkunft<br />
des Gleichen gekommen sein. Was für ein Gedanke würde<br />
mir kommen? Inzwischen war es wieder sommerlich geworden,<br />
die August-Sonne lächelte mild aus südwestlicher Richtung und<br />
die vielen Radfahrer, die auf einmal scharenweise zu sehen waren,<br />
störten mich erheblich bei meiner Andacht.<br />
Endlich erreichte ich den ominösen Wasserfall. Nichts Besonderes, einer von<br />
hunderten, wie er typisch für das Zentralmassiv der Alpen ist. Ich stieg erwartungsvoll<br />
das steile Gelände hinan, um eventuell noch auf irgendein ungewöhnliches<br />
Phänomen zu sto√üren. Vielleicht würde ein Steinbock meinen Weg kreuzen? Nichts.<br />
Stattdessen kam mir von oben herab, nicht etwa der √úbermensch, sondern ein Mountainbiker<br />
entgegen. Nun hatte ich definitiv genug gesehen und kehrte wieder um und<br />
ging weiter nach Silvaplana. Der Surlej-Wasserfall hat also nicht das gebracht, was mir<br />
der Silser-See brachte. Im Bus nach Sils resümierte ich die Empfindungen meines<br />
Nachmittags-Ausflugs. Ewige Wiederkehr des - Gleichen? √úbermensch?<br />
Das Himmelreich sei ein Zustand der Seele, heißrt es irgendwo bei Nietzsche, ich<br />
glaube sogar im Antichrist. Hier spricht der Mystiker!, auch wenn Nietzsche sich nie<br />
zur Mystik bekannte. Mensch und Menschheit sind ein Werdendes! Ja, doch. Und ein<br />
einziges Leben würde nicht reichen, um das gro√üre Unternehmen Menschheit zu<br />
vollenden. Es ist naheliegend, dass Wir nicht<br />
einfach mechanisch wiederkehren, wie Tag<br />
und Nacht, Ebbe und Flut, sondern, aus<br />
einem gleichsam transzendenten Grund nach<br />
jeglichem Ableben wieder und immer wieder<br />
neu erstehen, um, frei nach Rilke, das Mark<br />
der Erde zu durchmärken.<br />
Gott ist tot. Nietzsche. Nietzsche ist tot. Gott.<br />
Andreas Ferdinand Lindermayr, Wien, Oktober<br />
<strong>20</strong>08
PETER KOGLER IM MUMOK<br />
ISABELLE GRAEFF – BERLIN<br />
<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK LINZ<br />
WARAN<br />
HANS HOLLEIN<br />
HEIDULF GERNGROSS<br />
KURT CABALLERO<br />
FÜR KULTUR UND WISSENSCHAFT<br />
GER<strong>ST</strong>L, JELINEK,<br />
MAYRÖCKER, JAREMENKO-TOL<strong>ST</strong>OJ<br />
MANFRED <strong>ST</strong>ANGL – GANZHEITLICHE Ä<strong>ST</strong>HETISCHE PRINZIPIEN<br />
ALEXANDER SCHIESSLING ÜBER DEN DICHTER THOMAS FRECHBERGER<br />
DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />
<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK DER KULTURHAUPT<strong>ST</strong>ADT LINZ <strong>20</strong>09<br />
<br />
<br />
Manfred Kielnhofer, Herbert Brandl und Franz West im ARTPARK Linz<br />
kuratiert von <strong>ST</strong>/A/R<br />
Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XII - Unser Schuhdoktor<br />
<strong>ST</strong>/A/R 95<br />
<strong>ST</strong>/ /A/ /R<br />
Printmedium Wien – Berlin<br />
Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund<br />
Nr. <strong>20</strong>/ Winter <strong>20</strong>09<br />
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung <strong>ST</strong>/A/R 41<br />
S/T/A/R-Kunstsammlung in der<br />
Kulturhauptstadt Linz <strong>20</strong>09.<br />
Der Artpark<br />
präsentiert noch bis<br />
31. Jänner 09 die<br />
S/T/A/R-Kunstsammlung.<br />
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. <strong>20</strong>/09<br />
KUN<strong>ST</strong><br />
ARCHITEKTUR<br />
PREISE DER <strong>ST</strong>ADT WIEN <strong>20</strong>08<br />
LITERATUR<br />
AUTO-<strong>ST</strong>/A/R<br />
JETZT NEU MIT MARCUS HINTERTHÜR!<br />
Städteplanung / Architektur / Religion<br />
PETER KOGLER<br />
3,– Euro<br />
Biennale di Venezia, Projekt MUDAM, Luxembourgh Pavillon, Internetprojekt, <strong>20</strong>01 Foto: Manfred Grübl<br />
Gloria Gerngross<br />
Schutzpatroness der<br />
<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG<br />
Abschied im neuen <strong>ST</strong>/A/R Büro Gumpendorferstrasse 42 - Bernhard bringt Gloria zum Flughafen - Gloria fliegt nach Singapur<br />
Fotos: Heidulf Gerngross<br />
Buch I - Seite 1–8<br />
MUMOK<br />
Buch II - Seite 9–16<br />
Leopold<br />
Buch III - Seite 17–24<br />
Berlin<br />
Buch IV - Seite 25–32<br />
Alena<br />
Buch V - Seite 33–40<br />
Wien Kultur<br />
Buch VI - Seite 41–48<br />
<strong>ST</strong>/A/R-Sammlung<br />
Buch VIII - Seite 49–56<br />
Architektur<br />
Buch IX - Seite 57–64<br />
Religion<br />
Buch X - Seite 65–72<br />
Literatur<br />
Buch X - Seite 73–80<br />
AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />
Buch VII - Seite 81–88<br />
WARAN<br />
Buch VII - Seite 89–96<br />
Unser Schuhdoktor<br />
Impressum<br />
<strong>ST</strong>/A/R Printmedium Wien-Berlin<br />
Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs<br />
Erscheint 4 x jährlich, Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09,<br />
Erscheinungsort Wien-Berlin<br />
Erscheinungsdatum: Winter <strong>20</strong>09<br />
Medieninhaber:<br />
<strong>ST</strong>/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion<br />
A–1060 Wien, Capistrangasse 2/8<br />
Herausgeber: Heidulf Gerngross<br />
Redaktionelle Mitarbeit: Heidulf Gerngross, Wladimir Jaremenko-<br />
Tolstoj, Ismael Ismet Basaran, Alexander Sobolev<br />
Hans Hollein (Architektur), Wolf Günther Thiel (Kunst und<br />
Philosophie), Laura Gottlob (Kunst), Peter Kogler (Kunst), Isabelle<br />
Graeff (Kunst), Manfred Stangl (Ganzheitliche Ästhetik),<br />
Rudolf Gerngroß (Waran), David Staretz (Auto), Bruno Rey (Kunst),<br />
Dr. Christian Denker und Brigitte Bercoff (Paris-Brüssel-Wien), Valie<br />
Airport (Russland), Angelo Roventa (Architektur), Philipp Konzett<br />
(Galerie), Andreas Lindermayr (Gesellschaftsphilosoph), Kulturamt<br />
der Stadt Wien, Markus Hinterthür (Verfluchungen),<br />
Elfriede Gerstl (Literatur), Herbert Wimmer (Literatur),<br />
Organisation: <strong>ST</strong>/A/R-Team<br />
Artdirektion & Produktion: Mathias Hentz<br />
Druckproduktion: Michael Rosenkranz<br />
Computer Generated Images: Markus Hinterthür<br />
Creativ Organisation: Heike Nösslböck<br />
Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien<br />
Vertrieb: <strong>ST</strong>/A/R, Morawa GmbH.<br />
Aboservice: starabo@morawa.com<br />
oder: starabo@morawa.com<br />
Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)<br />
Kontakt: grafik@star-wien.at” grafik@star-wien.at<br />
Redaktion: editors@star-wien.at” editors@star-wien.at<br />
Adresse: Capistrangasse 2/8, 1060 Wien<br />
0043-664-521-3307 Österreich<br />
Cover: Peter Kogler<br />
<strong>ST</strong>/A/R wird gefördert von: Bundeskanzleramt und Stadt Wien.<br />
<strong>ST</strong>/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.<br />
<strong>ST</strong>/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen,<br />
KünstlerInnen, UnterstützerInnen und FreundInnen.<br />
Stets angespannt<br />
Alexander Sobolev<br />
Restaurator und Architekt in Russland,<br />
Autor in den USA,<br />
akkreditierter Korrespondent<br />
und Fotograf in Österreich,<br />
Publikationen über Österreich in<br />
Zahlreichen russischen Medien.<br />
<strong>ST</strong>/A/R-Redakteur.<br />
Editorial:<br />
Diese Zeitung ist Weltklasse<br />
Konfusius
96 <strong>ST</strong>/A/R<br />
Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />
Az W<br />
Architekturzentrum Wien<br />
Fünfzehn Jahre<br />
Architekturzentrum Wien<br />
Architekturzentrum Wien<br />
Das österreichische Architekturmuseum<br />
Das österreichische Architekturmuseum<br />
Ausstellungen: Die Dauerausstellung „a_schau“ und jährlich mehrere Wechselausstellungen<br />
zeigen ein komplexes Bild zeitgenössischen Architekturgeschehens<br />
Veranstaltungen: Werkvorträge, Podiumsdiskussionen, Kongresse und Symposien<br />
vertiefen eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Architektur und<br />
Baukultur<br />
Exkursionen: „sonntags“ führt zu den markantesten Architekturschauplätzen Wiens<br />
und bietet spannende Architekturreisen mit exquisitem Programm von ArchitektInnen<br />
geführt. „tours“ sind für Gruppen jederzeit buchbar und werden individuell konzipiert.<br />
Für Schnellentschlossene: TopTours – ready made.<br />
Vermittlung: Eines der besten und umfassendsten Vermittlungsprogramme im<br />
Bereich Architektur wird im Az W geboten: zahlreiche Workshops für Kinder und<br />
Jugendliche sowie für Erwachsene<br />
Archiv/Sammlung: Als Wissens- und Forschungszentrum gleichermaßen beherbergt<br />
das Az W eine umfangreiche Architektursammlung des <strong>20</strong>. und 21. Jahrhunderts<br />
Baudatenbank: Unter www.nextroom.at ist die Online-Baudatenbank des Az W zu<br />
finden: ArchitektInnen/Bauwerke/Standorte/BauherrInnen u.v.m. sind hier zahlreich<br />
vermerkt<br />
Architektenlexikon: Dieses Online-Lexikon würdigt nicht nur die „großen“ Persönlichkeiten<br />
der Wiener Architektur wie etwa Otto Wagner oder Adolf Loos, sondern<br />
erfasst auch weniger bekannte Architekten und deren Werke. Das Lexikon gibt<br />
Auskunft über 700 Architekten zwischen 1880 – 1945<br />
Bibliothek: Im historischen Oktogon kann in der Fachpräsenz-Bibliothek des Az W<br />
zu freiem Eintritt in über 27.000 Büchern, Katalogen und Zeitschriften geschmökert<br />
werden<br />
Publikationen: Zahlreiche Ausstellungskataloge sowie das Magazin „Hintergrund“<br />
gehören zum breiten Repertoire der Az W-Veröffentlichungen<br />
Architecture Lounge: die Wissensplattform des Az W, ein exklusives Netzwerk, das<br />
den Dialog zwischen Architektur, Kultur und Wirtschaft eröffnet<br />
PROGRAMM VORSCHAU <strong>20</strong>09<br />
AUS<strong>ST</strong>ELLUNG I NEUE HALLE<br />
SEIT 13.10.05<br />
A_SCHAU. DAUERAUS<strong>ST</strong>ELLUNG<br />
AUS<strong>ST</strong>ELLUNGEN I ALTE HALLE<br />
BIS 02.02.09<br />
ARCHITEKTUR BEGINNT IM KOPF.<br />
THE MAKING OF ARCHITECTURE<br />
05.03. – 02.06.09<br />
BOGDAN BOGDANOVIĆ.<br />
DER VERDAMMTE BAUMEI<strong>ST</strong>ER<br />
18.06. – 06.07.09<br />
WONDERLAND:<br />
100 MODELS – 100 <strong>ST</strong>ORIES<br />
16.07. – 28.09.09<br />
URBAN PUBLIC SPACE<br />
22.10. – 18.01.<strong>20</strong>10<br />
BALKANOLOGY.<br />
NEUE ARCHITEKTUR UND URBANE<br />
PHÄNOMENE IN SÜDO<strong>ST</strong>EUROPA<br />
AZW<br />
Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, im MQ, A-1070 Wien, Telefon +43 (1) 522 31 15, Fax +43 (1) 522 31 17, E-Mail: office@azw.at, www.azw.at<br />
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