11.12.2020 Aufrufe

ST:A:R_20

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Printmedium Wien – Berlin<br />

<strong>ST</strong>/ /A/ /R<br />

Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund<br />

Nr. <strong>20</strong>/ Winter <strong>20</strong>09<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. <strong>20</strong>/09<br />

KUN<strong>ST</strong><br />

PETER KOGLER IM MUMOK<br />

ISABELLE GRAEFF – BERLIN<br />

<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK LINZ<br />

WARAN<br />

ARCHITEKTUR<br />

HANS HOLLEIN<br />

HEIDULF GERNGROSS<br />

KURT CABALLERO<br />

PREISE DER <strong>ST</strong>ADT WIEN <strong>20</strong>08<br />

FÜR KULTUR UND WISSENSCHAFT<br />

LITERATUR<br />

GER<strong>ST</strong>L, JELINEK,<br />

MAYRÖCKER, JAREMENKO-TOL<strong>ST</strong>OJ<br />

MANFRED <strong>ST</strong>ANGL – GANZHEITLICHE Ä<strong>ST</strong>HETISCHE PRINZIPIEN<br />

ALEXANDER SCHIESSLING ÜBER DEN DICHTER THOMAS FRECHBERGER<br />

AUTO-<strong>ST</strong>/A/R<br />

DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK DER KULTURHAUPT<strong>ST</strong>ADT LINZ <strong>20</strong>09<br />

JETZT NEU MIT MARCUS HINTERTHÜR!<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

PETER KOGLER<br />

3,– Euro<br />

<br />

Biennale di Venezia, Projekt MUDAM, Luxembourgh Pavillon, Internetprojekt, <strong>20</strong>01 Foto: Manfred Grübl


2 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch I - MUMOK Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />

EDITORIAL :<br />

Heidulf Gerngross<br />

PARTYBILD MIT <strong>ST</strong>ARARCHITEKT PAUL MESSNER -<br />

VILLACHER BIER, THOMAS KIANGBUFFET UND AN DIE 1000 MENSCHEN I


Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch I - MUMOK<br />

<strong>ST</strong>/A/R 3<br />

m Museumsquartier - Wien<br />

Foto: MUMOK/Rastl


Städteplanung / Architektur / Religion Buch I - MUMOK <strong>ST</strong>/A/R 5<br />

MUMOK <strong>20</strong>08<br />

Foto: MUMOK/Rastl


6 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch I - MUMOK Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />

Text über den Einfluss der Koglermalerei auf die<br />

Architektur und auf mich<br />

Peter Kogler: von Heidulf Gerngross<br />

Für mich ist er ein Animator des<br />

Räumlichen. Er erzauberte vor Jahren<br />

eine Ausstellung in der Sezession. Mit<br />

einigen Papiertapeten verwandelte er die<br />

Olbrichthallen in ein Raumeldorado.<br />

Raum Pur – Ökonomie perfekt.<br />

Wir hatten dann auch eine Zusammenarbeit<br />

als er einen Entwurf für eine Eishokeyhalle<br />

in Magnitogrorsk für den damaligen<br />

russischen Eishokeymeister zum grössten<br />

Freilandbild Russlands machte<br />

(ca. <strong>20</strong>0 x 1<strong>20</strong> meter) mit Archiquantenbahnen,<br />

die dem Gebäude eine zusätzliche<br />

Dynamik verpasst haben –<br />

ohne konstruktive Strapazen.<br />

Zu einem meiner Geburtstage schenkte er<br />

mir für meinen ungehemmten Gebrauch<br />

einen „Kogler-2er“. Ich wählte die Farbe und<br />

machte daraus einen Grundriss für einen<br />

Supermarkt. Es ist für die österreichische<br />

Kulturgeschichte schon gut das es den<br />

Peter Kogler gibt.<br />

Das zeigt auch seine Ausstellung im<br />

MUMOK.<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch IX - Kärnten<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

EISHALLE<br />

MAGNITOGORSK<br />

Ein Projekt von Werkstatt Wien.<br />

Architektur: Markus Spiegelfeld, Heidulf Gerngross,<br />

Janosch Papp.<br />

Visualisierung: Werner Skvara.<br />

Konzeptionelle Archiquant-Außenhaut: Peter Kogler.<br />

Eishockey-Mehrzweckhalle für 10.000 Personen<br />

mit Entertainmenteingangshalle, Spiel, Restaurant,<br />

Bar, Shops und der größten Malerei Russlands,<br />

ca. <strong>20</strong>0x1<strong>20</strong> meter


Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch I - MUMOK<br />

<strong>ST</strong>/A/R 7<br />

Grundriss für einen Supermarkt<br />

Von Heidulf Gerngross um <strong>20</strong>02.


Inserat 5 Jahre Star 18.12.<strong>20</strong>08 23:49 Uhr Seite 1<br />

5 JAHRE<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

PRINTMEDIUM WIEN<br />

gebunden<br />

in Leder– oder Leinencover<br />

Limited Edition<br />

Auflage 50 Stück in 2 Bänden<br />

Gold Prägung<br />

Herausgegeben von Galerie Konzett<br />

KONZETT<br />

Galerie Konzett | Spiegelgasse 21 | A-1010 Wien<br />

Anfragen unter: gallery@artkonzett.com


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch II - Leopold <strong>ST</strong>/A/R 9<br />

MuseumsQuartier Wien<br />

www.leopoldmuseum.org<br />

AUS<strong>ST</strong>ELLUNGEN <strong>20</strong>09<br />

ERN<strong>ST</strong> BARLACH<br />

KÄTHE KOLLWITZ<br />

13.02. – 25.05.<strong>20</strong>09<br />

WIEN 1900<br />

Sammlung Leopold<br />

Die weltgrößte<br />

EGON SCHIELE<br />

Sammlung<br />

ROBERT HAMMER<strong>ST</strong>IEL<br />

WINTERREISE<br />

Zeichnungen und Druckgrafiken<br />

06.02. – 27.04.<strong>20</strong>09<br />

JOSEF MARIA AUCHENTALLER<br />

Jugendstil pur!<br />

11.06. – 21.09.<strong>20</strong>09<br />

EDVARD MUNCH<br />

und das UNHEIMLICHE in der Kunst<br />

16.10.<strong>20</strong>09 – 18.01.<strong>20</strong>10


10 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Leopold Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Manifest der Astralarchitektur – der Architektur des neuen Raums<br />

von Alexander Sobolev<br />

Sämtliche Übergangsperioden, die die jeweils letzte<br />

Etappe der Ansammlung bestimmter grundlegender<br />

Erfahrungen bilden, sind Versuche, unwillentlich<br />

erworbene Gewohnheiten abzuwerfen, die traditionelle<br />

Ordnung zu verändern oder gänzlich aufzugeben. Ein<br />

Kennzeichen der Veränderung ist auch der Übergang<br />

von der Quantität zur Qualität. Der moderne Mensch ist<br />

immer öfter ohne direkten Kontakt zum Erdboden. Im<br />

Raum wird er von Flugzeugen, Autos, Segelbooten, Luftkissen,<br />

Fahrrädern, Rollschuhen getragen, von Trampolins<br />

in die Höhe katapultiert. Mit Hilfe der Geschwindigkeit<br />

ist es ihm gelungen, selbst die Zeit zu verdichten.<br />

Bis zum ersten Raumfl ug des Menschen wuchsen die<br />

Architektur und ihre räumlichen Objekte aus der Erde<br />

und waren ein Teil von ihr. Am Höhepunkt der Renaissance<br />

der überholten Architektur wurde der Maulwurf<br />

zum Architekten gekürt. Heutzutage kann man von der<br />

Überwindung der Erdanziehung mittels des Ingenieursgedanken<br />

und der architektonischen Fantasie sprechen.<br />

Gestaltung: Anatoli Bourikine<br />

Kennzeichen der Astralarchitektur:<br />

01. Das Bestreben, die Stadtfl ächen nicht zu vergrößern sondern bestehende, “verlorene” und leer<br />

stehende Räume zu nutzen, d.h. die Städte wachsen in die Höhe.<br />

02. Die Grundfl äche und Fläche freitragender Gebäudestützen ist kleiner als die der oberen Querschnitte.<br />

03. Der visuelle Schwerpunkt von Gebäuden liegt bedeutend über dem Straßenniveau.<br />

04. Die Berührungsfl äche durchsichtiger Gebäudewände mit umgebender Luft und Wasser beträgt<br />

mehr als 50 %.<br />

05. Das Raumvolumen von Terrassen, Balkonen und Atrien ist größer als das Gesamtinnenraumvolumen<br />

von Gebäuden.<br />

06. Die Fläche von Konsolen und Terrassen auf einer Hochhausfassade ist größer als die Fläche ihrer<br />

vertikalen Projektion.<br />

07. Licht, Schatten und Farben kommt die Rolle von Baumaterialien zu. Dafür werden Spiegel, Glas<br />

mit unterschiedlicher Durchlässigkeit und buntes Glas von großer Fläche und komplizierten Formen<br />

verwendet. Die Schattenseiten von Gebäuden werden mit natürlichem Licht gefüllt.<br />

08. Bauwerke entstehen auf natürliche Weise über und in historischen Stadtteilen und in natürlicher<br />

Landschaft. Das Problem leer stehender Verkehrskreuzungsfl ächen wird gelöst.<br />

09. Weitreichende Verwendung wechselnder Wohnmodule.<br />

10. Multifunktionalität aufgrund der Integration funktioneller öffentlicher Plätze in Strukturelementen<br />

von Bauten.<br />

11. Modellierung natürlicher Formen der Biosphäre, von Meeresklima, Hochgebirgsregionen, Eukalyptus-<br />

und Nadelwäldern in Innenräumen.


Es klopft erneut an der Tür.<br />

Herein!<br />

Die Tür öffnet sich, ein österreichisches Mädchen mit einem Eimer in der Hand tritt<br />

schüchtern ins Zimmer.<br />

Mädchen: (auf Deutsch) Grüß Gott! Ich bin die Tochter des Hausherrn, Herrn Semmelweis.<br />

Ich heiße Magdalena Semmelweis!<br />

Gradusow: (verständnislos) Was? (schüttelt den Kopf) Ich habe nichts verstanden! Wer bist du?<br />

Mädchen: (tippt sich mit dem Finger auf die Brust, erneut auf Deutsch) Ich bin Magdalena!<br />

(deutet auf die Tür) Ich bin die Tochter des Wirtes!<br />

Gradusow: Ahh! (lächelt breit, tritt an Magdalena und tippt ihr mit dem Finger auf die Brust)<br />

Jetzt habe ich verstanden! Magdalena?<br />

Mädchen: (nickt und tippt sich wieder auf die Brust) Magdalena!<br />

Gradusow: (lächelt) Magdalena! (tippt ihr auf die Brust)<br />

Mädchen: (macht zwei leichte Knickse) Magdalena! Magdalena!<br />

Gradusow: (streckt die Brust hervor) Andrej! (schlägt sich mit der Faust auf die Brust) Ich heiße<br />

Andrej!<br />

Mädchen: (klopft Gradusow mit der Faust auf die Brust) Andrej!<br />

Gradusow: (berührt erfreut ihre Brust mit dem Finger) Magdalena!<br />

Das Mädchen dreht sich zur Seite. Zeigt auf den Eimer.<br />

Mädchen: (deutsch) Ich räume Ihr Zimmer auf. (macht Gesten des Aufwischens) Zwei Mal die<br />

Woche. Gut?<br />

Gradusow: (wiederholt auf Deutsch) Gut! Gut!<br />

Mädchen: Haben Sie irgendein Tuch, mit dem ich den Boden aufwischen kann? Ein altes<br />

Hemd vielleicht? (zeigt mit entsprechenden Gesten, was sie braucht)<br />

Gradusow: Ah, ich verstehe, ich verstehe, gleich werden wir etwas finden! (blickt sich um,<br />

beginnt dann seine Hose aufzuknöpfen)<br />

Mädchen: (weicht erschrocken einen Schritt in Richtung Tür zurück) Nein, nein, Sie haben<br />

mich nicht verstanden! Ich bin gekommen, um den Boden zu wischen! Ich brauche nur<br />

irgendeinen Fetzen! (gestikuliert)<br />

Gradusow: So nehmen Sie doch die Hose, es ist eine alte, ich habe eine andere. Da, nehmen<br />

Sie! (zieht die Hose aus und steht in langen Unterhosen da) Nimm schon!<br />

Das Mädchen streckt argwöhnisch die Hand aus und nimmt Gradusows Hose. Schürzt den<br />

Rocksaum auf, versenkt die Hose im Eimer, holt sie heraus, windet sie aus. Mit hochrotem<br />

Kopf beginnt sie den Fußboden zu schrubben. Gradusow verfolgt unverwandten Blickes<br />

jede ihrer Bewegungen.<br />

Mädchen: Bitte, sehen Sie mich nicht so an! Sie verwirren mich.<br />

Gradusow: (zu sich gewandt) Was für eine Schönheit! Und versteht kein Wort Russisch.<br />

Ein idealer Gesprächspartner für einen Menschen wie mich! Magdalena, ein interessanter<br />

Name! Und jung ist sie, 19 oder <strong>20</strong> …<br />

Pause.<br />

Das Mädchen schrubbt den Boden, nähert sich rücklings Gradusow.<br />

Ach, wie schade, dass es uns kategorisch verboten ist, eine geschlechtliche Beziehung mit<br />

der lokalen Bevölkerung einzugehen! Aber warum nicht? Es erfährt doch keiner! Es gibt<br />

keine Zeugen! Ich sperre die Tür ab und es hat sich! Ein Mal nur! Ein einziges Mal in<br />

diesem langen Krieg! Auf den Sieg! Auch wenn ich dafür erschossen werde …<br />

Pater Bonifaz: Was gibt es Neues bei Ihnen, Herr Major?<br />

Gradusow: Es gibt Neuigkeiten (kickt den Ball)…<br />

Pater Bonifaz: Hat man Ihnen genehmigt, eine Mannschaft aufzustellen?<br />

Gradusow: Vielmehr noch!<br />

Pater Bonifaz: Was kann es mehr geben?<br />

Gradusow: Der Kommandant der 2. Ukrainischen Front, Marschall Rodion Jakowlewitsch<br />

Malinowski höchstpersönlich interessiert sich für das Projekt! Er äußerte den Wunsch, dem<br />

Match beizuwohnen!<br />

Pater Bonifaz: Meinen Glückwunsch, Herr Major!<br />

Gradusow: Das ist noch nicht alles!<br />

Pater Bonifaz: Nein?<br />

Gradusow: Ja! (versetzt dem Ball einen Trittl)<br />

-9-<br />

-8-<br />

Schleicht auf Zehenspitzen zur Tür und verriegelt sie leise. Atmet tief ein, zieht die<br />

Unterhose aus. Das Mädchen schrubbt den Fußboden, ohne sich umzudrehen. Gradusow<br />

tritt von hinten an sie heran und legt seine Arme um ihre Taille. Sie hält inne.<br />

Gradusow: Magdalena!<br />

Mädchen: Andrej!<br />

Gradusow: Magdalena!<br />

Mädchen: Andrej!<br />

Gradusow: Magdalena!<br />

Mädchen: Andrej!<br />

Sie vereinigen sich, bewegen sich im Rhythmus des Bodenaufwaschens auf dem<br />

Zimmerboden. Schließlich gibt Gradusow einen gedehnten Schrei von sich und hält inne.<br />

Einige Augenblicke verharren beide still. Dann dreht sich Magdalena zur Seite, reibt sich<br />

verwirrt die Stirn, überlegt schamhaft, wo sie sich verstecken kann. Sie erblickt den Eimer,<br />

stülpt ihn über den Kopf und eilt, einige Male gegen die Wand stoßend, aus Gradusows<br />

Zimmer.<br />

Gradusow: Komm wieder! (Pause) Morgen! Das halbe Zimmer ist ja noch dreckig! Bleib!<br />

Wo willst du hin?!<br />

Vor der Tür reißt das Mädchen den Eimer vom Kopf, der laut scheppernd zu Boden fällt,<br />

und läuft davon. Gradusow stürzt hinterdrein, schafft es jedoch nicht sie einzuholen. Er hebt<br />

den über die Bühne rollenden Eimer auf und trägt ihn ins Zimmer.<br />

3. AKT<br />

1. BILD<br />

Das klösterliche Stadion mit Blick auf die Rückseite des Klosters. Ein Fußballtor. Pater<br />

Bonifaz wärmt sich mit dem Ball spielend auf. Er trägt eine Mönchskutte. Das Klopfen<br />

eines Mopedmotors ist zu hören. Major Gradusow fährt auf die Bühne, am Tor vorbei. Pater<br />

Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt, der Ball trifft Gradusow. Gradusow stützt mit dem<br />

Moped, erhebt sich, klopft sich ab.<br />

Gradusow: Das war ein Schlag! Sie hätten mich beinahe umgebracht!<br />

Pater Bonifaz: Entschuldigen Sie, das wollte ich nicht! Ich habe Sie nicht kommen sehen…<br />

Gradusow: Zum Teufel noch mal! Dafür stelle ich Sie ins Tor und bombardiere Sie mit dem<br />

Ball!<br />

Pater Bonifaz: Ich habe nichts dagegen…<br />

Gradusow: Her mit dem Ball!<br />

Pater Bonifaz gibt Gradusow den Ball und stellt sich ins Tor. Gradusow schießt einmal,<br />

schießt ein weiteres Mal. Und dann noch einmal. Pater Bonifaz wehrt alle Bälle ab.<br />

-16-<br />

Das Moped verschwindet von der Bühne. Das Motorengeräusch verstummt. Gradusow sinkt<br />

auf die Knie. Bedeckt sein Gesicht mit den Händen. Weint. Reißt sich die Schulterstücke<br />

von der Uniform. Wirft sie in hilfloser Wut in Richtung der abfahrenden Magdalena. Schlägt<br />

mit der Stirn gegen die Erde, krümmt sich zusammen und wälzt sich auf den Rücken.<br />

Ein Schellack mit dem russischen Kriegslied „Tag des Sieges“ erklingt auf einem<br />

Grammophon. Der Vorhang fällt. Auf der Vorbühne Magdalena auf dem Weg nach Wien.<br />

Ende<br />

Das Licht erlischt. Auf den geschlossenen Vorhang wird wie beim Film ein Nachspanntext<br />

projiziert: Regisseur, Bühnenbildner, Dramaturg, Schauspieler etc. Danach der Kommentar:<br />

Das Stück basiert auf historischen Fakten, die Namen der Personen wurden nicht verändert:<br />

Magdalena Semmelweis konnte nach der Abtreibung keine Kinder mehr bekommen.<br />

Magdalenas Brüder Siegfried und Manfred kehrten aus der sowjetischen Gefangenschaft nicht<br />

wieder.<br />

Die Soldaten der Besatzungsmächte verließen 1956 Österreich.<br />

Pater Bonifaz ertrank 1949 bei einem Badeunfall in der Donau..<br />

Major a.D. Andrej Gradusow lebt 93-jährig in Novosibirsk.<br />

Wladimir Jaremenko-Tolstoj lebt und arbeitet in Wien.<br />

Im 1994 erlassenen Bundesgesetz Lex Leopold wurde die Finanzierung des Erwerbs der „Sammlung<br />

Leopold“ durch die Republik Österreich und die Österreichische Nationalbank beschlossen. Das<br />

gleichnamige Museum öffnete im Jahre <strong>20</strong>01 seine Tore in Wien. In der Stiftung Leopold ist<br />

Leopold museologischer Direktor auf Lebenszeit.<br />

LEX LEOPOLD<br />

(gekürzte Version) - Wladimir Jaremenko-Tolstoj –<br />

Deutsch von Valie Göschl<br />

Ein Fußballdrama aus dem Jahr 1945. Ein Fußballteam der Roten Armee<br />

spielt im Stift Melk gegen Mönche. Die drei sowjetischen Marschalls -<br />

Malinowski, Rokossowski und Wassiljewski sind anwesend..<br />

Personen:<br />

Andrej Gradusow – Major der Roten Armee<br />

Magdalena Semmelweis – österreichische Bauerntochter<br />

Pater Bonifaz – Benediktinermönch<br />

Sowjetische Besatzungssoldaten, darunter die drei sowjetischen Marschalls - Malinowski,<br />

Rokossowski und Wassiljewski<br />

-1-<br />

WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU


Stapelt die gezogenen Briefe auf einen Stoß. Nimmt Zeichenbrett und Griffel zur Hand.<br />

Nun die Liste:<br />

Semjonow, Timofeew, Jegorow, Petrow, Sorokin, Korowin, Toporow, Kurizyn, Tjulkin,<br />

Ustjugow, Schuljak, Lewin, Feldman, Kormilzew, Stodolski, Bajkeew, Sabatjugin, Gadasik,<br />

Beberaschwili, Simogljadow, Sawin, Osipow, Injuschin, Rubzow …<br />

So! Morgen sind alle verhaftet …<br />

Von diesem Moment an sind sie alle Verräter …<br />

Volksfeinde …<br />

2. BILD<br />

Gradusow erhebt sich vom Tisch. Ordnet die Uniform. Tritt vor den Spiegel, rupft sich ein<br />

Haar aus der Nase. Niest.<br />

Gradusow: Was für eine enorme Hitze! Vierzig Grad! Nein, wahrscheinlich sind es nur<br />

dreißig… Egal, es ist unerträglich heiß! Ich brauche eine Abkühlung, ich fahre an die Donau<br />

baden, ein wenig schwimmen.<br />

Zieht sein Moped aus der Wand, startet und fährt weg. Die Bühne dreht sich.<br />

Donauufer. Froschgequake. Gradusow stellt den Motor ab, zieht sich aus und begibt sich ins<br />

Wasser. Schwimmt.<br />

Gradusow: Huch, was ist das? Wer …?<br />

Pater Bonifaz erhebt sich aus dem Wasser, er ist ebenfalls nackt.<br />

Pater Bonifaz: Haben Sie keine Angst, ich bin es, Pater Bonifaz! Ich tauche hier.<br />

Gradusow: Pater Bonifaz? Haben Sie mich erschreckt!<br />

Pater Bonifaz: Entschuldigen Sie, ich bin zufällig hier.<br />

Der nackte Pater Bonifaz erhebt sich aus dem Wasser und schüttelt Gradusow die Hand.<br />

-11-<br />

Gradusow: Tauchen Sie öfters hier?<br />

Pater Bonifaz: Fast täglich.<br />

Gradusow: Es ist schön hier …<br />

Pater Bonifaz: Haben Sie sich bereits eingewöhnt?<br />

Gradusow: Ja, alles bestens. Ich wohne bei einem Bauern und habe ein großes, helles<br />

Zimmer. Ich bin zufrieden. Die besten Voraussetzungen für eine fruchtbare Arbeit.<br />

Pater Bonifaz: Was, haben Sie so viel zu arbeiten?<br />

Gradusow: An Arbeit mangelt es uns nie!<br />

Pater Bonifaz: Aber der Krieg ist doch zu Ende! Gegen wen kämpfen Sie noch?<br />

Gradusow: Wie, gegen wen? Gegen den ideologischen Feind.<br />

Pater Bonifaz: Aha …<br />

Gradusow: Hören Sie, bei einem Spaziergang um das Kloster stieß ich auf einen großen<br />

Sportplatz mit einem Fußballfeld. Er gehört wahrscheinlich zum Kloster. Spielen Sie<br />

Fußball? Spielen Mönche Fußball?<br />

Pater Bonifaz: Ja, wir haben in der Tat eine Fußballmannschaft. Ich bin der Trainer. Ich<br />

selbst spiele nicht mehr, ich stehe im Tor. Im März haben wir sogar gegen die Mannschaft<br />

des 4. Bataillons der „Totenkopf-Panzerdivision aus Amstetten gewonnen.<br />

Gradusow: Früher habe ich auch Fußball gespielt. Im Krieg hatte ich keine Möglichkeit<br />

dazu.<br />

Pater Bonifaz: Der Krieg ist zu Ende! Zeit Fußball zu spielen!<br />

Gradusow: Ja. Fußball …!<br />

Pater Bonifaz: Wir haben zurzeit niemanden gegen den wir antreten können! Die<br />

-6-<br />

Und die Mädchen wollen es auch! Ihre Männer sind im Krieg gefallen oder wurden als<br />

Kriegsgefangene nach Sibirien verschleppt. Von dort kehrt kaum einer zurück, und sollte es<br />

doch einmal einer schaffen, ist ungewiss wann. Es kommen nur Vereinzelte, gebrochen und<br />

gebeugt, wieder.<br />

Wenn die Nazi-Befehlshaber, die all diese Verbrechen in Auftrag gegeben haben, durch den<br />

internationalen Gerichtshof in Nürnberg verurteilt sind, werden Millionen von Soldaten<br />

und Offizieren, die gezwungen waren, diese Befehle auszuführen, ohne Gericht und ohne<br />

Verfahren zur Zwangsarbeit nach Russland verfrachtet, um unsere vom Krieg zerstörte<br />

sozialistische Wirtschaft wiederaufzubauen. Und wir, die Sieger, dürfen nicht einmal ihre<br />

Frauen heiraten!<br />

Hitler züchtete sich die Herrennation, Stalin die der Sklaven. In der deutschen Armee war<br />

die Anrede „Herr“ üblich, bei uns „Genosse“! Das russische Wort für Genosse „Towarisch“<br />

hat eine zweifelhafte Etymologie, es wurde erstmals zu Zeiten Iwan des Schrecklichen<br />

im Umgang unter Banditen, die Kaufleute mit den Worten „towar ischi – such die Ware“<br />

ausraubten, schriftlich festgehalten …<br />

Magdalena erhebt sich vom Bett und kleidet sich an.<br />

Magdalena: (deutsch) Andrej, es wird schon hell, ich muss gehen! (deutet zum Fenster)<br />

Gradusow: Warte! Es ist noch völlig dunkel! Und die Nacht ist warm! Gehen wir baden?<br />

Fahren wir mit dem Motorrad an die Donau! Ich kenne einen schönen Ort! Lass uns<br />

schwimmen gehen! (macht Schwimmgesten) Dawaj, kommst du?<br />

Magdalena: (russisch) Dawaj!<br />

Gradusow: Ja, du verstehst alles, was ich dir sage! Und kennst sogar zwei Worte auf<br />

Russisch: „da“ und „dawaj“! Sehr gut!<br />

Magdalena: Da, da …<br />

Gradusow zieht sich an und startet das Moped, schaltet den Scheinwerfer ein. Steigt auf das<br />

Moped. Magdalena löscht die Tischlampe, setzt sich auf den Rücksitz, schlingt die Arme um<br />

seine Hüften.<br />

Gradusow: Halte dich gut fest! Ich gebe Vollgas! Wie schon Gogol sagte: „Ach, welch Russe<br />

liebt es nicht, mit ungaublicher Geschwindigkeit dahinzujagen!“<br />

Magdalena: Dawaj, dawaj!<br />

Der Scheinwerfer zerschneidet die Dunkelheit, das Moped dreht einige Kreise und Achter.<br />

Es hält. Erste Morgendämmerung. Am Horizont ist die aufgehende Sonne zu sehen.<br />

Gradusow und Magdalena entkleiden sich und steigen in die Donau. Lachen und Plätschern<br />

des Wassers.<br />

Zur selben Zeit pirscht sich die dunkle Silhouette eines Mannes an das Moped heran,<br />

sammelt die Kleidungsstücke der Badenden auf und läuft davon. Eine Minute später steigen<br />

Gradusow und Magdalena aus dem Wasser. Gradusow blickt sich um.<br />

Gradusow: Zum Teufel!<br />

Magdalena: (deutsch) Mein Gott!<br />

Gradusow: Unser Gewand ist weg! (spuckt aus) Wer ist da? Was soll der Scherz? (sieht sich<br />

um) Geben Sie das Gewand zurück! Her mit den Kleidern! Haben Sie gehört? Geben Sie<br />

sofort unsere Sachen her!<br />

Keine Antwort.<br />

Magdalena: (bedeckt das Gesicht mit den Händen) Mein Gott!<br />

Gradusow: Verdammte Scheiße! (stürzt zum Moped) Schnell, solange es noch nicht ganz<br />

hell ist! Fahren wir! So wie wir sind, nackt! Schnell! Dawaj! Dawaj!<br />

Sie fahren. Helles Tageslicht.<br />

Pater Bonifaz: (wehrt den Ball geschickt ab) Sagen Sie schon, ich sterbe vor Neugierde!<br />

Gradusow: Marschall Malinowski hat Marschall Rokossowski, den Kommandanten der 1.<br />

Weißrussischen Front zum Match eingeladen!<br />

Pater Bonifaz: Oho, sieh einer an!<br />

Gradusow: Und das ist immer noch nicht alles!<br />

Pater Bonifaz: Das kann nicht sein.<br />

Gradusow: Doch, ist es!<br />

Pater Bonifaz: Nun!<br />

Gradusow: (schießt den Ball in Richtung Pater Bonifaz) Marschall Rokossowski Hat Marschall<br />

Wasiljewski, den Kommandanten der 2. Weißrussischen Front eingeladen!<br />

Pater Bonifaz: (verfehlt den Ball, der hinter die Kulissen landet) Was Sie nicht sagen!<br />

Gradusow: Ja! Das wird ein Spiel!<br />

Pater Bonifaz: Drei Marschalls auf einen Schlag! AhA!<br />

Gradusow: (biegt einen Finger nach dem anderen zurück, zählt auf) Malinowski, Rokossowski<br />

und Wasiljewski!!<br />

Pater Bonifaz: Malinowski, Rokossowski und Wasiljewski!<br />

Gradusow: (ballt die Hand zur Faust) Hurra!<br />

Pater Bonifaz: (klopft Gradusow auf den Rücken) Hurra!<br />

Gradusow vollführt einen spontanen Freudentanz, springt, läuft, einen imaginären Ball mit<br />

Füßen und Kopf in Richtung Tor schlagend. Pater Bonifaz sieht ihm lachend zu.<br />

Gradusow: (hält inne) Wer zuletzt lacht, lacht am besten!<br />

Pater Bonifaz: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!<br />

Gradusow: Ich fahre und stelle die Mannschaft zusammen!<br />

Pater Bonifaz: Gute Fahrt!<br />

Gradusow springt auf das Moped, dreht einige Kreise und Achterschleifen auf der Bühne<br />

und fährt mit einem lauten „Hurra“ ab.<br />

2. BILD<br />

Völlige Finsternis. Knarren eines Bettes. Stöhnen. Gedämpfte Schreie.<br />

- Magdalena!<br />

- Andrej!<br />

- Magdalena!<br />

- Andrej!<br />

- Magdalena!<br />

- Andrej!<br />

Ein Streichholz flammt auf, die Tischlampe wird angezündet. Gradusows Zimmer. Die<br />

Einrichtung ist unverändert, nur drei Portraits hängen jetzt über dem Bett: Marschall<br />

Malinowski, Marschall Rokossowski und Marschall Wasiljewski. Im Bett liegen Gradusow<br />

und Magdalena.<br />

Schon wieder Post? Die wurde heute doch schon einmal gebracht! Oder irre ich mich?<br />

-7-<br />

Gradusow: Wie schön! Niemals zuvor in meinem Leben war ich so glücklich! Ich liebe dich,<br />

Magdalena!<br />

Magdalena: (deutsch) Ich liebe dich, Andrej!<br />

Gradusow: Magdalena! Magda und Lena! Zwei in einem! Zwei Namen in einem, die<br />

deutsche Magda und die russische Lena. Darf ich dich Lena nennen?<br />

Magdalena: (nickt, auf Russisch) Da, da, Lena…<br />

Gradusow: Lena! Lena… (küsst sie auf die Stirn)<br />

Magdalena: Andrej…<br />

Gradusow: Warum kann ich dich nicht heiraten? Wieso ist es uns verboten, Kontakt mit<br />

österreichischen Mädchen zu haben? Nichts dürfen wir. Dabei ist der Wunsch so stark!<br />

-10-<br />

Wehrmachtstruppen haben sich zerschlagen, die einen sind umgekommen, die anderen in<br />

Gefangenschaft geraten. Es wäre übrigens nicht uninteressant gegen die Russen zu spielen!<br />

Gradusow: (nachdenklich) Ich könnte wahrscheinlich eine Mannschaft aufstellen.<br />

Pater Bonifaz: Versuchen Sie es!<br />

Gradusow: Ich kann Ihnen nichts versprechen, ich muss erst mit meinen Vorgesetzten<br />

reden.<br />

Pater Bonifaz: Nun denn, reden Sie mit Ihnen! Sobald Sie etwas wissen, kommen Sie ins<br />

Kloster und fragen Sie nach Pater Bonifaz, man wird Sie zu mir führen. Sie können auf<br />

unserem Platz trainieren, der Fußballplatz ist hervorragend.<br />

Gradusow: Das wäre großartig!<br />

Pater Bonifaz: Wie immer, es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, ich würde mich<br />

freuen, Sie wieder zu sehen. Ich werde nun wieder in die Kühle der Donau eintauchen.<br />

Pater Bonifaz schüttelt Gradusow die Hand und begibt sich in die Gewässer der Donau.<br />

Gradusow kleidet sich an, steigt auf das Moped und fährt ab.<br />

3. BILD<br />

Das Zimmer von Gradusow. Es wird bereits dunkel. Auf dem Tisch steht eine Lampe.<br />

Gradusow geht nervös im Zimmer auf und ab. Greift sich mit den Händen an den Kopf.<br />

Gradusow: Herrgott, warum muss ich das tun? Die Verurteilung tausender unschuldiger<br />

Menschen unterschreiben, heldenhafte sowjetische Offiziere in den Tod schicken, die ihr<br />

Leben im Namen des Sieges eines Diktators über den anderen riskiert haben?<br />

Ich will nicht, ich will nicht mehr, ich will es nicht!!! Wenn ich es allerdings nicht tue,<br />

werde ich selbst Repressionen ausgesetzt. Ich tue das nur um meine eigene Haut zu retten!<br />

Tue ich es nicht, macht es ein anderer! „Niemand ist unersetzbar!“, wer kennt ihn nicht,<br />

Stalins Ausspruch, den er gegenüber seiner Frau Nadjeschda Krupskaja äußerte, als sie<br />

versuchte ihn zu kritisieren. „Wir erklären eine andere Frau zur Witwe des Führers.“ Und<br />

die Krupskaja sagte kein Wort mehr. Und trotzdem hat er sie dann vergiftet. Wie den Maxim<br />

Gorkij. Und viele andere. Auch Lenin soll er auf dem Gewissen haben …<br />

Was, wenn Hitler gewonnen hätte? Die Amerikaner warteten bis zum Schluss, bevor sie die<br />

zweite Front eröffneten, weil sie Angst hatten in den Konflikt der zwei Ungeheuer involviert<br />

zu werden. Sie warteten ab. Hätte sich Hitler als Sieger abgezeichnet, hätten sie ihn<br />

unterstützt und wären auf jegliche Verhandlungen und Abkommen mit ihm eingegangen.<br />

Sie verstanden, dass es Hitler nicht um Sibirien ging, dass er nicht weiter als bis zum<br />

Ural vorstoßen würde, zumindest stand es nicht auf seinem Plan, die Territorien östlich<br />

des Uralgebirges und des Kaukasus zu erobern. Ihn interessierte nur das Öl und Erz, und<br />

keineswegs die grenzenlose unwegsame Taiga. Der Plan der Amerikaner war es, Stalin in<br />

den Rücken zu fallen, indem sie den Fernen Osten und die Halbinsel Kamtschatka, die<br />

Weiten Südsibiriens bis zum Baikalsee einnahmen und Mittelasien Japan in Pacht abgeben<br />

würden. Nur zu gerne hätten Sie die UdSSR mit Hitler geteilt, so wie seinerzeit Polen<br />

zwischen Hitler und Stalin aufgeteilt worden war.<br />

Jetzt teilen sich Stalin und die Amerikaner Europa. Mir kommt das Kotzen angesichts<br />

dieser ganzen Politik. Da ist es wohl besser, mit den Mönchen Fußball zu spielen. Ich muss<br />

den Vorschlag Oberst Rogatkin unterbreiten und eine Mannschaft aufstellen. Marschall<br />

Malinowski würde sich in einem Match sicher auch nicht schlecht machen. Wenn er Spaß<br />

an dem Spiel findet, könnte er mich zum Mannschaftskapitän der 2. Ukrainischen Front<br />

ernennen, und wir würden die Mannschaft der 3. Ukrainischen Front, die es zwar noch<br />

nicht gibt, die sich aber sicher finden wird, zum Kampfe herausfordern. Dann wäre ich von<br />

meinen leidigen Pflichten als Feldzensor befreit!<br />

Keine schlechte Idee! Traumhaft!<br />

Es klopft an der Tür. Gradusow schreckt auf. Gereiztheit spiegelt sich in seinem Gesicht.<br />

ER<strong>ST</strong>ER AKT<br />

1. BILD<br />

Drehbühne mit zerstörten Gebäuden, gebrochenen Bäumen und Wrackteilen eines<br />

abgestürzten Flugzeugs. Unter den Klängen des russischen Kriegsliedes „Tag des Sieges“<br />

beginnt sich die Bühne zunächst langsam, dann immer schneller zu drehen. Hinter den<br />

Kulissen ist ein Motorengeräusch zu vernehmen. Der Major der sowjetischen Roten Armee<br />

Andrej Gradusow erscheint auf einem alten Moped. Er fährt auf die Drehbühne und beginnt<br />

dort Kreise und Achterschleifen zu ziehen.<br />

Ruf: Halt! Oder ich schieße!<br />

Eine sowjetische Militärpatrouille bestehend aus einem Offizier und zwei Soldaten stürzt<br />

auf die Bühne. Gradusow bleibt stehen.<br />

Offizier: Ihren Ausweis!<br />

Gradusow zieht seine Dokumente aus der Tasche und reicht sie dem Offizier.<br />

Offizier: (liest) So, so. Major des NKWD - Volkskommissariat für innere Angelegenheiten<br />

Gradusow Andrej Stepanowitsch. Das sind Sie? (blickt Gradusow eindringlich an) Wohin des<br />

Wegs?<br />

Gradusow: Nach Melk!<br />

Offizier: Haben Sie eine Weisung?<br />

Gradusow: Hier, bitte. (kramt ein weiteres Papier aus der Tasche)<br />

Offizier: (liest) Befehl der 4. Armee, 2. Ukrainische Front. Hiermit berufe ich Major<br />

Andrej Stepanowitsch Gradusow zum Leiter der Feldzensur der 326. Sondereinheit<br />

der Zentralgruppe der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Melk. Unterzeichnet:<br />

Kommandant der 2. Ukrainischen Front, Marschall R.J. Malinowski, Zweifacher Held der<br />

Sowjetunion. (Der Offizier hebt seine Hand zum Gruß an den Helm und händigt dem Major die<br />

Papiere aus) Gute Reise, Genosse Major!<br />

Gradusow grüßt auf gleiche Weise zurück und steigt auf das Moped.<br />

Offizier: Genosse Major, erlauben Sie mir eine Frage, nur aus Neugierde: Woher haben Sie<br />

das Motorrad? Eine Kriegsbeute? Ist es ein deutsches?<br />

Gradusow: (stolz) Ein italienisches! Ich habe es in der Garage des Sohnes vom<br />

Burgtheaterdirektor in Wien gefunden. Es gab ein zweites Motorrad dort, noch steiler als das<br />

hier, doch Oberst Rogatkin kam mir zuvor. Leider!<br />

Offizier: Genosse Major! Wollen Sie nicht tauschen? Ich gebe Ihnen zehn Paar Schweizer<br />

Uhren dafür, wollen Sie? … Oder zwölf?<br />

Gradusow: Nein, ich tausche nicht!<br />

Offizier: Dann verkaufen Sie es mir!<br />

Gradusow: (startet das Moped) Ich gebe das Motorrad nicht her, um kein Geld in der Welt!<br />

Zieht einige Kreise und Achterschleifen auf der Bühne und verschwindet hinter den<br />

Kulissen. Ein dicker österreichischer Bauer in kurzen Lederhosen und mit einem Tirolerhut<br />

auf dem Kopf tritt auf die Bühne.<br />

Offizier: Halt! Oder ich schieße!<br />

Der Bauer bleibt erschrocken stehen.<br />

Offizier: Die Uhr! Dawaj, her mit der Uhr!<br />

Gradusow: (völlig erschöpft) Lena! Ich liebe dich! Lena-a-a!<br />

-15-<br />

Der Bauer versteht nicht, was der Offizier von ihm will. Der Offizier erklärt gestikulierend,<br />

-2-<br />

WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />

Magdalena: Wem nützen die in Moskau gedruckten Schilling? Die sind wertlos, dafür<br />

kannst du doch nichts zu kaufen! Leopold nimmt nur amerikanische Dollar oder englische<br />

Pfund!<br />

Gradusow: Dollar? Pfund? Ich habe weder Pfund noch Dollar. Aber ich kann die Uhr<br />

verkaufen! (zeigt seine Uhr) Eine erbeutete deutsche Uhr. Ich habe sie einem gefallenen<br />

Offizier in Polen abgenommen.<br />

Magdalena: Die Uhr verkaufen? Das reicht ja nicht einmal für den Zug nach Wien!<br />

Gradusow: Was sollen wir denn tun? Was?<br />

Magdalena: Wir können uns umbringen, wie Hitler und Eva Braun …<br />

Gradusow: Nein! Du musst leben! Du musst nach Wien fahren, die Abtreibung hinter dich<br />

bringen und ein neues Leben beginnen. Mich wird man garantiert bestrafen und nach<br />

Sibirien ins Lager schicken. Man wird mir nie verzeihen, dass ich das Match gegen die<br />

Mönche verloren habe …<br />

Magdalena: Sibirien…<br />

Gradusow: Ja, nach Sibirien, ins Lager … Vielleicht treffe ich dort deine Brüder. Deine<br />

Brüder, hörst du? Wie heißen sie? Deine Brüder von der WaffenSS …<br />

Magdalena: (russisch) Da, da … (deutsch) Sie heißen Siegfried und Manfred.<br />

Gradusow: Gut, ich versuche es nicht zu vergessen. Siegfried und Manfred …<br />

Pause.<br />

Magdalena: Doktor Leopold nimmt keine Abtreibungen ohne Geld vor! Weißt du, wie lange<br />

die Warteschlange ist? Die Freundinnen von Amerikanern, Franzosen und Engländern,<br />

Soldaten der Besatzungsmächte. Er macht nur dreißig Abtreibungen am Tag … (zeichnet die<br />

Zahl mit dem Finger auf den Tisch) 30 Abtreibungen pro Tag!<br />

Gradusow: (zuckt zusammen) 30 am Tag, das ist ja wie bei mir, meine Planvorgabe! Jeden<br />

Tag erstelle ich eine Liste mit dreißig Namen und unterschreibe faktisch ihr Todesurteil,<br />

den Abtransport nach Sibirien.<br />

Nur vernichte ich die unsrigen, er jedoch Fremde, Feinde. Doktor Leopold ist ein getarnter<br />

Partisan. Er tötet die Kinder der Okkupatoren, bevor sie geboren sind.<br />

Magdalena: Woher das Geld nehmen, wie soll ich nach Wien fahren??<br />

Gradusow: (tippt sich auf die Stirn) Mein Motorrad! Ich werde es nicht mehr brauchen! Du<br />

fährst mit meinem Motorrad nach Wien und verkaufst es dort! Dann hast du Geld. Es reicht<br />

für die Abtreibung und für ein neues Leben!<br />

Magdalena: Dein Motorrad … Ja, aber ich kann nicht Motorrad fahren! Ich habe keinen<br />

Führerschein …<br />

Gradusow: Das ist ganz leicht. Ich zeige es dir. Komm!<br />

Sie löschen die Lampe und verlassen das Zimmer. Die Sonne geht auf. Der Tag beginnt.<br />

Gradusow holt das Moped. Zeigt Magdalena wie man es startet und lenkt. Sie zieht einige<br />

Kreise und Achterschleifen. Hält.<br />

Gradusow: Siehst du, es ist ganz einfach!<br />

Magdalena: Ich muss fahren, bevor Vater munter wird!<br />

Gradusow: Lass dich umarmen, bevor du abfährst! Komm zu mir…<br />

Sie umarmen sich und versinken in einem langen Kuss.<br />

Magdalena: Andrej!<br />

Gradusow: Magdalena! Lena …<br />

Magdalena steigt auf das Moped, startet und fährt ab. Gradusow begreift, dass sie sich nie<br />

wieder sehen werden, stürzt ihr nach, rennt, strauchelt, fällt, steht wieder auf und rennt,<br />

rennt …<br />

Major Gradusow springt von der Seite auf die Bühne und schießt den Ball mit Schwung<br />

in Richtung Tor. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab. Enttäuschtes Raunen geht durch das<br />

Stadion.<br />

Major Gradusow stellt sich ins Tor. Pater Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt, der elegant<br />

im Tor landet. Enttäuschtes Raunen im Stadion.<br />

Wieder Pater Bonifaz im Tor. Gradusow am Ball. Pater Bonifaz fängt den Ball. Enttäuschtes<br />

Raunen geht durch das Stadion.<br />

Im Tor erneut Major Gradusow. Pater Bonifaz schießt den Ball und trifft ins Tor.<br />

Enttäuschtes Raunen im Stadion.<br />

Zum dritten Mal im Tor – Pater Bonifaz. Gradusow am Ball. Pater Bonifaz schlägt den Ball<br />

ab. Enttäuschung im Stadion.<br />

Major Gradusow steht im Tor. Pater Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt und schießt ein<br />

Tor. Enttäuschtes Raunen geht durch das Stadion.<br />

Wieder steht Pater Bonifaz im Tor. Gradusow kickt. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab.<br />

Enttäuschtes Gemurmel geht durch das Stadion.<br />

Noch einmal Major Gradusow im Tor. Pater Bonifaz kickt, der Ball landet im Tor.<br />

Enttäuschung im Stadion.<br />

Pater Bonifaz im Tor. Gradusow schießt. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab. Enttäuschtes<br />

Raunen im Stadion.<br />

Zum fünften Mal steht Major Gradosow im Tor. Pater Bonifaz nimmt Anlauf und schießt<br />

den Ball ins Tor. Anhaltendes Raunen der Enttäuschung, das in Gejohle übergeht.<br />

Schlusspfiff …<br />

Die Sonne geht unter, es wird dunkel.<br />

5. BILD<br />

Die Lampe auf Gradusows Tisch flammt auf. Im Zimmer befinden sich Gradusow und<br />

Magdalena. Gradusow steht am Tisch, Magdalena sitzt auf dem Bett.<br />

Mönch: Keine Angst, es wird Sie keiner belästigen, wenn Sie bei uns über Nacht bleiben.<br />

-3-<br />

Gradusow: Wir haben gegen die Mönche verloren, aufs Schändlichste verloren! An einem<br />

derartigen bedeutungsvollen Tag, vor Malinowski, Rokossowski und Wasiljewski, am Vortag<br />

ihrer Versetzung an die japanische Front. Der Krieg mit Japan geht weiter. Die quantunische<br />

Armee mischt China auf. Wir müssen dem Genossen Mao Tse-dung helfen!<br />

Puh, was rede ich! Ich spucke auf diesen Mao Tse-dung! Wir haben das Match gegen die<br />

Mönche verloren! Meine Mannschaft … die Mannschaft der ruhmreichen Roten Armee!<br />

Hast du gesehen wie mich Oberst Rogatkin, mein direkter Vorgesetzter, nach dem Match<br />

angesehen hat? Ein Blick, der mehr als tausend Worte sagt! Das ist das Ende! Morgen wird<br />

man mich verhaften! Vollkommen klar. Es gibt keinen Zweifel daran …<br />

Magdalena: (deutsch) Andrej, ich habe gute Nachrichten! Ich habe erfahren, dass es in Wien<br />

einen jungen Arzt gibt, Doktor Leopold, der Abtreibungen vornimmt. Aber er verlangt viel<br />

Geld, er braucht das Geld, er sammelt österreichische Kunst, die unter Hitler als entartete<br />

Kunst degradiert und verbrannt wurde und jetzt wieder in Mode kommt: Egon Schiele,<br />

Gustav Klimt, Oskar Kokoschka … Er hat eine ganze Sammlung! Eine riesige Kollektion! Er<br />

braucht Geld!<br />

Gradusow: Geld? Hier nimm! Das ist mein Offiziersgehalt. Österreichische Schilling.<br />

Fünftausend, mein Lohn für diesen Monat. Ich habe nichts davon ausgegeben.<br />

-14-<br />

WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />

deutet auf die Uhr. Der Bauer nimmt eilig die Uhr ab und reicht sie dem Offizier. Dieser<br />

betrachtet aufmerksam das Ziffernblatt.<br />

Offizier: Eine echte Schweizer! Wahnsinn, 17 Steine! Fast neu. (krempelt den linken<br />

Hemdärmel hoch, findet keinen freien Platz für eine weitere Uhr, krempelt den rechten Ärmel hoch,<br />

findet dort ebenfalls keine freie Stelle und versenkt die Uhr in der Tasche)<br />

Der Bauer beobachtet ihn, zitternd vor Angst.<br />

Offizier: (blickt auf) Was stehst du da, wie der Ochs vorm Scheunentor? Verpiss dich, du<br />

deutscher Wichser! (tritt dem Bauern mit dem Stiefel in den Arsch)<br />

Der Bauer nimmt Reißaus. Der Offizier holt ihn unter lautem Gejohle ein und versetzt ihm<br />

weitere Tritte in den dicken Hintern. Die Soldaten machen es ihm gleich. Sie verschwinden<br />

allesamt hinter den Kulissen. Hundegebell ist zu hören. Das Licht wird gedämmt und<br />

erlischt fast völlig.<br />

Andrej Gradusow kommt, mit eingeschaltetem Scheinwerfer, auf die Bühne gefahren und<br />

zieht einige Kreise und Achter.<br />

3. BILD<br />

Dunkelheit. Lautes Klopfen. Scharren einer Tür. Ein Riegel wird hörbar zurückgeschoben.<br />

Licht fällt durch die Türöffnung, in der die Silhouette eines Mönches erscheint. Andrej<br />

Gradusow tritt aus der Dunkelheit.<br />

Gradusow: Ich suche die Kommandantur!<br />

Mönch: (auf Russisch) Es gibt keine Kommandantur hier, die ist in das Schulgebäude<br />

übersiedelt.<br />

Gradusow: Sie sprechen russisch?<br />

Mönch: Ja, ich war zwei Jahre in russischer Gefangenschaft, in Irkutsk. Von 1916 bis 1918.<br />

Im Ersten Weltkrieg.<br />

Gradusow: Und wo befindet sich die Schule?<br />

Mönch: Unten in der Stadt. Ziemlich weit von hier. Ich fürchte, Sie werden sie in der<br />

Dunkelheit nicht finden, die Straßenbeleuchtung funktioniert nicht. Kommen Sie doch auf<br />

einen Tee herein, wollen Sie? Übernachten Sie bei uns im Kloster, morgen begleite ich Sie<br />

zur Kommandantur. Übrigens, ich bin Pater Bonifaz!<br />

Gradusow: Sehr erfreut! Major Andrej Gradusow.<br />

Mönch: Treten Sie ein, Herr Major! Was? Sie sind mit dem Motorrad gekommen?<br />

Gradusow: Ja, ich bin mit dem Motorrad da. Das Benzin ist ausgegangen und ich musste es<br />

den ganzen Berg hochschieben.<br />

Mönch: Nicht so schlimm, morgen gebe ich Ihnen Benzin.<br />

Gradusow: Was ist das für ein Kloster?<br />

Mönch: Wir sind Benediktiner! Ein religiöser Orden. Als ich aus der russischen<br />

Gefangenschaft zurückkehrte, beschloss ich ins Kloster zu gehen. Hier lebe ich nun schon<br />

seit 25 Jahren.<br />

Gradusow: Wie viele Mönche leben hier?<br />

Mönch: Bis zum Anschluss Österreichs an Deutschland waren es etwa zwanzig. Jetzt sind<br />

es fast <strong>20</strong>0. Viele sind in den letzten Jahren zu uns gestoßen, um dem Armeedienst zu<br />

entkommen. Aber nicht nur. Auch einige Homosexuelle, die von den Nazis verfolgt wurden,<br />

fanden bei uns Unterschlupf.<br />

Bei diesen Worten macht Gradusow erschrocken einen Schritt zur Seite und wirft Pater<br />

Bonifaz einen misstrauischen Blick zu.


Ruf: Halt, oder ich schieße!<br />

Gradusow: Die Patrouille! (reißt das Moped herum)<br />

Ruf: Halt, habe ich gesagt! Feuer!<br />

Gradusow: Halt dich fest!<br />

Einzelne Schüsse, dann eine Maschinengewehrsalve. Das Moped dreht einige<br />

Achterschleifen und fährt von der Bühne ab. Vogelgesang. Glockengeläute vom Kloster her.<br />

3. BILD<br />

Gradusow sitzt am Tisch und liest Briefe, von Zeit zu Zeit trägt er seufzend einen<br />

Familiennamen in eine Liste ein.<br />

Gradusow: Diese Unsehligen, ich kann ihnen nicht einmal irgendwie helfen! In<br />

Kriegszeiten musste man zumindest noch eine Anzahl von Jahren vergeben. Jetzt ist das<br />

nicht mehr nötig. Es war wie die Verteilung von Schulnoten, bloß nach einem anderen<br />

System. Zehn, fünfzehn, zwanzig, fünfundzwanzig. Manchmal konnte man fünf oder acht<br />

Jahre vergeben. Acht habe ich jenem Kapitän gegeben - das war noch im Februar - der es<br />

wagte, Stalin in einem langen ausschweifenden Brief an einen Freund offen zu kritisieren.<br />

Er war der einzige, der dies riskiert hatte. Seine Kritik veränderte meine Einstellung zur<br />

Macht grundlegend, zwang mich nachzudenken und die Ordnung der Dinge mit anderen<br />

Augen zu betrachten. Was beabsichtigte er, wozu schrieb er diese Zeilen? Er war wohl kaum<br />

so naiv zu glauben, die Briefe würden nicht zensuriert werden?!<br />

Vielleicht steckte eine spezielle Absicht dahinter? Versuchte er, dem Tod an der Front<br />

zu entrinnen, ins Lager zu entkommen, um zu überleben? Kann man in einem Lager<br />

überleben?<br />

Ich habe ihm acht Jahre gegeben, um ihm die Möglichkeit des Überlebens einzuräumen.<br />

Ihm fünf zu geben, habe ich nicht gewagt. Offensichtlich trieb ihn etwas dazu. Vielleicht<br />

war ihm eine höhere Mission aufgetragen: zu überleben um jeden Preis und den mächtigen<br />

Diktator zu besiegen. Klingt unwahrscheinlich. Wie kann ein einfacher Gefangener Stalin<br />

besiegen? Aber egal, ich habe ihm acht Jahre gegeben. Ich habe es riskiert.<br />

Ich kann mich an seinen Namen erinnern: Alexander Solschenizyn. Ein seltsamer Name.<br />

Er leitet sich von den Worten „losch-Lüge“, „lschiwij-falsch“, „soglawschij-verlogen“<br />

ab. Russische Nachnamen basieren nicht auf einem Zufall, sie drücken vielmehr einen<br />

vererbten Charakterzug aus. Wahrscheinlich pflegte ein Vorfahre von Solschenizyn die<br />

Wahrheit zu sagen, und die Wahrheit wird in Russland immer eine Lüge gestraft und die<br />

Lüge Wahrheit genannt. Die Zeitung nannte man auch „Prawda-Wahrheit“, um die Lüge<br />

zu kaschieren. Dieser Solschenizyn „belog“ selbst Stalin. In meiner Begründung schrieb<br />

ich: „Seinem Nachnamen nach zu urteilen ist Kapitän Solschenizyn ein erblich bedingter<br />

Lügner, weshalb seine Äußerungen nicht ernst zu nehmen sind. Doch Strafe muss sein!<br />

Acht Jahre“.<br />

Es klopft leise an der Tür. Gradusow hört es nicht, reißt den nächsten Brief auf. Die Tür<br />

öffnet sich einen Spalt breit und Magdalena schaut vorsichtig ins Zimmer. Gradusow liest<br />

weiter. Magdalena nähert sich ihm auf Zehensitzen, reißt ihm den Brief aus der Hand und<br />

versteckt sich hinter seinem Rücken. Gradusow springt auf.<br />

Gradusow: (erstaunt) Lena?!<br />

Magdalena blickt ihm lange, ohne ein Wort zu sagen, in die Augen.<br />

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht …<br />

…dreißig!<br />

-5-<br />

Gradusow: Ist etwas passiert? Was? Hat uns gestern früh jemand gesehen?<br />

Magdalena: Andrej… (reicht ihm den Brief zurück, senkt die Augen)<br />

Gradusow: (fasst sie an den Schultern) Nun sag schon!<br />

Magdalena: (deutsch) Andrej, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Ich bin schwanger.<br />

-12-<br />

In Lienz wurden 300.000 weißrussische Kosaken erschossen, die mit ihren ganzen<br />

Familien gemeinsam mit den deutschen Truppen vor der Roten Armee geflohen und von<br />

den Engländern den Russen übergeben worden waren. Sie wurden einfach auf der anderen<br />

Seite des Flusses erschossen. Die Truppen des NKWD …<br />

Furchtbar! Mir ist schrecklich zumute. Ich gehöre zu den Siegern, und doch habe ich Angst.<br />

Ich fürchte mich, denn in Wahrheit bin ich kein Sieger, denn im Kampf des Bösen gegen<br />

das Böse kann es nur Opfer geben …<br />

Ein Soldat mit einem Sack auf den Schultern nähert sich der Tür. Klopft.<br />

Soldat: Genosse Major, gestatten Sie, dass ich eintrete?<br />

Gradusow: Was wollen Sie?<br />

Soldat: Ich bringe die Post!<br />

Gradusow: Jetzt schon?<br />

Soldat: So ist es!<br />

Gradusow: Treten Sie ein!<br />

Der Soldat tritt in das Zimmer und entleert seinen Sack. Hunderte von dreieckigen<br />

Feldpostkuverts ergießen sich über den Tisch, fallen auf den Boden, da sie auf dem Tisch<br />

keinen Platz finden.<br />

Soldat: (faltet den leeren Sack zusammen) Sie erlauben, ich verlasse Sie?<br />

Gradusow: Gehen Sie!<br />

Der Soldat tritt ab.<br />

Gradusow: (versenkt die Hände in dem Berg von Umschlägen) Das sind die Briefe derer, die<br />

diesen Krieg gewonnen haben! Die Briefe der Sieger! Alle schreiben den Verwandten und<br />

Bekannten, dass sie bald nach Hause kommen werden, dass sie lebendig und gesund sind,<br />

sie schreiben über ihre Zukunftspläne! Aber braucht sie irgendjemand, die Sieger?<br />

Pause.<br />

Nein, niemand braucht sie! Unser sowjetischer Staat benötigt nur Sklaven und Mörder!<br />

Stalin kennt die beredten Lehrstunden der napoleonischen Kriege nur zu gut, als sich die<br />

russischen Offiziere, die als Sieger aus Europa heimkehrten, gegen die Selbstherrschaft im<br />

eigenen Land erhoben. Folglich muss auch jetzt ihre Heimkehr verhindert werden. Alles<br />

sehr einfach …<br />

Reißt die Umschläge auf. Liest die Briefe. Stapelt sie.<br />

“Meine liebste Mama ...“ „Sei gegrüßt, meine Mutter, in deinen alten Tagen …“ „Meine<br />

kleinen Schwestern Tanja und Sascha …“ „Werte Tante Sinaida …“ „Meine süßen Kinder …“<br />

„Mein weiser, geschätzter Opa …“ „Meinen Gruß übermittle ich Ihnen, verehrte Nachbarin<br />

Katjuscha …“ „Sehr geehrte Witwe meines gefallenen Kamerades …“<br />

Nichts Interessantes in diesen Briefen. Sie sind alle wie über einen Kamm geschoren.<br />

Wozu habe ich sie zu lesen? Unschuldig sind sie alle. Das ist offensichtlich! Und ich habe<br />

Schuldige unter ihnen zu finden. Ich habe die strenge Vorgabe von 30 Menschen pro<br />

Tag. In Form einer Namensliste. Ohne Kommentare und Details. Der Auftrag lautet, den<br />

Offiziersstab der Zentralgruppe der sowjetischen Besatzungsgruppen zu säubern und die<br />

einfachen Soldaten in Ruhe zu lassen.<br />

Vielleicht sollte ich das Los entscheiden lassen?<br />

Zieht blind Briefe heraus.<br />

Gradusow: Nun denn, der Krieg ist zu Ende! Deutschland hat bedingungslos kapituliert.<br />

Was bedeutet das, „bedingungslose Kapitulation“? Kolonnen Kriegsgefangener der<br />

Deutschen, die mir auf dem Weg nach Melk auf der Westautobahn entgegenkamen. Wohin<br />

sie wohl geführt wurden? Den Anblick werde ich nie vergessen, wie sie mir mit den<br />

Rufen „Nach Hause“ und „Hitler kaputt“ zuwinkten. Sie dachten, sie würden nach Hause<br />

entlassen! Diese einfachen Soldaten und Offiziere, die unfreiwillig in der Armee gelandet<br />

waren. Ob man sie tatsächlich laufen lässt? Ha! Von wegen!<br />

Und die „befreiten“ Gefangenen aus den Konzentrationslagern? Ha! Sie glaubten wirklich,<br />

wir würden sie befreien! Diese Naivlinge, sie dachten, sie hätten das Schrecklichste hinter<br />

sich! Jetzt beneiden sie diejenigen, die den Sieg nicht erlebt haben! Es gab den Befehl, alle<br />

sowjetischen Bürger, die sich in den Konzentrationslagern der Nazis befunden hatten, zu<br />

verhaften und auf die Halbinsel Kolyma zu verfrachten… Als sowjetische Bürger galten auch<br />

Letten, Litauer, Esten...<br />

-4-<br />

Gradusow: Ich kann also hier übernachten?<br />

Mönch: Wenn Sie wollen, kann ich Sie im Keller unterbringen, wo schon 1805 russische<br />

Soldaten untergebracht waren.<br />

Gradusow: In einer Pfarre nicht weit von Melk habe ich ein Grab russischer Soldaten aus<br />

Napoleons Zeiten gesehen, aber es war schon ziemlich dunkel und ich blieb nicht stehen.<br />

Mönch: Das waren Gefangene. Nach der Schlacht von Austerlitz eskortierten die Franzosen<br />

500 russische Soldaten. Sie machten im Kloster halt. Die Gefangenen wurden über Nacht<br />

im Keller eingeschlossen. Es war kalt. Um sich aufzuwärmen, entfachten die Russen ein<br />

Lagerfeuer aus Stroh. Am nächsten Morgen erwachten nur wenige von ihnen. Die meisten<br />

waren an den Kohlendioxidgasen erstickt. Die Mönche bestatteten sie. 50 Jahre danach<br />

errichtete die russische Regierung ein Denkmal für sie. Sie sind daran vorbeigekommen.<br />

Doch diese Geschichte findet keine Erwähnung darauf.<br />

Gradusow: Nein, im Keller übernachte ich nicht!<br />

Mönch: Es gibt noch das Zimmer, in dem Napoleon abstieg. Auf dem Boden ist noch der<br />

Brandfleck einer umgefallenen Kerze zu sehen, er wurde bis heute nicht aufgewaschen. Ich<br />

zeige es Ihnen. Doch schlafen können Sie dort nicht. Seit Napoleon hat niemand mehr darin<br />

übernachtet. Das Beste ist, ich führe Sie in den Stall! Dort gibt es genug Heu. Am Morgen<br />

kommen die Frauen, um die Kühe zu melken, und werden Sie aufwecken.<br />

Gradusow: Es gibt Frauen im Kloster?<br />

Mönch: Nein, es gibt nur externe Arbeiterinnen, die kommen und gehen. Denn die Mönche<br />

dürfen nicht arbeiten. Sie müssen beten und sich geistigen Aufgaben widmen.<br />

Gradusow: Ich bin unendlich müde!<br />

Mönch: Dann legen Sie sich hin!<br />

Kuhgebrüll ist im Hintergrund zu vernehmen. Pater Bonifaz bringt Heu. Gradusow wirft<br />

sich darauf und schläft ein.<br />

Mönch: Eine gute Nacht! (löscht das Licht)<br />

Die Träume des Majors Gradusow werden auf die Leinwände projiziert: ein Spaziergang<br />

durch das Kloster, das Napoleon’sche Zimmer, die Brandspuren der Kerze auf dem<br />

Fußboden, das Begräbnis der russischen Soldaten. Dann eine Frau, die die sich anschickt,<br />

die Kühe zu melken. Gradusow pirscht sich von hinten an sie heran und macht sich an<br />

ihrem Rock zu schaffen. Die Frau melkt weiter die große, fleckige Kuh, als hätte sie nichts<br />

bemerkt. Gradusow fummelt etwa 30 Sekunden an ihr herum und sinkt dann kraftlos<br />

zusammen. Kuhgebrüll.<br />

ZWEITER AKT<br />

1. BILD<br />

Ein einfach eingerichtetes Zimmer. Fenster. Tisch. Zwei Stühle. Ein mit einer grauen<br />

Soldatendecke bedecktes Metallbett. Einsam im Hintergrund steht eine Tür. Am Tisch sitzt<br />

Major Gradusow.<br />

-13-<br />

WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />

Verstehst du, ich bekomme ein Baby! (beschreibt in einer Geste einen großen Bauch)<br />

Gradusow: (versteht sofort, lässt sich schwer auf den Stuhl sinken) Du bist schwanger?<br />

Magdalena: Da, da, da… (bedeckt das Gesicht mit den Händen, weint)<br />

Gradusow: (wischt mit einer heftigen Bewegung die Briefe vom Tisch, schüttelt den Kopf) Scheiße!<br />

Verdammte Scheiße! Was sollen wir tun? (erhebt sich und geht schnellen Schrittes im Zimmer<br />

auf und ab) Das kann nicht sein! Das ist unmöglich! Was soll nun werden. Sie werden mich<br />

bestrafen. Versetzen werden sie mich. Einsperren. Ausweisen …<br />

Magdalena: (schluchzt laut, gibt unartikulierte Laute von sich) Ah, uh, ah …<br />

Gradusow: Du musst abtreiben lassen! (deutet ihr in Gesten) Suche einen Arzt, einen Doktor!<br />

Doktor! Doktor! Verstehst du?<br />

Magdalena: (deutsch) Ich verstehe! Aber es gibt keinen Arzt in Österreich, der eine<br />

Abtreibung vornehmen wird! Verstehst du? Keinen einzigen! Ich habe mich schon<br />

erkundigt! Österreich ist ein katholisches Land! Der Papst verbietet Abtreibungen!<br />

Gradusow: Wie? Was?<br />

Magdalena versucht mithilfe von Worten und Gesten das Wesen des Problems zu erklären.<br />

Schlussendlich begreift Gradusow, nimmt Magdalena in den Arm, weint.<br />

Magdalena: (deutsch) Andrej, wie soll es weitergehen? Mein Vater… Wenn er davon erfährt!<br />

Er wird mich aus dem Haus jagen! Er hasst die Russen! Er hat die Nazis unterstützt,<br />

er ist noch vor dem Anschluss Österreichs an Großdeutschland der Partei beigetreten.<br />

Meine beiden Brüder waren Offiziere der WaffenSS. Wir haben seit Monaten keine<br />

Nachricht mehr von ihnen, wir wissen nicht, wo sie sich befinden, ob sie gefallen oder in<br />

Gefangenschaft geraten sind. Werden sie irgendwann heimkehren?<br />

Vater träumt davon, dass wir nach Kriegsende ein fruchtbares Stück Land in der Ukraine<br />

erhalten und reiche Bauern werden, für die die Slawen als Sklaven arbeiten werden. Das hat<br />

uns Hitler versprochen! Wir sind in den Krieg gezogen, um für Lebensraum zu kämpfen,<br />

den die deutsche Nation so sehr braucht!<br />

Was wird Vater sagen, wenn er erfährt, dass ich ein Kind von einem Russen erwarte?<br />

Gradusow: Was sollen wir jetzt tun? Ich werde den ärgsten Repressionen ausgesetzt sein!<br />

(führt in einer beredten Geste die Hand an die Kehle) Das ist das Ende! Sobald das bekannt<br />

wird …<br />

Magdalena: (deutsch) Vielleicht sollten wir unserem Leben ein Ende setzen?<br />

Gradusow: Was?<br />

Magdalena: (versucht zu erklären, als sie sieht, dass Gradusow nicht ganz verstanden hat, findet<br />

sie ein Beispiel aus der Literatur) Shakespeare! Romeo und Julia? Verstehst du? Du und ich!<br />

Wir sind wie Romeo und Julia!<br />

Gradusow: (entgeistert) Durch Selbstmord sterben? (tippt sich mit dem Zeigefinger an die<br />

Schläfe)<br />

Magdalena: (russisch) Da, da … (deutsch) Lass uns freiwillig in den Tod gehen. Das ist<br />

romantisch! Wie Romeo und Julia! Wie Hitler und Eva Braun! Wir brauchen Gift! Wir<br />

können Pater Bonifaz bitten uns zu trauen, und dann nehmen wir das Gift …<br />

Gradusow: Warte! Wir werden nichts übereilen! Morgen ist das Spiel! Das ist äußerst<br />

wichtig! Weißt du, was das bedeutet, gleich drei Marschalls: Malinowski, Rokossowski und<br />

Wasiljewski? Das ändert vielleicht alles. Lass uns morgen darüber reden. Nach dem Spiel. In<br />

Ordnung? Und jetzt geh! Du kannst nicht hier bleiben, das ist zu gefährlich …<br />

Hoffen wir auf das Beste. Vielleicht ist noch nicht alles verloren!<br />

Küsst Magdalena auf die Stirn und schiebt sie zur Tür hinaus.<br />

4. BILD<br />

Fußballplatz. Tor. Im Tor steht Pater Bonifaz in der Mönchskutte, beugt sich nieder<br />

und richtet sich den Rock. Stadionlärm. Projektionen von WM-Spielen. Anpfiff des<br />

Schiedsrichters. Der Ball in der Mitte des Feldes.


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch II - Leopold<br />

<strong>ST</strong>/A/R 15<br />

Einen Schwerpunkt bilden Videofilme, mal kurz und<br />

knapp, mal poetisch, lyrisch oder ironisch, mal<br />

enervierend. Die Mittel spiegeln die Bandbreite moderner<br />

Medien wider, bilden die Manipulationsmöglichkeit von<br />

Zeitabläufen ab. Da ist die promovierte Medizinerin und<br />

Künstlerin Barbara Musil, die in ihrem Film „market<br />

sentiments“ den Investitionsboom im estnischen<br />

Immobilienmarkt durch Katasterpläne optisch und<br />

akustisch seziert. Im Rhythmus der Musik formt die<br />

Künstlerin neuen imaginäre Marktplätze – ein Spiel,<br />

formal und dennoch lebendig mit animierten Linien und<br />

freien Flächen auf Landkarten.<br />

Oder die Trickfilm-Darstellung des Huchel-Gedichtes<br />

„Exil“ durch Magdalena Pfeiffer. Die akustische Ebene des<br />

Gedichtes folgt der Natur, Himmel und Wolken, Wasser<br />

und Stein. Die fotografische Ebene, aufgenommen in der<br />

Berliner U-Bahn, bildet die Filmkulisse, in der sich<br />

gezeichnete Figuren und Formen aus der Kulisse lösen,<br />

bewegen und wieder verschwinden. Ein poetisches<br />

Wechselspiel zwischen Sichtbarem und Verborgenem,<br />

Kommen und Gehen.<br />

Reinhold Bertlmann und John Bell<br />

Fotos: Renate Bertlmann<br />

Ein Spiel über Grenzen und Genres<br />

„eMOTION“ - Die erste Ausstellung im Kunst-<br />

Projekt-Raum G.A.S-station in Berlin zeigt<br />

Arbeiten zum Thema Bewegung und Gefühl<br />

Es ist nicht zu übersehen in seiner quadratisch<br />

anmutenden Größe: Etwa zwei Meter hoch, , Meter<br />

breit, schwarz. Darauf zeichnen sich die Konturen eines<br />

Sofas ab. Eine foto-grafische Arbeit im engsten Sinne: Die<br />

Kontur gezeichnet mittels eines Lichtstrahls, eine warme,<br />

gelb-orange changierende Linie auf Schwarz. Mal geht die<br />

Linie forsch und direkt ihren Weg, dann wieder schleicht<br />

sie leicht unentschlossen dahin. Während der Lichtstrahl<br />

die Kontur erschafft, bleibt der Umraum dunkel, schwarz.<br />

Der Künstler Ronald Hackl zeichnet mit Licht, die<br />

Bewegung hinterlässt ihre Spuren. Wir ahnen sie, ohne<br />

die Bewegung zu kennen.<br />

Ein weißer Vorhang, zwei Lichtquellen – sonst nichts.<br />

Dahinter verbirgt sich eine interaktive Installation von<br />

Matthias Richter „nur liebe zählt“. Um Zweisamkeit geht<br />

es. Darauf muss man sich einlassen, denn die Kunst<br />

entsteht durch die Agierenden vor und hinter dem weißen<br />

Vorhang, diesseits und jenseits, im Licht oder im Schatten,<br />

je nach Betrachtung. Spielend oder erstarrt, distanziert<br />

oder ganz zugewandt, mit Furor oder In-sich-gekehrt –<br />

das Spiel mit dem Licht erzeugt den Schatten. Der<br />

Schatten ist ein Abbild der Begegnung. Die Bewegung hier<br />

ist Teil der Emotion!<br />

Ich kann beim besten Willen keinen Teddybären erkennen!, <br />

Ralph Bageritz<br />

Dies sind nur zwei der Arbeiten, die in der G.A.Sstation,<br />

dem neu geschaffenen Berliner Kunst-Projekt-<br />

Raum der beiden Wiener Künstler Elisa Asenbaum und<br />

Thomas Stuck (Grafik Art & Sound) zu sehen sind.<br />

„eMOTION“ heißt ihr erstes Ausstellungsprojekt in Berlin-<br />

Kreuzberg. Es ist nicht einer Persönlichkeit oder einer<br />

Kunstrichtung gewidmet, vielmehr steht die Auseinandersetzung<br />

mit einem Thema im Vordergrund. „eMOTION“<br />

meint Bewegung im Gefühl. Und dafür haben die Beiden<br />

den Schritt gewagt, verschiedene Sparten zusammen zu<br />

bringen: Kunst, Wissenschaft, Literatur. Es ist das Spiel<br />

dieser Genres, ihr unterschiedlicher Zugang zu Bewegung<br />

und Gefühl, der interessante Sichtweisen offenbart. Mehr<br />

als Bewerbungen aus neun Ländern gab es.<br />

eMOTION bis . Jänner <br />

Filmtage_Filmnächte: .. / ..<br />

jeweils - Uhr und . - Uhr<br />

Vortrag: .., Uhr - Prof. Thomas Born<br />

“Vom Tanz der Körper zum Tanz der Bilder”<br />

Ein Vortrag mit zahlreichen Videobeispielen.<br />

Der Vortrag spannt einen Bogen von den frühen Kung<br />

Fu-Filmen (Wuxia) bis zu den modernen Martial Artund<br />

Actionfilmen des Hollywoodkinos.<br />

Lesungen und Buchpräsentation: .., Uhr<br />

Maria Consuelo Vargas de Speiss stellt ihr neues Buch<br />

"Hispana" vor und liest daraus auf Spanisch. Auf Deutsch<br />

gelesen von Wolfgang Grossmann.<br />

"Feuerwerkskirschbäume" von Iris Blauensteiner<br />

gelesen von Judith Mauthe.<br />

"Augustina" von Elisa Asenbaum und Urs Riegl<br />

gelesen von Ina Krauß.<br />

Öffnungszeiten: Di-Fr - Uhr, Sa - Uhr<br />

oder nach telefonischer Vereinbarung<br />

Raumkonzept:<br />

Die Räumlichkeiten der G.A.S-station bieten Platz für<br />

kulturelle Veranstaltungen. Sie können als Studio,<br />

Veranstaltungsort, Labor, Entwicklungsplattform für<br />

Projekte, Ausstellungsplatz, Diskussions-, Seminar- und<br />

Präsentationsraum oder auch für private Veranstaltungen<br />

gemietet werden.<br />

G.A.S-station:<br />

Tempelherrenstraße , Berlin/Kreuzberg<br />

fon: + mob. + () <br />

www.gas-station.net - info@gas-station.net<br />

Anfahrt:<br />

G.A.S-station befindet sich im Bezirk Kreuzberg in der<br />

Tempelherrenstraße , Ecke Blücher-/Urbanstraße und ist<br />

sehr gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Bus:<br />

M direkt ab Hauptbahnhof, hält unmittelbar vor der<br />

Tempelherrenstraße. U-Bahn-Stationen: U Prinzenstraße,<br />

U Hallesches Tor und U Gneisenaustraße sind ca. min. zu<br />

Fuß entfernt. Auto/Fahrrad: Zufahrt über das Carl-Herz-Ufer,<br />

Johanniterstraße oder Wilmsstraße, die Tempelherren-straße<br />

ist eine Sackgasse.<br />

Und wer sich fragt, wie Darstellungen aus dem<br />

naturwissenschaftlichen Bereich hier hinein passen, wird<br />

überrascht. Diese Arbeiten sind mindestens genauso<br />

spannend und anregend. Physiker wie Reinhold A.<br />

Bertlmann oder Franz Embacher, beide Koryphäen in<br />

ihrem Spezialgebiet, machen ganz unmissverständlich<br />

klar, dass Formel-Sprache weit mehr ist als nüchterne<br />

Wissenschaft oder pure Ratio. Egal, ob es um Beschleunigung,<br />

Trägheit oder Masse geht, um den freien<br />

Fall, Quantenmechanik oder die richtige Art, Teebeutel zu<br />

analysieren. Wer eine Konstante eines Systems verändert,<br />

erzeugt neue Formen, neue Bewegungen, neue<br />

Richtungen.<br />

So unterschiedlich Assoziationen von Bewegung in der<br />

Raum-Zeit-Achse sein können, so streng durchdacht ist<br />

das Konzept der Ausstellung. Unmittelbar neben der Leseund<br />

Hörecke sind Arbeiten platziert, die sich mit der<br />

Dynamik des Lesens befassen. Neben den interaktiven<br />

Computeranimationen, die die Gesetze der Physik anschaulich<br />

erfahrbar machen, hängen Landschaftsaufnahmen,<br />

die dem Betrachter suggerieren, er befinde sich<br />

in Bewegung. Die große Lichtzeichnung mit dem Sofa<br />

wird durch ein Buch über Quantenmechanik ergänzt. Auf<br />

der gegenüberliegenden Seite hängen Kunstwerke, die<br />

sich eher emotionalen Aspekten im Kontext zu<br />

gesellschaftspolitischen Aussagen widmen.<br />

Und auch der Begriff Filmteppich wird beim Wort<br />

genommen. Super--Filmstreifen aus den er und er<br />

Jahren, die analog dem Weben zu einem Teppich<br />

zusammengefügt wurden, bilden den Übergang zum<br />

Videoraum. Hier ist nichts zufällig, selbst wenn es so<br />

scheint!<br />

peng peng, , video<br />

Tanja Seiner<br />

Die Besucher werden bei diesem Parcours aus Malerei,<br />

Grafik, Fotografie, Film, Hörstücken, Wissenschaft,<br />

Literatur und Analyse aus der Konsumentenhaltung<br />

herausgerissen. „Das Werk setzt sich erst beim Betrachter<br />

zusammen und dazu braucht er die Fähigkeit zu<br />

assoziieren und auch die Motivation, Kunst und<br />

Wissenschaft verstehen zu können.“ Elisa Asenbaum und<br />

Thomas Stuck sind überzeugt, dass ihr Ausstellungskonzept<br />

einen Aha-Effekt bewirkt, dass Besucher einen<br />

aktiven, kreativen Prozess vollziehen, in einen Dialog mit<br />

den Kunstwerken treten, jetzt oder später.<br />

Elisa Asenbaum und Thomas Stuck haben in der G.A.Sstation<br />

mit ihrer ersten Ausstellung „eMOTION“ ein<br />

ambitioniertes Kunst-Projekt auf die Beine gestellt. Auch<br />

der Katalog, Seiten in Farbe und als Hardcover mit<br />

interessanten thematischen Bezügen, unterstreicht ihren<br />

Anspruch, nicht in Sparten oder Schubladen zu denken.<br />

Ina Krauß (Freie Journalistin, Berlin)


16 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Leopold Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

WAS TUT DIE KUN<strong>ST</strong> FÜR DIE GESELLSCHAFT?<br />

VON KUN<strong>ST</strong> UND WELTKULTUR Von Wolf Guenter Thiel, Berlin Von Wolf Guenter Thiel, Berlin<br />

Ein Resultat des Zusammenbruchs der politischen Systeme<br />

des kalten Krieges und seiner fest definierten Weltmodelle<br />

ist ein seither vorherrschendes Defizit an Utopien. Es scheint<br />

als sei die Utopie eine Idee der Vergangenheit und nicht eine<br />

Vision von Zukunft. Utopie als eine Wunschvorstellung, die<br />

zwar denkbar, aber vor dem Hintergrund aktueller Problemund<br />

Aufgabenstellungen der Weltpolitik nicht realistisch zu<br />

sein scheint. Utopie wird zum Synonym für einen als<br />

unausführbar betrachteten Plan und eine realitätsferne Vision.<br />

An die Stelle der Utopie ist ein makro- und mikropolitischer<br />

Pragmatismus getreten, der die wichtigen Fragen der<br />

Menschheit direkt und ohne den scheinbaren Umweg der<br />

Utopie angeht und nach unmittelbaren Lösungswegen sucht.<br />

Fragen der Erderwärmung, des Klimawandels und der<br />

Bewahrung der natürlichen Umwelt - wie der Polkappen - sind<br />

in den Fokus der Politik und der Wissenschaft gerückt. Es gilt<br />

zu handeln! Hierbei ist die Situation dadurch erschwert, dass<br />

sich mit den großen neuen Industriemächten im fernen und<br />

mittleren Osten, Wirtschaften entwickeln, die durch ihre<br />

Geschichte und ihre Bevölkerungsentwicklung zum<br />

Wachstum verpflichtet sind und so die industrielle Produktion<br />

ihrer Volkswirtschaften fast zwangsläufig steigern müssen,<br />

um den sozialen Frieden innerhalb ihrer Gesellschaften zu<br />

waren oder herzustellen. Eine Analyse dieser Art setzt voraus,<br />

zu akzeptieren, das sich die Gesellschaften der Erde in<br />

unterschiedlichen Entwicklungszuständen ihrer jeweiligen<br />

Wirtschaften und Kulturen befinden. Das wichtigste hierbei,<br />

Fukuyama<br />

so scheint es mir, ist die unterschiedliche kulturelle<br />

Geschichte mit ihren aktuellen Ausprägungen in China,<br />

Indien oder am arabischen Golf zur Kenntnis zu nehmen und<br />

zu respektieren. Die Antwort des amerikanischen<br />

Politikwissenschaftlers Samuel Huntington gibt er in seiner<br />

Schrift „The Clash of Civilizations“ im Jahr 1996. Diese<br />

Schrift hat die amerikanische Globalpolitik der Bush Ära<br />

maßgeblich legitimiert und politologisch fundiert. Er lehnt die<br />

Vorstellung einer universellen Weltkultur - wie sie nach dem<br />

Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 und dem Ende des<br />

Kalten Krieges von Francis Fukuyama vertreten wurde - ab. Er<br />

geht von einem Konflikt zwischen Zivilisationen und Kulturen<br />

aus. Den Grund sieht er darin, das die weltpolitische, westliche<br />

Dominanz mit ihrer den Zivilisationen anderer Prägung<br />

aufgezwungenen Geschichte des Imperialismus und<br />

Kolonialismus andere kulturelle Identitäten bis heute<br />

maßgeblich unterbewertet. In der Folge ist ein<br />

Akzeptanzproblem westlicher Wertvorstellungen entstanden,<br />

das andere Kulturen in die fundamentale Opposition zwingt.<br />

Huntington fordert anstelle einer Politik der Menschenrechte,<br />

eine Geopolitik der Macht, angeführt von den Vereinigten<br />

Staaten. Eine Lösung dieses Konfliktpotentials sieht<br />

Huntington in der Stärkung der westlichen Identität nach<br />

Außen und Innen. Francis Fukuyama sieht mit dem Ende<br />

des zweiten Weltkrieges und dem Fall der Berliner Mauer<br />

(1989) eine Schlussphase der politischen Systementwicklung.<br />

Totalitäre Systeme stellen keine politischen Alternativen mehr<br />

dar. Fukuyama vertritt die These, dass die durch diesen<br />

Wandel entstehenden sozialen Probleme von den<br />

Gesellschaften durch die gesetzmäßige Bildung neuer<br />

formeller und informeller Normen (gesellschaftliche<br />

Vereinbarungen auf Konsensbasis) gelöst werden. Jede<br />

Gesellschaft sei in der Lage, eine neue Ordnung zu erfinden.<br />

Dabei geht Fukuyama von der Prämisse aus, dass nur<br />

Gesellschaften in der Lage seien eine neue Ordnung zu<br />

erfinden, die genügend Sozialkapital aufweisen. Sozialkapital<br />

ist als die Zusammenfassung informeller sowie formeller<br />

Normen zu verstehen, die alle Mitglieder einer Gesellschaft<br />

teilen, um eine effektive Kooperation innerhalb der<br />

Gesellschaft zu ermöglichen. Hohes Sozialkapital stehe häufig<br />

im Zusammenhang mit niedrigen Kriminalitätsraten und der<br />

generellen Bereitschaft, sich für die Gesellschaft einzusetzen.<br />

Beispiele sind Hilfsorganisationen, soziale Netzwerke oder<br />

exemplarisch für die Kunst alternative Ausstellungsräume,<br />

junge und aufstrebende Galerien oder Kunstvereine und<br />

-Initiativen. Kunst und Künstler geben einen hervorragenden<br />

Prospekt für die von Fukuyama vertretene These ab. Mit dem<br />

Begriff „Soziales Kapital“ bezeichnet Pierre Bourdieu die<br />

Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Ressourcen, die<br />

mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen<br />

Kennens und Anerkennens verbunden sein können. Das<br />

soziale Kapital bezieht sich auf die Beziehungen zwischen<br />

natürlichen Personen. Es bietet für die Individuen einen<br />

Zugang zu den Ressourcen des sozialen und<br />

gesellschaftlichen Lebens wie Unterstützung, Hilfeleistung,<br />

Anerkennung, Wissen und Verbindungen bis hin zum Finden<br />

von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Es produziert und<br />

reproduziert sich auch über Tauschbeziehungen, wie<br />

gegenseitige Geschenke, Gefälligkeiten, Besuche und<br />

Ähnliches. Dies alles gilt exemplarisch für die Kunstwelt. Wo<br />

aber finden diese beschriebenen Dialoge statt und wer spricht<br />

mit wem? Otto Neurath österreichischer Philosoph und<br />

Ökonom gründet 1929 in Wien den so genannten „Wiener<br />

Kreis“ und bringt ein Manifest heraus, die diesen gedanklich<br />

und wissenschaftlich fundiert. Es ist eine Gruppe von<br />

Wissenschaftlern, Philosophen und Künstlern, die er als<br />

„realitätsnahe Utopisten“ bezeichnet. Ziel dieses Kreises war<br />

es den „Geist der wissenschaftlichen Forschung“ zu<br />

durchdenken und aufzuzeigen, worin eine „wissenschaftliche<br />

Weltauffassung“ besteht. Es ging diesem Kreis um die<br />

Durchsetzung einer Sprache und einer Wissenschaft, die sich<br />

für die Entwicklung und den Aufbau von „Sozialkapital“<br />

Sparten übergreifend einsetzen sollte und wollte. Was die<br />

Kreismitglieder verband waren nicht gemeinsame Thesen,<br />

sondern, wie das Manifest sagt, „die grundsätzliche<br />

Einstellung, die Gesichtspunkte, die Forschungsrichtung.“<br />

Neurath<br />

Der Kreis war in Wien durch den aufkommenden Faschismus<br />

jedoch leider nur von kurzer Dauer, bevor er in der Masse<br />

seiner Mitglieder ins Exil gezwungen wurde. „Eine moderne<br />

Demokratie, so schrieb Neurath unmittelbar nach dem Krieg<br />

1945 in England, brauche gesellschaftliche Räume, in denen<br />

ein abwägender, nachdenklicher Diskurs über die<br />

gesellschaftliche Ordnung, in der wir leben, geführt werden<br />

kann. Mit überprüfbaren Argumenten, in einer klaren<br />

Sprache. Visuelle Mittel könnten dabei eine wichtige Hilfe<br />

sein. Die Demokratie werde nur dann eine Chance haben,<br />

wenn möglichst viele Menschen lernen, die Welt unter<br />

verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten, ihre<br />

Erfahrungen in Worte zu fassen, sie mit anderen<br />

auszutauschen und ihre Sicht der Dinge unter bestimmten<br />

Umständen zu ändern.“ Künstler sind gewohnt ihre Sicht auf<br />

Welt, ihre Kommentare und Ansichten zur Gesellschaft in<br />

Ausstellungen zur Diskussion zu stellen. Kunsträume, seien<br />

sie nun kommerziell oder nicht kommerziell, haben die<br />

Aufgabe übernommen, diese von Neurath geforderten,<br />

gesellschaftlichen Räume zur Verfügung zu stellen. Hierbei<br />

sind es insbesondere die jungen und aufstrebenden Galerien,<br />

die ihren Markt erst noch finden müssen, die sich durch<br />

inhaltliche und innovative Arbeit hervortun. Es sind die<br />

Betreiber dieser Art von Ausstellungsräumen, die soziale<br />

Beziehungen mobilisieren und in soziale Beziehungen<br />

investieren und so langfristig soziales Kapital aufbauen. Sie<br />

streben die soziale Dynamik von Kennen und Anerkennen an,<br />

wie sie in der internationalen Kunstwelt üblich ist: Aus dem<br />

Kennen von Personen kann ein Informationsvorsprung<br />

entstehen, der dann auch in einen Vertrauensvorschuss<br />

„umgemünzt“ werden kann. Dieser Vertrauensvorschuss<br />

macht letztlich den ökonomischen Erfolg der Kunst, ihrer<br />

Produzenten und Vermittler aus. Die visuellen Mittel der<br />

Kunst, die Otto Neurath als wichtige Hilfe eingeschätzt hat,<br />

sind also vom illustrativen Hilfsmittel zum Anlassgebenden<br />

Ausgangspunkt für Dialoge geworden. Künstler und ihre<br />

Werke geben den Anlass für Symposien, Begleitvorträge und<br />

wissenschaftliche Beiträge zu gesellschaftspolitischen und<br />

sozio- kulturellen Fragestellungen, die der normale<br />

Wissenschaftsbetrieb so nicht vorsieht. Hier beginnt ein<br />

Dialog der erheblich intensiviert werden könnte und vor allem<br />

sehr viel ernster genommen werden sollte. Wissenschaftler<br />

der naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen<br />

Fachbereiche im Dialog mit Philosophen und Künstlern. Die<br />

letztgenannten rücken hierbei in die Rolle von realitätsnahen<br />

Utopisten. Utopisten, die durch die Freiheit des<br />

künstlerischen Ausdrucks in die Lage versetzt werden,<br />

Planspiele durchzuspielen, die real-utopistische Formen<br />

annehmen und die Räume bespielen, die sich für die von<br />

Neurath so benannten „nachdenklichen Dialoge“ öffnen. Aber<br />

wie laufen solche Prozesse in der Realität Berlins ab. Künstler<br />

aus allen Regionen der Welt leben und arbeiten derzeit in<br />

Berlin. Sie tun dies aus zwei Gründen: Sie finden eine<br />

Vielzahl bezahlbarer Räume vor, die sie sich leisten können<br />

und finden eine Stadt vor, die so offen für Künstler ist, das sie<br />

sehr einfach Anschluss an einen der vielen Kunstkreise<br />

finden. Mit seiner internationalen, von jungen, engagierten<br />

Galerien und temporären Ausstellungsräumen bestimmten<br />

Kunstszene, hat sich die Stadt inzwischen als einer der<br />

wichtigsten Standorte des internationalen Kunstgeschehens<br />

etabliert. Die Berliner Kunstlandschaft zeigt und lebt geradezu<br />

exemplarisch kulturelle Globalisierungsphänomene aus. Hier<br />

entstehen zwischen den Künstlern aus unterschiedlichsten<br />

Kulturkreisen neuartige und soziale, dynamische Netzwerke.<br />

Diese Erfahrung einer lebendigen „Weltkultur“ macht die<br />

große Attraktivität der Stadt Berlin aus. In Berlin erleben die<br />

Künstler und Kreativen etwas von eben dieser neuen Kultur.<br />

Diese weist unterschiedlichste kulturelle Prägungen auf und<br />

etabliert hierdurch eine neuartige Anschlussfähigkeit an die<br />

unterschiedlichsten Zentren der Kunstwelt und ihrer<br />

Kulturkreise. Traditionelle, regional oder national bestimmte<br />

kulturelle Mentalitäten und Eigenschaften beginnen zu<br />

verschwimmen und verändern sich sukzessive. Durch den<br />

ständigen Austauschprozess von Ideen und Wissen entstehen<br />

neue solidarische und globalisierte Gruppen von Kreativen,<br />

die sich zusammentun und gegenseitig helfen und<br />

unterstützen. Diese Gruppen sind<br />

Solidargemeinschaften, die sich über<br />

ihre Mitglieder direkt mit den<br />

unterschiedlichen Herkunftsländern und<br />

ihren kulturellen Zentren und<br />

Einrichtungen vernetzen. Dieser Prozess<br />

wird heute wesentlich durch das Internet<br />

ermöglicht. Die Gruppen formieren sich<br />

einerseits in den Städten der<br />

globalisierten Welt wie Berlin und<br />

andererseits auf unterschiedlichen<br />

Internetplattformen. Auf diesen<br />

Plattformen finden die Prozesse, die in<br />

Berlin und anderen Städten in der<br />

Realität stattfinden, parallel hierzu in<br />

der virtuellen Welt statt. Sie verstärken<br />

die realen Kulturphänomene. So entsteht<br />

ein ständiger Informationsaustausch<br />

und ein ständiges Angebot von<br />

Ausstellungen und<br />

Thiel<br />

Ausstellungsmöglichkeiten, der den<br />

Solidaritätsgedanken nachhaltig<br />

befördert. Das beschriebene Phänomen<br />

widerlegt Huntington und erweist sich<br />

als ein Beleg für das Gegenteil. Neue gesellschaftliche Normen<br />

werden gefunden, sie werden entwickelt und etabliert und<br />

strahlen auch in Berlin auf die gesellschaftlichen<br />

Umgebungen aus. Diese kulturellen Brücken ergeben sich<br />

durch das engagierte Eintreten für realitätsnahe Utopien. Eine<br />

von Huntington proklamierte geforderte Rückwendung zu<br />

nationalen Leitkulturen erscheint vor diesem Hintergrund<br />

grundsätzlich abwegig. Die große Qualität Berlins im<br />

Hinblick auf dieses Sozialkapital wurde erstmals während der<br />

Fußballweltmeisterschaft <strong>20</strong>06 in Berlin mit ihren<br />

hunderttausenden internationaler Gästen, den Fanmeilen und<br />

dem kollektiven „Public Viewing“ deutlich. Dieses<br />

transnationale Wir-Gefühl jenseits von Nationalmannschaften<br />

haben zur Illustration des Phänomens „Weltkultur“ erheblich<br />

beigetragen und wurden von Medien weltweit auch so<br />

kommuniziert. Die Frage: „Was tut Kunst für die<br />

Gesellschaft?“, können wir so beantworten. Kunst belegt die<br />

Richtigkeit der These einer Weltkultur. Sie erfüllt ebenfalls<br />

eine Funktion in der Bildung von sozialen und kulturelle<br />

Netzwerken, die eindeutig das Verständnis zwischen<br />

unterschiedlichen Kulturen in einer Stadt wie Berlin fördern<br />

und befördern. Sie schafft eine kulturelle Anschlussfähigkeit<br />

an die unterschiedlichen Weltkulturen Asiens, Amerikas,<br />

Arabiens und Afrikas. Vor allem belegt sie, das es möglich ist,<br />

kulturelle Brücken zu bauen, diese zu begehen und sich<br />

zusammen für und miteinander, solidarisch zu engagieren.<br />

Vgl. Samuel Huntington:The Clash of Civilizations and the Remaking of<br />

World Order. Simon & Schuster, New York 1996, auf deutsch erschienen<br />

als: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21.<br />

Jahrhundert. Goldmann, München 1998<br />

Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte (The End of History and the<br />

Last Man), 1992<br />

Scheitert Amerika? Supermacht am Scheideweg. Berlin: Propyläen Verlag,<br />

März <strong>20</strong>06. Wir benutzen den Begriff Sozialkapital (Fukuyama) und<br />

Soziales Kapital(Bourdieu) analog. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/<br />

Soziales_Kapital; Pierre Bourdieu: Sozialer Raum und „Klassen“. Zwei<br />

Vorlesungen. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1985 Vgl. Elisabeth Nemeth:<br />

Einleitung, in: Volker Thurm (Hg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte<br />

einer unvollendeten Moderne. Ein Begleitbuch. Wien <strong>20</strong>03 Der Wiener<br />

Kreis orientierte sich im Sprachverständnis an Ludwig Wittgenstein<br />

und seinem Tractatus logico philosophicus. Vgl. Ludwig Wittgenstein:<br />

Tractatus logico-philosophicus, Logisch-philosophische Abhandlung.<br />

Suhrkamp, Frankfurt am Main <strong>20</strong>03. Elisabeth Nemeth: Einleitung,<br />

in: Volker Thurm (Hg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte einer<br />

unvollendeten Moderne. Ein Begleitbuch. Wien <strong>20</strong>03.<br />

Vgl. Samuel Huntington: Who Are We? Die Krise der amerikanischen<br />

Identität. Europa-Verlag, Hamburg <strong>20</strong>04


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch III - Berlin <strong>ST</strong>/A/R 17


18 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Berlin Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch III - Berlin<br />

<strong>ST</strong>/A/R 19


Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Berlin <strong>ST</strong>/A/R 21


22 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Berlin Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch III - Berlin<br />

<strong>ST</strong>/A/R 23


24 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Berlin Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch IV - Alena <strong>ST</strong>/A/R 25<br />

Alena Baich Schauspielerin<br />

Alena Baich gab ihr Theaterdebut am Wiener Burgtheater, wo sie drei Jahre als fixes Ensemblemitglied engagiert war und u.a. in<br />

Arbeiten unter der Regie von Peter Zadek, Luc Bondy und Martin Kušej zu sehen war.<br />

Heute lebt und arbeitet sie als freischaffende Schauspielerin in Wien und in Kroatien.<br />

Neben ihrer Arbeit auf diversen Bühnen und vor der Kamera realisiert sie auch eigene Kunstprojekte, in denen ihr Fokus auf<br />

der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur und Musik liegt und Künstler aus dem südosteuropäischen Sprachraum<br />

eingebunden werden.<br />

<strong>20</strong>09 wird sie in unserem Russischen <strong>ST</strong>/A/R Theater in Berlin als Gast auftreten. www.alenabaich.com


26 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - Alena<br />

Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

AUS DEM FOTOTAGEBUCH<br />

Bei einem Besuch der Ausstellung von Lies Maculan in Linz<br />

mit Erich X. und dem Galleristen Konzett sahen wir die<br />

Fotoinstallationen von Lies Maculan.<br />

Man glaubt ein Fenster mit einem Mädchen zu sehen oder<br />

eine badende Frau – man glaubt durch die offene Tür in<br />

einen anderen Raum zu blicken, man glaubt man kann auf<br />

dem Klavier spielen – man glaubt im Kamin ein Feuer<br />

anzünden zu können – man glaubt – man glaubt –<br />

man glaubt – Alles FAKE – Dann weiß man – eine super<br />

Fotoinstallationen von Lies Maculan!<br />

Heidulf Gerngross<br />

LIES<br />

ERICH<br />

PHILIP


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Buch VI - Alena<br />

Oliver Rosenauer bringt eine Flasche<br />

Sekt als Neujahrsgruss ins<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Büro.<br />

Diese Flasche wurde an Milan Mijalkovic<br />

weitergeschenkt.<br />

DANK an Oliver Rosenauer<br />

<strong>ST</strong>/A/R 27<br />

Franz West mit Richie Hoeck und<br />

mit dem Galeristen Michael Hall<br />

roböXotica, Festival for Cocktail Robotics mit dem St. Petersburger<br />

Künstler Michael Crest – initiert von Vallie Airport<br />

Barbara Kramer mit Alena Baich<br />

Moderatoren: Barbara Kramer<br />

und Jimmy Lend und die<br />

großartigen Schauspieler 1,2,3,4.<br />

Chobot and Chobot<br />

Chobot - Winner vom 6. DRAMA SLAM am 6.12.<strong>20</strong>09<br />

Jimmy Lend Organisator<br />

der DRAMA SLAMs in Wien,<br />

Berlin und St. Petersburg


Mag. Harro Berger<br />

Kachelöfen nach Mass<br />

1010 Wien, Weihburggasse 17<br />

email: harro.berger@chello.at<br />

In kalten Zeiten -<br />

ein großes, warmes, gutes Herz -<br />

ein ökologisches,<br />

ein ökonomisches -<br />

ein Kachelofen<br />

in Ihrer Wohnung<br />

4-8 Scheite Holz täglich!<br />

1010 Wien, Weihburggasse 17 • Tel: 01/512 14 34 • Handy: 0699/19525378 • Fax: 512 57 97 • email: harro.berger@chello.at


30 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - Alena Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

DER GROSSARTIGE KÜN<strong>ST</strong>LER<br />

ISMAEL BASARAN<br />

und <strong>ST</strong>/A/R-Reporter<br />

2/<strong>20</strong>08<br />

Nr. 02/ III,IV <strong>20</strong>08<br />

Eur 3,50<br />

Christian Boltanski<br />

Gyula Pauer<br />

Muzej Macura<br />

Herausgegeben von Thomas BUCH Redl und 1Wolf Guenter Thiel<br />

Zeitung für Kunst und Ästhetik - Wien / Berlin<br />

Wittgensteins Fotografie<br />

Michael Nedo<br />

Thomas Macho<br />

Zeitung für Kunst und Ästhetik<br />

www.fairarts.org<br />

Wolfgang Ullrich<br />

Peter Markowich<br />

Sabine Folie<br />

<br />

3/<strong>20</strong>08 Nr. 03/III,IV <strong>20</strong>08<br />

RothStauffenberg<br />

Miao Xiaochun<br />

Herausgegeben von Thomas BUCH Redl und 1Wolf Guenter Thiel<br />

Zeitung für Kunst und Ästhetik - Wien / Berlin<br />

Bruno Gironcoli<br />

Joseph Beuys<br />

Zeitung für Kunst und Ästhetik<br />

www.fairarts.org<br />

Beat Wyss<br />

Peter Tscherkassky<br />

<br />

fair – Zeitung für Kunst & Ästhetik<br />

erscheint <strong>20</strong>09 4 x jährlich in Wien und Berlin.<br />

Auflage: 10.000 Stück,<br />

erhältlich im Fachbuchhandel, Trafiken, Museen,<br />

Institutionen, Cafes (Vertrieb Morawa)<br />

fair Statement<br />

Die Aufgabe und das Ziel von fair ist es einen Dialog auf hohem<br />

Niveau im Bereich bildende Kunst und Kunsttheorie und in den<br />

Bereichen Film, Architektur und Kulturphilosophie zu führen, der<br />

nicht ausgerichtet ist auf die aktuellen Tendenzen des Kunst- und<br />

Kulturbetriebs und deren ökonomischen Zwänge.<br />

fair stellt einen diskursiven Raum zu Verfügung, indem das<br />

Verhältnis von Kultur, Ästhetik und Ethik im Kultur- und<br />

Kunstbetriebs sowie in gesellschaftlichen und urbanen<br />

Entwicklungen aktuell diskutiert werden kann.<br />

Das Wirkungsfeld ist der deutschsprachige Raum mit Schwerpunkt<br />

Wien und Berlin. <strong>20</strong>09 wird ein wesentlicher Fokus auf den zentralund<br />

osteuropäischen Raum gelegt.<br />

<strong>20</strong>08 berichtete fair unter anderem von:<br />

Hiroshi Sugimoto, Christian Boltanski, Bruno Gironcoli, Miao<br />

Xiaochun, Joseph Beuys,<br />

RothStauffenberg, Peter Kogler / Autoren: Beat Wyss, Peter Weibel,<br />

Silvia Eiblmayr. Carl Pruscha, Peter Tscherkassky, Thomas Macho,<br />

Sabine Folie.<br />

Christian Boltanski, Detail aus Autoportrait, <strong>20</strong>07, © Kewenig Galerie, Köln<br />

RothStauffenberg<br />

Grande Hotel Moçambique<br />

fair wird herausgegeben von Thomas Redl (Wien) und wolf Guenter Thiel<br />

(Berlin)


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VI - Alena<br />

<strong>ST</strong>/A/R 31<br />

MILANS GEBURT<strong>ST</strong>AG<br />

MILAN 24 AND AMIGOS<br />

MILAN MIJALKOVIC, A NATURAL BORN ARCHITECT<br />

AT HIS BIRTHDAY IN VIENNAS FAMOUS EISSALON,<br />

GUMPENDORFER<strong>ST</strong>RASSE. AND HIS DESIGN “FÜR EINE<br />

MUSEUMSBIENE” DIE ALLE WIENER KULTUR<strong>ST</strong>ÄTTEN VOM<br />

MUSEUMSQUARTIER BIS ZUM WIEN-MUSEUM VERBINDET.<br />

CAT<br />

Foto: Andrea Baczynski


KUB0804_An_star_Fabre.indd 1<br />

02.12.<strong>20</strong>08 11:23:51 Uhr<br />

32 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - Alena Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Kunsthaus Bregenz<br />

Jan Fabre<br />

From the Cellar to the Attic – From the Feet to the Brain<br />

27 | 09 | <strong>20</strong>08 – 25 | 01 | <strong>20</strong>09<br />

I had to break down a part of the ceiling of the Royal Palace because there was something growing out of it | <strong>20</strong>08<br />

Photo: Markus Tretter © Jan Fabre/VBK, Wien, <strong>20</strong>08, Kunsthaus Bregenz<br />

Symposium Jan Fabre<br />

Schlachtfeld der Liebe und des Lebens |<br />

Battlefield of Love and Life<br />

• Samstag, 17. Januar, 10 bis 18 Uhr | Auf Einladung<br />

von Jan Fabre diskutieren internationale Kuratoren<br />

spezifische Aspekte der KUB-Ausstellung.<br />

Zugesagt haben bisher: Jacopo Crivelli (Kurator<br />

Sao Paolo Biennale), Giacinto di Pietrantonio<br />

(Direktor GAMEC, Bergamo), Dirk Snauwaert<br />

(Direktor Kunstzentrum Wiels, Brüssel),<br />

Stefanie Rosenthal (Kuratorin Hayward Gallery,<br />

London), Thomas Trummer (Siemens Arts<br />

Program, München) und Augustine Zenakos<br />

(Kurator Athen Biennale). Im Anschluss wird der<br />

Katalog zur Ausstellung präsentiert.<br />

Kunsthaus Bregenz<br />

Karl-Tizian-Platz, A-6900 Bregenz<br />

Telefon (+43-5574) 485 94-0<br />

www.kunsthaus-bregenz.at<br />

Öffnungszeiten<br />

Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr<br />

Donnerstag 10 – 21 Uhr<br />

24.12.08 10 – 14 Uhr<br />

25.12.08 geschlossen<br />

26.12.08 10 – 18 Uhr<br />

31.12.08 10 – 14 Uhr<br />

01.01.09 14 – 21Uhr<br />

Kind – Jugend<br />

Engelchen Bengelchen<br />

• Dienstag, 23. Dezember, 10 bis 13 Uhr und 14 bis<br />

17 Uhr | Gerade noch rechzeitig vor Weihnachten<br />

wird im KUB Christbaumschmuck gebastelt.<br />

Wunderkammer<br />

• Freitag, 2. Januar bis Sonntag, 4. Januar, jeweils<br />

10 bis 13 Uhr | In den Ferien bietet Marco Ceroli<br />

einen Workshop nach der Munari-Methode für<br />

Kinder von 6 bis 12 Jahren an. Präsentiert werden<br />

die Ergebnisse am Sonntag, 4. Januar, um 13 Uhr.<br />

Teilnahmegebühr für alle 3 Tage: 27 €. Buchung<br />

einzelner Tage möglich; Anmeldung unter:<br />

(+43-55 74) 4 85 94-415.<br />

ART CRASH<br />

• Freitag, 16. Januar, 16 bis 18 Uhr | Der ART<br />

CRASH bietet Jugendlichen zwischen 12 und<br />

17 Jahren die Möglichkeit, Ausstellungen zu<br />

besuchen, Künstlern in ihrem Atelier über die<br />

Schulter zu schauen und ganz generell über<br />

Kunst zu sprechen.<br />

Workshop<br />

• Für Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren<br />

findet jeden Samstag von 10 bis 12 Uhr<br />

ein Workshop statt. Nach einem Rundgang<br />

durch die aktuelle Ausstellung werden<br />

die vermittelten Inhalte anschließend beim<br />

praktischen Arbeiten vertieft.<br />

Film<br />

Filme von Jan Fabre<br />

• Donnerstag, 8. Januar, <strong>20</strong> Uhr | Zusammen mit<br />

dem Künstler wurden vier Werke seines filmischen<br />

Œuvre ausgewählt, die Themen der Ausstellung<br />

ansprechen. The Problem <strong>20</strong>01, Is the Brain<br />

the Most Sexy Part of the Body? <strong>20</strong>07,<br />

The Meeting/Vstrecha 1997, A Consilience <strong>20</strong>00<br />

Dokumentarfilme über den Künstler Jan Fabre<br />

• Donnerstag, 22. Januar, <strong>20</strong> Uhr | The Man<br />

Measuring the Clouds <strong>20</strong>03, Jan Fabre au<br />

Louvre <strong>20</strong>08, A Royal Mission <strong>20</strong>02<br />

Führung<br />

• Öffentliche Führungen werden am Donnerstag<br />

19 Uhr, Samstag 14 Uhr und Sonntag 16 Uhr<br />

angeboten.<br />

Architektur<br />

• Sonntag, 4. Januar, 11 Uhr<br />

Familienführung<br />

• Sonntag, 11. Januar, 14 Uhr<br />

Backstage<br />

• Donnerstag, 15. Januar, 19 Uhr<br />

Finale<br />

• Sonntag, 25. Januar, 16 Uhr


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch V - Wien Kultur <strong>ST</strong>/A/R 33<br />

dr. andreas mailath-pokorny.<br />

Stadtrat für Kultur und Wissenschaft<br />

dr . andreas mailat -pokorny


34 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V - Wien Kultur Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />

Koer<br />

Die Aufgabe von KÖR ist die Belebung des<br />

öffentlichen Raums der Stadt Wien mit permanenten<br />

bzw. temporären künstlerischen<br />

Projekten. Dadurch soll die Identität der<br />

Stadt und einzelner Stadtteile im Bereich<br />

des Zeitgenössischen gestärkt sowie die<br />

Funktion des öffentlichen Raums als Agora<br />

– als Ort der gesellschaftspolitischen und<br />

kulturellen Debatte – wiederbelebt werden.<br />

KÖR versteht Kunst im öffentlichen Raum<br />

nicht als Dekor, sondern als Angebot zur<br />

Auseinandersetzung mit Inhalten und radikalen<br />

ästhetischen Setzungen sowie als<br />

symbolische Markierung bislang<br />

kulturabstinenter Territorien.<br />

KÖR wickelt künstlerische Projekte ab,<br />

erteilt Aufträge an KünstlerInnen, lobt<br />

Wettbewerbe für künstlerische Projekte im<br />

öffentlichen Raum aus, vergibt Förderungen<br />

an KünstlerInnen bzw. Projektträger und<br />

führt damit verbundene Tätigkeiten, wie<br />

Veranstaltungen und Symposien, durch.<br />

Die Mittel werden von den Geschäftsgruppen<br />

Kultur und Wissenschaft, Stadtentwicklung<br />

und Verkehr sowie Wohnen,<br />

Wohnbau und Stadterneuerung zur Verfügung<br />

gestellt.<br />

Die Projekte werden im frei zugänglichen,<br />

öffentlichen Raum der Stadt Wien, in dem<br />

Kunst von jedermann erlebt werden kann,<br />

umgesetzt.<br />

Ken Lum PI<br />

Westpassage Karlsplatz / Friedrichstraße, 1010 Wien<br />

Eröffnung: 1. Dezember <strong>20</strong>06<br />

© Jörg Auzinger<br />

Ingeborg Strobl EIN GARTEN (ZUM BEISPIEL)<br />

Novaragasse 8, 10<strong>20</strong> Wien<br />

Eröffnung: 7. Mai <strong>20</strong>08<br />

© Christian Wachter<br />

Maria Hahnenkamp und Architekt<br />

Willi Frötscher ORNAMENT-VORHANG<br />

Kabelwerkpark, 11<strong>20</strong> Wien<br />

Eröffnung: 17.September <strong>20</strong>08<br />

© Fotostudio Huger<br />

Lois und Franziska Weinberger<br />

DACHGARTEN DER WIENBIBLIOTHEK<br />

Rathaus (Hof 6), 1010 Wien<br />

Eröffnung: 17. Oktober <strong>20</strong>05<br />

© Jörg Auzinger


Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch V - Wien Kultur<br />

<strong>ST</strong>/A/R 35<br />

Joep van Lieshout<br />

„WELLNESS SKULL“<br />

KÖR am Kunsthalle Wien public<br />

space karlsplatz<br />

Treitlstraße 2, 1040 Wien<br />

19. November <strong>20</strong>08 bis 15. März <strong>20</strong>09<br />

© Stephan Wyckoff<br />

URBAN SIGNS – LOCAL<br />

<strong>ST</strong>RATEGIES<br />

Sonia Leimer, Michael<br />

Gumhold, David Moises, Anna<br />

Artaker, Christian Egger Boris<br />

Ondreicka, Lucie Stahl und<br />

Stefan Sandner<br />

Fluc Vorplatz und Fassade, Praterstern,<br />

10<strong>20</strong> Wien<br />

21. Oktober bis 22. Dezember <strong>20</strong>08<br />

Oliver Hangl DIE RE-<br />

KLAME REKLAMIEREN 2:<br />

ANDREA VAN DER<br />

<strong>ST</strong>RAETEN<br />

Leo Kandl BEKLEIDUNG<br />

AUS DER SERIE<br />

„KOLLEKTION“<br />

Schaufenster KÖR am Kunsthalle<br />

Wien public space karlsplatz<br />

Treitlstraße 2, 1040 Wien<br />

5. August <strong>20</strong>08 bis 1. März <strong>20</strong>09<br />

Barbara Krobath DREI<br />

CHINESEN IN DER<br />

QINGHAI-TIBET-BAHN<br />

K48, Kirchgasse 48, 1070 Wien<br />

18. Dezember <strong>20</strong>08 bis 31. März <strong>20</strong>09 Flora Neuwirth<br />

U2 Station Schottentor, Vitrine<br />

über dem Bahnsteig, 1010 Wien<br />

14. Mai <strong>20</strong>08 bis 28. Februar <strong>20</strong>09<br />

Marko Lulić MAHNMAL<br />

GEGEN DEN MYTHOS<br />

DES ER<strong>ST</strong>EN OPFERS<br />

Parkanlage am Mexikoplatz<br />

10<strong>20</strong> Wien<br />

10. April <strong>20</strong>08 bis 10. April <strong>20</strong>09<br />

CLUBBLUMEN - EIN<br />

UTOPISCHES<br />

UNTERNEHMEN IM<br />

SOZIALEN RAUM<br />

Johannagasse 42, 1050 Wien<br />

30. April <strong>20</strong>08 bis 31. Jänner <strong>20</strong>09<br />

KÖR Kunst im öffentlichen Raum<br />

GmbH<br />

Museumsplatz 1, Stiege 15<br />

A-1070 Wien<br />

T +43 (0)1 521 89 - 1257<br />

F +43 (0)1 521 89 - 1217<br />

office@koer.or.at<br />

www.koer.or.at


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Gelitin<br />

Dr. Andreas Mailath-Pokorny<br />

FOTO: MEDIA WIEN<br />

Heidulf Gerngross<br />

Dominik Steiger<br />

Hahnenkamp<br />

Bernhard Lang<br />

Foto:media wien


star_ok:Layout 1 19.12.<strong>20</strong>08 15:00 Uhr Seite 1<br />

38 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V - Wien Kultur Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />

MUSA Museum auf Abruf<br />

— ist Ausstellungsort und Präsentationsraum für die seit 1951 bestehende Sammlung<br />

zeitgenössischer Kunst der Stadt Wien – mit über <strong>20</strong>.000 Objekten aller Sparten von<br />

rund 3.500 KünstlerInnen<br />

— ist die Artothek, in der Kunstbegeisterte gegen eine geringe Leihgebühr Grafiken für<br />

den privaten Wohnbereich entlehnen können (€ 2.50/Bild/Monat)<br />

— ist die Startgalerie, die als Fördereinrichtung und Präsentationsfläche mit wechselndem<br />

Ausstellungsprogramm junge KünstlerInnen der Öffentlichkeit vorstellt<br />

MUSA Museum auf Abruf<br />

— bietet jeden Donnerstag ab 17.00 Uhr sowie gegen Voranmeldung Kunstvermittlungsprogramme<br />

(T +43-(0)1-4000-84752)<br />

— organisiert auch spezielle Führungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen<br />

— macht Schenken leicht – mit dem Geschenkgutschein der Artothek (ab € 10,–)<br />

— Freier Eintritt zu sämtlichen Ausstellungen und Veranstaltungen!<br />

Weitere Informationen zu unseren aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen sowie<br />

zum Kunstvermittlungsprogramm finden Sie unter www.musa.at<br />

MUSA Museum auf Abruf<br />

1010 Wien, Felderstraße 6-8, neben dem Rathaus<br />

T +43-(0)1-4000-8400, musa@musa.at, www.musa.at<br />

MUSA<br />

musa<br />

© Ein Projekt der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) 1082 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 5


Nr. 19/<strong>20</strong>08 Buch V - Wien Kultur<br />

<strong>ST</strong>/A/R 39


40 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V - Wien Kultur Nr. 19/<strong>20</strong>08<br />

Wien<br />

Mission Ignition Kagran.<br />

Oder: Transdanubien wächst!<br />

Foto: H.Preis<br />

Kagran, so hieß die U1 Station früher<br />

„Zentrum“<br />

– bis die Häufung japanischer Touristen, die<br />

vorm Donauzentrum herumirrten und den Stephansdom<br />

suchten, auffällig wurde. Und obwohl das DZ - das lange<br />

Zeit größte Einkaufszentrum (heute „Urban Entertainment<br />

Center“ ) Wiens , das nach eigenen Angaben das „größte<br />

Unterhaltungsangebot der Stadt unter einem Dach“ zu<br />

bieten hat, konnte sich Kagran als Touristen-Magnet nicht<br />

wirklich durchstezen. Das „Zentrum“ vor „Kagran“ wurde<br />

schließlich entfernt.<br />

Für die DonaustädterInnen scheint Kagran<br />

als Verkehrknotenpunkt, Versorgungs- und<br />

Unterhaltungsquelle aber immer noch das Zentrum<br />

zu sein. Hier setzt auch „Misson Ignition Kagran“<br />

– MIK, ein Kollektiv junger KünstlerInnen und<br />

LandschaftsarchitektInnen an, das sich von dort aus weiter<br />

in den Bezirk/an den Stadtrand bewegt, und es sich zur<br />

Aufgabe gemacht hat, das – für die meisten WienerInnen<br />

unbekannte und auch unattraktive Territorium Donaustadt<br />

– oder auch: Transdanubien zu erforschen und unter<br />

einem neuen Blickwinkel zu betrachten.<br />

Welche Motivation hat der Wiener/die Wienerin ÜBER<br />

DIE DONAU zu fahren? - Meistens keine. Vielerorts<br />

herrscht sogar die Meinung, Transdanubien gehöre gar<br />

nicht mehr zu Wien. Die Motivation der Initiative MIK<br />

ist, Aufmerksamkeit auf die zu entdeckenden Orte und<br />

„Unorte“ über der Donau zu lenken – einerseits die<br />

WienerInnen (oder auch Wien-Besuchenden) jenseits der<br />

Donau für „ihre“ Stadt – über die Donaugrenze hinaus zu<br />

interessieren, und andererseits den, auch als „Kulturwüste“<br />

bekannten Bezirk durch Initiativen, Aktionen, und<br />

Interventionen FÜR die BewohnerInnen und MIT<br />

den BewohnerInnen hinsichtlich Lebensqualität und<br />

kulturellem Angebot zu bereichern.<br />

Donaustadt wächst – am ehemaligen Flugfeld Aspern<br />

ensteht ein neuer Stadtteil. Der Masterplan wurde für bis<br />

zu 50.000 neue BewohnerInnen konzipiert. Die maximal<br />

projektierte BewohnerInnenzahl entspricht etwa einem<br />

Drittel der derzeitigen Donaustädter Bevölkerung.<br />

Das kulturelle Angebot muss – angepasst an die<br />

BewohnerInnen und ihre Bedürfnisse mitwachsen. Das<br />

„Urban Entertainment Center“ Donauzentrum muss<br />

in seiner zentralen Rolle als Kulturzentrum des Bezirks<br />

abgelöst werden. Schicht* ist nicht mehr Pflicht!<br />

(*Schicht=Nachtschicht=Großraumdisco im Donauplexx/<br />

Donauzentrum)<br />

Die erste Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf einen<br />

einzigartigen Ort in Transdanubien zu lenken, und die<br />

WienerInnen über die Donau – bis nach Kagran – und<br />

sogar noch weiter Richtung Stadtrand zu locken, ergab sich<br />

durch die Ausschreibung „Misguide – Stadtverführungen<br />

in Wien“, veranstaltet von den Wiener Festwochen im<br />

Juni <strong>20</strong>07. Die MIK-KünstlerInnen verführten mit der<br />

Aktion „Suburb Safari – Oder wer findet die Bergziege?“<br />

zur Mülldeponie Rautenweg um die einzigartige, vom<br />

Aussterben bedrohte Donaustädter Bergziege zu suchen.<br />

Als weiterer Schwerpunkt der Mission Ignition Kagran<br />

ergab sich das Thema Leerstand und Zwischennutzung<br />

bzw. ein markanter Ort in Stadlau: der seit Jahren<br />

stillgelegte GENOCHMARKT. Angeregt durch einen<br />

Artikel im Bezirksmagazin, in dem BewohnerInnen die<br />

Stadt auffordern, endlich etwas gegen den fortschreitenden<br />

Verfall des „Geisterhüttendorfes“ Genochmarkt zu<br />

unternehmen, trat MIK in Aktion und erreichte nach<br />

fast zweijähriger Überzeugungsarbeit die Öffnung<br />

der ehemaligen Marktstände, die Genehmigung der<br />

künstlerischen Zwischennutzung und die Unterstützung<br />

der Kooperationspartner Bezirksvorstehung Donaustadt,<br />

MA7 (Kulturabteilung der Stadt Wien), MA18<br />

(Projektkoordination für Mehrfachnutzung), MA59<br />

(Marktamt) und Wien Holding bzw. Star22 GesmbH<br />

(zukünftige Grundeigentümerin).<br />

Ziel war es von Anfang an, die sieben leerstehenden<br />

Räume und Zwischenräume nicht im Sinne privater oder<br />

wirtschaftlicher Zwecke zu nutzen (z.B. an Einzelpersonen<br />

oder Gruppen als Ateliers, Verkaufs- oder Proberäume<br />

zu vergeben), sondern eine Mehrfachnutzung, die auf<br />

Partizipation beruht, ins Leben zu rufen und ein belebtes<br />

Kulturzentrum zu schaffen. MIK lud im November 07 im<br />

Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung zur Beteiligung<br />

an der (künstlerischen) Zwischennutzung ein - über 30<br />

Konzepte wurden eingereicht.<br />

Ein vielfältiges Programm - Ausstellungsreihen z.B.<br />

„unORtnung III“ (www.unortnung.net), „Holiday In<br />

Stadlau“ – das Feriendorf am Genochmarkt (www.<br />

kampolerta.blogspot.com), offene Werkstätten, Konzerte,<br />

Schul- und Jugendprojekte wie z.B. „Freibad Stadlau“,<br />

gefördert von „Cash for Culture“, einem Jugendkultur-<br />

Förderprogramm der MA7, Seniorenprojekte, Open Air<br />

Kino, uvm. konnte auf die Beine gestellt werden.<br />

Ein Programm für <strong>20</strong>09 liegt bereits vor. Der<br />

Genochmarkt wird in seiner jetzigen Form noch bis<br />

<strong>20</strong>11 existieren, die Mission Ignition Kagran wird weiter<br />

wirken. Die Möglichkeit der Beteiligung besteht bis zum<br />

Abriss des Genochmarktes und darüber hinaus. Weitere<br />

Informationen: www.mik22.at<br />

Kontakt:<br />

Stefanie Sandhäugl & Helmut Preis: office@mik22.at<br />

von S. Sandhäugl, I. Bittner


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung <strong>ST</strong>/A/R 41<br />

S/T/A/R-Kunstsammlung in der<br />

Kulturhauptstadt Linz <strong>20</strong>09.<br />

Der Artpark<br />

präsentiert noch bis<br />

31. Jänner 09 die<br />

S/T/A/R-Kunstsammlung.<br />

Manfred Kielnhofer, Herbert Brandl und Franz West im ARTPARK Linz<br />

kuratiert von <strong>ST</strong>/A/R<br />

Gloria Gerngross<br />

Schutzpatroness der<br />

<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG<br />

Fotos: Heidulf Gerngross<br />

Abschied im neuen <strong>ST</strong>/A/R Büro Gumpendorferstrasse 42 - Bernhard bringt Gloria zum Flughafen - Gloria fliegt nach Singapur


42 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Hans Biwi Lechner<br />

“Ohne Titel”, Mischtechnik<br />

Preis: 435 Euro<br />

Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />

“Snörk”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 1235 Euro<br />

Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />

“Huhn”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 135 Euro<br />

Thomas Strobl<br />

“Ohne Titel”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 250 Euro<br />

<strong>ST</strong>/A/R Galerist Rudolph Gerngroß<br />

im Gespräch mit unserer<br />

russischen Performancebotschafterin<br />

Tatjana Romanov<br />

Otto Zitko<br />

“Transparent”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 1735 Euro


Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung<br />

Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 <strong>ST</strong>/A/R 43<br />

Hinterthür / Gerngroß !<br />

“Ein Mahnmal”, CGI Photoprint<br />

Preis: 1700 Euro<br />

Waran<br />

“Teddiebär”, Skulptur<br />

Preis: 235 Euro<br />

Semjonov van Coke<br />

“O.T.”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 350 Euro<br />

Sergej Volgin<br />

“Russischer Wald”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 530 Euro<br />

Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />

“Elefant von hinten”, Öl auf Leinwand<br />

Preis:235 Euro<br />

Semjonov van Coke<br />

“O.T.”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 350 Euro<br />

Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />

“Hase von hinten”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 1235 Euro


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung <strong>ST</strong>/A/R 45<br />

Waran !<br />

“Farbenlere”, Öl auf Papier<br />

Preis: 4000 Euro<br />

Catherine Pandora !<br />

“Kaffeesymphonie”, Mischtechnik<br />

Preis: 235 Euro<br />

Mounty R.P. Zentara !<br />

“Smoke”, Photokollage<br />

Preis: 235 Euro<br />

Richard Hoeck<br />

“Superstars”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 3<strong>20</strong> Euro<br />

WARAN<br />

“Wandteppich”, Öl auf Pappe<br />

Preis: 135 Euro


46 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Thomas Redl<br />

“Zeitungsseiten”, Dispersion auf<br />

Zeitungspapier, Preis: <strong>20</strong>0 Euro<br />

Semjonov van Coke<br />

“O.T.”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 350 Euro<br />

Michael Starkmeyer<br />

“Fussballspiel”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 1400 Euro<br />

Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />

“Krokodildo”, Öl auf Holz<br />

Preis:700 Euro<br />

höchstwahrscheinlich vom<br />

Franz Graf<br />

“o.t.”, Mischtechnik, Papier<br />

Preis: 1235 Euro<br />

Burkhard<br />

“Snörk”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 1235 Euro<br />

Herbert Brandl<br />

“Haus 1”, Öl auf Leinwand<br />

Preis: 40´000 Euro<br />

Marcus Hinterthür/Heidulf Gerngroß<br />

“Ein Mahnmal”, CGI. Photoprint<br />

Preis: 1700 Euro<br />

Wladimir Jeremenko Tolstoi<br />

“Snjevelsjökul”, Öl auf Holz<br />

Preis: 786 Euro


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung<br />

<strong>ST</strong>/A/R 47<br />

WARAN !<br />

“Human without Head”<br />

Rauminstalation, Preis: 1235 Euro<br />

ADAM<br />

“lebt unter dem Himmel”<br />

Foto: Heidulf Gerngross, Preis: 440 Euro<br />

LOVE<br />

is the<br />

ULTIMA- TIVE<br />

FIGHTER<br />

Rudi is the alternative<br />

answer<br />

of Heidulf<br />

the mighty once again<br />

and the holy hinterthür stting<br />

next to sitting bull.<br />

matthiss mighty graphiti is doing<br />

every shiti with me<br />

bis baldrian bussi sicher<br />

nicht . salzi & gurki<br />

murcksi


48 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Die Wiener Kunstszene<br />

kommt nach Linz - mit<br />

dabei ein paar Russen<br />

THEATER NE<strong>ST</strong>ROYHOF HAMAKOM SONDERMELDUNG IN LETZTER MINUTE<br />

www.theater-nestroyhof-hamakom.com<br />

Das Theater Nestroyhof Hamakom hat eine über ein Jahrhundert lange, gleichermaßen lebendige wie tragische Entwicklungsgeschichte.<br />

Seit Mai <strong>20</strong>08 wird unter der Leitung von Frederic Lion und Amira Bibawy daran gearbeitet, ihm seine Funktion und Bestimmung als Ort<br />

zwischenkultureller und interdisziplinärer Auseinandersetzung wieder zu ermöglichen. In diesem Ansinnen und im historischen Kontext<br />

wurde dem Theater im Nestroyhof, das neue Wort ‚ha Makom’ (hebräisch: der Ort) hinzugefügt, weil dieser Begriff eine transzendente<br />

Form der geistigen Verortung, des Erinnerungsortes und der Eingrenzung umreißt, die zu einer schönen und spannenden Möglichkeit der<br />

Erweiterung und der Entgrenzung anregt.<br />

Das Gesamtprojekt wird die 4 Jahres Konzeptförderung des Kulturamts der Stadt Wien erhalten. Ab April <strong>20</strong>09 soll dieses Haus<br />

im großstädtisch-dörflichen zweiten Wiener Bezirk eine Spielstätte werden für gesellschaftliche Reibungsflächen, Denkfelder und<br />

Bewegungsräume, die sich hier und anderswo finden: Ein Topos, der Lust und Fantasie erzeugt, Spuren zu erkunden, um Geschichten<br />

der Gegenwart zu erzählen.<br />

<strong>ST</strong>/A/R und HAMAKOM planen eine fruchtbare Zusammenarbeit auch mit dem<br />

Russischen <strong>ST</strong>/A/R-Theater in Berlin<br />

Informationen über das Projekt sind auf www.theater-nestroyhof-hamakom.com zu finden, über die Pläne für <strong>20</strong>09 wird ab Februar<br />

<strong>20</strong>09 informiert. contact@theater-nestroyhof-hamakom.com / +43- (0)1 8900314, +43-(0)69918900314<br />

AUS<strong>ST</strong>ELLUNG im ARTPARK<br />

Kuratiert von <strong>ST</strong>/A/R, Printmedium Wien<br />

Mit Werken von: Herbert Brandl, Otto Zitko, Franz Graf, Franz West, Stefan Weber, alfred Heidulf Gerngross, Thomas Redl, Thomas Strobl, Michael<br />

Starkmeyer, Eva Schlegl, Marcus Hinterthür, Catherine Pandora, Hans Biwi Lechner, Manfred Kielnhofer, Andrea Baczynski, Kurt Hofstätter, Barbara<br />

Doser, Richard Hoeck, Mounty R. P. Zentara, Karin Sulima, Wladimir Jaremenko Tolstoj, Semjonov van Coke, Alexej Alexejev, Popov, Elisabeth von<br />

Samsonow, Sergej Volgin, Reinhold Kirchmayr<br />

ARTPARK Lenaupark City<br />

A-40<strong>20</strong> Linz, Hamerlingstrasse 42/1.Stock<br />

Mo-Sa: 10.00-19.00 0043-732-946726<br />

www.artpark.at<br />

galerie@artpark.at<br />

European Cultural Capital <strong>20</strong>09 Linz


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

ALLES I<strong>ST</strong> ARCHITEKTUR<br />

TEXT 1966: Hans Hollein gelesen im Dezember <strong>20</strong>08 in der „Roten Bar“<br />

Buch VII - Architektur <strong>ST</strong>/A/R 49<br />

ALLES I<strong>ST</strong> ARCHITEKTUR<br />

Begrenzte Begriffsbestimmungen und traditionelle<br />

Definition der Architektur und<br />

ihrer Mittel haben heute weitgehend an<br />

Gültigkeit verloren. Der Umwelt als Gesamtheit<br />

gilt unsere Anstrengung und allen Medien, die<br />

sie bestimmen. Dem Fernsehen wie dem künstlichen<br />

Klima, den Transportationen wie der Kleidung,<br />

dem Telephon wie der Behausung.<br />

Die Erweiterung des menschlichen Bereiches<br />

und der Mittel der Bestimmung der Um-”Welt”<br />

geht weit über eine bauliche Feststellung hinaus.<br />

Heute wird gewisser-maßen alles Architektur.<br />

“Architektur” ist eines dieser Medien.<br />

Unter den verschiedensten Medien, welche heute<br />

unser Verhalten und unsere Umgebung definieren<br />

– als auch als Lösung bestimmter Probleme<br />

– ist “Architektur” eine Möglichkeit.<br />

Der Mensch schafft künstlich Zustände. Dies ist<br />

die Architektur. Physisch und psychisch wiederholt,<br />

transformiert, erweitert er seinen physischen<br />

und psychischen Bereich, bestimmt er<br />

“Umwelt” im weitesten Sinne.<br />

Seinen Bedürfnissen und seinen Wünschen gemäß<br />

setzt er Mittel ein, diese Bedürfnisse zu befriedigen<br />

und diese Wünsche und Träume zu<br />

erfüllen. Er erweitert sich selbst und seinen Körper.<br />

Er teilt sich mit.<br />

Architektur ist ein Medium der Kommunikation.<br />

Der Mensch ist beides – selbstzentriertes Individuum<br />

und Teil der Gemeinschaft. Dies bestimmt<br />

sein Verhalten.<br />

Von einem primitiven Wesen hat er sich selbst<br />

mittels Medien kontinuierlich erweitert, seinerseits<br />

diese Medien kontinuierlich erweiternd.<br />

Der Mensch hat ein Gehirn. Seine Sinne sind<br />

die Grundlage zur Wahrnehmung der Umwelt,<br />

Medien der Definition, der Festlegung einer (jeweils<br />

gewünschten) Umwelt beruhen auf der<br />

Verlängerung der Sinne.<br />

Dies sind die Medien der Architektur.<br />

Architektur im weitesten Sinne.<br />

Enger gefasst könnte man für den Begriff Architektur<br />

etwa folgende Rollen und Definitionen<br />

formulieren:<br />

Architektur ist kultisch, sie ist Mal, Symbol, Zeichen,<br />

Expression.<br />

Architektur ist Kontrolle und Körperwärme –<br />

schützende Behausung.<br />

Architektur ist Bestimmung – Festlegung – des<br />

Raumes, Umwelt.<br />

Architektur ist Konditionierung eines psychologischen<br />

Zustandes.<br />

Jahrtausende erfolgte künstliche Veränderung<br />

und Bestimmung der Umwelt, als auch Klimaund<br />

Wetterschutz, primär durch bauen, wie<br />

auch das Bauwerk wesentlichste Manifestation<br />

und Expression war. Bauen war verstanden als<br />

Kreation eines dreidimensionalen Gebildes, das<br />

den Erfordernissen als Definition des Raumes,<br />

als schützende Umhüllung, als Gerät und Werkzeug,<br />

als psychisches Mittel und als Symbol entsprach.<br />

Die Entwicklung der Wissenschaft und<br />

Technologie, wie auch der Gesellschaft und ihrer<br />

Bedürfnisse und Forderungen hat uns mit<br />

ganz anderen Gegebenheiten konfrontiert. Andere<br />

und neue Medien der Umwelt-bestimmung<br />

entstanden.<br />

Sind dies zuerst vielfach nur technologische Verbesserungen<br />

herkömmlicher Prinzipien und Erweiterungen<br />

der physischen “Bau-Materialien”<br />

durch neue Materialien und Methoden, so werden<br />

darüber hinaus etwa nichtstoffliche Mittel<br />

zur Raumbestimmung entwickelt. Eine Anzahl<br />

von Aufgaben und Problemen werden heute nur<br />

noch traditionellerweise durch Bauen, durch<br />

“Architektur” gelöst. Ist jedoch für viele Fragen<br />

die Antwort noch “Architektur”, wie sie verstanden<br />

wurde, oder stehen uns nicht geeignetere<br />

Medien zur Verfügung?<br />

Architekten können in dieser Hinsicht einiges<br />

von der Entwicklung der Strategie lernen. Wäre<br />

diese derselben Schwerfälligkeit unterworfen<br />

gewesen wie die Architektur und ihre Konsumenten,<br />

so würde man heute noch immer Mauern<br />

und Türme bauen. Die Strategie hat jedoch<br />

die Bindung an das “Bauwerk” weitestgehend<br />

verlassen und zur Bewältigung ihrer Aufgaben<br />

und Forderungen neue Möglichkeiten herangezogen.<br />

Ganz offensichtlich fällt es auch niemanden<br />

mehr ein, etwa Abflusskanäle zu mauern oder<br />

astronomische Geräte aus Stein zu errichten<br />

(Jaipur). Viel weitergehend jedoch sind die Konsequenzen,<br />

die etwa die neuen Medien der Kommunikation<br />

( sei es Telephon, Radio, Fernsehen<br />

u.a.) mit sich bringen, und es wird so ein Begriff<br />

wie der des Lehr- und Lerngebäudes (Schule)<br />

unter Umständen ganz verschwinden und durch<br />

diese Mittel ersetzt werden.<br />

Architekten müssen aufhören, nur in Bauwerken<br />

zu denken.<br />

Erwähnt sei auch die Verlagerung des Gewichtes<br />

von Bedeutung zu Wirkung. Architektur hat einen<br />

“Effekt”. So wird auch die Art und Weise der<br />

Inbesitznahme, der Verwendung eines Objektes<br />

im weitesten Sinne wichtig. Ein Gebäude kann<br />

ganz Information werden, seine Botschaft<br />

könnte ebenso nur durch die Medien der Information<br />

(Presse, TV u.dgl.) erlebt werden. Tatsächlich<br />

erscheint es fast unwichtig, ob etwa die<br />

Akropolis oder die Pyramiden physisch existieren,<br />

da sie der Majorität der Allgemeinheit sowieso<br />

nicht durch eigenes Erlebnis, sondern<br />

durch andere Medien bewußt werden, ja ihre<br />

Rolle eben auf ihrem Informationseffekt beruht.<br />

Ein Gebäude könnte also simuliert werden.<br />

Frühe Beispiele der Extensionen der Architektur<br />

durch Kommunikationsmedien sind Telephonzellen<br />

– ein Gebäude minimaler Größe, doch<br />

eine globale Umwelt direkt erschließend. Umwelten<br />

dieser Art in noch engerem Bezug zum<br />

Körper und noch konzentrierterer Form liefern<br />

auch zum Beispiel die Helme der Düsenpiloten,<br />

die durch ihre telekommunikatorischen Anschlüsse<br />

die Sinne und Sinnesorgane erweitern,<br />

als auch weitere Bereiche mit ihnen direkt in Beziehung<br />

bringen. Einer Synthese entgegen und<br />

zu extremen Formulierungen des Standortes einer<br />

heutigen “Architektur” führt schließlich die<br />

Entwicklung der Raumkapseln und insbesondere<br />

des Raumanzuges. Hier wird eine “Behausung”<br />

geschaffen, die weitaus perfekter als jedes<br />

“Gebäude” außerdem noch eine umfassende<br />

Kontrolle der Körperwärme, der Nahrungszufuhr<br />

und Fäkalienverwertung, des Wohlbefindens<br />

und dergleichen in extremsten Umständen<br />

bietet, verbunden mit einem Maximum an Mobilität.<br />

Diese weitentwickelten physischen Möglichkeiten<br />

leiten dazu über, phsychische Möglichkeiten<br />

einer künstlichen Umwelt verstärkt ins<br />

Auge zu fassen, da nach Wegfall der Notwendigkeit<br />

gebauter Umwelten (etwa Umhüllung, Klimaschutz<br />

und Raumdefinition) ganz neue Freiheiten<br />

erahnt werden. Der Mensch wird nun<br />

echt Mittelpunkt und Ausgangspunkt der Umweltbestimmung<br />

sein, da Einschränkungen<br />

durch eine geringe Zahl vorgegebener Möglichkeiten<br />

nicht mehr zutreffen.<br />

Die Erweiterung der Medien der Architektur<br />

über den Bereich puren tektonischen Bauen und<br />

seiner Ableitungen hinaus begann mit Versuchen,<br />

insbesondere mit Zugkonstruktionen. Das<br />

Verlangen, unser “environment” nach Wunsch<br />

so geschwind und leicht als möglich zu verändern<br />

und es zu transportieren, ließ zum ersten<br />

Mal über einen weiteren Bereich von Materialien<br />

und Möglichkeiten Ausschau halten – zu Mitteln,<br />

die etwa in anderen Gebieten zum Teil<br />

schon seit langem Anwendung fanden. So haben<br />

wir heute “genähte” Architektur, wie es auch<br />

“aufgeblasene” Architektur gibt. Dies alles sind<br />

jedoch Mittel der Architektur, die im Grunde<br />

noch materiell, noch Bau-”Materialien” sind.<br />

Wenig Versuche wurden jedoch gemacht, mit<br />

anderen als physischen Mitteln (etwa Licht,<br />

Temperatur, Geruch) unsere Umwelt zu definieren,<br />

Raum zu bestimmen. Hat hier schon die<br />

Verwendung herkömmlicher Verfahren weitgehende<br />

Erweiterungs-möglichkeiten, so sind diejenigen<br />

der Laser (Holograph) noch kaum vorauszusagen.<br />

Schließlich sind praktisch überhaupt<br />

keine Untersuchungen für die gezielte<br />

Verwendung von Chemikalien und Drogen sowohl<br />

zur Kontrolle der Körper-temperaturen<br />

und Körperfunktionen, als auch zur artifiziellen<br />

Schaffung einer Umwelt angestellt worden. Architekten<br />

müssen aufhören, nur in Materialien<br />

zu denken.<br />

Die gebaute und physikalische Architektur wird,<br />

da nun im Gegensatz zu den wenigen und beschränkten<br />

Mitteln vergangener Epochen eine<br />

Vielzahl solcher zur Verfügung steht, sich intensiv<br />

mit Raumqualitäten und der Befriedigung<br />

psychologischer und physiologischer Bedürfnisse<br />

beschäftigen können und einen anderen<br />

Bezug zum Prozeß der “Errichtung” einnehmen.<br />

Räume werden deshalb weit bewusster<br />

etwa haptische, optische und akustische Qualitäten<br />

besitzen, Informationseffekte beinhalten,<br />

wie auch sentimentalen Bedürfnissen direkt entsprechen<br />

können.<br />

Eine echte Architektur unserer Zeit ist daher im<br />

Begriffe, sich sowohl als Medium neu zu definieren,<br />

als auch den Bereich ihrer Mittel zu erweitern.<br />

Viele Bereiche außerhalb des Bauens<br />

greifen in die “Architektur” ein, wie ihrerseits<br />

die Architektur und die “Architekten” weite Bereiche<br />

erfassen.<br />

Alle sind Architekten. Alles ist Architektur.<br />

Hans Hollein heute<br />

Hans Hollein heute


50 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Thomas Frechberger – Nachrichten aus<br />

der Schattenwelt DER DICHTER – von Alexander Schießling<br />

Es gibt Dinge, deren Fehlen beinah<br />

unbemerkt bleibt. Ein solches<br />

Ding ist in Österreich die literarische<br />

Auseinandersetzung. Es<br />

gibt hier keine literarischen<br />

Debatten in der Öffentlichkeit,<br />

keine emphatische Auseinandersetzung<br />

mit Texten und die Schriftsteller<br />

besitzen absolut keinen<br />

Einfluss auf die Gesellschaft mehr.<br />

Sie leben am Rande und die einzige<br />

Weise, in der von ihnen Kenntnis<br />

genommen wird, ist die Rezension<br />

in irgendeiner Kulturbeilage. Ob<br />

positiv oder negativ spielt dabei<br />

keine Rolle, da in beiden Fällen<br />

belangloses Zeug geschrieben<br />

wird. Anders gesagt: Bücher<br />

wurden seit den Achtzigerjahren<br />

immer mehr zum kurzlebigen Konsumartikel<br />

und die Schriftsteller<br />

zu Rädchen im Getriebe der Unterhaltungsindustrie.<br />

Oder zu Schatten<br />

am Rand der Welt, die Selbstgespräche<br />

führen. Um eine solche<br />

Schattenexistenz geht es hier.<br />

Thomas Frechberger wurde 1962 in<br />

Haslach a.d. Mühl in Oberösterreich<br />

geboren und kam 1983 mit ein<br />

paar Gedichten in der Hosentasche<br />

nach Wien. Hier entdeckte er sehr<br />

schnell das „Alt Wien“ und funktionierte<br />

es im Handumdrehen in<br />

sein Wohnzimmer um. Dort fand er<br />

sein Publikum, nämlich Leute, die<br />

bereit waren, für ein Gedicht ein<br />

Bier springen zu lassen. Hier begegnete<br />

er anderen jungen Schriftstellern<br />

und Dichtern, die, ebenso<br />

in ewiger Geldverlegenheit wie<br />

er, nach Überlebensmöglichkeiten<br />

suchten – freilich ohne sie zu<br />

finden. Frechberger inskribierte an<br />

der Wiener Universität Publizistik<br />

und Germanistik und begann beides<br />

zu hassen, was ganz von selbst<br />

zum Studienabbruch führte. In<br />

diesen Jahren muss die Entscheidung<br />

gefallen sein, sich ganz und<br />

gar dem Schreiben zu verschreiben<br />

und die Figur des Dichters<br />

zu verkörpern. Nicht: Still und<br />

bescheiden diesen Beruf auszuüben,<br />

sondern ihn als das Wunderbarste<br />

auf der Welt gewissermaßen<br />

zu verkünden und manchmal auch<br />

nur, ihn als hohles Triumphgeheul<br />

in den Lärm hinauszuposaunen.<br />

„ICH BIN EIN DICHTER“ Diesen Satz<br />

hört man nun seit mehr als zwanzig<br />

Jahren in allen möglichen und<br />

unmöglichen Variationen und bei<br />

allen erdenklichen Gelegenheiten<br />

und Ungelegenheiten aus dem Mund<br />

von Frechberger, den ihm schon so<br />

mancher gern gestopft hätte. „Ich<br />

bin ein Dichter“ heißt aus diesem<br />

Mund „Ich bin ein Heiliger und die<br />

Welt hat mir zu Füßen zu liegen“,<br />

ist also keine bescheidene und demütige<br />

Berufsbezeichnung, sondern<br />

der in Worte gefasste Anspruch,<br />

von den Anderen verehrt, bewundert<br />

und geliebt zu werden. Mit der<br />

Zeit verschmolz Frechberger in der<br />

Wahrnehmung der Anderen so sehr<br />

mit diesem Satz, dass ganz Wien<br />

von ihm nur noch als „DEM Dichter“<br />

spricht. „Gestern habe ich den<br />

Dichter getroffen“, sagt man und<br />

nicht “Gestern habe ich den Frechberger<br />

gesehen“. Er ist der Einzige,<br />

der die Figur des DICHTERS<br />

überhaupt noch im Gespräch hält.<br />

Man könnte natürlich sagen, dass<br />

dies in Zeiten von YouTube und Hypertext<br />

geradezu rührend anachronistisch<br />

oder von Gestern ist: Ich<br />

bin hier anderer Ansicht.<br />

DER DICHTER I<strong>ST</strong> DER VON DER WELT<br />

GEWORFENE SCHATTEN. Er blinzelt im<br />

allzu hellen Licht: „und der himmel<br />

donnert dir<br />

ein azur in<br />

die schau<br />

dass dir die Luft weg<br />

bleibt“ schreibt der Dichter in<br />

seinem bislang letztem und dritten<br />

Gedichteband „Fanatasien“. Dieses<br />

Gedicht nennt sich übrigens DER<br />

DICHTER SPRICHT.<br />

Der Dichter als Marke und corporate<br />

identity, als Imago, als<br />

Rolle und Maske, die die Realität<br />

nicht verbirgt, sondern sie in<br />

ein (noch) verständliches und anschauliches<br />

Wort übersetzt. Frechberger<br />

hat, indem er dieses Wort<br />

aus dem Abfallhaufen der Geschichte<br />

herausgeklaubt und es recyclet<br />

hat, ein Monopol geschaffen.<br />

Niemand kann, wenigstens in Wien,<br />

von sich behaupten, ein Dichter<br />

zu sein, denn der Dichter ist ja<br />

schon von Frechberger besetzt. Die<br />

abertausendfache Wiederholung hat<br />

den Dichter zum geistigen Eigentum<br />

Frechbergers werden lassen. Natürlich<br />

ist das kein bloßer PR-Gag,<br />

aber mit Eigenwerbung hat es sehr<br />

wohl zu tun. Das Wort DICHTER ist<br />

also wie ein Schlüssel zu „Leben<br />

und Werk“ von Thomas Frechberger<br />

verwendbar. Untersuchen wir es und<br />

versuchen zu hören, was es uns sagen<br />

will.<br />

DAS SCHLÜSSELWORT<br />

„das weite all ist unsere mutter<br />

es verneigt sich vor jedem von<br />

uns“<br />

(DER DICHTER SPRICHT)<br />

Der Beruf des Dichters nimmt im<br />

Denken Thomas Frechbergers also<br />

eine Sonderstellung ein. Von allen<br />

Berufen, die man wählen könnte,<br />

unterscheidet er sich durch etwas.<br />

Wodurch? Ich würde sagen durch<br />

eine fast sakrale Weihe, die<br />

dieser Beruf für Frechberger hat<br />

und durch etwas, das vielleicht<br />

nur in der christlichen „Gnade“<br />

ein Gegenstück hat. Es gab in der<br />

katholischen Theologie einmal eine<br />

Prädestinationslehre, das war die<br />

Lehre, dass Gott die Seinen durch<br />

Gnade erwählt. Für Frechberger<br />

scheint das Schreiben noch innigst<br />

mit der Berufung zusammenzuhängen.<br />

Der Dichter wird zum Dichter, weil<br />

er den Ruf hört, weil ihm das Ohr<br />

gegeben ist, den Ruf zu hören. Wer<br />

ruft und wohin ruft dieser Ruf?<br />

Die Sprache ruft und sie ruft in<br />

die weite Leere des Alls, in der<br />

die Sterne erst zu erscheinen vermögen:<br />

„vieles sagen die sterne<br />

wenn man höflich zu ihnen ist“<br />

In dieser Leere wartet die Einsamkeit<br />

und die Sprache. Vielleicht<br />

auf beides bezieht sich die folgende<br />

Sentenz aus „Zuvielisation“<br />

(Fanatasien):<br />

„.........unermesslich wie das<br />

ausmaß meiner einsamkeit auch die<br />

dimension meiner verführungskunst“<br />

Sprache als Verführung, Verführung<br />

zur erfüllten Stille. Schon<br />

bei Nietzsche taucht dieses Modell<br />

auf: Der Künstler als tanzender<br />

Verführer (Zarathustra).<br />

Der berufene Verführer wird von<br />

seiner Berufung selbst geführt und<br />

kann deshalb sorglos tanzen, da er<br />

den Weg weder suchen noch finden<br />

muss, sondern vom Weg gegangen<br />

wird:<br />

„geh von quacksalbern zur deuterin<br />

zur fee<br />

geh geh durchs gegangene ins geh<br />

nur geh“<br />

Der Dichter muss sich nicht fragen,<br />

wo’s lang geht, da die Dichtung<br />

ihn hinter sich her schleift,<br />

was oft und meist schmerzlich<br />

ist, aber dafür tödliche Sicherheit<br />

und Gewissheit verleiht. Wenn<br />

Frechberger den Dichter also mit<br />

besonderer Betonung „spielt“, so<br />

ist dies nicht bloße Selbststilisierung<br />

oder gar narzistische<br />

Selbsterhöhung, sondern hebt das<br />

Besondere, das in Vergessenheit<br />

geraten ist, hervor: Schreiben ist<br />

ein Weg, der ihn geht, wird von<br />

ihm bewegt, mit Traumwandlerischer<br />

Buch VII – ARCHITEKTUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Sicherheit. Der Dichter ist das<br />

Sprachrohr einer Sprache, er<br />

spricht, indem er auf den Ruf<br />

seiner Berufung hört, er ist, kurz<br />

gesagt, der einzige heute mögliche<br />

Prophet.<br />

Der Dichter weiß nicht, was er tut<br />

und sagt: Die Dichtung spricht.<br />

Der Dichter ist gerade dadurch,<br />

dass er sich hingibt: „feuerakazien<br />

lodern erdab“ (DER DICH-<br />

TER.....)<br />

Dieser Dichter ist also gar kein<br />

bloßes Ego, dass sich in narzistischer<br />

Weise selbst liebt,<br />

sondern der Dichter liebt die<br />

Sprache, die ihn spricht und ihn<br />

zum Dichter macht, er nimmt sich<br />

als Geschenk der Götter an. „Die<br />

Götter lieben die Dichter“ sagt<br />

Frechberger manchmal.<br />

Das Es, um es mit psychoanalytischen<br />

Begriffen zu umschreiben,<br />

hat die Stelle des Ich eingenommen.<br />

Aus den dunklen, unzugänglichen<br />

Bereichen erwächst dem Dichter<br />

das Gedicht, es kommt und erst<br />

dann wird es bearbeitet (nach den<br />

Regeln der jeweiligen Kunst).<br />

Wenn man das Wort Dichter, wie es<br />

Frechberger meint, mit Prophet<br />

übersetzt, trifft man sicherlich<br />

etwas sehr Wesentliches, aber es<br />

hat noch andere Bedeutungen, die<br />

ebenso wichtig sind. Beispielsweise<br />

gibt es da die Figur auch<br />

des Kämpfers:<br />

„wer sagt, dass wir die sprache<br />

nicht formen konnten<br />

zu pfauenfedern aber zu spitzwaffen<br />

auch<br />

und wer sagt dass wir nicht zu<br />

kämpfen wussten.......“<br />

(WER SAGT)<br />

Die Figur des Dichters hat also<br />

mehrere Gesichter. Der Kämpfer,<br />

auch im politischen Sinn, gehört<br />

weitaus deutlicher und vordergründiger<br />

zu ihr.<br />

Das Soziale, das Politische und<br />

der kämpfende Dichter. Diese<br />

Figuren und Kontexte kennen wir<br />

seit der Aufklärung. Frechberger<br />

zollte ihnen seinen Tribut, indem<br />

er vor gut zwanzig Jahren eine<br />

Zeitschrift gründete, die zu den<br />

bekanntesten Literaturzeitungen in<br />

Wien gehört, die wienzeile. Mit<br />

ihr wollte er dem Kämpfer, dem<br />

Politischen und Sozialen Raum geben.<br />

Der Verführer, der Sprachtänzer,<br />

der Prophet, der Kämpfer: Der leidenschaftlich<br />

Liebende, der im<br />

Lichte seiner Leidenschaft von<br />

Exzess zu Exzess besser lernt, die<br />

Existenz des Dichters als paradigmatischen<br />

Exzess schlechthin, als<br />

Verausgabung und Verschwendung,<br />

als irren Trip zu erkennen und zu<br />

leben.<br />

DIE GEDICHTE<br />

Ich beschränke mich im Folgenden<br />

darauf, ein Gedicht aus „Fanatasien“<br />

zu untersuchen.<br />

MARTYRIUM<br />

sakrademisch will dandytölpel durch<br />

öhr<br />

bouteille im mantelinnen pfäuisch<br />

pluster<br />

bleierne lider sinken getrübt ist<br />

das gehör<br />

im zerfledderten anzug hahnentrittmuster<br />

dichter ist der arme mann und<br />

maler auch<br />

ein wirrläufer in musen verachtender<br />

zeit<br />

seit tagen knurrt rumort sein hängebauch<br />

der künste saat erntet hohn und<br />

heiterkeit<br />

als spinner versager wird er verspottet<br />

man zahlt schnäpse für nichtrezitation<br />

dichter? wir dachten die sind ausgerottet!<br />

verzweiflung der mann verrüdet im<br />

ton<br />

das ist nicht charmant verständlich<br />

aber:<br />

dresche gegen ödes konventionsgelaber<br />

Es fällt mir deshalb leicht,<br />

dieses Gedicht zu „verstehen“,<br />

weil der Dichter mir die Situation<br />

und Erfahrung, auf die sich dieses<br />

Gedicht bezieht, schon mehrmals in<br />

Prosa geschildert hat. Trotzdem<br />

bleibt mir der erste Vers, oder<br />

wenn man lieber will, die erste<br />

Zeile, ein Rätsel. Aber schon<br />

die zweite ruft in mir bekannte<br />

Bilder hervor: Frechberger mit<br />

einer Flasche Wein in der Innentasche<br />

eines Mantels bei irgendeiner<br />

Veranstaltung, wahrscheinlich<br />

verkauft er gerade ein paar Ausgaben<br />

der neuesten wienzeile. Der<br />

Genuss des Alkohols hat ihn schon<br />

etwas ermüdet, seine Kleidung ist<br />

unabhängig davon ebenfalls schwer<br />

mitgenommen. Natürlich tritt<br />

er hier als Dichter auf, dass er<br />

sich manchmal wegen seiner Bilder<br />

auch als Maler empfindet, möchte<br />

ich hier nicht kommentieren. Als<br />

Dichter (und meinetwegen Maler<br />

auch) ist er ein „wirrläufer in<br />

musen verachtender zeit“. Auf den<br />

ersten Blick will man schon widersprechen:<br />

diese Zeit eine Musen<br />

verachtende? An jeder Ecke wird<br />

Musik gehört, die Museen sind<br />

überlaufen, die Preise für so manche<br />

Bilder erinnern an die Berechnungen<br />

von Astronomen, Filme gibt<br />

es mehr als Sand am Meer, Fotos<br />

und Skulpturen kann man gar nicht<br />

nicht sehen etc. Wenn man dieser<br />

Oberfläche trauen könnte, wäre unsere<br />

Zeit eine, die von der Allgegenwart<br />

der Musen beherrscht wird,<br />

was man als Hinweis darauf interpretieren<br />

könnte, dass die Künste<br />

heute so beliebt sind, wie niemals<br />

zuvor. Aber das Gedicht sagt uns<br />

das Gegenteil. Wenn wir sehen wollen,<br />

was dieses Gedicht behauptet,<br />

müssen wir also woanders hin<br />

schauen, als auf die Oberfläche.<br />

Nehmen wir an, dass mit „zeit“<br />

hier der „Geist der Zeit“ gemeint<br />

ist. Dieser Zeitgeist ist weit<br />

entfernt von den Künsten, so weit,<br />

dass selbst dann, wenn er sich den<br />

Künsten zuwendet, er nicht umhin<br />

kommt, sie zu verachten, weil<br />

er ihr Geheimnis nicht nur nicht<br />

kennt, sondern selbst wenn er es<br />

kennen würde, es niemals in sich<br />

aufnehmen könnte. Dieses Geheimnis<br />

ist das Leiden. Man wird Kunst<br />

nicht ohne Leiden bekommen. Der<br />

Zeitgeist möchte durchaus Kunst,<br />

aber ohne Leiden, also Kunst ohne<br />

Kunst. Man wird jetzt vielleicht<br />

den Kopf voller Verwunderung<br />

schütteln: Kunst muss durchlitten<br />

werden? „warum ich schreibe?<br />

weil ich leide. mit dem leid aber<br />

steige ich, mount everests tödlich<br />

verwundete krönung, bis ich (ver)<br />

fallen darf.“ (zuvielisation/Fanatasien)<br />

Da diese Zeit nichts<br />

so sehr fürchtet als das Leiden<br />

und den Schmerz, diese Dimensionen<br />

aber eben die Dimensionen des<br />

Kunstwerkes sind, kann man sagen,<br />

dass diese Zeit die „musen“ in<br />

dem Maße verachtet, als sie sie<br />

fürchtet. Der Bauch des Dichters<br />

rumort und knurrt, weil da nichts<br />

drin ist, er ist hungrig, weil er<br />

kein Ein- und Auskommen hat – ein<br />

Nebeneffekt der musen verachtenden<br />

zeit. Nun wird er mit seinen<br />

Werken auch noch verhöhnt und<br />

verspottet, man nimmt diese elende<br />

Figur nicht ernst. Jemand will<br />

ihm einen Schnaps zahlen, damit<br />

er seine Gedichte nicht vorträgt.<br />

„dichter? wir dachten die sind<br />

ausgerottet!“ Dieser Satz bringt<br />

die Verzweiflung im Dichter hervor.<br />

Verzweiflung? Ja, denn es stimmt,<br />

sowohl die Dichtung als auch die<br />

Dichter sterben langsam und unauffällig<br />

aus. Warum? Weil niemand<br />

mehr da ist, der sie lesen kann.<br />

Wo keine Nachfrage, da bald auch<br />

kein Angebot mehr. Die Dichter<br />

sterben. Sie laufen wie Schatten<br />

durch die Welt, elende Figuren,<br />

die man eher für Clochards als für<br />

Kulturschaffende halten möchte.<br />

Auch der Frechberger ist so eine<br />

elende Figur. Ich würde ihm ein<br />

Jahresstipendium wünschen, dass er<br />

sich mal erholen kann vom rumorenden<br />

Bauch. Vielleicht ist er der<br />

letzte DICHTER.


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VII – ARCHITEKTUR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 51<br />

City in space 1966 von Heidulf Gerngross<br />

Sprachknödel von Heidulf Gerngross als Vorbild für die Caballero Cybercity - Raumalphabet<br />

Foto der <strong>ST</strong>/A/R-Zeitung 18, Seite 90/91


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII – ARCHITEKTUR <strong>ST</strong>/A/R 53<br />

Cybercity - Raumalphabet von Kurt Caballero <strong>20</strong>08 nach dem Raumalphabet von Heidulf Gerngross


54 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII – ARCHITEKTUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Starfotoartistin Andrea Baczynski und Weltmathematiker<br />

Dr. Peter Markovic, Professor in Cambridge und<br />

begrüßen uns im Spitzenrestaurant LIoUNGE<br />

Täglich im Eissalon - unsere Bar - Gumpendorferstrasse 47<br />

Dort<br />

Weltmathematiker<br />

erhältlich:<br />

Dr. Peter Markovic, Professor in<br />

DVD<br />

Cambridge<br />

von Heidulf Gerngross:<br />

und Starfotoartistin<br />

WELTARCHITEKTUR<br />

Andrea Baczynski<br />

IM EISSALON<br />

begrüßen uns im Spitzenrestaurant LILUNGE


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VII – ARCHITEKTUR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 55<br />

LAURA GOTTLOB<br />

LAURA<br />

Hat uns beeindruckt!


56 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII - Architektur Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VIII - Religion <strong>ST</strong>/A/R 57<br />

a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z<br />

a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z<br />

Marcus Hinterthür ist neuer wissenschaftlicher Berater für<br />

Religionsangelegenheiten, Computer Generated Information<br />

und Datenmontage für den <strong>ST</strong>/A/R. Ab heute neu mit seinen<br />

Verfluchungen, Geschichten und Scheisse aus der Fibel<br />

ein Auszug<br />

Angelehnt an die Einheitsübersetzung<br />

Der Originaltexte<br />

Verfluchungen<br />

In 1999 Professore Cubera Died in<br />

the Anden while taking this Film.<br />

Marcus Hinterthür in der Bibliothek der Akademie der Bildenden Künste<br />

Dem Untergang<br />

Altar, Altar ! Die Gebeine von Menschen<br />

wird man auf dir verbrennen. Wohnt<br />

denn Gott wirklich auf der Erde?<br />

Baale und Astarten. Nichts anderes<br />

als den Tod.<br />

Soll ich diese Räuberbande verfolgen?<br />

Vernichten und zerstören. Zur<br />

Schädelhöhle Verbrecher zur Hinrichtung<br />

Jetzt hat die Finsternis die Macht<br />

Himmel und Erde vergehen In meinem<br />

Blut Der Satan hat verlangt Es wird<br />

euch ekeln vor euch selbst.<br />

Aussätzige Ich beschwöre euch Blast<br />

mit euren Trompeten Alarm! Blast mit<br />

den Trompeten!<br />

Ich bin euer Gott Seht doch, wie sie mich<br />

hassen.<br />

Schlagt tot!<br />

Dann werden sie verachtete Leichen<br />

sein Ewiger Spott Sie werden völlig<br />

vernichtet<br />

Und erleiden Qualen; Die Erinnerung an<br />

sie verschwindet Ich sage euch: Wo ein<br />

Aas ist, da sammeln sich auch die Geier<br />

Doch meine Feinde – bringt sie her, Und<br />

macht sie vor meinen Augen nieder!<br />

Das sind die Tage der Vergeltung Von<br />

allen gehasst Sie werden dich und<br />

deine Kinder zerschmettern Der Satan<br />

aber ergreift Besitz Er wird kommen<br />

und töten Sechshundertsechsundsechzig<br />

Goldtalente<br />

Ich bin es! Zerstörung Schon empfängt<br />

der Schnitter seinen Lohn Kinder werde<br />

ich töten Wehe! Wehe! Wehe den Bewohnern<br />

der Erde! Hagel und Feuer Blut<br />

an den Bewohnern der Erde Die Sonne<br />

schwarz Der ganze Mond wie Blut Blitze,<br />

Stimmen und Donner Macht, zu töten<br />

Komm ! Damit die Menschen sich gegenseitig<br />

abschlachten Der Hund kehrt<br />

zurück zu dem, was er erbrochen hat<br />

Die gewaschene Sau wälzt sich wieder<br />

im Dreck Menschen sind ein Schandfleck<br />

Sie sind Nörgler Daher werden<br />

sie mit ewigem Feuer bestraft Ihnen<br />

ist auf ewig die dunkelste Finsternis<br />

bestimmt Der Tod Die Seelen hingeschlachtet<br />

Feuer !<br />

Furcht ! Sie werden<br />

zerstören Finsternis<br />

Draussen bleiben<br />

die »Hunde« Und sogar<br />

Menschen mit Leib<br />

und Seele Halleluja<br />

Sie sind Kinder des<br />

Fluches Sklaven des<br />

Verderbens Für sie<br />

ist die dunkelste Finsternis<br />

bestimmt<br />

die toten von st.<br />

tropes<br />

1982 starb Professor Cubera in den peruanischen<br />

Anden während den Vorbereitungen zur<br />

Anfertigung dieses Filmmaterials. Er sollte nicht<br />

der einzige bleiben, der während der Filmaufnahmen<br />

sein Leben lassen musste.<br />

1984: Die Expeditionsleiterin Dr. Dana Valenta erkrankt<br />

im Forschungslabor Svanvik, nahe der<br />

Nordpolarmeerküste und mehr als 1´000 km entfernt,<br />

an einer unbekannten bakteriologischen<br />

Entzündung und stirbt noch in der gleichen Woche.<br />

Zwei Tage später ist ihre aufgebahrte Leiche<br />

verschwunden. Mysteriöse Todesfälle und ein militärisches<br />

Grossaufgebot an der skandinavischrussischen<br />

Grenze legen bald den Verdacht nahe,<br />

das hier etwas vertuscht werden soll.<br />

Diese, noch unkommentierten Veröffentlichungen<br />

aus Zentralarchiven, mehr als <strong>20</strong> Jahre nach<br />

ihrem Entstehungsdatum, scheinen die Gerüchte und<br />

Mitteilungen des sapa (südamerikanischer presseagentur)<br />

, die sich über das plötzliche Wiederauferstehen<br />

kürzlich Verstorbener ranken, zu<br />

bestätigen. Mit welchen Phänomenen haben wir es<br />

hier zu tun?<br />

Diese anmassenden<br />

Menschen schrecken nicht davor<br />

zurück, zu lässtern Liebt die Brüder,<br />

fürchtet Gott und ehrt den Kaiser<br />

Ihr Sklaven Ordnet euch in aller Ehrfurcht<br />

euren Herren unter Ist es<br />

vielleicht etwas besonderes, wenn ihr<br />

wegen einer Verfehlung Schläge erduldet?<br />

Kommt zu ihm, dem lebendigen<br />

Stein Seid gehorsame Kinder Unterwerft<br />

euch Das Ende aller Dinge ist<br />

nahe Feuersglut Der Teufel geht wie<br />

ein brüllender Löwe umher und sucht,<br />

Wen er verschlingen kann Euer Widersacher<br />

Verfinsterung Alles Schmutzige<br />

und Böse Läutert euer Herz, ihr<br />

Menschen Klagt und trauert und<br />

weint Euer Lachen verwandle sich in<br />

Trauer Eure Freude in Betrübnis Teuflische<br />

Weisheit Unordnung und böse<br />

Taten Mit ihr verfluchen wir die Menschen<br />

Fluch Ihr mordet und führt<br />

Krieg Eure Kinder werden von Motten<br />

zerfressen Euer Reichtum verfault<br />

Euer Gold und Silber verrostet Noch<br />

am Schlachttag habt ihr euer Herz<br />

gemässtet Von der Hölle in Brand gesetzt<br />

ist euer Fleisch Sie selbst Verzehren<br />

wie Feuer. Du glaubst: Es gibt<br />

nur den einen Gott Damit hast du recht<br />

Das glauben auch die Dämonen, und sie<br />

zittern Denn unser Gott ist verzehrendes<br />

Feuer Der Vernichter Einige liessen<br />

sich foltern Gesteinigt wurden<br />

sie, verbrannt, zersägt, Mit dem Schwert<br />

umgebracht Im Kampf bis aufs<br />

Blut Ihr seid beschimpft und gequält<br />

worden Wer das Gesetz verwirft,<br />

muss ohne Erbarmen sterben Es gibt<br />

für diese Sünden kein Opfer mehr<br />

Sondern nur ein wütendes Feuer Eine<br />

noch viel härtere Strafe Mit Füssen<br />

getreten Verachtet Mein ist die Rache<br />

Ich werde vergelten.<br />

Das sollst du wissen Es gibt viele<br />

ungehorsame, abscheuliche Menschen<br />

Gefährliche Tiere Ich schäme mich Das<br />

führt ins Verderben Wird um sich<br />

fressen wie ein Krebsgeschwür »Erkenntnis«<br />

Ehre und ewige Macht Gericht des<br />

Teufels Viele Qualen Dämonen<br />

ZOMBIES?<br />

Aus Gründen der Diskretion und des persönlichen<br />

Dankes, denen wir den Mittarbeitern dieses<br />

Projektes Schuldig sind, wollen wir Abstand vom<br />

Aufzählen unserer persönlichen Verlusste<br />

nehmen und über unsere Opfer Schweigen. Der<br />

Weltöffentlichkeit dürfen diese Filmaufnahmen<br />

jedoch nicht länger vorenthallten werden. Der<br />

Schleier der Angst, der sich um das Thema „LEBENDE<br />

TOTE“ legt, muss gelüftet werden, so grauenvoll und<br />

beängstigend die Erkenntniss über die wandelnden<br />

Leichen auch sein mag.<br />

Schutz bietet nur die Aufklärung über die vorliegenden<br />

Fakten, Tatsachen dürfen nicht totgeschwiegen<br />

werden.<br />

Dieses Dokumentationsmaterial zeigt jedoch nur<br />

einen Teil der bisher zugänglichen Filmaufzeichnungen.<br />

Die vielen undokumentierten, nur durch<br />

Zeugenaussagen bestätigten Berichte aus Mexiko<br />

und Brasilien, aber auch aus Landstrichen der<br />

ehemaliegen UDSSR, Osteuropa bis zu den vielen Sichtungen<br />

in Österreich lassen die Bedrohung auch<br />

für Europa erdrückend erscheinen und unterstreichen<br />

die Forschungen dieses renomierten Institutes.<br />

Forschungen und wissenschaftliche Untersuchungen<br />

haben stattgefunden. Herausgekommen ist<br />

eine Sammlung an S- und 1mm Filmmitschnitte, teils<br />

Restauriert, Teils nur unvollständig erhallten,<br />

das Fragen aufwirft. Fragen zur struckturellen<br />

Umwälzung unserer Gesellschaft und Fragen<br />

zur Staatlichen Zensur. Aber auch Fragen zur<br />

wiederaufkommenden Integrität unserer Religiösen<br />

Vorstellungen in einem Zeitalter rasanter Technologischer<br />

Entwicklungen.<br />

Ja, ich komme Ich komme mit dem Blut<br />

von Böcken und jungen Stieren Bund<br />

mit Blut Sein Ende ist die Vernichtung<br />

durch Feuer Fleisch und Blut Teufel<br />

Tod Gewalt<br />

Es gibt keine Vergebung ohne Blutvergiessen<br />

Wir waren von Natur aus Kinder<br />

des Zorns Diese Tage sind Böse Ihr<br />

Sinn ist verfinstert<br />

Gebt acht auf die Verschnittenen! Gebt<br />

acht auf diese Hunde Freut euch mit<br />

mir<br />

Seid Dankbar! Darum tötet


58 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Religion Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Das Gesetz ist Gut Ich sage die Wahrheit<br />

und lüge nicht Für solche, die Vater<br />

oder Mutter töten, für Mörder, Unzüchtige,<br />

Knabenschänder, Menschenhändler<br />

Für Leute, die Lügen Böse<br />

Menschen Auch wir waren früher<br />

Verhasst und hassten einander Sohn<br />

des Verderbens In loderndem Feuer<br />

übt er Vergeltung<br />

An denen, die nicht gehorchen Mit ewigem<br />

Feuer werden sie bestraft Verderben<br />

Wie die Heiden Die Gott nicht kennt<br />

Feinde aller Zorn, Wut und Bosheit<br />

Diese Leute sollen sich doch gleich entmannen<br />

lassen Sklaven der Götter<br />

Alle stehen unter dem Fluch Ich sage<br />

das, damit ihr euch schämt Werdet<br />

nüchtern Verflucht ist jeder<br />

Fleisch und Blut Schlechter Umgang<br />

Was wird, ist verweslich Ist armselig,<br />

ist schwach Der letzte Feind ist<br />

der Tod Lasst euch nicht irreführen<br />

Ihr seid in euren Sünden verloren<br />

Todesurteil Todesnot Danach kommt<br />

das Ende Wir sind entschlossen, alle<br />

Ungehorsamen zu strafen Fluch des<br />

Gesetzes<br />

Beliar? Im Namen unseres Herrn wollen<br />

wir uns versammeln Und zusammen<br />

diesen Menschen dem Satan übergeben,<br />

Zum Verderben seines Fleisches<br />

Schafft den Übeltäter weg aus eurer<br />

Mitte Das ist Opferfleisch Urteilt<br />

selbst Satan Versuchung Die Welt<br />

vergeht Kein Fleisch mehr<br />

Knabenschänder / Lustknaben Gott<br />

wird beide vernichten Ich sage das,<br />

damit ihr euch schämt Blutschande<br />

Eure Kinder unrein Wie ein Sklave gebunden<br />

Was man dort opfert, opfert<br />

man den Dämonen Einige von ihren Götzen<br />

Essen das Fleisch<br />

Im Götzentempel Beim Mahl Götzenopferfleisch<br />

Alles ist mir erlaubt »Alles<br />

ist mir erlaubt« Bosheit und Schlechtigkeit<br />

Zum Fluch geworden Das Feuer wird<br />

prüfen Gott verderben Bis ans Ende<br />

Fürchte dich Ich werde vergelten<br />

Mein ist die Rache Darum ermahne ich<br />

euch Heute Soll ich mit dem Stock zu<br />

euch kommen?<br />

Welt,<br />

Leben, Tod<br />

V e r f -<br />

lucht sie<br />

F e i n d e<br />

G o t t e s<br />

Alles gehört<br />

euch<br />

G o t t e s<br />

T e m p e l<br />

verdirbt<br />

Jener Tag<br />

/ im Feuer<br />

Brennt es<br />

nieder<br />

Ich will<br />

das Böse<br />

Ja, ich<br />

m ö c h t e<br />

s e l b e r<br />

v e r f -<br />

l u c h t<br />

sein Ver<br />

a c h t e t<br />

Schwach<br />

Sozusagen<br />

der Abs<br />

c h a u m<br />

der Welt<br />

Unglückl<br />

i c h e r<br />

M e n s c h<br />

N i c h t s<br />

Gutes in<br />

m e i n e m<br />

F l e i s c h<br />

In mir,<br />

was ich<br />

hasse Ich<br />

tue, was<br />

ich will<br />

Ich bin<br />

F l e i s c h<br />

Die Mächte<br />

des Unh<br />

e i l s<br />

Sünde und<br />

Tod Dem<br />

F l e i s c h<br />

verfallen<br />

Wir dienen<br />

Denn der<br />

Lohn ist<br />

der Tod<br />

S k l a v e n<br />

G o t t e s<br />

S k l a v e n<br />

der Sünde<br />

Jetzt<br />

Sie bringen den Tod Ich bin nicht verrückt<br />

Was ich sage ist wahr und<br />

vernünftig Strafen in massloser<br />

Wut Blut vergiessen Pest Der sei<br />

verflucht Er darf nicht am Leben<br />

bleiben Weg mit so einem Menschen Fesseln<br />

und zur Bestrafung ins Gefängnis<br />

werfen Und in den Synagogen auspeitschen<br />

Ich habe den Weg bis auf<br />

den Tod verfolgt, Habe Männer und<br />

Frauen gefesselt Weg mit ihm Zur<br />

Verwesung Ins Grab Schaut hin, ihr<br />

Verachter, Staunt und erstarrt! Er<br />

hat die Verwesung gesehen Brüder und<br />

Väter ! Hört: Gross ist die Artemis von<br />

Ephesus! Gross ist die Artemis von Ephesus!<br />

Nackt und zerschunden Ich beschwöre<br />

euch Blut komme über euer<br />

Haupt Antiochia Zeus Hermes Prophetisch<br />

begabte Jungfrauen Götzenopferfleisch,<br />

Blut Ersticktes und Unzucht<br />

die leichen stehen<br />

wieder auf<br />

Pisidien Pamphylien Attalia Von der Finsternis<br />

Voll Fluch »Der Eine« Todesleiden<br />

Macht des Satans Steh auf! Auch ich<br />

bin nur ein Mensch Stern des Gottes<br />

Romfa Steh auf! Schlachte und iss!<br />

Theudas Frau Saphira Deine Hand Dein<br />

Wille Von den Toten Kranke Menschen<br />

Wollen wir ihnen bei Strafe verbieten,<br />

sie zu bestrafen Jeder wird ausgemerzt<br />

werden Von Furcht ergriffen Sieh<br />

uns an! Schaut die Verwesung Einfalt<br />

des Herzens Verwesung<br />

schauen Blutacker<br />

auf der Erde<br />

Bosheit Blut und Feuer<br />

Dann stürzte er<br />

vornüber zu Boden,<br />

sein Leib barst auseinander<br />

Und alle Eingeweide<br />

fielen heraus<br />

Weide<br />

Habt Mut: Ich habe die<br />

Welt besiegt Die Welt hat<br />

sie gehasst Ich werde<br />

nicht mehr viel zu euch<br />

sagen Denn es kommt der<br />

Herrscher der Welt<br />

Auch Judas, der Verräter<br />

Ohne Grund haben<br />

sie mich gehasst Es<br />

hat gedonnert Jetzt wird<br />

Gericht gehalten über<br />

diese Welt Ihr sagt zu<br />

mir Meister und Herr<br />

Und ihr nennt mich mit<br />

recht so Denn ich bin<br />

es Niemals sollst du<br />

mir die Füsse waschen<br />

Warum rede ich überhaupt<br />

noch mit euch? Ihr<br />

werdet in euren Sünden<br />

sterben Euch kann die<br />

Welt nicht hassen Mich<br />

aber hasst sie<br />

Murrt nicht! In euren<br />

Sünden sterben Ich bin<br />

es, der mit dir spricht<br />

Damit dir noch schlimmeres<br />

zustösst Mein<br />

Fleisch Verflucht es<br />

Ihr werdet in eurer<br />

Sünde sterben Ich will<br />

euch zeigen, wen ihr<br />

fürchten sollt Ihr Heuchler!<br />

Du aber musst<br />

leiden In der Unterwelt<br />

Qualvolle Schmerzen<br />

Ort der Qual Ich leide<br />

grosse Qual in diesem<br />

Feuer Wir sind unnütze<br />

Sklaven Mutter Wird<br />

Zwietracht herrschen<br />

Nicht Frieden, sondern<br />

Spaltung Ich bin gekommen,<br />

um Feuer auf die<br />

Erde zu werfen Zwietracht Doch weh<br />

euch Warnung Weh euch: ihr seid wie<br />

Gräber Diese Generation ist böse Raubgier<br />

und Bosheit Königin des Südens Ich<br />

sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel<br />

fallen In die Unterwelt wirst du<br />

hinabgeworfen Mit Hilfe von Beelzebul,<br />

dem Anführer der Dämonen Sollen wir<br />

befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt<br />

und vernichtet? Weh euch! Weh euch, ihr<br />

werdet hungern Weh euch, ihr werdet<br />

klagen und weinen Ich bin ein Sünder<br />

Weh euch Ihr Schlangenbrut Tote stehen<br />

auf Du Heuchler! Verfluchen Diese<br />

Fresser und Säufer Werden In einer<br />

anderen Gestalt Verdammt Wir haben<br />

für euch auf der Flöte gespielt Und<br />

ihr habt nicht getanzt In nie erlöschendem<br />

Feuer verbrennen Dir selbst<br />

aber wird ein Schwert durch die Seele<br />

dringen Heil dir Schädelhöhle / Golgotha<br />

Er ist schuldig und muss sterben<br />

Der Verräter Ihr werdet von allen<br />

gehasst werden Das muss geschehen Es<br />

ist aber noch nicht das Ende Glaubt<br />

nur, das ihr es schon erhalten habt<br />

Ich bin es Den du verflucht hast<br />

Die Verfluchung<br />

Wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer<br />

nicht erlischt Das nie erlöschende<br />

Feuer Weg mit dir Er werde getötet<br />

Mit Feuer Gebt acht Öffne dich! Verflucht<br />

Talita kum! Quäle mich nicht!<br />

Schweig, sei still! Die Zeit der Ernte ist<br />

da Besessen Keine Vergebung In sich<br />

gespalten In sich gespalten Satan Satan<br />

Die Dämonen Er ist von Beelzebul<br />

besessen Er ist von Sinnen Donnersöhne<br />

Die Dämonen Mit Vollmacht Gekommen,<br />

um ins Verderben zu stürzen<br />

Bis zum Ende der Welt<br />

Die Gräber<br />

Ihr Verfluchten<br />

Weg von mir<br />

In das ewige Feuer<br />

Zeichen am Himmel<br />

Erkennen, dass das Ende vor der Tür<br />

steht Am Heiligen Ort Dem Unheilvollen<br />

Greuel Dann kommt das Ende Dann<br />

wird man euch töten und ihr werdet<br />

Von allen gehasst Das muss geschehen<br />

Ihr Nattern Ihr Schlangenbrut! Wie<br />

wollt ihr dem Strafgericht der Hölle<br />

entrinnen? Wie die Gräber, voll Knochen<br />

Schmutz und Verwesung<br />

Hörst du, was sie rufen? Du elender<br />

Diener! Folterknecht In das Feuer der<br />

Hölle<br />

In das ewige Feuer Unzucht Diebstahl<br />

Mord Böse Gedanken kommen aus dem<br />

Herzen Meine Tochter wird von einem<br />

Dämon gequält Ihr Heuchler! Verflucht<br />

Sie waschen sich nicht die Hände<br />

vor dem Essen Habt ihr das alles verstanden?<br />

Er sagte So wird es am Ende<br />

der Welt sein:<br />

Die Engel werden kommen Und die Bösen<br />

von den Gerechten trennen Und in den<br />

Ofen werfen In dem das Feuer brennt<br />

a


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VIII - Religion<br />

<strong>ST</strong>/A/R 59<br />

Dort werden sie heulen und mit den Zähnen<br />

knirschen Wie die Sonne leuchten<br />

Heulen und mit den Zähnen knirschen<br />

In den Ofen werfen In dem das Feuer<br />

brennt Am Ende der Welt Im Feuer<br />

verbrannt Das Ende der Welt Teufel<br />

Die Söhne des Bösen Der gute Same Kommt<br />

der Böse Und nimmt Immer alles<br />

weg Immer Königin des Südens Ihr Schlangenbrut<br />

Sodom Tote stehen auf Und<br />

ihr werdet von allen gehasst werden<br />

Fürchtet euch vor dem, Der Seele und<br />

Leib ins Verderben der Hölle stürzen<br />

kann Geht und weckt Tote auf Mit hilfe<br />

des Anführers der Dämonen Bringt<br />

Opfer dar Vergeltung: Du Heuchler!<br />

Besessene Sie können euch zerreissen<br />

Dein ganzer Leib in die Hölle geworfen<br />

eiou<br />

Mark wie Kot Da jage ich den Menschen<br />

Angst ein Und ich rotte die Menschen<br />

auf der Erde aus - ich raffe alles<br />

vom Erdboden weg – Das Gericht<br />

DAS GERICHT<br />

Die Weherufe Hört man vom Fischtor<br />

her Geschrei Wie die Fische im Meer<br />

Wie das Gewürm Die Menschen Doch sie<br />

werden es büssen Zwietracht Mit Kot<br />

bewerfe ich dich Gebe dich der Vernichtung<br />

preis Und mache dich zum<br />

Schaustück Entblösst Zur Schau<br />

gestellt Wird weggeführt Rächender<br />

Gott Zertreten Wie Gossenkot Bestrafung<br />

kommt Um dich zu Schlagen In<br />

Die Hunde fressen dann Und zerreissen<br />

ihnen die Brust und das Herz Und<br />

die wilden Tiere zerfleischen sie Am<br />

Tag der Schlacht Dort habe ich sie<br />

hassen gelernt Sie waren so abscheulich<br />

wie der, den sie liebten Mein Gott! Sie<br />

schreien Sie liegen nur da und heulen<br />

»Unflat«<br />

Sie haben Bastarde geboren Sie gehen<br />

mit Schande zugrunde Schändliche<br />

Schamlosigkeit Ich aber werde euch<br />

alle bestrafen Deine Mutter lasse<br />

ich umkommen Ich schleppe sie weg Und<br />

keiner kann sie mir entreissen Ich, ja,<br />

ich reisse, Dann gehe ich davon Wie ein<br />

junger Löwe<br />

Ich gehe<br />

weg Ich<br />

kehre an<br />

meinen Ort<br />

z u r ü c k<br />

B l u t t a t<br />

reiht sich<br />

an Bluttat<br />

Fluch und<br />

B e t r u g<br />

Mord Mein<br />

Baal! Mein<br />

Mann!<br />

;<br />

-<br />

Auch mit<br />

i h r e n<br />

K i n d e r n<br />

habe ich<br />

kein Erb<br />

a r m e n<br />

D e n n<br />

es sind<br />

D i r n e n<br />

kinder Ja,<br />

ihre Mutter<br />

war<br />

eine Dirne<br />

Die Frau,<br />

die sie Gebar<br />

Trieb<br />

schändliche<br />

Dinge<br />

S o n s t<br />

ziehe ich<br />

sie nackt<br />

aus Dann<br />

entblösse<br />

ich ihre<br />

Scham Kein<br />

Erbarmen!<br />

Hass gegen dich vorgehen Und dir alles<br />

nehmen Sie werden dich nackt und<br />

bloss zurücklassen Deine lüssterne,<br />

schändliche und unzüchtige Scham<br />

wird entblösst Das tut man dir an,<br />

weil du so unzüchtig bist Und dich unrein<br />

gemacht hast<br />

Ich reisse und schlage dir Haken in die<br />

Kinnbacken Du musst sterben! Ringsum<br />

sind Gräber Jeder hat Angst um<br />

sein Leben Ich tränke das Land bis zu<br />

den Bergen Mit der Flut deines Blutes<br />

Von dir vordere ich Rechenschaft<br />

Schreckenerregende Rechenschaft<br />

Wer nicht niederfällt Wird in den glühenden<br />

Feuerofen geworfen Ein drittes<br />

Reich Das die ganze Erde beherrschen<br />

wird Das war der Traum Endgültig<br />

ausgetilgt und vernichtet Fresst<br />

Fleisch und trinkt Blut! Du bist das<br />

goldene Haupt Überhaupt keinen Gott<br />

Erschrecken Blut soll dich verfolgen<br />

Hass Zorn Stöhnt wie ein tödlich<br />

verletzter Finstere Wolken Es wird<br />

ein schwarzer Tag Das Urteil<br />

In Krämpfen winden Verbrennen Verbrecher<br />

Ich führe das Ende herbei Ich habe<br />

gesprochen Verbrennen<br />

Jammert und schreit:<br />

Weh über diesen Tag!<br />

Denn der Tag ist nahe<br />

Ein Tag dunkler Wolken<br />

Beim Gestöhn der zu Tode getroffenen<br />

Beim mörderischen Blutbad Ha, Ich<br />

schicke Pest und Mord in die Gossen<br />

Ich bin ein Gott Voll Verachtung Meine<br />

Rache Verwüstung Ich vernichte<br />

Mensch und Tier Ich vernichte dich<br />

Ich rotte dich aus »Ha, ha« Meine Rache<br />

Man berufe eine Volksversammlung<br />

gegen sie ein; Sie sollen misshandelt und<br />

ausgeraubt werden Die Volksversammlung<br />

soll sie steinigen Und mit Schwertern<br />

in Stücke hauen Ihre Söhne und<br />

Töchter soll man töten Und ihre Häuser<br />

verbrennen<br />

Rache<br />

Auf dem nackten Felsen vergiesse<br />

ich ihr Blut; Ich schichte einen grossen<br />

Holzstoss auf Ich häufe das Holz<br />

Ich entzünde das Feuer Ich koche das<br />

Fleisch Ich giesse die Brühe ab Und die<br />

Knochen sollen verbrennen<br />

Dämonen Um uns schon vor der Zeit<br />

zu quälen?<br />

Denen, die im Schattenreich des Todes<br />

wohnten Ihr Schlangenbrut Ins Feuer<br />

Mit Feuer taufen Fresser Und der<br />

Tag, der kommt, wird sie verbrennen<br />

Denn seht, der Tag kommt Er brennt<br />

wie ein Ofen Seht, ich schlage euch den<br />

Arm ab Und werfe euch Unrat ins<br />

Gesicht<br />

Von meinem Schwert durchbort Ja, er<br />

vernichtet Alle Götter der Erde So<br />

wahr ich lebe<br />

Sodom wie Gomorrah Dann bereitet er<br />

allen Bewohnern der Erde ein Ende Ein<br />

schreckliches Ende Ihr Blut wird hingeschüttet<br />

wie Schutt Und ihr fettes<br />

Schrecken zu stürzen Jetzt ritze dich<br />

wund Winde dich, stöhne Am Ende der<br />

Tage wird es geschehen Sie trinken<br />

und taumeln Sie werden, als seien sie<br />

niemals gewesen Alles ist voller Leichen<br />

Überall wirft man sie hin Still!<br />

Doch seht Ich schicke ein Volk, das<br />

euch quälen wird Dann erhebt sich<br />

ein Gestank Verwesungsgeruch steigt<br />

von ihm aus Ruft den Heiligen Krieg<br />

aus! Ein Volk<br />

Wacht auf, ihr Betrunkenen, und<br />

weint!<br />

Jammert, ihr Zecher!<br />

Ihre Kinder werden zerschmettert<br />

Die schwangeren Frauen aufgeschlitzt<br />

Tod, wo sind deine Seuchen?<br />

Aber der<br />

kann euch<br />

nicht heilen<br />

Er befreit<br />

euch<br />

nicht von<br />

euren Geschwüren<br />

S e i n e<br />

Krankheit<br />

Sein Geschwür<br />

Ich aber bin wie Eiter, wie Fäulnis<br />

»Unflat«<br />

Fremde<br />

Sie sollen vor mir stehen, um mir Fett<br />

und Blut darzubringen Meine Opferspeise,<br />

Fett und Blut Es bersten die<br />

Berge Im Feuer meines Zorns Ungeheures<br />

Verderben Zur Zeit des Endes<br />

Ha, ich rede voll Leidenschaft und<br />

Grimm Du bist eine Menschenfresserin<br />

Du sollst Scherben zerbeissen und<br />

dir die Brüsste zerreissen<br />

Denn ich habe gesprochen Zum Gelächter<br />

und Gespött sollst du werden Ich will<br />

dich in die Gewalt derer geben Gegen die<br />

du jetzt voll Hass bist Sie werden voll<br />

Sie fressen Menschen Noch am selben<br />

Tag, da sie ihre Söhne den Götzen<br />

schlachteten Trieben sie es in meinem<br />

Haus Ich vernichte sie im Feuer meines<br />

Zorns<br />

Du sollst sagen: Schwert, Schwert,<br />

Gezückt zum schlachten Zu Trümmern,<br />

Trümmern, Trümmern Nichts soll bleiben<br />

wie es ist<br />

Du Entweihter Die Zeit der entgülltigen<br />

Abrechnung Ich liefere dich<br />

grausamen Menschen aus Die ihr<br />

mörderisches Handwerk verstehen<br />

Das Feuer soll dich verzehren Mitten<br />

im Land soll dein Blut fliessen<br />

An dich wird sich niemand erinnern<br />

Jetzt ist der Tag gekommen Die Zeit der<br />

entgülltigen Abrechnung Ein Schwert<br />

zum Morden ist es Zum Morden Das gewalltige<br />

Schwert, das sie durchbohrt<br />

Schrei und heule, Menschensohn!<br />

Für des Henkers Hand Ein Schwert<br />

Zum Schlachten, zum Schlachten ist es<br />

geschärft; Ein Schwert, ein Schwert<br />

Geschärft und poliert Er soll nicht<br />

am Leben bleiben So wahr ich lebe Sein<br />

Blut wird auf ihm sein Eine Totenklage<br />

ist dieses Lied; Zur Totenklage ist es ge-


MAHNMAL<br />

MAHNMAL<br />

Computer Generated Images by Marcus Hinterthür - ask for custom m.hinterthuer@gmx.net<br />

nach einer Architekturskizze von Heidulf Gerngross


62 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Religion Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Wie am Meer brechen sich die Wellen am Sandstrand von Tamtchi,<br />

dem ersten Badeort am Nordufer des kirgisischen Issyk Kul - Sees. Seine<br />

Uferzonen werden von der Seidenstraße berührt und gelten seit Jahrtausenden<br />

als Kreuzweg der Kulturen, als Ort der Erholung und Begegnung.<br />

Eine alte Kirgisenweisheit besagt, wer hier einmal im Jahr ins Wasser<br />

steigt, bleibt gesund. Der Issyk Kul gilt als wasserreichster Gebirgssee<br />

der Welt. Von Ost nach West misst er 140, von Nord nach Süd bis zu 70<br />

Kilometer und reicht 600 Meter in die Tiefe.<br />

Die gletscherbedeckten Gebirge im Hintergrund, die sich am Vorabend<br />

noch malerisch im Wasser spiegelten sind in die Ferne gerückt. Sie gehören<br />

zum Tien Schan, den Himmelsbergen und ragen bis zu 7.439 Meter<br />

empor. Nach den ersten kräftigeren Schwimmzügen im leicht salzhältigen<br />

Wasser bleibt einem der Atem weg.<br />

Die dünnere Luft auf 1.600 Metern spürt man deutlich. Ein hervorragendes Anpassungstraining,<br />

wenn man durchs Gebirge wandernt möchte. 90 Prozent des Landes,<br />

das mit 195.500 Quadratkilometern etwa die Fläche von Österreich, Bayern und<br />

der Schweiz umfasst, liegen über tausend Metern Seehöhe. 34 Prozent der Fläche<br />

ragen über 3.000 Meter hinaus.<br />

Die Fahrt in die Berge führt uns zunächst das mediterrane Südufer des Sees<br />

entlang. Immer wieder finden sich bizzarre Vorgebirgsformationen. Rot leuchten die<br />

neun Ochsen bei Tscheti Ögüs, Bergrücken, die die Erosion ausgewaschen hat.<br />

Am Song Kul, dem „schönen See“, auf 3.000 Metern Seehöhe verbringen die Hirten<br />

mit ihren Pferden, Schafen, Rindern, Yaks den Sommer. Am Leben der Clans hat<br />

sich in den letzten Jahrhunderten nur wenig geändert. Schon die Zehnjährigen gelten<br />

als hervorragende Reiter, die es nicht verstehen können, dass Erwachsene Männer<br />

bei Pferden für Verwirrung sorgen.<br />

Perfektion am Sattel ist Selbstverständlichkeit hier. Es gehört viel Übung dazu, um<br />

um jene akrobatischen Übungen zu beherrschen, die bei den legendären Reiterspielen<br />

dargeboten werden. Oder um jenes wilde, poloartige Reiterspiel zu erlernen, das<br />

die Kirgisen voll Enthusiasmus pflegen. Dabei wird ein Schafsbock geschlachtet, der<br />

Kopf abgetrennt, die unterel Läufe gehäutet. Danach jagen zwei Mannschaften damit<br />

über die Wiesen. Es gilt als Ehre, wenn der Bock in den Eingang einer bestimmte<br />

Jurte geworfen wird.<br />

Als nomadisierendes Turkvolk gelten die Kirgisen gastfreundlilch langmütig und tolerant.<br />

Sie stellen mit zirka 65% die Bevölkerungsmehrheit. Außerdem leben Usbeken,<br />

Russen, Dunganen (chinesische Muslime), Uiguren (1,0 %), Ukrainer, Tadschiken ,<br />

Tataren , Kasachen und Angehörige weiterer Ethnien, wie etwa 57.000 Mescheten,<br />

im Lande.<br />

Die Bevölkerungsmehrheit bekennt sich zum sunnitischen Islam, der stark mit Schamanstischen<br />

Ritualen und Naturreligionen durchsetzt ist. Gegen ein gutes Stamperl<br />

hat hier keiner was einzuwenden, zu jung ist die Vergangenheit als Kirgisische Sowjetrepublilk.<br />

Auch der Luftgetrockenete von daheim kommt gut an. Selbstbewusst,<br />

modern und vor allem unverschleiert ist der Auftritt der Frauen. Sie stellen vielerorts<br />

in der Wirtschaft ihren Mann.<br />

Am Kuhfladenherd in der Gemeinschaftsjurte erwärmen wir uns rasch und stärken<br />

uns beim Nachtmahl mit allerlei kirgisischen Leckereien. Es gibt Lagmat, einen suppigen<br />

Nudeleintopf, Butter, Käse, Wurst, Weißbrot, Tee und als Nachspeise Brandteigspiralen,<br />

die hervorragend zu den aromatischen Marmeladen passen. Kirgistan<br />

ist ja die Heimat der Marille doch die anderen Früchte des Sommers, vor allem die<br />

Himbeeren aus der Höhe schmecken einzigartig. Zum Abschluss<br />

Etwas schweigsam und müde schauen sie ins Feuer. Einer von Ihnen entschuldigt<br />

sich für die Einsilbigkeit am ersten Abend und fügt hinzu, dass sich dies schon ändern<br />

wird, wenn wir uns mal näher kennen. Er soll recht behalten. Denn schon bald<br />

erleben wir zünftige Jurtenabende mit viel Gelächter und Self-Entertainment, das<br />

unsere Tagesmärsche beschließt.


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch VIII - Religion<br />

<strong>ST</strong>/A/R 63<br />

Die Hauptstadt Bischkek ist das Zentrum des Wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Auf Kirgisisch<br />

bezeichnet bischkek oder pischpek ein Gefäß für die Zubereitung von Kymys, fermentierter<br />

Stutenmilch. Planmäßig im Schachbrettformat ausgelegt, ist es eine Stadt mit breiten Boulevards,<br />

marmorverkleideten öffentlichen Gebäuden und massigen Wohnblocks in typisch sowjetischer<br />

Bauart. Aufgrund seiner kurzen Geschichte hat Bischkek keine historischen Bauwerke. Fast alle<br />

Straßen in der Kernstadt sind beidseitig von Bewässerungskanälen flankiert, welche die zahllosen<br />

Bäume bewässern, die im heißen Sommer Schatten spenden.<br />

Im Gespräch mit Gerald Kofler und Peter Felch hat der russisschstämmige Künstler, Valeri Ruppel,<br />

namhafter Vertreter der modernen Kunst, Stellung bezogen.<br />

Als Sie nach Kirgistan kamen, was war Ihre Motivation zu bleiben und hier zu arbeiten?<br />

Wie ich hierher kam, ist ganz einfach erklärt: Als ich mit <strong>20</strong> nach Zentralasien kam, waren meine<br />

Motive rein romantischer Natur. Ich wollte exotische Länder kennen lernen. Und so begab ich mich<br />

damals in das, wie mir schien, sehr exotische Asien, das mich bis heute Staunen lässt über das,<br />

was mich umgibt. Außerdem ist der altruistische Dienst an der Kunst, an der modernen Kunst, auch<br />

keine schlechte Aufgabe. Das ist mein Karma!: hier in Zentralasien<br />

moderne Kunst zu betreiben und zu vertreten. Irgendjemand muss das<br />

ja tun.<br />

Denken Sie, dass Sie in anderen Ländern mehr Resonanz und Erfolg<br />

haben könnten?<br />

Wenn ich mich in Europa aufhalte, gefällt mir sehr, was sich dort in der<br />

modernen Kunst abspielt, mir gefällt der kontinuierliche und schnelle<br />

Prozess des Wechsels von Prioritäten, von Ausrichtungen. Dieser lebendige<br />

Prozess ist wichtiger als alles andere. Wenn ich nach Kirgistan<br />

zurückkomme, versuche ich meine Inspirationen hier einzubringen. Ich<br />

weiß nicht, wie ich dort leben und arbeiten würde, aber ich kann diesen<br />

paradoxalen Unterschied und Kontrast zwischen dem, was dort passiert<br />

und hier, überprüfen und auflösen, indem ich hier arbeite.Das ist auch<br />

ein gewisses Experiment, meine Teilnahme am Werdegang und am<br />

Leben der zeitgenössischen Kunst. Als lebendes Wesen will ich an<br />

diesen Prozessen teilnehmen.<br />

Sehen Sie eine Kommerzialisierung der Kunst in Europa?<br />

Das gibt es alles in Europa in einem enormen Ausmaß, daneben aber nimmt die zeitgenössische<br />

experimentelle Kunst einen wichtigen Platz ein; sie hat einen hohen Stellenwert in der Kunst<br />

allgemein, in den Museen und Galerien, in der Gesellschaft. Das ist hier nicht der Fall. Hier nimmt<br />

die kommerzielle Kunst den größten Raum ein. Das liegt wahrscheinlich daran, es den Bedarf dafür<br />

gibt. Mit der Bildung der neuen Mittelschicht von Businessleuten, den Neureichen, wie sie genannt<br />

werden, entstand der Bedarf an Dekorativem, der Wunsch nach Verzierung. Geschmack haben<br />

sie keinen, wohl aber den Wunsch, das Bedürfnis sich mit etwas zu schmücken. Und es gibt einen<br />

großen Künstlerkreis, der bereit ist, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Dazu kommt, dass wir haben<br />

kaum Zugang zu Informationen haben, es gibt keine Kunstberichterstattung, keine Kunstzeitschriften,<br />

das Netz ist unsere einzige Informationsquelle.<br />

Welche zeitgenössischen Künstler der westlichen Welt haben Sie besonders beeindruckt?<br />

Ein absolut herausragendes Beispiel der modernen Kunst für mich ist der Franzose Yves Klein.<br />

Vielleicht weise ich in meiner Suche, meinen Experimenten nicht sehr viele Ähnlichkeiten mit ihm<br />

auf, aber ich halte ihn für ein Paradebeispiel eines modernen Künstlers, ein glänzendes Beispiel<br />

dafür, wie man der zeitgenössischen Kunst und der Kunst im Allgemeinen dienen kann. Das ist für<br />

mich Yves Klein.<br />

Was interessiert Sie an Zen, an der Philosophie, der Kunst des Fernen Ostens und des Buddhismus?<br />

Die Leere in der Kunst, die Leere als philosophischer Zen-Begriff,<br />

die Leere als allumfassende philosophische Erkenntnis. Das ist im Buddhismus wichtig, mich interessiert,<br />

dass es nicht nur die Leere im physischen Sinne gibt – so gibt es zum Beispiel in chinesischen<br />

und japanischen Bildern Freiflächen. Die Leere muss da sein als etwas, das der Betrachter<br />

selbst füllen kann. Ich suche die Komponenten, die helfen, die Leere als etwas zu erfassen,<br />

das eigentlich nicht leer ist, sondern gefüllt ist … mit der Energie des Künstlers.<br />

Das ist bis heute eine schwierige Aufgabe. Diese „Formel“ ist nicht zufällig vor 10.000 Jahren entstanden,<br />

und sie lebt bis heute als Frage und Herausforderung fort, die nie an Bedeutung verlieren<br />

wird:<br />

Jede Leere kann von einem Künstler mit Bewusstsein gefüllt werden.<br />

Das ist keine einfache Aufgabe, aber es macht Sinn für mich, mich damit auseinanderzusetzen.<br />

Gerald Kofler


Nr. XX/ Herbst <strong>20</strong>08<br />

64 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Religion Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. xx/xx<br />

Bleiben wir relaxed und scheiß ma auf den Text<br />

Städteplanung / Architektur / Religion 3,– Euro<br />

Zenita


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch IX - LITERATUR <strong>ST</strong>/A/R 65<br />

LITERATUR<br />

<strong>20</strong>09<br />

<strong>ST</strong>/A/R bedankt sich bei Elfriede Gerstl<br />

und Herbert Wimmer für die Konzeption<br />

der <strong>ST</strong>/A/R-Literaturseiten


66 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IX - LITERATUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

KEINE ANWEISUNG, KEINE AUSZAHLUNG,<br />

KEIN BETRAG, KEIN BETRUG.<br />

(Ein paar Anmerkungen zu „Neid“)<br />

ELFRIEDE JELINEK<br />

Ich habe das Gefühl, etwas zum Privatroman „Neid“ sagen zu<br />

müssen. Jetzt flehen mich schon seit Wochen meine besten<br />

Freundinnen und Freunde an, fast weinend, das Buch „Neid“,<br />

das gar kein Buch ist, nicht lesen zu müssen. Sie glauben, sie<br />

müssen es, wie jedes ordentliche Buch (bei dem man das Ende<br />

nicht vor dem Anfang kennen soll, manchmal, bei einem Krimi,<br />

will man das ja wider besseres Wissen), von vorne bis hinten<br />

durchlesen. Gut, also kein Buch, meinetwegen, ja, wegen mir!,<br />

aber: Ausdruck kompliziert und papierverschlingend, neuer<br />

Toner muß gekauft werden, die Blätter fliegen herum wie<br />

Vögel, man kann sie nicht bändigen, man kann sich mit diesem<br />

Papierhaufen nicht auf den Balkon setzen, überhaupt nicht ins<br />

Freie, ins Offene, man kann das nirgendwohin mitnehmen, es<br />

kommt alles durcheinander. Man muß es dann womöglich<br />

wieder ordnen. Man bereut schon bald bitter, es ausgedruckt zu<br />

haben, denn nun ist das Papier verschwendet, das hat ja<br />

schließlich auch was gekostet, Bäume mußten gefällt werden,<br />

nur damit einem selbst das dann überhaupt nicht gefällt, was<br />

man da liegen hat, dieser Klotz, dieser unordentliche<br />

Papierstrunk, dieser Blättertorso, den man nie im Leben auf<br />

Kante kriegt, nicht einmal, wenn man sich die Kante selber<br />

gibt. Wie beträgt man sich diesem Betrug, ich meine diesem<br />

Roman gegenüber? Bitte, ich zum Beispiel möchte das eh nicht<br />

lesen müssen. Mir ist das ja egal, ob es jemand liest oder nicht,<br />

und meine Freunde bleiben weiterhin meine Freunde, ob sie<br />

meine Sachen nun lesen oder nicht. Was jammern sie mich an?<br />

Ich doch nicht! Was auch immer. Ich möchte nur gern sagen,<br />

wie ich es mir vorstelle: Man soll den Text überhaupt nicht<br />

ausdrucken. Man kann natürlich, aber man soll nicht. Man<br />

kann machen, was man will, das sowieso, die Menschen<br />

beklagen sich ohnedies immer. Sie wollen, daß man weiß, was<br />

sie über einen denken. Man tut ihnen einen Gefallen, sie zu<br />

enttäuschen, denn dann haben sie noch mehr Grund zur Klage.<br />

Das freut sie so sehr, das freut sie umso mehr. Ich schaue über<br />

die Menschen hinweg, egal, was sie tun, nicht im Sinn von<br />

Arroganz, im Gegenteil, sondern weil ich vielleicht zuwenig<br />

Zugehörigkeitsgefühl zu ihnen habe, was sie mir nicht eigens<br />

zu sagen brauchen (sie tun es ja trotzdem, weil sie alles trotzdem<br />

tun, jetzt erst recht). Ich schaue über sie weg und gehe durch<br />

sie hindurch, weil ich sie gar nicht mehr anschaue und auch<br />

nicht zu ihnen gehe. Dieser Text mit Namen „Neid“ gehört<br />

nicht in ein Buch. Er gehört nicht auf Papier, er gehört in den<br />

Computer hinein, dort habe<br />

ich ihn hineingestellt, dort<br />

habe ich ihn deponiert, dort<br />

kann er in Ruhe verderben wie<br />

Müll (nur auf Wunsch und<br />

mit Hilfe einiger<br />

Knopfdrückereien können Sie<br />

ihn sich aber holen, wann Sie<br />

sollen, solang Sie und soviel<br />

davon wie Sie wollen), und bin<br />

dann einfach weggegangen.<br />

Ich weiß ja, daß der Roman<br />

dableibt, auch in meinem<br />

eigenen Gerät mit dem<br />

Flachschirm. Er ist zur<br />

Entnahme frei, der Text, was<br />

ich nicht bin. Ich bin nicht<br />

frei, schon gar nicht zur<br />

Entnahme, wer würde mich<br />

auch nehmen, wer würde<br />

denn dem etwas entnehmen<br />

wollen, was ich sage? Ich hebe<br />

ja oft Tagesneuigkeiten und<br />

Aktualitäten, auch Klatsch und<br />

Tratsch, in die Texte hinein,<br />

um ihnen ihr Verfallsdatum<br />

einzuprägen. Das muß man<br />

ihnen immer wieder<br />

einbläuen, sonst vergessen sie<br />

es. Jeden Augenblick können<br />

sie fällig sein, und das ist gut<br />

so. Wenn ich sterbe, warum<br />

soll dann dieses Geschreibe<br />

leben dürfen? Es darf aber,<br />

irgendwo wird es überleben,<br />

in irgendeiner Maschine. Ich hätte vieles, das mir zu intim war,<br />

niemals in einem Buch schreiben wollen und können. Es soll<br />

so schnell verzehrt sein wie ein Hamburger oder eine<br />

Leberkässemmel. Es ist zum raschen Verbrauch bestimmt.<br />

Holen Sie es sich, wenn Sie wollen, wann immer Sie wollen, in<br />

ihr Handy, auf ihren Computer, in Ihr electronic book (nein,<br />

sowas haben Sie wahrscheinlich noch nicht, aber bald werden<br />

wir es alle haben, alles andre haben wir ja auch gekriegt), wenn<br />

Sie zehn Minuten warten müssen, an einer Haltestelle, auf<br />

einem Bahnhof, in einer Hotellobby, ein paar Stunden auf<br />

einem Flughafen, in einem Lokal. Holen Sie sich einen runter<br />

von mir, holen Sie sich etwas von mir runter, überfliegen Sie<br />

es, buchstabieren Sie es, kriechen Sie rein, kommen Sie wieder<br />

raus oder bleiben Sie drin. Die Sache ist ordentlich gearbeitet<br />

und ixmal überarbeitet, aber Sie können es einfach so<br />

überfliegen, als wäre das nichts, unter Ihnen, über Ihnen, vor<br />

Ihnen: nichts. Sie können es fressen oder sofort wieder<br />

wegschmeißen, Sie können alles, Sie haben nichts bezahlt, ich<br />

habe mit meinem Leben bezahlt, doch das ist nicht Ihr Problem,<br />

Sie können es für eine Sekunde laden und dann gleich wieder<br />

rausschmeißen. Das ist ein wunderbares Gefühl, welches ich<br />

genieße, obwohl ich gar nicht weiß, was Sie jeweils damit<br />

machen und Genuß leider nicht meine Spezialität ist. Aber<br />

bitte: nicht ausdrucken (Sie können es sich aber auch in<br />

Schweinsleder binden lassen, auch darüber hätte ich nicht zu<br />

entscheiden)! Es soll da sein und verschwinden gleichzeitig<br />

oder hintereinander, es soll eine gespensterhafte<br />

Erscheinungsform haben, dieses Geschriebene da vor Ihnen.<br />

Die gespenstische Existenz eines Wesens, das da ist und auch<br />

wieder nicht, ein Phänomen, das mich schon immer interessiert<br />

hat: lebende Tote, die nicht wissen, daß sie tot sind, Geister,<br />

Gespenster, Erscheinungen, Grusel, Schauder. Etwas, das ist<br />

und gleichzeitig nicht ist. Etwas, das sich zur Schau stellt, wenn<br />

auch ohne das Gepränge, das der Buchmarkt und das Feuilleton<br />

manchmal mit sich bringen, um Ohnmacht bzw. Aufmachung<br />

(Verlag, Buchhandel) oder Macht (Feuilleton) zu demonstrieren.<br />

Ich habe mich für die Flüchtigkeit entschieden, was meinen<br />

Text betrifft. Ich bleibe immer da, schicke meine Sachen jedoch<br />

auf Wunsch überall herum, in, ja, in all ihrer Flüchtigkeit<br />

(vielleicht Flüchtigkeit, gerade weil ich selbst nicht fliehen<br />

kann?). Jeder Mensch (oder keiner) kann sich das aus dem<br />

universellen Raum des Nichts materialisieren lassen, eine Zeile<br />

lesen, hunderte Seiten lesen, alles eins, und dann kann er das<br />

wieder verstoßen. Er kann es mehrmals aufrufen und parallel<br />

lesen, neue Verbindungen auf dem Bildschirm herstellen.<br />

Überhaupt selber Neues schaffen. Er kann sich was erklären<br />

oder nichts erklären, er oder sie, sie können sich was erklären<br />

lassen oder auch nicht. Sie können es sich anders erklären als<br />

ich es tue. Ich habe mit Entschiedenheit das Machtmittel Buch<br />

und Buchbetrieb zurückgewiesen, nur für mich, ich mache ja<br />

keine Regel draus, ich bin für mich da, sonst ist es ja keiner.<br />

Genau: Keine bin ich auch! Ich bin auch für Sie da, wenn Sie<br />

das wollen, und wenn sie es nicht wollen, bin ich sofort wieder<br />

weg. Ich will keine Macht mit diesem Text entfalten wie<br />

Buchseiten, im Gegenteil, ich will jede Macht aufheben und<br />

Ihnen dafür die Vollmacht übertragen: Machen Sie damit, was<br />

Sie wollen. Ich gebe mich ganz in Ihre Hand, schmeißen Sie<br />

mich weg oder behalten Sie mich ein wenig, eine Weile, ganz<br />

wie Sie wollen. Durch die rasch, beinahe sofort verderbenden<br />

Aktualitäten im Text habe ich ja die Flüchtigkeit des<br />

Geschriebenen geradezu beschworen, weil alles jederzeit wieder<br />

vollkommen und spurlos verschwinden kann. Das ist doch eine<br />

Chance, oder? Gehören Sie zu den Genießern oder den<br />

Entsagenden oder den Hassern?, von mir aus, oder gehören Sie<br />

zu gar niemandem?, hören Sie mir zu oder nicht; ich merke das<br />

ja gar nicht, ich merke nicht, zu wem Sie gehören, Sie können<br />

gehören, wem Sie wollen. Dieser Text gehört mir, ob Sie wollen<br />

oder nicht, ich habe ihn an niemand verkauft, ich behalte ihn,<br />

aber Sie können ihn jederzeit haben, wenn Sie wollen und<br />

wann Sie wollen. Und noch nicht einmal geliehen. Er gehört<br />

ganz Ihnen, wenn Sie mögen. Und dann ist er wieder weg. Sie<br />

müssen nichts herumschleppen, Sie müssen keine Lesezeichen<br />

einlegen, Sie können Lesepausen einlegen, Sie können das<br />

alles überfliegen, Ihre Augen können woandershin gehen als<br />

Sie selber, Sie können woandershin gehen als Ihre Augen, die<br />

herumschweifen und sich heften an ein Wort, einen Buchstaben,<br />

einen Satz, einen Absatz, hundert Seiten, egal. Ich teile mein<br />

Eigentum in all seiner Flüchtigkeit mit Ihnen, um, wie gesagt,<br />

selbst die Illusion zu haben, jederzeit weg zu können, oben am<br />

Bildschirmrand ins Nichts abtauchen zu können. Dieser Roman<br />

ist da und gleichzeitig nicht da, in all seiner Rücksichtslosigkeit<br />

gegen mich (und äußerste Rücksichtnahme gegen Sie, denn<br />

Sie allein bestimmen ja über ihn!), in all seiner Leere, wenn<br />

man ihn mit einem einzigen Knopfdruck entfernt hat. Das ist<br />

es vielleicht: Die Leere zum Vorschein bringen, durch den<br />

Druck einiger Tasten. Es wird alles ganz weiß, weil Sie es vorhin<br />

gerade gelöscht haben. Es kann aber jederzeit wieder gerufen<br />

werden. Ich zähle nicht, wie oft und was wie oft. Ich zähle auf<br />

niemanden und zu niemandem. Ich habe Sie längst<br />

ausgeblendet, jetzt können Sie dasselbe mit meinem Werkchen<br />

machen, das ich ist und wieder nicht ich ist, auch wenn es Ich<br />

sagt oder dem Ich widersagt oder es dem Ich immer wieder<br />

reinsagt. Ich durchbreche jedes Ziel und mache am andern<br />

Ende weiter, auch wenn ich zu schwach bin, das Zielband zu<br />

zerreißen, das Sie mir da dauernd vorhalten, sodaß ich nicht<br />

einmal mit Zielvorgabe loslaufen kann, weil da schon das blöde<br />

Band ist, das doch so leicht zu zerreißen wäre. Ich bin am Ende.<br />

Ich bin am Anfang. Sie können das auch, jederzeit! Sie können<br />

sein, wo immer Sie wollen. Ich kann nicht sein, wo ich will.<br />

Dafür kann ich mein Schreiben schicken, wohin ich will, auch<br />

wenn ich nicht weiß, wo das ist. Was sagt man dazu? Diese<br />

Rücksichtslosigkeit, die gleichzeitig Leere ist und Leere<br />

hinterläßt, erweckt den Eindruck, daß der Machthaber<br />

(Heidegger spricht in diesem Sinn von ihm, und die<br />

Machthaberei wird den Künstlerinnen und Künstlern<br />

seltsamerweise immer zugeschrieben, Machthunger auf ihr<br />

Publikum, aber genau das will ich nicht, ich will diese Verhaberei<br />

sowieso nicht, der Filz kann zu einer Fußangel werden) etwas<br />

kann, was eigentlich jeder kann, was jeder vollziehen kann.<br />

Und auch das können Sie ja<br />

gern ausprobieren. Stellen Sie<br />

sich neben mich, einen<br />

Augenblick, fünf Minuten,<br />

eine Stunde, ein paar Stunden,<br />

Sie werden sehen: Sie können<br />

das auch! Es ist unverbindlich,<br />

denn es will nichts verbinden,<br />

kann es aber auch, wenn<br />

gewünscht, es kann ein Pflaster<br />

für eine Wunde sein oder<br />

selbst eine Wunde aufreißen.<br />

Es gehört nichts dazu außer<br />

ein paarmal Knopfdrücken<br />

und Mausfahrereien und<br />

Gedankenschiebungen. Nichts<br />

ist echt, alles ist ich. Ich bin<br />

nicht echt, was soll an mir<br />

schon echt sein? Nicht einmal<br />

die Farbe auf meinen<br />

Augenlidern, denn die ist<br />

dorthin geschmiert worden.<br />

Wo Ich draufsteht, ist zwar Ich<br />

drin, aber Ich ist sowieso nicht<br />

Herr im eigenen Haus, es ist<br />

höchstens der Hausmeister,<br />

der die Böden des Bodenlosen<br />

wischt. Aber das alles kann<br />

Ihnen egal sein. Wenn Sie ich<br />

sein wollen – bitte, von mir<br />

aus, aber wenn Sie ich wären,<br />

würden Sie merken, daß Sie<br />

alles sein wollen und überall,<br />

nur nicht ich und nur nicht<br />

dort, wo ich bin. Oder bitte,<br />

von mir aus, lernen Sie nichts, auch das können Sie. Sie können<br />

das Nichts, und Sie können alles, Sie können ein Wesen oder<br />

ein Unwesen sein, indem Sie Macht über andre (und wäre es<br />

Ihr Hund oder Ihr Partner oder Ihr Kind) ausüben wollen. Ich<br />

will das nicht. Ich will es nicht. Ich bin mir genug. Und ich<br />

habe von Ihnen genug, selbst wenn Sie nicht genug von was<br />

auch immer kriegen können. Bleiben wir getrennt! Das ist gut<br />

so. Aber das Bleibende möchte ich nicht geschaffen haben, also<br />

bitte nicht ausdrucken! Lassen Sie es laufen. Es genügt, daß ich<br />

derweil noch dableiben muß.<br />

http://ourworld.compuserve.com/homepages/elfriede/


WWW.TOL<strong>ST</strong>OI.RU<br />

Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch IX - LITERATUR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 67<br />

MEMBRAN-<strong>ST</strong>ORY<br />

herbert j. wimmer<br />

als klingelton ein tiefer bronchial-katarrhalischer husten.<br />

eigentlich ist es ja ein bisschen gruselig, erzählt sich<br />

eine männliche stimme in meine nähe, schiebt sich ein<br />

sprechender langsam an mir vorbei, einen fernen abschnitt<br />

des bahnsteigs fest als fluchtpunkt seines horizonts im auge<br />

behaltend. er sieht so aus, wie ich mir vorstelle, dass ich in<br />

einigen jahrzehnten aussehen könnte. ob ihm, würde er nur<br />

einmal kurz seitenblicken, die vorstellung einschösse, er hätte<br />

vor vielen jahrzehnten so ausgesehen, so dagestanden wie ich?<br />

da habe ich ein feed bekommen, in dem ein zellbiologe<br />

von parasiten erzählt, die verhalten verändern können,<br />

vielleicht auch bei unsereinem. irgendwer hat in vielen<br />

staaten untersuchungen über parasitenbefall gemacht und<br />

angefangen herumzukorrelieren, dass ein parasit, den<br />

wir durch rohes fleisch, ungewaschenes gemüse oder die<br />

hauskatze mimi bekommen können, unsere person auf<br />

unmerkliche weise verändern könnte.<br />

fast die hälfte der menschen in den untersuchten ländern<br />

tragen in ihrem blut antikörper gegen den parasiten. und<br />

in einigen bio-psychologischen oder psycho-biologischen<br />

untersuchungen lässt sich nun angeblich zeigen,<br />

dass der parasit frauen unabhängiger, dynamischer<br />

und intelligenter macht, während hingegen männer<br />

konservativer, eifersüchtiger und gruppenhöriger werden.<br />

in beiden geschlechtern allerdings steige die neigung zu<br />

schuldbewusstsein. was hältst du davon? speichelt er ganz<br />

vergnügt am mikrofon seines headsets vorbei in die (noch)<br />

öffentliche luft.<br />

an der privatisierung der atemluft, wer möchte nicht<br />

daran verdienen. abrechenbar ist alles, ein lebenslanger<br />

einziehungsauftrag, verbrauchsschätzungen nach<br />

durchschnittlichen kubikmeter pro tag, eine gebühr fürs<br />

einatmen der wie auch immer frischen luft, eine andere<br />

gebühr fürs ausatmen der verbrauchten luft; vielleicht auch die<br />

verpflichtung, von geburt an ein luftkonto zu haben, von dem<br />

man bis auf null wegatmen kann, so heftig oder so sparsam,<br />

wie man will. die ewig undankbare bevölkerung muss daran<br />

gewöhnt werden, dass es nichts umsonst gibt, alles muss<br />

gekauft und abbezahlt werden. respekt und dankbarkeit, mehr<br />

verlangen sie ja nicht, die alles ins private umverteilenden<br />

luft-provider. wer sportelt und mehr und heftiger atmet als der<br />

durchschnitt, lebt halt kürzer, die bewegungslosen wenigatmer<br />

dürfen dafür länger in der welt sein. gebühren fürs unter- und<br />

überschreiten von durchschnittswerten, wie auch gebühren<br />

fürs hartnäckige angleichen an durchschnittswerte sind so<br />

schnell ausgedacht wie eingehoben. niemand hustet in den<br />

augenblick der abschweifung.<br />

beef tatar, carpaccio und salate aus hygiene-resistenten<br />

restaurant- und kantinen-küchen, fällt mir dazu sofort<br />

ein. weil sie ihn tragen, verlieren mäuse und ratten ihre<br />

angeborene furcht vor katzenduft, im gegenteil, sie suchen<br />

ihn, und werden der katzen leichte beute. so kann der parasit<br />

wieder in den katzendarm zurückkehren, sich vermehren und<br />

wieder ausgeschieden werden.<br />

die verstärkte neigung zu frei flottierenden schuldgefühlen<br />

kann ja nur die charity-industrie freuen.<br />

angeblich wirken medikamente, die gegen schizophrenie<br />

eingesetzt werden, auch gegen den parasiten.<br />

das finde ich ja so kurios!<br />

treibt man den parasiten aus, werden dann die von ihm<br />

geheilten frauen weniger intelligent sein, klebrige gruppen<br />

bilden und antriebslos in den familien herumhängen?<br />

und die männer verlieren dann ihren schrecklichen<br />

hang zum konservativen, hören auf elende eifersucht –<br />

othello ade! – zu zelebrieren und geraten wieder mehr zu<br />

eigenverantwortlich funktionierenden individuen, abhold<br />

dem dumpfen zusammenglucken an stammtischen und in<br />

traditionsvereinen?<br />

dafür empfinden dann alle diese verdammten unbestimmten<br />

schuldgefühle überhaupt nicht mehr?<br />

ist nicht mein, unser unbewusstes ergebnis von<br />

parasitenbefall?<br />

die ganze evolution hoch?<br />

manchmal hat der befall was mit der ausschüttung von<br />

botenstoffen zu tun. die werte von dopamin zum beispiel,<br />

diesem neurotransmitter, der anscheinend im zusammenhang<br />

mit neugierverhalten steht, sind bei infizierten erhöht. ob<br />

allerdings die substanzen vom parasiten stammen oder der<br />

parasit den oder die befallene zwingt, mehr von diesem stoff<br />

zu produzieren, ist noch lange nicht raus.<br />

manche parasiten wiederum scheinen neurotransmitter<br />

imitieren zu können. sie zerstören einfach nervenzellen oder<br />

verändern das physiologische gleichgewicht und lösen damit<br />

immunreaktionen aus. man fand auch schon – allerdings ist<br />

das noch sehr schwer zu belegen – dass manche parasiten<br />

gezielt gene ausschalten, welche die produktion von<br />

neuropeptiden steuern.<br />

ein parasit folgt dem anderen.<br />

von vielen parasiten gleichzeitg befallen.<br />

irgendwer muss immer erfinderisch sein, unkonventionell,<br />

innovativ; mal die frauen, mal die männer.<br />

sind bewusstein und unbewusstsein als folge von<br />

parasitenbefall entstanden?<br />

verdanken wir die fähigkkeit zu selbstreflexion, zu<br />

selbstspiegelung einem oder unzähligen parasiten?<br />

ist die entstehung von spiegelneuronen folge eines<br />

parasitenbefalls oder folge einer entstandenen resistenz?<br />

sind parasiten evolutionsbeschleuniger, entwicklungsturbos?<br />

jetzt müssen wir unbedingt nach einem parasiten suchen<br />

– oder einen gentechnisch herstellen, der sowohl frauen<br />

wie männer intelligenter, dynamischer und unabhängiger<br />

macht, ohne die neigung zu schuldgefühlen, dieser negativen<br />

emotionalen grundhaltung, zu verstärken, denke ich dem<br />

davonsprechenden nach.<br />

der lautsprecher scheppert neue verspätungen in unsere<br />

zukunftsoffene gegenwart.<br />

FRIEDERIKE MAYRÖCKER<br />

ich auch den weich‘ Kräutern, Höld.<br />

ich auch den weich‘ Kräutern alle Stimmen Maria Callas‘ nämlich in<br />

meinem Schädel. Vergiszmeinnicht in meinem Schädel der Sturm tobt<br />

die Angst Veilchen Vergiszmeinnicht in meinem Schädel die Einsamkeit<br />

tobt die Verzweiflung in meinem Schädel die Angst tobt der<br />

Schrecken. Venedig und Veilchen Vergiszmeinnicht Wahn und Wäldchen des<br />

Alters in meinem Schädel renne zum Veilchenbusch Fliederbusch<br />

noch keine Blüten kein Duft gegenüber die Wander Klassik (der<br />

Schneider Aslan Gültekin) sein weiszer Schädel die Himmelschlüssel<br />

Anemone Päonie in meinem Schädel hl.kl.Frau im Fenster mir winkend<br />

mir lächelnd versinke in Blumen Tränen Küssen Veilchen Vergiszmeinnicht<br />

Augen der Mutter Kehlen der Vögel : schönen Schwalben Lieblingen<br />

meiner frühen Tage nämlich die Wander Klassik 1 Jimi Hendrix<br />

steht an der Straszenkreuzung / es sei als sei es 1 Maientag rauschender<br />

Mai unter der Kuppel des Blattwerks des Baumes hin durch<br />

den Maientag Rosen der Augen der Auen im Südwind durch diesen Tag<br />

während die Tränen sind vom Himmel geflossen und sprieszend an den<br />

Ästchen (Kätzchen) des Waldes in meinem Schädel des reinen Waldes<br />

unter dem Himmel unsterblichen Himmel. Verzaubert ist mir die Welt<br />

und fiebrig in meinem Schädel Nachtviolen Fuchsien Weiden Pinien<br />

und Reseden lauschend im Garten (ich) Krokus und Haferkorn auch,<br />

kirschenessend in tiefer Nacht, auch, ich auch den weich‘ Kräutern,<br />

Hölderlin<br />

FRIEDERIKE MAYRÖCKER<br />

dieser Leiterwagen dieses Schluchzen diese 70 Jahre danach<br />

dieses mit Mutter hinauf die Dorfstrasze hinauf (damals in<br />

D.) das Kreuz der Deichsel in den Händen ach weiszt du<br />

noch der ockerfarbene Staub der Strasze an meinen Füszen<br />

(nackt) das Kreuz auf der Anhöhe wo die Felder Wiesen<br />

sich breiteten wie mit offenen Armen und wir zum nahen<br />

Steinbruch die kl. und gröszeren Steine einsammelten diese<br />

Grotten Gottesblumen in D. während über dem Stege begannen<br />

Schaafe den Zug usw.<br />

jemand, 1 Traum, hügelt mir wie Schnee oder Schwan, 1 POMP die<br />

beweglichen Primeln über dem Wasser / Mystifikation eines<br />

Lebens 80 liebliche Sommer ach weiszt du noch die Erdbeeren<br />

in den Beeten (mit Steinen bekränzt) im groszen Garten die<br />

Hauswurz die weiszen Lilien der Hibiskus in den Wolken in<br />

den duftenden Lauben die MADONNA gesehen wo die verborgenen<br />

Veilchen sprossen<br />

(aber es fallen auseinander meine Gebeine . .)<br />

6.2.08<br />

12.4.08<br />

FRIEDERIKE MAYRÖCKER


Städteplanung / Architektur / Religion Buch IX - LITERATUR <strong>ST</strong>/A/R 69<br />

Foto: Andrea Baczynski<br />

Worüber man nicht sprechen kann, dass muss man fotografieren


70 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IX - LITERATUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

ANDREAS OKOPENKO<br />

Spontangedichte (Stand: 26.09.<strong>20</strong>08)<br />

Schiedspruch<br />

Ein hechelnder Hecht<br />

ist zwar Hund, doch nicht echt.<br />

Berliner Gedanke<br />

Das Restaurant, wo Schinkel aß,<br />

heißt jetzt „Zum goldenen Winkelmaß“.<br />

Nörgler beim Baden<br />

Die blöde Technik! Unser Wasser<br />

wird jedes Jahr ein bissel nasser!<br />

Osterhase in Parknöten<br />

Der Rasen ist voll nasser Eier –<br />

das macht der große Wasserspeier.<br />

Tadel<br />

Dem Käptn im Piratenschiff<br />

fehlt doch sehr der Prälatenschliff.<br />

Piratenfang<br />

Die zerlegte Liese<br />

schmort in der Kombüse<br />

(mit sehr viel Gemüse).<br />

Der Unermüdliche<br />

Und wenn alle Hasen schlafen,<br />

kann man noch die Katzen loven.<br />

Und wenn alle Katzen streiken,<br />

kann man noch die Igel liken.<br />

Schlager<br />

Ich schenke dir<br />

meine Sehnsucht nach mir.<br />

Der tragische Hase<br />

Und fänd er hier selbst ein Grammelknödel<br />

voll Kraut –<br />

nichts tröstet ihn über sein Rammelmädel,<br />

die Braut,<br />

die der verdammte Koloß –<br />

der Jäger – erst gestern erschoß.<br />

Christian Katt<br />

oder eine spiel.konsole<br />

- - - - -<br />

Aus den erweiterten Bauernregeln<br />

Wenn der Osterhase gockelt,<br />

wird die Welt umgesockelt.<br />

Endzeit<br />

Allenthalben<br />

Monde kalben<br />

Sonnen flammen<br />

eng beisammen.<br />

Vöglein<br />

Ich bin die böse Rohrdommel<br />

und bettle gern um Kuchen.<br />

Wenn ich dir nachts ins Ohr trommel,<br />

dann wirst du mich verfluchen.<br />

Nachtgeheimnis<br />

Nachts, wenn die Frösche unken,<br />

erwachen die Halunken.<br />

Die dümmsten sind betrunken,<br />

die schlimmsten blutversunken.<br />

Die uns in Asphalt tunken,<br />

betrachten uns versunken,<br />

bis wir total ertrunken<br />

und ohne Lebensfunken.<br />

Damit hört man sie prunken<br />

vor dümmeren Halunken,<br />

die spenden ihnen Toast.<br />

Die klugen bröchzen „Prost!“<br />

Höllisch<br />

Kamin –<br />

Come in!<br />

Liebeslied für M.<br />

Du bist so schön,<br />

du bist so nützlich –<br />

ich bin ein Frosch,<br />

und bei dir ist mir pfützlich.<br />

Verliebter Rehbock<br />

Selbst ihre Losung<br />

ist mir Liebkosung.<br />

Ausnahme<br />

Ausnahmsweise<br />

preist der Weise<br />

auch einmal das Dumme.<br />

Freu dich und verstumme.<br />

Aus der Gehirnforschung<br />

Hunde, die Tabellen bellen,<br />

haben viele graue Zellen.<br />

Purgatorium<br />

Im Fegefeuer wirst du<br />

bis zur Kenntlichkeit verbrannt.<br />

blick ganz dicht<br />

dran momentaanes voor.schnelln<br />

sofort dann das ganze<br />

lehm in sicht in<br />

sicht.weite tastbar zäh.bilder<br />

sicht.bar im augn.blikk<br />

in den augen<br />

in der augn.haltung<br />

augn.halterung<br />

augen aus bodn haltung<br />

aus zu boodn haltung<br />

gesichts.halterung<br />

geschichts.alterung<br />

zwieseitig gestützt<br />

geschichts.halterung<br />

gestützt auf sozialisierung<br />

schichtig dick schichtich<br />

meer an gesichts.schicht peeling<br />

mehr halb in der brandung (branding)<br />

ueber : set.zung<br />

tongue set over<br />

(zuende : l.ehm)<br />

blick alterung schichtn haltung<br />

schichtn halterung wie<br />

die haltn die g.schichtn<br />

von.einander weg die<br />

zwischnmenschn im<br />

aufenthaltsamkeits.b reich<br />

trennt sträng arm in arm toll.erans<br />

- - - - -<br />

als reaktion auf leute<br />

die letale dosis immer bei sich<br />

auch wenn die devise lautet all.g.mein<br />

dopplpunkt<br />

o vergnueget euch einander recht.zeitig<br />

un.ziemlich b.nommen täglich<br />

oder wenn ihnen was nicht passst<br />

wenns nicht g.lingt<br />

so nehmens doch gleich die dosis<br />

an.g.nommen es ist gift rufz<br />

aber da setzt es gleich.mut<br />

voraus zur entspannung<br />

da ist schnellstwirkendes r.wünscht<br />

g.setzt den fall gleich setzt<br />

zuerst das vergnuegn ein<br />

dann die wirkung erst<br />

und wir lassn<br />

das liquide b.dauern<br />

tröpfchenweise eins<br />

um das andre getrunkn<br />

wird immer artich<br />

wie jede andre flüssichkeit<br />

auch also tun sie sich nix an<br />

- - - - -<br />

rück.flug von vilnius<br />

nach vienna<br />

vorbereitung auf oesterreichische mimik<br />

die junge mongolin neben mir<br />

hat haarfransn als sichtschutz<br />

bei.nah rundum<br />

der mundhai schwimmt ab und an<br />

durch den vorhang aus angst<br />

verzweiflung<br />

verächtung ätzung verzweiflung<br />

zur landung streift sie<br />

die gruenseidnen handschuh ueber<br />

an.spannung volle konzentration<br />

ton und licht blendn sich aus<br />

all.es beginnt<br />

nicht zu wackln<br />

(oktober, <strong>20</strong>05)<br />

- - - - -<br />

o der herr oberrat<br />

im unterhemd kettnhemd<br />

am wochnend<br />

aus abendland unterwegs ins morgenland<br />

mit ehernem kreuz<br />

streitaxt kettenschuh und nicklbrille<br />

ausm fachgeschäft in die freizeit<br />

ja wo solls denn hingehn fragz<br />

sososo eine schlacht<br />

nach.stelln<br />

historisch<br />

non-hystergischer<br />

erkenntnisvorschutz<br />

also hirnriss also<br />

ganz alltäglicher hirnschiss also<br />

- - - - -<br />

ELFRIEDE GER<strong>ST</strong>L<br />

kunst & erotik<br />

hurtig<br />

hurig<br />

haarig<br />

behaglich<br />

wie gehabt<br />

begabt<br />

- - - -<br />

denkkrümel 01<br />

ich möchte niemandem<br />

die maske vom gesicht reissen<br />

ich will nicht sehen<br />

was darunter alles nicht ist<br />

- - - -<br />

denkkrümel 02<br />

die vermehrung des wissens<br />

erzeugt zugleich eine vermehrung<br />

des unwissens<br />

Vision<br />

Ein Hauch von Soldat<br />

verdampft für den Staat.<br />

Immer höflich<br />

(oder: Asteroiden-Einschlag)<br />

Es war, es war - -<br />

ein großes Entgegenkommen.<br />

Hölle<br />

Die Helligkeit schärft das Entsetzen,<br />

die Düsternis steigert die Qual.<br />

das junge pärchen mit dem laptop<br />

in der chirurgischn ambulanz<br />

sucht netzanschluss im wartebereich<br />

zwischn den nächstn bitte eine steckdose<br />

nach 90 minuten warten auf<br />

behandlungsbeginnen<br />

rolln die notfälle zwischndurch auf bettn oder<br />

stühlen vorbei<br />

fragz spieln die spiele oder<br />

arbeitn da 2 mit der gleichn oder selbm<br />

erkrankung<br />

an einem thema<br />

wolln eine maus sie sich oder einander<br />

implan.tiern lassn<br />

supported by<br />

W ien<br />

Kultur


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch IX - LITERATUR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 71<br />

ELFRIEDE GER<strong>ST</strong>L<br />

tagesprogramm<br />

ordnung ins kopfchaos bringen<br />

gedankenknoten lösen &<br />

und in überschaubare<br />

bahnen<br />

geleiten<br />

unsinnige ängste verscheuchen<br />

traurigkeiten mit freunden teilen<br />

entkrampfen<br />

entkanten<br />

faltergleich durch den tag<br />

tanzen<br />

nur diese stunde zählt<br />

Der Übermensch ist<br />

der Mensch<br />

Heidulf Gerngross um <strong>20</strong>00<br />

ELFRIEDE GER<strong>ST</strong>L<br />

kunst & erotik<br />

hurtig<br />

hurig<br />

haarig<br />

behaglich<br />

wie gehabt<br />

begabt<br />

- - - -<br />

denkkrümel 01<br />

ich möchte niemandem<br />

die maske vom gesicht reissen<br />

ich will nicht sehen<br />

was darunter alles nicht ist<br />

- - - -<br />

denkkrümel 02<br />

die vermehrung des wissens<br />

erzeugt zugleich eine vermehrung<br />

des unwissens<br />

SCHILLER<br />

&<br />

GOETHE<br />

HEIDULF GERNGROSS, 19.12.<strong>20</strong>08 FÜR PUPPA


72 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IX - LITERATUR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

GANZHEITLICHE Ä<strong>ST</strong>HETISCHE PRINZIPIEN<br />

v. Manfred Stangl<br />

Gegenwärtige<br />

postmoderne<br />

oder „hochpostmoderne“<br />

Ästhetiken<br />

weisen sich<br />

durch die Verweigerung<br />

fassbarer,<br />

verbindlicher<br />

Auflistung<br />

von ästhetischen<br />

Mitteln oder gar<br />

ästhetischer Prinzipien eher als Anti-Ästhetiken<br />

aus.<br />

Letztlich führt der Dekonstruktionsprozess<br />

so weit, dass das Wort Ästhetik selbst in<br />

Misskredit gerät, sofort an Vorgaben, Einengung,<br />

fremdbestimmte Totalität gedacht<br />

wird.<br />

Die „alte“ Frage nach der instrumentellen<br />

Deutung von Kunst – also danach, ob die Anwendung<br />

ästhetischer Mittel auf das Erreichen<br />

eines bestimmten Zwecks in der Kunst<br />

abzielt, erscheint lächerlich, weil Kunst ja<br />

als jeglicher genaueren Einordnung, jeder<br />

Zweckunterwerfung erhaben definiert ist.<br />

Allerdings hängt der solches Denkende folgsam<br />

den gängigen Kunstkonzeptionen an,<br />

übersieht zumindest, dass Kunst erst seit<br />

Baudelaire, seit Heine (bzw. Hegel) als dem<br />

Fortschritt und dem Neuen verpflichtet verstanden<br />

wird und ignoriert im schlimmsten<br />

Fall die Tatsache, dass moderne Kunst vollständigerweise<br />

durch ein strenges, rigides<br />

Korsett beengt wird: der Ich-Heiligung, der<br />

Zentrierung des Ichs als den Mittelpunkt der<br />

Welt. Wobei ja pikanterweise so getan wird,<br />

als engten alle Normen, Werte und Verbindlichkeiten<br />

das Ich in dessen unbändigen Expansionsstreben<br />

ein und müsste daher alles<br />

„Bewertende“, wie schön/hässlich, links/<br />

rechts, gut/böse Dichotomien abgeschafft<br />

werden – ein Hauptanliegen der aktuellen<br />

Kunst – die meist nur „Neuartigkeit“ als Kriterium<br />

für Kunst anerkennen will, wodurch<br />

sie in Wirklichkeit oft unheimlich seicht und<br />

aufgeblasen funktioniert.<br />

Insofern ist fast jede moderne, postmoderne<br />

und „hochpostmoderne“ (sich jeglicher<br />

Deutung entziehen wollende) Kunst instrumentell<br />

zu deuten: sie wendet ästhetische<br />

Mittel an, um die Größe und die Kreativität,<br />

die Grenzenlosigkeit und die unermessliche<br />

Vielseitigkeit des Ichs zu feiern.<br />

Ihre ästhetische Mittel sind dabei die bewusst<br />

unnachvollziehbar gestaltet Vernetzung<br />

konträrer Inhalte und Formen, die<br />

Vielschichtigkeit und quasimystische Undurchschaubarkeit<br />

und Tiefe vorgaukeln<br />

soll, aber in Wahrheit in ihrer ich-erhöhenden<br />

Absicht – sobald man den begreifenden<br />

Blick dafür hat – oberflächlich, geschwätzig,<br />

selbstdarstellerisch und kitschig gekünstelt<br />

wirkt.<br />

Jene (hochpost-)modernen Künstler/Autoren<br />

sind in ihrem Selbstdarstellungskitsch<br />

pikanterweise der Romantik verpflichtet,<br />

die ja dieses überhöhte Ich-Konzept mitgestaltete;<br />

zudem forciert die sich gerne innovativ<br />

gebende Gegenwartsliteratur die Rolle<br />

der Kunst als Ersatzreligion, womit sie die<br />

Kunstreligionskonzeption der Romantiker<br />

des 18 Jahrhunderts zur Vollendung bringt,<br />

worin die Wurzeln der - eben ins Negative<br />

gepolten – Verkitschung liegen.<br />

Die „Ästhetik der Ganzheit“ benennt dezidiert<br />

ästhetische Prinzipien, die mittels<br />

entsprechender Mittel angestrebt werden<br />

können – aber natürlich von überhaupt niemandem<br />

nachvollzogen werden müssen<br />

– ist es doch die freie Entscheidung jedes<br />

Einzelnen, sich durch jene Prinzipien inspirieren<br />

und bereichernd erweitern zu lassen<br />

oder nicht.<br />

Zu den Prinzipien der „Ästhetik der Ganzheit“<br />

zählen:<br />

Einfachheit<br />

In erster Linier als Reaktion gegen die mystifizierende<br />

Unsitte heutiger Kunst, Banales<br />

oder Unsinniges mittels unnachvollziehbarer<br />

Privatassoziationen komplex und kompliziert<br />

erscheinen zu lassen. Einfachheit<br />

meint allerdings nicht Knappheit und Strenge<br />

(wie das klassizistische Ideal vorgibt)<br />

oder moderne Verknappung, die eher dem<br />

männlichen Prinzip entspricht. Einfachheit<br />

mag sich üppig und sinnlich und vollrund<br />

äußern: in solch Einfachheit ist tatsächliche<br />

Vielschichtigkeit aufgehoben – diese wird<br />

aber nicht (hoch-)postmodern durch massige<br />

Summation und willkürliche Verkreuzung<br />

der Ebenen hergestellt, sondern in der<br />

Wahrheit erkannt: dass im Regentropfen<br />

der Mond wohnt und der Himmel und die<br />

breiten Schultern der Berge.<br />

Einfach ist der Sommerregen, der auf die<br />

duftenden Gärten einer Brust fällt; einfach<br />

ist der Wind, der auf seiner Panflöte das<br />

Lied vom Vergessen und Verwehen haucht;<br />

einfach sind das Leben und der Tod.<br />

Ausgewogenheit<br />

Meint ein Gleichgewicht in einem Kunstwerk,<br />

einem Text herzustellen zwischen<br />

Zwist, Kritik, Ironie, Provokation (Stilmittel<br />

der Moderne) und der Würdigung der<br />

Schönheit des Seins, der Freude an der Existenz.<br />

Moderne Kunst/Literatur ergießt sich<br />

in die Darstellung des Negativen, Hässlichen<br />

zu Kritisierenden (zu recht oftmals); ausschließlich<br />

die Zerrissenheit und Zerstörtheit<br />

der Welt und der Seelen zu beschwören<br />

führt jedoch leicht dazu, die Zerrissenheit<br />

als allgültige Wahrheit misszudeuten. Nicht<br />

sind die Menschen nur entfremdet, in jedem<br />

blüht eine Knospe der Schönheit des<br />

Seins, ist die Potenz zu Glück und Liebe<br />

eingefaltet. Ein ganzheitliches Kunstwerk<br />

wird diesen Umstand betonen, statt ausschließlich<br />

die Zerstückelung und Kaputtheit<br />

moderner Welten zu klonen (oder wir<br />

in postmodernen Texten die Versatzstücke<br />

der Zerbrochenheit beliebig und emotionslos<br />

aneinanderzulöten – dabei geht jegliche<br />

Betroffenheit und der Wille zur Besserung<br />

und Entwicklung flöten).<br />

Stille<br />

Viel zu laut jault und schrillt die Welt in ihrer<br />

Jagd und Gier nach dem Geld. Die Kunst<br />

quietscht eifrig mit: spreizt die Beine für das<br />

fetteste Bankkontenglied. Schreit und windet<br />

sich und stößt spitze Töne aus, dem Vorgetäuschten<br />

Sinnlichkeitsorgasmus zollt der<br />

Eventbesucher befriedigt Applaus.<br />

Prinzipiell schreit jeder: „ich bin die Nummer<br />

eins. Seins ist kleiner und weniger wichtig<br />

als meins. Die Medien machen eifrig mit,<br />

bemerken den, der am Lautesten um Aufmerksamkeit<br />

buhlt und nach dem Skandal<br />

schielt. Soviel Lärm ist in der Welt, Eitelkeit<br />

und Kunst, die mittels aus sich selbst verweisender<br />

Codes nur sich selbst gefällt – deshalb<br />

interessiert niemand wirklich sich für<br />

Kunst, außer die Kunstbetriebangehörigen<br />

und Skandalblättchen, wenn wieder mal wer<br />

öffentlich brunzt.<br />

Stille aber ist die Erde in uns, aus der der<br />

Himmel erblüht, ist der O-Ton einer Musik,<br />

der man sich versunken hingibt. Ist die<br />

Bedächtigkeit und Kraft mit der ein Text die<br />

Menschen liebt Ist die Tiefe der Farben,<br />

der ruhige Kameraschwenk am Abend, das<br />

vertrauensvolle Heilenlassen der Narben.<br />

Still ist das herzliche Lachen des Kinds, der<br />

Schrei im Orgasmus, der aus der Ewigkeit<br />

stammt, das aufwühlende Flüstern des Sommerwinds,<br />

die Glut, von Sonne und Mond<br />

entflammt.<br />

Mitgefühl<br />

Das ästhetische Prinzip „Mitgefühl“ kontrastiert<br />

Kälte, Isolation und Gleichgültigkeit<br />

in der (hochpost-) modernen Welt.<br />

„Ästhetisches Prinzip“ meint - um zu verdeutlichen,<br />

wie das, heute ja gar verpönte<br />

Wort „Prinzip“ gemeint ist – ein Text oder<br />

ein Kunstwerk wird formal unter Anwendung<br />

diverser Stilmittel derart gestaltet, das<br />

der Leser, Betrachter, Hörer im besten Falle<br />

zu Mitgefühl bzw. Empathie angeregt wird,<br />

zumindest aber die Absicht des Autors/<br />

Künstlers verspürt, mit Personen/Gestalten,<br />

Menschen oder Tieren such mitfühlend zu<br />

identifizieren. In optimaler Ausgestaltung<br />

sind im Kunstwerk Prinzip Mitgefühl und<br />

Ausgewogenheit gleichrangig vertreten, bei<br />

einem Text, wie ihn der Roman „evil“ von<br />

Jack Ketchum darstellt, in dem das Martyrium,<br />

die Vergewaltigung und bestialische<br />

Quälerei eines Mädchens geschildert werden,<br />

appelliert wohl der Autor ans Mitgefühl<br />

und die Haltung des Nicht-Wegsehens und<br />

wirkt damit auf die Verhinderung solcher<br />

Vorfälle ein, ein zynischer und weltverachtender<br />

Zeitgenosse aber mag den Roman als<br />

Beweis für die Grausamkeit der Menschen<br />

sowie der Sinnlosigkeit jeglichen Optimismus<br />

oder Veränderungswillen ansehen und<br />

die bequeme Position des gleichgültig Gefühlskalten<br />

zementieren.<br />

Emotionalität/<br />

Sinnlichkeit/Intuition<br />

Dieses Prinzip der „Ästhetik der Ganzheit“<br />

fußt auf der Notwendigkeit die Durchdrungenheit<br />

der Literatur und der Kunst von abstrakten<br />

Konstrukten (Beispiel Konzeptkunst,<br />

Intellektuellen- Bildungsbürgerroman. wie<br />

etwa „Die Vermessung der Welt“) die Sinnlichkeit,<br />

die Pracht und die Fülle der Natur,<br />

der Gefühle der Menschen und Tiere (und<br />

zwar nicht nur die ausschließlich „negativen“)<br />

gegenüberzustellen, um Lebensfreude<br />

und sinnliches Glück (und eben nicht nur<br />

rein sexuelles) in die logisch-dualistische<br />

technozentrierte, Abstraktheit verherrlichende<br />

abendländische Kultur zu reintegrieren.<br />

Ebenfalls sollen die vergessenen Ebenen von<br />

Intuition und Synchronizität bedacht sein.<br />

„Positive Emotionalität“ meint übrigens<br />

nicht im Mindesten jenen verordneten<br />

Dauerspaß in den angesagten Partydomen,<br />

hinter deren Fassaden die Leere und die Depression<br />

einer ausgehöhlten, entsinnlichten<br />

und entfremdeten Kultur schaurig lauern.<br />

Diverse Stilmittel:<br />

Verwendung analoger, zyklischer Formen,<br />

Märchen, Fabel, Weisen, lyrische Prosa;<br />

Transzendierung der Romanform durch<br />

epische, lyrische Formen etc….<br />

„Ja aber, was sollen wir denn nun machen?“<br />

fragen die Zeitgenossen des Hohns, der Ironie,<br />

der Auflösung und der gewohnten Distanz.<br />

„Lasst uns einen Frühling machen“, zwitschert<br />

eine Amsel zur Antwortet, „einen<br />

März, den wir fühlen von den Wurzeln bis<br />

ins goldblaue Blätterdach. Dann lasst uns<br />

einen Mai machen, den nie jemand zwingt.<br />

Und lasst uns einen Regen machen mit<br />

schweren Tropfen die nach Thymian duften<br />

und Hoffnung süß und silbrigweich wie der<br />

Mond.<br />

Und lasst uns dann noch einen Regenbogen<br />

machen, in mindestens sieben Farben;<br />

das Orange für die Löwen, das Gelb für die<br />

Kinder, die wieder im Sonnenlicht spielen,<br />

das himmeldunkle Blau für den Wind, wie<br />

er vertrauend einschläft im heilendweißen<br />

Arm des Monds.<br />

Zusammenfassung der „Ästhetik der Ganzheit“<br />

von Manfred Stangl und das komplette Kapitel<br />

über ganzheitliche ästhetische Prinzipien sowie<br />

Stilmittel und Formen unter www.sonneundmond.at<br />

Andreas Okopenko: Rezension des Gedichtbands:<br />

„Gesang des blauen Augenvogels“ v. Manfred Stangl<br />

Der Philosoph und Lyriker Manfred Stangl, der eine umfassende<br />

„Ästhetik der Ganzheit“ verfasst hat, in der<br />

er unserer gängigen Kunstauffassung und darüber hinaus<br />

der Lebensweise unserer modernen Zivilisation mit ihrer bis<br />

zur Vernichtungsgefahr gehenden Polarisierung und Megalisierung<br />

und ihrem Prinzip Schein statt Sein den Kampf ansagt,<br />

hat es sich zum Anliegen gemacht, in seinem Werk als Lyriker<br />

eine – wie er es nennt – mystische für alle Welt eingängige<br />

Lyriksprache zu entwickeln.<br />

Schon sein erster Lyrikband „Ein Auge Sonne, ein Auge Mond“,<br />

der sich im Untertitel als Sammlung „Magischer Naturgedichte“<br />

ausweist, zeigt deutlich und unter Aufbietung reiner Poesie<br />

fernab von hochakademischer Indoktrinierung diese Tendenz<br />

des Dichters.<br />

Nun geht Stangl in seinem zweiten - an Aussagekraft gewachsenen<br />

- Lyrikwerk, den Weg weiter, der nicht die Herkunft des Poeten von der<br />

fernöstlichen Schule verleugnet, der er in all seinem Denken und Fühlen weit jenseits<br />

oberflächigen Haiku-Formalismus stark verbunden ist.<br />

Das „magisch“ ist nicht als Hokuspokus mit dem Kaninchen aus dem Ärmel zu verkennen,<br />

vielmehr – wenn ich mich aus einem frühen Gegenbekenntnis aus Zeiten des vielstrapazierten<br />

„Magischen Realismus“ in der bildenden Kunst zitieren darf – im Sinn<br />

meines Satzes: „Magischer Realismus ist eine Tautologie; die Dinge s i n d magisch,<br />

durch ihr Sein; durch ihre unendlichfaltigen Beziehungen, Möglichkeiten; die Dinge sind<br />

von Natur aus magisch; der Mensch kann sie nur negativ verzaubern, nämlich entzaubern.“<br />

Bei Stangl stehen die Dinge, besonders die Jahreszeiten und Landschaften, nicht allegorisch<br />

für irgendwas Anderes da, sondern als das, was sie konkret s i n d. Ein Fluss fließt,<br />

oder kühlt, oder beschmutzt… - vergleiche: „Was immer der Zen-Meister mitteilt, ist<br />

nicht Symbol, sondern die Sache selbst.“ (Alan W. Watts: Zen-Buddhismus). Und Feng-<br />

Hsüch erwiderte auf die Frage, wie zwischen Reden und Schweigen einem Irrtum auszuweichen<br />

sei: „Ich denke immer an Kiangsu im März – an den Ruf des Rebhuhns, an<br />

die Fülle der duftenden Blumen.“ Viel von solchem Geist spricht den Leser aus Stangls<br />

„Naturlyrik“ an, mag ihn die Elfen- und Nixen-Sicht in manchen Gedichten auch – heute<br />

befremdlich – an den Animismus der Urreligionen erinnern, mit der Vorstellung, alle<br />

Naturdinge seien belebt, beseelt – das „belebt“ wird schwer abzuweisen sein. Zudem<br />

wird der Leser, selbst wenn er nicht auf einer Wellenlänge mit Stangl ist, wohl in dessen<br />

Botschaft ein abweichendes aber respektables perfekt durchdachtes und durchfühltes<br />

Ganzes und im Gedichtschatz ein echtes Lyricum sehen.<br />

„Gesang des blauen Augenvogels – mystische Naturlyrik“, Wien, 2oo8, geb. 116 S.<br />

Verkaufspreis. 15 € im Buchhandel. ISBN: 978-3-2oo-o1111-3<br />

direkt bestellbar unter info@sonneundmond.at


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 73<br />

David Staretz<br />

schreibt, redigiert und fotografiert den Auto-<strong>ST</strong>/A/R


74 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

KUESSEN<br />

Selberfahren im McLaren SLR 722 GT<br />

LASS MICH DEINEN<br />

WINDSCHATTEN KÜSSEN<br />

David Staretz hetzt Christina Surer vor sich her. Ach, wenn<br />

sie das nur wahrhaben wollte!<br />

Christina Surer kann meinen Annäherungsversuchen<br />

nicht mehr standhalten. Ok, ihr stehen nicht<br />

680 PS zur Verfügung, ihr SLR McLaren Edition<br />

722 hat um 30 PS weniger als mein Hardcore-Racing-Tool<br />

(das kann man allerdings als Serienstreuung durchgehen<br />

lassen), aber so knallhart, wie ich aus der Fahrerlagerkurve<br />

von oben runtergestochen komme, so verwegen, wie<br />

Baron Richthofen sich aus der Sonne in den Nacken des<br />

Gegners fallen ließ, das scheint sie doch überrascht zu<br />

haben. Gebietet es meine Höflichkeit, zu blinken? Ach<br />

nein, es gibt ja keinen Blinker hier in der Rennversion<br />

des SLR McLaren722 GT. Rennversion? Was läuft hier<br />

eigentlich?<br />

Bitte erst mal von vorn. Also, wir erinnern uns: Mercedes<br />

entwickelte zusammen mit McLaren einen Supersportwagen<br />

auf der Höhe seiner Zeit, dem trotz extremer Features<br />

wie Sidepipes, völlig glatter Unterboden, Carbon-<br />

Body vorgeworfen wurde, ein bißchen zu fancy zu sein,<br />

sich beliebt machen zu wollen bei Leuten, die nicht so<br />

viel Sachverstand wie Geld besaßen. Es ist auch kein Geheimnis,<br />

dass der Wagen dann nicht so kompromisslos<br />

wurde, wie McLarens Headbrain Gordon Murray dies<br />

vorgestellt hätte. Er hätte sich wohl eine Steigerung seines<br />

F1 gewünscht.<br />

Herbst <strong>20</strong>08, fünf Jahre später: Der Wagen lebt, verkauft<br />

sich nach Belieben, beherrscht seinen Auftrag, die Funktion<br />

eines Imageträgers zu verwalten, um der breiten<br />

Mercedes-Käuferschaft klarzumachen, dass man sehr gut<br />

weiß, wie die lauten Töne gespielt werden.<br />

Man offenbarte den SLR McLaren Roadster und danach<br />

noch den auf 150 Exemplare limitierten Edition 722 mit<br />

strafferem Fahrwerk, leistungsgesteigertem Motor (um<br />

25 PS auf 650 PS), weniger Gewicht (minus 44 kg) und<br />

Keramikbremsen.<br />

Um die Zündschnur der Begeisterung am Brennen zu<br />

halten, gründete man den Club SLR, der den Vorteil hat,<br />

keinerlei Eintrittsgebühr zu verlangen, allerdings ausschließlich<br />

SLR-Besitzern vorbehalten ist.<br />

Unter diesen Passionierten wiederum gründete man eine<br />

Gentlemen-Renngesellschaft, einen Markencup oberster<br />

Gehobenheit, befeuert von der auf 21 Exemplare limitierten<br />

Racing-Version namens 722 GT.<br />

Hier, in der kompromisslosen Zurichtung auf Rennmaschine,<br />

herrschen Rennfahrwerk, funktionale Aerodynamik,<br />

680 PS, ein Drehmoment von 830 Nm und<br />

ein Leistungsgewicht von zwei Kilogramm pro PS, kontrollierbar<br />

aus einem kompromisslos zugeschneiderten<br />

Renncockpit.<br />

So. Und hier, wo von den Privat-Racern richtig viel Geld<br />

ausgegeben wird, um die vom Rennstall und Engineering-Unternehmen<br />

Ray Mallock präparierten Fahrzeuge<br />

zu erwerben, sie unter Dampf zu setzen samt Mechanikern,<br />

Boxencrew, Telemetrie, Catering, Hostessen, und<br />

was noch alles zu einem gelungenen Wochenende gehört,<br />

wollte man dem Spaß noch eins draufsetzen. Also<br />

lud man hochverdiente Haudegen des Rennsports dazu,<br />

wie Christian Ludwig, Jochen Mass, und Jean Alesi, sowie<br />

Chris Goodwin, Michael Mallock oder Christina Surer<br />

aus der jüngeren Fahrergeneration. Zusammen mit<br />

den Privatfahrern werden sie zu den Teams gelost, um<br />

dem ganzen Renngeschehen mehr Pep zu verleihen.<br />

Vorläufig sind etwa elf Fahrzeuge im Einsatz, das ist ok<br />

für die erste Saison, sollte aber noch besser werden.<br />

Erstmals wagte man sich auch daran, zwei, drei Journalisten<br />

ans Steuer zu lassen, also einen nach obenhin<br />

kaum zu beziffernden Schaden in Kauf zu nehmen. Um<br />

Die Stempel, auf denen der Wagen in der Box ruht, kommen hydraulisch aus dem<br />

Wagenboden geschossen, fahren also immer mit.


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 75<br />

der Sache die Spitze zu nehmen: Nach dem komplizierten<br />

Reinturnen war nichts mehr so mühevoll (außer<br />

dem Aussteigen). Multimillionären wird auch nichts geschenkt.<br />

Aber dann: Die tiefe Sitzposition, dieses Eingepacktsein<br />

in die Schale, das Heranwachsen von Lenkrad und<br />

Paddles, die grandiose Knopfgalerie, das abknöpfbare<br />

Steuer, das heisere Anfachen der Maschine in der Box,<br />

nachdem die Mechaniker die Luft für die vier im Wagenboden<br />

integrierten Hebestempel aus der Hydraulik gelassen<br />

haben und der Wagen schlagartig um zwanzig Zentimeter<br />

zu Boden fällt, das Rausrollen ans Tageslicht unter<br />

frenetischen Gasstößen, nochmals zurück, (Retourgangfummeln<br />

im E-Display) weil der geringe Einschlag nicht<br />

reicht, jetzt aber richtig voran und Christina Surer hinterher,<br />

die mir die Pace macht und längst schon in die<br />

Schikane einschneidet.<br />

Das macht alles unerhörten Spaß, von dem ich gar nicht<br />

erklären könnte, woher er kommt, denn jetzt ist alles<br />

netzfrei ungesichert, dröhnend laut und metallen schroff,<br />

doch mein Vertrauen in Fahrwerk, Bremsen und Christinas<br />

Linie lässt Raum, um diese frenetische Kraftentfaltung,<br />

das massige Einfurchen, das sideslide-gewandte<br />

Durchspulen der wie getöpferten Nocksteinkehre oder<br />

der sich zur Schikane einkringelnden Fahrerlagerkurve<br />

richtig zu genießen, somit aber nahe an eine gefährliche<br />

Selbstgefälligkeit zu rücken, der Gegenhaltung zur angebrachten<br />

Demut; und einen Moment lang denke ich<br />

an einen Tennisspieler, der nach seinem Outsider-Sieg<br />

sagte: „Sobald man sich im Vorsprung sonnt, sich an<br />

der anbahnenden Sensation delektiert, vergisst man, das<br />

es um nichts anderes als den Kampf um den nächsten<br />

Punkt geht. Nur der zählt! Sonst verliert man Konzentration<br />

und Spiel“. Das rückt mich wieder zurecht, und<br />

ehe ich wirklich glaube, dass Christina mich resigniert<br />

vorbei lässt, um mir freies Bolzen zu gewähren, schau’<br />

ich lieber noch in den zittrigen Rückspiegel und ziehe<br />

gleich den Nacken ein (und klemme die Backen zusammen),<br />

denn hinten kommen Jochen Mass und seine<br />

Trainee, ein Privatfahrer, im Duett herangeröhrt und<br />

brausen vorbei, dass es mir beinah Heckspoiler aufstellt.<br />

Sie hat also nur meinetwegen gebremst, um schnelleren<br />

Verkehr vorbeizulassen. Naja, lern deinen Platz kennen.<br />

Immerhin ist der gar nicht so übel hinter einem der prominentesten<br />

und hübschesten aller Racinggirls, dem es<br />

perfekt gelingt, zwischen echten Renn-Einsätzen, ihren<br />

Aufgaben als Model und Markenbotschafterin (etwa für<br />

Seat und Yokohama) und, wie hier, als Driver/Trainer zu<br />

brillieren.<br />

Sie kultiviert am Salzburgring, (immer noch ein unerforschtes<br />

Gelände für Sucher der Ideallinie), die flache<br />

Linie, eine umstandslose Kampfspur, wo dir niemand ins<br />

Gewand fahren kann. Sie macht schon kurveneingangs<br />

klar, wem die Führung gehört, und wenn du durchaus<br />

imponieren möchtest, so darfst du beim Anbremsen ein<br />

wenig später und härter ins Eisen steigen, aber wie sich<br />

schnell zeigt, ist Geschmeidigkeit immer noch die bessere<br />

Taktik, das Mitnehmen von Geschwindigkeit in die<br />

Kurve, wie es Christina so beispielhaft zelebriert, aber wie<br />

eine gute Freundin und Pferdediebin wartet sie hinter<br />

der nächsten Ecke, lupft hie und da einmal das Hauptpedal<br />

für dich, und flash-artig muss ich dran denken,<br />

wie ich mit siebzehn in eine gleichaltrige Schilehrerin<br />

verliebt war und wie schnell ich damals lernte im reinen<br />

Bestreben, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Ich sehe<br />

Christinas Locken vor mir die Zielgerade entlang fliegen.<br />

Ob auch masselose Schönheit der Fliehkraft unterworfen<br />

sind? Wüsste ich nicht, dass sie Helm trägt, ich würde<br />

dringend vermuten, dass sie den Lidstrich nachzieht und<br />

die Lippen auffrischt, während ich hinter ihr mit Klauen<br />

und Zähnen am Lenkrad kämpfe, um noch ein Zipfelchen<br />

Windschatten zu erhaschen. Tease me, please me,<br />

thrill me, grill me, aber bitte don’t kill me. Als sie in die<br />

Boxenstraße einbiegt, wirkt das wie eine Einladung zum<br />

Cocktail. Aber wir sind hier Professionisten in unseren<br />

Kisten, erst mal das Interview in den Kasten bringen.<br />

*<br />

Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass Frau Surer<br />

schon umgezogen war, als ich an die Box zurückhechelte,<br />

aber ihre Frische und Geschminktheit waren beschämend.<br />

Gekonnt vermied sie jeden Kommentar über<br />

unseren Pas de deux, denn sie ist eine höfliche und anregende<br />

Gesprächspartnerin, mit der man sich über allerlei<br />

unterhalten kann, auch über das Wetter. Aber dieses<br />

Thema würden wir gewiss nicht anschneiden.<br />

Übrigens: Christina ist nicht die Tochter, sondern die<br />

Schiebefenster wie an der Kinokassa.<br />

Exfrau des ehemaligen F1-Piloten Marc Surer. Und natürlich<br />

vergeben.<br />

du<br />

Irgendwie unentspanntes Dastehen.<br />

➋<br />

➊<br />

➊ Einschlag wie ein Öltanker:<br />

Die Ausfahrt aus der Box<br />

gestaltet sich schwierig.<br />

➌<br />

➋ So sitzen Hobby-Renn-<br />

Millionäre.<br />

➌ Das setzen sie auf.<br />

➍ Das ziehen wir Lohnfahrer an.<br />

➎➏ So fassen wir Helme und<br />

Gewand aus.<br />

➏<br />

➎<br />


Städteplanung / Architektur / Religion Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 77<br />

DER <strong>ST</strong>OFF, AUS DEM<br />

DIE AUTOS SIND<br />

Wir erblickten die Zukunft und<br />

sahen, dass sie textil ward.<br />

David Staretz sprach mit BMW-<br />

Chefdesigner Chris Bangle im BMW-<br />

Museum München.<br />

TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

BMW GINA LIGHT<br />

Alles schon da gewesen: Velorex Bj. 71 mit Stoffkarosserie Operation am offnen Harzen: Öl nachschauen, bitte! Und so öffnen sich die Scheinwerfer-Augen. Wie auch sonst?<br />

Stoffbespannte Karosserien zählen zum ältesten, was die Autoindustrie<br />

zu bieten hat. Ursprünglich vom Flugzeugbau übernommen,<br />

wurde Textilbespannung zusehend von Metallhaut<br />

abgelöst und das Kapitel war geschlossen. Dachten wir.<br />

Jetzt erfährt man, dass BMW wieder Experimente mit Stoffverkleidungen<br />

aufgenommen hat, nämlich schon vor acht, neun Jahren, in der<br />

Phase, als man sich, beflügelt vom Erfolg des Z3, dem Z4 annäherte.<br />

Mit Hilfe einer BMW-internen Spezialeinheit wurde auf der Basis<br />

eines Stahlrahmens eine textile Kunststoffverkleidung erarbeitet, die<br />

mittels Streben, Bügeln, teils aus Metall, teils aus Kunststoff und Karbon,<br />

durch Innendruck gespannt und in Form gehalten wird. Darüber<br />

hinaus aber versuchte man, der Textilverkleidung neue Qualitäten<br />

abzuringen: Transparenz, zum Beispiel – die ganze Rücklicht- und<br />

Blinkereinheit durchdringt den Stoff, sobald sie eingeschaltet wird.<br />

Auf reizvolle Weise öffnen sich die Scheinwerferlider, sobald das Licht<br />

eingeschaltet wird und die Motorhaube teilt sich auf geradezu makaber<br />

elegante Weise über dem Aggregat, das man sich als pulsierendes Herz<br />

vorstellen möchte. Raffiniert wurden die beiden Türen eingesetzt – es<br />

gibt keine erkennbaren Fugen: in der Anlenkung nicht, weil der Stoff<br />

durchgängig drübergespannt ist und sich beim Öffnen so elegant und<br />

sparsam faltet wie der Lycra-Ärmel eines Schirennläufers, und in der<br />

Klaffung nicht, weil die Tür so raffiniert als Kadenz eingesetzt wurde,<br />

dass man keine Störung wahrnimmt. Auch im Cockpit setzt sich das<br />

Zauberspiel mit den Formen fort, die Instrumente treten zutage und<br />

die Kopfstützen fahren unter dem gespannten Material hoch, sobald<br />

Platz genommen wurde. Dem Reiz, Formen ambulant zu verändern,<br />

konnte man sich natürlich nicht entziehen, so lässt sich die Form des<br />

Hecks deutlich anheben und auch die Seitenschweller sowie der vordere<br />

Lufteinlass verändern sich nach Bedarf.<br />

Nur noch Räder, Grill, Auspuffrohr und Windschutzscheibe (raffiniert<br />

geteilt und äußerst flach gelegt) sind harte Materialien, alles anderes<br />

wird stofflich überspannt.<br />

Zwei Fragen bleiben offen: Wo ist der Tankdeckel? Und wo bliebe die<br />

schlüssige Eleganz angesichts von Scheibenwischern? Sicherlich alles<br />

lösbar – Chris Bangle, auf die Frage, wie weit der Wagen von Serienreife<br />

entfernt wäre, sagt auf seine aufgeräumte Art: “Bitte, Sie können<br />

sofort einsteigen und losfahren!” Kann ich natürlich nicht, denn wir<br />

befinden uns auf dem obersten Schneckengewinde der BMW-Welt, im<br />

abgedimmten Museumslicht der Spezialfahrzeug-Ausstellung (gerade<br />

haben wir im Aufstieg das viertürige Concept-Coupé CS hinter uns<br />

gelassen).<br />

Doch dieser Mann ist gefährlich in seiner Überzeugungskraft, das sieht<br />

man am ungehinderten Sturmlauf seiner mittlerweile berüchtigten<br />

Kofferraumdeckel, in einer eigenen Ablehnungs-Community-Plattform<br />

des Internets auch als “Bangle-Butt” bezeichnet. (Diese Plattform<br />

www.petitiononline.com/<strong>ST</strong>OPCB/petition.html zieht sich aber weit<br />

größeren Unmut durch ein Scientology-Banner auf Ihrer Homepage<br />

zu.)<br />

Der Chefdesigner erklärt GINA light im unverwechselbaren Bangle-<br />

Sprech: “Only the basic lines sind Hardteile, das meiste of this Ding ist<br />

alles soft”. Sind da Federdrähte? “ It is a Mischung zwischen Stahlteile,<br />

Drahtteile und Kunststoff. Bangle huscht um das Auto herum wie ein<br />

Kobold: “Und die ganze Front, der Lufteinlass, bewegt sich. Und sehen<br />

Sie bei der Tür, wie sich das biegt – das muss um einen Wendepunkt<br />

gehen!” Faszinierend, wie der grauschimmernde Stoff dabei elegante<br />

Falten wirft wie ein Neopren-Ärmel. Wunderbares Faltenspiel. Die<br />

Raumbeleuchtung tut noch ihr übriges dazu.<br />

Wir gehen ein Stück weiter zum Z4 M, gewissermaßen ein Nachfolger<br />

von GINA light: “Diese beiden markanten Sicken in der Motorhaube<br />

werden normalerweise mit Druckpressen gemacht, das bedeutet, es<br />

kostet viel Geld und Zeit, mit Werkzeugmachen und so weiter. Wir<br />

haben dieses GINA-Prinzip verwendet, indem das Teil nur frei schwebend<br />

in der Luft gehalten wird, ohne Widerpart, und dann kommt ein<br />

Roboter und macht so sssck, sssck, und bringt diese zwei Linien rein,<br />

was im Prinzip das gleiche ist wie unsere Stoffgeschichte.” Wie bitte?<br />

“Ja, wir haben mit Stoff begonnen und kamen dann zu einer neuen<br />

formalen Lösung in Stahl. Das hat uns auf folgende Idee gebracht: We<br />

are talking about a material, we are talking about a car – we are talking<br />

about a philosophy! A philosophy, die erlaubt: Lass das Material sprechen<br />

und sieh zu, was passiert!”<br />

Haben wir es hier nicht nur mit des Autos neuen Kleidern zu tun?”<br />

Chrtis Bangle lacht: “Jaa, es ist ein bisschen so. Aber grundsätzlich:<br />

Ich bin ein echter Vertreter der Meinung, dass das Automobil zu einer<br />

Lösung führen kann und nicht zu einem Problem mit sich selbst. Ich<br />

glaube, man kann durch technologische Entwicklungen zur Problemlösung<br />

finden”.<br />

Manchmal wünscht man, er hätte Recht.


78 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Dacia Sandero 1.6 MPI<br />

ZURÜCK ZUM AUTO<br />

Der neue Dacia Sandero zeigt noch deutlicher als der<br />

Logan, dass wir lange genug zu teure Autos gekauft<br />

haben.<br />

TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

Der kompakte Halbpreisgolf namens Sandero ist<br />

Dacias Antwort auf den Millionenseller Dacia Logan.<br />

Worauf auch sonst?<br />

Ok, auf den Logan Kombi MCV, der eine Neun-zu-eins-<br />

Beliebtheit unter den Logans aufweist.<br />

Diese konkurrenzlos billigen Fahrzeuge, ursprünglich<br />

für den Markt von Hoffnungsländern entwickelt, bringen<br />

bei uns neue Tugenden ans Licht: Indem wir uns nicht<br />

nur vordergründig an der spektakulären Preisgestaltung<br />

erfreuen, sondern dahinter die erfrischenden Botschaften<br />

einer gesamtheitlichen Unaufgeregtheit erkennen. Wir<br />

schätzen Sanderos gekonnten Umgang mit Einfachheit<br />

– gesteigert zur Klarheit des Erscheinungsbildes dank<br />

stimmiger Nachvollziehbarkeit im Detail und gezielter<br />

Reduktion auf das Wesentliche. Was ja in unserer überfrachteten<br />

Zeit wieder hoch bewertet wird.<br />

Ok, genug der Vorrede: Ab 8.000 Euro ist man dabei,<br />

billiger geht’s nicht.<br />

Der Sandero überrascht zudem durch sein gelungenes Package,<br />

die solide Verarbeitung, durch seine durchdachte<br />

Ausstattung und geringe Betriebskosten. (Der Norm-Gesamtverbrauch<br />

liegt bei 7,0 Liter beim 1.4-Liter-Modell,<br />

erhöht sich unwesentlich auf 7,2 Liter/100 km beim<br />

1.6-Liter-Motor. Und dank der geringen CO2-Ausstöße<br />

dürfen sich sämtliche Sandero-Modelle einen vom Staat<br />

ausgegebenen Bonus von <strong>20</strong>0 Euro netto zuschreiben).<br />

Mit Gelassenheit und Qualität schiebt sich der kompakte<br />

Viertürer zum halben Preis eines VW Golf unauffällig<br />

in die Mitte der Wahrnehmung – so, als wäre er schon<br />

längst da gewesen, aber aus unerklärlichen Gründen haben<br />

wir ihn bisher übersehen.<br />

Sein Erscheinungsbild ist schlüssig, sämtliche Proportionen,<br />

die dreidimensionale Frontpartie, das klarflächige<br />

Heck, die gekonnte Seitenansicht des Viertürers, die<br />

sauber angelegte Heckklappe, alle mitlackierten Stoßfänger,<br />

wirken appetitlich und erfreuen das Auge. Selbst die<br />

Auch dort,<br />

wo sich das<br />

Waldviertel zum<br />

Weine hin öffnet,<br />

im Retzer Land,<br />

macht<br />

Dacias Sandero<br />

eine gute Figur<br />

hohe Bodenfreiheit schafft Vertrauen und Größe. Gleich<br />

hier muss die sanft-coole Sonderfarbe Mineral-Blau erwähnt<br />

und empfohlen sein, die dem Wagen gut steht,<br />

den Grundpreis allerdings um 389 Euro hebt.<br />

Wir fuhren die Motorvariante 1,6 MPI mit 87 PS in der<br />

Ausstattung Laureate, also den Benziner mit 87 PS, das<br />

Topmodell der bei 7.990 Euro Basispreis einsetzenden<br />

Modellpalette.<br />

Unser Testwagen verfügt demnach serienmäßig über<br />

das sonst mit 272,16 Euro veranschlagte Sicherheitspaket<br />

(Seitenairbag, Gurtstraffer, Sicherheitskopfstützen<br />

und höhenverstellbare Sicherheitsgurte vorne) und über<br />

das E-Paket, seinerseits 324 Euro schwer. Es beinhaltet<br />

Fensterheber vorn sowie die funkferngesteuerte Zentralverriegelung.<br />

Die hinteren Fensterheber unseres Testwagens wären<br />

verzichtbar gewesen, man könnte also durch schieres<br />

Kurbeln 194,40 Euro einsparen. Umso lieber gönnt man<br />

sich die 1.166-Euro-Option von Klimaanlage plus Soundanlage<br />

(MP3-CD-Radio mit vier Lautsprechern).<br />

Einstieg, Sitzposition, Übersichtlichkeit der Instrumente<br />

(allein der Drehzahlmesser macht was her) überzeugen<br />

sofort, der Schalthebel liegt gut zur Hand, das Lenkrad<br />

kann sogar höhenverstellt werden, Instinktiv findet man<br />

alles an seinem Platz, verstohlen versucht man herauszufinden,<br />

wo denn nun so entscheidend eingespart werden<br />

konnte, denn die Anmutung der Oberflächen, der<br />

Klang beim Türenschlagen, die Druckwiderstände der<br />

Schalter und Regler – alles wirkt souverän, wenn auch<br />

nicht überladen mit Design, Luxus, Sportlichkeit oder<br />

sonstwie zweifelhaften Gütern. Jedes Funktionsteil erfüllt<br />

seine Aufgabe auf selbstverständliche Weise, über<br />

unerwartete Extras wie die Lordosenverstellung im Fahrersitz<br />

freut man sich besonders. Die Rücksitzlehnen<br />

(mit drei Kopfstützen!) lassen sich auf klassische Weise<br />

im Zwei-Drittel-Verhältnis umlegen, falls man mit dem<br />

3<strong>20</strong>-Liter-Laderaum irgendwie nicht genügend Auslangen<br />

finden sollte, etwa beim Tansport von Stehlampen,<br />

Pendeluhren, Waschmaschinen und was sonst noch so<br />

anfallen mag im robusten Alltag.<br />

Faustregel: Alles was durch die Heckklappe passt, lässt<br />

sich auch transportieren (und notfalls an den vier Bodenösen<br />

verankern).<br />

Doch im Grunde denkt man beim Sandero nicht an reine<br />

Nützlichkeit – er hat sogar einen hippen Faktor an sich,<br />

etwas Unnennbares, wie es junge oder sonst wie kritische<br />

Leute erkennen, die sich nicht von Marketingleuten und<br />

Demoskopen ihr artgerechtes Käuferverhalten vorschreiben<br />

lassen, sondern ihre eigenen Wege und Regeln finden,<br />

um einen etwas anderen Weg zu beschreiten, der<br />

dann durchaus klassisch sein kann.<br />

In diesem Sinn ist es aber auch ziemlich hilfreich zu wissen,<br />

dass der in Rumänien hergestellte Sandero über die<br />

gesamte Renault- und Nissan-Infrastruktur verfügt, also<br />

über hochmoderne Großserientechnik auf Basis des neuen<br />

Clio-Fahrgestells, das man auch bei Renault Modus<br />

und Nissan Note vorfindet.<br />

So erklärt sich auch das hochwertig klare Verhältnis zur<br />

Lenkung, zur Bremse, zum Fahrwerk, also das fahrerische<br />

Gesamtgefühl, wie es letztlich über die straffen<br />

Sitze vermittelt wird. Man ist gar nicht langsam unterwegs,<br />

denn jede Situation, jede Kurve ist gut einschätzbar,<br />

der Geradeauslauf höchst stabil, die Schaltung erfreut<br />

durch extreme Leichtgängigkeit – nur gerade bei<br />

der Geräuschentwicklung merkt man noch, dass es doch<br />

wahrnehmbare Unterschiede gibt zu Autos in höheren<br />

Preislagen.<br />

Die brauchbaren 87 PS erlauben es, Situationen zu klären,<br />

Überholvorgänge schell anzuschließen, sich bei<br />

Ampelstarts freizusetzen. Der Fahrer hat einen hervorragenden<br />

Rundumblick; für klare Sicht sorgen auch die gut<br />

bestückten Scheinwerfer (samt Nebelscheinwerfern) und<br />

das große Wischfeld (auch im Heckfesnter).<br />

Man findet reichlich Ablagen und zwei Cupholder vor,<br />

darf sich über die luxuriöse Größe des Handschuhfachs<br />

freuen.<br />

Dass der Sandero auch die Sprache des Luxus versteht,<br />

zeigt sich im reichlichen Zubehörangebot, das Dachspoiler,<br />

Dachreling, Kofferraum-Bodennetz, Kindersitze,<br />

Bluetooth, Carminat-Navigation, elegante Türschweller<br />

oder einen coolen silbergrauen SUV-Kit für den Rundumschutz<br />

umfasst. Eher auf die praktische Seite schlagen<br />

Dachträger, Schwanenhals-Anhängerkupplung oder<br />

die maßgeschneiderten Bodenmatten.<br />

Die übliche Dreijahres-Garantie kann übrigens aufgestockt<br />

werden, beinhaltet dann also fünf sorgenfreie Jahre<br />

(oder maximal 100.00 km). Das sollte eigentlich überzeugen.<br />

Aber wie gesagt: Man kann den Sandero schon<br />

aus unökonomischen Überlegungen heraus mögen: Weil<br />

er uns den Weg zurück zum einfachen Auto zeigt, ohne<br />

zu langweilen.<br />

Wir vergeben 11 von 12 <strong>ST</strong>/A/R-Sternen<br />

Karg ist anders. Sogar mit Airbag.<br />

Laden, was der Raum hält.


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 79<br />

Porsche Targa 4 / Targa 4S.<br />

PORSCHE <strong>ST</strong>ATT ESSEN<br />

Seit zwei, drei Generationen hat sich der Targa zum schneidigsten<br />

911 entwickelt.<br />

TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

Wer dem verfetteten Porsche-911-Mainstream<br />

der Generation Essen-statt-Sex entkommen<br />

möchte, ohne dabei auf Porsche 911 verzichten<br />

zu wollen, der ist mit dem geschärften, eleganten 911 Targa<br />

gut beraten. Das Modell steht in einem Verkaufsanteil<br />

von unter zehn Prozent zum 911, womit man zu einer<br />

delikaten Minderheit von Fortgeschrittenen zählen kann,<br />

die erkannt haben, dass erstens die Versionen 4 (Allrad)<br />

wegen der Technik-Unterbringung viel appetitlicher ausgestellt,<br />

bzw. tailliert sind als die graden faden Zweier,<br />

und dass zweitens diese Art, wie das Dach hinten auf die<br />

Radkastenschulter auftrifft, etwas Scharfes, Schnittiges,<br />

Modernes an sich hat. Verschärft wurde dieser Aspekt<br />

noch, indem man der Dachlinie eine Chromleiste einließ.<br />

Das eigentliche Targa-Feeling reduziert sich auf ein sehr<br />

großes Glasschiebedach mit Verdunkelungsoption: Der<br />

geschlossene (aber auch der nach hinten unter die Heckscheibe<br />

geschobene) Glasdeckel lässt sich mittels feingehäkeltem<br />

Rollo abdecken. Was aber kaum einer weiß: Die<br />

Heckscheibe lässt sich durch Anheben öffnen wie jede<br />

vernunftbanale Heckklappe. Immer wieder eine Überraschung.<br />

Porsche scheint das irgendwie peinlich zu sein,<br />

deshalb spricht man wenig darüber. (Ab er was soll ihnen<br />

seit Cayenne und Panamera noch peinlich sein?)<br />

Targa entstand ja ursprünglich als Sicherheits-Cabriolet<br />

für Leute, die zum Gürtel gerne Hosenträger tragen.<br />

Damit hat Targa modern schon längst nichts mehr zu<br />

tun.<br />

Man spürt Frischluft, ohne allzusehr von Fahrtwinden<br />

und Turbulenzen abgelenkt zu sein. Die Offenfahr-Saison<br />

lässt sich über sämtliche Jahreszeiten ausdehnen.<br />

Der neue Targa kommt mit neuen Motoren: Die Benzineinspritzer<br />

liefern 345 PS (im Targa 4) oder 385 PS<br />

(im Targa 4S). Damit werden Höchstgeschwindigkeiten<br />

von 284 bzw. 297 km/h erreicht.<br />

Gegen Aufpreis gibt es das neue PDK (Porsche-Doppelkupplungsgetriebe)<br />

mit sieben Gängen, wobei der jeweils<br />

nächste schon vorsortiert auf seinen blitzschnellen Einsatz<br />

wartet. So beschleunigt der 4S in 4,7 Sekunden auf<br />

Hundert. Neu ist auch die Hinterachs-Quersperre, die<br />

dem Allrad zu höchster Effizienz verhilft. Dank Porsche<br />

Traction Management sorgt eine elektromagnetisch gesteuerte<br />

Lamellenkupplung für optimalen Vortrieb.<br />

So erspart man sich wenigstens die 245-Euro-Lenkradheizung.<br />

Nette Instrumente, sympathisch angeordnet und<br />

irgendwie zu harmlos, so weiß.<br />

Das Lenkrad kann man mit Heizung bestellen. Aber<br />

Schwitzen ist auch so garantiert.<br />

Das Schönste am Targa ist der scharfe Dachabschluß


80 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - AUTO-<strong>ST</strong>AR Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

<strong>ST</strong>AR WÜNSCHT EIN GLÜCKLICHES <strong>20</strong>09<br />

Reinhold Kirchmayr Schneewitchen und die 7 Zwerge, gestickt in Nepal <strong>20</strong>06 für <strong>ST</strong>AR


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XI - Waran <strong>ST</strong>/A/R 81<br />

woman is the nigger of the world<br />

Regie: Rudlov Gerngrass<br />

Schnitt: Rudlov Gerngrass<br />

Drehbuch: Rudlov Gerngrass<br />

Maske: Rudlov Gerngrass<br />

Durchbruch: Rudlov Gerngrass<br />

Ton: Rudlov Gangrass-hole (BLACK BEAUTY-TUTTLFREE)<br />

Regieassistenz: Rudlov Gerngrass<br />

Kostüm: Rudlov Gerngrass


82 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI - Waran Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XI - Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R 83<br />

As long as I love U


Städteplanung / Architektur / Religion Buch XI - Waran <strong>ST</strong>/A/R 85<br />

WARAN $UCK$ (sox


86 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI - Waran Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Wir bleiben relaxed und scheissen auf den Text<br />

WARAN $UCK$ (sox


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XI - Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R 87<br />

Jämmen mit tschon lännen<br />

Die rechte und die linke Hand des Heidulfs.<br />

Welcher Heidorf?<br />

ZWEI ASSE TRUMPFEN AUF


88 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI - Waran Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XII - Unser Schuhdoktor <strong>ST</strong>/A/R 89<br />

<strong>ST</strong>/A/R verschenkt an Besessene<br />

100<br />

Peter<br />

Noever<br />

Bücher<br />

Unser<br />

Schuhdoktor<br />

und unser<br />

Schlüsseldienst


90 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

<br />

star_1_4 Kopie:Layout 1 19.12.<strong>20</strong>08 14:58 Uhr Seite 2<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

MUSA<br />

noch bis 31. Jänner <strong>20</strong>09<br />

MUTATIONS II<br />

Moving Stills<br />

Eine Ausstellung des Europäischen Monats<br />

der Fotografie<br />

Museum auf Abruf<br />

1010 Wien, Felderstraße 6–8<br />

(neben dem Rathaus)<br />

Info 01-4000-8400 | www.musa.at<br />

Eintritt frei<br />

ab 27. Februar bis 30. Mai <strong>20</strong>09<br />

<strong>ST</strong>ARK BEWÖLKT<br />

Flüchtige Erscheinungen des Himmels<br />

Wolken als Motiv und Metapher in Kunst<br />

und Fotografie<br />

PAUL AIGNER<br />

MUSIK<br />

many thanks to my parents<br />

and friends!<br />

P.R.A. music <strong>20</strong>08 I:I Paul Aigner<br />

© P.R.A. music <strong>20</strong>08 I:I Paul Aigner<br />

1. sehnsucht 3:56<br />

dedicated to my beloved parents<br />

2. take time 19:29<br />

3. be and do it 7:53<br />

4. bereitschaft 4:11<br />

5. summerly 8:41<br />

6. melodic baustelle 6:49<br />

7. renaisantic blues 4:36<br />

8. in blue 1:28<br />

9. to shimira 4:<strong>20</strong><br />

10. melancolodic delay 3:38<br />

11. exit love 5:23<br />

rec. june, juli <strong>20</strong>08 • mastering 31.7.08 by ton engineer johann lapitz • duration: 70:31<br />

P.R.A. music <strong>20</strong>08 I:I Paul Aigner


Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XII - Unser Schuhdoktor<br />

<strong>ST</strong>/A/R 91<br />

OPEN UP<br />

Insel Nr. 2<br />

Quick Change<br />

13.–25. Okt. <strong>20</strong>08<br />

Insel Nr. 3<br />

Its Our Pleasure<br />

<strong>20</strong>.–29. Nov. <strong>20</strong>08<br />

Insel Nr. 4<br />

ALLREADY<br />

15.–19. Dez. <strong>20</strong>08<br />

Hans Schabus<br />

OPEN UP KOMMUNIKATION<br />

www.tqw.at<br />

Foto: Gregor Ecker © Hans Schabus


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XII - Bruno Rey <strong>ST</strong>/A/R 92<br />

Bruno Rey Zeichnungen von Hand aus der Serie Kopf- und Handarbeit<br />

„Für den nachhaltigen Erfolg gehören schlanke Prozesse klug eingefädelt, straff durchgezogen und transparent dargestellt.“ (Zitat: <strong>ST</strong>ANDARD 4/5. Okt. 08)<br />

GALERIE <strong>ST</strong>RICKNER<br />

1060 Wien,<br />

Fillgradergasse 2/7<br />

T: +43-(0)680-<strong>20</strong>1 44 52<br />

www.galeriestrickner.com<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di. - Fr. 16:00 – 19:00,<br />

Sa. 11:00 – 13:00 und nach telefonischer Vereinbarung


94 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Nietzsche und wir – Teil 1, Sils Maria<br />

Andreas Ferdinand Lindermayr<br />

Neun Jahre waren vergangen, da ich wieder einmal zu meinem Bruder und seiner<br />

Familie nach Tirol fuhr. Ich gedachte diesmal meine Reise weiter in den Westen<br />

fortzusetzen, per Bahn, den Inn flussaufwärts, nach Landeck und von dort per<br />

Bus weiter in das Engadin, so, wie mir der Tiroler Künstler Hans Waigand bei einem<br />

zufälligen Treffen in einem Wiener Szene-Wirtshaus riet. Schon bei diesem Gespräch<br />

und meinen vorbereitenden Studien der Schweiz rund um den Maloja-Paßrr und den<br />

östlichst glegenen Viertausender, den Piz Bernina, via Google-Maps, tauchte die Vorstellung<br />

eines Bergauf - dem Ursprung zu - Gehens auf. Der Lauf des Inns würde meine<br />

Reiseroute vorgeben.<br />

Im Zug von Wien nach Kufstein las ich ausser in der an mir vorbeiziehenden Landschaft<br />

und in den Gesichtern, die mir begegneten, keine Zeile. Ich stimmte mich ein, auf das<br />

Oberengadin. Endlich.<br />

Die zwei Tage, die ich in Ellmau am Wilden Kaiser verbrachte, waren gesegnet von hochsommerlichem<br />

Schönwetter und familiärer Atmosphäre. Bei meinem Aufbruch jedoch,<br />

verdunkelten Wolken den Himmel im Westen. Ich hatte mir eigens für diese Fahrt eine<br />

günstige Videokamera gekauft und nahm im Bus von Landeck den durch immer enger<br />

werdende Talschluchten, immer reißrender werdenden Inn auf.<br />

Nun fuhr ich den Alpen-Hauptkamm entlang, immer höher. Ab der Grenze zur Schweiz<br />

veränderte sich der Baustil eklatant, eine andere Kultur tauchte auf, mitten in den Alpen.<br />

Wie in dem von barocken Zwiebeltürmen übersäten Oberbayern und in den Steil-Tälern<br />

Tirols, überwiegt auch hier der Einhof, aber doch von einer ganz anderen, viel verspielteren<br />

Art. Auf der Busfahrt von der Grenze weg zur ersten Station der roten Räthner-<br />

Bahn, fiel mir auf, dass der Busfahrer, nachdem ihm von Einsteigenden das Fahrgeld<br />

gereicht wurde, sich mit einem „Gratias“ bedankte. Das erinnerte mich unwillkürlich an<br />

das Kirchen-Latein, das ich als Ministrant im Stufen-Gebet herunter zu leiern hatte.<br />

Und noch 90 Kilometer per Bahn bis Sankt Moritz, immer höher, stets dem Inn, nun En<br />

genannt, entlang. Bis schließrlich zwei vergletscherte Pyramiden auftauchten, die mich<br />

unwillkürlich an Piz Palü und Piz Bernina denken lie√üren. In Anbetracht der Grand<br />

Hotels, die bei Sankt Moritz reihum aus dem Boden schießren, kehrte zudem ein Wort<br />

aus alten Tagen zurück. - Mitte der Sechzigerjahre, als ich noch in die Volksschule ging,<br />

wurde mir das Wort Weltkurort beigebracht. Das also war nun der Welt-Kurort Sankt<br />

Moritz! Einst Reiseziel hauptsächlich jener gesellschaftlichen Oberschicht, wenn auch<br />

aus aller Welt, die sich teure Urlaube mit allem drum und dran leisten konnte: Englische<br />

Lords, russische Gro√ürgrundbesitzer, amerikanische Millionäre, deutsche Industrielle,<br />

chinesische Mandarine und last not least bereits der eine oder andere Star einer noch im<br />

embryonalen Stadium befindlichen Show- und Unterhaltungsbranche.<br />

Im Sommer 1881 traf hier ausserdem ein frühpensionierter, leicht sächselnder Professor<br />

der alten Sprachen, ein. Er war extrem kurzsichtig und litt an der Franzosenkrankheit.<br />

Auf der etwas mühsamen Zugs-Fahrt, steil bergan, dürften ihn schwere Migräne-Anfälle<br />

geplagt haben, aber schon beim ersten Atemzug der reinen Gebirgsluft, kaum dass er<br />

seine beiden Koffer auf den Bahnsteig stellte, kam ihm der Gedanke, dass hier etwas<br />

ganz Entscheidendes auf ihn zukommt. Die Landschaft gefiel ihm augenblicklich - sehr.<br />

Er nahm eine Postchaise und fuhr, von einer tiefgreifenden Seelenregung ergriffen, weiter,<br />

den Silvaplaner-See entlang, in die wunderlich anmutende Ortschaft Sils, wo er sich<br />

spontan zu verweilen entschloss und in einem kleinen Auszugshäuschen ein billiges<br />

Quartier fand. Seiner Spur folgte ich.<br />

Inzwischen war der Himmel verhangen und im Bus nach Sils fielen die ersten<br />

Regentropfen. Bei der Post angelangt, stieg ich aus. Schon um den ersten<br />

Häuserblock tauchte jenes Häuschen auf, das ich mir schon lange zu<br />

besuchen vornahm. Ich habe mir das in meiner Phantasie immer<br />

so ausgelegt, dass das nunmehr Nietzsche-Haus genannte<br />

Häuschen, irgendwo abseits am Waldrand liegt. Es liegt indes<br />

zentral, aber an einem felsigen, mit Büschen und Bäumen<br />

bewachsenen Hügel. Zur Rechten ein mit schweren Schieferplatten<br />

gedeckter, typisch räthischer Einhof. Auch das<br />

Nietzsche Häuschen, das längst zu einem Museum umgewidmet<br />

wurde, ist mit Schieferplatten gedeckt und hat<br />

grüne Fensterläden.<br />

Im „Communale“, dem Gemeindehaus auf dem Marktplatz<br />

unterhalb des imposanten Schlosses, erkundigte ich<br />

mich am Informations-Schalter nach einem günstigen Hotel<br />

und fand eines, gleich in der Nähe. Im Hotelzimmer, das<br />

am selben Felsen liegt, wie die bretterverschlagene Kammer,<br />

in der Nietzsche sieben Sommer hindurch sein Logis hatte,<br />

wie sich bald herausstellen sollte, legte ich zuerst mein Gepäck<br />

ab, packte mein Notebook aus, legte es auf den Tisch, schlug es<br />

auf und öffnete ein neues Dokument.<br />

Dann ging ich hinüber ins Nietzsche-Haus.<br />

Schon links und rechts hinter der Eingangstür frappierten mich die Handschriften<br />

verschiedener Berühmtheiten, die dem gescheiterten Basler Professor und Verkünder<br />

einer neuen Zeit, ihre Reverenz erwiesen. Mein erster, zufälliger Blick fiel auf<br />

den Namenszug von Eugen Ionesco und Jean Cocteau, dann auf den von Dürrenmatt<br />

und - Elias Canetti. Also doch! Ich ging weiter vor und bezahlte an der Kassa, die sich in<br />

der Stube rechter Hand befindet für den Eintritt und sah mich darauf im Erdgeschoss<br />

um.<br />

Die meisten Fotos von Nietzsche beziehungsweise seiner Zeit, die hier ausgestellt sind,<br />

kannte ich bereits aus diversen Büchern. Viel Raum wurde auch Rudolf Steiner gewidmet,<br />

der in den Achtzehnhundertneunziger-Jahren in Weimar das Goethe-Archiv leitete<br />

und zu jener Zeit ein Buch schrieb mit dem Titel: „ Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer<br />

gegen seine Zeit“. Elisabeth Förster-Nietzsche, die Schwester des bereits umnachteten,<br />

bereits berühmten Philosophen, die den Nachlass<br />

ihres Bruders mit allen ihr zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln von der Villa Silberblick in<br />

Weimar aus, im bürgerlichen Sinne, sehr erfolgreich<br />

verwaltete, dürfte dem auf Wahrheitssuche<br />

ausgehenden jungen Goetheaner und<br />

Mystik-Experten wenig Freude bereitet haben.<br />

√úberraschend fand ich ein an Nietzsche gerichtetes<br />

Jugendgedicht von Karl Kraus.<br />

Was für ein klarer, reiner Spiegel der Ansto√ür<br />

gebenden Ideen, des die großre Gesundheit<br />

suchenden, kranken Altphilologen!<br />

Ich nahm auch dieses Gedicht mit meiner<br />

Videokamera auf.<br />

Dann ging ich über eine schmale, relativ<br />

Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

steile Holztreppe in<br />

den ersten Stock.<br />

Kaum ist man oben<br />

angelangt, klafft<br />

linker Hand eine<br />

offene Kammertür,<br />

die mit einer Kordel<br />

abgesperrt ist. Nietzsches<br />

Kämmerlein,<br />

- mit Bett, Tisch und<br />

Stuhl. Eh basta! Natürlich<br />

gehörte mit<br />

zur Ausstattung eine<br />

Petroleumlampe.<br />

Der Mann musste<br />

ja auch in der Nacht<br />

schreiben können!<br />

Vom Zimmerfenster aus sieht man nicht etwa auf den malerischen Marktplatz, mit dem<br />

berühmten Brunnen, sondern den hinteren, den Wirtschaftstrakt der Meierei. Damit<br />

hatte ich fürs Erste genug gesehen.<br />

Zurück im Hotel, machte ich mich an die Arbeit und beschrieb meine Eindrücke. Im Regen<br />

ging ich noch hinüber in den Supermarkt „Volg“ wo ich mich mit Proviant eindeckte.<br />

Frühstücken würde ich im Hotel.<br />

In der Nacht wurde der Regen stärker. Das Schweizer Fernsehen brachte einige Beiträge<br />

zur Immobilienkrise und ihre negativen Auswirkungen auf die einheimischen Banken, -<br />

ein warnendes Vorzeichen für die so genannte Finanzkrise, die bald darauf erfolgen sollte.<br />

Zehnmal, nein wohl schon hundertmal sagte ich mir: „ich bleibe, egal wie schlecht<br />

das Wetter ist“. Und noch am Morgen darauf regnete es in Strömen. „Hier, an diesem<br />

Ort ist jedes Wetter ein gutes Wetter“, dachte ich, „aushalten“. Und behielt recht. Als ich<br />

nach dem Frühstück, gerüstet mit einem Regenschirm hinaus an den Silser See ging,<br />

wurde der Regen zusehends schwächer. Es nieselte nur noch ein wenig. Der Himmel<br />

klarte auf und die wuchtigen Gebirgsmassen, die den Silser See umgeben, kamen nach<br />

und nach zum Vorschein. Die Luft war rein und kühl, da und dort ein beschirmter Tourist,<br />

- zu meiner unsäglichen Erleichterung weit und breit kein einziger Mountainbiker!<br />

So schritt ich auf die bewaldete Halbinsel zu, die wie ein riesiger Finger in den tiefen,<br />

reinen Gebirgssee ragt.<br />

Mich faszinierte die Thermik, die dräuenden Wolkenmassen im Süden, direkt über dem<br />

Maloja-Pa√ür. Am nördlichen Silser-Ufer sang jetzt eine Frau mit geschulter Stimme<br />

eine Opern-Arie. Etwas von Wagner oder Strauss - oder Bizet? Und dann diese Entdekkung!<br />

Als ich um die Fingerkuppe der felsigen, mit Föhren bewachsenen Halbinsel bog, tauchte<br />

plötzlich, ohne dass ich damit gerechnet hätte, die berühmte Steintafel auf, mit den<br />

eingemeißrelten Worten:<br />

Oh Mensch! Gieb acht!<br />

Was spricht die tiefe Mitternacht!<br />

Ich schlief, ich schlief -<br />

Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -<br />

Die Welt ist tief,<br />

und tiefer als der Tag gedacht.<br />

Tief ist ihr Weh - ,<br />

Lust - tiefer noch als Herzeleid:<br />

Weh spricht: vergeh!<br />

Doch alle Lust will Ewigkeit - ,<br />

will tiefe, tiefe Ewigkeit!<br />

Am Nachmittag desselben Tages, nach einer Siesta in meinem<br />

Hotel, machte ich mich<br />

auf den Weg zum nördlich gelegenen Silvaplaner See. Ich wollte<br />

noch unbedingt zum Surlej-Felsen oder Surlej-Wasserfall.<br />

Dort nämlich soll Nietzsche der Gedanke der ewigen Wiederkunft<br />

des Gleichen gekommen sein. Was für ein Gedanke würde<br />

mir kommen? Inzwischen war es wieder sommerlich geworden,<br />

die August-Sonne lächelte mild aus südwestlicher Richtung und<br />

die vielen Radfahrer, die auf einmal scharenweise zu sehen waren,<br />

störten mich erheblich bei meiner Andacht.<br />

Endlich erreichte ich den ominösen Wasserfall. Nichts Besonderes, einer von<br />

hunderten, wie er typisch für das Zentralmassiv der Alpen ist. Ich stieg erwartungsvoll<br />

das steile Gelände hinan, um eventuell noch auf irgendein ungewöhnliches<br />

Phänomen zu sto√üren. Vielleicht würde ein Steinbock meinen Weg kreuzen? Nichts.<br />

Stattdessen kam mir von oben herab, nicht etwa der √úbermensch, sondern ein Mountainbiker<br />

entgegen. Nun hatte ich definitiv genug gesehen und kehrte wieder um und<br />

ging weiter nach Silvaplana. Der Surlej-Wasserfall hat also nicht das gebracht, was mir<br />

der Silser-See brachte. Im Bus nach Sils resümierte ich die Empfindungen meines<br />

Nachmittags-Ausflugs. Ewige Wiederkehr des - Gleichen? √úbermensch?<br />

Das Himmelreich sei ein Zustand der Seele, heißrt es irgendwo bei Nietzsche, ich<br />

glaube sogar im Antichrist. Hier spricht der Mystiker!, auch wenn Nietzsche sich nie<br />

zur Mystik bekannte. Mensch und Menschheit sind ein Werdendes! Ja, doch. Und ein<br />

einziges Leben würde nicht reichen, um das gro√üre Unternehmen Menschheit zu<br />

vollenden. Es ist naheliegend, dass Wir nicht<br />

einfach mechanisch wiederkehren, wie Tag<br />

und Nacht, Ebbe und Flut, sondern, aus<br />

einem gleichsam transzendenten Grund nach<br />

jeglichem Ableben wieder und immer wieder<br />

neu erstehen, um, frei nach Rilke, das Mark<br />

der Erde zu durchmärken.<br />

Gott ist tot. Nietzsche. Nietzsche ist tot. Gott.<br />

Andreas Ferdinand Lindermayr, Wien, Oktober<br />

<strong>20</strong>08


PETER KOGLER IM MUMOK<br />

ISABELLE GRAEFF – BERLIN<br />

<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK LINZ<br />

WARAN<br />

HANS HOLLEIN<br />

HEIDULF GERNGROSS<br />

KURT CABALLERO<br />

FÜR KULTUR UND WISSENSCHAFT<br />

GER<strong>ST</strong>L, JELINEK,<br />

MAYRÖCKER, JAREMENKO-TOL<strong>ST</strong>OJ<br />

MANFRED <strong>ST</strong>ANGL – GANZHEITLICHE Ä<strong>ST</strong>HETISCHE PRINZIPIEN<br />

ALEXANDER SCHIESSLING ÜBER DEN DICHTER THOMAS FRECHBERGER<br />

DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK DER KULTURHAUPT<strong>ST</strong>ADT LINZ <strong>20</strong>09<br />

<br />

<br />

Manfred Kielnhofer, Herbert Brandl und Franz West im ARTPARK Linz<br />

kuratiert von <strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09 Buch XII - Unser Schuhdoktor<br />

<strong>ST</strong>/A/R 95<br />

<strong>ST</strong>/ /A/ /R<br />

Printmedium Wien – Berlin<br />

Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund<br />

Nr. <strong>20</strong>/ Winter <strong>20</strong>09<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VI - <strong>ST</strong>/A/R-Sammlung <strong>ST</strong>/A/R 41<br />

S/T/A/R-Kunstsammlung in der<br />

Kulturhauptstadt Linz <strong>20</strong>09.<br />

Der Artpark<br />

präsentiert noch bis<br />

31. Jänner 09 die<br />

S/T/A/R-Kunstsammlung.<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. <strong>20</strong>/09<br />

KUN<strong>ST</strong><br />

ARCHITEKTUR<br />

PREISE DER <strong>ST</strong>ADT WIEN <strong>20</strong>08<br />

LITERATUR<br />

AUTO-<strong>ST</strong>/A/R<br />

JETZT NEU MIT MARCUS HINTERTHÜR!<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

PETER KOGLER<br />

3,– Euro<br />

Biennale di Venezia, Projekt MUDAM, Luxembourgh Pavillon, Internetprojekt, <strong>20</strong>01 Foto: Manfred Grübl<br />

Gloria Gerngross<br />

Schutzpatroness der<br />

<strong>ST</strong>/A/R-SAMMLUNG<br />

Abschied im neuen <strong>ST</strong>/A/R Büro Gumpendorferstrasse 42 - Bernhard bringt Gloria zum Flughafen - Gloria fliegt nach Singapur<br />

Fotos: Heidulf Gerngross<br />

Buch I - Seite 1–8<br />

MUMOK<br />

Buch II - Seite 9–16<br />

Leopold<br />

Buch III - Seite 17–24<br />

Berlin<br />

Buch IV - Seite 25–32<br />

Alena<br />

Buch V - Seite 33–40<br />

Wien Kultur<br />

Buch VI - Seite 41–48<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Sammlung<br />

Buch VIII - Seite 49–56<br />

Architektur<br />

Buch IX - Seite 57–64<br />

Religion<br />

Buch X - Seite 65–72<br />

Literatur<br />

Buch X - Seite 73–80<br />

AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

Buch VII - Seite 81–88<br />

WARAN<br />

Buch VII - Seite 89–96<br />

Unser Schuhdoktor<br />

Impressum<br />

<strong>ST</strong>/A/R Printmedium Wien-Berlin<br />

Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs<br />

Erscheint 4 x jährlich, Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09,<br />

Erscheinungsort Wien-Berlin<br />

Erscheinungsdatum: Winter <strong>20</strong>09<br />

Medieninhaber:<br />

<strong>ST</strong>/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion<br />

A–1060 Wien, Capistrangasse 2/8<br />

Herausgeber: Heidulf Gerngross<br />

Redaktionelle Mitarbeit: Heidulf Gerngross, Wladimir Jaremenko-<br />

Tolstoj, Ismael Ismet Basaran, Alexander Sobolev<br />

Hans Hollein (Architektur), Wolf Günther Thiel (Kunst und<br />

Philosophie), Laura Gottlob (Kunst), Peter Kogler (Kunst), Isabelle<br />

Graeff (Kunst), Manfred Stangl (Ganzheitliche Ästhetik),<br />

Rudolf Gerngroß (Waran), David Staretz (Auto), Bruno Rey (Kunst),<br />

Dr. Christian Denker und Brigitte Bercoff (Paris-Brüssel-Wien), Valie<br />

Airport (Russland), Angelo Roventa (Architektur), Philipp Konzett<br />

(Galerie), Andreas Lindermayr (Gesellschaftsphilosoph), Kulturamt<br />

der Stadt Wien, Markus Hinterthür (Verfluchungen),<br />

Elfriede Gerstl (Literatur), Herbert Wimmer (Literatur),<br />

Organisation: <strong>ST</strong>/A/R-Team<br />

Artdirektion & Produktion: Mathias Hentz<br />

Druckproduktion: Michael Rosenkranz<br />

Computer Generated Images: Markus Hinterthür<br />

Creativ Organisation: Heike Nösslböck<br />

Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien<br />

Vertrieb: <strong>ST</strong>/A/R, Morawa GmbH.<br />

Aboservice: starabo@morawa.com<br />

oder: starabo@morawa.com<br />

Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)<br />

Kontakt: grafik@star-wien.at” grafik@star-wien.at<br />

Redaktion: editors@star-wien.at” editors@star-wien.at<br />

Adresse: Capistrangasse 2/8, 1060 Wien<br />

0043-664-521-3307 Österreich<br />

Cover: Peter Kogler<br />

<strong>ST</strong>/A/R wird gefördert von: Bundeskanzleramt und Stadt Wien.<br />

<strong>ST</strong>/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.<br />

<strong>ST</strong>/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen,<br />

KünstlerInnen, UnterstützerInnen und FreundInnen.<br />

Stets angespannt<br />

Alexander Sobolev<br />

Restaurator und Architekt in Russland,<br />

Autor in den USA,<br />

akkreditierter Korrespondent<br />

und Fotograf in Österreich,<br />

Publikationen über Österreich in<br />

Zahlreichen russischen Medien.<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Redakteur.<br />

Editorial:<br />

Diese Zeitung ist Weltklasse<br />

Konfusius


96 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Az W<br />

Architekturzentrum Wien<br />

Fünfzehn Jahre<br />

Architekturzentrum Wien<br />

Architekturzentrum Wien<br />

Das österreichische Architekturmuseum<br />

Das österreichische Architekturmuseum<br />

Ausstellungen: Die Dauerausstellung „a_schau“ und jährlich mehrere Wechselausstellungen<br />

zeigen ein komplexes Bild zeitgenössischen Architekturgeschehens<br />

Veranstaltungen: Werkvorträge, Podiumsdiskussionen, Kongresse und Symposien<br />

vertiefen eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Architektur und<br />

Baukultur<br />

Exkursionen: „sonntags“ führt zu den markantesten Architekturschauplätzen Wiens<br />

und bietet spannende Architekturreisen mit exquisitem Programm von ArchitektInnen<br />

geführt. „tours“ sind für Gruppen jederzeit buchbar und werden individuell konzipiert.<br />

Für Schnellentschlossene: TopTours – ready made.<br />

Vermittlung: Eines der besten und umfassendsten Vermittlungsprogramme im<br />

Bereich Architektur wird im Az W geboten: zahlreiche Workshops für Kinder und<br />

Jugendliche sowie für Erwachsene<br />

Archiv/Sammlung: Als Wissens- und Forschungszentrum gleichermaßen beherbergt<br />

das Az W eine umfangreiche Architektursammlung des <strong>20</strong>. und 21. Jahrhunderts<br />

Baudatenbank: Unter www.nextroom.at ist die Online-Baudatenbank des Az W zu<br />

finden: ArchitektInnen/Bauwerke/Standorte/BauherrInnen u.v.m. sind hier zahlreich<br />

vermerkt<br />

Architektenlexikon: Dieses Online-Lexikon würdigt nicht nur die „großen“ Persönlichkeiten<br />

der Wiener Architektur wie etwa Otto Wagner oder Adolf Loos, sondern<br />

erfasst auch weniger bekannte Architekten und deren Werke. Das Lexikon gibt<br />

Auskunft über 700 Architekten zwischen 1880 – 1945<br />

Bibliothek: Im historischen Oktogon kann in der Fachpräsenz-Bibliothek des Az W<br />

zu freiem Eintritt in über 27.000 Büchern, Katalogen und Zeitschriften geschmökert<br />

werden<br />

Publikationen: Zahlreiche Ausstellungskataloge sowie das Magazin „Hintergrund“<br />

gehören zum breiten Repertoire der Az W-Veröffentlichungen<br />

Architecture Lounge: die Wissensplattform des Az W, ein exklusives Netzwerk, das<br />

den Dialog zwischen Architektur, Kultur und Wirtschaft eröffnet<br />

PROGRAMM VORSCHAU <strong>20</strong>09<br />

AUS<strong>ST</strong>ELLUNG I NEUE HALLE<br />

SEIT 13.10.05<br />

A_SCHAU. DAUERAUS<strong>ST</strong>ELLUNG<br />

AUS<strong>ST</strong>ELLUNGEN I ALTE HALLE<br />

BIS 02.02.09<br />

ARCHITEKTUR BEGINNT IM KOPF.<br />

THE MAKING OF ARCHITECTURE<br />

05.03. – 02.06.09<br />

BOGDAN BOGDANOVIĆ.<br />

DER VERDAMMTE BAUMEI<strong>ST</strong>ER<br />

18.06. – 06.07.09<br />

WONDERLAND:<br />

100 MODELS – 100 <strong>ST</strong>ORIES<br />

16.07. – 28.09.09<br />

URBAN PUBLIC SPACE<br />

22.10. – 18.01.<strong>20</strong>10<br />

BALKANOLOGY.<br />

NEUE ARCHITEKTUR UND URBANE<br />

PHÄNOMENE IN SÜDO<strong>ST</strong>EUROPA<br />

AZW<br />

Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, im MQ, A-1070 Wien, Telefon +43 (1) 522 31 15, Fax +43 (1) 522 31 17, E-Mail: office@azw.at, www.azw.at<br />

staranzeige_rz.indd 1<br />

15.12.<strong>20</strong>08 16:16:47 Uhr

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!