Flensburg Journal 220 - Januar 2021
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Familie Schlüter, 1955
wohnten das Erdgeschoss, die Garagen
wurden Werkstatt und Firmenlager. In
der „privaten“ Wohnung liefen ständig
rund um die Uhr diverse Eiswürfelbereiter
– damit jederzeit bei Bedarf
gleich an Kunden geliefert werden
konnte. Eine Trennung von „privat“
und „dienstlich“ fand nicht statt – die
Firma stand oft an erster Stelle der Prioritätenliste.
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Insgesamt bildete Alfons über die
Jahre 24 Lehrlinge zu Kälteanlagenbauern
aus. Keiner seiner Jungs fiel
durch die Prüfung. Anfangs mussten
die Lehrlinge zum Blockunterricht
nach Hamburg mit dem Zug fahren,
eine eigene Innung dieses Handwerks
gab es seinerzeit noch nicht in Flensburg.
An der späteren Gründung einer
solchen Innung nahm Alfons als Gründungsmitglied
selbstredend teil. Kurz
nach dem Umzug in die Blücherstraße
wurde der Firma ein Riesenauftrag erteilt:
Alfons Schlüter bekam den Zuschlag,
in der gerade im Bau befindlichen
Ferienanlage in Damp – Damp
2000 – den Einbau und die Wartung
sämtlicher Kühlanlagen zu übernehmen.
Jedermann empfahl ihm, die
Finger davon zu lassen: „Das schaffst
Du nie in der vorgegebenen Zeit – lass
Dich lieber nicht darauf hin“, rieten
ihm alle wohlmeinenden Freunde und
Bekannten. Doch da kannten sie Alfons
schlecht: Gemeinsam mit seinem
Gesellen Holger Dorby schuftete er
rund um die Uhr, erneut wurde von
Alfons direkt neben der Baustelle ein
angemieteter Wohnwagen zur Übernachtung
hingestellt – er wollte keine
Zeit durchs Hin- und Herfahren nach
Flensburg verlieren! Und tatsächlich:
Alfons und seine fleißigen Gesellen
schafften es tatsächlich, die im Auftrag
geforderten Anlagen in der vorgegebenen
Zeit zur Zufriedenheit der
Auftraggeber fertigzustellen.
Im Jahr 1975 verließ sein Kompagnon
die Firma, der Betrieb wurde umbenannt
und hieß ab dem Zeitpunkt
„Förde-Kälte GmbH“. Der Betrieb florierte,
und Alfons erarbeitete sich
im Laufe der Jahre einen großen und
treuen Kreis von Stammkunden – er
war in Flensburg in jenen Jahren bis
weit in die 90er Jahre „bekannt wie
ein bunter Hund“! Im Jahr 1998 – Alfons
ging mittlerweile hart auf die
„70“ zu – war er immer noch sehr
aktiv, bis ein Schlaganfall seinem Tatendrang
ein plötzliches Ende setzte.
Nach überstandener Krankheit half
er dennoch immer noch im Betrieb
aus – bis es irgendwann nicht mehr
ging. Im Millenniumsjahr 2000 löste
er schweren Herzens seinen Betrieb
auf – in seine großen Fußstapfen als
„der“ Flensburger Kältespezialist traten
spätestens ab diesem Zeitpunkt
andere Handwerker – inzwischen war
es ein anerkannter Beruf, und gleich
mehrere Firmen waren in Flensburg in
diesem Metier ansässig.
Alfons private Seite
Seine Sehnsucht zum Meer blieb, und
die Familie kaufte schon in jungen
Jahren einen Motorsegler. In jeder
freien Minute war Familie Schlüter auf
Nordsee und Ostsee unterwegs – bei
jedem Wind und Wetter! Selbst bei
Windstärke 11 und Orkanwarnung ließ
Skipper Alfons es sich nicht nehmen,
in der schleswig-holsteinischen Inselwelt
zwischen Sylt, Amrum, Föhr und
so weiter umher zu schippern – selbst
gute Freunde schüttelten manchmal
nur den Kopf.
Mit dabei war auch immer Alfons
Hund: Ein Riesenschnauzer
namens „Jumbo“. Ob privat
oder beruflich, Alfons sah man
eigentlich immer in Begleitung
seines Hundes – später
sollten noch zwei weitere Riesenschnauzer
folgen. Mit den
Hunden waren die Schlüters
auf zahlreichen Ausstellungen
im In- und Ausland, sind mit
ihnen sogar bis nach Frankreich,
Italien, in die Schweiz
und nach Dänemark gefahren.
In über 30 Jahren blieben sie
stets den Riesenschnauzern
treu – wie auch die gut erzogenen
Tiere ihrem Herrchen
Alfons.
Alfons hat in seinem langen
und wechselhaften Leben unheimlich
viel erlebt, kann eine
Menge Geschichten erzählen
und macht gern Geschenke.
Ob kleine Glücksschweine aus
Messing, Kugelschreiber oder
Notizbücher, Alfons ist gern
großzügig und hat Verständnis
für Notlagen jeder Art.
Konnte ein Kunde nicht seine
Rechnung begleichen, gab
er sich, wie bereits erwähnt,
auch mit der Bezahlung in
Form von Flugenten zufrieden.
In den Kriegsjahren sowie der
anschließenden „schlechten
Zeit“ aufgewachsen, hat Alfons
früh gelernt, dass alles
einen Wert hat – irgendwann
und für irgendwen. Noch heute
wird nichts weggeworfen,
stets nach dem Motto: „Es
könnte ja jemand kommen,
der genau diese eine Dichtung
oder diese eine Schraube
braucht ...“.
Alfons war sein Leben lang ein
Lebenskünstler, immer unterwegs,
ein Menschenfreund,
Stehaufmännchen. „Geht nicht
gibt‘s nicht“ war und ist sein
Lebensmotto. Auch Krankheit,
Schicksalsschläge, finanzielle
Krisen haben ihn nicht verändert.
Noch heute im Alter von 91
Jahren sieht man ihn ab und zu
Seite an Seite mit seiner Frau
im Kanalschuppen Geschichten
von früher erzählen. Das
Einzige, was er heute wirklich
bedauert: Er wäre gern noch
einmal mit einem Zirkus mitgereist
– aber vielleicht im
nächsten Leben. Sein Rezept
für ein glückliches Leben: Nur
nicht den Humor verlieren!
Mit Familie Schlüter sprach
Peter Feuerschütz
Fotos: B. Nolte, privat
28 FLENSBURG JOURNAL • 01/2021