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der kleine Lohrer - Ausgabe Januar 2021

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ICH HÄTT ÄMOAL A BROBLEM...<br />

Andreas Arnold arbeitet als Heilpraktiker<br />

für Psychotherapie<br />

in eigener Praxis in Würzburg.<br />

Seine Tätigkeitsschwerpunkte<br />

sind persönliche Krisen, Depressionen,<br />

Burn-out-Syndrome und<br />

Partnerschaftskonflikte.<br />

Im Kleinen <strong>Lohrer</strong> wird er jeden<br />

Monat ein ausgesuchtes Hilfeschreiben<br />

beantworten. Diese<br />

Rubrik soll Euch die Möglichkeit<br />

geben, bei Problemen direkt, schnell und unkompliziert<br />

Hilfestellung und Rat zu erhalten.<br />

„ICH LEIDER UNTER PROKRASTINATION“<br />

Lieber Herr Arnold,<br />

ich stecke mitten im Studium und muss wie<strong>der</strong> einmal<br />

eine Hausarbeit schreiben, dann bin ich für dieses Semester<br />

durch. Hausarbeiten schreiben liegt mir aber<br />

nicht. Ich habe schon immer alles Mögliche vor mir<br />

hergeschoben und das zieht sich sehr stark mit ins Studium.<br />

An sich gefallen mir meine Fächer, aber dass ich<br />

alles nicht so bearbeite, wie ich es eigentlich könnte,<br />

lässt mich mir selber Vorwürfe machen. Mein Bru<strong>der</strong><br />

(zwei Jahre älter als ich) scheint das alles besser und<br />

zielstrebiger zu machen. So eine klare Struktur habe<br />

ich einfach nicht. Alleine frühs aufzustehen macht mir<br />

zu schaffen. Ich bin gestern um 1 Uhr schlafen gegangen<br />

und wollte um 9 aufstehen. Ich stand auch kurz<br />

auf und war im Bad. Dann habe ich mich noch einmal<br />

neben meinen Freund gelegt und bis 14 Uhr geschlafen.<br />

Zu schlafen ist so entspannend und ohne jegliche<br />

Pflichten, dass ich im Moment am liebsten gar nicht<br />

aufstehen würde. Wenn ich dann mal wie<strong>der</strong> zu spät<br />

aufgestanden bin, macht es auch keinen Sinn, sich<br />

Stress zu machen. Für wen auch? Das Einzige wäre vllt.<br />

wenn man irgendwelche Öffnungszeiten für irgendwas<br />

beachten muss, o<strong>der</strong> wenn man einem Prof ne Mail<br />

schreiben muss und nicht zu schlecht rüberkommen<br />

will, wenn man das erst um 2 Uhr nachts macht. Ich<br />

dachte mir heute, dass ich gestern ja nicht einmal Alkohol<br />

o<strong>der</strong> so zu mir genommen habe und trotzdem<br />

bin ich nicht zu motivieren. Die Ansprüche, die ich an<br />

mich habe und die auch von meiner Familie herkommen,<br />

würde ich am liebsten einfach abwehren. Ich habe<br />

auch ein Stipendium, das mir sogar erst verlängert<br />

wurde. Aber anstatt dass ich mich freue, habe ich im<br />

Hinterkopf, dass ich mir Pflichten auferlegt habe, dass<br />

<strong>der</strong> Druck, weiterzumachen immer noch da ist. Das<br />

stört schon ziemlich. Oft scheint mir schon eine Aufgabe<br />

am Tag zu viel. Was soll ich tun?<br />

S., 22 J.<br />

Liebe S.,<br />

wie es aussieht, hast Du ein echtes Motivationsproblem<br />

bei Deinem Studium. Die Frage ist: Woher kommt<br />

das? Du hast ja bereits in <strong>der</strong> Vergangenheit gezeigt,<br />

dass Du studieren kannst. Sogar die Studienfächer ma-<br />

chen Dir Spaß. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass<br />

die Ursachen Deines Problems woan<strong>der</strong>s herrühren. Ich<br />

lese heraus, dass Du zurzeit wenig Lust hast, aufzustehen.<br />

Gut, das kann natürlich mit <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Corona-Müdigkeit zu tun haben, mit <strong>der</strong> gerade viele<br />

Menschen kämpfen und das ist auch verständlich. An<strong>der</strong>erseits<br />

sehe ich zusätzlich einen Motivationsmangel<br />

an Deinem Studium als solchem. Deshalb solltest Du<br />

dich hinterfragen, warum Du dieses Fach überhaupt<br />

studieren willst? Tust Du es, weil Dir nichts Besseres<br />

eingefallen ist? Tust Du es, weil Deine Eltern es wollen?<br />

Dein Freund? O<strong>der</strong> willst Du es wirklich? Wenn man<br />

so etwas Anstrengendes, wie ein Studium, nicht von<br />

Herzen will, dann ist es ziemlich schwer, bei <strong>der</strong> Stange<br />

zu bleiben. Du schreibst von Ansprüchen, die Du an<br />

Dich hast. Vielleicht neigst Du auch zu Perfektionismus<br />

und verhin<strong>der</strong>st es so, voran zu kommen? Wer nur ein<br />

Meisterwerk als Hausarbeit abliefern will, o<strong>der</strong> sonst<br />

nichts, wird bei nichts enden. Denn - Überraschung: Es<br />

gibt keine Meisterwerke im Studium. Die meiste Zeit<br />

geht es v. a. darum, sich mit dem Stoff kritisch auseinan<strong>der</strong><br />

zu setzen. Das ist auch <strong>der</strong> Sinn eines Studiums.<br />

Nicht so sehr, alles auswendig zu wissen. Vielleicht<br />

hast Du aber auch keine gute Technik, wie Du eine<br />

Hausarbeit angehst? Dann wäre es sinnvoll, gerade<br />

jetzt, wo nicht viel an<strong>der</strong>es ansteht, eine Weiterbildung<br />

bzgl. wissenschaftliches Arbeit zu machen. Auf jeden<br />

Fall profitierst Du davon. Auch könnte es sein, dass zu<br />

viel Stress mit <strong>der</strong> Partnerschaft o<strong>der</strong> mit Deinen Eltern<br />

Dir Kraft kosten, dass Du blockiert bist. Je emotionaler<br />

man ist, desto weniger gut funktioniert <strong>der</strong> kritische<br />

Verstand. Das ist lei<strong>der</strong> bei Menschen so. Das Schlechteste<br />

ist es jedenfalls, den Kopf in den Sand zu stecken<br />

und Zeit abzuwarten. Das Abgabedatum rückt nämlich<br />

immer näher und setzt Dich noch mehr unter Druck.<br />

Dazu kommen dann Versagensängste. Dazu entnehme<br />

ich Deinem Schreiben, dass Alkohol ein Thema ist. Hierzu<br />

will ich nur sagen: Alkohol löst keine Probleme, son<strong>der</strong>n<br />

schafft neue, wenn er regelmäßig dazu benutzt<br />

wird, abschalten zu können o<strong>der</strong> zu vergessen. Offensichtlich<br />

hast Du das Gefühl, dass Deine Eltern Dich<br />

unter Druck setzen. Denke daran: Deine Eltern können<br />

zwar wollen, aber tun darfst Du. Befreie Dich davon,<br />

den Erwartungen an<strong>der</strong>er entsprechen zu wollen. Es ist<br />

Dein Leben! Mach was draus und gehe das Nächstliegende,<br />

Deine Hausarbeit, heute an. Denn selbst wenn<br />

Du dieses Studium nicht magst, solltest Du dir mal wie<strong>der</strong><br />

ein Erfolgserlebnis abholen. Das fühlt sich gut an<br />

und gibt neuen Schwung für ... was auch immer.<br />

Bleib dran,<br />

Andreas Arnold<br />

Anmerkung:<br />

Bitte haben Sie Verständnis, dass umfangreiche Texte<br />

nicht in voller Länge abgedruckt werden können.<br />

Falls ihr auch ein Problem habt o<strong>der</strong> einfach nach Rat<br />

fragen wollt, schickt mir bitte euer Anliegen. Ich werde<br />

jedes Schreiben beantworten.<br />

Email: redaktion@<strong>der</strong><strong>kleine</strong>lohrer.de<br />

Brief: Andreas Arnold, Dr. Onymusstr. 46,<br />

97080 Würzburg<br />

26<br />

<strong>der</strong> <strong>kleine</strong> lohrer /// januar <strong>2021</strong>

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