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Politikfeld Arbeitsmarkt - Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr ...

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Ehret/Kaiser/Kley/Soler Lluesma/Strickerschmidt<br />

<strong>Politikfeld</strong> <strong>Arbeitsmarkt</strong> –<br />

Analysen <strong>der</strong> TeilnehmerInnen eines Vertiefungsseminars an <strong>der</strong><br />

<strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialwissenschaft</strong> <strong>der</strong> <strong>Ruhr</strong>-Universität Bochum<br />

Arbeitspapier <strong>der</strong> <strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialwissenschaft</strong>


Vorwort<br />

2<br />

Im Sommersemester 1997 und dem darauf folgenden Wintersemester wurde unter <strong>der</strong> Leitung von<br />

Dr. Matthias Knuth und Prof. Dr. Ulrich Widmaier ein sogenanntes Vertiefungsseminar durchgeführt.<br />

Ein Ziel dieses neuen Typs von Seminaren ist die theoretische Aufarbeitung und empirische<br />

Erforschung von gesellschaftlichen Problemlagen. Dazu gehören seit geraumer Zeit die Lage auf dem<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong> und die Versuche, sie durch politische Interventionen auf unterschiedlichen Ebenen zu<br />

verbessern. Die Studierenden haben in <strong>der</strong> letzten Phase des Vertiefungsseminars zu verschiedenen<br />

arbeitsmarktpolitischen Bereichen Analysen durchgeführt, von denen <strong>für</strong> dieses Arbeitspapier vier<br />

ausgewählt wurden.<br />

Die vier Arbeiten lassen sich zwei Bereichen zuordnen. Da ist zunächst <strong>der</strong> Komplex <strong>der</strong><br />

europäischen Strukturfonds und ihr Einsatz im Kampf gegen Arbeitslosigkeit auf <strong>der</strong> regionalen<br />

Ebene. Die beiden zuerst abgedruckten Arbeiten von Cornelia Strickerschmidt und Juana Soler<br />

Lluesma untersuchen den Einsatz <strong>der</strong> Fonds in zwei verschiedenen europäischen Regionen (Twente,<br />

Nie<strong>der</strong>lande und Asturien, Spanien), wobei in <strong>der</strong> Arbeit von Strickerschmidt durch einen Vergleich<br />

<strong>der</strong> Umsetzung in Twente mit NRW versucht wird, die Eignung von politisch-administrativen<br />

Strukturen <strong>für</strong> einen möglichst effektiven und effizienten Einsatz <strong>der</strong> Mittel zu beurteilen.<br />

Die zwei danach abgedruckten Arbeiten beschäftigen sich mit innerorganisatorischen Strukturen und<br />

<strong>der</strong>en Auswirkungen auf interne und externe Arbeitsmärkte. Das Papier von Christine Ehret und<br />

Thomas Kley stellt ein Konzept <strong>für</strong> die Gestaltung <strong>der</strong> Arbeitsorganisation einer kommunalen<br />

Beschäftigungsgesellschaft auf <strong>der</strong> Grundlage von Gruppenarbeit und Teamstrukturen dar. Ziel des<br />

Vorschlags ist es, die Motivation und die sozialen Kompetenzen <strong>der</strong> beschäftigten<br />

Sozialhilfeempfänger zu erhöhen. Die Arbeit von Dominik Kaiser beschäftigt sich mit <strong>der</strong> Reaktion<br />

eines Unternehmens auf die <strong>Arbeitsmarkt</strong>lage und verwendet dabei das theoretische Konzept des<br />

internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>, wie es zuerst <strong>für</strong> den amerikanischen <strong>Arbeitsmarkt</strong> entwickelt und später<br />

durch Lutz und Sengenberger auf die deutschen Bedingungen übertragen wurde.<br />

Matthias Knuth/Ulrich Widmaier<br />

August 1998


Inhaltsverzeichnis<br />

I. <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Europäischen Sozial- und Regionalfonds<br />

3<br />

1. Cornelia Strickerschmidt: Vergleich <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> EU-Strukturpolitik in den Regionen<br />

Twente (Nie<strong>der</strong>lande) und Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet/Nordrhein-Westfalen<br />

2. Juana Soler Lluesma: Die aktive <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien (Nordspanien) unter beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung des Europäischen Sozialfonds<br />

II. <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik, Arbeitsorganisation und interne Arbeitsmärkte<br />

1. Christine Ehret/Thomas Kley: Gruppenarbeit als Chance und Modell <strong>für</strong> die Zukunft kommunaler<br />

Beschäftigungsgesellschaften<br />

2. Dominik Kaiser: Struktur und Funktion interner Arbeitsmärkte am Beispiel <strong>der</strong> NRW Spielkasinos


Cornelia Strickerschmidt<br />

4<br />

Vergleich <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> EU-Strukturpolitik in den Regionen Twente (Nie<strong>der</strong>lande) und<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung<br />

2 Grundzüge <strong>der</strong> europäischen Strukturpolitik<br />

Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet/Nordrhein-Westfalen<br />

2.1 Definition und übergeordnete Ziele von Strukturpolitik in <strong>der</strong> EU<br />

2.2 Finanzierungsgrundlagen von Strukturpolitik – Die Strukturfonds: Grundlage <strong>für</strong><br />

Gemeinschaftsinitiativen und die Gemeinschaftlichen För<strong>der</strong>konzepte<br />

2.3 Idealtypische Zielgebiete und ihre Definition<br />

2.4 Das Zustandekommen <strong>der</strong> Gemeinschaftlichen För<strong>der</strong>konzepte<br />

3 Implementation <strong>der</strong> EU-Strukturför<strong>der</strong>ung in den Regionen Twente/Overijssel und Mittleres<br />

<strong>Ruhr</strong>gebiet/Nordrhein-Westfalen<br />

3.1 Soziodemographische Entwicklung<br />

3.2 Die natürlichen Ressourcen, die Infrastruktur und <strong>der</strong>en wirtschaftliche Nutzung<br />

3.3 Instanzen in den Regionen<br />

3.4 Mittelbewirtschaftung<br />

4 Vergleich <strong>der</strong> Regionen<br />

Literaturverzeichnis


1 Einleitung<br />

5<br />

Ideen zur Zukunft eines vereinten Europas werden momentan von <strong>der</strong> Vorstellung eines „Europa <strong>der</strong><br />

Regionen“ beherrscht. Dahinter steht <strong>der</strong> Gedanke, die Europäische Union zu einem fö<strong>der</strong>ativen<br />

Staatenbund zusammenzufügen, in dem Regionen dem Subsidiaritätsprinzip getreu in relativer<br />

Autonomie handeln können. Das beinhaltet die Demokratisierung von politischen Entscheidungen<br />

und die Dezentralisierung von Verwaltungsaufgaben.<br />

Die europäische Strukturpolitik ist eines <strong>der</strong> <strong>Politikfeld</strong>er, in dem diese Leitgedanken konzeptionell<br />

integriert wurden. Die Regionen werden mittlerweile in Entscheidungen einbezogen und die<br />

Implementation <strong>der</strong> Programme wurde nahezu vollständig in ihre Hände gelegt.<br />

Mein ursprüngliches Konzept <strong>für</strong> diese Studie war, zwei Regionen aus zwei EU-Staaten, die <strong>der</strong> Ziel-<br />

2-För<strong>der</strong>ung zugeordnet sind, das Mittlere <strong>Ruhr</strong>gebiet und die Region Twente (Nie<strong>der</strong>lande),<br />

hinsichtlich ihrer Verfahrensweisen bei <strong>der</strong> Durchführung von EU-Programmen, <strong>der</strong> Kopplung<br />

verschiedener Strukturfonds und <strong>der</strong> Effizienz <strong>der</strong> Implementation zu vergleichen.<br />

Bei <strong>der</strong> Erhebung <strong>der</strong> Daten wurde jedoch deutlich, daß die Verwaltungsstrukturen und die Art, wie<br />

Programme implementiert werden, so weit voneinan<strong>der</strong> abweichen, daß vergleichbares Material nicht<br />

zur Verfügung steht.<br />

Ein Problem besteht bereits darin, daß in Nordrhein-Westfalen die Grenzen <strong>der</strong> Gebiete, in denen <strong>der</strong><br />

Europäische Sozialfonds (ESF) bzw. <strong>der</strong> Europäische Fonds <strong>für</strong> Regionale Entwicklung (EFRE)<br />

Anwendung findet, nicht übereinstimmen. Daher liegen zu einigen Vergleichspunkten entsprechende<br />

Informationen aus dem Mittleren <strong>Ruhr</strong>gebiet nicht vor. An ihrer Stelle beziehe ich mich auf Daten<br />

aus dem gesamten Ziel-2-Gebiet Nordrhein-Westfalens.<br />

Trotz dieses Mankos lohnt sich eine Gegenüberstellung, um zu illustrieren, wie heterogen die Ebene<br />

<strong>der</strong> Regionen in Europa ist. Darüber hinaus läßt dieser Vergleich die Diskussion zu, welche Vorteile<br />

eine konsequente Regionalisierung mit entsprechen<strong>der</strong> eigenverantwortlicher Durchführung von<br />

Aufgaben haben kann.<br />

Zur Einordnung des Vergleichs werde ich zunächst auf die Grundzüge <strong>der</strong> europäischen<br />

Strukturpolitik eingehen.<br />

In Kapitel 2 werde ich die soziodemographischen, die wirtschaftlichen und die politischen Strukturen<br />

in Twente und Nordrhein-Westfalen bzw. im Mittleren <strong>Ruhr</strong>gebiet und die Einbindung <strong>der</strong><br />

Strukturpolitik darstellen, bevor ich diese in Kapitel 3 vergleichend gegenüberstelle.


2 Grundzüge <strong>der</strong> europäischen Strukturpolitik<br />

2.1 Definition und übergeordnete Ziele von Strukturpolitik in <strong>der</strong> EU<br />

6<br />

Der Rahmen <strong>für</strong> die europäische Strukturpolitik wurde 1957 mit dem 2. Vertrag zur Gründung <strong>der</strong><br />

Europäischen Gemeinschaft geschaffen. Als übergeordnetes Ziel wurde festgelegt, „eine harmonische<br />

und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaft“ (Classen, 1997,<br />

S.7) zu för<strong>der</strong>n, wie es in Artikel 2 des o.g. Vertrages heißt, worunter auch die Stärkung des<br />

Wirtschaftswachstums und die Sicherung und <strong>der</strong> Ausbau des Beschäftigungswachstums gehören. In<br />

den Artikeln 130a und 130b werden diese Zielsetzungen in bezug auf die Strukturför<strong>der</strong>ung<br />

konkretisiert:<br />

„Art. 130a: (Ziele; Regionen und benachteiligte Gebiete): Die Gemeinschaft entwickelt und<br />

verfolgt [...] ihre Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, um<br />

eine harmonische Entwicklung <strong>der</strong> Gemeinschaft als Ganzes zu för<strong>der</strong>n.<br />

Die Gemeinschaft setzt sich insbeson<strong>der</strong>e zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Regionen und den Rückstand <strong>der</strong> am stärksten benachteiligten Gebiete,<br />

einschließlich <strong>der</strong> ländlichen Gebiete, zu verringern.<br />

Art. 130b: (Rolle <strong>der</strong> Strukturfonds; Aktionen außerhalb <strong>der</strong> Fonds): [...] Die Festlegung und<br />

Durchführung <strong>der</strong> Politiken und Aktionen <strong>der</strong> Gemeinschaft sowie die Errichtung des<br />

Binnenmarktes berücksichtigen die Ziele des Artikels 130a und tragen zu <strong>der</strong>en<br />

Verwirklichung bei. Die Gemeinschaft unterstützt auch die Bemühungen durch die Politik,<br />

die sie mit Hilfe <strong>der</strong> Strukturfonds (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds <strong>für</strong> die<br />

Landwirtschaft - Abteilung Ausrichtung, Europäischer Sozialfonds, Europäischer Fonds <strong>für</strong><br />

regionale Entwicklung), <strong>der</strong> Europäischen Investitionsbank und <strong>der</strong> sonstigen vorhandenen<br />

Finanzierungsinstrumente führt. [...]“ (Classen, 1997, S. 80/81).<br />

Der Schwerpunkt <strong>der</strong> Strukturför<strong>der</strong>ung liegt also auf <strong>der</strong> Beseitigung von regionalen Disparitäten,<br />

um so den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt <strong>der</strong> Mitgliedsstaaten zu stärken<br />

(Kohärenzziel).<br />

Ursprünglich wurde mit <strong>der</strong> Einrichtung von Kohäsions- und Strukturfonds ein System des<br />

Finanzausgleichs von reicheren an ärmere Nationen geschaffen. Mit dem Beitritt weiterer


7<br />

Mitgliedsstaaten zu den Europäischen Gemeinschaften erkannte man jedoch, daß dieses wenig<br />

differenzierte System einseitige Belastungen in sich birgt und ein Hin<strong>der</strong>nis <strong>für</strong> die Integration<br />

weiterer europäischer Staaten sein wird.<br />

Die Strukturför<strong>der</strong>ung hat sich daher in den letzten 15 Jahren von einem einfachen<br />

Transfermechanismus zu einem komplexen Gefüge aus Finanzierungsgrundlagen, För<strong>der</strong>kriterien<br />

und einem Verhandlungssystem zwischen supranationalen, nationalen und subnationalen Akteuren<br />

entwickelt (vgl. Ansell u.a., 1997, S. 351).<br />

2.2 Finanzierungsgrundlagen von Strukturpolitik - Die Strukturfonds: Grundlage <strong>für</strong><br />

Gemeinschaftsinitiativen und die Gemeinschaftlichen För<strong>der</strong>konzepte<br />

Kohäsionsfonds unterstützen Vorhaben im Bereich Umweltschutz und den Aufbau transeuropäischer<br />

Netze auf dem Gebiet <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur (Art. 130d EGV).<br />

Die Strukturfonds haben, wie unter Punkt 2.1 bereits dargestellt, das Ziel, regionale Disparitäten<br />

auszugleichen.<br />

Vier Strukturfonds werden zur Verfügung gestellt.<br />

Der FIAF ist das Finanzierungsinstrument <strong>für</strong> die Ausrichtung <strong>der</strong> Fischerei.<br />

Der EAGFL ist <strong>der</strong> Europäische Ausrichtungs- und Garantiefond <strong>für</strong> die Landwirtschaft.<br />

Im Mittelpunkt meiner Studie stehen <strong>der</strong> Europäische Fonds <strong>für</strong> Regionale Entwicklung und <strong>der</strong><br />

Europäische Sozialfonds, aus denen Ziel-2-Regionen (s. Punkt 2.3) ihre Mittel beziehen.<br />

Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist eine Möglichkeit <strong>der</strong> Zusatzfinanzierung <strong>für</strong> Maßnahmen, die<br />

vorhandene, aber auch präventiv, Arbeitslosigkeit bekämpfen. Darunter fallen Projekte, die allgemein<br />

den Zugang zum <strong>Arbeitsmarkt</strong> erleichtern.<br />

Im Vor<strong>der</strong>grund steht, die regionale, aber vor allem auch die berufliche Mobilität zu för<strong>der</strong>n. Ein<br />

Schwerpunkt liegt dabei in <strong>der</strong> beruflichen Qualifizierung.<br />

Außerdem wird die Schaffung neuer Arbeitsplätze unterstützt. Beson<strong>der</strong>es Augenmerk wird bei<br />

diesen Maßnahmen auf die För<strong>der</strong>ung von Chancengleichheit und auf Modellversuche gelegt, die<br />

mehrere Mitgliedsstaaten betreffen, um den Aufbau transeuropäischer Netze zu forcieren.


8<br />

Aufgabe des Europäischen Fonds <strong>für</strong> Regionale Entwicklung (EFRE) ist, die gravierendsten<br />

regionalen Unterschiede auszugleichen. Unterstützt werden produktive Investitionen.<br />

Geför<strong>der</strong>t wird darüber hinaus die Errichtung o<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung von Infrastrukturen, die zur<br />

Entwicklung o<strong>der</strong> Umstellung <strong>der</strong> betreffenden Regionen sowie zur Erschließung des endogenen<br />

Potentials dieser Regionen beiträgt.<br />

Auch bei <strong>der</strong> Kofinanzierung durch den EFRE wird ein beson<strong>der</strong>es Augenmerk auf den Aufbau<br />

transeuropäischer Netze gelegt.<br />

Die Höhe <strong>der</strong> verfügbaren Mittel <strong>für</strong> die Strukturfonds beläuft sich im Zeitraum 1994-1999 auf<br />

141,471 Milliarden ECU (vgl. Art. 12 Verordnung Nr. L 193/16).<br />

Die Strukturfonds sind die Grundlage <strong>für</strong> die Finanzierung von Gemeinschaftsinitiativen und<br />

Gemeinschaftlichen För<strong>der</strong>konzepten (GFKs).<br />

Gemeinschaftsinitiativen sind strukturpolitische, regionenübergreifende Instrumente, die <strong>für</strong> einen<br />

festgesetzten Zeitraum <strong>für</strong> spezielle Problembereiche beson<strong>der</strong>er Relevanz eingerichtet werden (vgl.<br />

Marks, 1996, S. 321-322).<br />

Zu den Gemeinschaftsinitiativen mit beson<strong>der</strong>em Stellenwert <strong>für</strong> Nordrhein-Westfalen und Twente<br />

gehören die Initiativen RECHAR, RESIDER, RETEX, die den Folgen <strong>der</strong> rückläufigen Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Kohle-, Stahl- und Textilindustrie entgegenwirken. Im Aufbau befindet sich ADAPT: ADAPT<br />

hat die Anpassung von Arbeitskräften an den wirtschaftlichen und technologischen Wandel im<br />

grenzüberschreitenden Austausch <strong>der</strong> Arbeitskräfte zum Ziel.<br />

Für die Gemeinschaftsinitiativen werden ca. zehn Prozent <strong>der</strong> Strukturfondsmittel bereitgestellt (vgl.<br />

Marks, 1996, S. 321).<br />

Die EU-Strukturför<strong>der</strong>ung im eigentlichen Sinne erfolgt über die Gemeinschaftlichen För<strong>der</strong>konzepte<br />

(GFKs), das heißt über die wirtschaftlichen Entwicklungspläne <strong>für</strong> den jeweiligen Mitgliedsstaat und<br />

seine Regionen, die auf die folgenden För<strong>der</strong>schwerpunkte abgestellt sind (vgl. Marks, 1996, S. 322).<br />

2.3 Idealtypische Zielgebiete und ihre Definition<br />

Mit dem Maastrichter Vertrag 1992 gewann die Strukturför<strong>der</strong>ung an Bedeutung. Das<br />

Mittelkontingent <strong>für</strong> die För<strong>der</strong>phase 1994 bis 1999 wurde gegenüber <strong>der</strong> vorhergehenden<br />

verdreifacht.


9<br />

1993 wurden die Ziele <strong>der</strong> Strukturför<strong>der</strong>ung im Zuge dieser Entscheidung überarbeitet und den<br />

wirtschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen angepaßt. Die Zieldefinitionen, die ich im folgenden darstellen<br />

werde, sind das Resultat dieser Reform (vgl. Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften, 1993,<br />

S. 7).<br />

Ziel 1: Regionen mit Entwicklungsrückstand<br />

Oberste Priorität wird <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Entwicklung und <strong>der</strong> strukturellen Anpassung <strong>der</strong> Regionen<br />

mit Entwicklungsrückstand eingeräumt. Dies sind NUTS-Regionen <strong>der</strong> Ebene II 1 , <strong>der</strong>en<br />

Bruttoinlandsprodukt in den letzten drei Jahren unter 75% des EU-Durchschnitts lag.<br />

Mit <strong>der</strong> Einheitlichen Europäischen Akte (1986) wurde die För<strong>der</strong>ung auf Gebiete ausgeweitet, <strong>der</strong>en<br />

BIP an diese 75%-Grenze heranreichte. Dadurch wurden die Län<strong>der</strong> Griechenland, Portugal, Irland<br />

sowie einige Regionen Spaniens, Italiens, Frankreichs einbezogen.<br />

Nach <strong>der</strong> Reform kamen 1994 ein Teil Belgiens, <strong>der</strong> Grenzbereich Frankreich/Belgien, einige<br />

Gebiete Großbritanniens, weitere Gebiete in Spanien, in den Nie<strong>der</strong>landen Flevoland und die fünf<br />

neuen Bundeslän<strong>der</strong> sowie Ost-Berlin hinzu.<br />

In 1996 betraf die Ziel-1-För<strong>der</strong>ung 26,6% <strong>der</strong> Gemeinschaftsbevölkerung (vgl. Kommission <strong>der</strong><br />

Europäischen Gemeinschaften, 1993, S. 12).<br />

Ziel 2: Regionen, die von rückläufiger industrieller Entwicklung schwer betroffen sind<br />

Die Ziel-2-För<strong>der</strong>ung bezieht sich auf Regionen und Teilregionen, die von einer rückläufigen<br />

industriellen Beschäftigung schwer betroffen sind.<br />

Für die Erschließung <strong>der</strong> Regionen sind drei Hauptkriterien maßgeblich:<br />

- Die Arbeitslosenquote liegt über dem Gemeinschaftsdurchschnitt.<br />

- Der Anteil <strong>der</strong> industriellen Erwerbstätigen liegt über dem Gemeinschaftsdurchschnitt.<br />

- Es ist ein Rückgang an industriellen Erwerbstätigen zu verzeichnen.<br />

Diese Kriterien gelten primär, über sekundäre Kriterien gibt es auch die Möglichkeit, die Ziel-2-<br />

För<strong>der</strong>ung auf Gebiete auszuweiten, die an die den Hauptkriterien entsprechenden Gebiete<br />

angrenzen. Dies sind u.a. städtische Verdichtungsräume, Gebiete mit Problemen in verschiedenen<br />

Sektoren und Grenzregionen, weil <strong>der</strong>en durchschnittliches Pro-Kopf-BIP in <strong>der</strong> Regel niedriger als<br />

<strong>der</strong> nationale Durchschnitt ist (vgl. Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften, 1994, S. 106).<br />

Twente und das Mittlere <strong>Ruhr</strong>gebiet erfüllen die Ziel-2-Kriterien.<br />

Ziel 3: Bekämpfung <strong>der</strong> Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit<br />

1 NUTS I werden 77 Regionen zugeordnet, die in <strong>der</strong> Bundesrepublik den Bundeslän<strong>der</strong>n und in den Nie<strong>der</strong>landen den<br />

'Landsdelen' entsprechen. Unter NUTS II fallen Verwaltungseinheiten, die in <strong>der</strong> Bundesrepublik den<br />

Regierungsbezirken, in den Nie<strong>der</strong>landen den 'Provincies' entsprechen. Unter NUTS III werden die Rest-<br />

Unterteilungen zusammengefaßt. Unter diesen Rest-Regionen versteht man in <strong>der</strong> Bundesrepublik die Kreise und in


10<br />

Die Ziel-3-För<strong>der</strong>ung stellt Mittel <strong>für</strong> Problemgruppen des <strong>Arbeitsmarkt</strong>es zur Verfügung.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die Langzeit- sowie die Jugendarbeitslosigkeit sollen bekämpft werden. Die Ziel-3-<br />

Definition läßt aber auch Spielraum <strong>für</strong> eine För<strong>der</strong>ung weiterer Personengruppen o<strong>der</strong> - wie es heißt<br />

- <strong>für</strong> die „Erleichterung <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung [...] <strong>der</strong> vom Ausschluß bedrohten Personen in das<br />

Erwerbsleben.“ (Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften, 1993, S.11).<br />

Vor <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong> Strukturfonds 1993 war die Ziel-3-För<strong>der</strong>ung auf die Bekämpfung <strong>der</strong><br />

Langzeitarbeitslosigkeit beschränkt. Ziel 4 konzentrierte sich auf die arbeitslosen Jugendlichen.<br />

Durch die Integration in eine För<strong>der</strong>priorität wurde <strong>der</strong> Zielgruppenför<strong>der</strong>ung mehr Freiraum<br />

gewährt, aber auch Platz <strong>für</strong> die Finanzierung <strong>der</strong> neuen Aufgaben geschaffen, die <strong>der</strong> Maastrichter<br />

Vertrag vorsieht (vgl. Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften, 1993, S.11).<br />

Ziel 4: Anpassung <strong>der</strong> Arbeitskräfte an den industriellen Wandel<br />

Mit dem neu definierten Ziel 4 konzentriert man sich nicht mehr nur auf die Bekämpfung von<br />

Arbeitslosigkeit, son<strong>der</strong>n för<strong>der</strong>t durch Qualifizierung die Bereitstellung von Humanressourcen, um<br />

die Konkurrenzfähigkeit zu sichern und Betrieben, die sich neu ansiedeln wollen, ein entsprechendes<br />

Kontingent an Arbeitskräften zur Verfügung zu stellen. Die Anpassung <strong>der</strong> Arbeitskräfte an die<br />

industriellen Wandlungsprozesse und an Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Produktionssysteme soll erleichtert<br />

werden (vgl. Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften, 1993, S. 11).<br />

Ziel 5: Entwicklung des ländlichen Raums<br />

Ziel 5a: Beschleunigte Anpassung <strong>der</strong> Agrarstrukturen<br />

Ziel 5b: Erleichterung <strong>der</strong> Entwicklung und <strong>der</strong> Strukturanpassung <strong>der</strong> ländlichen Gebiete<br />

Ziel 6: Arktische Regionen mit beson<strong>der</strong>s geringer Bevölkerungsdichte<br />

Diese Ziele richten sich auf die Strukturanpassung <strong>der</strong> Landwirtschaft und <strong>der</strong> Fischerei. Da sie <strong>für</strong><br />

die Regionen dieser Studie nicht von Bedeutung sind, werde ich auf diese Ziele nicht weiter eingehen<br />

(vgl. Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften, 1993, S.11).<br />

Mit Maastricht erfolgte eine Umorientierung <strong>der</strong> Strukturför<strong>der</strong>ung auf Strukturanpassung, d.h.<br />

wurden vorher Erweiterungen bereits bestehen<strong>der</strong> Betriebe unterstützt, richtete man nun die<br />

För<strong>der</strong>maßnahmen verstärkt auf die Ansiedlung neuer produktiver Tätigkeiten aus. Konkret rückten<br />

kleinere bis mittlere Unternehmen mit einer (geplanten) Belegschaft von 50 bis 100 Beschäftigten ins<br />

Blickfeld.<br />

den Nie<strong>der</strong>landen die Regionen (vgl. Dörnhöfer, 1995, S. 43).


11<br />

Ziel dieses Leitgedankens ist nicht nur, Innovationen zu för<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch stark mittelbindende,<br />

mit einer Vergabeautomatik ausgestattete Programme zu reduzieren und damit die För<strong>der</strong>ung zu<br />

flexibilisieren.<br />

Die Strukturför<strong>der</strong>ung folgt dem Prinzip <strong>der</strong> Zusätzlichkeit. Das bedeutet, daß Projekte nur geför<strong>der</strong>t<br />

werden können, wenn sie nicht durch an<strong>der</strong>e bereits bestehende nationale o<strong>der</strong> regionale<br />

För<strong>der</strong>programme unterstützt werden können (vgl. Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften,<br />

1993, S. 25).<br />

Die Strukturför<strong>der</strong>ung ist allerdings lediglich eine Kofinanzierungsmöglichkeit, d.h. <strong>für</strong> die<br />

Durchführung eines Projektes müssen an<strong>der</strong>e öffentliche und private Mittel zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

In Ziel-1-Gebieten können Projektkosten bis höchstens 75% (in begründeten Ausnahmefällen bis zu<br />

80%) aus den Fonds finanziert werden. Generell werden dabei mindestens 50% <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Kosten übernommen.<br />

In allen an<strong>der</strong>en Zielgebieten beträgt die Höchstgrenze 50% und mindestens 25% <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Ausgaben werden von <strong>der</strong> EU übernommen (vgl. Artikel 13 Abs. 3 <strong>der</strong> EWG-Verordnung Nr.<br />

2052/88).<br />

2.4 Das Zustandekommen <strong>der</strong> Gemeinschaftlichen För<strong>der</strong>konzepte<br />

Die Zunahme <strong>der</strong> Relevanz und <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Strukturför<strong>der</strong>ung führte zu einer Verlagerung<br />

<strong>der</strong> politischen Interessen und Einflußnahme. Bis 1988 waren die nationalen Regierungen die<br />

einflußreichsten Akteure. Als Geldgeber bestimmten sie über die Verwendung <strong>der</strong> aus den Fonds zur<br />

Verfügung gestellten Mittel. Als Mittler zwischen Kommission und subnationalen Akteuren liefen<br />

alle Informationen über sie und wurden von ihnen kontrolliert.<br />

1988 kam es zu einer großen qualitativen Verän<strong>der</strong>ung im Verhandlungs- und auch im<br />

Kontrollsystem <strong>der</strong> Strukturför<strong>der</strong>ung.<br />

Die Rolle <strong>der</strong> Europäischen Kommission wurde dabei in vierfacher Weise gestärkt:<br />

1. Technische Kriterien anstelle von Verhandlungsgeschick <strong>der</strong> Mitgliedsstaaten entscheiden darüber,<br />

welche Regionen in die För<strong>der</strong>ung einbezogen werden.<br />

2. Eine bessere Überwachung gewährleistet, daß das Prinzip <strong>der</strong> Zusätzlichkeit <strong>der</strong> EU-För<strong>der</strong>ung<br />

eingehalten wird.<br />

3. Die EU-För<strong>der</strong>ung in den Regionen erhält einen stärker programmatischen Charakter.


12<br />

4. Durch eine Stärkung <strong>der</strong> Gemeinschaftsinitiativen wird mehr Geld direkt von <strong>der</strong> Kommission<br />

verteilt (vgl. Ansell u.a., 1997, S. 351-352).<br />

Vor allem verlieh die Reform jedoch den subnationalen, regionalen Akteuren mehr<br />

Gestaltungsmacht. Sie wurden von nun an in die Verhandlungen um die Ausgestaltung <strong>der</strong> regionalen<br />

Programme einbezogen. Ziel dieser Reform war, das traditionelle ‚top-down‘-System durch ein<br />

duales Netzwerk zu ersetzen, in dem Kommission, Nationalregierungen und Regionen je zwei<br />

Verhandlungspartnern gegenüberstehen. Der jeweils Dritte nimmt in <strong>der</strong> Verhandlungssituation eine<br />

kontrollierende Stellung ein.<br />

„Dual Network“: Europäische Kommission<br />

Nationale Region<br />

Regierung<br />

Die gravierendste Än<strong>der</strong>ung ist, daß die Regionen direkt mit <strong>der</strong> Kommission in Verbindung treten<br />

können. Sowohl <strong>für</strong> die Kommission als auch <strong>für</strong> die Regionen eröffnen sich somit neue<br />

Informationsquellen. Darüber hinaus können sich beide gegenseitig politische Unterstützung geben.<br />

Die nationalen Regierungen sind auf diese Weise gezwungen, stärker auf die Belange <strong>der</strong><br />

Kommission, aber vor allem die <strong>der</strong> Regionen einzugehen, um zu vermeiden, daß <strong>der</strong><br />

Informationsfluß an ihnen vorbeiläuft und ihre Position untergraben wird (vgl. Ansell u.a., 1997, S.<br />

351-353).<br />

Nach dieser Reform haben zwei Verhandlungsrunden zur Festlegung <strong>der</strong> Kohäsions- und<br />

Strukturfonds stattgefunden: Die erste als Auftakt zum fünfjährigen Zyklus von 1989-1993, <strong>der</strong> auch<br />

als ‚Delors-I-Paket‘ bezeichnet wird, die zweite Verhandlungsrunde wurde im Vorfeld zum<br />

sechsjährigen Zyklus (‚Delors-II-Paket‘) von 1994-1999 einberufen (vgl. Marks, 1996, S.316-1318).<br />

Die Festlegung <strong>der</strong> GFKs und ihrer operationellen Programme erfolgt in vier Entwicklungsphasen:<br />

Phase 1: Entwurf des nationalen bzw. regionalen Entwicklungsplans


Dieser Entwurf dient als Basis <strong>für</strong> die Verhandlung mit <strong>der</strong> Kommission.<br />

Phase 2: Umwandlung <strong>der</strong> regionalen Entwicklungskonzepte in bindende Verträge<br />

13<br />

Nach den Verhandlungen zu den regionalen Entwicklungsplänen werden diese nach Einbindung <strong>der</strong><br />

entsprechenden Verhandlungsergebnisse in Verträge, den Gemeinschaftlichen För<strong>der</strong>konzepten,<br />

umgesetzt.<br />

Ist in diesen Phasen <strong>der</strong> Einfluß <strong>der</strong> nationalen Regierungen immer noch dominant, so konnten in den<br />

Verhandlungen um die konkrete Gestaltung <strong>der</strong> Programme die Regionen mitwirken.<br />

Phase 3: Umwandlung <strong>der</strong> GFKs in Operationelle Programme<br />

Nach weiteren Verhandlungen werden die GFKs in Operationelle Programme umgewandelt. Die<br />

Operationellen Programme beinhalten die einzelnen Projekte und Maßnahmen, die in dem<br />

entsprechenden För<strong>der</strong>zeitraum durchgeführt werden sollen.<br />

Phase 4: Umsetzung und begleitende Überwachung <strong>der</strong> Operationellen Programme<br />

Die Kontrolle erfolgt vornehmlich über Ex-Ante, Zwischen- und Endevaluationen, die nach<br />

gemeinschaftlich festgelegten Kriterien erfolgen. Die Zwischenkontrolle gestaltet sich dabei in Form<br />

von Jahresberichten und 3-Jahresberichten (vgl. Art. 31, Verordnung Nr. L 193/32 und vgl. Marks,<br />

1996, S.321-328).<br />

Die Vielfalt <strong>der</strong> Formen, die sich jedoch hinter dem dritten Verhandlungspartner ‚Region‘ verbirgt,<br />

erschwert die Einordnung seiner Position.<br />

Schon hinsichtlich des Begriffes Region gibt es weitreichende Abweichungen.<br />

Mittels NUTS (Nomenclature des unites statistiques) wurde <strong>für</strong> die Strukturpolitik ein<br />

Abgrenzungskriterium geschaffen, um einerseits vergleichbare Regionen innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

zu bestimmen, außerdem aber auch Statistiken zu vereinheitlichen und damit einen Vergleich <strong>der</strong><br />

Regionen zu ermöglichen. Jedoch wird diese Systematik nicht durchgängig angewendet. Die<br />

Bestimmung <strong>der</strong> Ziel-2-Regionen orientiert sich an rein technischen Kriterien (s. Punkt 2.3). Dies<br />

ermöglicht zwar eine problemzentrierte Kategorisierung, führt jedoch zu einer Heterogenität, die die<br />

Vergleichbarkeit und damit die Überwachung <strong>der</strong> Implementation <strong>der</strong> EU-För<strong>der</strong>ung erschwert (vgl.<br />

Dörnhöfer, 1995, S. 40-43).


14<br />

Anhand <strong>der</strong> Regionen Twente (bzw. Overijssel) und dem Mittleren <strong>Ruhr</strong>gebiet (bzw. Nordrhein-<br />

Westfalen) werde ich darstellen, wie unterschiedlich zwei Ziel-2-Regionen in ihren<br />

soziodemographischen , wirtschaftlichen und institutionellen Strukturen sein können.


15<br />

3 Implementation <strong>der</strong> EU-Strukturför<strong>der</strong>ung in den Regionen Twente/Overijssel und Mittleres<br />

<strong>Ruhr</strong>gebiet/Nordrhein-Westfalen<br />

3.1 Soziodemographische Entwicklung<br />

Twente/Overijssel<br />

Die Region Twente gehört als Grenzregion entlang <strong>der</strong> deutsch-nie<strong>der</strong>ländischen Grenze zu den Ziel-<br />

2-Gebieten innerhalb <strong>der</strong> EU (vgl. Jaarrapportage, 1997, S. 7).<br />

Genauer gehören 82% o<strong>der</strong> 1.181 km² <strong>der</strong> administrativen Einheit Twente zu <strong>der</strong> Fläche, die von <strong>der</strong><br />

EU subventioniert werden.<br />

Im Ziel-2-Gebiet lebten 1995 insgesamt 509.057 Einwohner. Die größten Städte sind dabei Enschede<br />

mit 147.624, Hengelo mit 77.514 und Almelo mit 65.322 Einwohnern. Zusammen sind dies 57% <strong>der</strong><br />

im Ziel-2-Gebiet Twentes Ansässigen.<br />

Die Bevölkerungsdichte beträgt 431 Personen pro km². Dieser Schnitt liegt unter <strong>der</strong> nationalen<br />

Dichte von ca. 450 Personen.<br />

Der Wan<strong>der</strong>ungssaldo ist jedoch positiv und wird voraussichtlich positiv bleiben (vgl. EPD, 1997, S.<br />

9).<br />

Die potentielle Berufsbevölkerung (alle Einwohner zwischen 15 und 64 Jahren) betrug 1995 397.000.<br />

Seit 1993 standen zwar immer mehr Personen in Arbeit, jedoch ist <strong>der</strong> Partizipationsgrad relativ<br />

gering. Vor allem war ein deutlicher Rückgang bei <strong>der</strong> Erwerbsbeteiligung <strong>der</strong> Frauen zwischen 1992<br />

und 1995 von 52% auf 42% zu verzeichnen (vgl. EPD, 1997, S. 10).<br />

Das Ausbildungsniveau in Twente liegt im allgemeinen unter dem Landesniveau. Die Ursache ist<br />

dabei vor allem in dem geringen Anteil an Akademikern zu suchen. 1995 lag die Quote in Twente bei<br />

5%, national bei 8%.<br />

Nur <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Absolventen einer betrieblichen Ausbildung liegt nah am nationalen Schnitt. Die<br />

Berufsbevölkerung in Twente ist stark industriell orientiert. Die betrieblichen Ausbildungen erfolgten<br />

dementsprechend überwiegend in gewerblich-technischen Berufen (vgl. EPD, 1997, S. 11).<br />

Die Region Twente schneidet im nationalen Vergleich auch hinsichtlich <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

schlechter ab. 1995 lag die jahresdurchschnittliche Quote in Twente bei 7,9%, in den gesamten<br />

Nie<strong>der</strong>landen bei 6,7%.<br />

In den größeren Städten konzentriert sich dabei die Arbeitslosigkeit. Am 1.1.1996 betrug die<br />

Arbeitslosenquote in Almelo 13,2%, in Enschede 12,9% und in Hengelo 11,4%.


16<br />

Hinzu kommt <strong>der</strong> relativ hohe Anteil an Problemgruppen in diesen Städten. 35% <strong>der</strong> Arbeitslosen<br />

sind unter 27 Jahre alt. Der Anteil an ethnischen Min<strong>der</strong>heiten beträgt 19%, darunter<br />

überdurchschnittlich viele Jugendliche. Der Anteil an Langzeitarbeitslosen (= Personen, die 12<br />

Monate und länger arbeitslos gemeldet sind) beträgt 58%.<br />

Berücksichtigt werden muß auch die Anzahl <strong>der</strong> Personen, die Berufsunfähigkeits- o<strong>der</strong><br />

Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen. Diese liegt in <strong>der</strong> Region Twente wesentlich höher als im<br />

nationalen Gebiet (Twente: 16,2%, NL: 13%) 2 (vgl. EPD, 1997, S. 14).<br />

Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet/Nordrhein-Westfalen<br />

Ziel-2-Gebiete in Nordrhein-Westfalen sind <strong>der</strong> Teilkreis Heinsberg o<strong>der</strong> vielmehr die Region um die<br />

Zeche Sophia-Jacoba sowie <strong>der</strong> größte Teil des <strong>Ruhr</strong>gebiets, genauer Stadtteile <strong>der</strong> Städte Duisburg,<br />

Krefeld, Oberhausen, Gelsenkirchen, Herne, Bochum, Bottrop, Dortmund, Hagen, Hamm, Essen<br />

sowie Teile <strong>der</strong> Kreise Enneppe-<strong>Ruhr</strong>, Recklinghausen und Unna. Hinzu kommen die Teilkreise<br />

Wesel und Warendorf.<br />

Insgesamt lebten Ende 1994 in diesen Regionen 3.627.500 Einwohner. Die Gesamtfläche des Ziel-2-<br />

Gebietes beträgt 6.423,87 km². Die Bevölkerungsdichte zwischen den Ballungszentren und den<br />

Städten, die am Rand dieser Ziel-2-Region liegen, divergiert stark. Herne ist dabei mit 3.502<br />

Einwohnern pro km² die Stadt mit <strong>der</strong> dichtesten Besiedlung, die Teile des Kreises Warendorf, die in<br />

die Ziel-2-För<strong>der</strong>ung einbezogen werden, weisen mit 205 Einwohnern pro km² die niedrigste<br />

Bevölkerungsdichte auf.<br />

Die zentralen <strong>Ruhr</strong>gebietsstädte haben seit 1980 Einwohner verloren, die Randzonen konnten<br />

dahingegen einen Zuwachs verzeichnen.<br />

Die Region Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet umfaßt die Städte Bochum und Herne sowie Hattingen und Witten.<br />

Die dem Ziel 2 zugeordneten Stadtteile Bochums und Hernes beherbergen auf einer Gesamtfläche<br />

von 196,84 km² 581.158 Personen. Dies sind 62,24% <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung des Gebietes. Auch<br />

Bochum weist dabei eine hohe Bevölkerungsdichte (2.758 Einwohner pro km²) auf. In Hattingen und<br />

Witten auf einer Gesamtfläche von 408,28 km² wohnen dahingegen nur 352.622 Personen, was eine<br />

Bevölkerungsdichte von 864 Einwohner pro km² bedeutet (vgl. Operationelles Programm, 1997, S. 3-<br />

4).<br />

2 Das „Jobwun<strong>der</strong>“ und die niedrigen Arbeitslosenquoten in den Nie<strong>der</strong>landen seit Beginn <strong>der</strong> 1990er Jahre sind zu<br />

großen Teilen auf das Modell <strong>der</strong> Arbeitsumverteilung zurückzuführen. Einen Pfeiler dieses Modells bilden die neu<br />

geschaffenen Arbeitsplätze, die ihre Basis in <strong>der</strong> Verbreitung von Teilzeitarbeit haben. Den zweiten Pfeiler bildet die<br />

große Zahl von Frühverrentungen von älteren und behin<strong>der</strong>ten Erwerbspersonen. Zählt man diese nebst<br />

Sozialhilfeempfängern und in subventionierten Beschäftigungen stehende Personen zur Arbeitslosenquote, so ergibt<br />

sich eine sog. „Breite Arbeitslosenquote“ von geschätzten 27,1%. In Deutschland liegt die Breite Arbeitslosenquote bei<br />

ca. 22%. (Vgl. Schmid, 1996, S. 14/15).


17<br />

Die Qualifikationsstruktur <strong>der</strong> Erwerbsbevölkerung <strong>der</strong> Ziel-2-Gebiete in Nordrhein-Westfalen zeigt<br />

im Vergleich zum westlichen Bundesgebiet einen leichten Überhang an niedrigen Qualifikationen<br />

und liegt bei höheren Qualifikationen unter dem Schnitt.<br />

Auffällig ist im <strong>Ruhr</strong>gebiet - bedingt durch die jahrzehntelange Dominanz von Großunternehmen, vor<br />

allem <strong>der</strong> Montanindustrie, - die überdurchschnittliche Prägung durch traditionelle gewerbliche<br />

Ausbildungen (vgl. Zwischenevaluierung, Abschlußbericht, 1997, S. 11-12).<br />

Im <strong>Ruhr</strong>gebiet betrug die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 1993 11,9%. Diese Quote ist <strong>für</strong><br />

die Kernstädte allerdings wenig aussagekräftig. Bereits 1990 lag die Arbeitslosenquote in Dortmund,<br />

Essen, Gelsenkirchen und Herne bei bzw. über 13% 3 .<br />

Nachdem 1991 und 1992 die Quoten zwar kurzzeitig wie<strong>der</strong> sanken, nahmen sie seit 1993<br />

kontinuierlich zu. Ende Juni 1996 lag die Arbeitslosenrate in allen Kernstädten wie<strong>der</strong> über 13%<br />

(vgl. Zwischenevaluierung, Abschlußbericht, 1997, S. 42).<br />

Dies gilt auch <strong>für</strong> die Region Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet. Der Rückgang im verarbeitenden Gewerbe um<br />

32.839 Stellen konnte nicht aufgefangen werde, so daß die Arbeitslosenquoten demgemäß ab 1993<br />

kontinuierlich stiegen. Der massivste Einbruch erfolgte zwischen 1993 und 1994. In Bochum stieg<br />

die Quote von 12,5% auf 14,1%, in Herne von 13,9% auf 15,1%, in Hattingen von 11,5% auf 14,1%<br />

und in Witten von 12% auf 14,5%.<br />

Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ungsprobleme bestehen vor allem <strong>für</strong> ältere Arbeitnehmer (über 55 Jahre alt), <strong>für</strong><br />

Schwerbehin<strong>der</strong>te und Langzeitarbeitslose. Der Anteil dieser Personengruppen an <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

Arbeitslosen im <strong>Ruhr</strong>gebiet liegt weit über dem Bundes-, aber auch über dem Landesdurchschnitt<br />

(vgl. Zwischenevaluierung, Abschlußbericht, 1997, S.92-93).<br />

3.2 Die natürlichen Ressourcen, die Infrastruktur und <strong>der</strong>en wirtschaftliche Nutzung<br />

Twente/Overijssel<br />

Twente liegt zentral zwischen den bedeutenden ökonomischen Kerngebieten <strong>der</strong> ‚Randstad‘ (dem<br />

westnie<strong>der</strong>ländischen Ballungsraum), dem <strong>Ruhr</strong>gebiet und es bestehen gute Verbindungen zu den<br />

Fernzielen Berlin und Hamburg. Direkte Wasser- und Landverbindungen bestehen dabei in West-<br />

Ost-Richtung. Innerhalb <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande wird die Lage Twentes eher als peripher angesehen. Die<br />

Verbindungen mit dem Norden <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande sind weniger gut (vgl. EPD, 1997, S15-16).<br />

Twente bietet daher einen guten Ausgangspunkt <strong>für</strong> eine europäische Expansion, wenn die<br />

Binnenwege ausgebaut werden. Geplant ist eine unmittelbare Anbindung an die nationalen


18<br />

‚mainports‘ Schiphol und Rotterdam. Außerdem soll die A35 mit <strong>der</strong> deutschen B54N sowie die A18<br />

mit <strong>der</strong> A15 verbunden werden. Die Bahnlinien sollen stärker in Anspruch genommen und auf dem<br />

Wasserweg soll eine weitere Verbindung mit Deutschland geschaffen werden. Nach dem Ausbau<br />

kann Twente die Funktion eines zweiten nationalen Stützpunktes <strong>für</strong> den Güterverkehr übernehmen.<br />

Standorte von Transport- und Logistikzentren sind dabei Enschede und Oldenzaal (vgl. Strategische<br />

visie, 1994, S. 3-4).<br />

Nicht nur dem Stellenwert Twentes als Transport- und Logistikregion kommt dieser Ausbau zugute,<br />

auch die Umwelt wird durch die Verlagerung des Güterverkehrs auf wenige zentrale Straßen<br />

entlastet.<br />

Werden die Wäl<strong>der</strong> und Wiesen geschont, aber auch die Ruhe in den Dörfern Twentes gewahrt,<br />

bereitet dieses <strong>der</strong> Ausweitung des ‘Grün-‘ Tourismus den Boden. Als attraktiv werden dabei vor<br />

allem die Bauernhöfe und Landgüter angesehen, auf denen man die traditionelle Lebensart<br />

miterleben kann sowie die von (Wasser-)Mühlen geprägte landschaftliche Kulisse (vgl. EPD, 1997,<br />

S. 115).<br />

War Twente bisher vor allem als Naherholungsgebiet <strong>für</strong> Tagesreisen interessant, nimmt seit Beginn<br />

<strong>der</strong> 1990er Jahre <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Menschen zu, die dort ihre Ferien verbringen. Von 1992 bis 1995<br />

stieg <strong>der</strong> Anteil Twentes an den insgesamt innerhalb <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande verbrachten Urlauben von 2,9%<br />

auf 3,5% (vgl. EPD, 1997, S. 111).<br />

Die ländliche Prägung macht Twente überdies als Wohngebiet interessant. Die Lebenshaltungskosten<br />

sind relativ niedrig und die drei größeren Städte bieten Kultur, aber wichtiger noch Arbeitsplätze.<br />

Twente ist eine <strong>der</strong> wichtigsten Industrieregionen in den Nie<strong>der</strong>landen. Die bedeutsamsten Zweige<br />

sind die Genußmittel-, Chemie- und Kunststoffindustrie, vor allem aber die Metall-Elektro-Industrie.<br />

Insgesamt tragen diese Branchen zu 19,2% aller Beschäftigungsmöglichkeiten in <strong>der</strong> Region Twente<br />

bei.<br />

Trotz des hohen Stellenwerts innerhalb <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande ist eine anhaltende Abnahme <strong>der</strong><br />

Industriearbeitsplätze festzustellen. Zwischen 1991 und 1994 war ein Rückgang <strong>der</strong><br />

Industriebeschäftigung von 2,1% zu verzeichnen. Das bedeutet, daß in diesem Zeitraum 3000<br />

Arbeitsplätze verloren gingen. Zwischen 1994 und 1995 betrug <strong>der</strong> Rückgang sogar 4%.<br />

Die größten Verluste sind dabei in <strong>der</strong> Textilindustrie (-18% aller Industriearbeitsplätze zwischen<br />

1991 und 1994), in <strong>der</strong> Chemieindustrie (-6,3%), <strong>der</strong> Gummi- und Kunststoffindustrie (-5,7%) und<br />

im Metall-Elektro-Sektor (-6,3%) zu finden (vgl. EPD, 1997, S,11-13).<br />

3 Messung bezieht sich auf jeweils Ende Juni


19<br />

Trotz eines Zuwachses an offenen Stellen seit 1993 konnten diese Verluste nur unzureichend<br />

kompensiert werden.<br />

Um diesem Problem zu entgegnen, wurde eine mittelfristige ökonomische Strategie, ‚Twente tot<br />

2000‘, entworfen, die zum Ziel hat, ein höheres Bruttoregionalprodukt zu erreichen und mehr<br />

Arbeitsplätze zu schaffen. Analog zu den chancenreichen und ausbaufähigen Sektoren wurden vier<br />

Entwicklungslinien festgelegt:<br />

Twente als Transport- und Distributionsregion,<br />

Twente als industrielle Region,<br />

Twente als touristische Region und<br />

Twente als innovative und dienstleistende Region.<br />

(Vgl. Strategische Visie, 1994, S. I-III).<br />

Das operationelle Programm, das ‚Enig Programmerings Document‘ (EPD), ist auf diesen<br />

Wirtschaftsplan abgestimmt. Übergeordnete Zielsetzungen sind, daß das Wachstum des<br />

Bruttoregionalproduktes mindestens auf dem gleichen Niveau liegen muß wie das nationale<br />

Wachstum, die regionale Arbeitslosigkeit 1998 nicht mehr als 0,5%-Punkte über dem nationalen<br />

Durchschnitt liegen darf und daß vor allem die Arbeitslosenraten <strong>der</strong> drei großen Gemeinden auf ein<br />

Minimum beschränkt werden.<br />

(vgl. Ex-ante-evaluatie, 1997, S. 7)<br />

Im EPD sind die drei Sektoren Transport und Distribution, Industrie und Tourismus als vorrangig zu<br />

för<strong>der</strong>nde Sektoren aufgenommen. Der Dienstleistungsgedanke und die Entwicklung von innovativen<br />

Techniken wurden in diese Prioritäten integriert, in denen jeweils die gleichen thematischen<br />

Schwerpunkte gesetzt werden:<br />

Hardware: Verbesserung/Ausweitung <strong>der</strong> Infrastruktur, <strong>der</strong> Gewerbegebiete, <strong>der</strong> Betriebsansiedlung<br />

Software: Unterstützung <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

Humanware: Schulung und Training von Arbeitskräften, und<br />

Promoware: Werbung <strong>für</strong> die Region.<br />

(Vgl. Ex-ante-evaluatie, 1997, S. 3-9).<br />

Insgesamt sollen durch diese Aktionen zwischen 1994 und 1998 mindestens 2.100 Arbeitsplätze<br />

entstehen. Man konzentriert sich dabei eher auf kleinere und mittlere Betriebe. Deren Anteil an<br />

diesem Wachstum soll 70% betragen.


Mitteleres <strong>Ruhr</strong>gebiet/Nordrhein-Westfalen<br />

20<br />

Auch die Ziel-2-Gebiete Nordrhein-Westfalens sind aus europäischer Sicht verkehrstechnisch zentral<br />

angebunden. Sie liegen im Schnittpunkt zweier bedeutsamer Verkehrsachsen, <strong>der</strong> Rheinschiene – von<br />

<strong>der</strong> Randstad Holland über das Rhein-/<strong>Ruhr</strong>- sowie das Rhein-/Main-Gebiet, Süddeutschland und die<br />

Schweiz nach Italien – und <strong>der</strong> Ost-West-Achse – Paris-Brüssel-Rhein-/<strong>Ruhr</strong>-Gebiet-Berlin-<br />

Warschau. Damit besteht eine gute direkte Verbindung zu den Wirtschaftszentren Düsseldorf und<br />

Köln, den Wirtschaftszentren <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande und Belgiens, aus denen bedeutsame<br />

Entwicklungsimpulse erwartet werden (vgl. Operationelles Programm, 1997, S. 38).<br />

Nicht nur die Verkehrsinfrastruktur, son<strong>der</strong>n auch die Forschungs- und Technologieinfrastruktur ist<br />

auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Stärken <strong>der</strong> Ziel-2-Gebiete Nordrhein-Westfalens zu verbuchen. Aufgrund <strong>der</strong><br />

jahrzehntelangen Vorherrschaft <strong>der</strong> Montan- und Stahlindustrie ist dabei das Angebot an technischen<br />

und naturwissenschaftlichen Studiengängen an den fünf Universitäten und den Fachhochschulen sehr<br />

groß. Neben den Universitäten tragen die Technologiezentren und die zahlreichen<br />

Forschungsinstitute maßgeblich zur technologischen Entwicklung bei (vgl. Operationelles Programm,<br />

1997, S. 40-41).<br />

Die bisherige Dominanz des Bergbaus und an<strong>der</strong>er Grundstoffindustrien hat aber überwiegend<br />

nachteilige Auswirkungen auf die Beschäftigung.<br />

Im produzierenden Gewerbe waren in Nordrhein-Westfalen 1995 im Vergleich zu 1991 372.594<br />

(-13%) weniger Personen beschäftigt. Im <strong>Ruhr</strong>gebiet ging zwischen 1991 und 1995 fast je<strong>der</strong> 5.<br />

Arbeitsplatz (-17,1%) verloren.<br />

Diese Verluste konnten bisher durch den Beschäftigungszuwachs im Tertiärsektor nur unzureichend<br />

kompensiert werden. In Nordrhein-Westfalen ist in demselben Zeitraum die Zahl <strong>der</strong> in<br />

Dienstleistungsberufen Beschäftigten um 160.561, im <strong>Ruhr</strong>gebiet um 31.599 gestiegen (vgl.<br />

Operationelles Programm, 1997, S. 10).<br />

Nicht nur quantitativ ist <strong>der</strong> Ausgleich unzureichend. Das niedrige formale Qualifikationsniveau und<br />

die vorwiegend auf die Belange <strong>der</strong> Großunternehmen abgestellten gewerblichen Ausbildungen<br />

haben eine Monostruktur zur Folge, die <strong>für</strong> die Anpassung <strong>der</strong> Qualifikationen – vor allem bei älteren<br />

Arbeitnehmern – ein enormes Hin<strong>der</strong>nis darstellt.<br />

Die Präferenz dieser Unternehmen <strong>für</strong> männliche Arbeitnehmer hat bewirkt, daß die Erwerbsquote<br />

<strong>der</strong> Frauen bis heute in Relation zum Bundesgebiet unterdurchschnittlich ist. (Bund: 42,8%; NW:<br />

40,9%, <strong>Ruhr</strong>gebiet: 39,8%) (vgl. Operationelles Programm, 1997, S. 10, S. 39).


21<br />

Ein weiteres großes Problem stellen die Umweltschäden dar, die durch diese Unternehmen<br />

entstanden sind. Die meisten Flächen müssen erst saniert werden, bevor sie wie<strong>der</strong> gewerblich<br />

genutzt werden können. Darüber hinaus ist vor allem das <strong>Ruhr</strong>gebiet wegen dieser Belastungen auch<br />

noch immer nicht als Wohnraum attraktiv (vgl. Operationelles Programm, 1997, S.39/40).<br />

Die EU-Ziel-2-För<strong>der</strong>ung konzentriert sich auf diese Probleme. Im Operationellen Programm werden<br />

daher als Oberziele definiert, zukunftsfähige Arbeitsplätze, auch in bezug auf die Chancengleichheit<br />

von Männern und Frauen zu schaffen und zu sichern sowie die wirtschaftliche Entwicklung durch<br />

Umstrukturierung und Mo<strong>der</strong>nisierung zu forcieren.<br />

Für den Einsatz des EFRE werden drei Handlungsschwerpunkte mit folgenden Unterpunkten gesetzt:<br />

1. Diversifizierung <strong>der</strong> Wirtschaftsstrukturen in den Umstellregionen insbeson<strong>der</strong>e durch<br />

Unterstützung <strong>der</strong> KMU<br />

1.1 Gewerbliche Investitionen<br />

1.1.1 Investitionszuschüsse<br />

1.1.2 Zinsvergünstigungen<br />

1.1.3 Kredite innovativer Technologien<br />

1.1.4 Beschäftigungsinitiativen<br />

1.1.5 Produktive Investitionen im Umweltbereich<br />

1.2 Software-Aktivitäten<br />

1.2.1 Technologie und Innovation<br />

1.2.2 Beratung und Information<br />

1.2.3 Regionalstellen Frau/Wirtschaft<br />

1.2.4 Entwicklungsagenturen<br />

1.2.5 Touristisches Marketing<br />

2. Anpassung und Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> wirtschaftsbezogenen Infrastruktur<br />

2.1 Technische Infrastrukturen<br />

2.2 Aus- und Weiterbildung<br />

2.3 Verkehrsinfrastrukturen<br />

2.4 Touristische Infrastrukturen<br />

2.5 Grenzüberschreitende Entwicklung<br />

3. Wie<strong>der</strong>nutzbarmachung von Brachflächen, Verbesserung ihres Umfeldes und <strong>der</strong> Umweltqualität<br />

sowie Abbau von entwicklungsstörenden Folgen <strong>der</strong> Frühindustrialisierung<br />

3.1 Wie<strong>der</strong>nutzbarmachung von Industrieflächen<br />

3.2 Wie<strong>der</strong>nutzbarmachung von Gebäuden


3.3 Verbesserung <strong>der</strong> Umwelt<br />

3.4 Rationalisierung <strong>der</strong> Energieverwendung.<br />

22


23<br />

ESF-gestützt ist die För<strong>der</strong>ung des Humankapitals. Dieser Handlungsschwerpunkt ist zur<br />

Unterstützung <strong>der</strong> drei EFRE-kofinanzierten Handlungsschwerpunkte gedacht. Die Unterpunkte des<br />

Handlungsschwerpunktes 4 ‘För<strong>der</strong>ung des Humankapitals’ greifen diese daher thematisch wie<strong>der</strong><br />

auf:<br />

4.1 Branchendiversifizierung<br />

4.2 Ökologische und soziale Erneuerung<br />

4.3 Transnationale Aktivitäten<br />

4.4 Programminfrastruktur und Studien.<br />

Allein durch Investitionszuschüsse (s. För<strong>der</strong>baustein 1.1.1) konnten zwischen 1994 und 1996 1.508<br />

Arbeitsplätze neu geschaffen und 909 Stellen gesichert werden. Die Zinsvergünstigungen, die im<br />

Rahmen EFRE-gestützter Projekte eingeräumt wurden, trugen im wesentlichen zur Sicherung von<br />

Arbeitsplätzen bei. Dadurch konnten 4.494 Stellen im o.g. Zeitraum erhalten werden (vgl.<br />

Zwischenevaluierung, Zusammenfassung, 1997, S.18).<br />

3.3 Instanzen in den Regionen<br />

Twente/Overijsel<br />

Die Regionalstruktur <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande wird von Provinzen, die sich wie<strong>der</strong>um in Regionen und<br />

Kommunen unterteilen, ausgefüllt.<br />

Die Position <strong>der</strong> Provinzen und <strong>der</strong> Regionen in den Nie<strong>der</strong>landen erklärt sich aus <strong>der</strong> historischen<br />

Entwicklung. Nach <strong>der</strong> Separation von den Spaniern im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t schlossen sich die<br />

nie<strong>der</strong>ländischen Provinzen zu einem fö<strong>der</strong>ativen Staatenbund zusammen, in dem den Provinzen<br />

Staatsqualität zukam. Nach <strong>der</strong> Eroberung durch die Franzosen im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde dieser<br />

Staatenverband nach französischem Vorbild in einen Einheitsstaat verwandelt. Die Staatshoheit ging<br />

dabei von den Provinzen auf den Gesamtstaat über (vgl. Dörnhöfer, 1995, S. 120/121).<br />

Diese Strukturen sind bis heute erhalten geblieben. Den elf Provinzen kommt verfassungsrechtlich<br />

keine Staatshoheit zu. Der Staat ist jedoch verpflichtet, möglichst viele Befugnisse zu delegieren und<br />

damit zu dezentralisieren. Autonom sind die Provinzen in <strong>der</strong> Umsetzung ihres Haushalts. Die<br />

Dezentralisierung und die Haushaltsautonomie setzen sich auf den unteren Ebenen <strong>der</strong> Regionen und<br />

<strong>der</strong> Kommunen weiter fort (vgl. Dörnhöfer; 1995, S. 122).<br />

Entsprechend wurde auch die Regionalför<strong>der</strong>ung dezentralisiert. Sowohl ESF- als auch EFRE-Mittel<br />

werden autonom verwaltet.


24<br />

Die Zuständigkeit liegt formal in <strong>der</strong> Hand des Arbeits- und Sozial- bzw. des<br />

Wirtschaftsministeriums, die Kompetenzen wurden jedoch fast vollständig in die Provinz bzw. in die<br />

Region verlagert. Formal verantwortliche Stelle <strong>für</strong> den EFRE ist dabei die Provincie Overijssel,<br />

vergleichbar mit einem deutschen Regierungspräsidium und <strong>für</strong> den ESF das 'Regionaal Bureau<br />

Arbeidsvoorziening (RBA)', das im wesentlichen die Aufgaben eines Landesarbeitsamtes<br />

wahrnimmt. Diese beiden Institutionen sind die bewilligenden Verwaltungen. Organisatorisch sind<br />

ihnen das 'EFRO Programma Bureau' bzw. das 'ESF Programma Bureau' angeglie<strong>der</strong>t. In <strong>der</strong><br />

Erfüllung ihrer Aufgaben sind sie jedoch autonom und bestimmen somit letztendlich die<br />

Mittelbewilligung. So werden von ihnen auch die Veranschlagungen im Haushaltsplan<br />

vorgenommen. Zwischen den beiden Büros besteht eine enge Zusammenarbeit (vgl. ESF-<br />

Programmabureau, 1997, S.3).<br />

Das 'ESF Programmabureau' übernimmt zusätzlich alle Zuarbeit zur 'Stuurgroep' sowie die Beratung<br />

von Antragstellern. Die Sekretariatsarbeiten sind auf seiten des EFRE abgetrennt. Hier<strong>für</strong> wurde<br />

eigens ein 'Programmasecretariat EFRO' eingerichtet, das <strong>der</strong> Provinz direkt angeglie<strong>der</strong>t ist.<br />

Die Auswahl <strong>der</strong> Projekte, die <strong>der</strong> 'Stuurgroep' vorgelegt werden, erfolgt nach einem<br />

Kriterienkatalog, <strong>der</strong> auf einem Erfahrungsquerschnitt bereits durchgeführter Projekte basiert.<br />

Für die Ziel-2-För<strong>der</strong>ung existiert sowohl <strong>für</strong> den EFRE wie auch <strong>für</strong> ESF ein gemeinsames<br />

Gremium, die 'Stuurgroep', die über die Projektanträge entscheidet. In <strong>der</strong> ‚Stuurgroep‘ sind alle<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>partner, das sind Vertreter <strong>der</strong> Kammern, <strong>der</strong> Arbeitgeberverbände sowie <strong>der</strong><br />

Gewerkschaften, vertreten. Zusätzlich gehören aber auch Vertreter des RBA, <strong>der</strong> Provinz und <strong>der</strong><br />

Ministerien zur Belegschaft. Beisitzen können auch Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Generaldirektorate <strong>der</strong> Europäischen Kommission.<br />

Die 'Stuurgroep' tagt alle zwei Monate einmal. Als Kontrollinstanz übergeordnet ist ihr das 'Comité<br />

van Toezicht', das darüber wacht, daß die Ziele des EPD erfüllt werden. Das Comité tagt zweimal pro<br />

Jahr.<br />

In <strong>der</strong> 'Stuurgroep' wird im Konsens über die vorliegenden Projekte entschieden. Zunächst wird i.d.R.<br />

zu EFRE-Programmen, dann zu ESF- und schließlich zu Kombi-Projekten EFRE/ESF Stellung<br />

genommen.<br />

Die Anträge können nach <strong>der</strong> Sitzung von den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> 'Programma Bureaus' direkt zur<br />

Bewilligung geführt werden (vgl. ESF-Programmabureau, 1997, S. 4-7).


Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet/Nordrhein-Westfalen<br />

25<br />

Schaubild 1: Organisationsstruktur Ziel-2-Gebiet Twente<br />

(Quelle: On-going evaluatie, 1996, S. 25)<br />

Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den ältesten fö<strong>der</strong>alen Staaten <strong>der</strong> EU. Das heißt, daß<br />

Regionalisierung und Dezentralisierung traditionell verankert sind.<br />

Auch die EU-För<strong>der</strong>ung liegt im wesentlichen in <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>. Sind die<br />

Bundesministerien direkte Empfänger <strong>der</strong> Gel<strong>der</strong>, die aus den Strukturfonds bereitgestellt werden,<br />

wird die Planung und Implementation vollständig von den Landesminsterien übernommen.<br />

Die Verwaltung des ESF fällt in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit<br />

und Soziales (MAGS), <strong>für</strong> den EFRE in die Zuständigkeit des Ministeriums <strong>für</strong> Wirtschaft und<br />

Mittelstand, Technologie und Verkehr (MWMTV) des Landes Nordrhein-Westfalen. Die formalen<br />

Aufgaben bei<strong>der</strong> Ministerien liegen in <strong>der</strong> Erstellung des Operationellen Programms, in dem die<br />

För<strong>der</strong>schwerpunkte festgelegt werden, und in <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungsrichtlinien. Das MAGS<br />

nimmt darüber hinaus auch die Quotierung <strong>der</strong> Mittel <strong>für</strong> die 12 Ziel-2-Regionen Nordrhein-<br />

Westfalens vor.


26<br />

Auch wenn in Deutschland viele Befugnisse in <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> liegen, sind die<br />

Strukturen innerhalb dieser jedoch vielfach hierarchisch. Der Umgang mit nachgeordeneten<br />

Verwaltungseinheiten war bzw. ist noch vom ‚top-down‘-Prinzip geprägt. Diese<br />

Verwaltungsstrukturen entsprechen vielfach nicht mehr den Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />

In Nordrhein-Westfalen wurde Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre die Regionalisierung <strong>der</strong> Strukturför<strong>der</strong>ung<br />

reformiert. Der Ursprung dieser Reform liegt in <strong>der</strong> ‚Zukunftsinitiative Montanregionen‘ (ZIM), die<br />

im Zuge von Zechenstillegungen und Betriebsschließungen großer Unternehmen, vor allem in <strong>der</strong><br />

Stahlindustrie, entstand. Der Erfolg von ZIM veranlaßte die Landesregierung das Konzept auf ganz<br />

Nordrhein-Westfalen auszuweiten.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> ‚Zukunftsinitiative <strong>für</strong> die Regionen Nordrhein-Westfalens‘ (ZIN) wurden 15<br />

Regionen eingerichtet. In je<strong>der</strong> dieser Regionen tagt ein Regionaler Beirat, <strong>der</strong> Empfehlungen zu den<br />

Strukturprogrammen gibt (vgl. Blotevogel, 1994, S.16/17).<br />

EFRE<br />

Analog werden die EFRE-Mittel verwaltet. In den Regionalkonferenzen wird über die<br />

Strukturrelevanz von Projekten beraten. Die Beschlüsse <strong>der</strong> Konferenzen haben lediglich<br />

empfehlenden Charakter. Die Bewilligung und die letztendliche Entscheidung über die För<strong>der</strong>barkeit<br />

eines Projektes liegen bei <strong>der</strong> Landesregierung.<br />

Der EFRE wird überwiegend als Zusatzför<strong>der</strong>ung zu den existierenden Landesprogrammen genutzt.<br />

Daher stützt sich auch das Bewilligungsverfahren auf bereits bestehende Strukturen. Das<br />

Wirtschaftsministerium ist die fe<strong>der</strong>führende Stelle bei <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>schwerpunkte des<br />

Operationellen Programms sowie bei <strong>der</strong> Bewilligung. Das heißt, Mittel <strong>für</strong> Projekte, die in seine<br />

Zuständigkeit fallen, werden direkt ausgezahlt. Fällt die För<strong>der</strong>ung eines Projektes in den<br />

Fachbereich eines an<strong>der</strong>en Landesministeriums, so werden die För<strong>der</strong>mittel an dieses Ministerium<br />

zur Bewilligung verteilt.<br />

Die verwaltungsmäßige Durchführung einiger Programmteile wird an dem Ministerium<br />

unterstehende Institutionen, wie die Bezirksregierungen, die Investitionsbank Nordrhein-Westfalen<br />

und an<strong>der</strong>e fachlich zuständige Ämter, delegiert. Auch die Prüfung <strong>der</strong> Verwendungsnachweise<br />

obliegt diesen Stellen.<br />

Die abschließende Kontrolle <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Haushaltsmittel erfolgt durch den<br />

Landesrechnungshof.


(1) (2)<br />

27<br />

(1) Im Fall <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung gewerblicher Investitionen<br />

(2) Im Fall <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung kommunaler Infrastruktur<br />

ESF<br />

Ausgabetitel<br />

Kofinanzierungsmittel<br />

TGr. 62 NRW-Anteil<br />

Investitionsbank<br />

NRW<br />

Hausbank<br />

Schaubild 2: Darstellung <strong>der</strong> Finanzströme (EFRE)<br />

(vgl. Operationelles Programm, 1996, S. 175)<br />

Für die Verwaltung des ESF wurden die Ziel-2-Gebiete Nordrhein-Westfalens in 12 Regionen<br />

unterteilt. Fünf <strong>der</strong> 15 ZIN-Regionen decken sich nahezu mit diesen.<br />

Zentrale Akteure bei <strong>der</strong> Implementation ESF-gestützter Projekte sind auf regionaler Ebene die<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>konferenzen o<strong>der</strong> Regionalen Beiräte, die Regionalsekretariate und die<br />

Versorgungsämter.<br />

EU<br />

Bund EU<br />

Landeshaushalt<br />

Einnahme<br />

Kapitel 08 031<br />

Titel 346 11<br />

MWMTV<br />

Die <strong>Arbeitsmarkt</strong>konferenzen - in einigen Regionen heißen diese Regionale Beiräte - sind<br />

Ausschüsse, die über die Durchführbarkeit von Projekten unter arbeitsmarktpolitischen und<br />

strukturrelevanten Gesichtspunkten entscheiden.<br />

Ausgabetitel<br />

EFRE-Mittel<br />

TGr.63 EU-Anteil<br />

Zuwendungsempfänger Zuwendungsempfänger


28<br />

In <strong>der</strong> Region Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet wurde dieses Gremium unter dem Namen ‚Facharbeitskreis <strong>für</strong><br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>fragen‘ eingerichtet. Der Facharbeitskreis setzt sich zusammen aus Vertretern <strong>der</strong><br />

betreffenden Kommunen, <strong>der</strong> Kammern, des DGB, <strong>der</strong> Wohlfahrtsverbände und <strong>der</strong><br />

Arbeitsverwaltungen 4 . Er tagt lediglich viermal im Jahr.<br />

Um den Facharbeitskreis zu entlasten und die Effizienz <strong>der</strong> Sitzungen zu erhöhen wurde ein<br />

zusätzlicher Arbeitsausschuß eingerichtet, <strong>der</strong> eine qualitative Vorprüfung <strong>der</strong> beantragten Projekte<br />

vornimmt. Mitglie<strong>der</strong> sind je ein Vertreter des Sozialdienstes Katholischer Männer, stellvertretend<br />

<strong>für</strong> die Freien Träger, des DGB, <strong>der</strong> Geschäftsführer des Bereichs Bildung <strong>der</strong> IHK, ein<br />

Abteilungsleiter des Arbeitsamtes Bochum sowie <strong>der</strong> Sozialdezernent <strong>der</strong> Stadt Herne, <strong>der</strong><br />

gleichzeitig die Funktion des Vorsitzenden des Facharbeitskreises ausübt.<br />

Die Beurteilung <strong>der</strong> Projekte findet in Anlehnung an die gesetzlichen Bestimmungen des<br />

Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzes bzw. des SGB III statt. Die Einschätzung <strong>der</strong> arbeitsmarktpolitischen<br />

Sinnhaftigkeit eines Projektes erfolgt dabei über die Arbeitsverwaltung.<br />

Die Zuarbeit zum Facharbeitskreis bzw. zum Arbeitsausschuß leistet das Regionalsekretariat.<br />

Regionalsekretariate wurden in allen 12 För<strong>der</strong>gebieten eingerichtet. Sie haben nebst<br />

Dienstleistungsfunktion <strong>für</strong> die Regionalen Beiräte die Aufgabe, Antragsteller zu beraten. Der<br />

Zuständigkeitsbereich <strong>der</strong> Regionalsekretariate beschränkte sich zunächst nur auf die ESF-Mittel, die<br />

<strong>für</strong> diese Ziel-2-Region zur Verfügung stehen, sowie auf die <strong>für</strong> Qualifizierungsmaßnahmen<br />

unterstützend bereitgestellten Mittel des EFRE.<br />

Das Regionalsekretariat des Mittleren <strong>Ruhr</strong>gebiets besteht aus drei Mitarbeitern und ist institutionell<br />

<strong>der</strong> Stadt Bochum angeglie<strong>der</strong>t. Bestand zunächst eine direkte Anbindung an das Amt <strong>für</strong><br />

Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, ist es seit 1994 dem Büro des Oberbürgermeisters angeglie<strong>der</strong>t.<br />

Zum gleichen Zeitpunkt wurde <strong>der</strong> Entscheidungsspielraum des Regionalsekretariates auf die<br />

zielgruppenorientierten Programme (Ziel 3, Ziel 4) ausgeweitet.<br />

Der Weg eines Projektantrages verläuft zunächst über das Regionalsekretariat. Die vorliegenden<br />

Anträge werden zusammenfassend als Sitzungsvorlage des Arbeitsausschusses vorbereitet. Sind<br />

Modifikationen an den Anträgen vorzunehmen, wird das Regionalsekretariat damit beauftragt,<br />

entsprechende Abstimmungen mit den Projektträgern vorzunehmen. Wurde <strong>der</strong> Antrag<br />

nachgebessert, wird er dem Facharbeitskreis <strong>für</strong> <strong>Arbeitsmarkt</strong>fragen zur Abstimmung vorgelegt.<br />

Nimmt <strong>der</strong> Facharbeitskreis den Antrag an - die Abstimmung muß im Konsens erfolgen -, werden die<br />

Antragsteller durch das Regionalsekretariat über das Ergebnis unterrichtet. Über die Anträge, denen<br />

4<br />

In <strong>der</strong> Region Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet ist das gesamte Gebiet des Arbeitsamtes Bochum enthalten. Die Städte Witten und<br />

Hattingen gehören zum Arbeitsamtsbezirk Hagen.


29<br />

Zustimmung erteilt wurde, wird eine Prioritätenliste erstellt und an das Landesversorgungsamt zur<br />

Bewilligung weitergeleitet.<br />

Das Landesversorgungsamt ist als direkter Arm des MAGS mit <strong>der</strong> Mittelbewilligung beauftragt.<br />

Ihm obliegt auch die Kontrolle <strong>der</strong> Mittelbewirtschaftung.<br />

3.4 Mittelbewirtschaftung<br />

Schaubild 3: Programmimplementation in NRW<br />

(vgl. Zwischenevaluierung, Abschlußbericht, 1997, S.70)<br />

Grundlage ist die vergangene För<strong>der</strong>periode <strong>der</strong> Jahre 1994 - 1996. Ein gemeinsames Problem aller<br />

Regionen war zunächst, daß die veranschlagten Mittel erst sehr spät, das heißt im Herbst 1994, von<br />

<strong>der</strong> Europäischen Kommission genehmigt wurden, so daß die Mittelbewilligungen, die zum Beginn<br />

1994 zugesagt wurden, erst Mitte 1995 erfolgen konnten.<br />

Twente<br />

In Twente konnten trotzdem alle ESF- Mittel fristgerecht gebunden werden. Bereits Mitte Juni 1996<br />

war das Kontingent von 55 Mio. Gulden (1 Gulden entspricht 0,89 DM, Kurs 5/98) zu 99%<br />

ausgeschöpft.


30<br />

Mehr Probleme gab es bei <strong>der</strong> Implementation des EFRE. Hier waren Mitte 1996 erst 61% des<br />

Gesamtetats, <strong>der</strong> sich auf eine Höhe von 64,732 Mio. Gulden beläuft, vergeben, wobei <strong>der</strong> Rest bis<br />

zum Ende des Jahres zugesagt war. Insgesamt wurden 80 Projekte initiiert.<br />

Ein Problem bestand in <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Priorität 1 (Transport und Distribution). In diesem<br />

Schwerpunkt lag die Ausschöpfung Mitte April 1996 erst bei 39%. Problematisch stellten sich drei<br />

komplexe Infrastrukturprojekte dar. Sie durften nur per Ausschreibungsverfahren vergeben werden,<br />

die ungefähr vier Monate beanspruchten. Folge war, daß diese Projekte nicht vor dem 1. Januar 1997<br />

starten konnten.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Priorität 2 (Industrie) hat eine Verschiebung stattgefunden. Wurden die Budgets <strong>für</strong><br />

Technologie und wissenschaftliche Infrastruktur und Promotion leicht überschritten, konnten diese<br />

durch den Schwerpunkt Betriebsansiedlung kompensiert werden. Insgesamt wurden die Mittel bis<br />

zum 31.12.1996 ausgeschöpft.<br />

Dasselbe Ergebnis wurde <strong>für</strong> Priorität 3 (Tourismus) erreicht. Hier waren die EFRE-Mittel <strong>für</strong> alle<br />

Schwerpunkte realistisch veranschlagt worden.<br />

Bereits im April 1996 war das Gesamtbudget des ESF bis auf 3% ausgeschöpft. Zum Ende 1996<br />

wurden die Budgets aller drei Prioritäten in einigen Schwerpunkten überschritten. Insgesamt betrug<br />

die Überschreitung 5%.<br />

Eine Unterauslastung war bei <strong>der</strong> Priorität 1 im Bereich Ausbildung zu verzeichnen. Hier stellte die<br />

Kofinanzierung durch die betroffenen Parteien ein Problem dar (vgl. On-going evaluatie, 1996,<br />

S.17/18 und jaarrapportage 1996, S. 17-20).<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Da entsprechende Daten <strong>für</strong> die Region Mittleres <strong>Ruhr</strong>gebiet <strong>für</strong> mich nicht erhältlich waren, muß ich<br />

mich bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Mittelausschöpfung auf die Daten <strong>für</strong> das gesamte Ziel-2-Gebiet NRWs<br />

beschränken.<br />

Das Gesamtvolumen <strong>für</strong> den EFRE betrug in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>periode 1994-1996 458 Mio. DM. Ca. 10%<br />

des Gesamtvolumens konnten nicht gebunden werden.<br />

Dabei weisen die verschiedenen Ausschöpfungsgrade unterhalb <strong>der</strong> För<strong>der</strong>schwerpunkte große<br />

Differenzen auf.<br />

Im Handlungsschwerpunkt 1 (Diversifizierung <strong>der</strong> Industriestrukturen) wurden <strong>für</strong> den<br />

För<strong>der</strong>schwerpunkt Gewährung von Investitionszuschüssen 26,4 Mio. DM mehr benötigt als<br />

ursprünglich veranschlagt. Das ist mehr als das Doppelte des ursprünglich veranschlagten Betrages<br />

(Soll: 10 Mio. DM). Die Budgets <strong>für</strong> die Unterpunkte Zinsvergünstigungen <strong>für</strong> Existenzgrün<strong>der</strong> und


31<br />

För<strong>der</strong>ung von Beschäftigungsinitiativen lagen hingegen mit 8,5 Mio. DM (43 %) und 7,8 Mio. DM<br />

(77,8 %) unterhalb <strong>der</strong> veranschlagten Summe.<br />

Im Handlungsschwerpunkt 2 (KMU-Infrastruktur) wurde die Planung um 65,41 Mio. DM verfehlt.<br />

Das sind 29,6 % <strong>der</strong> geplanten Mittel. Unter den Erwartungen lagen vor allem die Bereiche<br />

Technische Infrastruktur und Verkehrsinfrastruktur.<br />

Im Handlungsschwerpunkt 3 (Wie<strong>der</strong>nutzbarmachung von Flächen) wurde das Soll um 3,5 Mio. DM<br />

o<strong>der</strong> 2 % überschritten.<br />

Für 50 Mio. DM <strong>der</strong> Mittel, die nicht verwendet wurden, wurde eine Verlängerung des<br />

Bewilligungszeitraums abgelehnt.<br />

Die Ursachen dieser Unterausschöpfung werden in <strong>der</strong> späten Zuteilung <strong>der</strong> Mittel seitens <strong>der</strong> EU<br />

gesehen.<br />

Darüber hinaus wurden die Programme nicht so angenommen, wie erwartet. Die mit <strong>der</strong> Evaluierung<br />

beauftragten Institute stellten fest, daß die För<strong>der</strong>möglichkeiten den an <strong>der</strong> Implementation<br />

beteiligten Akteuren und damit den potentiellen Empfängern nicht transparent sind (vgl.<br />

Zwischenevaluierung, Zusammenfassung,1997, S. 14-16, 56-57).<br />

Die Umsetzung <strong>der</strong> ESF-finanzierten Programmteile erreichte insgesamt ihr Ziel. Zwar waren auch<br />

hier Diskrepanzen zwischen verschiedenen För<strong>der</strong>schwerpunkten zu verzeichnen, jedoch konnte das<br />

Programmvolumen bis Ende 1996 insgesamt ausgeschöpft werden (vgl. Zwischenevaluierung,<br />

Zusammenfassung, 1997, S.16).<br />

4 Vergleich <strong>der</strong> Regionen<br />

Stellt man die soziodemographischen Strukturen <strong>der</strong> Regionen gegenüber, fallen zunächst die<br />

Größenordnungen <strong>der</strong> Flächen, die in die Strukturför<strong>der</strong>ung einbezogen sind, und <strong>der</strong><br />

Bevölkerungsdichte ins Auge. Im Mittleren <strong>Ruhr</strong>gebiet leben auf einer nahezu halb so großen Fläche<br />

fast doppelt so viele Menschen. Dabei muß auch die Heterogenität <strong>der</strong> Bevölkerungsstruktur<br />

innerhalb <strong>der</strong> Region beachtet werden. Den Ballungsgebieten Bochum und Herne sind die wesentlich<br />

dünner besiedelten Städte Hattingen und Witten zugeordnet.<br />

Das Mittlere <strong>Ruhr</strong>gebiet befindet sich somit in einer schwierigeren Problemlage als Twente. Die zur<br />

Verfügung stehenden Flächen bieten wenig Platz <strong>für</strong> die Neuansiedlung von Betrieben. Die<br />

strukturellen Abweichungen müssen in das Entwicklungskonzept miteinbezogen werden. Bei


32<br />

anhaltendem Stellenabbau und entsprechend hoher Arbeitslosigkeit gestaltet sich die Unterbringung<br />

<strong>der</strong> Erwerbsbevölkerung daher schwieriger als in Twente.<br />

Auch wenn Twente einen enormen Rückgang <strong>der</strong> Industriearbeitsplätze zu tragen hatte, ist dort die<br />

Talsohle des wirtschaftlichen Abschwungs bereits überschritten. Die Schließungen von<br />

Textilunternehmen, die den größten Teil des Stellenabbaus ausmachten, sind abgeschlossen.<br />

Im Transport- und im Dienstleistungssektor haben sich bereits neue Unternehmen etabliert und<br />

expandieren weiterhin (vgl. EPD, 1997, S. 11-13).<br />

Die Lage in Nordrhein-Westfalen ist hingegen noch unsicher, da mit einem weiteren Rückgang <strong>der</strong><br />

Beschäftigung im Montan- und Stahlbereich zu rechnen ist (vgl. Operationelles Programm,1997, S.<br />

12).<br />

Die Zuteilung <strong>der</strong> EFRE-Mittel erfolgt in Twente wie in Nordrhein-Westfalen über die<br />

Wirtschaftsministerien, die <strong>der</strong> ESF-Mittel über die Arbeitsministerien.<br />

In Twente bzw. Overijssel erfolgt die weitere Aufgabenerledigung in den ‚Programmabureaus‘. Die<br />

Entscheidung über Projektanträge erfolgt in einem gemeinsamen Gremium, <strong>der</strong> ‚Stuurgroep‘. Ihr ist<br />

als Kontrollinstanz das ‚Comité van Toezicht‘ übergeordnet.<br />

In Nordrhein-Westfalen verläuft die Verwaltung des EFRE und des ESF getrennt über die den<br />

Ministerien nachgeordneten Ämter. Der EFRE ist dabei in die Verwaltungsabläufe <strong>der</strong><br />

Strukturför<strong>der</strong>programme des Landes integriert worden. Der ESF wird über die Regionalsekretariate,<br />

die Regionalen Beiräte (Facharbeitskreis <strong>für</strong> <strong>Arbeitsmarkt</strong>fragen und Arbeitsausschuß) und die<br />

Versorgungsämtern verwaltet.<br />

Die Organisationsstrukturen in den Regionen unterscheiden sich vor allem in <strong>der</strong> Delegation von<br />

Kompetenzen.<br />

In Twente wird dabei konsequent dem ‚bottom-up‘-Prinzip gefolgt. Das ‚ESF‘- und das ‚EFRO-<br />

Programmabureau‘ sind in <strong>der</strong> EU-För<strong>der</strong>ung die zentralen Akteure. Die Durchführung von<br />

Projekten liegt von <strong>der</strong> Beratung <strong>der</strong> Antragsteller über die Vorbereitung <strong>der</strong> Vorlagen bis hin zur<br />

Bewilligung <strong>der</strong> Anträge in ihren Händen. Sie stellen die Haushaltsplanungen auf und überwachen<br />

diese. Die ‚Stuurgroep‘ entscheidet über die Projektanträge. Die übergeordneten Stellen, die Provinz<br />

und vor allem die nationalen Ministerien verhalten sich zurückhaltend. Die ‚Programmabureaus‘<br />

sehen eher eine stärkere, unterstützende Einflußnahme als wünschenswert an, als daß sie sich<br />

kontrolliert fühlen.


33<br />

Lediglich das ‚Comité van Toezicht‘ übt eine stärkere Kontrolle aus. Beteiligt sind allerdings hier<br />

wie<strong>der</strong>um regionale Akteure (vgl.On-going evaluatie, 1996, S. 26-28).<br />

Mit <strong>der</strong> Regionalisierung wurde die Strukturpolitik auch in Nordrhein-Westfalen dezentralisiert.<br />

Dennoch ist die Hierarchie mit den Landesministerien als leitende Instanzen vorherrschend.<br />

Die Teilregionen, die EFRE-Mittel aus <strong>der</strong> Ziel-2-För<strong>der</strong>ung erhalten können, werden angehalten,<br />

Entwicklungskonzepte zu erstellen, die über ihre Struktur informieren und den Finanzbedarf<br />

festlegen. Jedoch werden die Informationen bisher zu wenig genutzt. Das Operationelle Programm<br />

wird auf das Gesamt-Ziel-2-Gebiet in Nordrhein-Westfalen abgestellt, ohne auf die spezifischen<br />

Belange einzugehen (vgl. Zwischenevaluierung, Zusammenfassung, 1997, S. 11-12).<br />

Die Teilregionen orientieren sich bei ihrer Finanzplanung an den För<strong>der</strong>schwerpunkten, die aufgrund<br />

<strong>der</strong> offenen Formulierung vielfältige Handlungsspielräume eröffnen. Sie gestalten diese nicht<br />

bedarfsgerecht, son<strong>der</strong>n nutzen diese Freiräume, um die Summe <strong>der</strong> För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> zu maximieren. Ein<br />

Ausgleich mit an<strong>der</strong>en Regionen wird dabei nicht in Betracht gezogen. Dies ist eine Ursache <strong>für</strong> die<br />

Über- bzw. Unterauslastung <strong>der</strong> Budgets, die <strong>für</strong> die jeweiligen Handlungsschwerpunkte zur<br />

Verfügung gestellt werden. Die Teilregionen sind <strong>für</strong> die Bewirtschaftung des Gesamtbudgets<br />

letztendlich nicht verantwortlich.<br />

Auch bei den örtlichen Gremien, die sich mit <strong>der</strong> EFRE-För<strong>der</strong>ung befassen, ist eine<br />

Dezentralsierung <strong>der</strong> Kompetenzen nicht zu verzeichnen. Die Sitzungsergebnisse <strong>der</strong><br />

Regionalkonferenzen haben lediglich empfehlenden Charakter, entschieden wird über Projektanträge<br />

im Ministerium.<br />

Im Bereich arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, das heißt dem Einsatz von ESF-Mitteln, ist die<br />

Dezentralisierung in Nordrhein-Westfalen weiter fortgeschritten. Die regionalen Akteure, im<br />

Mittleren <strong>Ruhr</strong>gebiet <strong>der</strong> Facharbeitskreis <strong>für</strong> <strong>Arbeitsmarkt</strong>fragen, entscheiden eigenständig über die<br />

Durchführung <strong>der</strong> Projekte. Dennoch werden Steuerungsmöglichkeiten zu wenig genutzt. Eine<br />

Ursache liegt in einer unzureichenden Bedarfsermittlung. Es existieren zu wenig Erfahrungswerte,<br />

um den Bedarf exakt erfassen zu können.<br />

Vor allem aber weist <strong>der</strong> Informationsfluß zwischen den regionalen Gremien, den beteiligten Ämtern<br />

und den Ministerien Mängel auf (vgl. Zwischenevaluierung, Zusammenfassung, 1997, S.39-42).<br />

Auch <strong>der</strong> Informationsfluß innerhalb <strong>der</strong> Ministerien weist Mängel auf. Im MWMTV befassen sich<br />

verschiedene Referate mit den einzelnen För<strong>der</strong>schwerpunkten. Das heißt, För<strong>der</strong>anträge werden in


34<br />

den jeweiligen Fachbereichen entschieden. Eine referatsübergreifende Zusammenarbeit war bisher<br />

nur in Ansätzen erkennbar.<br />

Auch im MAGS ist ein besserer Informationsfluß über die Programmimplementation wünschenswert.<br />

Dieser wird mittels eines verbesserten EDV-Einsatzes angestrebt (vgl. Zwischenevaluierung,<br />

Zusammenfassung, 1997, S. 43-46).<br />

Die EFRE-gestützten Programme wurden nicht den Erwartungen entsprechend angenommen. Die<br />

För<strong>der</strong>möglichkeiten sind vor allem kleineren Trägern und Unternehmen zu wenig bekannt.<br />

Ein Grund <strong>für</strong> die fehlende Transparenz liegt in <strong>der</strong> Komplexität des operationellen Programms<br />

Nordrhein-Westfalens. In <strong>der</strong> nächsten Phase wird daher eine Zusammenlegung einiger<br />

För<strong>der</strong>schwerpunkte überlegt. So soll beispielsweise <strong>der</strong> Umwelt- mit dem Touristikbereich<br />

gekoppelt werden. Auch die Kombination des ESF und des EFRE wird ein Schwerpunkt sein (vgl.<br />

Zwischenevaluierung, Zusammenfassung, 1997, S. 10-11).<br />

Die Ziele des operationellen Programms sollen spezifiziert werden, indem die beim MWMTV<br />

eingehenden För<strong>der</strong>anträge an die Ziele rückgebunden werden. Hierdurch kann ein Kriterienkatalog<br />

erstellt werden (vgl. Zwischenevaluierung, Zusammenfassung, 1997, S. 38-39).<br />

In Twente wurde bereits ein Kriterienkatalog erstellt. Dieser ermöglicht nicht nur eine effiziente<br />

Kontrolle, son<strong>der</strong>n auch mehr Transparenz gegenüber Antragstellern, da hier klare För<strong>der</strong>kriterien<br />

aufgeführt werden (vgl. ESF-Programmabureau, 1997, Beilage 2).<br />

Die sich thematisch wie<strong>der</strong>holenden För<strong>der</strong>schwerpunkte im operationellen Programm Twentes<br />

tragen ebenfalls zur Transparenz <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden Mittel bei. Da sie deckungsgleich<br />

sind, können sie rechtzeitig umgeschichtet werden, wenn das Soll in einigen Bereichen nicht erreicht<br />

wird.<br />

(vgl. On-going evaluatie, 1996, S. 21-22)<br />

Die Zusammenführung von ESF- und EFRE-Projektanträgen in eine Entscheidungsgremium, <strong>der</strong><br />

‚Stuurgroep‘, hatte positive Synergieeffekte. In acht Projekten sind in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>phase 1994-96 ESF-<br />

Mittel in Höhe von 3,630 Mio. Gulden mit 1,066 Mio. Gulden aus dem EFRE-Topf direkt kombiniert<br />

worden. Hinzu kommen zahlreiche Projekte, in denen ESF-gestüzten Maßnahmen mit EFRE-Mitteln<br />

im Vorfeld <strong>der</strong> Boden bereitet wurde (vgl. On-goeing evaluatie, 1996, S. 23).<br />

An dieser Stelle dürfte es in Nordrhein-Westfalen aufgrund <strong>der</strong> getrennten Verwaltungswege <strong>für</strong> den<br />

EFRE und den ESF und <strong>der</strong> wenig verzweigten Struktur <strong>der</strong> beiteiligten Gremien und Ämter<br />

schwierig werden, eine effiziente Kombination <strong>der</strong> beiden Fonds zu bewerkstelligen.


35<br />

Die Gegenüberstellung zeigt, daß wesentlich mehr Pluspunkte auf <strong>der</strong> Seite Twentes mit seinen<br />

dezentralen, nach dem Prinzip ‚<strong>der</strong> kurzen Wege‘ strukturierten Verwaltungsverfahren zu finden<br />

sind. Da<strong>für</strong> spricht auch die erfolgreiche Mittelbewirtschaftung.<br />

Es ist jedoch zu beachten, daß Twente sich im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen und dem Mittleren<br />

<strong>Ruhr</strong>gebiet in einer relativ günstigen Ausgangsposition befindet. Die Größe des Ziel-2-Gebietes<br />

innerhalb Nordrhein-Westfalens, die heterogenen Strukturen selbst in den Teilregionen und die<br />

ungünstige wirtschaftliche Entwicklung stellen weitaus größere Belastungen dar.<br />

Ist eine Bewertung aufgrund fehlen<strong>der</strong> kompatibler Daten abschließend nicht möglich, zeigt <strong>der</strong><br />

Vergleich doch auf, wie groß die Disparitäten zwischen zwei benachbarten Regionen Europas sein<br />

können und wie weit <strong>der</strong> Weg bis zum Kohärenzziel ist.<br />

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36<br />

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Regionalentwicklung (InWIS) (1997): Zwischenevaluierung des operationellen NRW-EU-Ziel-2-<br />

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Institut Arbeit und Technik (IAT), Institut <strong>für</strong> Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und<br />

Regionalentwicklung (InWIS), MR Regionalberatung und Projektentwicklung, Netherlands<br />

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Nie<strong>der</strong>lande 1977-1980. Brüssel.<br />

Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften (1993): Strukturfonds <strong>der</strong> Gemeinschaft 1994-<br />

1999.Verordnungstexte und Erläuterungen. Luxemburg.<br />

Kommission <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften (1994): Wettbewerbsfähigkeit und Kohäsion.<br />

Tendenzen in den Regionen. Fünfter periodischer Bericht über die sozioökonomische Lage und<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Regionen <strong>der</strong> Gemeinschaft. Luxemburg.<br />

Kuhn, Britta (1993): Sozialraum Europa: Zentralisierung o<strong>der</strong> Dezentralisierung <strong>der</strong> Sozialpolitik.<br />

Idstein.<br />

Lademacher, Horst (1993): Die Nie<strong>der</strong>lande. Politische Kultur zwischen Individualität und<br />

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Marks, Gary (1996): Politikmuster und Einflußlogik in <strong>der</strong> Strukturpolitik. In: Jachtenfuchs,<br />

Markus/Kohler-Koch, Beate (1996): Europäische Integration. Opladen.


37<br />

Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen (1997): NRW im Europäischen Binnenmarkt. Mit den europäischen Strukturfonds die<br />

wirtschaftliche Erneuerung in Nordrhein-Westfalen för<strong>der</strong>n. Das Operationelle Programm des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen <strong>für</strong> die Ziel-2-Regionen, Phase 1997-1999. Düsseldorf.<br />

Provinciaal Bestuur van Overijssel, Regionaal Bestuur voor de arbeidsvoorziening in Twente (1994):<br />

Strategische visie op de economische ontwikkeling van Twente. Zwolle.<br />

Provinciaal Bestuur van Overijssel, Regionaal Bestuur voor de arbeidsvoorziening in Twente (1996):<br />

On-goeing evaluatie EPD Twente 1994-1996. Zwolle.<br />

Provinciaal Bestuur van Overijssel, Regionaal Bestuur voor de arbeidsvoorziening in Twente (1997):<br />

Ex-ante evaluatie EPD Twente 1997-1999. Zwolle.<br />

Provinciaal Bestuur van Overijssel, Regionaal Bestuur voor de arbeidsvoorziening in Twente (1997):<br />

jaarrapportage 1996. Europese Programma’s en Communautaire Initiatieven Doelstelling 2 gebied<br />

Twente. Zwolle.<br />

Provinciaal Bestuur van Overijssel, Regionaal Bestuur voor de arbeidsvoorziening in Twente (1997):<br />

Twente Doelstelling 2 1997-1999. Enig Programmerings Document (EPD). Zwolle.<br />

Regionaal Bureau Arbeidsvoorziening Overijssel (1996): Sectorgids 1996. Hengelo.<br />

Schmid, Günther (1996): Beschäftigungswun<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande? Ein Vergleich <strong>der</strong><br />

Beschäftigungssysteme in den Nie<strong>der</strong>landen und in Deutschland. Hrsg.: Wissenschaftszentrum<br />

Berlin <strong>für</strong> Sozialforschung. Berlin.


Juana Soler Lluesma<br />

38<br />

Die aktive <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien (Nordspanien) unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

1 Einleitung<br />

des Europäischen Sozialfonds<br />

2 Grundsätze und Akteure <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politk in Asturien<br />

2.1 Auf nationaler Ebene<br />

2.2 Auf regionaler Ebene<br />

2.3 Auf lokaler Ebene<br />

3 Die Implementation <strong>der</strong> durch den Europäischen Sozialfonds kofinanzierten<br />

arbeitsmaktpolitischen Programme in Asturien<br />

3.1 Die Durchführung <strong>der</strong> ESF-Bildungsmaßnahmen des Pdo<br />

3.2 Die Ergebnisse <strong>der</strong> Zwischenevaluierung <strong>der</strong> ESF-Bildungsmaßnahmen<br />

3.3 Die Handlungsempfehlungen <strong>der</strong> ESF-Evaluatoren<br />

4 Schlußbemerkungen<br />

Literaturverzeichnis<br />

Anhang: Übersicht über die in Asturien geführten Interviews


Abkürzungsverzeichnis<br />

APE Agencia para la Promoción del Empleo<br />

39<br />

Asturische Arbeitsför<strong>der</strong>ungsagentur<br />

ARF Agencia Regional de Formación<br />

Asturische Regionale Bildungsagentur<br />

CC.OO. Comisiones Obreras<br />

Arbeiterkommissionen (Gewerkschaft)<br />

CES Consejo Económico y Social<br />

Wirtschafts- und Sozialrat<br />

EK Europäische Kommission<br />

EU Europäische Union<br />

ESF Europäischer Sozialfonds<br />

FADE Fe<strong>der</strong>ación Asturiana de Empresarios<br />

Asturische Arbeitgeberfö<strong>der</strong>ation<br />

FORCEM Fundación para la Formación Continua<br />

Stiftung <strong>für</strong> Weiterbildung<br />

INEM Instituto Nacional de Empleo<br />

Nationales Beschäftigungsinstitut<br />

KMU Kleine und mittlere Unternehmen<br />

Pdo. de Asturias Principado de Asturias<br />

Fürstentum von Asturien (offizielle Bezeichnung <strong>der</strong> Autonomen<br />

Gemeinschaft Asturien, hier auch: asturische Regionalregierung)<br />

PILES Plan de Inserción Laboral y Empleo Social<br />

Plan <strong>für</strong> Berufseinglie<strong>der</strong>ung und Soziale Beschäftigung (Gijón)<br />

SADEI Sociedad Asturiana de Estudios Económicos e Industriales<br />

Asturische Gesellschaft <strong>für</strong> Wirtschafts- und Industriestudien<br />

UGT Unión General de Trabajadores<br />

Allgemeine Arbeitervereinigung (Gewerkschaft)


1 Einleitung<br />

40<br />

Dieser Beitrag ist Teil einer umfassenden Studie. Ihr Thema ist <strong>der</strong> Vergleich <strong>der</strong> aktiven<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>politik im <strong>Ruhr</strong>gebiet und in Asturien unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung des<br />

Europäischen Sozialfonds (ESF). Im Vor<strong>der</strong>grund steht die Untersuchung <strong>der</strong> Implementation <strong>der</strong><br />

arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die aus ESF-Mitteln kofinanziert werden (dies sind v.a. Fort-<br />

und Weiterbildungsmaßnahmen), in diesen zwei altindustriellen Regionen <strong>der</strong> Europäischen Union.<br />

Die Studie soll den Stellenwert des Europäischen Sozialfonds innerhalb <strong>der</strong> aktiven<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>politik <strong>der</strong> beiden Regionen erläutern und folgende Fragen beantworten:<br />

- Welche politischen und sozialen Akteure sind bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> arbeitsmarktpolitischen<br />

Maßnahmen (v.a. <strong>der</strong> ESF-Maßnahmen) wichtig, wie arbeiten sie miteinan<strong>der</strong> zusammen und wie<br />

haben sich verschiedene institutionelle Strukturen gebildet?<br />

- Wie sind die ESF-Maßnahmen organisiert und wie erfolgreich sind sie?<br />

Der hier vorliegende Teil <strong>der</strong> Studie, gibt einen Überblick über die bestehenden Strukturen in<br />

Asturien und über den dortigen Stellenwert des ESF.<br />

Er befaßt sich zuerst mit den Akteuren und den grundsätzlichen Maßnahmen <strong>der</strong> aktiven<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien (2), aufgeschlüsselt nach nationaler, regionaler und kommunaler<br />

Ebene.<br />

Danach werden die Implementation <strong>der</strong> ESF-kofinanzierten Bildungsmaßnahmen in Asturien<br />

beschrieben und die Ergebnisse aus <strong>der</strong> aktuellen Evaluierung dieser Maßnahmen wie<strong>der</strong>gegeben (3).<br />

Die Quellenangaben im Text sind Literaturangaben o<strong>der</strong> sie beziehen sich auf verschiedene<br />

Experteninterviews, die ich in Asturien im März 1998 durchgeführt habe. Eine Übersicht über diese<br />

Interviews befindet sich im Anhang.


2 Grundsätze und Akteure <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politk in Asturien<br />

2.1 Grundsätze und Akteure <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik auf nationaler Ebene<br />

41<br />

Wichtigster Akteur <strong>der</strong> nationalen spanischen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik ist das Nationale<br />

Beschäftigungsinstitut INEM (Instituto Nacional de Empleo), das dem Ministerium <strong>für</strong> Arbeit und<br />

Soziale Sicherheit direkt unterstellt ist. Die Aufgaben des INEM sind die Arbeitsvermittlung, die<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Suche von und nach Arbeit, die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> beruflichen Bildung und die<br />

Leitung und Kontrolle <strong>der</strong> Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und<br />

Leistungen <strong>für</strong> Gelegenheitsarbeiter in <strong>der</strong> Landwirtschaft). Damit übernimmt das INEM alle<br />

nationalen Aufgaben sowohl <strong>der</strong> aktiven als auch <strong>der</strong> passiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik 5 . Darüber hinaus<br />

verfügt das Institut über ca. 50 eigene Weiterbildungszentren (EK, 1996, 1ff.).<br />

Mit diesem Aufgabenspektrum und den bestehenden Organisations- und Entscheidungsbefugnissen<br />

hat Spanien das in <strong>der</strong> Europäischen Union am stärksten zentralisierte arbeitsmarktpolitische System<br />

(Höcker, 27). Bezogen auf die Weiterbildungskompetenzen än<strong>der</strong>t sich diese Situation langsam, aber<br />

die meisten Autonomen Gemeinschaften - die die direkte unterstaatliche politische Ebene in Spanien<br />

bilden - sind immer noch von <strong>der</strong> Politik des INEM abhängig (s.u.).<br />

Auf regionaler Ebene unterstehen dem INEM 52 Provinzialdirektorate, die jeweils <strong>für</strong> mehrere<br />

Arbeitsämter zuständig sind. Die Arbeitsämter sind nur ausführende Organe <strong>der</strong> Politik des INEM<br />

bzw. des jeweiligen Provinzialdirektorats (EK, 1996, 11; Höcker, 27).<br />

Die Finanzierung <strong>der</strong> Maßnahmen des INEM erfolgt aus den Arbeitgeber- und<br />

Arbeitnehmerbeiträgen zur Arbeitslosenversicherung, aus Mitteln des nationalen Haushalts und (im<br />

Falle <strong>der</strong> Bildungsmaßnahmen) aus Gel<strong>der</strong>n des Europäischen Sozialfonds.<br />

An<strong>der</strong>e wichtige Akteure <strong>der</strong> nationalen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik sind (EK, 1996, 13ff.):<br />

- Die Stiftung <strong>für</strong> Weiterbildung FORCEM (Fundación para la Formación Continua), die 1992 mit<br />

dem Nationalen Abkommen zur Weiterbildung zwischen den großen Arbeitgeberverbänden und<br />

Gewerkschaften gegründet wurde, um die Bildungssituation <strong>der</strong> spanischen Beschäftigten zu<br />

verbessern. FORCEM organisiert, finanziert und führt Maßnahmen <strong>der</strong> betrieblichen<br />

Weiterbildung durch. Die Maßnahmen werden aus Beitragszahlungen <strong>der</strong> Arbeitnehmer und <strong>der</strong><br />

5 Die Maßnahmen <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik versuchen, jetztige und zukünftige Arbeitslosigkeit zu verhin<strong>der</strong>n bzw.<br />

zu reduzieren (z.B. durch Subventionierung von Arbeitsplätzen und Bildungsmaßnahmen). Die Maßnahmen <strong>der</strong><br />

passiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik haben im Gegensatz dazu das Ziel, die Folgen <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit durch Zahlung von<br />

Ersatzleistungen zu lin<strong>der</strong>n (Schubert/Klein, 25).


42<br />

Arbeitgeber und aus ESF-Mitteln finanziert. FORCEM ist eine paritätische Organisation<br />

zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Staat nicht repräsentiert ist.<br />

- Der Wirtschafts- und Sozialrat CES (Consejo Económico y Social), <strong>der</strong> als beratendes Organ <strong>der</strong><br />

Regierung in den Bereichen Arbeit und Soziales seit 1991 Empfehlungen zu verschiedenen<br />

Gesetzesvorlagen ausspricht und einmal jährlich <strong>der</strong> Regierung einen Bericht über die<br />

sozioökonomische und beschäftigungspolitische Lage Spaniens vorlegt. Der CES wird aus<br />

Vertretern <strong>der</strong> Arbeitgeber, <strong>der</strong> Arbeitnehmer, verschiedener Interessengruppen und aus Experten<br />

<strong>der</strong> Verwaltung gebildet.<br />

Die <strong>Arbeitsmarkt</strong>- und Beschäftigungspolitik in Spanien hat in den 90er Jahren mehrere<br />

grundlegende Reformen erlebt, die als Antwort auf die gravierenden Probleme auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong><br />

anzusehen sind (1993 betrug die Arbeitslosenquote in Spanien 23,9% und die Erwerbsquote 49,1%;<br />

SADEI, 1997b, 46 u. 63). Die wichtigsten dieser Reformen wurden in den Jahren 1993, 1994 und<br />

1997 durch Zusammenschlüsse des Staates und <strong>der</strong> Sozialpartner im Rahmen <strong>der</strong> in Spanien<br />

verfolgten Politik des „sozialen Dialoges“ durchgesetzt.<br />

Das Ziel dieser Reformen war die Erhöhung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Betriebe und die<br />

Verstärkung <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Die wichtigsten<br />

Maßnahmen dieser Reformen sind (EK, 1996, 37ff.; inforMISEP Nr. 44, 46, 47, 48, 59 u. 60; Parra,<br />

1997):<br />

- Die Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitsbeziehungen, z.B. durch Rückzug des Staates aus den<br />

Tarifverhandlungen.<br />

- Die För<strong>der</strong>ung unbefristeter Beschaeftigung durch Kürzung des Kündigungsschutzes und die<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Umwandlung von befristeten in unbefristete Verträge.<br />

- Die Verbesserung des Ausbildungssystems, z.B. durch die Ersetzung des früheren<br />

Lehrlingsvertrags durch einen Ausbildungsvertrag, <strong>der</strong> theoretische und praktische Module<br />

kombiniert.<br />

- Die Einführung von Praktikantenverträgen <strong>für</strong> Schul- und UniversitätsabsolventInnen.<br />

- Die För<strong>der</strong>ung von Firmengründungen und von unbefristeter Einstellung.<br />

- Än<strong>der</strong>ungen bei den Arbeitszeiten hin zu mehr Teilzeitarbeit.<br />

- Die Zulassung von Leiharbeitsunternehmen und von privaten Arbeitsvermittlungsunternehmen<br />

ohne Gewinnabsicht.<br />

Erste Einschätzungen <strong>der</strong> Wirkung dieser Reformen geben ein optimistisches Bild ab (InforMISEP<br />

Nr.51). In den letzten Jahren ist eine deutliche Trendwende in <strong>der</strong> spanischen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>entwicklung zu erkennen, die auf die bessere Lage <strong>der</strong> spanischen Wirtschaft und auf


43<br />

die Wirkung dieser Reformen zurückgeführt wird (zum Vergleich zu den oben genannten Daten von<br />

1993: 1997 betrug die Arbeitslosenquote in Spanien 20,3% und die Erwerbsquote 50,0%, darüber<br />

hinaus verdoppelte sich in diesem Jahr die Zahl <strong>der</strong> unbefristeten Verträge; Parra, 1998).<br />

2.2 Grundsätze und Akteure <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik auf regionaler Ebene<br />

In Asturien ist die bessere <strong>Arbeitsmarkt</strong>situation auch zu spüren, obwohl im gesamtstaatlichen<br />

Vergleich Asturien zu den problematischeren Gebieten Spaniens zählt. Die Arbeitslosenquote ist<br />

zwar insgesamt um einen Punkt niedrieger als <strong>der</strong> nationale Durchschnitt, die Jugendarbeitslosigkeit<br />

ist aber da<strong>für</strong> sehr hoch (49% <strong>für</strong> unter 25jährige) und die Erwerbsquote sehr niedrig (43,9%) (Daten<br />

von 1996, SADEI, 1997b, 46 u.63).<br />

Die Akteure <strong>der</strong> nationalen Ebene, die oben vorgestellt wurden, sind alle in Asturien vertreten. Das<br />

INEM verfügt in Asturien über ein Provinzialdirektorat und 14 Arbeitsämter, die <strong>für</strong> etwa 73.000<br />

Arbeitslose zuständig sind (SADEI, 1997b, 68; Int.8). Das FORCEM und <strong>der</strong> CES werden in<br />

Asturien durch die wichtigsten Sozialpartner FADE (Arbeitgeberverband), UGT und CC.OO<br />

(Gewerkschaften, s.u.) gebildet, wobei dem CES noch an<strong>der</strong>e kleinere Arbeitgebervertreter,<br />

Berufsverbände, Gewerkschaften und Verbraucherverbände angehören (Int.9).<br />

Über die regionalen Dependencen nationaler Institutionen hinaus betreibt die autonome Regierung<br />

von Asturien (das Principado) seit dem Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre eine eigenständige<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>politik. Diese ist aber eingeschränkt, weil Asturien keine vollständigen<br />

arbeitsmarktpolitischen Kompetenzen vom Zentralstaat übertragen bekommen hat. Deshalb darf die<br />

asturische Regionalverwaltung nur zusätzliche Maßnahmen zum nationalen Angebot durchführen.<br />

Z.Zt. finden Gespräche zwischen <strong>der</strong> nationalen und <strong>der</strong> regionalen Regierung über die Übertragung<br />

dieser politischen Kompetenzen statt. Sie ist im Grundsatz schon genehmigt, <strong>der</strong> genaue Zeitpunkt<br />

<strong>der</strong> Übertragung steht aber noch nicht fest. Es ist davon auszugehen, daß <strong>der</strong> Zentralstaat die<br />

Kompetenzen so lange wie möglich <strong>für</strong> sich behalten wird (Pdo. de Asturias, 1997, 13).<br />

Diese „Kompetenzen-Diskussion“ zwischen dem spanischen Zentralstaat und den Verwaltungen <strong>der</strong><br />

Autonomen Gemeinschaften beschränkt sich bei weitem nicht auf Asturien und auf die<br />

arbeitsmarktpolitischen Kompetenzen, son<strong>der</strong>n erstreckt sich auf alle Autonomen Gemeinschaften<br />

und auf verschiedene Politikbereiche: Kulturhochheit, Gesundheit, Finanzen 6 ...<br />

6 Dies beruht auf dem in <strong>der</strong> spanischen Verfassung festgelegten politischen System <strong>der</strong> Autonomen Gemeinschaften, die<br />

unterschiedliche Kompetenzen aufweisen. Asturien gehört in diesem System zu den Gemeinschaften mit relativ<br />

geringen Selbstverwaltungsrechten (Nohlen/Hildebrand, 311ff., Köhler, 1994, 26).


44<br />

Zur Organisation <strong>der</strong> eigenen asturischen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik wurde 1991 eine Behörde gebildet, die<br />

Agencia Regional de Empleo (regionale Beschäftigungsagentur). Die Aufgaben dieser Agentur<br />

waren die Planung, Koordinierung und Evaluierung von arbeitsmarktpolitischen Programmen,<br />

hauptsächlich im Bereich <strong>der</strong> Berufsbildung und <strong>der</strong> direkten Beschäftigungsför<strong>der</strong>ung (Köhler,<br />

1996, 393). Die Agentur unterstand <strong>der</strong> Consejería de Economía, dem asturischen<br />

Wirtschafts“ministerium“ 7 .<br />

Im Rahmen einer Reorganisation <strong>der</strong> asturischen Regierung im Jahr 1996 wurde diese Agentur<br />

zweigeteilt (Pdo. de Asturias, 1997, 13):<br />

- Auf <strong>der</strong> einen Seite blieb <strong>der</strong> Wirtschafts-Consejería eine reine Arbeitsför<strong>der</strong>ungsagentur<br />

erhalten, die Agencia para la Promoción del Empleo (APE).<br />

- Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wurden die Bildungsmaßnahmen einer neuen Agentur anvertraut, <strong>der</strong><br />

Agencia Regional de Formación (ARF, regionale Bildungsagentur), die <strong>der</strong> Consejería de Cultura<br />

(asturisches Kultus“ministerium“) unterstellt wurde.<br />

Die Konstituierung dieser Institutionen wurde von <strong>der</strong> Regionalregierung in Zusammenarbeit mit den<br />

sozialen Akteuren durchgeführt. Dies folgte <strong>der</strong> politischen Leitlinie <strong>der</strong> sozialen Konzertation, die<br />

schon bei <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> ersten Beschäftigungsagentur berücksichtigt worden war. Nach dieser<br />

Leitlinie stimmen verschiedene politische Akteure ihr Verhalten aufeinan<strong>der</strong> ab, um bestimmte Ziele<br />

zu erreichen (Schubert/Klein, 162). In diesem Fall wurden zwei tripartistische Abkommen zwischen<br />

<strong>der</strong> Regionalregierung, <strong>der</strong> Arbeitgebervertretung FADE und <strong>der</strong> wichtigsten Gewerkschaften UGT<br />

und CC.OO. (s.u.) unterschrieben, um die Arbeitsbereiche <strong>der</strong> beiden Agenturen festzulegen (Pdo. de<br />

Asturias, 1996, 1ff.).<br />

Diese sollen im folgenden vorgestellt werden:<br />

Die Arbeitsför<strong>der</strong>ungsagentur APE<br />

Die Agencia para la Promoción del Empleo (APE) nimmt, neben statistischen Aufgaben über die<br />

Situation auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong>, hauptsächlich Aufgaben <strong>der</strong> nachfrageorientierten<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>politik wahr. D.h. sie führt Maßnahmen durch, die dazu führen sollen, daß die<br />

Nachfrage nach Arbeit auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong> steigt (z.B. durch Bezuschüssung von Arbeitsplätzen).<br />

Im Jahr 1997 führte die Arbeitsför<strong>der</strong>ungsagentur folgende Maßnahmen durch (APE, 1997, 1ff.):<br />

- Entwicklung und Durchführung eines regionalen Beschäftigungsplans, <strong>der</strong> zwei Aktionsbereiche<br />

vorsieht: Erstens: Die Subventionierung <strong>der</strong> Einstellung von Arbeitslosen in <strong>der</strong> Privatwirtschaft<br />

7 Die regionalen Regierungen <strong>der</strong> verschiedenen spanischen Autonomen Gemeinschaften sind nicht in Ministerien<br />

unterteilt. Ministerien gibt es nur auf nationaler Ebene. Die Nomenklatur <strong>der</strong> „politischen Abteilungen“ <strong>der</strong> regionalen<br />

Regierungen, die in <strong>der</strong> BRD den Landesministerien entsprechen würden, ist historisch bedingt in je<strong>der</strong> Autonomen<br />

Gemeinschaft eine an<strong>der</strong>e. In Asturien heißen sie „Consejerías“.


45<br />

und <strong>der</strong> Umgestaltung von befristeten in unbefristete Verträge (diese Maßnahmen können mit den<br />

in Deutschland bekannten Maßnahmen <strong>der</strong> Lohnkostenzuschüsse verglichen werden). Und<br />

zweitens: Die Subventionierung von arbeitsför<strong>der</strong>nden Maßnahmen, die von den Kommunen und<br />

von Organisationen ohne Gewinnabsicht organisiert werden. Diese Maßnahmen stellen eine Art<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme dar (zur lokalen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik s.u.).<br />

- Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Selbständigkeit durch finanzielle Hilfen <strong>für</strong> Arbeitslose, die ein Unternehmen<br />

gründen. Die Höhe <strong>der</strong> Hilfe steigt, wenn ein Arbeitsloser nicht nur seinen eigenen Arbeitsplatz<br />

schafft, son<strong>der</strong>n auch noch an<strong>der</strong>e Arbeitslose beschäftigt. Die Finanzierung dieser Maßnahme<br />

erfolgt mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds.<br />

- För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sozialwirtschaft durch finanzielle Hilfen <strong>für</strong> die Bildung o<strong>der</strong> Vergrößerung von<br />

Genossenschaften (Cooperativas und Sociedades Laborales).<br />

- Subventionierung von beson<strong>der</strong>en Arbeitsstätten <strong>für</strong> Behin<strong>der</strong>te.<br />

- För<strong>der</strong>ung von soziokulturellen Aktivitäten <strong>der</strong> Gewerkschaften und <strong>der</strong> Arbeitgeberverbände.<br />

- Koordinierung des asturischen Netzes <strong>für</strong> lokale Entwicklung (red asturiana de desarrollo local,<br />

s.u.).<br />

Über diese Maßnahmen hinaus hat die APE die Planung, Koordinierung und Antragsstellung eines<br />

regionalen Beschäftigungsbündnisses <strong>für</strong> die asturischen Kommunen, die von <strong>der</strong> Umstrukturierung<br />

in <strong>der</strong> Kohleindustrie betroffen sind, übernommen. Am 26. Januar 1998 wurde in Brüssel das<br />

Enddokument zum asturischen Beschäftigungsbündnis genehmigt (APE, 1998, 1). Es ist damit einer<br />

<strong>der</strong> insgesamt 89 territorialen Beschäftigungspakte, die die EU bis zum Jahr 2000 mit Mitteln <strong>der</strong><br />

Strukturfonds unterstützen wird, und die das Ziel verfolgen, umfassende Partnerschaften von lokalen<br />

und regionalen Akteuren anzuregen, um eine verbesserte Koordination von Maßnahmen zur<br />

Arbeitsbeschaffung zu erreichen (EK, 1997, 1).<br />

In Asturien werden hiermit verschiedene Aktionen, u.a. in den Bereichen Frauenför<strong>der</strong>ung, Bildung,<br />

Wie<strong>der</strong>ansiedelung von Dörfern, Industrie und Agrarwirtschaft, finanziert. Die Programme werden<br />

unter <strong>der</strong> Zusammenarbeit <strong>der</strong> Regionalregierung (APE), <strong>der</strong> betroffenen Kommunen, <strong>der</strong><br />

Gewerkschaften, <strong>der</strong> Arbeitgebervertreter und <strong>der</strong> Universität von Oviedo durchgeführt (APE, 1998,<br />

1ff.).<br />

An<strong>der</strong>e Arbeitsbereiche <strong>der</strong> asturischen Arbeitsför<strong>der</strong>ungsagentur sind die beson<strong>der</strong>e<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> Jugendlichen, die ihren ersten Arbeitsplatz suchen, und die ständige<br />

Überwachung <strong>der</strong> Situation auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong>. Diese Aufgaben werden von zwei Institutionen<br />

übernommen, die bei <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> APE <strong>der</strong> Agentur angeglie<strong>der</strong>t wurden: das Institut <strong>für</strong> die


46<br />

Erstbeschäftigung (Instituto para el primer empleo) und das regionale <strong>Arbeitsmarkt</strong>observatorium<br />

(Obsevatorio Regional sobre el Mercado de Trabajo) (APE, 1997, 1).<br />

Verwaltungstechnisch wird die APE von einem Direktor und einem Verwaltungsrat geleitet und ist<br />

dem asturischen Wirtschafts- und Sozialrat zur Rechenschaft verpflichtet. Beide Räte werden von<br />

Vertretern <strong>der</strong> Regionalregierung und <strong>der</strong> Sozialpartner gebildet.<br />

Die Finanzierung <strong>der</strong> Maßnahmen <strong>der</strong> APE erfolgt aus Mitteln <strong>der</strong> Regionalverwaltung, <strong>der</strong> zentralen<br />

spanischen Verwaltung und <strong>der</strong> Europäischen Union.<br />

Diese verwaltungs- und finanzierungstechnischen Gegebenheiten sind bei <strong>der</strong> APE und <strong>der</strong> ARF (<strong>der</strong><br />

regionalen Bildungsagentur) gleich.<br />

Die regionale Bildungsagentur ARF<br />

Die regionale Bildungsagentur hat die Funktion, alle durch das Principado angebotenen<br />

Qualifizierungs- und (Weiter-)Bildungsmaßnahmen zu planen, zu organisieren und zu evaluieren.<br />

Das Ziel dieser Maßnahmen ist die Anpassung des Humankapitals an die aktuellen und<br />

mittelfristigen Bedürfnisse des <strong>Arbeitsmarkt</strong>es. Dabei soll hauptsächlich denjenigen Personen, die<br />

eine schlechtere Ausgangssituation auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong> haben, eine Bildungsmöglichkeit<br />

angeboten werden.<br />

Damit betreibt die ARF eine angebotsorientierte <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik: Diese zielt darauf ab, das<br />

Angebot an Arbeitskräften auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong> so zu verän<strong>der</strong>n, daß es sich <strong>der</strong> Nachfrage anpaßt.<br />

Dies kann auf eine quantitative Weise geschehen (z.B. durch massive Frühverrentnung verringert<br />

sich das Angebot an Arbeitskräften) und auf eine qualitative (z.B. kann durch Qualifizierung das<br />

Angebot an Arbeitskräften verbessert werden).<br />

Die Funktionen <strong>der</strong> ARF sind im einzelnen: Eine kontinuierliche <strong>Arbeitsmarkt</strong>analyse mit dem Ziel,<br />

Qualifizierungsbedarfe zu entdecken; die Planung und Durchführung eines jährlichen<br />

Bildungsprogramms; die Evaluation <strong>der</strong> Kurse und die Nachhaltung <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungsquote <strong>der</strong><br />

Teilnehmer nach Ende <strong>der</strong> Bildungsmaßnahmen; das Angebot technischer Hilfe <strong>für</strong> Träger von<br />

Bildungsmaßnahmen und die Beratung <strong>der</strong> Teilnehmer über den <strong>Arbeitsmarkt</strong> und über die<br />

Möglichkeiten einer selbständigen Tätigkeit (Pdo. de Asturias, 1996, 23ff.; ARF, Webseite<br />

„funciones“).<br />

Die regionale Bildungsagentur ARF ist in zwei Abteilungen geglie<strong>der</strong>t:<br />

- Die Abteilung „Escuelas Taller“ koordiniert die Arbeit <strong>der</strong> verschiedenen „Werkstattschulen“, die<br />

es in Asturien gibt. Werkstattschulen sind Bildungseinrichtungen <strong>für</strong> Jugendliche zwischen 16<br />

und 25 Jahren, die über keine ausreichende Ausbildung verfügen und noch keine


47<br />

Arbeitserfahrung aufweisen können. Die Kurse, die sie anbieten, sind länger als die normalen<br />

Weiterbildungskurse (in <strong>der</strong> Regel 2 Jahre lang) und verbinden praktische Erfahrung mit<br />

theoretischem Lehrstoff nach dem Modell <strong>der</strong> dualen Ausbildung. Die Werkstattschulen werden<br />

auch vom ESF kofinanziert (EK, 1996, 64ff.; ARF, Webseite „escuelas taller“). In Asturien<br />

wurde die erste Werkstattschule (Valdediós) 1986 gegründet. Heute gibt es 10 Werkstattschulen,<br />

die im ganzen asturischen Gebiet (hauptsächlich aber im Zentrum) verteilt sind. Bis jetzt sind in<br />

dieser Form etwa 1000 Jugendliche ausgebildet worden. Davon haben nach Angaben <strong>der</strong> ARF<br />

zwei Drittel eine Arbeit in dem gelernten Beruf gefunden. Die Berufe, die erlernt werden, sind<br />

hauptsächlich handwerkliche Berufe, die am <strong>Arbeitsmarkt</strong> orientiert sind (Bsp. Installation,<br />

Zimmerei, etc). Darüber hinaus werden die Zurückgewinnung alter Berufe (z.B. Schmieden) und<br />

die Erhaltung künstlerischer Berufe (z.B. Töpferei) geför<strong>der</strong>t. Der praktische Teil <strong>der</strong> Ausbildung<br />

wird in Arbeitsstätten verrichtet, die im öffentlichen Interesse stehen, z.B. Restaurierung und<br />

Erhaltung des kulturellen Erbes (Kloster, Bergmannsiedlung), Archäologie und Erhaltung <strong>der</strong><br />

natürlichen Ressourcen (ARF, Webseite „escuelas taller“).<br />

- Die Abteilung „Servicio de Formación del Fondo Social Europeo“ koordiniert alle Fort- und<br />

Weiterbildungsmaßnahmen, die vom Europäischen Sozialfonds kofinanziert werden. Darin sind<br />

die Bildungsmaßnahmen enthalten, die das Operationelle Programm des Principado vorsieht, und<br />

die, die von den Gemeinschaftsinitiativen <strong>der</strong> Europäischen Kommission ausgehen. Die<br />

Durchführung dieser Maßnahmen, ihre politische Zielsetzung (Zielgruppen, Träger) und die<br />

Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Evaluierung bilden den Inhalt des nächsten Kapitels.<br />

Wie oben angesprochen, wurde die ARF Anfang 1997 <strong>der</strong> asturischen Kultus-Consejería<br />

angeglie<strong>der</strong>t, und ihre Aufgaben wurden aus <strong>der</strong> Wirtschafts-Consejería und <strong>der</strong> früheren regionalen<br />

Beschäftigungsagentur ausgeglie<strong>der</strong>t. Das Ziel dieser institutionellen Verän<strong>der</strong>ung war die<br />

Annäherung <strong>der</strong> sog. „formación no reglada“ (lit. nicht reglementierte Bildung) zur „formación<br />

reglada“ (reglementierte Bildung) (Pdo. de Asturias, 1997, 13).<br />

Diese Bezeichnungen sollen nicht darauf hinweisen, daß es Bildungsmaßnahmen gäbe, die keinerlei<br />

Regelung unterstehen. Sie sind die Bezeichnungen <strong>für</strong> die Schulbildung, die Universitätsbildung und<br />

die Berufsausbildung zu den offiziell anerkannten Berufsabschlüssen auf <strong>der</strong> einen Seite<br />

(reglementierte Bildung) und <strong>für</strong> die Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen, die bestimmte<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten aufweisen, aber nicht als Berufsabschlüsse gelten, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

(nicht reglementierte Bildung). Beispiele <strong>für</strong> die reglementierte Bildung sind die Ausbildung zum/zur<br />

ElektrikerIn, ChemikerIn o<strong>der</strong> zu Verwaltungsberufen und - <strong>für</strong> die nicht reglementierte Bildung -


48<br />

SchweißerIn-Lehrgänge und Computer-Weiterbildungen, aber auch viele Kurse zu Berufen, <strong>für</strong> die es<br />

in Deutschland eine „geregelte“ Ausbildung gibt, z.B. MaurerIn 8 .<br />

Die institutionelle Annäherung <strong>der</strong> verschiedenen Bildungsangebote wird zwar als positiv angesehen,<br />

die Trennung von den verschiedenen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in den beiden Agenturen<br />

APE und ARF wird aber weitgehend kritisiert: Nach <strong>der</strong> Meinung vieler Akteure wäre es besser<br />

gewesen, wenn alle Maßnahmen <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien weiterhin von einer<br />

einzigen Institution koordiniert und durchgeführt werden würden (Pdo. de Asturias, 1997, 13; Int. 5,<br />

6, 7 u. 9).<br />

Die Rolle <strong>der</strong> sozialen Akteure<br />

Die sozialen Akteure spielen eine sehr wichtige Rolle in <strong>der</strong> asturischen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik, was<br />

Konsequenz <strong>der</strong> im letzten Jahrzehnt in ganz Spanien verfolgten Politik <strong>der</strong> sozialen Konzertation ist<br />

(s.o.). Die wichtigsten Vertreter <strong>der</strong> Gewerkschaften und <strong>der</strong> Arbeitgeberverbände in Asturien (UGT,<br />

CC.OO. u. FADE, s.u.) haben bei <strong>der</strong> Konstituierung <strong>der</strong> beiden Agenturen APE und ARF aktiv<br />

mitgewirkt und sind durch die jeweiligen Verwaltungsräte und durch den asturischen Wirtschafts-<br />

und Sozialrat in die politische Planung <strong>der</strong> beiden Agenturen miteinbezogen (Pdo. de Asturias, 1996).<br />

Darüber hinaus sind sie als arbeitsmarktpolitische Träger an <strong>der</strong> praktischen Umsetzung <strong>der</strong><br />

politischen Ziele unmittelbar beteiligt. Diese Tatsache macht sich gerade im bildungspolitischen<br />

Bereich bemerkbar: Wie in Punkt 3 dargestellt wird, sind die quantitativ wichtigsten Träger von<br />

Bildungsmaßnahmen, die vom ESF kofinanziert werden, direkt o<strong>der</strong> indirekt mit den Gewerkschaften<br />

und den Arbeitgeberverbänden verbunden (Pdo. de Asturias, 1997, 16).<br />

Die drei Institutionen, die so stark in <strong>der</strong> Gestaltung und Durchführung <strong>der</strong> aktiven<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien sind, sind die asturischen Delegationen <strong>der</strong> beiden wichtigsten<br />

spanischen Gewerkschaften UGT und CC.OO. und <strong>der</strong> asturische Arbeitgeberverband FADE. Diese<br />

Institutionen sollen im folgenden kurz vorgestellt werden:<br />

Die Gewerkschaft UGT (Unión General de Trabajadores, Allgemeine Arbeitervereinigung) wurde<br />

1888 gegründet und stand von Anfang an <strong>der</strong> sozialistischen Partei Spaniens (PSOE) nahe 9 . Bis zum<br />

8 Einen knappen Überblick über das Bildungssystem in Spanien geben Nohlen/Hildebrand (196ff.). Über die aktuelleren<br />

Reformen des Ausbildungssystems informieren <strong>der</strong> „MISEP-Basisinformationsbericht Spanien 1996“ und die<br />

fortlaufenden Ausgaben <strong>der</strong> Zeitschrift „MISEP-Maßnahmen“.<br />

9 In Spanien gibt es keine Einheitsgewerkschaft wie in Deutschland, son<strong>der</strong>n Richtungsgewerkschaften, d.h. die<br />

verschiedenen Gewerkschaften sind nach politischen Richtungen organisiert (Breising, 1993).


49<br />

Bürgerkrieg war sie eine <strong>der</strong> zwei wichtigsten Gewerkschaften Spaniens (die an<strong>der</strong>e war eine<br />

kommunistische Gewerkschaft, die CNT). Während des Franco-Regimes, unter dem Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer in einer staatlichen Zwangsgewerkschaft organisiert waren, war die UGT verboten und<br />

operierte im Untergrund. Nach <strong>der</strong> Legalisierung <strong>der</strong> Gewerkschaften in <strong>der</strong> Transition (Periode<br />

zwischen dem Tod Francos 1975 und <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> demokratischen Verfassung von 1978)<br />

gewann die UGT wie<strong>der</strong> an Kraft (Nohlen/Hildebrand, 208ff.). Heute ist sie die stärkste<br />

Gewerkschaft Spaniens. 1996 waren 41% <strong>der</strong> Betriebsräte in Asturien Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> UGT (SADEI,<br />

1997b, 178).<br />

Die Gewerkschaft CC.OO. (Comisiones Obreras, Arbeiterkommissionen) entstand Anfang <strong>der</strong> 60er<br />

Jahre während <strong>der</strong> Franco-Diktatur und bildete eine immer stärker werdende Konkurrenz zur<br />

Staatsgewerkschaft, weshalb sie 1967 verboten wurde. Sie blieb aber bis zum Ende <strong>der</strong> Diktatur sehr<br />

aktiv und nahm eine dominierende Stellung innerhalb <strong>der</strong> Arbeiterschaft ein, indem sich ihre<br />

Mitglie<strong>der</strong> in die staatlichen Syndikatsvertretungen wählen ließen. Zu Beginn <strong>der</strong> Demokratie war sie<br />

die stärkste gewerkschaftliche Kraft in Spanien, heute steht sie an zweiter Stelle hinter <strong>der</strong> UGT<br />

(1996 stellte sie 34% <strong>der</strong> Betriebsräte in Asturien auf). CC.OO. steht <strong>der</strong> Kommunistischen Partei<br />

Spaniens, die in <strong>der</strong> Koalition Izquierda Unida (IU, Vereinigte Linke) organisiert ist, traditionell nahe<br />

(Nohlen/Hildebrand, 208ff.; SADEI, 1997b, 178).<br />

Die beiden Gewerkschaften UGT und CC.OO. haben sowohl eine vertikale (nach<br />

Produktionssektoren geglie<strong>der</strong>te) als auch eine horizontale (nach territorialen Einheiten geglie<strong>der</strong>te)<br />

Organisationsstruktur (Nohlen/Hildebrand, 212). In Asturien verfügen sie jeweils über eine regionale<br />

Organisation, lokale Geschäftsstellen und sektoriale Vertretungen (Int.9).<br />

Für Köhler u.a. (1996, 362) sind die Gewerkschaften die aktivsten regionalen Akteure in Asturien,<br />

auch wenn sie eher dazu tendieren würden, eine strukturerhaltende Politik auszuüben. Das hinge u.a.<br />

mit <strong>der</strong> relativen Schwäche <strong>der</strong> Arbeitgebervertretungen zusammen, die in Asturien von <strong>der</strong><br />

Dachorganisation FADE repräsentiert werden.<br />

Der Arbeitgeber-Dachverband FADE (Fe<strong>der</strong>ación Asturiana de Empresarios, Asturische<br />

Arbeitgeberfö<strong>der</strong>ation) wurde 1977 gegründet und organisiert etwa ein Viertel <strong>der</strong> in Asturien<br />

angesiedelten privaten Unternehmen in 52 verschiedenen sektorialen Arbeitgeberverbänden.<br />

Nach Köhler (1996, 363ff.) ist die FADE traditionell eher schwach und defensiv gewesen, was u.a.<br />

auf die starke Stellung <strong>der</strong> öffentlichen Hand als Arbeitgeber und die große Zahl privater kleiner und<br />

mittlerer Unternehmen in Asturien zurückzuführen sei.


50<br />

Dies scheint sich jetzt zu än<strong>der</strong>n, wenigstens in dem Bereich <strong>der</strong> Regionalpolitik, was vielleicht mit<br />

<strong>der</strong> verfolgten Politik <strong>der</strong> sozialen Konzertation in Asturien zusammenhängen könnte.<br />

Die FADE agiert nur auf regionaler Ebene und verfügt über keine kommunale Vertretung. Die Arbeit<br />

auf kommunaler Ebene wird vereinzelt von den einzelnen Industrieverbänden wahrgenommen. Dies<br />

spiegelt sich bei <strong>der</strong> Organisation <strong>der</strong> ESF-Kurse (s.u.) wi<strong>der</strong>: Die FADE selber führt nur einen<br />

kleinen Teil <strong>der</strong> Kurse durch, nämlich die, die ein intersektorielles Interesse aufweisen (Bsp. EDV-<br />

Kurse). Die Mehrheit <strong>der</strong> Kurse wird von den verschiedenen Mitglie<strong>der</strong>verbänden durchgeführt, so<br />

daß in jedem Wirtschaftsbereich die Kurse angeboten werden können, die <strong>für</strong> diesen Bereich<br />

interessant sind (Köhler, 1996, 363ff.; Int.5).<br />

2.3 Grundsätze und Akteure <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik auf lokaler Ebene<br />

Die Geschichte lokaler <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien reicht vereinzelt bis in die 80er Jahre zurück<br />

(Bsp. Gijón, s.u.), hat aber erst im Laufe <strong>der</strong> 90er Jahre einen so hohen Institutionalisierungsgrad<br />

erhalten, daß von einer existierenden lokalen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in ganz Asturien gesprochen<br />

werden kann.<br />

Zuerst hatten sich in verschiedenen Städten o<strong>der</strong> Kreisen (Mancomunidades) Institutionen gebildet,<br />

um Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit zu ergreifen. Als sich die Arbeit dieser Institutionen<br />

verfestigte, entschied die Regionalverwaltung (vertreten durch die Arbeitsför<strong>der</strong>ungsagentur APE,<br />

s.o.), daß auch die restlichen Kreise solch eine Institution erhalten sollten. Sie bildete ein<br />

Informations- und Kommunikationsnetz, durch das die Arbeit dieser Institutionen koordiniert werden<br />

sollte: Das asturische Netz <strong>für</strong> lokale Entwicklung (red asturiana de desarrollo local) (APE, 1997; Int.<br />

6).<br />

In diesem Netz sind 18 Agenturen vertreten (agencias de desarrollo local), die in ihren jeweiligen<br />

Kommunen folgende Funktionen übernehmen: <strong>Arbeitsmarkt</strong>- und Qualifikationsbedarfsanalysen,<br />

Suche nach endogenen Entwicklungsmöglichkeiten, Angebot von Bildungsmaßnahmen, Information<br />

und Beratung <strong>der</strong> Bürger über Arbeitsmöglichkeiten vor Ort, Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung und För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Selbständigkeit und <strong>der</strong> sozialen Wirtschaft und lokale Koordination <strong>der</strong> Akteure, die mit <strong>der</strong><br />

aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik beschäftigt sind (APE, 1997). In einem Wort: Die lokalen Agenturen<br />

übernehmen die Durchführung <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in ihren Bezirken.<br />

Sie schließen aber die Tätigkeit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Akteure (INEM, FORCEM, APE, ARF...) we<strong>der</strong> aus,<br />

noch übernehmen sie sie als einziger agieren<strong>der</strong> Akteur vor Ort, son<strong>der</strong>n sie ergänzen sie. Da die<br />

Maßnahmen im Vergleich zwischen den verschiedenen Akteuren relativ ähnlich sind, wun<strong>der</strong>t es


51<br />

nicht, daß sich hier die „Kompetenzen-Diskussion“, die zwischen <strong>der</strong> zentralstaatlichen und <strong>der</strong><br />

asturischen Verwaltung existiert (s.o.), wie<strong>der</strong>holt:<br />

Die Regionalregierung ist <strong>der</strong> Meinung, daß die lokalen Agenturen, die u.a. aus dem regionalen<br />

Haushalt finanziert werden, sich mit den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen profilieren wollten,<br />

und dabei die Kosten <strong>der</strong> Verschönerung <strong>der</strong> Städte (z.B. durch ABM-ähnliche Maßnahmen)<br />

externalisieren würden (Int. 2; Ballina).<br />

Im Gegensatz dazu ist es <strong>für</strong> die lokalen Agenturen wichtig zu betonen, daß sie sich in ihren<br />

jeweiligen Städten und Kreisen besser auskennen würden und ihre endogenen Ressourcen besser<br />

nutzen könnten als die Regionalregierung (Int. 2 u. 6) 10 .<br />

Diese Diskussion, die dadurch verschärft wurde, daß das Principado im Jahr 1999 die<br />

Subventionierung des lokalen Entwicklungsnetzes reduzieren möchte, ist hauptsächlich in Gijón zu<br />

einem offenen Streit zwischen <strong>der</strong> Stadt und <strong>der</strong> Regionalverwaltung geworden:<br />

Die Stadt von Gijón hat als erste unterstaatliche politische Ebene in Asturien (noch vor dem<br />

Principado selber) eine eigene aktive <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik entwickelt und ist heute noch bei weitem<br />

die aktivste lokale arbeitsmarktpolitische Institution (was auch damit zusammenhängt, daß über 30%<br />

<strong>der</strong> asturischen Arbeitslosen in Gijón leben; Ayunt. Gijón, 1996, 103).<br />

Die ersten Schritte zur eigenen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik wurden in Gijón Ende <strong>der</strong> 80er Jahre<br />

unternommen, nachdem die Stadt mit dem spanischen Kultusministerium, dem INEM, und dem<br />

Principado einen Vertrag zur Entwicklung von eigenen Projekten unterschrieben hatte. Seitdem sind<br />

mehrere „planes estratégicos“ entwickelt worden, die das Ziel hatten, die wirtschaftliche<br />

Umstrukturierung in Gijón voranzutreiben, dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitslose<br />

auf diese neuen Arbeitsplätze vorzubereiten. Um diese Pläne umzusetzen, wurde eine Wirtschafts-<br />

und Beschäftigungsför<strong>der</strong>ungsagentur gegründet (agencia local de promoción económica y empleo).<br />

Diese Agentur verfügt über folgende Abteilungen: Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, Tourismus-Management,<br />

Technologie- und Wissenschaftsför<strong>der</strong>ung und Bildung und lokale Entwicklung. Diese letzte<br />

Abteilung (servicio de formación y desarrollo local) übernimmt die Planung und Durchführung <strong>der</strong><br />

Maßnahmen <strong>der</strong> aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Gijón und vertritt die Stadt im asturischen Netz <strong>für</strong><br />

lokale Entwicklung (s.o.) (Ayunt. Gijón, 1997, 15ff.).<br />

Einige <strong>der</strong> arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in Gijón sind personalisierte <strong>Arbeitsmarkt</strong>beratung,<br />

Vermittlung von Praktika <strong>für</strong> junge Menschen mit einer abgeschlossenen Ausbildung, Lohnzuschüsse<br />

<strong>für</strong> die Einstellung von benachteiligten Arbeitslosen, För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> saisonalen Beschäftigung,<br />

direkte Beratung von KMU, allgemeine Bildungsmaßnahmen, För<strong>der</strong>ung von Werkstattschulen<br />

(escuelas taller) und das „Star-Programm“ <strong>der</strong> Stadt Gijón: Der Plan PILES.<br />

10 Im Rahmen dieser Diskussion muß darauf hingewiesen werden, daß es in Asturien traditionell viele Probleme und eine<br />

starke Konkurrenz zwischen den verschiedenen Kommunen gegeben hat und gibt (zur Lokalismus-Problematik in


52<br />

Der Plan PILES (Plan de Inserción Laboral y Empleo Social, Plan <strong>für</strong> Berufseinglie<strong>der</strong>ung und<br />

soziale Beschäftigung) 11 verfügt über die höchste finanzielle Ausstattung innerhalb <strong>der</strong><br />

arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in Gijón (2635 Millionen Peseten zwischen 1997 und 1999 in<br />

einem Gesamthaushalt von 9100 Mill. Pts.). Der Plan PILES ist ein kommunales<br />

Beschäftigungsprogramm, das den deutschen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sehr ähnlich ist. Die<br />

Stadt Gijón stellt benachteiligte Arbeitslose (hauptsächlich Frauen, Jugendliche und<br />

Langzeitarbeitslose) <strong>für</strong> ein Jahr ein. Diese sollen dadurch Arbeitserfahrung sammeln und in den<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong> integriert werden. Die Arbeiten, die von diesen Personen durchgeführt werden, sind<br />

Arbeiten in den Bereichen <strong>der</strong> Sozialarbeit, <strong>der</strong> Instandhaltung öffentlicher Gebäude und Grünflächen<br />

und <strong>der</strong> Reparatur von Verkehrsinfrastrukturen (Ayunt. Gijón, 1997, 20ff.).<br />

Der Plan PILES wird z.T. durch die asturische Regionalverwaltung finanziert, die die Absicht hat,<br />

aus diesem und aus ähnlichen Programmen zugunsten von Programmen auszusteigen, die eine<br />

längerfristige Beschäftigung vorsehen, und die finanziellen Hilfen <strong>für</strong> die lokalen<br />

arbeitsmarktpolitischen Programmen insgesamt zu kürzen (Fernández/Poncela).<br />

Da die Regionalregierung z.Z. von <strong>der</strong> konservativen Partei (Partido Popular, PP) geleitet wird, und<br />

<strong>der</strong> Bürgermeister von Gijón voraussichtlich <strong>der</strong> sozialistische Spitzenkandidat in den nächsten<br />

Regionalwahlen sein wird, wird dies einer <strong>der</strong> Hauptstreitpunkte zwischen Gijón und dem Principado<br />

bei <strong>der</strong> nächsten Wahl sein (Poncela).<br />

Bis hierhin wurden die Akteure und Maßnahmen <strong>der</strong> asturischen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik auf<br />

verschiedenen Ebenen vorgestellt. Im nächsten Punkt wird dargestellt, wie diese Akteure<br />

zusammenarbeiten, um die Durchführung bestimmter Maßnahmen, nämlich die des Europäischen<br />

Sozialfonds, vorzunehmen.<br />

3 Die Implementation <strong>der</strong> durch den Europäischen Sozialfonds kofinanzierten<br />

arbeitsmarktpolitischen Programme in Asturien<br />

Innerhalb <strong>der</strong> asturischen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik nimmt <strong>der</strong> Europäische Sozialfonds eine sehr wichtige<br />

Stellung ein: Der ESF kofinanziert alle Bildungsmaßnahmen <strong>für</strong> Arbeitslose und <strong>für</strong> von<br />

Arbeitslosigkeit bedrohte Personen, die vom INEM, FORCEM und vom Principado durchgeführt<br />

Asturien s. Köhler 1994 und 1996).<br />

11 Der Name PILES ist zweideutig: Über die „technische“ Übersetzung hinaus, gibt es eine an<strong>der</strong>e Bedeutung. Der Fluß<br />

Piles mündet an <strong>der</strong> Küste Gijóns, so daß die Stadt auch damit geworben hat, daß dieses Programm zu einem „Fluß <strong>der</strong><br />

Beschäftigung“ <strong>für</strong> Gijón werden würde.


53<br />

werden (inklusive <strong>der</strong> Bildungsmaßnahmen innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaftsinitiativen). Das gleiche gilt<br />

<strong>für</strong> die Hilfen zur Selbständigkeit <strong>für</strong> Arbeitslose, die einen Betrieb gründen (Pdo. de Asturias, 1997;<br />

Int. 8). Darüber hinaus kofinanziert <strong>der</strong> ESF einige Aktionen <strong>der</strong> Gemeinden und Städte und stellt<br />

finanzielle Mittel <strong>für</strong> die Unterhaltung <strong>der</strong> Werkstattschulen (Escuelas Taller, s.o.) und <strong>für</strong> die<br />

Umsetzung <strong>der</strong> Reform des Ausbildungssystems bereit (s. Fußnote Nr. 4). Durch diese Hilfen<br />

verfolgt <strong>der</strong> ESF sein von <strong>der</strong> Europäischen Union gesetztes Ziel, „das Funktionieren des<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>es zu verbessern und die menschlichen Ressourcen zu entwickeln“ (EK, ABL. Nr.193<br />

vom 31.7.93, S.39).<br />

Da Asturien innerhalb des Strukturfondssystems <strong>der</strong> EU als Ziel-1-Region eingestuft ist, betragen die<br />

Hilfen des ESF bei den Bildungsmaßnahmen bis zu 75% <strong>der</strong> Gesamtausgaben.<br />

Die verschiedenen oben genannten Institutionen INEM, FORCEM und die asturische<br />

Regionalverwaltung stellen jeweils voneinan<strong>der</strong> unabhängige „Anträge“ (Operationelle Programme,<br />

O.P.) <strong>für</strong> die Durchführung ihrer ESF-Maßnahmen bei <strong>der</strong> EU: Das INEM und das FORCEM<br />

entwerfen ihre Programme auf nationaler Ebene und stellen jeweils ein O.P. <strong>für</strong> alle Ziel-1-Regionen<br />

Spaniens und an<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die an<strong>der</strong>en Ziel-Regionen auf. Diese Programme werden pluriregionale<br />

O.P. genannt.<br />

Das asturische Principado dagegen entwirft ein eigenes Operationelles Programm, dessen<br />

Maßnahmen diejenigen vom INEM und FORCEM ergänzen sollen.<br />

Der relative Stellenwert des O.P. des Principado innerhalb aller ähnlichen Fort- und<br />

Weiterbildungsmaßnahmen in Asturien läßt sich grob an den Teilnehmerzahlen <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Institutionen festhalten:<br />

- Das INEM hat in Asturien im Jahr 1994 fast 5000 Arbeitslose mit Hilfe des ESF um- bzw.<br />

fortgebildet (INEM, 1995, 287 – hierbei sind die Erstausbildungsmaßnahmen, z.B. innerhalb <strong>der</strong><br />

Werkstattschulen, ausgeschlossen -).<br />

- An Bildungsmaßnahmen des FORCEM nehmen pro Jahr etwa 20000 asturische Beschäftigte teil<br />

(Int. 7).<br />

- Durch das Operationelle Programm des Principado (ESF) wurden 1994 Bildungsmaßnahmen <strong>für</strong><br />

fast 1200 Beschäftigte und 2800 Arbeitslose durchgeführt (Pdo. de Asturias, 1997, 50).<br />

Damit hat das Principado einen „Marktanteil“ an ESF-kofinanzierten Bildungsmaßnahmen von 16%.<br />

Die Deckungsquote dieser Maßnahmen (errechnet als <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Teilnehmer an <strong>der</strong><br />

Grundgesamtheit von Beschäftigten bzw. Arbeitslosen in Asturien) beträgt in den Jahren 1994 bis<br />

1996 durchschnittlich 0,89% bei den Maßnahmen <strong>für</strong> Beschäftigte und 4,59% bei den Maßnahmen<br />

<strong>für</strong> Arbeitslose (Pdo. de Asturias, 1997, 48, eigene Berechnungen).


54<br />

In <strong>der</strong> Gesamtheit aller Operationellen Programme im Rahmen des ESF in Asturien beträgt <strong>der</strong> Anteil<br />

<strong>der</strong> finanziellen Ressourcen des O.P. des Principado 9% (nämlich 2.317 Millionen Peseten in den<br />

Jahren 1994 und 1995 gegenüber den 25.716 Millionen Peseten <strong>für</strong> die Pluriregionalen O.P. im<br />

gleichen Zeitraum) (Pdo. de Asturias, 1997, 125).<br />

Hier soll hauptsächlich die Durchführung <strong>der</strong> Maßnahmen des asturischen O.P. im Bereich des<br />

Europäischen Sozialfonds analysiert werden. Die Durchführung <strong>der</strong> Maßnahmen von INEM und<br />

FORCEM wird nur punktuell als Vergleichsmöglichkeit erläutert werden. Die wichtigsten Quellen<br />

<strong>für</strong> die Aussagen in diesem Punkt sind die Zwischenevaluierung <strong>der</strong> asturischen ESF-Maßnahmen in<br />

<strong>der</strong> aktuellen Phase <strong>der</strong> Europäischen Strukturfonds (1994-1999) und die verschiedenen in Asturien<br />

durchgeführten Experteninterviews (s. Übersicht im Anhang).<br />

Die Zwischenevaluierung <strong>der</strong> asturischen ESF-kofinanzierten Maßnahmen (Evaluación del Programa<br />

Operativo del Principado de Asturias – FSE – Informe intermedio) wurde in <strong>der</strong> ersten Hälfte 1997<br />

von einer Gruppe unabhängiger Wissenschaftler aus <strong>der</strong> Wirtschaftsfakultät <strong>der</strong> Universität von<br />

Oviedo durchgeführt und enthält einen deskriptiven Teil über die Durchführung <strong>der</strong> Maßnahmen,<br />

einen analytischen Teil über die arbeitsmarktpolitischen Ergebnisse <strong>der</strong> Maßnahmen und einen<br />

weiteren Teil mit Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> die Verwaltung und <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e beteiligte Akteure.<br />

(Wenn im folgenden nichts an<strong>der</strong>es vermerkt ist, beziehen sich die Angaben immer auf diese<br />

Zwischenevaluierung.)<br />

3.1 Die Durchführung <strong>der</strong> ESF-Bildungsmaßnahmen des Principado<br />

Die Bildungsmaßnahmen des asturischen Operationellen Programms richten sich an folgende<br />

Zielgruppen:<br />

- Arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren,<br />

- Langzeitarbeitslose über 25 Jahren,<br />

- Arbeitslose Frauen,<br />

- Beschäftigte, die vom Ausschluß aus dem <strong>Arbeitsmarkt</strong> bedroht sind, und<br />

- Beschäftigte vom KMU und von Firmen im Restrukturierungsprozeß.<br />

Die meisten <strong>der</strong> Maßnahmen sind <strong>für</strong> die beiden ersten Gruppen Jugendliche und Langzeitarbeitslose<br />

konzipiert (54% <strong>der</strong> Teilnehmer zwischen 1994 und 1996 gehörten zu diesen Gruppen).<br />

Eine Analyse <strong>der</strong> sektoriellen Zugehörigkeit <strong>der</strong> Maßnahmen läßt eine ausgeprägte Ausrichtung zum<br />

zweiten Sektor hin erkennen: 61% <strong>der</strong> Teilnehmer in diesen drei Jahren haben Maßnahmen in den<br />

Berufsfel<strong>der</strong>n Industrie, neue Technologien und Management und Verwaltung von Unternehmen


55<br />

besucht. Maßnahmen im touristischen Bereich haben als stärkste Gruppe innerhalb <strong>der</strong><br />

Dienstleistungen 12% <strong>der</strong> Teilnehmer an sich gezogen.<br />

Die jährliche Planung dieser Maßnahmen wird von <strong>der</strong> asturischen Regionalregierung, vertreten<br />

durch die Bildungsagentur ARF (Agencia Regional de Formación, s.o.), wahrgenommen. Diese<br />

Planung erfolgt in zwei Phasen (Pdo. de Asturias, 1997, 16; Int. 3):<br />

Zuerst werden die Empfehlungen <strong>der</strong> sozialen Akteure, <strong>der</strong> 18 Agenturen des asturischen Netzes <strong>für</strong><br />

lokale Entwicklung (s.o.) und an<strong>der</strong>er Maßnahmeträger über den bestehenden Qualifikationsbedarf<br />

auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong> entgegengenommen. Die ARF selber führt keine Qualifikationsbedarfsanalyse<br />

durch, obwohl dies zu ihren eigentlichen Aufgaben gehören würde (s.o.). Dieses beruht auf <strong>der</strong><br />

Annahme, daß die sozialen Akteure und die Bildungsträger über die Situation auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong><br />

am besten informiert seien.<br />

Diese sog. Empfehlungen (propuestas) sind in Wirklichkeit Maßnahmeanträge.<br />

Aus <strong>der</strong> Gesamtheit <strong>der</strong> eingegangenen Anträge schnürt die ARF ein „Bildungspaket“ (paquete<br />

formativo) zusammen und überlegt, wie bestimmte Lücken in diesem Paket mit gezielten<br />

Bildungsmaßnahmen gefüllt werden könnten (z.B. wenn bei den Anträgen keine o<strong>der</strong> nur sehr<br />

wenige Kurse <strong>für</strong> eine bestimmte Zielgruppe o<strong>der</strong> <strong>für</strong> eine bestimmte Branche vorliegen, werden<br />

genaue Maßnahmen <strong>für</strong> diese Gruppe o<strong>der</strong> Branche entworfen).<br />

In einem zweiten Schritt schreibt die Regionalregierung einen öffentlichen Wettbewerb aus, durch<br />

den verschiedene Träger sich <strong>für</strong> die Durchführung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Regionalregierung entworfenen<br />

Maßnahmen bewerben können. Diese Träger sind in <strong>der</strong> Regel dieselben, die vorher ihre eigenen<br />

Maßnahmen beantragt hatten.<br />

Wenn alle Anträge vorliegen, wird entschieden, welche Maßnahmen finanziert werden. Dabei muß<br />

berücksichtigt werden, daß nach Möglichkeit keine Kurse finanziert werden sollen, die bereits vom<br />

INEM <strong>für</strong> Arbeitslose und vom FORCEM <strong>für</strong> Beschäftigte durchgeführt werden. Die<br />

Vorentscheidung wird von <strong>der</strong> ARF getroffen. Die endgültige Entscheidung trifft aber <strong>der</strong><br />

Verwaltungsrat <strong>der</strong> ARF, <strong>der</strong>, wie oben angesprochen wurde, von Vertretern <strong>der</strong> Regionalregierung<br />

(ARF), des Arbeitgebervertreters FADE und <strong>der</strong> Gewerkschaften CC.OO. und UGT gebildet wird.<br />

Bei dieser Planungs- und Entscheidungsform wird den Maßnahmeträgern viel Spielraum gelassen.<br />

Das wird um so offensichtlicher, wenn man die Trägerstruktur in Asturien berücksichtigt:<br />

In Asturien gibt es 5 große Bildungsträger, die die meisten Maßnahmen des O.P. des Principado<br />

durchführen, aber auch die, die von INEM und FORCEM finanziert werden. Diese sind im einzelnen


56<br />

- Das Bildungszentrum <strong>für</strong> neue Technologien CFNT (Centro de Formación en Nuevas<br />

Tecnologías), das 1985 auf gesamtstaatlicher Ebene gegründet wurde, um negative Effekte des<br />

Umstrukturierungsprozesses im Schiffsbausektor aufzufangen, und das sich auf die Umschulung<br />

von Arbeitslosen und Beschäftigten <strong>der</strong> Industrie spezialisiert hat.<br />

- Die Stiftung Kohlereviere FUCOMI (Fundación Comarcas Mineras), die 1993 im Rahmen eines<br />

Restrukturierungsplanes des wichtigsten asturischen Bergbauunternehmens auf Drängen <strong>der</strong><br />

Gewerkschaften hin geschaffen wurde, um die Bildungsmöglichkeiten <strong>der</strong> arbeitslosen<br />

Jugendlichen aus den Kohlerevieren zu verbessern (Köhler, 1996, 395ff.). FUCOMI erteilt<br />

ausschließlich Kurse <strong>für</strong> Arbeitslose.<br />

- Der Arbeitgeberverband FADE (Fe<strong>der</strong>ación Asturiana de Empresarios, s.o.) führt Kurse <strong>für</strong><br />

Beschäftigte und <strong>für</strong> Arbeitslose in ganz Asturien durch. Die meisten Bildungsmaßnahmen<br />

werden dezentralisiert von 13 verschiedenen Branchenverbänden (FADE-Mitglie<strong>der</strong>)<br />

durchgeführt. FADE selbst führt nur sektorübergreifende Kurse durch, wie z.B. Informatik-,<br />

Sprach- und Management-Kurse (Int. 5).<br />

- Die Gewerkschaft UGT (Unión General de Trabajadores, s.o.) hat zwei eigene<br />

Bildungseinrichtungen, die in ganz Asturien und <strong>für</strong> alle Branchen Bildungsmaßnahmen <strong>für</strong><br />

Beschäftigte und Arbeitslose durchführen.<br />

- Die Gewerkschaft CC.OO. (Comisiones Obreras, s.o.) verfügt auch über eine Stiftung, die ihre<br />

Bildungsmaßnahmen <strong>für</strong> Arbeitslose und Beschäftigte hauptsächlich im asturischen Zentrum<br />

durchführt.<br />

Diese fünf Institutionen haben in den ersten drei Jahren <strong>der</strong> aktuellen Strukturfonds-Phase (1994-<br />

1999) insgesamt 73% <strong>der</strong> Bildungsmaßnahmen des asturischen Operationellen Programms (ESF)<br />

durchgeführt. Die restlichen 27% <strong>der</strong> Maßnahmen sind von kleineren Trägern durchgeführt worden:<br />

kleinere Gewerkschaften, sektoriale Arbeitgeberverbände, Berufsschulen, Träger, die sich auf<br />

bestimmte Zielgruppen spezialisiert haben (Bsp. Fraueninitiativen u. Behin<strong>der</strong>tenschulen), einzelne<br />

Firmen (z.B. KMU) und vereinzelt auch lokale Entwicklungsagenturen.<br />

Die Anteile <strong>der</strong> großen Träger an den gesamten Maßnahmen in diesen drei Jahren können <strong>der</strong><br />

nächsten Abbildung entnommen werden


57<br />

Quelle: Pdo. de Asturias, 1997, 18 (eigene Berechnung)<br />

Diese oligarchische Trägerstruktur hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile sind die Nutzung von<br />

Synergieeffekten, die sich ab einer gewissen Trägergröße ergeben können, die Übersichtlichkeit <strong>der</strong><br />

Partner <strong>für</strong> die Verwaltung und die gewünschte Konkurrenz zwischen den „5 Großen“, die sich<br />

dadurch verschärft hat, daß die Einglie<strong>der</strong>ungsquoten bei <strong>der</strong> Zwischenevaluierung <strong>für</strong> jeden <strong>der</strong><br />

Träger ausgerechnet worden ist (s.u.).<br />

Nachteile können sich daraus ergeben, daß diese 5 Träger direkt o<strong>der</strong> indirekt mit den Sozialen<br />

Partnern verbunden sind, die die jährliche Planung <strong>der</strong> Maßnahmen im Verwaltungsrat <strong>der</strong> ARF<br />

mitbestimmen (FADE, CC.OO. und UGT sind direkt im Verwaltungsrat <strong>der</strong> ARF mit insgesamt 50%<br />

<strong>der</strong> Stimmen vertreten. Gleichzeitig sind sie in die Leitungsgremien von CFNT und FUCOMI<br />

integriert). Diese Doppelrolle bei <strong>der</strong> Planung und <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Maßnahmen könnte zu<br />

Interessenkonflikten führen.<br />

Von den ESF-Evaluatoren wird diese Trägerstruktur insgesamt als positiv eingestuft und es wird<br />

betont, daß dadurch, daß kleinere Träger und Unternehmen bei <strong>der</strong> Mittelvergabe berücksichtigt<br />

werden, die Maßnahmen des Principado einen Grad an Flexibilität erreichen würden, <strong>der</strong> höher sei<br />

als <strong>der</strong> vom INEM und vom FORCEM mit ihren relativ starren Strukturen und ihren hohen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die Träger.<br />

Abb.1: Anteile verschiedener Träger an den Bildungsmaßnahmen<br />

des asturischen ESF-O.P. zwischen 1994 und 1996<br />

CC.OO.<br />

6%<br />

an<strong>der</strong>e<br />

27%<br />

UGT<br />

11% FADE<br />

13%<br />

CFNT<br />

28%<br />

FUCOMI<br />

15%


58<br />

Auch die Inhalte <strong>der</strong> Bildungsmaßnahmen seien beim Principado flexibler als beim INEM, weil die<br />

Prioritäten an<strong>der</strong>s gesetzt seien. Das INEM schult nur in diejenigen Berufe um, <strong>für</strong> die <strong>der</strong> bislang<br />

erreichte Einglie<strong>der</strong>ungsgrad durchschnittlich bis hoch war und <strong>für</strong> die es in <strong>der</strong> Gegenwart einen<br />

tatsächlichen, statistisch erfaßten Bedarf an Arbeitkräften gibt (INEM, 1997, 10ff.). Beim Principado<br />

dagegen bestimmen hauptsächlich die Träger den Inhalt <strong>der</strong> Maßnahmen, so daß auch<br />

zukunftsorientiertere Maßnahmen durchgeführt werden können (z.B. im touristischen Bereich, <strong>der</strong><br />

vom INEM als durchschnittlich eingestuft wird). Innerhalb vom FORCEM bestimmen hauptsächlich<br />

die Betriebsleitungen und die Betriebsräte, welche Fortbildungsmaßnahmen <strong>für</strong> sie interessant sind,<br />

so daß auch hier von einer relativ hohen Flexibilität ausgegangen werden kann.<br />

Diese erhöhte Flexibilität schlägt sich nach Meinung <strong>der</strong> Evaluatoren in den arbeitsmarktpolitischen<br />

Ergebnissen <strong>der</strong> Maßnahmen, vor allem in <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungsquote von AbsolventInnen in den<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>, nie<strong>der</strong>.


3.2 Die Ergebnisse <strong>der</strong> Zwischenevaluierung <strong>der</strong> ESF-Bildungsmaßnahmen<br />

59<br />

Der Erfolg einer Fort- o<strong>der</strong> Umschulungsmaßnahme <strong>für</strong> Arbeitslose wird häufig an ihrer<br />

Einglie<strong>der</strong>ungsquote gemessen. Die Einglie<strong>der</strong>ungsquoten geben eine Auskunft darüber, wieviele <strong>der</strong><br />

AbsolventInnen von Bildungsmaßnahmen nach Beendigung <strong>der</strong> Maßnahme einen Arbeitsplatz<br />

erhalten haben. Sie werden in <strong>der</strong> Regel mit etwas zeitlichem Abstand zum Ende <strong>der</strong> Maßnahme<br />

ermittelt, da man mit einer Bewerbungszeit rechnen muß, in <strong>der</strong> die AbsolventInnen noch keine<br />

Arbeit gefunden haben.<br />

Im Falle <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungsquoten <strong>der</strong> ESF-Zwischenevaluierung in Asturien wurden die<br />

Maßnahmen zugrunde gelegt, die im Jahr 1995 stattgefunden hatten. Die Datenerhebung wurde im<br />

April 1997 durch persönliche Interviews mit den AbsolventInnen durchgeführt. Es wurden 719<br />

Personen befragt, die 1995 an einer <strong>der</strong> Bildungsmaßnahmen <strong>für</strong> Arbeitslose teilgenommen hatten<br />

(zu den Ergebnissen <strong>der</strong> Maßnahmen <strong>für</strong> Beschäftigte s.u.).<br />

Es wurden zwei verschiedene Einglie<strong>der</strong>ungsquoten ermittelt:<br />

- Eine „tasa de ocupación“ (hier Einglie<strong>der</strong>ungsquote I genannt), die Auskunft darüber gibt,<br />

wieviele <strong>der</strong> AbsolventInnen zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Befragung (d.h. 15 bis 25 Monate nach<br />

Beendigung <strong>der</strong> Maßnahme) eine Arbeit hatten, und<br />

- eine „tasa de colocación“ (hier Einglie<strong>der</strong>ungsquote II), die besagt, wieviele <strong>der</strong> AbsolventInnen<br />

zwischen dem Ende <strong>der</strong> Maßnahme und dem Zeitpunkt <strong>der</strong> Befragung mindestens einmal in<br />

einem Arbeitsverhältnis gestanden hatten, unabhängig davon, ob dieses noch zum Zeitpunkt <strong>der</strong><br />

Befragung bestand o<strong>der</strong> nicht.<br />

Die ermittelten Quoten aus <strong>der</strong> gesamten Stichprobe sind:<br />

- Einglie<strong>der</strong>ungsquote I: 33.0%<br />

- Einglie<strong>der</strong>ungsquote II: 61.7%.<br />

Beide Quoten liegen <strong>für</strong> die Gruppen <strong>der</strong> Langzeitarbeitslosen und <strong>der</strong> Frauen niedriger. Am<br />

niedrigsten sind die Einglie<strong>der</strong>ungsquoten von langzeitarbeitslosen Frauen über 25 Jahren (I: 20%, II:<br />

50%). Für Frauen unter 25 Jahren zeigen sich allerdings bessere Zahlen als bei Männern <strong>der</strong> gleichen<br />

Alterskohorte. Dieser Unterschied zwischen jüngeren und älteren Frauen wird <strong>der</strong> allgemeinen<br />

besseren Bildungssituation jüngerer Frauen in Spanien zugerechnet.<br />

Als zentrales Ergebnis <strong>der</strong> Evaluierung sehen die Forscher die starke Rotation <strong>der</strong> früheren<br />

Teilnehmer auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong>, die sich in <strong>der</strong> Tatsache wi<strong>der</strong>spiegelt, daß zwar 62% <strong>der</strong>


60<br />

AbsolventInnen nach Beendigung <strong>der</strong> Maßnahmen einen Arbeitsplatz gefunden hatten, aber fast die<br />

Hälfte davon schon wie<strong>der</strong> arbeitslos geworden war.<br />

Die Einglie<strong>der</strong>ungsquoten wurden auch <strong>für</strong> die verschiedenen Wirtschaftssektoren und die<br />

verschiedenen Maßnahmeträger ermittelt:<br />

- Nach Branchen sind die Kurse im Dienstleistungssektor am erfolgreichsten gewesen, während die<br />

Teilnehmer <strong>der</strong> industrieorientierten Kurse schlechtere Einglie<strong>der</strong>ungsergebnisse vorweisen<br />

können. Dies kann damit zusammenhängen, daß mehr Kurse im Bereich Industrie angeboten<br />

wurden, so daß das Arbeitskräftepotential in diesem Bereich höher war als bei den<br />

Dienstleistungen, o<strong>der</strong> an einer möglich höheren Kapazität des Dienstleistungssektors,<br />

Arbeitskräfte einzustellen.<br />

- Nach Maßnahmeträgern gestaffelt waren die Teilnehmer <strong>der</strong> Kurse, die die Gewerkschaft UGT<br />

organisierte, erfolgreicher als <strong>der</strong> Durchschnitt. Auch die FUCOMI- und die CC.OO.- Teilnehmer<br />

(s.o.) waren relativ erfolgreich. Die Einglie<strong>der</strong>ungsergebnisse des Bildungszentrums <strong>für</strong> Neue<br />

Technologien waren durchschnittlich. Die Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Teilnehmer <strong>der</strong> Kurse des<br />

Arbeitgeberverbands FADE war im Gegensatz dazu geringer als <strong>der</strong> Durchschnitt. Ob eine<br />

Kausalitätsbeziehung zwischen dem Träger und <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung existiert, wird in <strong>der</strong><br />

Zwischenevaluierung angezweifelt. Allerdings glauben die Evaluatoren, daß diese Ergebnisse<br />

Inzentive <strong>für</strong> die Zukunft setzen könnten, damit alle großen Träger versuchen, ihre<br />

„Einglie<strong>der</strong>ungsnote“ zu verbessern.<br />

Es ist bei <strong>der</strong> Interpretation solcher Einglie<strong>der</strong>ungsdaten allgemein zu berücksichtigen, daß<br />

Bildungsmaßnahmen ein Teil <strong>der</strong> angebotsorientierten <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik sind, d.h. sie beeinflussen<br />

das Angebot an Arbeitskräften und nicht die Nachfrage. Die jeweilige Nachfrage auf dem<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong> ist aber da<strong>für</strong> ausschlaggebend, wann wieviele Personen eingestellt werden.<br />

Mit Bildungsmaßnahmen kann man nur erreichen, daß das Angebot <strong>der</strong> Nachfrage angepaßt wird, so<br />

daß eine relativ geringe Mismatch-Arbeitslosigkeit bestehen bleibt.<br />

Die asturischen Evaluatoren haben versucht herauszufinden, ob die Maßnahme-AbsolventInnen<br />

deshalb eine Arbeit gefunden haben, weil sie an einer bestimmten Bildungsmaßnahme teilgenommen<br />

haben, o<strong>der</strong> weil die Situation auf dem <strong>Arbeitsmarkt</strong> nach <strong>der</strong> Maßnahme einfach besser war als<br />

vorher. Da<strong>für</strong> hatten sie vorgesehen, eine Kontrollgruppe aus Personen, die sich <strong>für</strong> die Kurse<br />

angemeldet hatten, die aber aufgrund mangeln<strong>der</strong> Plätze nicht teilgenommen hatten, zu interviewen.<br />

Dies war nicht möglich, weil die Träger die Adressen dieser Nicht-TeilnehmerInnen nicht<br />

nachgehalten hatten, soll aber bei <strong>der</strong> endgültigen Evaluierung im nächsten Jahr nachgeholt werden.


61<br />

Als Vergleichsgröße haben die Evaluatoren deshalb die Einglie<strong>der</strong>ungsquoten <strong>der</strong> Maßnahmen des<br />

Principado mit denen des INEM verglichen und ein besseres Ergebnis <strong>für</strong> das Principado festgestellt:<br />

Das INEM hatte bei seiner Zwischenevaluierung eine „tasa de colocación“ <strong>für</strong> die Maßnahmen von<br />

1995 von 46,1% gegenüber 61,7% des Principado. D.h., 46,1% <strong>der</strong> INEM-Teilnehmer haben nach<br />

Beendigung <strong>der</strong> Maßnahme mindestens einmal gearbeitet. Wieviele davon noch zum Zeitpunkt <strong>der</strong><br />

Datenerhebung arbeiteten („tasa de ocupación“), hat das INEM nicht nachgehalten.<br />

Das Operationelle Programm des Principado (ESF) sieht nicht nur Kurse <strong>für</strong> Arbeitslose vor, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>für</strong> Beschäftigte von KMU und von Unternehmen im Restrukturierungsprozeß und <strong>für</strong><br />

Beschäftigte, denen ein Ausschluß aus dem <strong>Arbeitsmarkt</strong> droht (s.o.).<br />

Die Evaluierung dieser Kurse richtet sich nicht nach Einglie<strong>der</strong>ungsquoten (denn die Beschäftigten<br />

sind schon in den <strong>Arbeitsmarkt</strong> eingeglie<strong>der</strong>t), son<strong>der</strong>n nach Verweilquoten („tasas de<br />

permanencia“), die besagen, wieviele <strong>der</strong> Teilnehmer nach Beendigung <strong>der</strong> Maßnahme und einige<br />

Zeit danach immer noch arbeiten.<br />

Um diese Quote zu ermitteln, haben die asturischen ESF-Evaluatoren im April 1997 469 persönliche<br />

Interviews mit AbsolventInnen von Bildungsmaßnahmen <strong>für</strong> Beschäftigte, die 1995 stattfanden,<br />

durchgeführt. Das Gesamtergebnis besagt, daß 92,3% <strong>der</strong> Teilnehmer zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Befragung<br />

immer noch einer Beschäftigung nachgingen. 87,8% <strong>der</strong> Befragten arbeiteten sogar noch an ihrem<br />

alten Arbeitsplatz.<br />

Wie bei den Maßnahmen <strong>für</strong> Arbeitslose ergaben sich auch hier schlechtere Ergebnisse <strong>für</strong> Frauen<br />

(mit einer Verweilquote von 83,7%) als <strong>für</strong> Männer (94,6%).<br />

Sektoriell hat die Landwirtschaft die besten Verweilergebnisse (100%) und <strong>der</strong> Bausektor die<br />

schlechtesten (78%), was mit <strong>der</strong> starken Fluktuation in diesem Sektor zusammenhängt.<br />

3.3 Die Handlungsempfehlungen <strong>der</strong> ESF-Evaluatoren<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Analyseergebnisse zur Implementation des ESF-Programms des Principado in Asturien<br />

und <strong>der</strong> oben erläuterten Ergebnisse über die Folgen <strong>der</strong> Teilnahme an Bildungsmaßnahmen <strong>für</strong> die<br />

Arbeitssituation <strong>der</strong> AbsolventInnen, haben die Evaluatoren verschiedene Handlungsempfehlungen<br />

<strong>für</strong> die restliche Zeit <strong>der</strong> aktuellen Strukturfonds-Phase (bis 1999) ausgesprochen. Diese sind (u.a.):<br />

- Die Regionalverwaltung (vertreten durch die ARF) sollte die bestehende Trägerstruktur mit den 5<br />

großen Trägern und den vielen kleineren Trägern beibehalten und versuchen, Anreize zu setzen,<br />

um die Bildungsmaßnahmen, z.B. durch Qualitätskontrollen, zu verbessern.


- Die Verwaltung sollte Doubletten im Bildungsangebot verschiedener Träger vermeiden.<br />

62<br />

- Die Inhalte <strong>der</strong> Kurse sollten spezifischer sein (viele Teilnehmer hatten darüber geklagt, daß die<br />

Kurse zu allgemein gehalten seien), und sie sollten von Anfang an klar <strong>für</strong> Anfänger,<br />

Fortgeschrittene o<strong>der</strong> Spezialisten ausgeschrieben sein.<br />

- Es sollte die Möglichkeit angeboten werden, nach Beendigung einer Maßnahme an einer<br />

weiterführenden Maßnahme teilzunehmen.<br />

- In den Kohlerevieren sollte das Bildungsangebot <strong>für</strong> Beschäftigte angehoben werden (<strong>der</strong> größte<br />

Träger in den Revieren, FUCOMI, bildet nur Arbeitslose fort). Den Evaluatoren nach könnte eine<br />

Erweiterung <strong>der</strong> FUCOMI-Maßnahmen auf die Beschäftigten im Bergbau positive externe<br />

Effekte ausnutzen, die sich aus <strong>der</strong> jetztigen Bildungsinfrastruktur <strong>für</strong> Arbeitslose ergeben.<br />

Darüber hinaus sehen die Evaluatoren, die die ESF-Bildungsmaßnahmen des Principado insgesamt<br />

als gut organisiert und erfolgreich bewerten, noch offene Handlungsspielräume <strong>der</strong> Verwaltung, die<br />

ausgenutzt werden sollten: Diese sind hauptsächlich im Bereich <strong>der</strong> informellen Beziehungen<br />

zwischen den beiden arbeitsmarktpolitischen Agenturen des Principado (<strong>der</strong> Bildungsagentur ARF<br />

und <strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ungsagentur APE) und den wichtigsten Vertretern <strong>der</strong> sozialen Akteure FADE,<br />

UGT und CC.OO. zu finden. Denn diese Akteure sind - wie oben angesprochen - sowohl mit <strong>der</strong><br />

Planung als auch mit <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Maßnahmen beschäftigt.<br />

Aber auch die Beziehungen zwischen <strong>der</strong> regionalen Verwaltung und dem INEM sollten verbessert<br />

werden, um z.B. die jeweiligen Bildungsangebote zu koordinieren. Probleme zwischen <strong>der</strong><br />

regionalen und <strong>der</strong> nationalen Verwaltung (vertreten durch das INEM) sind Probleme, die mit <strong>der</strong><br />

Kompetenzen-Frage verbunden sind (s.o.): Solange Asturien keine eigenen arbeitsmarktpolitischen<br />

Kompetenzen übertragen bekommen hat, ist nicht davon auszugehen, daß INEM-Mitarbeiter daran<br />

interessiert sind, ihren Informationsvorsprung in Sachen <strong>Arbeitsmarkt</strong> zu verlieren. Deshalb dürfte<br />

eine Verbesserung <strong>der</strong> Kommunikationskanäle zwischen dem Principado und dem INEM z.Zt. sehr<br />

schwierig sein.<br />

4 Schlußbemerkungen<br />

Zum Schluß sollen hier einige wichtige Punkte zusammenfassend wie<strong>der</strong>holt werden:<br />

Die aktive <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien (und in ganz Spanien) hat eine sehr junge Geschichte:<br />

Von einer breitangelegten aktiven <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik kann man in Spanien erst seit Anfang <strong>der</strong> 90er


63<br />

Jahre sprechen. Die meisten hier vorgestellten Institutionen (z.B. das FORCEM auf nationaler Ebene,<br />

die beiden Agenturen APE und ARF auf asturischer Ebene und die lokalen Entwicklungsagenturen)<br />

existieren erst seit einigen Jahren. Deshalb sind die bestehenden Strukturen noch nicht festgelegt. Es<br />

wird sich auch noch viel än<strong>der</strong>n, weil die Diskussionen darüber, wer wo<strong>für</strong> zuständig ist, noch nicht<br />

abgeschlossen sind.<br />

Die aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die in Asturien durchgeführt werden, sind<br />

hauptsächlich Maßnahmen in den Bereichen <strong>der</strong> Fort- und Weiterbildung, <strong>der</strong> Lohnkostenzuschüsse<br />

und <strong>der</strong> Hilfe zur Existenzgründung. ABM-ähnliche Maßnahmen, die in Deutschland sehr verbreitet<br />

sind, gibt es allerdings sehr wenige und nur vereinzelt (z.B. innerhalb des Plan PILES in Gijón).<br />

Die politischen Akteure <strong>der</strong> asturischen <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik sind gespalten: Es finden sich<br />

Unterschiede zwischen den politischen Ebenen, die Probleme zwischen <strong>der</strong> nationalen, <strong>der</strong><br />

regionalen und den lokalen Verwaltungen auslösen. Und es finden sich auch Probleme auf den<br />

einzelnen Ebenen, z.B. durch die Trennung <strong>der</strong> Organisation <strong>der</strong> <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in Asturien in<br />

den beiden Agenturen APE und ARF und durch die Streitereien zwischen den verschiedenen<br />

Kommunen und Gemeinden Asturiens.<br />

Die sozialen Akteure sind natürlich auch gespalten, was aber in <strong>der</strong> Natur ihrer Interessen<br />

(Arbeitnehmer- bzw. Arbeitgebervertretung) liegt. Bezüglich ihrer arbeitsmarktpolitischen Rolle sind<br />

sie sehr stark. Das ist zwar in ganz Spanien so (aufgrund <strong>der</strong> Politik des „sozialen Dialoges“), aber in<br />

Asturien ist diese soziale Konzertation durch die traditionell sehr starke Position <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

noch ausgeprägter.<br />

Über die Implementation <strong>der</strong> ESF-Maßnahmen ist erstmals ihr Stellenwert zu betonen: In Asturien<br />

gibt es keine Weiterbildungsmaßnahmen <strong>für</strong> Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte<br />

Beschäftigte, die nicht durch das ESF kofinanziert werden. Dies ist in Deutschland mit <strong>der</strong> langen<br />

Tradition <strong>der</strong> Fort- und Umschulungsmaßnahmen des Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzes an<strong>der</strong>s.<br />

Darüber hinaus muß daran erinnert werden, daß in Asturien 3 ESF-Operationelle Programme<br />

gleichzeitig existieren (eines vom INEM, eines vom FORCEM und eines vom Principado), was zu<br />

Koordinationsproblemen führt.<br />

Die hier schwerpunktmäßig untersuchten Maßnahmen des O.P. des Principado scheinen <strong>der</strong><br />

Evaluierung nach relativ gut organisiert zu sein und zeigen verglichen mit an<strong>der</strong>en ähnlichen<br />

Maßnahmen gute Erfolgsquoten.


Literaturverzeichnis<br />

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64<br />

Agencia para la Promoción del Empleo (APE): Pacto territorial para el empleo en las comarcas<br />

mineras de Asturias, Oviedo, 1998.<br />

Agencia Regional de Formación (ARF): Agencia Regional de Formación, abzurufen unter:<br />

http://www.interbook.net/empresas/agenciareg<br />

Ayuntamiento de Gijón: Gijón - Observatorio local n° 9 - anuario 1996, Gijón, 1996.<br />

Ayuntamiento de Gijón: Agencia Local de Promoción Económica y Empleo, Gijón, 1997.<br />

Ballina, F. de la: El Principado recortará las ayudas para los planes de empleo locales, in: La nueva<br />

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Breisig, T. (Hrsg.): Handwörterbuch Arbeitsbeziehungen in <strong>der</strong> EG, Wiesbaden, 1993.<br />

Europäische Kommission: Verordnung (EWG) Nr. 2084/93 des Rates vom 20. Juli 1993 zur<br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verordnung (EWG) Nr. 4255/88 zur Durchführung <strong>der</strong> Verordnung (EWG) Nr.<br />

2052/88 hinsichtlich des Europäischen Sozialfonds, in: Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen<br />

Gemeinschaften Nr.L 193 vom 31. Juli 1993, S.39-43.<br />

Europäische Kommission: MISEP Basisinformationsbericht Spanien – Institutionen, Verfahren und<br />

Maßnahmen, 1996, Berlin, 1996.<br />

Europäische Kommission: Regionale und kommunale Beschäftigungsbündnisse: ein erster Überblick<br />

über konkrete Durchführungsmaßnahmen, GD XVI, IP/97/984, Brüssel, 13. November 1997.<br />

Fernández, M. / Poncela, N.: La última guerra entre el Principado y Gijón – Empleos que dan que<br />

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Höcker, H.: Die Organisation <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Arbeitsmarkt</strong>politik in <strong>der</strong> Europäischen Union, in:<br />

InforMISEP Nr.48, Winter 1994, S.27-35.


65<br />

Instituto Nacional de Empleo (INEM) – Dirección Provincial de Asturias: Formación e Inserción<br />

1995 (tomo 2), Oviedo, 1995.<br />

Instituto Nacional de Empleo (INEM) – Dirección Provincial de Asturias: Prioridades de actuación<br />

para la formación ocupacional en 1998, Oviedo, 1997.<br />

InforMISEP Maßnahmen, (Zeitschrift des Europäischen Beschäftigungsorbervatoriums) Ausgaben<br />

Nr. 44, 45, 46, 47, 48, 51, 59 und 60, Berlin, 1993 – 1997.<br />

Köhler, H.-D.: Altindustrielle Regionen und Strukturkrise – Vergleichende Forschung zu Asturien<br />

(Nordspanien) und dem <strong>Ruhr</strong>gebiet, Hans Böckler Stiftung, Graue Reihe – Neue Folge 78,<br />

Düsseldorf, 1994.<br />

Köhler, H.-D. (dir.): Asturias – El declive de una región industrial, Gijón, 1996.<br />

Parra, C.: Pacto por el Empleo, in: El País vom 09. April 1997, S.49-52.<br />

Parra, C.: La creación de empleo disminuyó el año pasado pese al mayor crecimiento económico, in:<br />

El País vom 19. Februar 1998, S.51.<br />

Poncela, N.: Areces pide a los sindicatos que reaccionen contra el Gobierno, in: La nueva España<br />

vom 08. März 1998, S.24.<br />

Principado de Asturias: Acuerdos de concertación social en el Principado de Asturias, Oviedo, 1996.<br />

Principado de Asturias: Evaluación del Programa Operativo del Principado de Asturias (FSE) –<br />

Informe intermedio. Oviedo, 1997.<br />

SADEI: Datos y cifras de la economía asturiana 1996, Oviedo, 1997a.<br />

SADEI: Estadísticas laborales 1996, Oviedo, 1997b.<br />

Schubert, K./Klein, M.: Das Politiklexikon, Bonn, 1997.


Anhang<br />

Übersicht über die in Asturien geführten Experteninterviews<br />

Int.-Nr. Institution Gesprächspartner Funktion<br />

1 Universidad de Oviedo, R. Vega García früherer Mitarbeiter im Projekt von<br />

Facultad de Historia<br />

H.-D. Köhler<br />

2 Pdo. de Asturias: Agenc. J.M. Morales Direktor<br />

para la promoción del<br />

empleo (APE)<br />

Sánchez<br />

3 Pdo. de Asturias: Agenc. M.C. Ocio Leiterin <strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong><br />

Regional de formación<br />

(ARF)<br />

Bildungsmaßnahmen<br />

4 EU-Büro des Pdo. Dr. D. Ordóñez Rechtsexperte<br />

5 FADE J.P. Villa Casal Leiter <strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong><br />

Bildungsmaßnahmen<br />

6 Servicio de formación y<br />

desarrollo local (Gijón)<br />

P. Vázquez Direktor<br />

7 Universidad de Oviedo, J. Mato Díaz Dozent <strong>für</strong> angewandte<br />

Fac. de Ciencias<br />

Wirtschaftsforschung, ESF-<br />

Económicas<br />

Evaluator<br />

8 INEM R. del Río Stellv. Provinzialdirektor<br />

9 CC.OO. M.B. Couto Noriega Leiter <strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong> Berufsund<br />

Gewerkschaftsbildung<br />

10 Pdo. de Asturias: R. Martín Lobeto Leiter <strong>der</strong> Abteilung EU-<br />

Consejería Economía<br />

För<strong>der</strong>programme<br />

66


Christine Ehret/Thomas Kley<br />

67<br />

Gruppenarbeit als Chance und Modell <strong>für</strong> die Zukunft kommunaler<br />

Beschäftigungsgesellschaften. Anregungen und Vorschläge zur Neuorganisation <strong>der</strong> „Essener-<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Arbeit - Beschäftigungsgesellschaft“<br />

1.1 ENTDECKUNGSZUSAMMENHANG DER FALLSTUDIE ................................................................ 69<br />

1.2 NEUORGANISATION DER EABG – ANKNÜPFUNGSPUNKTE DER STUDIE.................................... 69<br />

1.3 ZIELE DER STUDIE............................................................................................................... 70<br />

1.4 EIN ERSTER VORSCHLAG ZUM SPRACHGEBRAUCH: „TEAMS“ STATT „KOLONNEN“ ..................... 70<br />

2 THEORETISCHE ERKENNTNISSE ÜBER DIE CHANCEN UND RISIKEN VON<br />

GRUPPENARBEIT................................................................................................... 71<br />

2.1 GRUPPENARBEIT ALS ZENTRALES ELEMENT BETRIEBLICHER NEUORGANISATION – DEFINITION UND<br />

EMPIRIE................................................................................................................................... 71<br />

2.1.1 Definition: „qualifizierte Gruppenarbeit“ .......................................................................................71<br />

2.1.2 Einige empirische Daten zur Gruppenarbeit ...................................................................................72<br />

2.2 DIE ZWEI WICHTIGSTEN ARGUMENTE FÜR GRUPPENARBEIT.................................................... 72<br />

2.3 RISIKEN UND PROBLEME...................................................................................................... 73<br />

2.4 WELCHE ELEMENTE VON GRUPPENARBEIT SIND BEI EINER BESCHÄFTIGUNGSGESELLSCHAFT DENKBAR?<br />

............................................................................................................................................... 74<br />

3 IDEEN UND GESTALTUNGSVORSCHLÄGE ZUR EINFÜHRUNG VON<br />

GRUPPENARBEIT BEI DER EABG ........................................................................ 75<br />

3.1 ZUR BINNENSTRUKTUR DER „TEAMS“................................................................................... 75<br />

3.1.1 Drei Modelle <strong>der</strong> Gruppenvertretung .............................................................................................75<br />

3.1.2 Gruppengespräche .......................................................................................................................76<br />

3.1.3 Dezentralisierung von Kompetenzen - Selbstregulation <strong>der</strong> Teams...................................................76<br />

3.2 EXKURS: „GRUPPENARBEIT BEI DER EABG - WARUM ES FUNKTIONIEREN KÖNNTE ...“.............. 78<br />

3.3 SCHWACHE ANREIZSTRUKTUR UND MANGELNDE MOTIVATION DER TEILNEHMER ALS HAUPTPROBLEME<br />

............................................................................................................................................... 78<br />

3.4 ANSÄTZE ZUR LÖSUNG DES „MOTIVATIONSDILEMMAS“ - JENSEITS MONETÄRER ANREIZE......... 79


3.4.1 Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß (KVP)................................................................................79<br />

3.4.2 Nichtmonetäre Anreize: Fußballkarten als Gruppenprämie? ............................................................79<br />

3.4.3 Qualifizierung als Anreiz (training-on-the-job)...............................................................................80<br />

3.4.4 Soziale Kontakte als Anreiz ..........................................................................................................80<br />

3.4.5. Weitere Vorschläge.....................................................................................................................81<br />

3.5 NOTWENDIGE VORAUSSETZUNG DES ERFOLGES: SOZIALE QUALIFIZIERUNG DER VORARBEITER ALS<br />

ZENTRALE BEDINGUNG ............................................................................................................. 81<br />

3.6 WICHTIG IN DER EINFÜHRUNGSPHASE: GRUPPENMANAGEMENT.............................................. 82<br />

4 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK – EVALUATION VON PILOTPROJEKTEN<br />

.................................................................................................................................. 83<br />

LITERATURVERZEICHNIS.................................................................................... 84<br />

1 EINLEITUNG – ENTSTEHUNG INTERNER ARBEITSMÄRKTE........................ 87<br />

68


1 Einleitung<br />

69<br />

Dieses Kapitel resümiert die „Vorgeschichte“ <strong>der</strong> Studie insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> bislang Uninformierte:<br />

„Wie es zu diesem Konzept kam und was es (nicht) leisten soll.“<br />

1.1 Entdeckungszusammenhang <strong>der</strong> Fallstudie 12<br />

Die Idee <strong>für</strong> die vorliegende Arbeit entstand im Juni 1997, als die Teilnehmer des<br />

Vertiefungsseminars „Analyse des <strong>Politikfeld</strong>s <strong>Arbeitsmarkt</strong>“ des Lehrstuhls <strong>für</strong> Politikwissenschaft<br />

II an <strong>der</strong> <strong>Ruhr</strong>-Universität die Essener Arbeit - Beschäftigungsgesellschaft mbH (im weiteren:<br />

EABG) besuchten, um einen Eindruck von den Aufgaben und Problemen eines kommunalen<br />

arbeitsmarktpolitischen Trägers zu gewinnen. Offen wurden hier die bestehenden Schwierigkeiten<br />

geschil<strong>der</strong>t und die Pläne <strong>der</strong> EABG, durch einen umfassenden Wandel <strong>der</strong> Organisationsstruktur die<br />

komplexen Anfor<strong>der</strong>ungen zukünftig besser erfüllen zu können, skizziert.<br />

Im November konstituierte sich innerhalb unseres Seminars ein Projektteam. Neben weiteren<br />

Gesprächen mit <strong>der</strong> EABG verschafften wir uns durch die Analyse <strong>der</strong> Vorlagen zur<br />

Aufsichtsratssitzung vom 9. Oktober 1997 einen Überblick über die geplanten Elemente des<br />

Organisationswandels.<br />

1.2 Neuorganisation <strong>der</strong> EABG – Anknüpfungspunkte <strong>der</strong> Studie<br />

Theoretisch wie praktisch interessant war und ist <strong>für</strong> uns insbeson<strong>der</strong>e die geplante Einrichtung von<br />

sog. „Kolonnen“, zu denen jeweils maximal sechs Teilnehmer des „Arbeit statt Sozialhilfe“-<br />

Kontingents und ein in <strong>der</strong> Regel festangestellter Vorarbeiter zusammengefaßt werden sollen. 13<br />

Für diese „Kolonnen“ sollen u.a. Jahresumsatzziele definiert werden. Offenbar sollen in <strong>der</strong> neuen<br />

EABG stärker als in <strong>der</strong> Vergangenheit Kompetenzen und Verantwortung dezentralisiert werden.<br />

Wir möchten in dieser Studie diskutieren, ob und ggf. wie es <strong>der</strong> EABG möglich sein könnte, auf<br />

dem eingeschlagenen Pfad <strong>der</strong> Reorganisation „noch einen Schritt weiter“ zu gehen:<br />

In die Richtung Einführung von G r u p p e n a r b e i t – unter diesem Oberbegriff firmiert ein<br />

Spektrum verschiedener mo<strong>der</strong>ner Arbeitsorganisationskonzepte, über <strong>der</strong>en (Miß-<br />

12<br />

Unter „Entdeckungszusammenhang“ wird in <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung <strong>der</strong> Anlaß eines Forschungsprojektes<br />

gefaßt.<br />

13<br />

Vorlage <strong>der</strong> EABG-Geschäftsführung zur Aufsichtsratssitzung vom 9.10.1997; „TOP 5: Organisationsstruktur <strong>der</strong><br />

EABG“, S. 2 und 3.


70<br />

)Erfolgsbedingungen vielfältige industriesoziologische und arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse<br />

vorliegen. 14 Die sicherlich bestehenden Unterschiede zwischen den Überlegungen <strong>der</strong> EABG zur<br />

Einrichtung <strong>der</strong> „Kolonnen“ und unseren Vorschlägen zu einigen Elementen von Gruppenarbeit<br />

werden unter 2.) und 3.) zu erörtern sein.<br />

1.3 Ziele <strong>der</strong> Studie<br />

Wie bereits angedeutet, lassen sich vielfältige Varianten <strong>der</strong> Arbeit in Gruppen unter <strong>der</strong><br />

Klassifikation Gruppenarbeit rubrizieren - es gibt also nicht „die“ Gruppenarbeit „von <strong>der</strong> Stange“.<br />

Vielmehr ist es notwendig, eine an den spezifischen Rahmenbedingungen und Anfor<strong>der</strong>ungen des<br />

jeweiligen Unternehmens orientierte, „maßgeschnei<strong>der</strong>te“, Implementationsstrategie zu entwerfen.<br />

An dieser Aufgabe wollen wir uns versuchen:<br />

Mit <strong>der</strong> EABG wurde eine informelle Kooperation <strong>der</strong>gestalt vereinbart, daß das Projektteam unseres<br />

Seminars ein Konzeptpapier zur Einführung von Gruppenarbeit bei <strong>der</strong> EABG erarbeitet, welches auf<br />

<strong>der</strong> methodischen Grundlage von Brainstorming, Literaturstudium und Seminardiskussion<br />

entwickelte Ideen und Vorschläge zur konkreten Gestaltung <strong>der</strong> „Kolonnen“ enthält. Da es sich dabei<br />

um die Eindrücke und Interpretationen von Außenstehenden handelt, können diese nur als<br />

Anregungen verstanden werden.<br />

1.4 Ein erster Vorschlag zum Sprachgebrauch: „Teams“ statt „Kolonnen“<br />

In den Vorlagen zur Aufsichtsratssitzung wird als strategisches Ziel Nr. 7 die Einführung<br />

„motivieren<strong>der</strong> Elemente“ gefor<strong>der</strong>t. Vor diesem Hintergrund erscheint uns die Bezeichnung<br />

„Kolonnen“ <strong>für</strong> die neuen Arbeitsgruppen problematisch:<br />

Assoziationen von Anonymität, großen Menschenmassen und Militär („Arbeitslager“) weckend,<br />

sollte <strong>der</strong> Begriff „Kolonne“ im offiziellen Sprachgebrauch durch ein an<strong>der</strong>es, die Idee <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter- und vor allem <strong>der</strong> Teilnehmer 15- Motivation besser transportierendes Sprachsymbol<br />

ersetzt werden. Dazu zwei Vorschläge:<br />

• Die Gruppen könnten entsprechend ihrem Gewerk als „Schlosser-Teams“, „Tischler-Teams“ o<strong>der</strong><br />

„Maler-Teams“ bezeichnet werden. Der Ausdruck „Team“ birgt Konnotationen des Miteinan<strong>der</strong>-<br />

Arbeitens, des Kooperierens: Eigenschaften, die <strong>für</strong> kleine Arbeitsgruppen essentiell sind. Sofern<br />

14 Siehe unter 2zu den Merkmalen und Definitionen von „Gruppenarbeit“.<br />

15 „Teilnehmer“ steht im folgenden immer <strong>für</strong> die Teilnehmer an den AsS- o<strong>der</strong> AB-Maßnahmen. „Mitarbeiter“<br />

bezeichnet dagegen festangestellte Arbeitnehmer, also z.B. auch die Vorarbeiter.


71<br />

<strong>der</strong> Begriff „Team“ im internen Jargon bereits <strong>für</strong> ein an<strong>der</strong>es Gremium besetzt ist, könnte dort<br />

z.B. auf die Ergänzung „- Zirkel“ o<strong>der</strong> einfach „Arbeitsgruppe, -Kreis“ ausgewichen werden.<br />

• Ein weitergehen<strong>der</strong> Vorschlag greift an dieser Stelle späteren Ideen zur Selbstregulation <strong>der</strong><br />

„Kolonnen“ vor: Die Teilnehmer könnten im ersten Gruppengespräch animiert werden, sich selbst<br />

einen Gruppennamen zu geben. Konfrontiert mit <strong>der</strong> alternativen Bezeichnung „Kolonne“, könnte<br />

eine Namenssuche und einvernehmliche Namensgebung geeignet sein, erste kommunikative<br />

Prozesse in <strong>der</strong> Gruppe zu stimulieren und die Basis <strong>für</strong> ein späteres „Wir“-Gefühl zu bereiten.<br />

2 Theoretische Erkenntnisse über die Chancen und Risiken von Gruppenarbeit<br />

Hier sollen einige Thesen und Ergebnisse <strong>der</strong> wissenschaftlichen Diskussion um Gruppenarbeit in <strong>der</strong><br />

industriellen Fertigung referiert und die Frage <strong>der</strong> Übertragbarkeit auf die Situation <strong>der</strong> EABG<br />

diskutiert werden.<br />

2.1 Gruppenarbeit als zentrales Element betrieblicher Neuorganisation – Definition und<br />

Empirie<br />

In <strong>der</strong> Debatte um „Lean Production“ nehmen Gruppenarbeitskonzepte einen breiten Raum ein.<br />

Hierunter werden vielfältige Formen subsumiert: Als Beispiel <strong>für</strong> eine qualitativ sehr weitreichende<br />

Form von Gruppenarbeit ist die im folgenden skizzierte Variante anzusehen:<br />

2.1.1 Definition: „qualifizierte Gruppenarbeit“<br />

Eine Gruppe besteht aus 3-15 Mitarbeitern, die möglichst dauerhaft zusammenarbeiten, so daß sich<br />

ein sozialer Zusammenhalt entwickeln kann. Sie erledigen eine gemeinsame Aufgabe, die aus<br />

mehreren Teilaufgaben besteht. Die Teilaufgaben werden abwechselnd durchgeführt (job rotation),<br />

um inhaltliche Erweiterung zu erreichen (job enlargement). Zu den Arbeitsaufgaben treten<br />

dispositive Tätigkeiten hinzu (job enrichment). 16 Als selbständige Vertretung werden in <strong>der</strong> Praxis<br />

meist Gruppensprecher gewählt, welchen jedoch keine Weisungsbefugnisse zukommen; die<br />

Gruppensprecher konstituieren also zumindest theoretisch keine weitere Hierarchieebene.<br />

Regelmäßig werden Gruppengespräche abgehalten, welche <strong>der</strong> Diskussion arbeitsbezogener und<br />

16 Vgl. BERNHARD ZIMOLONG & ARMIN WINDEL (1996): Mit Gruppenarbeit zu höherer Leistung und humaneren<br />

Arbeitstätigkeiten? In: ZIMOLONG (Hg.): Kooperationsnetze, flexible Fertigungsstrukturen und Gruppenarbeit.<br />

Opladen: Leske + Budrich. Seite 140 ff.


72<br />

insbeson<strong>der</strong>e sozialer - auf die gruppeninternen sozialen Prozesse bezogenen - Themen dienen und in<br />

<strong>der</strong> Regel vom Gruppensprecher mo<strong>der</strong>iert werden.<br />

Je nach dem Grad <strong>der</strong> Selbststeuerung sind verschiedene qualitative Unterscheidungen bei <strong>der</strong><br />

Ausformung von Gruppenarbeit zu treffen, wie z.B. Gruppenstrukturen im Raumverband,<br />

teilautonome Fertigungsgruppen o<strong>der</strong> sog. qualifizierte Gruppenarbeit. 17<br />

2.1.2 Einige empirische Daten zur Gruppenarbeit<br />

Gruppenarbeit als alternative Arbeitsform erfährt eine große theoretische wissenschaftliche<br />

Resonanz. In <strong>der</strong> Praxis hat ungefähr die Hälfte aller Betriebe Gruppenarbeitsformen umgesetzt, die<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen und Merkmale sind jedoch stark unterschiedlich: So arbeiteten z.B. 1994 im<br />

westdeutschen Maschinenbau zwar etwa 47,4% <strong>der</strong> Betriebe mit Gruppenfertigung. Tatsächliche<br />

Gruppenstrukturen mit einer Mitglie<strong>der</strong>zahl von 3-15 wiesen allerdings nur 16,8% <strong>der</strong> Beschäftigten<br />

auf. Nur bei 11,7% <strong>der</strong> Betriebe wurden den Gruppen auch indirekt-produktive Tätigkeiten<br />

(Wartung, Qualitätssicherung) zugewiesen, während nur 5 % aller untersuchten Betriebe zusätzlich<br />

dispositive Aufgaben (Planung, Entscheidung) gruppenintern regelten .18<br />

2.2 Die zwei wichtigsten Argumente <strong>für</strong> Gruppenarbeit<br />

Mit <strong>der</strong> Implementierung von Gruppenarbeit sind zunächst Effizienzziele verbunden: Die<br />

„Produktivitätsreserve Mensch“ 19 soll besser genutzt werden, man hofft auf Synergieeffekte: Die<br />

Gruppenleistung soll höher ausfallen als die Summe <strong>der</strong> Einzelleistungen. Als „Nebenprodukt“<br />

werden auch Humanziele verfolgt: Die Attraktivität <strong>der</strong> Arbeit soll durch Gruppenarbeit steigen (z.B.<br />

geringere Monotonie durch job rotation). Beide Zielkomplexe sind interdependent: 20<br />

Abbildung 1: Potentiale von Gruppenarbeit<br />

Gruppenarbeit � höhere Arbeitszufriedenheit (soziales Motiv) � höhere Motivation � geringere<br />

Fehlzeiten � höherer Output <strong>der</strong> Gruppe (ökonomisches Motiv)<br />

17<br />

Vgl. Bernhard ZIMOLONG & Armin WINDEL (1996): a.a.O.<br />

18<br />

ULRICH WIDMAIER: Ausprägung und Einordnung von Fertigungsinseln und Gruppenarbeit. (Vortrag bei den 3.<br />

Bochumer Fertigungsinsel-Tagen vom 22.-23. Mai 1995).<br />

19<br />

WIDMAIER & SAURWEIN (1996: 31).<br />

20<br />

Vgl. zu den Zielsetzungen von Gruppenarbeit z.B.: ZIMOLONG & WINDEL (1996: 145).


73<br />

Gruppenarbeit wird mitunter auch als neo-tayloristisches Modell (miß-)verstanden, wodurch „bisher<br />

zentral wahrgenommene Kontrollfunktionen zur Steigerung ihrer Effizienz in die Gruppen verlagert<br />

werden“ 21 : Durch „Gruppendruck“ soll <strong>der</strong> einzelne zu höherer Produktivität „gezwungen“ werden.<br />

Wir verstehen unter Gruppenarbeit - im Einklang mit <strong>der</strong> wohl herrschenden Literaturmeinung - eine<br />

Arbeitsorganisationsform, welche Effizienzziele <strong>der</strong> Unternehmen mit Humanzielen <strong>der</strong> Beschäftigten<br />

verbindet und nehmen an, daß die Neuorganisation <strong>der</strong> EABG mit <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> sog.<br />

„Kolonnen“ – ggf. weiterentwickelt zu einer Gruppenarbeitsform – auf beide Zieldimensionen<br />

ausgerichtet ist.<br />

2.3 Risiken und Probleme<br />

Nicht nur Chancen, son<strong>der</strong>n auch Risiken <strong>der</strong> Implementation von Gruppenarbeit werden in <strong>der</strong><br />

Literatur beschrieben. Die Ambivalenz <strong>der</strong> sozialen Innovation „Gruppenarbeit“ wird betont, vor<br />

kritikloser Akzeptanz eindringlich gewarnt:<br />

„Vor lauter Euphorie dürfen die Schattenseiten nicht übersehen werden“, warnt z.B. <strong>der</strong> Bochumer<br />

Arbeitswissenschaftler HEINER MINSSEN. 22 Von welchen Risiken ist die Rede ?<br />

Zwei Problemkreise sind zu nennen:<br />

• Zunächst ist die Arbeitsorganisation in Kleingruppen <strong>für</strong> die Beschäftigten in <strong>der</strong> Regel mit<br />

Arbeitsverdichtung und -intensivierung verbunden. Auch gruppenintern verschärft sich <strong>der</strong><br />

Leistungsdruck. Sofern das Humanziel, die Attraktivität <strong>der</strong> Arbeit durch Gruppenarbeit zu<br />

steigern, nicht gleichberechtigt simultan verfolgt wird, kann auf eine nachhaltige Verbesserung <strong>der</strong><br />

Situation des Unternehmens nicht gehofft werden. Gruppenarbeit würde dann die Motivation <strong>der</strong><br />

Beschäftigten eher noch verschlechtern. Von ausschließlichem Streben nach höherer Produktivität<br />

kann daher nur abgeraten werden.<br />

• Darüber hinaus sind Fertigungsgruppen strukturellen Spannungen ausgesetzt: 23 Als „hybrides“<br />

soziales System - zwischen sozialer Gruppe und Organisation - müssen interne emotionale<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> und externe funktionale Anfor<strong>der</strong>ungen des Unternehmens<br />

balanciert werden. Durch „erzwungene“ Kooperation und permanente „face-to-face“ Beziehungen<br />

bergen Fertigungsgruppen mit wenigen Mitglie<strong>der</strong>n ein Konfliktpotential: Wenn die Chemie<br />

zwischen den Gruppenmitglie<strong>der</strong>n nicht stimmt, sind Spannungen programmiert, die sich auf<br />

Motivation und Wohlbefinden des einzelnen und letztlich auf die Produktivität <strong>der</strong> ganzen Gruppe<br />

negativ auswirken können. Bei heterogenen Leistungspotentialen in <strong>der</strong> Gruppe kann es überdies<br />

21 WIDMAIER / SAURWEIN (1996: 52).<br />

22 HEINER MINSSEN (1994): a.a.O.


74<br />

zu Ausgrenzungstendenzen gegenüber Schwächeren kommen. MINSSEN hebt hervor, daß in<br />

kleinen Arbeitsgruppen „Konflikte deutlich häufiger auftreten als in Bereichen, die konventionell<br />

organisiert sind.“ 24<br />

Diese Diagnose - „steigende Konflikthaftigkeit <strong>der</strong> Arbeit in Kleingruppen“ - wiegt um so schwerer,<br />

als bei <strong>der</strong> zuständigen Instanz, den Vorarbeitern und Meistern, nicht unbedingt die notwendigen<br />

Führungsqualitäten, um bei Spannungen in den Gruppen zu vermitteln und zu mo<strong>der</strong>ieren,<br />

vorausgesetzt werden können. Sowohl in <strong>der</strong> Theorie als auch in <strong>der</strong> Praxis ist man zu dem Schluß<br />

gekommen, daß ein erheblicher Qualifizierungsbedarf bei den erfor<strong>der</strong>lichen sozialen<br />

kommunikativen Kompetenzen besteht. Ein wichtiges Ventil <strong>für</strong> gruppeninterne zwischenmenschliche<br />

Spannungen können regelmäßige und kompetent durchgeführte Gruppengespräche bedeuten. (Doch<br />

dazu mehr unter Kapitel 3.).<br />

2.4 Welche Elemente von Gruppenarbeit sind bei einer Beschäftigungsgesellschaft denkbar?<br />

Für die Einführung von Gruppenarbeit in <strong>der</strong> EABG stellt sich die Frage, ob Konzepte, die <strong>für</strong><br />

Unternehmen des Ersten <strong>Arbeitsmarkt</strong>es entwickelt wurden, kompatibel sind mit den Bedingungen in<br />

einer Beschäftigungsgesellschaft. Folgende, von den Bedingungen in <strong>der</strong> freien Wirtschaft<br />

abweichende Rahmenbedingungen sind dabei zu beachten:<br />

• Gruppenarbeit wurde insbeson<strong>der</strong>e bei Unternehmen industrieller Massenfertigung, z.B. in <strong>der</strong><br />

Automobilindustrie, eingeführt. Bei <strong>der</strong> EABG wird dagegen vorwiegend auf Baustellen<br />

gearbeitet.<br />

• Hochqualifizierten Facharbeitern in profitorientierten Unternehmen steht eine mit<br />

Problemsyndromen behaftete Klientel bei <strong>der</strong> EABG gegenüber. 25<br />

• Während Belegschaften in Unternehmen des Ersten <strong>Arbeitsmarkt</strong>es eine jahrelange Kontinuität<br />

aufweisen, bleiben die Teilnehmer <strong>der</strong> AsS- o<strong>der</strong> AB-Maßnahmen nur <strong>für</strong> ein o<strong>der</strong> maximal zwei<br />

Jahre bei <strong>der</strong> EABG - mit einer ständigen „Abwan<strong>der</strong>ungstendenz“.<br />

In welcher Form Gruppenarbeit unter solchen Rahmenbedingungen sinnvoll und effektiv<br />

durchführbar ist, soll im folgenden Kapitel durch einige Anregungen dargelegt werden.<br />

23<br />

Vgl. zum Folgenden: MINSSEN (1995: 348 ff.).<br />

24<br />

MINSSEN (1994: 31 ff.).<br />

25<br />

Wir gehen davon aus, daß bereits beim Sozialamt eine Vorauswahl unter den Kandidaten <strong>für</strong> eine Maßnahme<br />

stattfindet, so daß nach diesem „Creaming“ nur noch arbeitswillige und vermittelbare Teilnehmer zur EABG kommen.


3 Ideen und Gestaltungsvorschläge zur Einführung von Gruppenarbeit bei <strong>der</strong> EABG<br />

75<br />

„Wie sollten die „Teams“ 26 intern organisiert sein ?“<br />

Wir werden unsere Vorstellungen von Gruppenarbeit bei <strong>der</strong> EABG zunächst genau beschreiben und<br />

im Anschluß daran begründen, weshalb und unter welchen Bedingungen Gruppenarbeit ein Ansatz<br />

zur Lösung spezifischer Probleme einer Beschäftigungsgesellschaft, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> notorisch<br />

geringen Motivation <strong>der</strong> Teilnehmer, darstellen könnte.<br />

3.1 Zur Binnenstruktur <strong>der</strong> „Teams“<br />

Wir empfehlen folgende Elemente von Gruppenarbeit einzuführen:<br />

3.1.1 Drei Modelle <strong>der</strong> Gruppenvertretung<br />

Als Vertretung <strong>der</strong> Gruppe nach innen sowie nach außen stellt die Wahl eines Gruppensprechers<br />

einen integralen Bestandteil von Gruppenarbeitsformen dar. Drei Varianten <strong>der</strong> Gruppenvertretung<br />

kommen in Betracht, die ggf. komplementär umgesetzt werden können:<br />

• Die „hierarchische“ Lösung. Hier bekleidet <strong>der</strong> Vorarbeiter in Personalunion auch das Amt des<br />

Gruppensprechers; es findet keine Wahl durch die Teilnehmer statt. Diese Variante könnte als<br />

ultima ratio realisiert werden, wenn eine beson<strong>der</strong>s schwierige Struktur <strong>der</strong> Gruppe kein an<strong>der</strong>es<br />

Verfahren praktikabel erscheinen läßt. Grundsätzlich würde jedoch gerade in <strong>der</strong> Anfangsphase<br />

<strong>der</strong> Aufbau einer offenen (Gruppen-)Gesprächsatmosphäre begünstigt, wenn ein gewählter Nicht-<br />

Vorgesetzter als Gruppensprecher die Gesprächsmo<strong>der</strong>ation übernähme. 27<br />

• Freie Wahlmöglichkeit. Von den Teilnehmern sollte - vielleicht nach drei Wochen des Sich-<br />

Kennenlernens - ein Gruppensprecher gewählt werden. Interessant wäre es, zu prüfen, ob die<br />

empirische Information von MINSSEN, daß Vorarbeiter so gut wie nie zu Gruppensprechern<br />

gewählt werden, 28 auch <strong>für</strong> die EABG bestätigt wird. Bei einer „Doppelspitze“ von einem<br />

Teilnehmer als Gruppensprecher und dem Vorarbeiter könnte <strong>der</strong> Gruppenvertreter z.B. in<br />

Kooperation mit dem Vorarbeiter die Gruppengespräche mo<strong>der</strong>ieren und/o<strong>der</strong> protokollieren, was<br />

<strong>für</strong> Selbstvertrauen und soziale Kompetenz sicherlich einen Gewinn bedeuten würde. Einem<br />

Teilnehmer kommen als Gruppensprecher keine Weisungsbefugnisse zu, er ist primus inter pares.<br />

Es entsteht also keine weitere Hierarchieebene.<br />

26<br />

Die „Teams“ entsprechen den „Kolonnen“ aus den Vorlagen <strong>der</strong> Geschäftsführung.<br />

27<br />

Vgl. die bei SAURWEIN (1993: 14) zitierte Literatur.


76<br />

• Das Rotationssystem. Eventuell könnte ein Rotationssystem vereinbart werden, so daß je<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Teilnehmer im Laufe <strong>der</strong> Maßnahme einmal das Amt des Gruppensprechers bekleidet. 29 Diese<br />

Chance zur Entwicklung und zum Training sozialer Kompetenzen könnte auch mit dem<br />

Vorarbeiter als „Gruppensprecher per definitionem“ durchgeführt werden.<br />

3.1.2 Gruppengespräche 30<br />

...sollten regelmäßig, d.h. wöchentlich, abgehalten werden. Dauer: ca. ½ - 1 Stunde. Die<br />

Gruppengespräche stellen einen Teil <strong>der</strong> Arbeitszeit dar und dienen <strong>der</strong> Besprechung<br />

arbeitsbezogener o<strong>der</strong> zwischenmenschlicher Probleme. Es obliegt in erster Linie <strong>der</strong> Verantwortung<br />

des (hier<strong>für</strong> zu qualifizierenden) Vorarbeiters, da<strong>für</strong> zu sorgen, daß die Teilnehmer den Stellenwert<br />

und die Bedeutung <strong>der</strong> Gruppengespräche erfahren:<br />

Es geht um ein Forum <strong>für</strong> offene und demokratische Kommunikation, wodurch einerseits die<br />

Mitverantwortung eines jeden <strong>für</strong> die (Umsatz-)Ziele des Teams, an<strong>der</strong>erseits die Möglichkeit jedes<br />

Mitglieds zur Mitentscheidung betont werden sollen. Gruppengespräche sind also potentiell<br />

Instrumente <strong>der</strong> Mitarbeiterbeteiligung und <strong>der</strong> Identifikation <strong>der</strong> Teilnehmer mit ihrer Tätigkeit und<br />

ihrem Team - in praxi besteht natürlich die Gefahr, daß Gruppengespräche zu Raucherpausen<br />

degenerieren und <strong>der</strong> Sinn nicht erkannt wird.<br />

Hier ist die nächsthöhere Hierarchieebene gefragt: Es sollte ein „Gruppenmanagement“ (siehe unten:<br />

Kapitel 3.4) installiert werden, um in <strong>der</strong> Einführungsphase die „Teams“ bei <strong>der</strong> Selbstregulation ggf.<br />

zu lenken, d.h. eventuell die Mo<strong>der</strong>ation eines Gruppengesprächs anfangs zu übernehmen.<br />

Mittelfristig muß diese Aufgabe selbstverständlich von den jeweiligen „Teams“ selbst geleistet<br />

werden.<br />

3.1.3 Dezentralisierung von Kompetenzen - Selbstregulation <strong>der</strong> Teams<br />

Welche Funktionen des Betriebs sind geeignet, partiell auf die Gruppe übertragen, d.h. dezentralisiert<br />

zu werden?<br />

„Klassische“ Aufgaben, die nach <strong>der</strong> Einführung von Gruppenarbeit auf die Arbeitsgruppen<br />

übertragen werden, sind Personalaufgaben wie z.B. Urlaubsplanung bzw. sog. „dispositive“<br />

Kompetenzen (Materialverwaltung und -bestellung, Wartung, Zeiteinteilung, usw.). Je nachdem,<br />

welche Facette von Gruppenarbeit in einem Unternehmen realisiert werden soll - von teilautonomen<br />

Fertigungsgruppen bis zu qualifizierter Gruppenarbeit -, variieren Umfang und Qualität des job<br />

enrichment. Während Selbstregulation als integraler Bestandteil <strong>der</strong> Einführung von Gruppenarbeit in<br />

28<br />

MINSSEN (1994: 48).<br />

29<br />

In <strong>der</strong> Literatur werden ähnliche Projekte erwähnt: Vgl. SAURWEIN: a.a.O.<br />

30<br />

Vgl. zu Bedeutung und Merkmalen WESTERHUS (1996: 210 ff.).


77<br />

„normalen“ Unternehmen im Kontext betrieblicher Rationalisierungsstrategien zu sehen ist, sollte die<br />

Übertragung von Verantwortung und Mitentscheidungskompetenzen bei einer<br />

Beschäftigungsgesellschaft von einer an<strong>der</strong>en Idee getragen sein:<br />

Es geht darum, jeden einzelnen Teilnehmer stärker zu for<strong>der</strong>n und dadurch zu för<strong>der</strong>n:<br />

Einerseits durch die „verdichtete“ Arbeit im Team/in <strong>der</strong> kleinen Gruppe, an<strong>der</strong>erseits durch das<br />

Anbieten von mehr Wahlmöglichkeiten und Handlungsautonomie und die Chance zur<br />

Mitentscheidung im Rahmen <strong>der</strong> Funktionen, die <strong>der</strong> Gruppe zur kollektiven Entscheidung<br />

überantwortet werden. Unter <strong>der</strong> Annahme, daß manche <strong>der</strong> Teilnehmer bereits an<strong>der</strong>e (ggf. wenig<br />

fruchtbare) „AsS- o<strong>der</strong> AB-Maßnahmen“ durchlaufen haben, ist es wichtig, den Unterschied<br />

klarzumachen, den eine gruppenarbeitsorientierte AsS-Maßnahme eröffnen könnte:<br />

Abbildung 2: Chancen gruppenarbeitsorientierter AsS - Maßnahmen<br />

Beschäftigung und „training-on-the-job“<br />

+ Übernahme von Mitverantwortung im Rahmen <strong>der</strong> Gruppen<br />

� Training sozialer Kompetenzen<br />

� Motivation und höhere Vermittlungseffektivität <strong>der</strong> Maßnahme<br />

Als Funktionen, die an die Teams <strong>der</strong> EABG (ggf. zum Teil) übertragen werden sollten, schlagen wir<br />

vor:<br />

• Aufstellen gruppeninterner Regeln, z.B. zeitliche Lage und Themen <strong>der</strong> Gruppengespräche<br />

• Arbeitseinteilung („Wer macht was in <strong>der</strong> Gruppe ?“)<br />

• Qualifizierungsplanung (training-on-the-job; „Wer möchte / soll was lernen ?“)<br />

• Urlaubsplanung<br />

Wie bei allen „experimentell“ anmutenden Gestaltungsvorschlägen dieses Konzeptes, sei auch<br />

bezüglich <strong>der</strong> Selbstregulation darauf hingewiesen, daß einerseits die Gruppen durch ein<br />

Gruppenmanagement 31 v.a. in <strong>der</strong> Einführungsphase gelenkt und geför<strong>der</strong>t werden sollten,<br />

an<strong>der</strong>erseits das „Ausprobieren“ <strong>der</strong> empfohlenen Innovationen durch eine o<strong>der</strong> zwei<br />

„Versuchsteams“ mit begleiten<strong>der</strong> Evaluation <strong>der</strong> Effekte sinnvoll ist - eine<br />

Implementationsstrategie, die sich auch angesichts <strong>der</strong> sukzessiven Einrichtung <strong>der</strong> geplanten 25<br />

„Kolonnen“ anbietet.<br />

31 Siehe dazu Punkt 3.4 dieser Arbeit auf Seite 19.


3.2 Exkurs: „Gruppenarbeit bei <strong>der</strong> EABG - Warum es funktionieren könnte ...“<br />

78<br />

Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, daß in <strong>der</strong> spezifischen Situation <strong>der</strong> EABG 32 die<br />

Einführung von Gruppenarbeitsformen nicht nur notwendig ist, son<strong>der</strong>n daß Gruppenarbeit auch<br />

generell <strong>für</strong> die problematische Klientel einer Beschäftigungsgesellschaft ein sinnvolles<br />

Arbeitsorganisationskonzept darstellt. Dies ist jedoch nur dann <strong>der</strong> Fall, wenn neben den<br />

Effizienzzielen auch mitarbeiterorientierte Ziele wie regelmäßige Gruppengespräche o<strong>der</strong> die<br />

Übertragung von Kompetenzen auf die Arbeitsgruppen (z.B. Urlaubsplanung) berücksichtigt werden:<br />

Denn gerade bei Langzeitarbeitslosen sind soziale kommunikative Kompetenzen unterentwickelt, liegt<br />

u.U. selbständiges Denken brach und fehlen als Folge des langen Ausschlusses vom<br />

Erwerbsarbeitssystem soziale Kontakte. Eine gut organisierte und „gemanagte“ Arbeitsorganisation<br />

mit den skizzierten Elementen von Gruppenarbeit könnte dazu beitragen, gezielt bezüglich dieser<br />

Problemlagen aktive Personalentwicklung zu betreiben:<br />

• Durch die Chance, am Arbeitsplatz im Rahmen von Gruppengesprächen mitzuentscheiden und<br />

soziale Kompetenzen (wie<strong>der</strong>) zu entdecken.<br />

• Durch die Möglichkeit, neue soziale Kontakte zu knüpfen.<br />

Als „Nebenprodukt“ höherer Produktivität könnten AsS-Maßnahmen so vermittlungseffektiver<br />

gestaltet werden.<br />

3.3 Schwache Anreizstruktur und mangelnde Motivation <strong>der</strong> Teilnehmer als Hauptprobleme<br />

Der (Miß-)Erfolg des neuen Arbeitsprinzips steht und fällt jedoch mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Motivation <strong>der</strong><br />

Teilnehmer. In <strong>der</strong> Vorlage <strong>der</strong> Geschäftsführung zur Aufsichtsratssitzung vom 9. Oktober 1997<br />

wurde die „subjektive Perspektivlosigkeit <strong>der</strong> Teilnehmer“ 33 als entscheidendes Problem nicht nur <strong>der</strong><br />

Teilnehmer, son<strong>der</strong>n über die aus <strong>der</strong> unzureichenden Motivation folgende niedrige Produktivität<br />

auch <strong>für</strong> die EABG als Unternehmen, hervorgehoben.<br />

Am dringend notwendigen Suchprozeß nach Ansätzen, wie dieses Motivationsdilemma überwunden<br />

werden könnte, möchten wir uns mit einem Bündel von Vorschlägen beteiligen. Es sei noch einmal<br />

vor <strong>der</strong> Annahme gewarnt, mit Einführung kleiner Arbeitsgruppen würde die höhere Motivation<br />

„schon von alleine“ kommen. Welche Risiken bestehen und inwiefern regelmäßige<br />

Gruppengespräche hier zur Problemvermeidung beitragen können, wurde bereits erwähnt.<br />

32 Soweit wir uns als „Externe“ einen Einblick verschaffen konnten.<br />

33 Ebendort, Seite 1.


79<br />

Doch es bedarf „mehr“: Dabei gehen wir davon aus, daß die in den strategischen Zielen<br />

angekündigten „motivierenden Elemente“ und „Honorierungsregeln“ 34 , soweit es um monetäre<br />

Anreize wie Gruppenprämien geht, nicht nur den Gewerkemeistern und Vorarbeitern, son<strong>der</strong>n auch<br />

den Maßnahmeteilnehmern zugute kommen sollen:<br />

Wir wollen jedoch im weiteren analysieren, welche Möglichkeiten <strong>der</strong> Anreizsetzung jenseits von<br />

„harten“ monetären Instrumenten bestehen.<br />

3.4 Ansätze zur Lösung des „Motivationsdilemmas“ - jenseits monetärer Anreize<br />

Das Ziel ist klar definiert:<br />

„Vom passiven Konsum einer Maßnahme<br />

zum aktiven Mitarbeiten und Mitdenken“<br />

Welche Gestaltungselemente <strong>der</strong> Teamarbeit sind denkbar, um die Motivation <strong>der</strong> Teilnehmer -<br />

gemäß diesem „Motto“ - zu maximieren ?<br />

3.4.1 Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß (KVP)<br />

KVP ist ein beteiligungsorientiertes Konzept, mit dem das Engagement <strong>der</strong> Teilnehmer stimuliert<br />

und ggf. auch gratifiziert werden soll. Verbesserungsvorschläge - die zu erarbeiten Gegenstand <strong>der</strong><br />

Gruppengespräche sein könnten - werden z.B. durch die Vorarbeiter an eine übergeordnete Ebene<br />

weitergeleitet; über Ergebnisse könnte in einer Art Qualitätszirkel beraten werden.<br />

Nur: Um das Innovationspotential <strong>der</strong> Mitarbeiter und Teilnehmer zu nutzen, ist klar, daß <strong>für</strong> die<br />

Beschäftigten „etwas dabei herausspringen muß“. Prämierungen jedwe<strong>der</strong> Art sollten, um<br />

„gruppendynamische Effekte“ zu begünstigen, stets die Gruppe/das Team als Kollektiv belohnen;<br />

sofern dem Vorschlag eine Diskussion während des Gruppengesprächs vorausging, dürfte <strong>der</strong><br />

Urheber einer Verbesserungsidee ohnehin nicht mehr zu identifizieren sein.<br />

3.4.2 Nichtmonetäre Anreize: Fußballkarten als Gruppenprämie?<br />

Unter <strong>der</strong> Annahme, daß ein nicht unerheblicher Anteil <strong>der</strong> Klientel einer Beschäftigungsgesellschaft<br />

mit Schuldenproblemen belastet ist, stoßen finanzielle motivierende Elemente ggf. an enge Grenzen.<br />

Sofern man gewillt ist, zur Lösung <strong>der</strong> kritischen Anreizproblematik auch unkonventionelle Wege zu<br />

beschreiten, kommen unserer Meinung nach diverse nichtmonetäre Anreize in Betracht:<br />

34 Vorlage <strong>der</strong> Geschäftsführung, strategisches Ziel Nr. 8.


80<br />

Wie wäre es, wenn man den Team-Teilnehmern bei Erreichung eines bestimmten Umsatzzieles o<strong>der</strong><br />

Einhaltung eines Auftragstermins den von <strong>der</strong> EABG gesponserten Besuch eines Fußballspiels (o<strong>der</strong><br />

einer ähnlichen „attraktiven“ Veranstaltung) in Aussicht stellen würde ?<br />

Eine <strong>der</strong>artige außerbetriebliche gemeinsame Aktivität könnte <strong>für</strong> den sozialen Zusammenhalt<br />

positive Rückwirkungen entfalten. Die einvernehmliche „Vereinswahl“ müßte freilich vorher zum<br />

Thema eines Gruppengesprächs gemacht werden.<br />

3.4.3 Qualifizierung als Anreiz (training-on-the-job)<br />

Ein Bestandteil <strong>der</strong> Reformen bei <strong>der</strong> EABG ist die Zuweisung von 200 reinen Beschäftigungsstellen,<br />

die folglich keine Qualifizierungsanteile aufweisen.<br />

Jedoch existieren empirische Hinweise, daß gerade die Lernchancen im Zusammenhang mit<br />

Gruppenarbeit als motivieren<strong>der</strong> Anreiz gesehen werden. 35 Fraglich ist also, wie training-on-the-job<br />

auch bei reinen Beschäftigungsstellen effektiv organisiert werden kann. 36 In Betracht kommt, neben<br />

<strong>der</strong> Analyse des Qualifizierungsbedarfes, um mit einem bestimmten Team einen bestimmten Auftrag<br />

abwickeln zu können, auch die Qualifizierungswünsche <strong>der</strong> Teilnehmer zu ermitteln. Eventuell läßt<br />

sich beispielsweise im Rahmen <strong>der</strong> Gruppengespräche ermitteln, welche Fachkompetenzen unter den<br />

Teilnehmern bereits vorhanden sind („Wer kann was wem beibringen?“). 37<br />

3.4.4 Soziale Kontakte als Anreiz<br />

Arbeitsorganisation in Kleingruppen bietet <strong>für</strong> die Teilnehmer die Chance, soziale Kontakte zu<br />

knüpfen - eine durchaus ambivalente Eigenschaft von Gruppenarbeit, <strong>der</strong>en potentiell auftretende<br />

Risiken bereits erörtert wurden. Jedoch ist ein über „arbeitszentrierte Interaktion“ hinausgehendes<br />

Gruppenbewußtsein eher die Ausnahme. 38 An dieser Stelle soll eine Idee erwähnt werden, wie die<br />

soziale Kohäsion eines „Teams“ zumindest geför<strong>der</strong>t werden könnte: Durch Zusammenführung von<br />

Teilnehmern aus gleichen Stadtteilen in einem „Team“.<br />

Diese Möglichkeit wird ggf. nur selten praktikabel sein; sofern sie sich bietet, sollte sie jedoch<br />

genutzt werden. (Eine weitere, auf die Steigerung des sozialen Zusammenhalts des Teams gerichtete<br />

Maßnahme wurde im Kontext <strong>der</strong> „nichtmonetären Anreize“ bereits genannt.)<br />

35 Vgl. MINSSEN (1994): a.a.O.<br />

36 Eingedenk des strategischen Ziels Nr. 8 („Personalentwicklung“) müßte es im Sinne <strong>der</strong> EABG sein, auch bei reinen<br />

Beschäftigungsstellen Qualifizierungsmöglichkeiten zu organisieren. Vorausgesetzt, die Teilnehmer <strong>der</strong> Maßnahmen<br />

rechnen auch zur Zielgruppe des strategischen Ziels „Personalentwicklung“.<br />

37 Zur Erinnerung: Wir unterstellen, daß ein Selektionsprozeß („Creaming“) unter den Kandidaten <strong>für</strong> eine EABG-<br />

Maßnahme bereits a priori beim Sozialamt stattfindet, so daß die Teilnehmer gewisses „Humankapital“ schon<br />

mitbringen.<br />

38 VGL. LOTHAR PETER (1993): „Je<strong>der</strong> irgendwie <strong>für</strong> sich selbst ?“ Probleme und Chancen sozialer Interaktion am<br />

Arbeitsplatz. In: Zeitschrift <strong>für</strong> Soziologie, Heft 6/1993, S. 416 ff.


3.4.5. Weitere Vorschläge<br />

Eventuell kann die<br />

81<br />

• Transparenz <strong>der</strong> generellen und auch <strong>der</strong> aktuellen Unternehmensziele, veröffentlicht per Aushang<br />

o<strong>der</strong> durch den Vorarbeiter im Rahmen <strong>der</strong> Gruppengespräche mitgeteilt, o<strong>der</strong> die ...<br />

• Selbst-Namensgebung <strong>der</strong> „Teams“ 39 (siehe oben) als Anreiz fungieren?<br />

Die Grenzen dieser auf die Verbesserung <strong>der</strong> Identifikation <strong>der</strong> Teilnehmer mit ihrer Arbeit und<br />

Arbeitsumwelt abzielenden Motivationselemente sind eng: Angesichts <strong>der</strong> „transitorischen Existenz“<br />

<strong>der</strong> Teilnehmer als EABG-Mitarbeiter kann allenfalls von <strong>der</strong> Ausbildung einer vagen<br />

Gruppenidentität, eines schwachen „Wir-Gefühls“ innerhalb <strong>der</strong> einzelnen Teams, wohl kaum jedoch<br />

von einer Art von „Corporate Identity“ ausgegangen werden. 40<br />

Fazit: Das Ziel <strong>der</strong> Vorschläge besteht darin, die Teilnehmer vom passiven Konsum zum aktiven<br />

Mitarbeiten und Mitdenken in <strong>der</strong> Maßnahme zu bewegen. Unseres Erachtens könnten die skizzierten<br />

Elemente von Gruppenarbeit dazu beitragen, sowohl eine höhere Effizienz und Produktivität als auch<br />

eine höhere Vermittlungs-Effektivität <strong>der</strong> Maßnahmen zu erreichen.<br />

3.5 Notwendige Voraussetzung des Erfolges: Soziale Qualifizierung <strong>der</strong> Vorarbeiter als zentrale<br />

Bedingung<br />

Um die potentiellen Erfolge <strong>der</strong> Gruppenarbeit sicherzustellen, bedarf es folgen<strong>der</strong> unabdingbarer<br />

Voraussetzungen: Soziale Qualifizierung vor allem <strong>der</strong> Vorarbeiter 41 und ggf. die Installation eines<br />

Gruppenmanagements.<br />

Nach unserem Verständnis <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> festangestellten Vorarbeiter im Rahmen <strong>der</strong><br />

neuorganisierten EABG kommt gerade diesen Mitarbeitern eine kritische Schlüsselfunktion zu: Als<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Kolonnen“ bzw. „Teams“ treten sie alltäglich in Interaktion mit den Teilnehmern <strong>der</strong><br />

Maßnahmen. Möglichst flache Hierarchien innerhalb <strong>der</strong> Kleingruppen und ein gleichberechtigter,<br />

kollegialer Umgang mit den ehemals langzeitarbeitslosen Teilnehmern <strong>der</strong> Maßnahme sollten<br />

selbstverständliche Verhaltensnormen darstellen. In hohem Maße wird es vom Verhalten des<br />

Vorarbeiters abhängen, ob sich Arbeitssolidarität o<strong>der</strong> ein Gruppenbewußtsein ausprägen.<br />

Die Vorarbeiter bilden die Schnittstellen zwischen den Mitarbeitern und den Teilnehmern, zwischen<br />

<strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> neuen Arbeitsorganisation und <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> täglichen Umsetzung. Ihre Bedeutung<br />

39 Gemeint ist hiermit: „Teams“ als offizieller Terminus; zusätzlich soll den Teilnehmern die Wahl eines „eigenen“<br />

Namens, zu bestimmen in (einer) <strong>der</strong> ersten Gruppensitzung(en), offenstehen.<br />

40 Von den Schwierigkeiten <strong>der</strong> Ausprägung einer „Corporate Identity“ berichtet: LOTHAR PETER (1993): a.a.O.


82<br />

kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Vielleicht noch stärker als die Gewerkemeister befinden<br />

sie sich in einer Rolle des Lehrers und Animateurs, des Ansprechpartners und Mediators bei<br />

Konflikten. Sofern Gruppenprämien o<strong>der</strong> sonstige kollektive Gratifikationen, etwa <strong>für</strong> eingereichte<br />

Verbesserungsvorschläge, zu erreichen sind, obliegt es dem Vorarbeiter überdies, <strong>für</strong> gleichmäßige<br />

Leistungen <strong>der</strong> Teammitglie<strong>der</strong> zu sorgen und einzelne „destruktive“ Trittbrettfahrer (sog.<br />

„Schwarzfahrer“) zu sanktionieren.<br />

Diese anspruchs- und verantwortungsvolle Position verlangt in erheblichem Maße soziale<br />

Kompetenzen: „Schon die Durchführung von Gruppengesprächen verlangt Fähigkeiten, die nicht <strong>für</strong><br />

wichtig gehalten wurden“, bemerkt MINSSEN. 42<br />

Ohne ausgeprägte Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, ohne ein einfühlsames<br />

vorausschauendes „Konfliktmanagement“ wird <strong>der</strong> Vorarbeiter als „Team-Chef“ (und mitnichten:<br />

„Kolonnenführer“ !) nicht bestehen können. Natürlich kann auch „alles ganz an<strong>der</strong>s laufen“: Einen<br />

harmonischen und „reibungslos gruppendynamischen“ Arbeitsablauf als Normalfall zu betrachten,<br />

erscheint jedoch kaum gerechtfertigt. Die Schlüsselstellung <strong>der</strong> Vorarbeiter dürfte eine soziale<br />

Qualifizierung erfor<strong>der</strong>lich machen, das strategische Ziel <strong>der</strong> „Personalentwicklung“ 43 könnte so<br />

direkt mit Leben gefüllt werden.<br />

3.6 Wichtig in <strong>der</strong> Einführungsphase: Gruppenmanagement<br />

Ein internes o<strong>der</strong> externes Gruppenmanagement wird v.a. in <strong>der</strong> Einführungsphase empfohlen:<br />

Gruppenarbeit ist auf keinen Fall ein „Selbstläufer“ 44 ; es wird auch die These vertreten,<br />

Gruppenarbeit sei ohne Gruppenmanagement nicht einzuführen: 45 Denn die neue Arbeitsorganisation<br />

kann bei den Beschäftigten Abwehr (<strong>der</strong> Leistungsverdichtung) und Unverständnis (<strong>der</strong> neuen<br />

partizipativen Rechte z.B. im Rahmen <strong>der</strong> Gruppengespräche) hervorrufen.<br />

Den „Teams“ und insbeson<strong>der</strong>e auch den Vorarbeitern soll ein Gremium zur Verfügung stehen,<br />

welches anfangs lenkend, später för<strong>der</strong>nd den Prozeß des Organisationswandels „überwacht“ und<br />

„coacht“. Diese Rolle könnte u.a. von den Gewerkemeistern ausgeübt werden - als neue Funktionen<br />

<strong>der</strong> Meister im Zusammenhang mit Gruppenarbeit werden in <strong>der</strong> Literatur „Koordination“ und<br />

insbeson<strong>der</strong>e „Motivation“ genannt. 46 Die Gruppenmanager - als (Charakter-)Eigenschaften werden<br />

41<br />

Den Qualifizierungsbedarf betont: WESTERHUS (1996. 89).<br />

42<br />

MINSSEN (1994): a.a.O., S. 49.<br />

43<br />

In den Vorlagen zur Aufsichtsratsitzung als Nr. 8 geführt.<br />

44<br />

WIDMAIER / SAURWEIN (1996: 31).<br />

45<br />

Vgl. zur Begründung von „Gruppenmanagement“: KEESE / MINSSEN (1996).<br />

46<br />

Vgl. C.H. ANTONI (1992): Meister im Wandel. Zur verän<strong>der</strong>ten Rolle des Meisters bei <strong>der</strong> Einführung von<br />

Gruppenarbeit. In: Angewandte Arbeitswissenschaft Nr. 134, S. 32 ff.


83<br />

Integrität, Seriosität sowie Sachkompetenz postuliert 47 - sollen den „Teams“ Hilfestellung geben,<br />

sofern beim Ausfüllen <strong>der</strong> konzedierten Freiräume Anlaufschwierigkeiten bestehen: Beim Aufstellen<br />

gruppeninterner Regeln, beim Mo<strong>der</strong>ieren von Gruppengesprächen o<strong>der</strong> als Mediatoren bei<br />

gravierenden Spannungen.<br />

Fraglich ist indes, ob die Gewerkemeister bereit und in <strong>der</strong> Lage sind, die neuen Funktionen<br />

wahrzunehmen. 48<br />

4 Zusammenfassung und Ausblick – Evaluation von Pilotprojekten<br />

Wir möchten mit diesem Text konstruktive, wenn auch unkonventionelle Anregungen unterbreiten,<br />

<strong>für</strong> potentielle Probleme im Zusammenhang mit den geplanten „Kolonnen“ sensibilisieren, die<br />

strategische Position <strong>der</strong> Vorarbeiter unterstreichen und auf den diesbezüglichen sozialen<br />

Qualifizierungsbedarf hinweisen.<br />

Wir sind weit davon entfernt, in <strong>der</strong> von uns skizzierten Form von Gruppenarbeit einen deus ex<br />

machina o<strong>der</strong> ein Patentrezept zu sehen. Trotzdem sind wir <strong>der</strong> Ansicht, daß „es einen Versuch wert<br />

wäre“.<br />

Lediglich kurzfristige Erfolge dürften kaum zu erzielen sein: HEINER MINSSEN berichtet von zu<br />

hohen Erwartungen unter Führungsverantwortlichen, welche nach <strong>der</strong> Einführung von Gruppenarbeit<br />

(zu) schnell mit Produktivitätssteigerungen und geringeren Fehlzeiten rechnen. 49<br />

Sinnvoll wäre sicherlich ein Pilotprojekt mit begleiten<strong>der</strong> Evaluation 50 , d.h. Umsetzung <strong>der</strong> Elemente<br />

von Gruppenarbeit zunächst in wenigen Teams bei genauer Beobachtung und Analyse <strong>der</strong><br />

Auswirkungen. Interessant und aufschlußreich könnte überdies eine Befragung von solchen<br />

Teilnehmern und/o<strong>der</strong> Vorarbeitern und Meistern sein, die beide Arbeitsorganisationsformen <strong>der</strong><br />

alten und neuen EABG kennengelernt haben und die zur Beantwortung <strong>der</strong> entscheidenden Frage<br />

„Bringt das alles denn überhaupt etwas ?“ beitragen könnten.<br />

47<br />

KEESE / MINSSEN: a.a.O.<br />

48<br />

Ad „Soziale Qualifizierung“ gilt <strong>für</strong> die Gewerkemeister ähnliches wie bezüglich <strong>der</strong> Vorarbeiter beschrieben.<br />

49<br />

MINSSEN (1994): a.a.O.<br />

50<br />

Ähnliches schlagen vor: ANTONI & BUNGARD (1992).


Literaturverzeichnis<br />

84<br />

Conny H. Antoni (1992): Meister im Wandel. Zur verän<strong>der</strong>ten Rolle des Meisters bei <strong>der</strong> Einführung<br />

von Gruppenarbeit. In: Angewandte Arbeitswissenschaft, Nr. 134; Seite 32 ff.<br />

Conny H. Antoni und Walter Bungard (1992): Beratung von Organisationen bei <strong>der</strong> Einführung von<br />

Gruppenarbeitskonzepten. In: Peter Maas et al. (Hrsg.): Beratung von Organisationen. Stuttgart:<br />

Enke. Seite 93 ff.<br />

Susanne Herwagen-Roumeliotis (1995): Nichts geht von selbst! Ständige Entwicklung <strong>der</strong><br />

Gruppenarbeit. Aus dem Alltag <strong>der</strong> Prozeßbegleitung. In: AWF- Ausschuß <strong>für</strong> Wirtschaftliche<br />

Fertigung e.V. (Hrsg.): „3. Bochumer-Fertigungsinsel-Tage“ 22. - 23. Mai 1995.<br />

Henning Keese und Heiner Minssen (1996): Selbstregulierung und Gruppenmanagement. In:<br />

Bernhard Zimolong (Hrsg.) (1996): Kooperationsnetze, flexible Fertigungsstrukturen und<br />

Gruppenarbeit. Opladen: Leske + Budrich. Seite 118 ff.<br />

Heiner Minssen (1994): Risiken von Gruppenarbeit in <strong>der</strong> Fertigung. In: Angewandte<br />

Arbeitswissenschaft, Nr.142; Seite 31 ff.<br />

Heiner Minssen (1995): Spannungen in teilautonomen Fertigungsgruppen. In: Kölner Zeitschrift <strong>für</strong><br />

Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 2 (Juni 1995); S. 339 ff.<br />

Lothar Peter (1993): „Je<strong>der</strong> irgendwie <strong>für</strong> sich allein“? Probleme und Chancen sozialer Interaktion<br />

am Arbeitsplatz. In: Zeitschrift <strong>für</strong> Soziologie, Heft 6 (Dezember 1993); Seite 416 ff.<br />

Rainer G. Saurwein (1993): Gruppenarbeit im westdeutschen Maschinenbau. Diffusion und<br />

Merkmale. Arbeitspapier Z2-1 / 93 des Son<strong>der</strong>forschungsbereich 187 an <strong>der</strong> <strong>Ruhr</strong>-Universität<br />

Bochum.<br />

Hans-Jürgen Warnecke (1992): Die Fraktale Fabrik. Seite 142-227. Heidelberg.<br />

Eckhard Westerhus (1996): Gestaltung einer neuen Fabrik. Graue Reihe - Neue Folge 112.<br />

Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.


85<br />

Ulrich Widmaier und Rainer G. Saurwein (1996): „Warum es nicht wie geschmiert läuft“: Zum<br />

Problem <strong>der</strong> Diffusion von Gruppenarbeit im Maschinenbau. In: Bernhard Zimolong (Hrsg.)<br />

(1996): Kooperationsnetze, flexible Fertigungsstrukturen und Gruppenarbeit. Opladen: Leske +<br />

Budrich. Seite 30 ff.<br />

Ulrich Widmaier (1995): Ausprägungen und Einordnung von Fertigungsinseln und Gruppenarbeit.<br />

In: AWF-Aussschuß <strong>für</strong> Wirtschaftliche Fertigung e.v. (Hrsg.): „3. Bochumer-Fertigungsinsel-<br />

Tage“ 22. - 23. Mai 1995.<br />

Bernhard Zimolong und Armin Windel (1996): Mit Gruppenarbeit zu höherer Leistung und<br />

humaneren Arbeitstätigkeiten? In: Bernhard Zimolong (Hrsg.) (1996): Kooperationsnetze, flexible<br />

Fertigungsstrukturen und Gruppenarbeit. Opladen: Leske + Budrich. Seite 140 ff.


Dominik Kaiser<br />

86<br />

Struktur und Funktion interner Arbeitsmärkte am Beispiel <strong>der</strong> NRW Spielkasinos<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung - Entstehung interner Arbeitsmärkte<br />

2 Der betriebszentrierte Ansatz nach Lutz und Sengenberger<br />

3 Anwendung eines betriebszentrierten Segmentationsansatzes. Struktur und Funktion<br />

interner Arbeitsmärkte am Beispiel <strong>der</strong> NRW Spielkasinos, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Spielbank<br />

Hohensyburg in Dortmund<br />

3.1 Arbeitsorganisation<br />

3.2 Mobilität und Qualifikation<br />

4 Zugangspforten in <strong>der</strong> Spieltechnik<br />

5 Das Lohnsystem - Der Tronc<br />

6 Zusammenfassung<br />

Literaturverzeichnis


87<br />

1 Einleitung – Entstehung interner Arbeitsmärkte<br />

Die Stärkung eines unternehmensinternen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es stellt die bewußte Verlagerung externer<br />

Marktfunktionen in die Planungs- und Entscheidungssphäre des betrieblichen Personalmanagements<br />

dar.<br />

Eine Ursache <strong>der</strong> Entstehung von Strukturen des internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es ist im Bestreben <strong>der</strong><br />

arbeitenden Personen zu suchen, sich mittels ihrer Kontrolle über den Arbeitsprozeß vor <strong>der</strong><br />

Behandlung <strong>der</strong> Arbeitskraft als austauschbare Ware zu schützen. Im Spannungsfeld von<br />

ökonomischen und sozialen Motiven <strong>der</strong> Arbeitenden lassen sich verschiedene Handlungsweisen<br />

beschreiben, die in Wechselwirkung mit strategischem Handeln des Managements auf je spezifische<br />

Weise zur Strukturierung des internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es führen. 51<br />

Nach <strong>der</strong> Logik des Marktes sind Gründe <strong>für</strong> die Beschäftigten, im Betrieb zu verbleiben, nur dann<br />

gegeben, wenn außerhalb des Betriebes keine besseren Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen<br />

(SENGENBERGER 1987).<br />

Die Entstehung interner Arbeitsmärkte müßte folglich in Phasen hoher Arbeitslosigkeit fallen. Das<br />

Gegenteil ist jedoch <strong>der</strong> Fall. Nach LUTZ entstanden interne Arbeitsmärkte in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

etwa Ende <strong>der</strong> 50er/ Anfang <strong>der</strong> 60er Jahre zu einer Zeit also, in <strong>der</strong> Arbeitskräfteknappheit<br />

herrschte.<br />

Anhaltende Vollbeschäftigung stellte die betriebliche Personalwirtschaft vor Rekrutierungs- und<br />

Abwan<strong>der</strong>ungsprobleme; Beschäftigungsrisiko und <strong>Arbeitsmarkt</strong>konkurrenz verloren ihre bisherige<br />

disziplinierende Wirkung bei <strong>der</strong> Gestaltung des Arbeitsverhältnisses und <strong>der</strong> Kontrolle des Lohn-<br />

Leistungsverhältnisses durch den Betrieb (LUTZ 1987).<br />

Die Betriebe reagierten auf die sich auftuende Qualifikationslücke zunehmend mit einer<br />

Arbeitskräftestrategie auf <strong>der</strong> Grundlage interner Maßnahmen.<br />

Ist <strong>der</strong> interne <strong>Arbeitsmarkt</strong> in einer Vielzahl von Unternehmen etabliert, entfaltet er eine<br />

Eigendynamik: Durch interne Qualifizierung werden die Arbeitskräfte an den Betrieb gebunden. Ihre<br />

Chancen zum innerbetrieblichen Aufstieg sind größer als die eines Betriebswechsels, denn dort<br />

müßten sie ja auf den „Einstiegsarbeitsplätzen“ wie<strong>der</strong> von unten anfangen. Je spezifischer die<br />

erworbenen Qualifikationen sind, desto schlechter lassen sie sich in einem an<strong>der</strong>en Betrieb<br />

verwenden. Die Einbindung in einen internen <strong>Arbeitsmarkt</strong> ist folglich <strong>für</strong> die Belegschaft höchst<br />

ambivalent. Zwar kommt <strong>der</strong> Betrieb den Interessen an größerer Beschäftigungssicherheit, an


88<br />

Planbarkeit <strong>der</strong> Lebensverhältnisse, an Möglichkeiten zur Entwicklung <strong>der</strong> beruflichen Lage<br />

entgegen. An<strong>der</strong>erseits aber werden die sozialen Chancen <strong>der</strong> Beschäftigten sehr viel stärker an die<br />

ökonomische Lage des Unternehmens gebunden. Zudem geht <strong>der</strong> Arbeitgeber keinerlei<br />

Verpflichtungen zur Beschäftigungs- und Karrieresicherheit ein, son<strong>der</strong>n gibt lediglich ein<br />

Versprechen über verbesserte Chancen im Gegenzug zu Wohlverhalten (LUTZ 1987).<br />

Im weiteren gehen LUTZ und SENGENBERGER, <strong>der</strong>en betriebszentrierter Segmentationsansatz den<br />

zentralen theoretischen Unterbau <strong>für</strong> die vorliegende Ausarbeitung darstellt und im Kapitel 2<br />

konkreter erläutert wird, davon aus, daß die Eigendynamik interner Arbeitsmärkte schließlich zu<br />

einer wechselseitigen Bindung von Betrieb und Arbeitskraft führt.<br />

„Sobald ein Arbeitnehmer einen spezifischen Wert <strong>für</strong> den Betrieb darstellt, weil er Teil eines<br />

kooperativen, produktivitätsför<strong>der</strong>nden betrieblichen Arbeitsverbundes ist o<strong>der</strong> aufgrund<br />

effizienzsteigern<strong>der</strong> spezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ohne Kosten ersetzbar ist, tritt<br />

eine neue, auf Kontinuität <strong>der</strong> Beschäftigung gerichtete und gegen die äußere <strong>Arbeitsmarkt</strong>situation<br />

resistente Interessenlage des Betriebs in Erscheinung.“ (SENGENBERGER 1987).<br />

Die Beschäftigten eines Betriebes o<strong>der</strong> zumindest Teile <strong>der</strong> Belegschaft werden gegen die<br />

Konkurrenz vom externen <strong>Arbeitsmarkt</strong> abgeschirmt, es erfolgt die Schließung des internen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>es. Der Betrieb ist jetzt nicht wie fachlich strukturierte Arbeitsmärkte an eine bestimmte<br />

Kategorie von Arbeitskräften gebunden, son<strong>der</strong>n an einzelne Personen.<br />

Den Ausgangspunkt <strong>der</strong> Analyse bilden also die betrieblichen Strukturen. Sie werden aufgefaßt als<br />

Ausdruck einer Strategie zur Verwertung des Einzelkapitals.<br />

Von den Strukturen hängt es ab, ob und inwieweit die Beschäftigten in den Betrieb eingebunden<br />

werden und damit eine gewisse Unabhängigkeit vom <strong>Arbeitsmarkt</strong> gewinnen. Die verschiedenen<br />

Arten <strong>der</strong> Bindung zwischen Arbeitskraft und Betrieb sind wie<strong>der</strong>um <strong>der</strong> entscheidende Grund <strong>für</strong><br />

die Segmentierung des <strong>Arbeitsmarkt</strong>es in verschiedene Teilarbeitsmärkte (siehe Kap. 2).<br />

Untersucht werden soll, inwieweit strenge Aufstiegsmechanismen festgelegt sind und an welchen<br />

Stellen sie durch „ports of entry“ unterbrochen werden. 52<br />

Daran anknüpfend stellt sich die Frage, inwieweit sind die sozialen Beziehungen im Betrieb vom<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>geschehen beeinflußt, inwieweit wirken sie auf den <strong>Arbeitsmarkt</strong> zurück?<br />

Das Konzept des betriebsinternen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es scheint geeignet, diese Zusammenhänge zu<br />

erklären. Der Begriff bezeichnet einen realen Wi<strong>der</strong>spruch: Der Betrieb als Einsatzort von<br />

51 Klaus Kock (1994): Zur Soziologie des betriebsinternen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es.<br />

52 Doeringer, P. / Piore, M. (1971): International Labor Markets and Manpower Analysis; Lexington / Mass.


89<br />

Arbeitskraft ist Bestandteil des <strong>Arbeitsmarkt</strong>es, und doch gelten hier an<strong>der</strong>e Gesetze als die von<br />

Angebot und Nachfrage. Im Arbeitsprozeß entstehen soziale Beziehungen, die nicht mehr identisch<br />

sind mit den ökonomischen Marktverhältnissen und doch von ihnen beeinflußt werden.<br />

Nach dem beinahe schon klassischen Konzept von Doeringer / Piore, ist „... <strong>der</strong> interne <strong>Arbeitsmarkt</strong><br />

eine administrative Einheit, wie z.B. eine Fabrik, in <strong>der</strong> Entlohnung und Allokation von Arbeit durch<br />

eine Reihe administrativer Regeln und Prozeduren reguliert werden. Der von administrativen Regeln<br />

gesteuerte interne <strong>Arbeitsmarkt</strong> ist zu unterscheiden vom externen <strong>Arbeitsmarkt</strong> <strong>der</strong> konventionellen<br />

ökonomischen Theorie, wo Entlohnungs-, Allokations- und Ausbildungsentscheidungen direkt durch<br />

ökonomische Variablen beherrscht werden. Jedoch sind die beiden Märkte verbunden, und<br />

Bewegungen zwischen ihnen kommen bei bestimmten Gruppen von Arbeitsplätzen, die Eintritts- und<br />

Austrittspforten des internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es bilden, vor. Die übrigen Arbeitsplätze innerhalb des<br />

internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es werden besetzt durch Aufstieg o<strong>der</strong> Versetzung von Arbeitern, die schon<br />

Zugang erlangt haben. In <strong>der</strong> Konsequenz werden diese Arbeitsplätze von den direkten Einflüssen<br />

<strong>der</strong> Wettbewerbskräfte des externen Marktes abgeschirmt. Die Regeln, welche die Allokation und<br />

Entlohnung steuern, gewähren <strong>der</strong> internen Belegschaft bestimmte Rechte und Privilegien, die den<br />

Arbeitern auf dem externen <strong>Arbeitsmarkt</strong> nicht zur Verfügung stehen.“ 53<br />

Es geht nicht mehr vorrangig um eine Beschreibung und Erklärung von Marktgesetzen, son<strong>der</strong>n um<br />

das Verstehen sozialer Wirkungszusammenhänge im Betrieb. Hier wird <strong>der</strong> Mechanismus verortet,<br />

dessen Analyse Aufschluß darüber geben kann, wie sich unterschiedliche Beschäftigungschancen<br />

herausbilden und stabilisieren.<br />

Untersuchungsgegenstand dieser Studie ist kein Betrieb aus dem Bereich <strong>der</strong> produzierenden<br />

Industrie son<strong>der</strong>n ein dienstleistendes Unternehmen aus dem Bereich <strong>der</strong> „Freizeitindustrie“ - die<br />

Spielbanken in NRW, insbeson<strong>der</strong>e die Spielbank Hohensyburg in Dortmund.<br />

Dabei soll <strong>der</strong> strukturtheoretische Ansatz nach Lutz und Sengenberger zur Erklärung des internen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>es in <strong>der</strong> Spielbank Hohensyburg herangezogen werden.<br />

Grundlage waren Unterlagen über die personellen Verän<strong>der</strong>ungen und die Personalstruktur <strong>der</strong><br />

Spielbank Hohensyburg von 1991 bis 1997 und die in den Tarifverträgen <strong>für</strong> WestSpiel fixierten<br />

Vereinbarungen zur Arbeitsorganisation. Die Strukturen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation in <strong>der</strong> Spielbank<br />

entsprechen nach Meinung des Autors denen eines typischen internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es.<br />

Die Überprüfung dieser These ist Sinn <strong>der</strong> vorliegenden Ausarbeitung.


2 Der betriebszentrierte Ansatz nach Lutz und Sengenberger<br />

90<br />

Unter bestimmten historischen Bedingungen entwickeln Betriebe zur Sicherung ihrer Profite<br />

Strategien des Arbeitskräfteeinsatzes, die zu unterschiedlichen Ausprägungen bei <strong>der</strong> Bindung<br />

Betrieb – Arbeitskraft führen. Bestimmte Arbeitskräfte bindet <strong>der</strong> Betrieb im internen <strong>Arbeitsmarkt</strong><br />

stärker an sich, ihre Beschäftigungsverhältnisse werden nach institutionalisierten Regeln gesteuert.<br />

An<strong>der</strong>e Arbeitskräfte sind weniger an den Betrieb gebunden, ihre Beschäftigungsverhältnisse werden<br />

entwe<strong>der</strong> durch überbetriebliche Institutionen reguliert o<strong>der</strong> bleiben den Wechselfällen von Angebot<br />

und Nachfrage überlassen. Verfestigen sich die Unterschiede in <strong>der</strong> Bindung <strong>für</strong> bestimmte<br />

Arbeitskräftegruppen, entsteht <strong>Arbeitsmarkt</strong>segmentation, d.h. die jeweiligen Arbeitnehmerinnen und<br />

Arbeitnehmer werden auf einen Teilarbeitsmarkt festgelegt.<br />

Der Ansatz geht von <strong>der</strong> Existenz dreier Teilarbeitsmärkte am bundesdeutschen <strong>Arbeitsmarkt</strong> aus<br />

(1) Dem Markt <strong>für</strong> unspezifische Qualifikationen (Je<strong>der</strong>mannsarbeitsmarkt)<br />

(2) Dem Markt <strong>für</strong> fachspezifische Qualifikationen o<strong>der</strong> berufsfachlicher Teilarbeitsmarkt<br />

(3) Dem Markt <strong>für</strong> betriebsspezifische Qualifikationen o<strong>der</strong> betrieblichen Teilarbeitsmarkt<br />

Die beiden wichtigsten Grundlagen <strong>der</strong> Analyse sind das Konzept des Teilarbeitsmarktes und die<br />

Humankapitaltheorie.<br />

Das Teilarbeitsmarktkonzept kann beschrieben werden als ein „Instrument, mit dem die<br />

...Differenzierung eines Gesamtarbeitsmarktes in Teilmärkte sowie die innere Struktur von<br />

Teilmärkten untersucht werden kann“. Ein Teilarbeitsmarkt wird definiert „als eine durch bestimmte<br />

Merkmale von Arbeitskräften abgegrenzte Struktureinheit des Gesamtarbeitsmarktes, innerhalb <strong>der</strong><br />

die Allokation, Gratifizierung und Qualifizierung <strong>der</strong> Arbeitskräfte einer beson<strong>der</strong>en... Regelung<br />

unterliegt“. (SENGENBERGER 1978).<br />

Die Entstehung <strong>der</strong> Teilarbeitsmärkte wird mit Hilfe <strong>der</strong> Humankapitaltheorie und <strong>der</strong> in ihren Augen<br />

gleichzeitigen Wendung gegen diese begründet, indem die zentrale Rolle <strong>der</strong> Unternehmung ins Spiel<br />

gebracht wird, weil „das Interesse <strong>der</strong> Unternehmen an <strong>der</strong> Sicherung eigener<br />

Humankapitalaufwendungen in den Vor<strong>der</strong>grund gerückt wird.“<br />

Somit entstehen unterschiedliche Teilarbeitsmärkte, zwischen denen kein kostenloser Transfer mehr<br />

möglich ist, da die Mobilität <strong>der</strong> Arbeitnehmer durch spezifische Humankapitalinvestitionen<br />

53 Vgl. Doeringer / Piore


ehin<strong>der</strong>t wird.<br />

91<br />

Aus <strong>der</strong> beschriebenen <strong>Arbeitsmarkt</strong>struktur wird eine Polarisierung <strong>der</strong> Beschäftigtenstruktur <strong>für</strong><br />

verschiedene Arbeitnehmergruppen gefolgert, die sich in <strong>der</strong> Bildung von Stamm- und<br />

Randbelegschaften manifestiert.<br />

Die Stammbelegschaft setzt sich aus Arbeitnehmern zusammen, die wegen ihrer spezifischen<br />

Ausbildung <strong>für</strong> das Funktionieren des Unternehmens beson<strong>der</strong>s wichtig sind und denen darum höhere<br />

Löhne und Aufstiegschancen eingeräumt werden. Sie werden bei Schwankungen des<br />

Auslastungsgrades des Betriebes zuletzt entlassen.<br />

Das Größenverhältnis von Stamm- und Randbelegschaft ist vom geschätzten, konjunkturabhängigen<br />

Anteil an <strong>der</strong> Gütermarktnachfrage abhängig. Die Randbelegschaft konstituiert sich somit aus<br />

Arbeitsplätzen, die in rezessiven Phasen wegfallen bzw. <strong>der</strong>en InhaberInnen entlassen werden.<br />

3 Anwendung eines betriebszentrierten Segmentationsansatzes. Struktur und Funktion<br />

interner Arbeitsmärkte am Beispiel <strong>der</strong> NRW Spielkasinos, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Spielbank<br />

Hohensyburg in Dortmund<br />

3.1 Arbeitsorganisation<br />

In den drei Spielbanken in NRW (Aachen, Dortmund und Oeynhausen) werden etwa 800 Mitarbeiter<br />

beschäftigt, hiervon sind knapp 400 in Dortmund eingesetzt.<br />

Die Arbeitsbereiche unterteilen sich in die Bereiche Spieltechnik und Service.<br />

Im Bereich Spieltechnik, <strong>der</strong> zwei Drittel <strong>der</strong> Mitarbeiter ausmacht, ist <strong>der</strong> überwiegende Teil als<br />

Angestellte beschäftigt. Ergänzt werden diese durch studentische Aushilfen.<br />

In Dortmund sind von 260 Spieltechnikern etwa 60 als studentische Aushilfen auf Stundenlohnbasis /<br />

20 Std. pro Woche beschäftigt.<br />

Der Bereich Service wird in Primärservice, direkter Gästekontakt (Pagen, Rezeption etc.) und<br />

Sekundärservice (Haustechnik, Pförtner) unterteilt. Hierbei handelt es sich zum überwiegenden Teil<br />

um Arbeiter. Nur die Mitarbeiter <strong>der</strong> Rezeption und Abteilungsleiter werden als Angestellte<br />

beschäftigt. Auch im Bereich des Service sind studentische Aushilfen tätig. In <strong>der</strong> Spielbank<br />

Hohensyburg in Dortmund sind von 125 Servicemitarbeitern etwa 20 als studentische Aushilfen,<br />

ebenfalls wie in <strong>der</strong> Spieltechnik auf Stundenlohnbasis / 20 Std. pro Woche, beschäftigt. Sie sind


92<br />

ausschließlich im Primärservice unter Vertrag und werden hier fast vollständig als sog. Pagen<br />

(Saalservice) eingesetzt.<br />

Die Strukturen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation in <strong>der</strong> Spieltechnik entsprechen aufgrund ihrer überwiegend<br />

betriebsinternen und hoch spezialisierten Ausbildung einem in hohem Maße nach internen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>regelungen orientierten Mechanismus <strong>der</strong> durch eine begrenzte Anzahl von „ports of<br />

entrys“ gekennzeichnet ist.<br />

Das wesentliche Merkmal besteht darin, daß über interne Qualifizierung von langfristig an den<br />

Betrieb gebundenen Arbeitskräften erhebliche Arbeitsbefähigungen und Kompetenzen erzeugt<br />

werden können, die in den oberen Etagen <strong>der</strong> Arbeitsplatzhierarchie durchaus mit<br />

Facharbeiterqualifikationen vergleichbar sind. So zumindest ist die Selbsteinschätzung <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter zu bewerten.<br />

Allerdings ist die Art <strong>der</strong> Tätigkeit an starre sich ständig wie<strong>der</strong>holende Arbeitsabläufe gebunden, da<br />

sich die Tätigkeitsbandbreite und die Variationsmöglichkeiten den gültigen Spielregeln unterwirft.<br />

Dies spiegelt sich auch in den sich stetig wie<strong>der</strong>holenden Bewegungsabläufen wie<strong>der</strong>, die zu einer<br />

stark einseitigen monotonen Belastung des Bewegungsapparates führen.<br />

Im Bereich des Service finden sich verstärkt Arbeitsverhältnisse mit geringen<br />

Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen. Sie zeichnen sich durch eine kurze Einarbeitungszeit aus und liegen im<br />

Bereich des Primärservice vorrangig im unteren Entgeltbereich. Aus dieser Gruppe von Mitarbeitern<br />

stammt zu einem nicht geringen Anteil das Potential, das sich über die innerbetrieblichen<br />

Ausbildungswege zum Spieltechniker qualifizieren kann.<br />

Eine Ausnahme bildet hauptsächlich <strong>der</strong> Sekundärservice, wie z.B. die Haustechnik, <strong>für</strong> die eine<br />

fachlich anerkannte Berufsausbildung zwingend erfor<strong>der</strong>lich ist (z.B. Klimatechniker, Elektriker).<br />

Diese Tätigkeiten werden überwiegend mit Personen aus dem Primär-externen <strong>Arbeitsmarkt</strong>segment<br />

besetzt, dem Markt <strong>für</strong> fachspezifische Qualifikationen. Dieser auch als Fachlicher <strong>Arbeitsmarkt</strong><br />

bezeichnete Bereich bildet in <strong>der</strong> produzierenden Industrie die klassischen „entry-jobs“, durch die<br />

Personen Zugang zu den internen Arbeitsmärkten <strong>der</strong> Unternehmen erhalten.<br />

Im Bereich <strong>der</strong> Spielbanken zeigt sich, daß dieser fachliche <strong>Arbeitsmarkt</strong> nur eine untergeordnete<br />

Rolle spielt und Mitarbeiter, die über diesen Primär-externen <strong>Arbeitsmarkt</strong> Zugang gefunden haben,<br />

wenig bis gar kein Interesse daran haben, durch innerbetriebliche Ausbildung ihren bisherigen


Tätigkeitsbereich zu verän<strong>der</strong>n.<br />

93<br />

So ist in den von mir untersuchten Unterlagen kein einziger Hinweis darauf zu finden, daß z.B. ein<br />

aufgrund seiner fachlichen Qualifikation eingestellter Haustechniker an einem Croupierkurs<br />

teilgenommen hat. Umgekehrte Fälle liegen aber vor. Das Beispiel eines Mitarbeiters <strong>der</strong> als Page<br />

eingestellt wurde, und zuvor eine Ausbildung zum Gärtner absolviert hat und über den internen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong> wie<strong>der</strong>um eine Stelle als Gärtner erhalten hat, zeigt, daß es Zugangsmöglichkeiten vom<br />

Sekundär/internen- zum Primär/internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>segment gibt.<br />

An dieser Stelle soll aber auch dem Mißverständnis entgegengetreten werden, daß es sich bei den<br />

Mitarbeitern aus dem Bereich Spieltechnik und Primärservice nur um Ungelernte o<strong>der</strong> niedrig<br />

qualifizierte Personen handelt. Die überwiegende Mehrheit hat eine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung, inklusive mehrjähriger Berufserfahrung in diesen Berufen, bis hin zum<br />

Hochschulabschluß. Nur werden diese zuvor angeeigneten Qualifikationen im hochspezialisierten<br />

Tätigkeitsbereich <strong>der</strong> Spielbanken nicht abgefragt und kommen somit nicht zum Tragen.<br />

3.2 Mobilität und Qualifikation<br />

Ein weiteres Merkmal des internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es bilden Mobilität und Qualifizierung als Formen<br />

<strong>der</strong> Zuordnung von Arbeitskräften zu Arbeitsplätzen.<br />

„Ausgangspunkt von Mobilitätsprozessen sind qualitative und/o<strong>der</strong> quantitative Diskrepanzen<br />

zwischen Arbeitsplätzen und Arbeitskräften. Ihren Kern bildet <strong>der</strong> demographische Umschlag des<br />

Personals. Die Masse <strong>der</strong> Arbeitskräfte wird <strong>für</strong> einfache Tätigkeiten rekrutiert, steigt im Rahmen<br />

ihrer betrieblichen Biographie in qualifiziertere Positionen auf und verläßt dann im Rentenalter den<br />

Betrieb. So entsteht im oberen Teil <strong>der</strong> Arbeitsplatzhierarchie ein ständiger Arbeitskräftebedarf, auf<br />

dessen Deckung die internen Mobilitätsströme ausgerichtet sind.“<br />

Befragt man die Spielbankleitung nach den Auswahlkriterien <strong>für</strong> den Beruf des Croupiers erhält man<br />

als erste Antwort: eine schnelle Auffassungsgabe, ein hohes Konzentrations- und<br />

Erinnerungsvermögen und manuelle Geschicklichkeit.<br />

Eine zuvor absolvierte Berufsausbildung ist bei <strong>der</strong> einzustellenden Person zwar erwünscht, es<br />

werden daraus aber nur begrenzt Rückschlüsse auf den möglichen Qualifizierungsgrad des<br />

Bewerbers gezogen.<br />

Die in früheren Jahren versuchten Ableitungen über die mögliche Qualifikation von Bewerbern aus


anerkannten Lehrberufen als Croupier wurden weitestgehend fallengelassen.<br />

94<br />

So wurden in den Nachkriegsjahren z.B. verstärkt Friseure eingestellt, da sie manuelles Geschick und<br />

Servicefreundlichkeit im Umgang mit Gästen berufsbedingt schon mitbrachten.<br />

Die Tätigkeitsbereiche sind in <strong>der</strong> Spieltechnik zu vier Tätigkeitsgruppen gebündelt. Die Leitungs-<br />

und Koordinationsfunktionen sind in erster Linie den Saalchefs und Tischchefs zugeordnet; die<br />

direkte Dienstleistung am Gast wird durch die Dreh- und Kopfcroupiers erbracht. Die Arbeitsteilung<br />

in <strong>der</strong> Spielbank ist dem Prinzip nach hierarchisch aufgebaut.<br />

Abb.1: Klassischer Karrierepfad in <strong>der</strong> Spieltechnik<br />

Die innerbetriebliche Karriere beginnt in <strong>der</strong> Spieltechnik als Kopfcroupier.<br />

Diese Beschäftigten haben schon eine intensive, in <strong>der</strong> Regel sechswöchige Ausbildung erfahren, die<br />

im weiteren Verlauf von sog. Perfektionslehrgängen ergänzt wird. Die Ausbildung wird von<br />

umfangreichen theoretischen und praktischen Prüfungen begleitet. Schon während <strong>der</strong><br />

Ausbildungsphase werden als nicht geeignet angesehene Kursanten von <strong>der</strong> Ausbildung<br />

ausgeschlossen, so daß sich die Teilnehmerzahl stetig verringert. Die am Kursende verbleibenden<br />

Teilnehmer werden dann im realen Arbeitsumfeld eingesetzt und dabei noch einmal intensiv auf ihre<br />

Tauglichkeit hin beobachtet.<br />

Saalchef<br />

Tischchef<br />

Croupier (Dreher)<br />

Kopf- / Black Jack-<br />

Croupier<br />

Die <strong>für</strong> eine Berufsausbildung relativ kurz wirkende Ausbildungsdauer wird in erster Linie durch ein<br />

„learning on the job“ kompensiert. Erst durch die Tätigkeit im realen Berufsumfeld lernen die


95<br />

Neulinge schrittweise dazu und werden auf Fehler aufmerksam gemacht und korrigiert. Zudem<br />

erhalten sie auch Tips von den älteren Croupiers.<br />

Auf dem Weg über eine mehr o<strong>der</strong> weniger implizite Anlernung übernehmen die Kopfcroupiers<br />

sukzessive weitere Aufgabenkomplexe, indem sie weiter an „leichtere“ Spiele herangeführt werden.<br />

In <strong>der</strong> Regel erlernen sie nach einigen Monaten das Kartenspiel Black Jack und werden am American<br />

Roulette angelernt. Den neuen Spielen geht ebenfalls eine innerbetriebliche Schulung voraus, die in<br />

<strong>der</strong> Regel 2 – 4 Wochen andauert.<br />

Das System ist darauf ausgerichtet, daß die Kopfcroupiers im Prinzip alle Anfor<strong>der</strong>ungen ihres<br />

Arbeitsplatzes beherrschen, mit relativ schneller Anbindung an Folgeanfor<strong>der</strong>ungen. So bildet die<br />

Ausbildung am Black Jack die Grundlage im Umgang mit weiteren Kartenspielen, wie etwa Baccara<br />

und Poker, und am American Roulette werden erste Erfahrungen am Roulettekessel gesammelt. 54<br />

Da die Tätigkeit des Croupiers kein anerkannter Lehrberuf ist, existieren auch keine vorgegebenen<br />

Zeitrahmen, in denen die einzelnen Ausbildungsschritte zu absolvieren sind. Die Zeitspanne, in <strong>der</strong><br />

ein Mitarbeiter zum sogenannten Vollcroupier ausgebildet wird, <strong>der</strong> alle gängigen Spiele beherrscht,<br />

hängt in erster Linie vom internen Stellenbedarf ab. Zeitspannen von ein bis fünf Jahren sind<br />

möglich. Es lassen sich aber Bestrebungen erkennen, diese beliebige Ausbildungspraxis durch eine<br />

zeitlich klar strukturierte Ausbildung abzulösen, um somit die Grundlage <strong>für</strong> eine qualitativ<br />

vergleichbare Personalstruktur zu bilden.<br />

Diese Pläne haben sich bis heute noch nicht durchsetzen können, weil sie eine massive<br />

Einschränkung <strong>der</strong> flexiblen Personalbedarfsdeckung darstellen würden.<br />

54 Das Spiel American Roulette ist eine schnellere und vereinfachte Variante des Franz. Roulette; an diesen<br />

Roulettetischen ist in <strong>der</strong> Regel nur ein Croupier beschäftigt, <strong>der</strong> auch den Spielkessel bedient. Hierdurch sammeln die<br />

Kopfcroupiers erste Erfahrungen am Roulettekessel, die sie <strong>für</strong> ihre spätere Ausbildung zum Drehcroupier benötigen.


4 Zugangspforten in <strong>der</strong> Spieltechnik - „ports of entry“<br />

96<br />

Die Ausbildung zum Kopfcroupier ist die Zugangspforte zum betriebsinternen <strong>Arbeitsmarkt</strong> <strong>der</strong><br />

Spielbanken. Es zeigt sich aber, daß bezüglich <strong>der</strong> Zugangsvoraussetzung noch einmal eine<br />

Differenzierung vorzunehmen ist.<br />

Abb.2: Klassischer Karrierepfad in <strong>der</strong> Spieltechnik inklusive Zugangsmöglichkeit<br />

Page<br />

Zugang<br />

Die Croupierkurse <strong>der</strong> letzten sieben Jahre wurden in erster Linie zum Anwerben von studentischen<br />

Teilzeitkräften ausgeschrieben. Die Bewerber auf eine Festanstellung rekrutierten sich aus dem<br />

Servicebereich und waren schon als Pagen in <strong>der</strong> Spielbank beschäftigt. Bei einem im Jahre 1993<br />

durchgeführten Roulettekurs waren von 30 Teilnehmern zwanzig Studenten, die sich auf eine<br />

Zeitungsanonce beworben haben und zehn, die schon als Pagen beschäftigt waren. Von den zwanzig<br />

studentischen Bewerbern wurden zwölf als Teilzeitkräfte, und von den zuvor als Pagen beschäftigten<br />

7 als festangestellte Croupiers übernommen.<br />

Ein ähnliches Bild zeigt bei sich einem 1995 durchgeführten Kurs. Aus dem Servicebereich nahmen<br />

aber nur noch drei Teilnehmer teil, von denen zwei übernommen wurden. Die in den folgenden<br />

Jahren durchgeführten Croupierkurse wurden dann nur noch ausschließlich <strong>für</strong> Studenten angeboten.<br />

Es zeigt sich, daß in den letzten Jahren nur Personen Zugang zu einer Vollzeitbeschäftigung im<br />

Bereich <strong>der</strong> Spieltechnik erlangt haben, die entwe<strong>der</strong> über eine Zugangspforte aus dem<br />

Servicebereich in das Unternehmen gelangt sind, o<strong>der</strong> aber als studentische Aushilfe tätig waren und<br />

aufgrund eines kurzfristigen Stellenbedarfs ihr Studium abgebrochen haben und als festangestellte<br />

Croupiers übernommen wurden.<br />

Saalchef<br />

Tischchef<br />

Croupier (Dreher)<br />

Kopf- /Black Jack-<br />

Croupier<br />

Zugang<br />

Studentische<br />

Aushilfe


97<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> Positionen <strong>für</strong> eine Festanstellung hat sich von Jahr zu Jahr verringert und liegt zum<br />

heutigen Zeitpunkt gegen null. Das als Aushilfskonzept deklarierte System hat den internen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong> in den Spielbanken verän<strong>der</strong>t. Aufgrund <strong>der</strong> zeitlich klaren Begrenzung ihrer<br />

Beschäftigung werden die studentischen Aushilfen als Spezialisten <strong>für</strong> bestimmte Spiele, wie etwa<br />

Black Jack, Poker, Roulette o<strong>der</strong> American Roulette, ausgebildet. Dabei bewegen sie sich immer auf<br />

<strong>der</strong> hierarchisch untersten Stufe. Die Generalistenausbildung, wie sie <strong>für</strong> Vollzeit-Mitarbeiter vorge-<br />

sehen ist, bleibt ihnen in <strong>der</strong> Regel verwehrt.<br />

Auch bei erfahrenen Croupiers lassen sich jedoch noch Unterschiede bei <strong>der</strong> Qualifikation feststellen.<br />

Obwohl die Ausbildung des Croupiers, wie schon erwähnt, auf die eines Generalisten ausgerichtet ist,<br />

findet sich in <strong>der</strong> Arbeitspraxis das Prinzip <strong>der</strong> festen Zuordnung von Arbeitskräften zu bestimmten<br />

Arbeitsplätzen. Eine Job-rotation, z.B. <strong>der</strong> Wechsel vom Roulette zum Baccara, erfolgt allenfalls<br />

während <strong>der</strong> Dienstplanwechsel 55 und bleibt auf eine kleinere Anzahl von Mitarbeitern begrenzt, die<br />

zudem als beson<strong>der</strong>s geeignet <strong>für</strong> den jeweiligen Arbeitsbereich gelten.<br />

Es gibt zudem auch Fälle, bei denen sich langjährige Mitarbeiter 56 zu Spezialisten <strong>für</strong> bestimmte<br />

Spiele entwickelt haben und aufgrund ihrer Erfahrung schwerpunktmäßig bis ausschließlich in<br />

diesem jeweiligen Bereich eingesetzt werden.<br />

Die Möglichkeit Springer einzusetzen, die in <strong>der</strong> Lage sind, mehrere Spiele im ständigen Wechsel zu<br />

betreiben und somit eine erhöhte Flexibilität zu erreichen, ist zwar theoretisch möglich, wird in <strong>der</strong><br />

Praxis aber relativ wenig genutzt.<br />

Der Wi<strong>der</strong>spruch zwischen <strong>der</strong> Heranbildung von Generalisten und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Spezialisten<br />

läßt sich u.a. durch die nach wie vor stark hierarchisierte Organisationsstruktur in <strong>der</strong> Spieltechnik<br />

erklären. Unabhängig von den in jüngster Zeit zu erkennenden Bestrebungen, flachere Hierarchien<br />

und Gruppenarbeitskonzepte einzuführen, ist in dem von mir untersuchten Zeitraum <strong>der</strong> letzten<br />

sieben Jahre eine bürokratisch-hierarchische Unternehmensstruktur zu erkennen, die klare<br />

Zugangsvoraussetzungen und Qualifizierungsmerkmale <strong>für</strong> die unterschiedlichen Arbeitsbereiche<br />

festgelegt hat.<br />

Dadurch läßt sich eine Segmentierung <strong>der</strong> Belegschaft feststellen.<br />

55 Dienstplanwechsel erfolgt alle 6 Wochen.<br />

56 Als langjährige Mitarbeiter werden von mir solche bezeichnet, die länger als 10 Jahre im Beruf tätig sind.


5 Das Lohnsystem – Der Tronc<br />

98<br />

Im speziellen Typ des internen Marktes geht es darum, die Arbeitskräfte zu kontinuierlicher<br />

Leistungshergabe an ihrem jeweiligen Stammarbeitsplatz zu motivieren. Die beschriebene<br />

Arbeitsorganisation in den nordrhein-westfälischen Spielbanken wird wesentlich gestützt durch das<br />

in Spielbanken außergewöhnliche Lohnsystem – dem Tronc (französisch: Opferstock). Der Tronc ist<br />

<strong>der</strong> Topf, in dem die Trinkgel<strong>der</strong> <strong>für</strong> die Angestellten gesammelt werden.<br />

In Spielbanken ist es Tradition, daß <strong>der</strong> Besucher, <strong>der</strong> am Roulettetisch o<strong>der</strong> auch bei einem an<strong>der</strong>en<br />

Spiel einen Gewinn erzielt, eine Zuwendung an die Belegschaft abgibt. Diese Gel<strong>der</strong> werden dann<br />

den an jedem Spieltisch aufgestellten Troncbehältern zugeführt.<br />

Die Croupiers sind tariflich dazu verpflichtet, solche Zuwendungen unmittelbar dem Tronc<br />

zuzuführen, auch wenn <strong>der</strong> Spen<strong>der</strong> einen an<strong>der</strong>weitigen Willen äußert. 57 Aus dem Tronc werden die<br />

gesamten Personalkosten getragen, inklusive <strong>der</strong> Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Laut<br />

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 58 ist <strong>der</strong> Tronc Eigentum des Spielbankbetreibers und<br />

berechtigt ihn, jegliche Personalkosten aus dem Tronc zu zahlen. Die Troncsumme wird am<br />

Monatsende nach einem speziellen Punktesystem auf die Spieltechniker verteilt.<br />

Die Eingruppierung erfolgt in <strong>der</strong> Spieltechnik in acht Entgeltgruppen:<br />

Entgeltgruppe 1 – Kassierer/in<br />

Entgeltgruppe 2 – Vertretung Kassenleiter<br />

Entgeltgruppe 3 – Kassenleiter<br />

Entgeltgruppe 4 – Black Jack-Croupier<br />

Entgeltgruppe 5 – Kopfcroupier / American Roulette-Croupier<br />

Entgeltgruppe 6 – Croupier<br />

Entgeltgruppe 7 – Tischchef<br />

Entgeltgruppe 8 – Saalchef<br />

Die tarifliche Punktvergütung <strong>der</strong> voll- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer <strong>der</strong> aufgeführten<br />

57 Vgl. Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag § 2.<br />

58 BAG: AZ: 5 AZR 454/96, 476/96, 567/96, 568/96 und 69/97.


Entgeltgruppen wird durch den Entgelttarifvertrag geregelt. 59<br />

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Der Servicebereich und die Verwaltung erhalten Festgehälter, die ebenfalls aus dem Tronc bezahlt<br />

werden. Zur Deckung dieser Gehälter wird in NRW ein 25%iger Anteil quotiert 60 . Reicht das Geld<br />

nicht aus, ist <strong>der</strong> Arbeitgeber verpflichtet den fehlenden Betrag aus dem Nettospielertrag (NSE)<br />

aufzufüllen.<br />

Der verbleibende 75%ige Troncanteil steht allein den punktbesoldeten Mitarbeitern zur Verfügung.<br />

Um zu starke Gehaltsschwankungen zu vermeiden, ist ein tariflicher Mindestpunktwert festgelegt. Ist<br />

die Troncsumme in einem Monat zu gering, um diese zugesicherten Mindestgehälter zu zahlen, muß<br />

<strong>der</strong> Arbeitgeber auch hier die fehlende Summe aus dem Nettospielertrag (NSE) vorstrecken. In<br />

stärkeren Folgemonaten holt sich <strong>der</strong> Arbeitgeber dann aber seinen geleisteten Gehaltsvorschuß<br />

wie<strong>der</strong> zurück.<br />

In dem von mir untersuchten Zeitraum ist es zu <strong>der</strong> oben geschil<strong>der</strong>ten Situation aber noch nicht<br />

gekommen. Der Punktwert lag im Durchschnitt deutlich über dem Mindestpunktwert. Entscheidend<br />

hier<strong>für</strong> ist u.a. die in NRW bestehende Troncgemeinschaft zwischen den drei Spielbanken, die<br />

festlegt, daß die erwirtschafteten Troncgel<strong>der</strong> in einen Gemeinschaftstopf fließen. Umsatzstärkere<br />

Dependancen subventionieren somit umsatzschwächere und sorgen da<strong>für</strong>, daß es kein Lohngefälle<br />

innerhalb Nordrhein-Westfalens zwischen den einzelnen Spielbanken gibt.<br />

Allein die Berechnung einer sog. Troncproduktivität 61 berücksichtigt und honoriert in geringem<br />

Umfang höhere Umsatzleistungen in den verschiedenen Häusern.<br />

Das Troncsystem in den Spielbanken führt zu einer beson<strong>der</strong>en Selbstreflexion <strong>der</strong> Mitarbeiter,<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Punktbesoldeten. Sie sehen sich selbst als Subunternehmer, die direkt und<br />

unmittelbar <strong>für</strong> das eigene Gehalt arbeiten.<br />

Dadurch ist eine starke Anreizfunktion geschaffen.<br />

6 Zusammenfassung<br />

Insgesamt zeigt das Beispiel die Funktionsmechanismen und Strukturen eines internen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>es. Durch die Lage auf dem externen <strong>Arbeitsmarkt</strong> gegebene Möglichkeiten und<br />

Problemlagen werden betriebsintern so verarbeitet, daß die verfügbare Arbeitskraft optimal genutzt<br />

59 Vgl. § 2 Entgelttarifvertrag WestSpiel.<br />

60 Vgl. § 3 Tronctarifvertrag WestSpiel.<br />

61 Vgl. § 4 Tronctarifvertrag WestSpiel.


100<br />

werden kann. Durch die Gestaltung seiner internen Strukturen macht sich <strong>der</strong> Betrieb tendenziell<br />

unabhängig von <strong>der</strong> jeweiligen Beschaffenheit des Arbeitskräfteangebotes.<br />

Ein Hauptmangel dieses Interpretationsansatzes wird allerdings auch deutlich: Das Handeln <strong>der</strong><br />

Beschäftigten wird nicht untersucht, schon rein sprachlich werden sie nur als „Arbeitskräfte“ in die<br />

Analyse einbezogen, nicht als selbständig handelnde Personen. Gerade weil die Arbeitsteilung nicht<br />

allein einer „von oben“ geplanten hierarchischen Struktur folgt, ist sie offen <strong>für</strong> Einflußnahme <strong>der</strong><br />

Arbeitenden.<br />

Das zentrale Merkmal eines internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es, die Art <strong>der</strong> Qualifizierung, beinhaltet<br />

zahlreiche informelle Elemente, die auf die Bedeutung sozialer Beziehungen unter den Beschäftigten<br />

selbst verweisen. Nur wer sich in diese Beziehungen einfügen kann, erhält von den an<strong>der</strong>en die<br />

notwendigen Informationen und Kenntnisse vermittelt.<br />

Das Verhältnis von Marktmechanismen und innerbetrieblicher Regulierung wird von Lutz und<br />

Sengenberger als Gestaltungsvariable betrieblicher Strategien gefaßt. Das Bestreben des Betriebes<br />

nach Verwertung seines Kapitals unter Konkurrenzbedingungen führt dazu, daß <strong>der</strong> Betrieb<br />

Strategien zur Sicherung seiner Autonomie entwickelt. Dazu gehören auch Strategien des<br />

Arbeitskräfteeinsatzes. Der Betrieb muß sicherstellen, daß die benötigte Arbeitsleistung erbracht<br />

wird. Dazu bildet er bestimmte Strukturen aus. Je nachdem, wie diese Strukturen beschaffen sind,<br />

lassen sich unterschiedliche Formen und Stärken <strong>der</strong> Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitenden<br />

feststellen. Je stärker die Bindung vor allem des Arbeitgebers an die Arbeitskräfte, desto eher werden<br />

Marktmechanismen von innerbetrieblichen Regelungen ersetzt.<br />

Die Analyse des internen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es verweist zunächst auf den Autonomiegewinn, den ein<br />

Betrieb durch Internalisierung von Arbeitskraftressourcen, also den Übergang vom externen in den<br />

internen Markt erzielen kann. Nicht klar wird allerdings, inwieweit Konkurrenz zwischen den<br />

Beschäftigten sowie zwischen ihnen und Externen bestehenbleibt und weiterhin zur Disziplinierung<br />

<strong>der</strong> Arbeitenden funktionalisiert werden kann. Die Frage „Was ist marktförmig im internen<br />

<strong>Arbeitsmarkt</strong>?“ bleibt weitgehend offen.<br />

Unklar bleibt auch, warum Betriebe das Risiko eingehen, ihre Autonomie durch Bindung an die<br />

Beschäftigten wie<strong>der</strong> aufzugeben und auf den disziplinierenden Druck des externen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es<br />

verzichten.<br />

Das Handeln <strong>der</strong> Arbeitenden erscheint im referierten Ansatz als eine äußere Bedingung betrieblicher<br />

Verwertungsstrategien. Die Reproduktion <strong>der</strong> Herrschaftsverhältnisse im Betrieb wird nicht als<br />

eigenständiges Managementproblem behandelt, mit dem Gelingen <strong>der</strong> Kapitalverwertung scheint<br />

auch die Ausgangsbedingung <strong>für</strong> den nächsten Produktionsprozeß, die Kontrolle des Arbeitgebers


101<br />

über den Arbeitsprozeß, hergestellt zu sein. Auf Probleme in <strong>der</strong> Verfügbarkeit von Arbeitskraft<br />

reagiert <strong>der</strong> Betrieb mit verän<strong>der</strong>ten Strategien zur Sicherung seiner Autonomie. Probleme dieser<br />

Autonomiestrategie werden jedoch fast ausschließlich in objektiven Merkmalen <strong>der</strong> Arbeitskräfte,<br />

wie ihrer Qualifikation, nicht jedoch in ihrem Handeln als Personen und Kollektive gesehen. Dabei<br />

ist dies <strong>der</strong> entscheidende Punkt im Beschäftigungsverhältnis. Da die Arbeitskraft nicht von <strong>der</strong><br />

arbeitenden Person zu trennen ist, ist Autonomie <strong>der</strong> Kapitalverwertung niemals vollständig<br />

erreichbar.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Doeringer, P. / Piore, M. (1971): International Labor Markets and Manpower Analysis; Lexington/<br />

Mass.<br />

Kock, K. (1994): Zur Soziologie des betriebsinternen <strong>Arbeitsmarkt</strong>es, Rainer Hampp Verlag;<br />

München und Mering.<br />

Lutz, B. (1987): <strong>Arbeitsmarkt</strong>struktur und betriebliche Arbeitskräftestrategie; Frankfurt a.M. und<br />

New York<br />

Müller-Jentsch, W. (1997): Soziologie <strong>der</strong> industriellen Beziehungen, 2. erweiterte. Aufl., Frankfurt<br />

Schettkat, R. (1993): Neuere Entwicklungen in <strong>der</strong> <strong>Arbeitsmarkt</strong>- und Beschäftigungstheorie;<br />

Wirtschaftsdienst 5/93: 268-2761<br />

Sengenberger, W. (1987): Struktur und Funktionsweise von Arbeitsmärkten. Die Bundesrepublik<br />

Deutschland im internationalen Vergleich; Frankfurt a.M. und New York<br />

Sengenberger, W. (1987a): <strong>Arbeitsmarkt</strong>segmentation und Macht; in: Buttler/Gerlach/Schmiede<br />

(Hrsg.) 1987; 95 ff.<br />

Sesselmeier, W. / Blauermel, G. (1990): <strong>Arbeitsmarkt</strong>theorien – Ein Überblick; Physica-Verlag;<br />

Heidelberg.

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