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Gebirgsfreund Nr. 1/2021

Eine unabhängige Vereinszeitschrift für Bergfreunde und Naturgenießer. Wir informieren mit einzigartigen Berichten und Aufnahmen und machen Lust auf Natur und das Erlebnis Berg. Vordergründig dabei sind immer die Themen Sicherheit und Naturbewusstsein.

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<strong>Gebirgsfreund</strong> | Umwelt Editorial | Thema | Bericht & Naturschutz<br />

„Es muss nicht<br />

immer Stuhleck sein“<br />

Skitouren Fischbacher Alpen<br />

©Manfred Brandfellner<br />

Wer diesen Winter mit Tourenskiern<br />

auf das Stuhleck gehen<br />

wollte, konnte manchmal<br />

durchaus ins Staunen kommen. Für die<br />

„klassische Route“ über den Kaltenbachgraben<br />

etwa brauchte man zeitweilig eine<br />

„genau Planung“, wo, wann und ob man<br />

überhaupt als TourengeherIn bei den<br />

Stuhleckliften parken durfte, ob ohne oder<br />

mit Parkgebühr und manchmal gab es<br />

sogar saftige Strafen. Die Gemüter waren<br />

jedenfalls erhitzt und es wurde nicht nur<br />

in den sozialen Medien heftig diskutiert.<br />

Machte man sich stattdessen auf den<br />

Weg zum Pfaffensattel, um von dort<br />

zum Stuhleck aufzusteigen, musste man<br />

früh dran sein. Wer nach 9 Uhr ankam,<br />

hatte meist keine Chance mehr auf einen<br />

freien Parkplatz. Selbst an Wochentagen<br />

musste man Glück haben, obwohl die<br />

Straßenmeisterei nach Neuschneefällen<br />

einige ganz neue Möglichkeiten zum<br />

Abstellen von Fahrzeugen frei räumte. „Na<br />

gut, dann fahren wir eben weiter Richtung<br />

Rettenegg und gehen von dort los“,<br />

dachten sich wohl manche. Aber auch dort<br />

dasselbe Bild, dutzende parkten Autos<br />

rund um den Forellenhof. Ein neuer, großer<br />

Parkplatz wurde geschaffen und ein<br />

eigener Parkordner nahm seine Tätigkeit<br />

auf. Es waren Bilder, die man bisher nur<br />

vom Andrang zu großen Skigebieten<br />

kannte. Skitourengehen boomt und erlebt<br />

besonders durch Corona einen weiteren,<br />

kräftigen Schub.<br />

Interessant ist es, in diesem Zusammenhang<br />

historisch weit zurück zu schauen.<br />

Bereits vor über 120 Jahren, in den 1890er<br />

Jahren, gab es einen ersten Skiboom rund<br />

um Mürzzuschlag und das Stuhleck. 1892<br />

wurde das Stuhleck erstmalig mit Skiern<br />

bestiegen, bald darauf wurden in Mürzzuschlag<br />

erste Skivereine gegründet, das erste<br />

Skirennen in Mitteleuropa organisiert,<br />

1894 bereits eine Wintersportausstellung<br />

abgehalten und bald nach der Jahrhundertwende<br />

sogar Sonderzüge der Südbahn<br />

für SkitouristInnen nach Mürzzuschlag<br />

geführt. Sehr anschaulich dokumentiert<br />

ist diese frühe Zeit des Skitourismus im<br />

Wintersportmuseum Mürzzuschlag.<br />

Auf der Seite der Bergrettung Mürzzuschlag<br />

http://bit.ly/bergrettung-geschichte<br />

findet man eine historische Skitourenkarte,<br />

die zwar nicht mehr den heutigen<br />

Gegebenheiten entspricht, aber doch über<br />

die Fülle an Touren staunen lässt, die<br />

darin zu finden sind. Viele der verzeichneten<br />

Routen sind so heute nicht mehr<br />

begehbar, Wege und Bewuchs haben sich<br />

verändert und so manche Route wird auch<br />

wegen der geringen Steilheit die heutigen<br />

Erwartungen nicht mehr erfüllen.<br />

Dennoch bieten diese historischen Skitourenkarten<br />

eine Reihe von Anregungen, zu<br />

versuchen, alte Routen in aktuelle analoge<br />

oder digitale Karten zu übertragen, um<br />

längst vergessene Skitouren neu zu beleben.<br />

So waren wir etwa an einem Sonntag<br />

im Jänner <strong>2021</strong> die einzigen TourengeherInnen,<br />

die von Rettenegg auf den Pretul<br />

aufstiegen und von dort auf das Geiereck<br />

weitergingen. Belohnt wurden wir mit<br />

einer wunderschönen, einsamen und<br />

unverspurten Pulverschneeabfahrt über<br />

die Retteneggalm nach Süden. Auch von<br />

der Nordseite gibt es eine Reihe schöner<br />

Alternativen zum Stuhleck. Neben dem<br />

Unteren -und Oberen Moschkogel bietet<br />

das Grazer Stuhleck über die Schwarzriegelalm<br />

schöne Abfahrtsvarianten. Wer<br />

gerne eher aufstiegsorientiert unterwegs<br />

ist, dem wird die lange, einsame Route<br />

von Steinhaus über das Hocheck auf das<br />

Stuhleck wahrscheinlich sehr gefallen.<br />

Wer kaum bekannte oder neue Routen<br />

sucht, sollte sich allerdings ganz besonders<br />

bewusst sein, dass man dabei Lebensräume<br />

von Mensch und Tier berührt<br />

oder betritt, die weniger an SkitouristInnen<br />

gewöhnt sind. Sensibilität ist daher<br />

gefragt. AnrainerInnen bitten, ob man<br />

parken darf, vielleicht sogar eine kleine<br />

Gebühr anbieten, um eine Atmosphäre<br />

von gegenseitiger Wertschätzung zu<br />

begünstigen. Besonders mit Bedacht sollte<br />

man dabei auch seine Aufstiegs- und<br />

Abfahrtsrouten anlegen, um Wildtiere<br />

nicht aufzuschrecken und Jungwald nicht<br />

zu beschädigen. Rücksichtsvoller Umgang<br />

miteinander und mit der Natur ist beim<br />

Begehen und Befahren wenig bekannter<br />

Routen besonders wichtig, um uns die<br />

alpine Wegefreiheit berechtigt und dauerhaft<br />

zu erhalten.<br />

Manfred Brandfellner<br />

10 | <strong>Gebirgsfreund</strong> | <strong>Nr</strong>. 1 / <strong>2021</strong>

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