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Global Investor

Nr. 01/2010 d. Inflation

Nr. 01/2010 d.
Inflation

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eiden Seiten etwas gebracht hat. Maggie Thatcher bekam ihre zweite Amtszeit<br />

und wir waren die Militärs los. Anfang 1983 fanden demo kratische Wahlen statt,<br />

die ersten und einzigen, bei denen ich jemals in Argentinien gewählt habe.<br />

1982 wertete Martínez de Hoz plötzlich die Landeswährung ab. Ich legte zu<br />

jener Zeit Geld für einen Forschungsaufenthalt als Kardiologin in Frankreich<br />

zurück und hatte vor, 12 000 US-Dollar auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Eines<br />

Morgens wachte ich auf und musste feststellen, dass meine Pesos nur noch<br />

1200 US-Dollar wert waren. Und auch dieser kleine Betrag liess sich nicht problemlos<br />

nach Paris überweisen. Während ich auf das Geld wartete, arbeitete<br />

ich von 8 bis 18 Uhr im Krankenhaus und danach bis Mitternacht als freiberufliche<br />

Übersetzerin. Nach sechs Monaten in Frankreich kehrte ich nach Argentinien<br />

zurück, um meine Ausbildung abzuschliessen. 1985 versuchte die Regierung,<br />

die Leute zu beruhigen, indem sie den Peso durch den Austral ersetzte und à<br />

la Simbabwe ein paar Nullen strich.<br />

Am Rande sei erwähnt, dass mein Vater die Hyperinflation in Deutschland<br />

zwischen den beiden Weltkriegen erlebt hat, als sich die Preise alle zwei Tage<br />

verdoppelten. Er sprach nicht gern darüber, doch seine Grundhaltung schien zu<br />

sein: «Nun ja, dies ist schlimm, aber so schlimm nun auch wieder nicht.» Allerdings<br />

hat er ein Bankkonto in Deutschland und eines in den USA behalten – vielleicht<br />

wegen seiner Sensibilität für hohe Inflation. Seine Sorge war es immer, genug<br />

Geld zu hinterlassen, damit meine Mutter davon leben konnte.<br />

Im darauffolgenden Jahr verliess ich Argentinien im Alter von 29 Jahren für<br />

immer und ging an das National Institute of Health in den USA. Als ich dort ankam,<br />

erlebte ich zwei Überraschungen. Die erste: Ich sah zum ersten Mal in<br />

meinem Leben die Preise fallen. Ich hatte sie immer nur steigen sehen. Die<br />

zweite erlebte ich beim Eröffnen eines Sparkontos, als mir der Bankangestellte<br />

auf meine Frage nach dem Zinssatz «sechs Prozent» antwortete, was hoch war<br />

für die USA. Ich wollte nicht völlig dumm wirken, indem ich fragte, ob das pro<br />

Woche sei. Also fragte ich, ob das der monatliche Satz sei. Ich kann nicht beschreiben,<br />

was für ein Gesicht er machte, als er sagte: «Nein, Ma’am, pro Jahr.»<br />

«Kaufkraftparität» – dieses Wort lernte ich erst, als ich Argentinien verlassen<br />

hatte. Zwei Generationen von Menschen in diesem Land kennen den Sinn des<br />

Sparens nicht, haben kein Vertrauen in die Regierung und nur wenig in Banken.<br />

Zehn Prozent der Argentinier haben das Land verlassen, Fachleute und Intellektuelle<br />

wie ich. Die Mittelklasse verschwindet. Ich hatte eine wunderbare Kindheit<br />

und Jugend in Argentinien. Und ich hatte eine kostenlose Universitätsausbildung.<br />

Aber ich würde nie wieder dort leben wollen.

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