Die Neue Hochschule Heft 2-2021
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Forschung über die eigene Lehre: Scholarship of Teaching and Learning
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Forschung über die eigene Lehre: Scholarship of Teaching and Learning
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
39<br />
Ausgleich durch die <strong>Hochschule</strong><br />
Auffällig uneinheitlich ist die Art, wie die <strong>Hochschule</strong>n<br />
die zusätzliche Arbeit durch die Betreuung<br />
von Abschlussarbeiten jeweils honorieren. <strong>Die</strong> Regelungen<br />
unterscheiden sich derart, dass Vergleiche<br />
über konkrete Einzelfälle hinaus schwierig sind. Einige<br />
Befragte geben an, dass sie keinerlei Würdigung<br />
für diese Aufgabe erhalten. In den meisten Fällen<br />
hingegen kommen die <strong>Hochschule</strong>n den Professorinnen<br />
und Professoren durch irgendeine Art von<br />
Deputatsreduktion entgegen. Im Umfang und in<br />
dessen Berechnung variiert diese Reduktion stark.<br />
So werden teilweise Ansprüche auf Reduktion erst<br />
wirksam, wenn eine bestimmte Menge an betreuten<br />
Arbeiten überschritten wird. In der Regel ist für jede<br />
Betreuung ein bestimmter Satz veranschlagt, der für<br />
das gesamte Semester mit der Anzahl der betreuten<br />
Arbeiten multipliziert wird. <strong>Die</strong>se Sätze schwanken<br />
enorm: in der Erstbetreuung zwischen 0,01 und 0,5<br />
SWS für eine Bachelorarbeit (Median: 0,2) sowie 0,03<br />
und 1 SWS für eine Masterarbeit (Median: 0,4). Für<br />
die Zweitbetreuung erfolgt in aller Regel keine weitere<br />
Reduktion. <strong>Die</strong> jeweils errechenbare Gesamtreduktion<br />
ist fast immer gedeckelt und beläuft sich auf 1 bis 5<br />
SWS (Median: 2). Abgesehen von der Deputatsreduktion<br />
gewähren einige <strong>Hochschule</strong>n bei Überschreiten<br />
einer kritischen Menge Zulagen oder stocken Sachmittel<br />
auf. Oft wurde moniert, dass die Kriterien und die<br />
Vergabeverfahren für diese Zulagen intransparent sind.<br />
Impulse aus der Professorenschaft<br />
Wie sehr das Thema der Abschlussarbeiten den<br />
professoralen Alltag bestimmt, zeigt sich unter anderem<br />
auch daran, dass viele Befragten über die explizit<br />
erbetenen Angaben hinaus persönliche Ergänzungen<br />
und Einschätzungen abgegeben haben.<br />
Vielfach bekräftigen sie dabei die Feststellung, dass<br />
die Ausgleichsleistungen vonseiten der <strong>Hochschule</strong><br />
in keinem gerechtfertigten Verhältnis zum realen<br />
Aufwand für die Betreuung stehen.<br />
Ein weiterer Aspekt des Hochschullebens, der<br />
sich nachteilig auswirkt, ist der fehlende oder<br />
nicht ausreichend institutionalisierte Mittelbau.<br />
Befristete Lehrkräfte kommen naturgemäß für die<br />
Zweitbetreuung von Abschlussarbeiten meist nicht<br />
in Betracht. Externe Betreuerinnen und Betreuer<br />
müssen ihrerseits intensiv betreut werden, um einen<br />
Studienabschluss in angemessener und gerechter<br />
Form zu gewährleisten, was den Gewinn an Entlastung<br />
des Hochschulpersonals relativiert. So wundert<br />
es nicht, dass auch für die Zweitbegutachtung in der<br />
Hälfte aller Fälle andere Professorinnen und Professoren<br />
verantwortlich sind, in 18 Prozent Industriepartner<br />
und dann erst in jeweils zwölf Prozent<br />
Wissenschaftliche Mitarbeitende und Lehrbeauftragte<br />
für besondere Aufgaben. Zwar geben viele an, dass<br />
sie mangels Alternativen unter dem Zwang stehen,<br />
bestimmte Abschlussarbeiten anzunehmen; vielfach<br />
wurde aber beteuert, dass Abschlussleistungen trotz<br />
dieses Zwangs mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit<br />
begutachtet und bewertet werden.<br />
Auch einige pragmatische Maßnahmen gegen<br />
einen ausufernden Betreuungsaufwand werden<br />
genannt: Beispielsweise werden Studierende explizit<br />
darauf hingewiesen, dass keine Vorabzüge der Arbeit<br />
gelesen oder kommentiert werden. In anderen Fällen<br />
werden vornehmlich solche Themen ausgegeben<br />
oder akzeptiert, die in die eigene Forschung passen.<br />
Andere Maßnahmen, wie ein begrenztes Anrecht<br />
auf Sprechstundentermine oder limitierte Korrekturschleifen<br />
für die Exposés, sollen zu einer effizienteren<br />
Kommunikation zwischen Studierenden und<br />
Betreuenden führen.<br />
Im Hinblick auf das lebenslange Lernen sollte eine<br />
Abschlussarbeit nicht nur als rückblickender Nachweis<br />
für ein gelungenes Studium gelten, sondern als<br />
weitere Studienleistung mit entsprechendem Kompetenzerwerb<br />
und Lerneffekt. Um einen Lerneffekt für<br />
Abschlussarbeiten zu ermöglichen, müsste die Arbeit<br />
jedoch schon während der Entstehung begutachtet<br />
und laufend kommentiert werden, indem Vorabzüge<br />
systematisch eingereicht und bewertet werden. Hierfür<br />
reicht die Zeit in den meisten Fällen nicht aus.<br />
Aus den Angaben und freien Antworten geht deutlich<br />
hervor, dass sich die hessischen Professorinnen<br />
und Professoren trotz unzureichender Kompensation<br />
gewissenhaft und mit dem notwendigen Zeiteinsatz<br />
der Betreuung von Abschlussarbeiten widmen. Ein<br />
Studium, das nahezu vollständig absolviert wurde und<br />
kurz vor dem Abschluss scheitert, stellt die bedauerlichste<br />
Form eines Studienabbruchs dar. Insofern ist<br />
jede Stunde Betreuung, die Studierende in dieser Zeit<br />
erfahren, sehr gut investiert. Es wäre erfreulich, wenn<br />
diese Zeit ohne Abstriche bei anderen professoralen<br />
Tätigkeiten aufgebracht werden könnte.<br />
1 Hessisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Personal und Habilitationen an <strong>Hochschule</strong>n in Hessen im Jahr 2019. Hessisches<br />
Statistisches Landesamt, Statistische Berichte BIII 4 – j/19, 2020, S. 23.<br />
2 Hessisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Hochschulprüfungen in Hessen 2019. Hessisches Statistisches Landesamt,<br />
Statistische Berichte BIII 3 – j/19, 2020, S. 51.<br />
DNH 02 | <strong>2021</strong>