<strong>DER</strong> <strong>SAND</strong> MADE IN WICHLINGHAUSEN <strong>Ausgabe</strong> 2 Foto: Daniela Camilla Raimund „Malerei ist ein Prozess ständiger Veränderung. Man kann in meinen Bildern wandern, immer neue Wege entdecken und gehen.“ „Without rain“ von Frank Lederhose, Öl auf Leinwand 160 x 120 cm Frank Lederhose ist Maler und seit 2019 Lehrer im Ruhestand. Er hat sein Atelier in den Königsberger Höfen in Wichlinghausen. www.frank-lederhose.de Seite 6
<strong>Ausgabe</strong> 2 MADE IN WICHLINGHAUSEN <strong>DER</strong> <strong>SAND</strong> Kultursalon Weil sein darf, was sein kann – ein offenes Haus für Kultur und Debatte von Hermann Schulz Muss man Wichlinghausen kennen? Ich kannte es nicht, und beinahe wäre mir etwas entgangen. Wie überall machen auch hier die Menschen, die dort leben, einen Stadtteil zu dem, was er ist. Das habe ich durch persönliche Begegnungen erfahren. Vor einigen Jahren begegneten mir Felicitas Miller und Dr. Herbert Gerstberger; sie hatten Karl Otto Mühl und mich zu Lesungen im Rahmen ihres Programms „Die Straße liest“, einer Aktion in den Häusern und Höfen der Nornenstraße, eingeladen. Es war der Beginn einer intensiven Freundschaft. Als theoretischer Physiker arbeitete Herbert Gerstberger auf seinem Lehrstuhl an der Pädagogischen Hochschule Weingarten an der Verbindung von Physik und Ästhetik. Seine Aktivitäten im Amateurtheater und in der Theaterpädagogik verbanden ihn mit Felicitas Miller, die nach Lehrtätigkeiten in Irland und Ägypten am Bergischen Kolleg den theaterpädagogischen Bereich dauerhaft im Schulprofilverankerte. Durch die beiden lernte ich einen mir völlig unbekannten Stadtteil kennen und schätzen. Sie leben in Wichlinghausen in einer echten Spielstraße, eine der ersten und von der Europäischen Union geförderten verkehrsberuhigten Straßen. Dass die Nornen- und Jungstraße zu einer kleinen Oase im Häusermeer des Quartiers werden konnte, verdankt sie einer Initiative u. a. aus der Nornenstraße 10, die dafür auch ihren Vorgarten der öffentlichen Nutzung überließ. Bis heute setzen sich Anwohner und Anwohnerinnen für die Gestaltung und Pflege der darin befindlichen Beete ein und tragen so dazu bei, die Lebensqualität im Quartier zu erhalten und zu verbessern. Herbert und Felicitas hatten außerdem schon seit einigen Jahren in lockerer Folge Lesungen in ihrer Straße, Filmabende und Theateraufführungen sowie Diskussionen in kleinem Kreis in ihrer großen Küche veranstaltet. 2019 gaben sie unter dem Namen No10 kultursalon ihren bisherigen Aktivitäten in Küche, Haus und Straße einen Namen und ein Format und erweiterten ihr Engagement spürbar: Mit unserer Initiative möchten wir auf privatem Terrain ein Forum für eingeladene und eigene kulturelle Angebote bieten. Wir wollen in Zeiten, in denen vielfach Werte und Errungenschaften eines aufgeklärten und freien Diskurses bedroht erscheinen, lustvolle Beschäftigung mit Gedanken, mit ästhetischen Fragen und gesellschaftlichen Problemen kultivieren. Damit möchten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten ein Gegengewicht zu Tendenzen von Hetze, Verrohung und Vereinzelung in unserer Gesellschaft schaffen,“ erzählen Felicitas Miller und Herbert Gerstberger: „Wir wollen erst gar nicht versuchen, den Begriff Kultur zu definieren. Es könnte vielmehr ein Thema für einen Salonabend sein. Unser Ansatz ist offen, frei nach Christian Morgenstern: ,… weil sein darf, was sein kann …‘ Bevor die CoronaPandemie eine Zwangspause verordnete, fanden Vorträge zu unterschiedlichen Themen mit anschließender Diskussion statt: eine Reihe „Widerstand im NSRegime“, die regelmäßige Runde „Zeit zu denken“ mit dem Wuppertaler Philosophen Andreas Steffens, aktuelle Buchvorstellungen – darunter „Arbeiten am Widerspruch. Friedrich Engels zum 200. Geburtstag“ oder Hans Werner Ottos „Rotter Blüte“ – und mehrere Theateraufführungen der Eigenproduktion von Kafkas „Bericht für eine Akademie“. Die Reihe „Zeitzeugen berichten zum 75. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai“ konnte aufgrund der Pandemiebestimmungen nur virtuell stattfinden. Außerdem gab es regelmäßig das Physikseminar „Quanten und andere Rätsel“. Ich hätte nie gedacht, dass mich solche Geheimnisse der Wissenschaft interessieren könnten, verstand auch höchstens die Hälfte von Herberts Vorträgen. Meist finden die Veranstaltungen in der Küche des gastfreundlichen Ehepaares statt, da passen gut und gern dreißig Personen rein. Dr. h.c. Hermann Schulz, geb. 1938, war von 1969 bis 2001 Leiter des Peter Hammer Verlages als Nachfolger von Johannes Rau. Seit 1998 ver öffentlichte er mehr als zwanzig Romane, Geschichten und Kinderbücher (Carlsen-Verlag, Aladin-Verlag, Chr. Links Verlag, dtv/hanser u. a.). Als nächster Titel wird der Roman „Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte“ voraussichtlich 2021 erscheinen. Felicitas und Herbert vor ihrer kleinen Oase Foto: privat Welchen besonderen Ort kennst Du im Quartier? Schreib uns: info@die-wueste-lebt.org Seite 7