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DER SAND Ausgabe 2

Zeitung für Oberbarmen/Wichlinghausen und den Rest der Stadt

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<strong>DER</strong> <strong>SAND</strong> IM FOKUS – WANDEL IN ZEITEN VON CORONA<br />

<strong>Ausgabe</strong> 2<br />

Liste der Sehnsucht<br />

Ich möchte etwas über meine Sehnsucht sagen. Sie treibt mein politisches Bewusstsein an und wird<br />

in dieser besonderen Zeit stärker als zuvor. Was ich ersehne, wird an der einen oder anderen Stelle<br />

zu einem Wunsch oder zu einem Plan oder auch – wenn ich selbst nicht direkt tätig werden kann – zu<br />

einer Forderung an andere. Ich mache mir innerlich eine Liste und verschiebe die Punkte täglich, so<br />

dass sie eine Momentaufnahme von heute sind:<br />

Eine politische Momentaufnahme<br />

von Iris Colsman, Geschäftsführerin<br />

der Färberei<br />

Holt die Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland und bringt sie<br />

an sichere Orte!<br />

Das ist kein Wunsch, sondern eine Forderung.<br />

Macht euch klar, was die Corona-Maßnahmen in den ärmeren<br />

Ländern für Auswirkungen haben, und bezieht dieses Wissen in<br />

eure Entscheidungen mit ein!<br />

Dazu lest Arundhati Roy: „Wir können uns entscheiden hindurchzugehen (durch die Krise;<br />

Anm. d. Zitierenden) und dabei die Kadaver unserer Vorurteile und unseres Hasses hinter uns<br />

herzuschleppen, unsere Habgier, unsere Datenbanken und toten Ideen, unsere toten Flüsse<br />

und verqualmten Himmel. Oder wir können leichten Schrittes hindurchgehen, mit wenig<br />

Gepäck, bereit dazu, uns eine andere Welt vorzustellen. Und bereit für die zu kämpfen.“ (am<br />

4. April 2020 auch in der Financial Times erschienen).<br />

Das ist eine Auf-Forderung.<br />

Bitte handelt europäisch!<br />

Wir brauchen Gemeinschaft, keine Trennung nach Nationen! Davon profitieren immer nur<br />

wenige.<br />

Ist das ein frommer Wunsch? Ich finde, er ist bedeutungsvoll.<br />

Eine europäische Lösung für ein Bedingungsloses Grundeinkommen<br />

wäre fantastisch und hätte schon jetzt (auch als nationale Lösung)<br />

viel geholfen.<br />

Das müsste nicht heißen, dass das Grundeinkommen in allen Ländern gleich ausfällt.<br />

Nein – aber es ist eine Lösung vor allem für die Wiedererstarkung einer Wirtschaft, die<br />

das Gemeinwohl im Auge hat. Ein Grundeinkommen ließe allen Menschen die Möglichkeit,<br />

ihre Interessen und Berufungen so zu leben, dass sie (auch) Geld damit verdienen können<br />

(von mir aus auch viel).<br />

Dies ist eine Forderung von mir, die über die momentane Petition im Bundestag hinaus geht;<br />

ein Grundeinkommen für ein halbes Jahr wäre nicht bedingungslos.<br />

Das medizinische System muss wieder in die öffentliche Hand zurück:<br />

Krankenhäuser müssen entprivatisiert und die privaten Krankenkassen<br />

abgeschafft werden!<br />

Pflegekräfte und auch andere systemrelevante Berufe sollten nicht (nur) jetzt eine Bonuszahlung<br />

bekommen und danach wieder ihre alten Gehälter, sondern sie müssen jetzt eine<br />

relevante Lohnerhöhung bekommen, dauerhaft.<br />

Das ist kein Wunsch, keine Forderung, sondern ich finde – nach allem, was im Netz und in der<br />

Presse zu lesen war –, das ist eine Selbstverständlichkeit.<br />

Umwelt und Klima: Wir müssen mit der gleichen Stringenz und<br />

Durchsetzungskraft wie jetzt bei der Bewältigung der Corona Krise<br />

handeln!<br />

Habt ihr euch auch gewundert, wie ungeheuerlich schnell einzelne Auswirkungen des shut<br />

downs in der Umwelt zu bemerken waren? In den letzten Jahren habe ich oft gedacht: Es wird<br />

Jahre dauern, bis die Gewässer wieder sauberer sind, der Himmel blau wie in meiner Kindheit.<br />

Jetzt sieht man Auswirkungen nach kurzer Zeit. Es geht um unsere Gesundheit und die<br />

Gesundheit der Menschen mit Vorerkrankungen, die häufig durch Umweltbelastungen noch<br />

stärker betroffen sind.<br />

Wieso um Himmels Willen können wir der Bedrohung des Klimawandels nicht mit genau so<br />

viel Einsicht und daraus folgenden Handlungen – und genau so schnell – begegnen? Ich finde,<br />

wir müssen!<br />

Fliegen einschränken – ebenfalls ein Umweltthema.<br />

„Schau mal, ein Flugzeug!“ ist ein Satz aus meiner Kindheit. Jetzt nimmt man einzelne Flugzeuge<br />

wieder wahr, sieht die Sterne am Himmel und in Indien den Himalaya am Horizont.<br />

Gefordert werden muss: Kerosin besteuern, Billigairlines bzw. Billigflüge verbieten, den ÖPNV<br />

verbessern und Züge für den „Businessverkehr“ so attraktiv gestalten, dass Inlandsflüge stark<br />

beschränkt werden können.<br />

Kunst und Kultur müssen adäquat geschätzt und bezahlt werden!<br />

Wir brauchen sie wie unser täglich Brot. Künstler:innen sind auch jetzt ungeheuer kreativ, um<br />

uns mit ihren Werken „zu versorgen“. Aber wollen wir alles nur gestreamt haben, jedes Format<br />

im gleichen rechteckigen Format gefangen? Nein! Wir brauchen Kunst von Schlager bis<br />

Wagner auf der Bühne und auf der Straße, von und mit Menschen und in Freiheit.<br />

Dafür müssen wir zahlen, dauerhaft – mein Herzensanliegen.<br />

Zuletzt die Arbeitszeit: eine 30-Stunden-Woche. Für alle!<br />

Viele lernen gerade, dass man einen guten Teil seiner Arbeit auch zu Hause erledigen kann.<br />

Wenn dies nach der Krise Bestand hätte, würde ein großer Teil des Pendlerverkehrs obsolet<br />

werden. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass viele nun weniger Zeit für dieselben Arbeiten<br />

benötigen. Woran das liegt, bleibt zu untersuchen.<br />

Es gibt Berufe, in denen dadurch mehr Menschen arbeiten müssten, z. B. in der Pflege. (Und<br />

wenn gut genug bezahlt würde, ließen sich auch mehr qualifizierte Kräfte finden.)<br />

Ein Plädoyer mit Nachdruck!<br />

Dieser Text ist im ersten Lockdown am 11.4.2020 entstanden.<br />

Nachtrag, Januar 2021:<br />

Nun liegt mir für die zweite <strong>Ausgabe</strong> des <strong>SAND</strong> die „Liste der Sehnsucht“<br />

wieder vor, die ich im ersten Lockdown geschrieben habe.<br />

Ich staune, dass sich meine Position im Laufe der Krise kaum verändert<br />

hat. Also gibt es nicht viel hinzuzufügen außer, dass Umfairteilen<br />

zur Bewältigung der wirtschaftlichen Frage essentiell ist.<br />

So sollten wir im September wählen!<br />

Zum Begriff Systemrelevanz: Er wurde in den letzten Monaten<br />

inflationär behandelt und häufig nur, um finanzielle Ansprüche<br />

zu untermauern. Unsere Gesellschaft ist ein System aus lebenden,<br />

beseelten Wesen, und eigentlich sollten wir sie einen Organismus<br />

nennen. In einem Organismus ist alles mit allem verknüpft. Da<br />

trifft das Bild des Netzes: Wenn an einer Seite gezogen wird, wirkt<br />

sich das auf alles aus.<br />

Wir gehören zusammen – alle!<br />

Foto: Oskar Siebers<br />

Seite 8

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