27.04.2021 Aufrufe

Leseprobe August und Elisabeth Macke

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

VORWORT<br />

Die Rolle von <strong>Elisabeth</strong> Erdmann-<strong>Macke</strong> im Leben, Schaffen <strong>und</strong> Nachleben ihres ersten<br />

Mannes war bedeutend vielseitiger <strong>und</strong> umfassender als bisher allgemein dargestellt.<br />

Die intensive künstlerische Auseinandersetzung <strong>August</strong> <strong>Macke</strong>s mit seiner Lebenspartnerin,<br />

die ihm Gefährtin, Muse <strong>und</strong> Lieblingsmodell in einem war, zeigte das <strong>August</strong><br />

<strong>Macke</strong> Haus 2009 in einer ihr gewidmeten Schau mit dem Titel Mein Zweites Ich. Zu<br />

zeigen, dass <strong>Elisabeth</strong> für <strong>Macke</strong> viel mehr war als sein bevorzugtes Modell <strong>und</strong> Seelenverwandte,<br />

Hausfrau <strong>und</strong> Mutter, ist die Intention der Ausstellung im LWL-Museum für<br />

Kunst <strong>und</strong> Kultur in Münster.<br />

Spätestens seit der großen <strong>Macke</strong> Ausstellung 1957 hat sich das Museum in Münster<br />

auf der Basis der 80 Skizzenbücher <strong>und</strong> dem später hinzugekommenen Nachlass<br />

des Künstlers mit den Korrespondenzen, Quellentexten <strong>und</strong> Fotos als wichtigste<br />

Forschungs stätte zu <strong>August</strong> <strong>Macke</strong> etabliert. Heute sind in der Sammlung annähernd<br />

400 Objekte – Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Stickereientwürfe, Textilien <strong>und</strong><br />

Skulpturen, die nun die Gr<strong>und</strong>lage der Ausstellung bilden.<br />

Die Ausstellung setzt sich intensiv mit der Bedeutung <strong>Elisabeth</strong>s für das Schaffen<br />

<strong>August</strong> <strong>Macke</strong>s, mit ihrem persönlichen Netzwerk <strong>und</strong> ihrer Tätigkeit als Managerin des<br />

künstlerischen <strong>und</strong> schriftlichen Nachlasses ihres Mannes sowie auch mit der Bedeutung<br />

ihres eigenen künstlerischen <strong>und</strong> literarischen Werkes auseinander. Die vielen noch<br />

existierenden Dokumente, die zum großen Teil im LWL-Museum für Kunst <strong>und</strong> Kultur verwahrt<br />

werden, zeigen nicht nur wie intensiv sie sich mit der Verbreitung seines Werkes<br />

beschäftigte, sondern auch wie sie bei ihrem Mann mitarbeitete <strong>und</strong> mitwirkte.<br />

Zusammen mit ihrer Mutter Sophie Gerhardt, weiteren Familienmitgliedern <strong>und</strong> auch<br />

Maria Marc fertigte <strong>Elisabeth</strong> <strong>Macke</strong> Stickereien nach den Entwürfen ihres Mannes an,<br />

war vielseitig interessiert, musikalisch begabt <strong>und</strong> sprachlich versiert. Durch ihre Vorlieben<br />

inspirierte sie das Schaffen des Künstlers. Darüber hinaus stand sie in Kontakt<br />

zu seinen Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Weggefährten. Ihr Haus in Bonn war Treffpunkt der rheinischen<br />

Kunstszene. Eingeb<strong>und</strong>en in ein komplexes <strong>und</strong> vielschichtiges Beziehungsgefüge aus<br />

Künstlerpersönlichkeiten <strong>und</strong> Gruppenbildungen, Sezessionen <strong>und</strong> Privatclubs, Galerien<br />

<strong>und</strong> Kunsthändlern, Sammlern <strong>und</strong> Museumsleuten beteiligte sich <strong>August</strong> <strong>Macke</strong><br />

intensiv an künstlerischen Diskursen <strong>und</strong> kulturpolitischen Debatten <strong>und</strong> tauschte sich<br />

darüber mit <strong>Elisabeth</strong> aus, in der er eine Seelenverwandte <strong>und</strong> ebenbürtige Partnerin<br />

gef<strong>und</strong>en hatte. Das Gästebuch der Familie spiegelt dieses Engagement wieder.<br />

Schon kurz nach dem Tod ihres Mannes als Soldat im Ersten Weltkrieg begann <strong>Elisabeth</strong><br />

1915, ihre Erinnerungen an <strong>August</strong> <strong>Macke</strong> festzuhalten, seine künstlerischen Gedanken<br />

aufs Papier zu bringen <strong>und</strong> seine Werke in einem ersten Verzeichnis zu erfassen.<br />

Ihr strategisches Wirken war Gr<strong>und</strong>lage für das Fortleben seiner Kunst. Sie unterhielt<br />

Kontakte zu Kunsthändlern <strong>und</strong> kümmerte sich darum, dass seine Werke regelmäßig in<br />

Ausstellungen zu sehen waren, sandte größere Konvolute als Kommissionsware an die<br />

wichtigsten Galeristen der Moderne, unter ihnen die Galerien <strong>und</strong> Kunsthandlungen Alex<br />

Vömel in Düsseldorf, Günther Franke in München, Galerie Ferdinand Möller <strong>und</strong> Galerie<br />

Nierendorf in Berlin <strong>und</strong> Rudolf Probst vom Kunsthaus Mannheim. Darüber hinaus besaß<br />

sie Verbindungen zur französischen Kunstszene, zu den Kunsthändlern Bernheim-Jeune<br />

sowie dem Kunstkritiker <strong>und</strong> Journalisten Felix Fénéon.<br />

In den 1920er- <strong>und</strong> 1930er-Jahren bot sie regelmäßig Museen <strong>und</strong> Privatsammlern<br />

Werke als Leihgaben oder zum Kauf an. Neben dem Folkwang Museum in Essen, dem<br />

Kunstmuseum Düsseldorf, dem Barmer Kunstverein <strong>und</strong> dem Städtischen Museum<br />

Breslau unterhielt <strong>Elisabeth</strong> regelmäßige Kontakte zur Nationalgalerie in Berlin, die<br />

von ihr 1921 das Gemälde Spaziergänger (Großer heller Spaziergang) erwarb.<br />

Dieses Gemälde, 1937 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, befindet sich heute<br />

im LWL-Museum für Kunst <strong>und</strong> Kultur in Münster. Weitsichtig lagerte <strong>Elisabeth</strong> schon<br />

kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs den Großteil des Nachlasses, bestehend aus<br />

Gemälden, Aquarellen, Pastellen, Zeichnungen <strong>und</strong> Skizzenbüchern, an verschiedenen<br />

Orten in <strong>und</strong> um Berlin sowie Westdeutschland aus <strong>und</strong> bewahrte diese so vor einer<br />

Zerstörung im Krieg.<br />

Weniger erfolgreich jedoch war <strong>Elisabeth</strong>s Versuch, <strong>August</strong> <strong>Macke</strong> frühzeitig eine Gedächtnisausstellung<br />

zu widmen. Auf Anraten von Franz Marc zögerte sie, diese im Krieg<br />

auszurichten. Letztendlich fand diese Ausstellung dann 1920 in Frankfurt am Main <strong>und</strong><br />

Wiesbaden statt, wurde zu ihrem Bedauern aber nur mäßig beachtet. Anders sah es<br />

1957 aus. Die vom Westfälischen Landesmuseum, dem Westfälischen Kunstverein <strong>und</strong><br />

der Westfälischen Wilhelms-Universität zum 70. Geburtstag des Künstlers in Münster<br />

geplante Ausstellung war ein außergewöhnlich großer Erfolg. Der Katalog musste dreimal<br />

nachgedruckt werden.<br />

Seit 1979 befindet sich der künstlerische Nachlass von <strong>August</strong> <strong>Macke</strong> im LWL-Museum<br />

für Kunst <strong>und</strong> Kultur. Die Auswertung der darin befindlichen Unterlagen eröffnet heute<br />

neue Einsichten in <strong>Elisabeth</strong> <strong>Macke</strong>s Handeln: Sie führte sorgsam Buch über alle Werke,<br />

die verkauft oder verschenkt wurden. Als Verwalterin des künstlerischen <strong>und</strong> schriftlichen<br />

Nachlasses leistete <strong>Elisabeth</strong> Beachtliches. Ohne die Abschriften, die sie in den<br />

1930er-Jahren von den Briefen <strong>August</strong> <strong>Macke</strong>s anfertigen ließ, wären diese unwiederbringlich<br />

verloren, da die Originale 1943 im Krieg verbrannt sind.<br />

In fünf Kapiteln widmet sich die Ausstellung dieser außergewöhnlichen Frau, die viel<br />

mehr war als Muse, Modell <strong>und</strong> Managerin. Als Gr<strong>und</strong>lage für die in der Ausstellung<br />

<strong>und</strong> den Katalogbeiträgen vermittelten Inhalte diente die Auswertung der Briefe, des<br />

8 VORWORT<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!