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Leseprobe August und Elisabeth Macke

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Abb. 62<br />

<strong>August</strong> <strong>Macke</strong>, Modes. Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen, 1914,<br />

Öl auf Leinwand, 60,5 x 50,5 cm, Essen, Museum Folkwang<br />

MODE UND MODERNITÄT<br />

IM WERK VON AUGUST MACKE<br />

Tanja Pirsig-Marshall<br />

Der Kunstkritiker Adolf Behne (1885–1948) sah in seinem<br />

Nachruf auf <strong>August</strong> <strong>Macke</strong> 1915 die Motivreihe der Schaufenster<br />

als größte künstlerische Leistung des Künstlers, eine<br />

Manifestation seines individuellen, ausdrucksstarken Stils,<br />

der sich stark von seinen Zeitgenoss:innen unterschied: »Die<br />

Frauen vor den Schaufenstern, die Hutauslagen <strong>und</strong> die<br />

Müßiggänger in Straßen <strong>und</strong> in Gärten waren in Formen liebenswürdigen<br />

Witzes umgesetzt, so wie sie keinem anderen<br />

Maler bei uns möglich schienen, wie sie auch keineswegs von<br />

Delaunay zu leihen waren [...]. Unter den Gestalten der ersten<br />

Expressionisten wird <strong>August</strong> <strong>Macke</strong> als eine der besten <strong>und</strong><br />

als die liebenswürdigste ewig fortleben.« 1<br />

Themen für seine Werke fand <strong>Macke</strong> oft in seiner<br />

unmittelbaren Umgebung, wie viele seiner Zeitgenossen<br />

orientierte er sich am modernen Leben: »Die neuen Elemente,<br />

Auto, Schnellbahn, Flugzeug, Film <strong>und</strong> Maschinen müssen ja<br />

einen neuen Künstler erzeugen, ihm Eindrücke vermitteln, die<br />

unsern Böcklins <strong>und</strong> Lenbachs fehlten.« 2 In der französischen<br />

Moderne fand er Anhaltspunkte für neue Ausdrucksmöglichkeiten,<br />

die dem Zeitgeist <strong>und</strong> seinem eigenen Bedürfnis auf<br />

der Suche nach innovativen Inhalten <strong>und</strong> Formulierungen<br />

in einer sich ständig verändernden Welt gerecht wurden.<br />

<strong>Macke</strong> wurde durch die Begegnung mit den Werken Robert<br />

Delaunays (1885–1941) <strong>und</strong> der italienischen Futuristen auf<br />

das Phänomen der Bewegung in der Kunst aufmerksam. Er<br />

äußerte sich nicht nur über die »raumbildenden Energien der<br />

Farbe« 3 , sondern führte auch aus, dass Kontraste dazu dienten,<br />

»das Leben im Bilde aktiver zu gestalten, die Spannung<br />

zu erhöhen <strong>und</strong> Bewegung zu geben.« 4 Es ging ihm um die<br />

innere Dynamik seiner Bilder, die sich aus Komposition, Farbgebung<br />

<strong>und</strong> Kontrastsetzung zusammensetzte.<br />

Insbesondere die Fensterbilder, Abb. 63 die Serie<br />

der Fenêtres, mit denen Delaunay im April 1912 begonnen<br />

hatte, lösten bei <strong>Macke</strong> eine begeisterte Reaktion aus:<br />

»Reflektierende Spiegelscheiben, durch die man an einem<br />

sonnigen Tag die Stadt <strong>und</strong> den Eiffelturm sieht, die tiefvioletten<br />

Reflexe, links das herrliche Orange, unten die blassblauen<br />

Häuser, aus denen sich immer wieder, überfangen von dem<br />

scharf abgegrenzten Glänzen der Scheibe, der grüne Turm<br />

steil bis in den azurblauen Himmel erhebt […]. Das ist alles<br />

so herrlich ausgewogen, dass die ganze sonnige Natur sich<br />

drin spiegelt.« 5 Für <strong>Macke</strong> bedeuteten die Fensterbilder eine<br />

Offenbarung der reinen Farbe, den Vorstoß zu einer neuen<br />

Auffassung der Malerei. Farbflächen füllen die gesamte<br />

Leinwand mit einer geometrisierenden Formenvielfalt. Diese<br />

Formen durchdringen oder überlagern sich <strong>und</strong> erinnern an<br />

das Brechen des Lichts durch ein Prisma oder an den Einfall<br />

des Lichts durch ein farbiges Glasfenster.<br />

Abb. 63<br />

Robert Delaunay, La Fenêtre, 1912, Öl auf<br />

Leinwand, 45,8 x 37,5 cm, Grenoble, Musée<br />

des Beaux-Arts<br />

Diese Beobachtungen nahm <strong>Macke</strong> in seinen Darstellungen<br />

von Schaufenstern wieder auf <strong>und</strong> formulierte<br />

sie neu. Schon in seinen frühen Skizzenbüchern finden sich<br />

belebte Pariser Boulevards, beleuchtete Straßen bei Nacht,<br />

Berliner Straßenecken Abb. 64 <strong>und</strong> abendliche Straßen, Abb. 65<br />

in denen sich <strong>Macke</strong>s Interesse für die Großstadt <strong>und</strong> das<br />

Straßenleben äußerte. Ihm werden die Geschäftsfassaden mit<br />

den beleuchteten Schaufensterfronten <strong>und</strong> die zunehmende<br />

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