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naturgucker Nr. 54

DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge.

DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG
Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge.

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NATURGUCKER <strong>54</strong><br />

Ausgabe <strong>54</strong> Mai / Juni 2021 Deutschland 4,50 € | Österreich 4,90 € | Schweiz 5,00 CHF | Italien 5,70 €<br />

Das Magazin zur Vogel- und Naturbeobachtung<br />

Der Goldvogel<br />

Begegnung<br />

mit dem Pirol<br />

Fressen<br />

Robben Wale?<br />

Rätsel in der<br />

Nordsee


Liebe Leserinnen<br />

und liebe Leser!<br />

Nach einem Winter mit Eiseskälte,<br />

Turbofrühling und reichlich<br />

Schmuddelwetter sind wir nun<br />

mitten im Frühling angelangt. Mauersegler,<br />

Pirol, Wiesenweihe und andere<br />

Langstreckenzieher sind endlich wieder<br />

zurück. Haben Sie von diesen Arten schon<br />

welche gehört oder gesehen? Auch der<br />

Schreiadler, über den wir unter anderem<br />

in unserem Artikel über die Feldberger<br />

Seen berichten, gehört dazu. Leider leben<br />

nur noch gut 100 Paare in Deutschland,<br />

alle in Brandenburg und vor allem<br />

in Mecklenburg-Vorpommern. Einen davon<br />

zu Gesicht zu bekommen, ist bei uns<br />

Glückssache. Während sich die Bestände<br />

von See- und Fischadler weiter erholen<br />

und insbesondere der Seeadler sein Verbreitungsgebiet<br />

immer mehr ausdehnt,<br />

bleibt der Schreiadler ein Sorgenkind.<br />

Es gibt einfach nicht mehr genug ungestörte<br />

Wälder mit benachbarten, extensiv<br />

genutzten Wiesenflächen. Auch auf dem<br />

Zug ins afrikanische Winterquartier werden<br />

immer noch sehr viele Schreiadler<br />

von Wilderern abgeschossen. Hier hilft die<br />

aktive oder passive (Spenden!) Unterstützung<br />

des Komitees gegen den Vogelmord,<br />

das in jedem Frühjahr und Herbst vor Ort<br />

gegen die illegalen Jäger vorgeht. Mehr erfahren<br />

Sie online: www.komitee.de<br />

Jetzt ist die hohe Zeit der Orchideen. Ragwurze,<br />

Fingerwurze und Knabenkräuter<br />

strecken uns neben anderen ihre fantastischen<br />

Blüten entgegen. Auch hier gibt<br />

es Licht und Schatten. Während manche<br />

Orchideen, etwa Arten, die in Wäldern<br />

und auf Magerrasen wachsen, vielerorts<br />

immer häufiger gefunden werden, sieht es<br />

bei Feuchtwiesen-Orchideen nicht gerade<br />

rosig aus. Hinzu kommt der zunehmende<br />

Orchideenklau rücksichtsloser Zeitgenossen,<br />

die versuchen, mit den botanischen<br />

Raritäten schnelles Geld zu machen. Hier<br />

ist Wachsamkeit in den verbliebenen Lebensräumen<br />

angesagt. Wer dort Verdächtiges<br />

beobachtet, sollte sofort die Polizei<br />

verständigen. Eine Mitarbeit in den »Arbeitskreisen<br />

Heimische Orchideen«, die es<br />

in jedem Bundesland gibt, kann obendrein<br />

wertvolle Hilfe leisten – denn so langsam<br />

geht den Orchideenfreunden der Nachwuchs<br />

verloren. Mehr dazu: www.orchideen-deutschlands.de<br />

Aber trotz allem – die Natur (-Beobachtung)<br />

wird uns auch in diesem zweiten Jahr<br />

der Corona-Pandemie wieder viel Freude<br />

bereiten – da bin ich mir ganz sicher! In<br />

diesem Sinne wünscht Ihnen ein tolles<br />

Frühjahr,<br />

Ihr<br />

Robert Lücke<br />

M. Bendel, F. Alsaker<br />

Farne, Schachtelhalme<br />

und Bärlappe<br />

Der Naturführer zu den Farnpflanzen Mitteleuropas<br />

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Alle 103 in Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz wachsenden Farnpflanzen<br />

im Porträt, dazu Bestimmungstipps und<br />

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A. Taucher, M. Geiger<br />

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Nachbar und Wildtier<br />

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Das große Porträt des beliebten<br />

einheimischen Wildtiers – so leben<br />

Igel, so verhalten sie sich. Mit einem<br />

Ratgeber zum Igelschutz in der Praxis.<br />

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INHALT<br />

INHALT<br />

28 09<br />

06 NATUR-SPAZIERGANG<br />

06 Zauberhafte Orchideen im Blütenmeer<br />

08 NATUR-SAISON<br />

08 Wer den Mai im Namen trägt<br />

16<br />

12 NATURSCHUTZ<br />

12 Feldberger Seenlandschaft – Auge in Auge<br />

mit dem Adler<br />

15 Neue Hoffnung für das Rebhuhn<br />

20 Steppengrashüpfer – Letzte Rettung<br />

für den kleinen Hüpfer<br />

24 NATUR-WISSEN<br />

24 Skurril geformte Früchtchen –<br />

Sind das Schnecken?<br />

25 Großer Wiesenknopf – Blume des Jahres 2021<br />

28 Kegelrobben fressen Schweinswale<br />

04<br />

26<br />

15<br />

29 NATURGUCKER-RÄTSEL<br />

30 NATURFOTO<br />

30 Warten auf die Natter<br />

32 LESERSEITEN<br />

32 Pirol entdeckt – Ein goldener Gast<br />

34 Ihre Briefe & Mails<br />

35 NATURGUCKER.DE<br />

35 Projekt NABU | NATURGUCKER-Akademie<br />

ist gestartet<br />

42<br />

08<br />

36 REZENSIONEN<br />

36 Lesestoff für Naturfreunde<br />

37 App BirdNET – Wer piept denn da?<br />

38 NATUR-REISE<br />

38 Värmland in Schweden – Wald, Wasser<br />

und wilde Tiere<br />

44 Wenn Wüsten blühen<br />

48 NATUR-KIND<br />

48 Magazin für die Stars der Lüfte<br />

50 KLEINANZEIGEN / VORSCHAU<br />

Titelbild: Pirol / Kerstin Hinze, naturepl.com


41<br />

47<br />

31<br />

IMPRESSUM<br />

VERLAG<br />

Bachstelzen Verlag GbR<br />

Frankenplatz 23<br />

42107 Wuppertal<br />

www.<strong>naturgucker</strong>magazin.de<br />

HERAUSGEBER<br />

Robert Lücke ( V.i.S.d.P.)<br />

robert.luecke@<strong>naturgucker</strong>magazin.de<br />

REDAKTION<br />

Julia Klinkusch, Nicole Lücke,<br />

Robert Lücke, Dieter Schneider, Sebastian Teichmann<br />

redaktion@<strong>naturgucker</strong>magazin.de<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Anke Benstem, Jürgen Borris, Stefan Bosch, Thomas Brandt,<br />

Lisa Dumpe, Eckhard Gottschalk, Dieter Haas, Kathrin<br />

Hack, Erich Hacker, Helmut Klein, Christine Lambertz,<br />

Peter Lambertz, Stefan Leimer, Rita Lüder, Thomas Meder,<br />

Marion Metzer, Ann-Kristin Plinke, Peter Reus, Peter<br />

Schaffner, Ute Schimmelpfennig, Christopher Schmidt,<br />

Gaby Schulemann-Maier, Hans Schwarting, WJ Strietmann,<br />

Chris van Rijswijk, Markus Varesvuo, Bernhard Volmer,<br />

Moritz Wartlick, Thea Wittmann<br />

GRAFIKDESIGN<br />

Christiane Püschel | pueschels.com<br />

ABOSERVICE<br />

T + 49 (0) 202 30 63 66<br />

abo@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

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anzeigen@bachstelzen-verlag.de<br />

PARTNER<br />

www.<strong>naturgucker</strong>.de<br />

www.birdnet.de<br />

www.birdingtours.de<br />

www.dumanaturreisen.de<br />

Es gelten die Anzeigenkonditionen 2021. Alle Rechte<br />

vorbehalten. Das Magazin und alle enthaltenen Beiträge sind<br />

urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich<br />

zugelassenen Fälle ist eine Verwertung, auch auszugsweise,<br />

ohne Einwilligung des Hausgebers nicht gestattet. Für unverlangt<br />

eingesandtes Text und Bildmaterial wird keine Haftung<br />

übernommen.<br />

FACHBEIRAT<br />

FeldOrnithologie | Prof. Dr. Martin Kraft<br />

Vogelzug | Prof. Dr. Peter Berthold<br />

Physiologie der Vögel | Prof. Dr. Roland Prinzinger<br />

FeldEntomologie | Horst Schlüter<br />

Libellen | Hartwig Stobbe<br />

Allgemeine Botanik, Falter | Dieter Schneider<br />

Orchideen | Dr. Manfred Hennecke<br />

Naturschutzverbände | Maik Sommerhage<br />

Botanik, Pflanzenkunde, Pilze | Dr. Rita Lüder<br />

Fotografie | Bruno Dittrich<br />

ISSN 21955646<br />

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NATUR-SPAZIERGANG<br />

Helm-<br />

Knabenkraut <br />

Bienen-<br />

Ragwurz <br />

06<br />

Bocks-<br />

Riemenzunge <br />

Mücken-<br />

Händelwurz <br />

Zauberhafte<br />

ORCHIDEEN IM<br />

BLÜTENMEER<br />

Unser Maler Christopher Schmidt<br />

entdeckte im Magerrasen botanische Kostbarkeiten.<br />

Schwertlilie


NATUR-SPAZIERGANG<br />

Es fühlt sich etwas an wie in einem<br />

botanischen Garten: Unwirklich<br />

viele Blütenfarben und Blütenformen<br />

zeigen sich mehr oder weniger deutlich<br />

zwischen den verschiedenen Gräsern<br />

an diesem steil ansteigenden Hang. Von<br />

hier aus schweift mein Blick entlang des<br />

gewundenen Weges noch weiter nach<br />

oben zu der spärlich bewachsenen Hangkuppe,<br />

unterhalb derer helle Kalkterrassen<br />

den Blick in Richtung des Leutra-Tales<br />

prägen.<br />

BLAU, VIOLETT UND PINK<br />

Die Vielfalt der Blüten ist dermaßen beeindruckend,<br />

dass es sich lohnt, einfach<br />

nur an einer Stelle niederzuknien und von<br />

dieser Perspektive aus auf Entdeckungstour<br />

zu gehen. Dicht am Weg, dort, wo<br />

der Grasbewuchs nur spärlich ist, bilden<br />

sich kleine Polster von Thymian. Dahinter<br />

zeichnen sich die Blüten der Kleinen<br />

Braunelle ab. Akelei, Natternkopf, Wiesen-Salbei<br />

und Wiesen-Storchschnabel<br />

setzen bläuliche bis violette Akzente,<br />

und das intensive Pink der Karthäusernelke<br />

und des Blutroten Storchschnabels<br />

leuchten zwischen Kleinem<br />

Ampfer und der Dornigen Hauhechel.<br />

Das Weiß der zarten Ästigen Graslilie<br />

und verschiedener Labkräuter bringt<br />

etwas Ruhe in das Farbenmeer. Mein Blick<br />

wird gefangen von den großen, auffälligen<br />

Blüten einer ansonsten eher kleingewachsenen<br />

Schwertlilie, deren Färbung<br />

Assoziationen zu tropischen Gefilden nahelegt.<br />

Es ist eine Holunder-Schwertlilie,<br />

eine Pflanzenart, die als Zierpflanze nach<br />

Mitteleuropa gelangte und sich an wenigen<br />

Stellen halten konnten. Im Gegenlicht<br />

und in den verschiedenen Stadien des Blütenzustandes<br />

wirkt diese Pflanze als Malmotiv<br />

besonders interessiert.<br />

Und dann entdecke ich sie mit einem<br />

Mal: Die farblich so schönen und besonderen<br />

Blüten der Bienen-Ragwurz. Mit ihren<br />

auffällig rosafarbenen Blütenblättern und<br />

der warm bräunlichen Lippe, die einzelne<br />

helle Abzeichen aufweist, mit ihrem schmalen<br />

und eleganten Wuchs und den übereinanderliegenden<br />

Einzelblüten gehört sie für<br />

mich zu den schönsten Orchideen Deutschlands.<br />

Hat man eine von ihnen entdeckt, fallen<br />

auch andere Exemplare ins Auge. Jede ist<br />

ein klein wenig anders. Mal ist das Rosa der<br />

Blütenblätter weniger intensiv, dann wieder<br />

sind die Abzeichen auf der braunen Lippe<br />

unterschiedlich, aber fast immer erinnert<br />

der Aufblick auf eine solche Blüte entfernt<br />

an ihre Hauptbestäuber, die Bienen – daher<br />

der Name der Pflanze. Allerdings kommt<br />

es gerade bei der Bienen-Ragwurz mehrheitlich<br />

zur Selbstbestäubung. Ihre Blüten<br />

sind nicht sehr groß oder aufdringlich,<br />

aber in ihrer Feinheit und in ihrem Aufbau<br />

optisch einfach eine Besonderheit. In<br />

ihrer Nachbarschaft, im Halbschatten eines<br />

Wacholderbusches, verlieren die ehemals<br />

prächtigen Blüten einer weiteren Orchidee,<br />

des Helm-Knabenkrauts, langsam ihre<br />

auffälligen Farben und bleichen über eine<br />

hellrosa Färbung zu einem blassen und<br />

transparenten Ockerton aus. Ähnlich verhält<br />

es sich mit der Mücken-Händelwurz,<br />

deren zylinderförmige Blütenstände fast<br />

überall an den Hängen durchscheinen.<br />

FUTURISTISCHE ORCHIDEE<br />

Dominiert wird dieser kleine Bereich<br />

des Hangs aber von einer skurrilen und<br />

unwirklich anmutenden Orchidee – der<br />

Bocks-Riemenzunge. Mit ihrer vornehmlich<br />

weißen Blütenfarbe sticht sie farblich<br />

nicht unbedingt hervor. Was sie so auffällig<br />

macht, sind die unwirklich langen und<br />

gedrehten mittleren Lappen der dreizipfeligen<br />

Lippen einer jeden Einzelblüte, die<br />

diese Pflanze so einzigartig, fast futuristisch<br />

machen. Sie ist auf ihre Art der besondere<br />

Blickfang auf dieser Wiese, nicht<br />

zu übersehen, aber sobald man ihre Individualität<br />

und Dominanz bewundert hat, ist<br />

wieder Zeit für all das, was in seiner Auffälligkeit<br />

nicht weniger attraktiv ist: Kleine<br />

Ehrenpreisarten, Kreuzblümchen und die<br />

Samenstände des Perlgrases.<br />

Alle Rechte an Text und Bildern<br />

bei Christopher Schmidt.<br />

07


NATUR-SAISON<br />

08<br />

WER DEN MAI<br />

IM NAMEN TRÄGT<br />

Viele Pflanzen, Insekten und Pilze sind nach dem Wonnemonat<br />

benannt, weiß Dieter Schneider. Mit Fotos von <strong>naturgucker</strong>.de


NATUR-SAISON<br />

Wer schon einmal am 1. Mai in<br />

Frankreich war, dem wird nicht<br />

entgangen sein, dass dort an diesem<br />

Tag eine Blume schier allgegenwärtig<br />

ist. Überall werden in kleinen Sträußen<br />

Maiglöckchen verkauft und als Glücksbringer<br />

an geliebte Menschen verschenkt.<br />

Die allermeisten davon stammen aus riesigen<br />

kommerziellen Zuchten, doch werden<br />

die Blumen mit dem betörenden Duft dort<br />

aus alter Tradition auch wild gesammelt<br />

und verkauft. Ein Sträußchen für den Eigenbedarf<br />

zu pflücken, ist zwar auch in<br />

Deutschland erlaubt, doch sollte man da<br />

Maß walten lassen, um die Bestände nicht<br />

zu schädigen. Maiglöckchen (Convallaria<br />

majalis) wachsen vor allem in lichten Laubwäldern,<br />

deren Böden nicht allzu sauer<br />

sind, in den höheren Lagen der Gebirge,<br />

aber regelmäßig auch auf unbewaldeten<br />

Flächen. An seinen Wuchsorten bildet<br />

das Maiglöckchen wegen seiner Fähigkeit<br />

zur vegetativen Vermehrung oft größere<br />

Vorkommen. Bereits im April durchbrechen<br />

die zusammengerollten Blätter den<br />

Boden und beginnen, sich zu entfalten. Sie<br />

entspringen hinter den Triebspitzen eines<br />

mehrjährigen, reich verzweigten unterirdischen<br />

Sprosses (Rhizom).<br />

BLÜTE AB ENDE APRIL<br />

Jeder der oberirdischen Triebe besteht aus<br />

zwei Blättern, deren Basis die Achse scheidenartig<br />

umhüllen. Der einseitswendige<br />

Blütenstand – also mit allen Blüten auf<br />

einer Seite des Stängels – mit den kleinen<br />

weißen Glöckchen erscheint schon<br />

während der Blattentfaltung, und bereits<br />

ab Ende April öffnen sich die Blüten und<br />

verströmen ihren süßen Duft. Doch längst<br />

nicht alle oberirdischen Triebe bilden Blüten<br />

und an manchen Standorten sucht<br />

man sogar vergeblich nach blühenden<br />

Trieben. Dieser Umstand kann mit dem<br />

Grad der Beschattung in Verbindung gebracht<br />

werden: Stark beschattete Bestände<br />

bilden meist deutlich weniger Blütentriebe<br />

als weniger stark beschattete. Die Bestäubung<br />

der Maiglöckchen erfolgt über<br />

Insekten, die Ausbreitung der Samen über<br />

Vögel, welche die sich über den Sommer<br />

entwickelnden roten Beeren im Herbst<br />

fressen und die unverdauten Samen an<br />

01 In Frankreich gilt das wohlriechende<br />

Maiglöckchen als Glücksbringer. / Hans<br />

Schwarting<br />

02 Ein Berglilienhähnchen auf der Blüte<br />

einer Türkenbundlilie / Marion Metzer<br />

03 Das Maiglöckchenhähnchen legt<br />

seine Eier häufig an die gleichnamige<br />

Pflanze. / Peter Reus<br />

‣ 04 Der Maivogel ist gar kein Vogel, sondern<br />

ein Tagfalter und gehört zur Familie der<br />

Edelfalter. Die Art ist bei uns nur sehr<br />

selten zu beobachten. / Erich Hacker<br />

anderer Stelle wieder ausscheiden. Für<br />

uns Menschen wie auch für viele Tiere<br />

sind alle Teile der Pflanze hochgiftig, und<br />

es kommt immer wieder zu Vergiftungen,<br />

vor allem weil die Blätter im Frühjahr mit<br />

denen des Bärlauchs verwechselt und gegessen<br />

werden.<br />

09<br />

KEINE ANGST VOR GIFT<br />

Manche Tiere jedoch pfeifen auf das Gift,<br />

wie etwa das Maiglöckchenhähnchen (Lilioceris<br />

merdigera). Dieser hübsche, bis<br />

auf Füße, Knie, Augen und Fühler komplett<br />

rote Blattkäfer legt seine Eier zwar


NATUR-SAISON<br />

nicht ausschließlich, doch regelmäßig<br />

auch an das giftige Maiglöckchen. Und<br />

sowohl der Käfer als auch seine Larven<br />

fressen an den Blättern, ohne dabei Schaden<br />

zu nehmen.<br />

VERGIFTETER KOT<br />

Wie beim nahe verwandten Lilienhähnchen<br />

(Lilioceris lilii), das schon so manchem<br />

Gärtner den Spaß an seinen Lilien<br />

verdorben hat, bedecken sich die Larven<br />

mit ihrem eigenem Kot. Da dieser zudem<br />

noch mit den Giftstoffen der Nahrungspflanze<br />

angereichert ist, werden Fressfeinde<br />

offenbar sehr effektiv abschreckt.<br />

Übrigens gibt es neben den beiden genannten<br />

häufigeren Lilioceris-Arten noch ein<br />

drittes einheimisches Lilienhähnchen, das<br />

als höchst selten gilt, aber vielfach einfach<br />

nur übersehen beziehungsweise verwechselt<br />

wurde. Es gleicht nämlich dem Mai-<br />

glöckchenhähnchen fast wie ein Ei dem<br />

anderen, doch lebt es ausschließlich im<br />

Bergland auf der Türkenbundlilie – die<br />

Rede ist vom Berg-Lilienhähnchen (Lilioceris<br />

schneideri).<br />

Da nun aber auch das Maiglöckchenhähnchen<br />

die Türkenbundlilie befällt,<br />

muss man bei Funden von Lilienhähnchen<br />

auf Türkenbund ganz genau hinsehen,<br />

um die beiden Arten unterscheiden<br />

zu können. Dabei geht es um Feinheiten<br />

der Punktreihen auf Halsschild und Flügeldecken:<br />

Beim Maiglöckchenhähnchen<br />

befindet sich in der Mitte des Halsschildes<br />

eine fein eingestochene Längsreihe, und<br />

nur sehr selten stehen hier auch mal zwei<br />

Punkte nebeneinander. Beim Berglilienhähnchen<br />

ist es dagegen die Regel, dass<br />

zwei oder gar drei Punkte nebeneinander<br />

stehen, weshalb die Punktreihe bei dieser<br />

Art unordentlicher wirkt. Außerdem<br />

stehen beim Maiglöckchenhähnchen die<br />

Punkte im Bereich der Flügeldeckenbasis<br />

innerhalb der Reihen weiter auseinander.<br />

Ihr Abstand ist drei- bis viermal so groß<br />

wie der Punktdurchmesser. Bei der seltenen<br />

Verwechslungsart beträgt der Abstand<br />

im Schnitt nur die ein- bis zweifache Breite<br />

der Punktgrübchen. Außerdem findet<br />

man am Ende der Flügeldecken beim Berglilienhähnchen<br />

eine kleine Aufwölbung im<br />

siebenten Flügeldeckenzwischenraum, die<br />

dem Maiglöckenhähnchen fehlt.<br />

Allen Lilienhähnchen gemeinsam ist,<br />

dass ihre Imagines – sowohl Männchen<br />

wie auch Weibchen – über einen Stridulationsapparat<br />

am letzten Hinterleibsegment<br />

verfügen, mit dem sie zirpende Geräusche<br />

erzeugen können. Diese dienen wahrscheinlich<br />

hauptsächlich der Verteidigung,<br />

möglicherweise werden sie aber auch zur<br />

Kommunikation eingesetzt. Bis zu 200<br />

Töne pro Minute können die Tiere dabei<br />

erzeugen. Der deutsche Name »Hähnchen«<br />

nimmt auf dieses Zirpen Bezug, und man<br />

findet ihn entsprechend auch bei verschiedenen<br />

anderen Arten der näheren Käferverwandtschaft,<br />

etwa dem Spargel-, dem<br />

Distel-, oder den verschiedenen Getreidehähnchen,<br />

die allesamt zirpen können und<br />

deshalb auch als Unterfamilie »Zirpkäfer«<br />

zusammengefasst werden.<br />

10<br />

MAIKÄFER UND CO.<br />

Doch zurück zu den Arten, die den Mai<br />

im Namen tragen. Unter den Insekten<br />

ist neben den allseits bekannten Maikäfern<br />

auch ein Tagfalter nach dem Wonnemonat<br />

benannt – der extrem seltene<br />

(Kleine) Maivogel (Euphydryas maturna).<br />

Der schöne Falter ist ein gutes Beispiel<br />

dafür, dass allein das Vorhandensein einer<br />

Raupennahrungspflanze noch lange<br />

nicht genügt, um ein Vorkommen einer<br />

Schmetterlingsart zu ermöglichen. Denn<br />

die Eiablagepflanze des Maivogels ist die<br />

Gemeine Esche und diese kommt ja in<br />

Deutschland durchaus häufig vor. Doch<br />

obwohl man eschendurchsetzte Wälder<br />

im ganzen Land regelmäßig finden kann,<br />

gibt es in Deutschland nur noch sehr wenige,<br />

weit verstreute Fundstellen des Maivogels.<br />

Das liegt daran, dass die Art ihre<br />

Eier ausschließlich an jüngere, besonnt


05 Eschen sind häufig, aber der Maivogel<br />

braucht Exemplare, die durch Verbiss eher<br />

verbuschen. / Christiane Püschel<br />

06 Der Maifisch ist auch unter dem Namen<br />

Alse bekannt. / Krüger, Bibliothèque<br />

nationale de France<br />

07 Der Maipilz eröffnet die Saison für<br />

Pilzsammler bereits früh im Jahr. /<br />

Holger Krisp<br />

stehende Eschengebüsche in sehr lichten<br />

Wäldern mit extrem warmfeuchtem<br />

Kleinklima ablegt. Solche Eschengebüsche<br />

entstehen, wenn man die Bäume<br />

– etwa zur Brennholzgewinnung – immer<br />

wieder zurückschneidet oder auch durch<br />

regelmäßigen Viehverbiss. Traditionelle<br />

Waldbewirtschaftungsformen wie Mittelwaldwirtschaft<br />

und Waldweide hatten<br />

seit dem frühen Mittelalter vielerorts in<br />

feuchten Wäldern entsprechende Bedingungen<br />

geschaffen und die Verbreitung<br />

des Maivogels gefördert. Durch die Methoden<br />

der modernen Forstwirtschaft im<br />

Zusammenspiel mit weitreichenden Entwässerungsmaßnahmen<br />

wurde die Art<br />

aber mittlerweile fast überall ihrer Existenzgrundlagen<br />

beraubt.<br />

ESCHENTRIEBE STERBEN AB<br />

Artenhilfsprogramme, die an den letzten<br />

Vorkommensorten die traditionellen Nutzungsformen<br />

wieder aufgreifen, zeitigen<br />

zum Teil gute Erfolge. Doch gibt es leider<br />

mit dem durch einen Pilz ausgelösten<br />

Eschentriebsterben eine ganz neuartige<br />

Bedrohung für den Maivogel, da der Pilz<br />

ausgerechnet die auch für den Falter attraktiven<br />

Triebe befällt und diese dadurch<br />

für die Larvalentwicklung unbrauchbar<br />

werden.<br />

TOD IM FLUSS<br />

Ebenfalls den Mai im Namen trägt der auch<br />

als Alse bekannte Maifisch (Alosa alosa).<br />

Der mit dem Hering verwandte Bewohner<br />

der europäischen Küstengewässer wandert<br />

nach Erreichen der Geschlechtsreife –<br />

drei bis sechs Jahren im Meer – ähnlich<br />

wie die Lachse zum Laichen die Flüsse hinauf,<br />

doch tut er dieses nicht wie die Lachse<br />

im Herbst, sondern bereits im Frühjahr<br />

mit Höhepunkt im Mai. Und anders als die<br />

atlantischen Lachse, von denen kräftige<br />

Tiere überleben, wandern die Maifische<br />

nach dem Laichen nicht wieder ins Meer<br />

zurück, sondern verenden in den Flüssen.<br />

Ihr bereits wenige Tage nach dem Ablaichen<br />

schlüpfender Nachwuchs lässt sich<br />

dann mit der Flussströmung wieder ins<br />

offene Meer treiben.<br />

Einst gab es den Maifisch in unseren<br />

Flüssen offenbar in solchen Mengen,<br />

dass er saisonal durchaus von fischereiwirtschaftlicher<br />

Bedeutung war. Die Art<br />

ist aber, ähnlich wie der Lachs, bereits<br />

vor etwa hundert Jahren weitestgehend<br />

aus den deutschen Flüssen verschwunden,<br />

was vor allem dem damals erfolgten<br />

massiven Verbau und der Verunreinigung<br />

der Flüsse zuzuschreiben ist. Halten konnten<br />

sich Laichbestände der bis zu einem<br />

halben Meter messenden Art vor allem<br />

in verschiedenen Flusssystemen Frankreichs,<br />

Spaniens und Portugals, die vom<br />

Verbau weniger betroffen waren. Ein seit<br />

2003 laufendes Wiederansiedlungsprogramm<br />

im Rhein hat erfreulicherweise<br />

dazu geführt, dass hier mittlerweile wieder<br />

reproduktive Vorkommen der Art<br />

nachgewiesen werden können.<br />

FRÜHER SPEISEPILZ<br />

Letztlich trägt auch ein Pilz den Mai im<br />

Namen. Der Maipilz (Calocybe gambosa)<br />

erscheint anders als die meisten Blätterpilze<br />

bereits früh im Jahr und ist somit<br />

einer der ersten Speisepilze der Sammelsaison.<br />

Um ihn sicher zu bestimmen,<br />

braucht es allerdings eine gewisse Expertise,<br />

denn es gibt recht ähnliche, teilweise<br />

giftige Arten. Charakteristisch ist der<br />

weiße bis cremefarbene, oft etwas verbogene<br />

Hut, dessen Fleisch einen aufdringlichen<br />

Geruch verströmt, der an Mehl<br />

oder Salatgurken erinnert. Die ebenfalls<br />

weißen Lamellen stehen sehr dicht gedrängt<br />

und sind mit dem Stiel verwachsen.<br />

Die Fruchtkörper erscheinen meist<br />

in kleinen Trupps oder als Hexenringe.<br />

Verbreitungsschwerpunkt des Maipilzes<br />

sind grasige Stellen in Laub- und Mischwäldern,<br />

doch wird er auch in Parks, Wiesen<br />

und sogar auf Magerrasen gefunden.<br />

Alle Sichtungen auf <strong>naturgucker</strong>.de<br />

NATUR-SAISON<br />

PROFI<br />

Der erste echte handfreie<br />

Trekkingschirm<br />

11<br />

Beide Hände bleiben frei!<br />

Lässt sich frei nach<br />

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NATUR-REISE<br />

38<br />

WALD, WASSER<br />

UND WILDE TIERE<br />

Die schwedische Region Värmland gilt als Naturparadies<br />

und lockt Outdoorfreunde mit außergewöhnlichen Erlebnissen<br />

wie Floßfahrten oder Tafeln mitten im Wald.<br />

Text von Anke Benstem, mit Bildern von Jürgen Borris


NATUR-REISE<br />

39<br />

01 Viele Naturfreunde träumen<br />

davon, einmal einen Elch in freier<br />

Wildbahn zu sehen.


NATUR-REISE<br />

40<br />

Mehr als zehntausend Seen<br />

und Flüsse, aber gerade mal<br />

17 Menschen pro Quadratkilometer:<br />

Die schwedische Provinz<br />

Värmland ist bis heute sehr urwüchsig.<br />

Millionen wilde Lupinen tupfen jeden<br />

Sommer weiße, rosa- und lilafarbene<br />

Farbkleckse in die Landschaft, in den<br />

ausgedehnten Wäldern, die 87 Prozent<br />

der Landfläche einnehmen, tummeln<br />

sich Wolf und Braunbär, Luchs, Dachs<br />

und Elch. Auch Birk- und Auerhuhn<br />

sowie Fischadler sind in Värmland zu<br />

Hause. Weltberühmt ist die vom hiesigen<br />

Herrenhof Mårbacka stammende<br />

Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin<br />

Selma Lagerlöf, die ihrer Heimat<br />

Schweden mit »Die wunderbare Reise<br />

des kleinen Nils Holgersson mit<br />

den Wildgänsen« und speziell Värmland<br />

mit »Gösta Berling« literarische<br />

Denkmale setzte. Naturfreunde finden<br />

heute im Naturbyn den perfekten Ort<br />

für eine Auszeit im Grünen. Ein ganz<br />

besonderes Dinner mit Zutaten direkt<br />

aus dem Wald lockt im Naturreservat<br />

Kittelfältet. Und wer das Abenteuer<br />

sucht, baut sein eigenes Floß und lässt<br />

sich den Fluss hinabtreiben.<br />

Auszeit im Naturbyn<br />

Die wenigen Holzhütten und Baumhäuser<br />

verschmelzen fast mit den<br />

Farben der Bäume. Üppige Schachtelhalme<br />

bedecken hellgrün den Waldboden,<br />

streichen weich um die Waden.<br />

Hier ist Natur Programm, schon im<br />

Namen: Ein kleines Paradies zwischen<br />

Wasser und Wald ist »Naturbyn«, das<br />

»Naturdorf« in Långserud, gut 60<br />

Kilometer westlich von der Provinzhauptstadt<br />

Karlstad gelegen. Thomas<br />

Pettersson hat die insgesamt sechs<br />

Unterkünfte vor 20 Jahren von Hand<br />

gebaut, sie tragen Namen wie »Sehr<br />

Scjhönn« oder »Dass Bååt«. »Ich wollte<br />

einen Ort schaffen, den ich selbst<br />

gern besuchen würde. Meine Freunde<br />

haben mich damals für verrückt<br />

erklärt, aber das war mir egal. Ich habe<br />

trotzdem angefangen«, erzählt der<br />

51-Jährige. Seine sechs Hütten sind<br />

liebevoll eingerichtete Rückzugsorte<br />

für eine Pause vom Alltag. Zwei<br />

Baumhäuser wiegen sich sanft im<br />

Wind, selbst auf dem Plumpsklo stehen<br />

frische Sommerblumen in Gläsern.<br />

Das hölzerne Hausboot, genau<br />

genommen ein Holzfloß mit Hütte<br />

und rustikaler Außenküche mit offenem<br />

Feuer, ankert auf dem See und<br />

ist nur schwimmend oder per Kanu<br />

erreichbar. Von denen liegen gleich<br />

mehrere am Ufer und sind frei benutzbar.<br />

Strom und Internet gibt es<br />

bewusst nicht, stattdessen erhellen<br />

Kerzen, Fackeln und rostige Petroleumlampen<br />

im Shabby-Chic nachts<br />

die Pfade. Thomas` Tipp für Tierbeobachter:<br />

Mit dem Kanu ganz leise<br />

auf den See hinaus paddeln – vielleicht<br />

badet ja gerade irgendwo ein Elch in<br />

Ufernähe. Die großen Hirsche lieben<br />

das Wasser und tauchen mehrere Meter<br />

tief, um an schmackhafte Algen zu<br />

gelangen. Hier in Värmland leben übrigens<br />

auch die meisten der nur rund<br />

hundert weißen Elche Schwedens.<br />

Auch andere große Säuger fühlen sich<br />

wohl an den Seen Värmlands und in<br />

den dichten, borealen Wäldern, die<br />

natürlicherweise vor allem aus Fichte,<br />

Kiefer, Tanne und Lärche bestehen.<br />

Von den großen Raubtieren wie<br />

Braunbär, Wolf und Luchs sieht man<br />

aber bestenfalls Hinterlassenschaften<br />

wie Losung oder Kratzspuren<br />

an Bäumen, sie selbst sind scheu und<br />

meiden die Begegnung mit Menschen.<br />

Menü des Waldes<br />

Den Wald und seine kulinarischen<br />

Köstlichkeiten mit allen Sinnen erleben<br />

lassen sich im Naturreservat Kittelfältet.<br />

Hier bereitet Outdoorguide<br />

und Koch Max Monsler ein Menü aus<br />

den Zutaten des Waldes zu, an einem<br />

schlichten Holztisch, umgeben von<br />

Bäumen und dichtem Blaubeerkraut<br />

und graugrünen Flechten am Boden.<br />

»Ein Land wird Restaurant« heißt das<br />

Projekt, das dieses kulinarische Naturerlebnis<br />

ermöglicht. Wer alleine kochen<br />

möchte, reserviert kostenlos nur<br />

den Tisch. Gegen Aufpreis sind Max<br />

und die lokalen Lebensmittel dazu<br />

buchbar: Bis zu zehn Gäste schnippeln<br />

dann zusammen Kartoffeln und Sellerie,<br />

brutzeln frischen Zander in Butter.<br />

Die Fische kommen in den märchenhaft<br />

anmutenden, petrolfarbenen Seen<br />

vor, die wie hingetupft im Wald liegen<br />

– nur einige der insgesamt 10.500 in<br />

ganz Värmland, die manchmal in große<br />

Moorgebiete mit weiß wogenden<br />

Wollgrasflächen übergehen.<br />

Das Jedermannsrecht<br />

Das Naturschutzgebiet Kittelfältet ist<br />

sehr hügelig, denn sogenannte Eisblockgräber,<br />

vom früheren Inlandeis<br />

geschaffene Täler und Löcher, formen<br />

die Landschaft. Sind Pfifferlinge zu


NATUR-REISE<br />

02 Die wenigen Holzhütten scheinen<br />

sich farblich an ihre Umgebung<br />

angepasst zu haben.<br />

03 Das Rotsternige Blaukehlchen<br />

ist nicht leicht zu entdecken. Oft hört<br />

man nur seinen Gesang.<br />

04 In keiner Region Schwedens ist die<br />

Wolfsdichte so hoch wie hier.<br />

Trotzdem lassen sich die scheuen<br />

Tiere selten blicken.<br />

41


NATUR-REISE<br />

42<br />

finden oder Blaubeeren reif, werden<br />

sie kurzerhand Teil des Menüs<br />

– das schwedische Jedermannsrecht<br />

erlaubt es, sie zu sammeln. Selbst<br />

die normalerweise viel nördlicher<br />

vorkommenden Moltebeeren wachsen<br />

in feuchten Senken. Nach dem<br />

Essen drehen wir eine Runde durch<br />

den lichten Wald. Dabei erklärt Max,<br />

wie man sich hier etwa mithilfe von<br />

Ameisenhaufen orientieren kann:<br />

Die befinden sich nämlich fast immer<br />

an der Südseite von Baumstämmen.<br />

Er erzählt auch, dass die<br />

Menschen früher mit der giftigen,<br />

gelbgrünen Wolfsflechte Letharia<br />

vulpina gegen Isegrimm vorging und<br />

es bis heute zwei unversöhnliche Lager<br />

in Värmland gibt: pro und contra<br />

Wolf. Apropos: Wie groß sind<br />

denn die Chancen, hier einem zu<br />

begegnen? »Obwohl wir die höchste<br />

Wolfsdichte ganz Schwedens haben,<br />

ist die Wahrscheinlichkeit, einen zu<br />

sehen, verschwindend gering, denn<br />

Wölfe sind äußerst scheu«, erklärt<br />

Max. Und doch sind sie da. An<br />

mehreren Stellen hat schon Wolfslosung<br />

gelegen, ein untrügliches<br />

Zeichen. Die Tiere sind auch eines<br />

der Landschaftssymbole Värmlands.<br />

Wahrscheinlicher ist es, eines<br />

der anderen Symbole zu sehen:<br />

den Siebenstern (Trientalis europaea),<br />

eine zarte Blume mit sieben<br />

weißen Blütenblättern, oder den<br />

Stint (Osmerus eperlanus), einen<br />

kleinen Salzwasserfisch, der hier in<br />

der im Süßwasser lebenden Form<br />

vorkommt. Oder den Sterntaucher<br />

(Gavia stellata), ein zarter Wasservogel<br />

aus der Gattung der Seetaucher,<br />

der seinen Namen einem markant<br />

rostroten Fleck am Hals verdankt.<br />

Die Vogelvielfalt ist groß in Värmland.<br />

Kein Symboltier, aber klar an<br />

der farbigen Halsfärbung identifizierbar,<br />

ist das Blaukehlchen (Luscinia<br />

svecica), ein Sing- und Zugvogel.<br />

Ein gutes Auge braucht, wer den gut<br />

an den Untergrund angepassten Goldregenpfeifer<br />

(Pluvialis apricaria)<br />

identifizieren will. Einfacher sind<br />

da die großen Kanada- und Graugänse<br />

oder Kraniche zu erkennen.<br />

Naturverbundenheit<br />

Värmlands Natur ist sehr abwechslungsreich,<br />

nicht zuletzt durch die<br />

unterschiedlichen klimatischen<br />

Bedingungen: Rund um den Vänern<br />

ist das Klima mild, denn der<br />

See funktioniert wie ein großer<br />

Wärmespeicher. In Nordvärmland<br />

wird es deutlich rauer, hier beginnt<br />

bereits das Fjäll, die baumlose nordische<br />

Berglandschaft. In Värmland<br />

lebten die Menschen schon<br />

immer eng verbunden mit der<br />

Natur. Der längste Fluss der Provinz,<br />

der Klarälven fließt 300 Kilometer<br />

vom Norden nach Süden<br />

durchs Land und ist in Norwegen<br />

noch ein wilder Gebirgsfluss. Eine<br />

Floßfahrt ist ein eindrückliches<br />

Erlebnis für Menschen, die gern<br />

der Natur nahe sind. Eine beginnt<br />

am Platz Klarälvens Camping.<br />

Nach dem gemeinsamen Floßbau<br />

heißt es, Schwimmweste anziehen,<br />

Paddel und Stakstangen an<br />

Bord bringen, vom Ufer abstoßen.<br />

Den Fluss machen lassen<br />

In Zeitlupe treiben wir den mit seinen<br />

großen Kurven bis heute wenig<br />

regulierten Klarälven hinab. Anfangs<br />

versuchen wir noch, das Floß<br />

durch kräftiges Paddeln zu lenken<br />

– allerdings ziemlich erfolglos. Mit<br />

der Zeit stellt sich immer mehr Gelassenheit<br />

ein. Der Fluss bestimmt,<br />

wohin wir fahren. »Den Fluss einfach<br />

machen lassen«, wird zum geflügelten<br />

Wort. Am Ufer kühlen sich<br />

Kühe ab, gelegentlich weht süßer<br />

Duft von Traubenkirschen übers<br />

Wasser. Biber haben Bäume gefällt<br />

und abgenagt, da ist ja sogar eine Biberburg<br />

am Ufer!<br />

Wir lassen die Beine ins Wasser<br />

baumeln – Tom Sawyer-Feeling<br />

pur. Und welch eine Stille!<br />

Anders als im Kanu hört man auf<br />

dem Floß ja nicht einmal eigene<br />

Paddelschläge. Ein Fisch springt<br />

und platscht laut zurück ins Wasser.<br />

Vielleicht eine Äsche oder ein<br />

Lachs? Ein Hecht oder eine Forelle?<br />

Sie alle kommen in Värmlands<br />

Binnengewässern reichlich vor.


NATUR-REISE<br />

06 Ein Braunbär ist<br />

ein gewaltiger Anblick.<br />

Die meisten Wanderer<br />

sehen aber nur seine<br />

Spuren.<br />

Reiseinfos<br />

Värmland liegt nördlich des Vänernsees.<br />

Nach Karlstad gibt es<br />

einen Inlandsflug von Stockholm.<br />

Mit dem Zug ist man aus Göteborg<br />

in drei Stunden da. Die gelben<br />

Busse von Värmlandstrafik<br />

fahren viele Orte mehrmals täglich<br />

an (www.varmlandstrafik.se).<br />

Viele Wanderwege sind aber besser<br />

mit dem Auto zu erreichen.<br />

Urlaub in Naturbyn<br />

Wohnen im Baumhaus für zwei,<br />

etwa 180 Euro/Nacht.<br />

www.naturbyn.se<br />

Aktiv auf dem Wasser<br />

Floßbau- und -tour auf dem Klarälven:<br />

ca. 115 Euro/Person, von<br />

Juni bis Mitte August.<br />

www.vildmark.se<br />

Natur kulinarisch<br />

Lecker tafeln im Naturreservat<br />

Kittelfältet, von Mai bis September,<br />

mittwochs und sonntags.<br />

www.visitsweden.de/<br />

einlandwirdrestaurant<br />

Elche mit Garanie beobachten<br />

Optional ist die zweistündige<br />

Elchtour zu Fuß. Ca. 20 Euro p.P.<br />

www.moose-world.com<br />

Informationen zu Värmland<br />

www.visitvarmland.se<br />

www.visitsweden.de<br />

43


NATUR-REISE<br />

wenn wüsten blühen<br />

Nicht nur in der Sahara, sondern auch in Spanien<br />

findet sich eine echte Wüste – die für kurze Zeit prächtig erblüht.<br />

Von Christine und Peter Lambertz<br />

01 Die Wüste von Tabernas in der Provinz<br />

Almeria. / Underworld, stock.adobe.com<br />

02 Im Bereich der Ramblas blüht der Thymian<br />

recht üppig. / Christine und Peter Lambertz<br />

44


NATUR-REISE<br />

W<br />

üsten sind lebensfeindliche<br />

Orte, die trotzdem oder vielleicht<br />

gerade deshalb auf viele<br />

Menschen eine große Faszination<br />

ausüben. Dabei tauchen vor dem<br />

inneren Auge in der Regel Wüsten<br />

in Amerika, Afrika und Asien<br />

auf – das erstaunt niemanden.<br />

Aber wussten Sie, dass es auch in<br />

Europa eine Wüste gibt, allerdings<br />

nur eine einzige, nicht besonders<br />

große? Die einzige Wüste Europas<br />

liegt im Süden Spaniens in der<br />

Provinz Almeria und wurde 1989<br />

zum Naturschutzgebiet erklärt. Mit<br />

gut 11.000 Hektar handelt es sich<br />

beim Paraje Natural Desierto de Tabernas<br />

um ein eng begrenztes Gebiet.<br />

Wie das Death Valley ist auch<br />

die Tabernas-Wüste eine Regenschattenwüste.<br />

Im Westen findet<br />

sich die Sierra Nevada, im Norden<br />

die Sierra de los Filabres und<br />

im Südosten die Sierra Alhamilla.<br />

Kaum Regen<br />

Die feuchte Luft kommt vom Mittelmeer<br />

und regnet an den Bergen<br />

ab, das dahinter liegende Gebiet<br />

erhält nur wenig Niederschlag –<br />

bis zu 240 Millimetern. Die Hälfte<br />

davon fällt an wenigen Regentagen<br />

im Winter. Tabernas ist damit eine<br />

der trockensten Regionen in Europa,<br />

gleichzeitig eine der heißesten.<br />

Als wir uns dieser Wüste zum ersten<br />

Mal nähern, fühlen wir uns<br />

an den amerikanischen Wilden<br />

Westen, an die Badlands, erinnert:<br />

stark gefurchte Berghänge, entstanden<br />

durch Wind- und Wassererosion,<br />

trockene Flussbetten,<br />

Ramblas genannt, die nur in den<br />

kurzen Regenperioden einmal<br />

Wasser führen. Früher einmal war<br />

hier alles von Meer bedeckt, Salz<br />

hat sich im Boden abgelagert. Äußerst<br />

schwierige Lebensbedingungen<br />

für Pflanzen also, die sich<br />

nicht nur an die Trockenheit, sondern<br />

auch an das vorhandene Salz<br />

anpassen müssen. Trotzdem findet<br />

man im zeitigen Frühjahr nach den<br />

Winter-Regenfällen auch hier eine<br />

Vielzahl an Pflanzen. Es erstaunt<br />

nicht, dass sich bedingt durch die<br />

abgegrenzte, isolierte Lage eine<br />

teilweise einzigartige Vegetation<br />

entwickeln konnte, und so finden<br />

sich zahlreiche Endemiten – Arten,<br />

die nur in einem begrenzten<br />

Verbreitungsgebiet vorkommen.<br />

Die hügelige Landschaft mit ihrer<br />

an die extremen Bedingungen angepassten<br />

Vegetation gefällt uns ausgesprochen<br />

gut: Sträucher, Agaven<br />

mit ihren gewaltigen Blütenständen,<br />

ab und zu eine fotogene Palme –<br />

wenn auch die beiden letzteren keine<br />

einheimischen Gewächse sind,<br />

sondern kultiviert wurden. Heute<br />

sind sie teilweise verwildert. Dazu<br />

kommen Süßgräser, wie das Halfagras<br />

(Macrochloa tenacissima),<br />

dessen Fasern zur Herstellung von<br />

hochwertigem Papier, aber auch<br />

zu Flechtarbeiten verwendet werden.<br />

In den Ramblas fallen uns<br />

seltsame, ein wenig krakelig wirkende,<br />

weitgehend blattlose Sträucher<br />

mit gelben Korbblüten auf.<br />

Tiefe Wurzeln<br />

Der Strauch-Dornlattich (Launaea<br />

arborescens) zeigt vielfältige Anpassungen<br />

an die Trockenheit: Eine<br />

sehr lange Pfahlwurzel kann<br />

auch tiefer gelegene Wasservorräte<br />

erreichen. Die Fotosynthese findet<br />

über die jungen grünen Sprossachsen<br />

statt, sodass auf Blätter weitgehend<br />

verzichtet werden kann<br />

und die Verdunstung drastisch reduziert<br />

wird. Auch die Behaarte<br />

Spatzenzunge (Thymelaea hirsuta)<br />

ist an extrem trockene Standort<br />

angepasst. Die fleischigen, fast<br />

sukkulent wirkenden Blätter sind<br />

dachziegelartig angeordnet, die<br />

Verdunstung somit stark reduziert.<br />

Dies gilt auch für den Sparrigen<br />

Bocksdorn (Lycium intricatum).<br />

Die sukkulenten Blätter sind relativ<br />

klein und fallen bei Trockenheit<br />

ab. Dann erwecken die kahlen<br />

Sträucher den Eindruck, abgestorben<br />

zu sein, aber sie leben. Bei vorhandener<br />

Feuchtigkeit bilden sich<br />

schnell neue Blätter, der Strauch<br />

beginnt zu blühen, wie wir überall<br />

im Gebiet feststellen können.<br />

Trockene Blätter<br />

Die ledrigen Blätter des Sonnenröschens<br />

(Helianthemum)<br />

verringern ebenfalls die Verdunstung,<br />

bei Wassermangel trocknen<br />

sie ein. Dann bieten die braunen,<br />

vertrockneten Sträucher keinen<br />

besonders schönen Anblick, aber<br />

wenn nach Regenfällen wieder<br />

grüne Blätter und die leuchtend<br />

weißen Blüten erscheinen, stechen<br />

Sie dem Betrachter sofort ins<br />

Auge. Die Blüten richten sich übrigens<br />

nach der Sonne alle in die<br />

gleiche Richtung aus.<br />

Auf Sand und Kies, aber auch auf<br />

Salzböden, wie hier in der Tabernas-Wüste<br />

wächst ein Halbstrauch<br />

mit attraktiven purpurfarbenen Blüten:<br />

die Kretische Fagonie (Fagonia<br />

cretica). Kleine, ledrige, lanzettliche<br />

45


NATUR-REISE<br />

46<br />

Blätter ermöglichen das Überleben<br />

in trockenen Regionen. Ein Kreuzblütler<br />

bringt uns zunächst fast zur<br />

Verzweiflung, da in keinem unserer<br />

Bestimmungsbücher vorhanden.<br />

Später finden wir heraus, dass Euzomodendron<br />

bourgaeanum ein<br />

Endemit ist. Hier noch häufig zu<br />

finden, ist sie eine typische Pflanze<br />

der Tabernas-Wüste. Sie ist salztolerant,<br />

und die lange Wurzel ermöglicht<br />

ihr Wachstum. Insgesamt ist<br />

sie aber in ihrer Existenz bedroht<br />

und deshalb in der Liste der bedrohten<br />

Pflanzen Andalusiens zu<br />

finden. Bei einem weiteren Kreuzblütler<br />

sind wir uns nicht sicher, ob<br />

es sich um die ebenfalls endemische<br />

Moricandia foetida oder die häufigere<br />

Acker-Moricandie (M. arvensis)<br />

handelt.<br />

Leben als Parasit<br />

Wir entdecken eine weitere Rarität.<br />

Den Malteserschwamm (Cynomorium<br />

coccineum) kennen wir<br />

aus den feuchten Salzmarschen auf<br />

Sardinien. In einer so trockenen Gegend<br />

hätten wir die Pflanze nicht<br />

erwartet. Früher hat man die seltsamen<br />

Gebilde für Pilze gehalten.<br />

Heute weiß man, dass es sich um<br />

eine krautige Pflanze ohne Chlorophyll<br />

handelt, die auf salztoleranten<br />

Pflanzen, von denen es hier ja nun<br />

wirklich viele gibt, als Parasit lebt.<br />

Die fleischigen Stängel enden in<br />

einem braunroten Blütenstand, auf<br />

dem kleine scharlachrote Blüten zu<br />

finden sind. Der lateinische Gattungsname<br />

bezieht sich übrigens<br />

auf das griechische Wort kynomorion<br />

und bedeutet Hundepenis, ein<br />

nicht unpassender Name.<br />

Weiße Blütenpracht<br />

Als wir tiefer in das Gebiet vordringen,<br />

entdecken wir viele weitere<br />

vereinzelt blühende Pflanzen. Und<br />

dann sehen wir sie doch noch – die<br />

Blumenteppiche. Sicherlich sind sie<br />

nicht ganz so spektakulär wie die<br />

bunt leuchtenden im Death Valley,<br />

da die Pflanzen deutlich kleiner<br />

und weniger farbenprächtig sind,<br />

aber wir finden sie immer noch attraktiv<br />

genug. Linaria nigricans ist<br />

ebenfalls ein Endemit der Provinz<br />

Almeria, normalerweise eher selten<br />

zu finden und steht deshalb auf<br />

der Roten Liste der Gefäßpflanzen<br />

Spaniens und Andalusiens. Nach<br />

ausreichenden Regenfällen allerdings<br />

bildet die filigrane Blume,<br />

die maximal 17 Zentimeter hoch<br />

wird, für wenige Tage bis zu zwei<br />

Wochen hier in der Tabernas-Wüste<br />

einen ausgedehnten, weißen Blütenteppich.<br />

Filmkulisse<br />

Das einzige Wüstengebiet Europas<br />

erweist sich für uns tatsächlich als<br />

einzigartig und lohnt für Naturliebhaber<br />

zur richtigen Jahreszeit<br />

auf jeden Fall den Besuch. Falls Sie<br />

nun beim Betrachten unserer Fotos<br />

denken, Sie hätten diese Landschaft<br />

schon einmal irgendwo gesehen, liegen<br />

Sie richtig. Bedingt durch die<br />

Ähnlichkeit mit dem amerikanischen<br />

Wilden Westen wurden hier<br />

zahlreiche große Filme gedreht, wie<br />

beispielsweise »Spiel mir das Lied<br />

vom Tod« oder »Für eine Handvoll<br />

Dollar«, aber auch andere Genres<br />

wie »Lawrence von Arabien«,<br />

»Cleopatra« und »Indiana Jones«.<br />

Noch heute finden sich Überreste<br />

der Filmkulissen, außerdem zwei<br />

Forts, die als Themenparks Touristenattraktion<br />

sind und vor allem im<br />

Sommer zahlreiche Besucher aus<br />

den nahen Küstenorten anlocken.<br />

Für uns war dieses Amüsement uninteressant,<br />

hat die Tabernas-Wüste<br />

doch, wie wir hoffentlich zeigen<br />

konnten, sehr viel mehr zu bieten.<br />

Sofern Sie ähnlich empfinden, empfehlen<br />

wir das zeitige Frühjahr für<br />

einen Besuch. Wir wünschen Ihnen,<br />

dass es dann im Winter geregnet hat<br />

und sich auch Ihnen die Faszination<br />

einer blühenden Wüste vermittelt.<br />

Und mit etwas Glück begegnen Sie<br />

auch dem schönen, seltenen Wüstengimpel,<br />

der hier sein einziges<br />

Vorkommen in Europa hat. Die Tarantel<br />

(Lycosa tarantula) kommt vor,<br />

ebenso die Europäische Schwarze<br />

Witwe (Latrodectus tredecimguttatus),<br />

der Feldskorpion (Buthus occitanus)<br />

und und die Treppennatter<br />

(Zamenis scalaris).<br />

Weitere Bilder der genannten<br />

Arten auf <strong>naturgucker</strong>.de


NATUR-REISE<br />

03 Die Schönheit der Wüste ist fast schon unwirklich. / stock.adobe<br />

04 Der Wüstengimpel lebt in Europa nur in der Tabernas-Wüste. / Helmut Klein<br />

05 Die Behaarte Spatzenzunge kann in Wüsten existieren, da die Verdunstung durch<br />

ihre starke Behaarung reduziert ist. / Christine und Peter Lambertz<br />

06 Für kurze Zeit bilden die Blüten der Linaria nigricans in der Tabernas-Wüste<br />

einen riesengroßen Blumenteppich. / Christine und Peter Lambertz<br />

07 Auch der Feldskorpion ist in der spanischen Wüste heimisch. / Dieter Schneider<br />

08 Der Malteserschwamm ist eine Rarität. / Christine und Peter Lambertz<br />

47


NATUR-KIND<br />

Manfred Mistkäfer präsentiert:<br />

Die Stars der<br />

Die BUNDjugend hat<br />

»Vögel« zum Jahresthema<br />

ihres Mitmach-Magazins für<br />

Kinder gewählt – eines<br />

unserer Lieblingsthemen!<br />

Von Thea Wittmann<br />

48<br />

Schon mal von Manfred Mistkäfer<br />

gehört? Nein, der hat nichts mit<br />

Biene Maja zu tun. Er ist das<br />

Maskottchen der BUNDjugend Baden-<br />

Württemberg (Jugend im Bund für<br />

Umwelt und Naturschutz Deutschland)<br />

Und er will dich nach draußen locken,<br />

um die Natur zu entdecken und zu<br />

erforschen. Aktuell streckt er seine<br />

Fühler nach allem aus, was in unserer<br />

Umgebung hüpft, fliegt und singt:<br />

unsere gefiederten Freunde.<br />

Abo zu gewinnen<br />

Vögel sind Tiere, die sich an die unterschiedlichsten<br />

Lebensräume anpassen<br />

können. Es gibt sie in der Stadt und auf<br />

dem Land, in kalten ebenso wie in<br />

warmen Klimazonen. Sie picken auf<br />

deinem Rasen oder fliegen über dein<br />

Städtchen. Und weil ja auch uns vom<br />

NATURGUCKER die Vögel besonders am<br />

Herzen liegen, freuen wir uns, dass wir<br />

ein Abo des Mitmach-Magazins verlosen<br />

dürfen! Vier Ausgaben gibt es im Jahr,<br />

passend zu der jeweiligen Jahreszeit.


NATUR-KIND<br />

Lüfte<br />

Sie sind für Kinder von acht bis zwölf Jahren<br />

gemacht, um die Stars der Lüfte besser kennenzulernen.<br />

Du findest in den Heften Wissenswertes<br />

über Lebensräume und Verhaltensweisen von Vögeln,<br />

Leseseiten, Rätsel, Bastel- und Spielideen und<br />

jede Menge praktische Tipps für Ausflüge in die<br />

Natur. Und natürlich bekommst du auch Infos über<br />

aktuelle Natur- und Umweltschutzaktionen.<br />

www.bundjugend-bw.de/manfredmistkaefer-magazin,<br />

Telefon: 0711/6197026<br />

49<br />

Du würdest gern ein Abo gewinnen?<br />

Dann mach schnell mit und schreib eine Mail an:<br />

kontakt@bachstelzen-verlag.de<br />

Oder schreib uns per Post an die Adresse:<br />

Bachstelzen Verlag, Stichwort: Manfred<br />

Mistkäfer, Frankenplatz 23, 42107 Wuppertal<br />

Das Jahresabo des Manfred Mistkäfer<br />

Mitmach-Magazins inklusive »Ideenmarkt« kostet<br />

16 Euro. Gruppen- beziehungsweise Klassensätze ab<br />

zehn Exemplaren an die gleiche Adresse gibt es für<br />

12 Euro pro Abonnement. Abonnements sind auch als<br />

Geschenk möglich. Infos: www.bundjugend-bw.de/<br />

manfred-mistkaefer-magazin/<br />

Telefon: 0711/6197026


KLEINANZEIGEN<br />

DieNaturreise<br />

Sabrina & Stephan Martens<br />

Veranstalter für ausgewählte<br />

Naturreisen & Ornithologische Reisen<br />

• Gruppenreisen von 4 - 6 Personen<br />

• Maßgeschneiderte Individualreisen<br />

• Privatführungen<br />

Unsere Reiseziele:<br />

Costa Rica, Panama, Ecuador, Pantanal,<br />

Suriname, Curacao, Belize, Spanien,<br />

Niederlande, Deutschland und Österreich<br />

www.dienaturreise.de<br />

info@dienaturreise.de<br />

Tel. & WhatsApp<br />

+49 (0)173 28 33 22 6<br />

3 Eulenpräparate mit amtl.<br />

Dokumenten zu verkaufen:<br />

Steinkauz, Schleiereule,<br />

Waldkauz. 1 Rebhuhn, 1 Wachtel,<br />

1 Eichelhäher, 1 Rehkitz,<br />

1 Frischling, 1 Eichhörnchen.<br />

Bilder per E-Mail über:<br />

ziegler.r@unitybox.de<br />

Wilde, vielfältige<br />

Landschaften! Weitere<br />

Reisen in Spanien mit<br />

Schwerpunkt Tier- und<br />

Pflanzenbeobachtung<br />

Roberto Cabo,<br />

Telefon 07243 /28 11 96<br />

www.spanien-natur-reisen.de<br />

info@pensionweiser.de<br />

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IN DER LAUSITZ – IM HEIDE-<br />

TEICHGEBIET NIEDERSPREE<br />

MIT SEEADLERN, OTTERN,<br />

ROTWILD + WÖLFEN<br />

Telefon: 035894/30470<br />

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URLAUB AUF TEXEL<br />

4-Sterne-Ferienhaus, 6 Personen,<br />

in der Nähe verschiedener Naturgebiete.<br />

Intressieren Sie sich für Vögel,<br />

Pflanzen und lieben Strand ? Sie sind<br />

herzlich willkommen im Ferienhaus<br />

Prunella. G A Visch T 0222-318881<br />

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Urlaub im<br />

Fränkischen Seenland<br />

3 sehr schöne FeWos in ruhiger<br />

Ortslage mit Panoramablick ins<br />

Altmühltal. Infos + Prospekte:<br />

Fam. Sticht, Spielberg 53,<br />

91728 Gnotzheim, Telefon:<br />

09833 /1699, Fax: 5538, E-Mail:<br />

gaestehaus-sticht@t-online.de<br />

info@pensionweiser.de<br />

www.pensionweiser.de


KLEINANZEIGEN / VORSCHAU<br />

Am 30. ´Juni kommt<br />

DER NEUE NATURGUCKER!<br />

Neues aus der Tier-, Pilz- und Pflanzenwelt, Tipps zum Beobachten, Nachdenkliches<br />

und Merkwürdiges können Sie erfahren und großartige Fotos und Zeichnungen genießen.<br />

Lesen Sie unter anderem:<br />

Flugakrobaten: Alpendohlen plaudern, verstecken ihre Vorräte in Ritzen und sind<br />

echte Kulturfolger der Berge.<br />

51<br />

Der längste unbebaute Küstenabschnitt an der Oberen Adria in Italien ist der Strand<br />

des Vallevecchia – einer 900 Hektar großen Insel, auf allen vier Seiten von<br />

Meer-, Lagunen- und Flusswasser<br />

umgeben. Ein Ökosystem von<br />

bemerkenswerter Artenvielfalt...!


MORE<br />

NL PURE<br />

EINS MIT DER<br />

NATUR<br />

SEE THE UNSEEN

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