NATUR-REISE 40 Mehr als zehntausend Seen und Flüsse, aber gerade mal 17 Menschen pro Quadratkilometer: Die schwedische Provinz Värmland ist bis heute sehr urwüchsig. Millionen wilde Lupinen tupfen jeden Sommer weiße, rosa- und lilafarbene Farbkleckse in die Landschaft, in den ausgedehnten Wäldern, die 87 Prozent der Landfläche einnehmen, tummeln sich Wolf und Braunbär, Luchs, Dachs und Elch. Auch Birk- und Auerhuhn sowie Fischadler sind in Värmland zu Hause. Weltberühmt ist die vom hiesigen Herrenhof Mårbacka stammende Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf, die ihrer Heimat Schweden mit »Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen« und speziell Värmland mit »Gösta Berling« literarische Denkmale setzte. Naturfreunde finden heute im Naturbyn den perfekten Ort für eine Auszeit im Grünen. Ein ganz besonderes Dinner mit Zutaten direkt aus dem Wald lockt im Naturreservat Kittelfältet. Und wer das Abenteuer sucht, baut sein eigenes Floß und lässt sich den Fluss hinabtreiben. Auszeit im Naturbyn Die wenigen Holzhütten und Baumhäuser verschmelzen fast mit den Farben der Bäume. Üppige Schachtelhalme bedecken hellgrün den Waldboden, streichen weich um die Waden. Hier ist Natur Programm, schon im Namen: Ein kleines Paradies zwischen Wasser und Wald ist »Naturbyn«, das »Naturdorf« in Långserud, gut 60 Kilometer westlich von der Provinzhauptstadt Karlstad gelegen. Thomas Pettersson hat die insgesamt sechs Unterkünfte vor 20 Jahren von Hand gebaut, sie tragen Namen wie »Sehr Scjhönn« oder »Dass Bååt«. »Ich wollte einen Ort schaffen, den ich selbst gern besuchen würde. Meine Freunde haben mich damals für verrückt erklärt, aber das war mir egal. Ich habe trotzdem angefangen«, erzählt der 51-Jährige. Seine sechs Hütten sind liebevoll eingerichtete Rückzugsorte für eine Pause vom Alltag. Zwei Baumhäuser wiegen sich sanft im Wind, selbst auf dem Plumpsklo stehen frische Sommerblumen in Gläsern. Das hölzerne Hausboot, genau genommen ein Holzfloß mit Hütte und rustikaler Außenküche mit offenem Feuer, ankert auf dem See und ist nur schwimmend oder per Kanu erreichbar. Von denen liegen gleich mehrere am Ufer und sind frei benutzbar. Strom und Internet gibt es bewusst nicht, stattdessen erhellen Kerzen, Fackeln und rostige Petroleumlampen im Shabby-Chic nachts die Pfade. Thomas` Tipp für Tierbeobachter: Mit dem Kanu ganz leise auf den See hinaus paddeln – vielleicht badet ja gerade irgendwo ein Elch in Ufernähe. Die großen Hirsche lieben das Wasser und tauchen mehrere Meter tief, um an schmackhafte Algen zu gelangen. Hier in Värmland leben übrigens auch die meisten der nur rund hundert weißen Elche Schwedens. Auch andere große Säuger fühlen sich wohl an den Seen Värmlands und in den dichten, borealen Wäldern, die natürlicherweise vor allem aus Fichte, Kiefer, Tanne und Lärche bestehen. Von den großen Raubtieren wie Braunbär, Wolf und Luchs sieht man aber bestenfalls Hinterlassenschaften wie Losung oder Kratzspuren an Bäumen, sie selbst sind scheu und meiden die Begegnung mit Menschen. Menü des Waldes Den Wald und seine kulinarischen Köstlichkeiten mit allen Sinnen erleben lassen sich im Naturreservat Kittelfältet. Hier bereitet Outdoorguide und Koch Max Monsler ein Menü aus den Zutaten des Waldes zu, an einem schlichten Holztisch, umgeben von Bäumen und dichtem Blaubeerkraut und graugrünen Flechten am Boden. »Ein Land wird Restaurant« heißt das Projekt, das dieses kulinarische Naturerlebnis ermöglicht. Wer alleine kochen möchte, reserviert kostenlos nur den Tisch. Gegen Aufpreis sind Max und die lokalen Lebensmittel dazu buchbar: Bis zu zehn Gäste schnippeln dann zusammen Kartoffeln und Sellerie, brutzeln frischen Zander in Butter. Die Fische kommen in den märchenhaft anmutenden, petrolfarbenen Seen vor, die wie hingetupft im Wald liegen – nur einige der insgesamt 10.500 in ganz Värmland, die manchmal in große Moorgebiete mit weiß wogenden Wollgrasflächen übergehen. Das Jedermannsrecht Das Naturschutzgebiet Kittelfältet ist sehr hügelig, denn sogenannte Eisblockgräber, vom früheren Inlandeis geschaffene Täler und Löcher, formen die Landschaft. Sind Pfifferlinge zu
NATUR-REISE 02 Die wenigen Holzhütten scheinen sich farblich an ihre Umgebung angepasst zu haben. 03 Das Rotsternige Blaukehlchen ist nicht leicht zu entdecken. Oft hört man nur seinen Gesang. 04 In keiner Region Schwedens ist die Wolfsdichte so hoch wie hier. Trotzdem lassen sich die scheuen Tiere selten blicken. 41