NATUR-SPAZIERGANG Helm- Knabenkraut Bienen- Ragwurz 06 Bocks- Riemenzunge Mücken- Händelwurz Zauberhafte ORCHIDEEN IM BLÜTENMEER Unser Maler Christopher Schmidt entdeckte im Magerrasen botanische Kostbarkeiten. Schwertlilie
NATUR-SPAZIERGANG Es fühlt sich etwas an wie in einem botanischen Garten: Unwirklich viele Blütenfarben und Blütenformen zeigen sich mehr oder weniger deutlich zwischen den verschiedenen Gräsern an diesem steil ansteigenden Hang. Von hier aus schweift mein Blick entlang des gewundenen Weges noch weiter nach oben zu der spärlich bewachsenen Hangkuppe, unterhalb derer helle Kalkterrassen den Blick in Richtung des Leutra-Tales prägen. BLAU, VIOLETT UND PINK Die Vielfalt der Blüten ist dermaßen beeindruckend, dass es sich lohnt, einfach nur an einer Stelle niederzuknien und von dieser Perspektive aus auf Entdeckungstour zu gehen. Dicht am Weg, dort, wo der Grasbewuchs nur spärlich ist, bilden sich kleine Polster von Thymian. Dahinter zeichnen sich die Blüten der Kleinen Braunelle ab. Akelei, Natternkopf, Wiesen-Salbei und Wiesen-Storchschnabel setzen bläuliche bis violette Akzente, und das intensive Pink der Karthäusernelke und des Blutroten Storchschnabels leuchten zwischen Kleinem Ampfer und der Dornigen Hauhechel. Das Weiß der zarten Ästigen Graslilie und verschiedener Labkräuter bringt etwas Ruhe in das Farbenmeer. Mein Blick wird gefangen von den großen, auffälligen Blüten einer ansonsten eher kleingewachsenen Schwertlilie, deren Färbung Assoziationen zu tropischen Gefilden nahelegt. Es ist eine Holunder-Schwertlilie, eine Pflanzenart, die als Zierpflanze nach Mitteleuropa gelangte und sich an wenigen Stellen halten konnten. Im Gegenlicht und in den verschiedenen Stadien des Blütenzustandes wirkt diese Pflanze als Malmotiv besonders interessiert. Und dann entdecke ich sie mit einem Mal: Die farblich so schönen und besonderen Blüten der Bienen-Ragwurz. Mit ihren auffällig rosafarbenen Blütenblättern und der warm bräunlichen Lippe, die einzelne helle Abzeichen aufweist, mit ihrem schmalen und eleganten Wuchs und den übereinanderliegenden Einzelblüten gehört sie für mich zu den schönsten Orchideen Deutschlands. Hat man eine von ihnen entdeckt, fallen auch andere Exemplare ins Auge. Jede ist ein klein wenig anders. Mal ist das Rosa der Blütenblätter weniger intensiv, dann wieder sind die Abzeichen auf der braunen Lippe unterschiedlich, aber fast immer erinnert der Aufblick auf eine solche Blüte entfernt an ihre Hauptbestäuber, die Bienen – daher der Name der Pflanze. Allerdings kommt es gerade bei der Bienen-Ragwurz mehrheitlich zur Selbstbestäubung. Ihre Blüten sind nicht sehr groß oder aufdringlich, aber in ihrer Feinheit und in ihrem Aufbau optisch einfach eine Besonderheit. In ihrer Nachbarschaft, im Halbschatten eines Wacholderbusches, verlieren die ehemals prächtigen Blüten einer weiteren Orchidee, des Helm-Knabenkrauts, langsam ihre auffälligen Farben und bleichen über eine hellrosa Färbung zu einem blassen und transparenten Ockerton aus. Ähnlich verhält es sich mit der Mücken-Händelwurz, deren zylinderförmige Blütenstände fast überall an den Hängen durchscheinen. FUTURISTISCHE ORCHIDEE Dominiert wird dieser kleine Bereich des Hangs aber von einer skurrilen und unwirklich anmutenden Orchidee – der Bocks-Riemenzunge. Mit ihrer vornehmlich weißen Blütenfarbe sticht sie farblich nicht unbedingt hervor. Was sie so auffällig macht, sind die unwirklich langen und gedrehten mittleren Lappen der dreizipfeligen Lippen einer jeden Einzelblüte, die diese Pflanze so einzigartig, fast futuristisch machen. Sie ist auf ihre Art der besondere Blickfang auf dieser Wiese, nicht zu übersehen, aber sobald man ihre Individualität und Dominanz bewundert hat, ist wieder Zeit für all das, was in seiner Auffälligkeit nicht weniger attraktiv ist: Kleine Ehrenpreisarten, Kreuzblümchen und die Samenstände des Perlgrases. Alle Rechte an Text und Bildern bei Christopher Schmidt. 07