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lgbb_02_2021

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Neben der Eingangstür in die Casa di Orione kam ein in roten Lettern geschriebener Wahlaufruf zum Vorschein. Er nennt den<br />

Namen des Celsus, der als Ädil kandidierte. Die Abkürzung unter dem Namen kehrt in vielen dieser tituli picti wieder, mit denen<br />

für die Wahl einer bestimmten Person geworben wurde.<br />

Mit Kapitel 3 kommt Massimo Osanna in die Zeit,<br />

als der Vesuv die Stadt verschüttete: „Straßen,<br />

Häuser, Läden: neue Erkenntnisse aus der Regio<br />

V” (77-122), wo sich im Vicolo dei Balconi eine<br />

Reihe von Häusern mit maeniana (maenianum =<br />

Balkon) erhalten haben und jenes Thermopolium,<br />

dessen Bilder kürzlich um die Welt gingen (vgl.<br />

Farbabbildung 29). Die Ergebnisse neuer Grabungen<br />

werden hier erstmals vorgestellt. Der Leser<br />

durchschreitet Straßen und Gebäude und wird<br />

dabei vom (vormaligen) Leiter des Archäologischen<br />

Parks von Pompeji persönlich aufmerksam<br />

gemacht auf Stuckdekoration und Fassadenverkleidung,<br />

Graffiti an den Wänden innen und<br />

110 JAHRGANG LXV · LGBB <strong>02</strong> / 2<strong>02</strong>1<br />

LGBB <strong>02</strong> / 2<strong>02</strong>1 · JAHRGANG LXV<br />

Wahlaufrufe draussen, auf die Raumaufteilung in<br />

der Casa di Orione, die Belegung der einzelnen<br />

cubicula, Küchenausstattung, Fußbodenbeläge<br />

und Umbauten; es geht um die Klinen im Triclinium<br />

und deren Besetzung, „üblicherweise drei<br />

Personen (manchmal auch nur zwei, wie es in<br />

vielen bildlichen Darstellungen der Fall ist, besonders<br />

wenn die Atmosphäre aufgeheizt und das<br />

Bankett ausschweifender wurde)” (1<strong>02</strong>), um das<br />

Interior Design und die unterschiedlichen Pompejanischen<br />

Stile. „Die Orion-Mosaike: Bilder durch<br />

die Sterne deuten” stehen im Zentrum von Kapitel<br />

4. „Hier zeigt sich der unermüdliche Wunsch der<br />

Eigentümer, das Alte zu bewahren, indem man es<br />

restaurierte. In den wichtigsten Räumen des Hauses<br />

wurde, wie wir schon gesehen haben, eine<br />

Dekoration belassen, die auf das 2. Jh. v. Chr. zurückgeht,<br />

eine Epoche, die gern als das 'goldene<br />

Jahrhundert' von Pompeji bezeichnet wird. Kurz<br />

gesagt, wir haben hier eine Art Archäologie der<br />

Archäologie” (123). Viele Fragen wirft die Gestalt<br />

des Orion auf und die Darstellung einer einzigartigen<br />

Tierwelt, bestehend aus Haus-, Wild- und regelrechten<br />

Fantasietieren, gestaffelt auf mehrere<br />

Ebenen hintereinander, die M. Osanna sorgfältig<br />

beschreibt und kenntnisreich deutet als ein Unikum<br />

im Reigen mythologischer Oriongeschichten.<br />

Mit Pompeji verbinden wir den Begriff Graffiti in<br />

seinen vielfältigen Ausprägungen; darum geht es<br />

in Kapitel 5 (153–177). „Viele Texte beeindrucken<br />

mit einer solchen Menschlichkeit, wie sie uns in<br />

dieser 'Flaschenpost' vom Untergang Pompejis<br />

erreicht, sowie dadurch, dass sie in direkter und<br />

vertrauter Weise ewig Aktuelles, Zeitloses thematisieren<br />

wie Liebe, Freundschaft, Sehnsucht, Wut,<br />

Dreistigkeit, Sexualität in jedem Sinne. Und auch<br />

Zitate von Dichtern, auswendig gelernte Verse,<br />

Stilübungen fleißiger Schüler, die stolz ihre literarische<br />

Bildung zur Schau stellten” (155). (Der erste<br />

Vers des ersten Buch der Aeneis ist nicht weniger<br />

als siebzehnmal auf den Wänden Pompejis zu finden!).<br />

M. Osanna nimmt dabei nur die Casa del<br />

Giardino in den Blick („Auch im Atrium reißen die<br />

Überraschungen nicht ab. Die Wände dieses Raumes<br />

sind regelrecht von Inschriften, Zeichnungen<br />

und Karikaturen übersät” S. 168), dort fand man<br />

in einem Raum, der wohl nur zeitweise benutzt<br />

wurde, eine auf Augenhöhe mit Zeichenkohle<br />

geschriebene Notiz, welche „der Vermutung<br />

Nahrung gibt, der Vesuvausbruch habe sich nicht<br />

im Sommer (am 24. August) ereignet, sondern<br />

erst im Herbst (Oktober? November?)” (168). In<br />

einem cubiculum, in dem Umbauarbeiten stattfanden,<br />

war zu lesen: XXVI K NOV IN OLEARIA /<br />

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