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Neben der Eingangstür in die Casa di Orione kam ein in roten Lettern geschriebener Wahlaufruf zum Vorschein. Er nennt den<br />
Namen des Celsus, der als Ädil kandidierte. Die Abkürzung unter dem Namen kehrt in vielen dieser tituli picti wieder, mit denen<br />
für die Wahl einer bestimmten Person geworben wurde.<br />
Mit Kapitel 3 kommt Massimo Osanna in die Zeit,<br />
als der Vesuv die Stadt verschüttete: „Straßen,<br />
Häuser, Läden: neue Erkenntnisse aus der Regio<br />
V” (77-122), wo sich im Vicolo dei Balconi eine<br />
Reihe von Häusern mit maeniana (maenianum =<br />
Balkon) erhalten haben und jenes Thermopolium,<br />
dessen Bilder kürzlich um die Welt gingen (vgl.<br />
Farbabbildung 29). Die Ergebnisse neuer Grabungen<br />
werden hier erstmals vorgestellt. Der Leser<br />
durchschreitet Straßen und Gebäude und wird<br />
dabei vom (vormaligen) Leiter des Archäologischen<br />
Parks von Pompeji persönlich aufmerksam<br />
gemacht auf Stuckdekoration und Fassadenverkleidung,<br />
Graffiti an den Wänden innen und<br />
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Wahlaufrufe draussen, auf die Raumaufteilung in<br />
der Casa di Orione, die Belegung der einzelnen<br />
cubicula, Küchenausstattung, Fußbodenbeläge<br />
und Umbauten; es geht um die Klinen im Triclinium<br />
und deren Besetzung, „üblicherweise drei<br />
Personen (manchmal auch nur zwei, wie es in<br />
vielen bildlichen Darstellungen der Fall ist, besonders<br />
wenn die Atmosphäre aufgeheizt und das<br />
Bankett ausschweifender wurde)” (1<strong>02</strong>), um das<br />
Interior Design und die unterschiedlichen Pompejanischen<br />
Stile. „Die Orion-Mosaike: Bilder durch<br />
die Sterne deuten” stehen im Zentrum von Kapitel<br />
4. „Hier zeigt sich der unermüdliche Wunsch der<br />
Eigentümer, das Alte zu bewahren, indem man es<br />
restaurierte. In den wichtigsten Räumen des Hauses<br />
wurde, wie wir schon gesehen haben, eine<br />
Dekoration belassen, die auf das 2. Jh. v. Chr. zurückgeht,<br />
eine Epoche, die gern als das 'goldene<br />
Jahrhundert' von Pompeji bezeichnet wird. Kurz<br />
gesagt, wir haben hier eine Art Archäologie der<br />
Archäologie” (123). Viele Fragen wirft die Gestalt<br />
des Orion auf und die Darstellung einer einzigartigen<br />
Tierwelt, bestehend aus Haus-, Wild- und regelrechten<br />
Fantasietieren, gestaffelt auf mehrere<br />
Ebenen hintereinander, die M. Osanna sorgfältig<br />
beschreibt und kenntnisreich deutet als ein Unikum<br />
im Reigen mythologischer Oriongeschichten.<br />
Mit Pompeji verbinden wir den Begriff Graffiti in<br />
seinen vielfältigen Ausprägungen; darum geht es<br />
in Kapitel 5 (153–177). „Viele Texte beeindrucken<br />
mit einer solchen Menschlichkeit, wie sie uns in<br />
dieser 'Flaschenpost' vom Untergang Pompejis<br />
erreicht, sowie dadurch, dass sie in direkter und<br />
vertrauter Weise ewig Aktuelles, Zeitloses thematisieren<br />
wie Liebe, Freundschaft, Sehnsucht, Wut,<br />
Dreistigkeit, Sexualität in jedem Sinne. Und auch<br />
Zitate von Dichtern, auswendig gelernte Verse,<br />
Stilübungen fleißiger Schüler, die stolz ihre literarische<br />
Bildung zur Schau stellten” (155). (Der erste<br />
Vers des ersten Buch der Aeneis ist nicht weniger<br />
als siebzehnmal auf den Wänden Pompejis zu finden!).<br />
M. Osanna nimmt dabei nur die Casa del<br />
Giardino in den Blick („Auch im Atrium reißen die<br />
Überraschungen nicht ab. Die Wände dieses Raumes<br />
sind regelrecht von Inschriften, Zeichnungen<br />
und Karikaturen übersät” S. 168), dort fand man<br />
in einem Raum, der wohl nur zeitweise benutzt<br />
wurde, eine auf Augenhöhe mit Zeichenkohle<br />
geschriebene Notiz, welche „der Vermutung<br />
Nahrung gibt, der Vesuvausbruch habe sich nicht<br />
im Sommer (am 24. August) ereignet, sondern<br />
erst im Herbst (Oktober? November?)” (168). In<br />
einem cubiculum, in dem Umbauarbeiten stattfanden,<br />
war zu lesen: XXVI K NOV IN OLEARIA /<br />
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