Hans Stegemann, DAA RB-Workshop MASF am 31.08. und ... - Lasa
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Vortrag: <strong>Hans</strong> <strong>Stegemann</strong>, <strong>DAA</strong><br />
<strong>RB</strong>-<strong>Workshop</strong> <strong>MASF</strong> <strong>am</strong> <strong>31.08.</strong> <strong>und</strong> 01.09.2011<br />
Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit -<br />
was heißt das <strong>und</strong> was ist im <strong>RB</strong> leistbar?<br />
1. Was heißt Beschäftigungsfähigkeit?<br />
2. Beschäftigungsfähigkeit versus Teilnehmerprofil (<strong>RB</strong>)<br />
3. Ganzheitlich fördern <strong>und</strong> fordern statt lebenslang alimentieren.<br />
4. Das kann das <strong>RB</strong> noch leisten.<br />
Zu 1. Sehr geehrte D<strong>am</strong>en <strong>und</strong> Herren,<br />
klicken Sie Wikipedia an <strong>und</strong> fragen nach Beschäftigungsfähigkeit. Dann erhalten<br />
Sie als erstes folgende Erläuterung: Beschäftigungsfähigkeit wird bezogen auf das<br />
Individuum <strong>und</strong> seine Eigenschaften, insbesondere auf die Verfügbarkeit von<br />
persönlichen, fachlichen, sozialen <strong>und</strong> methodischen Kompetenzen. Des Weiteren<br />
wird Arbeitsfähigkeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit als Gr<strong>und</strong>voraussetzung genannt.<br />
Der Begriff Beschäftigungsfähigkeit wird gerne von dem angelsächsischen Begriff<br />
„employability“ abgeleitet. Doch weise ich darauf hin, dass sich sowohl das Ausbil-<br />
dungssystem, der Arbeitsmarkt <strong>und</strong> arbeitsmarktliche Instrumente als auch das<br />
Wirtschaftssystem in England gr<strong>und</strong>sätzlich vom deutschen unterscheiden. D<strong>am</strong>it<br />
gehen Erwartungen <strong>und</strong> Anforderungen auch von anderen Voraussetzungen aus<br />
<strong>und</strong> sind nicht 1 : 1 übertragbar.<br />
Employability weist eine Individuum bezogene Dimension aus, die u. a. den<br />
Anspruch hat, dass der Einzelne Veränderungen <strong>und</strong> Anforderungen auf dem<br />
Arbeitsmarkt erkennen <strong>und</strong> nachvollziehen kann.<br />
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Dem gegenüber definiert die Technologiestelle des DGB/NRW auf ihren Websites<br />
(www.demobib.de): „Beschäftigungsfähig ist, wer dauerhaft <strong>am</strong> wirtschaftlichen<br />
<strong>und</strong> sozialen Leben teilhaben kann.“<br />
Der zur Verfügung gestellte „Check zur Beschäftigungsfähigkeit“ lässt unschwer<br />
erkennen, dass in die Bewertung von Beschäftigungsfähigkeit nur Menschen<br />
kommen können, die sich in einem Arbeitsverhältnis befinden.<br />
Im Diskurs „Beschäftigungsfähigkeit oder Maximierung von Beschäftigungsop-<br />
tionen?“ aus: Expertisen <strong>und</strong> Dokumentationen zur Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialpolitik<br />
(Friedrich-Ebert-Stiftung) heißt es: „Arbeitsmarkterfolg des Einzelnen wird zum<br />
Maßstab von Beschäftigungsfähigkeit.“<br />
Dazu gehören 3 Aspekte:<br />
1. Aspekt - Phasen des Beschäftigungsverhältnisses:<br />
a) Anstellung<br />
b) Erfolgreiche Entwicklung<br />
c) Wechsel zu einer besseren Stelle<br />
2. Aspekt - Fluide, arbeitsmarktseitige Konkretisierung:<br />
Im Sinne von: „Flexibilität als Anpassungsleistungen an fluide Anforderungen stellt<br />
den Kern von Beschäftigungsfähigkeit als individuelle Eigenschaft dar.“<br />
3. Aspekt - Polyvalente Eigenschaft des Individuums:<br />
Im Sinne von „Die Ges<strong>am</strong>theit seiner Einstellungen, Bereitschaften, Fähigkeiten<br />
zum Arbeitsmarkt setzt eine hohe Reflexionsfähigkeit voraus.“<br />
Diese 3 Aspekte münden in eine Definition von „Beschäftigungsfähigkeit“ von Dr.<br />
Katrin Kraus, Uni Zürich, ein:<br />
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„Beschäftigungsfähigkeit“ (BFK) bzw. employability bezeichnet die Ges<strong>am</strong>theit<br />
individueller Fähigkeiten <strong>und</strong> Bereitschaften, die es den Einzelnen ermöglichen,<br />
Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, sich wertschöpfend in Arbeitsprozesse<br />
einzubringen <strong>und</strong> über eine kontinuierliche reflexive <strong>und</strong> evaluierende<br />
Beobachtung des Verhältnisses von vorhandener <strong>und</strong> nachgefragter Arbeitskraft<br />
sowie eine darauf aufbauende Anpassung der eigenen Arbeitskraft in<br />
Beschäftigung zu bleiben.“<br />
In der folgenden kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff wird auf der einen<br />
Seite „Beschäftigungsfähigkeit“ als Neuausrichtung <strong>und</strong> Neudefinition des<br />
„Normalarbeitsverhältnisses“ angesehen, auf der anderen Seite wird aber auch<br />
„Beschäftigungsfähigkeit“ zweidimensional bewertet. Im engeren Sinn als Ablei-<br />
tung von employability. Hier wird das Individuum für die Realisierung von Beschäf-<br />
tigung allein verantwortlich gemacht. Dem gegenüber wird Beschäftigungsfähigkeit<br />
(i.w.S.) als strukturelle Bedingungen, die in erheblichem Maße als externe Fak-<br />
toren die Beschäftigungsfähigkeit (i.e.S.) beeinflussen, definiert.<br />
Zu 2. Inwieweit können wir mit gutem Gewissen von „Entwicklung von Beschäfti-<br />
gungsfähigkeit“ sprechen, wenn die Teilnehmer im <strong>RB</strong> langzeitarbeitslos (bis zu<br />
15 Jahre bzw. ca. 6 Jahre im Durchschnitt) sind.<br />
Lassen Sie mich zunächst als Beispiel für viele Regionen Brandenburgs folgende<br />
Feststellung der Geschäftsführung der BA/Ffo. im Februar 2011 wiedergeben:<br />
Bezüglich des Arbeitslosenbestandes ergibt sich derzeit, differenziert nach<br />
Rechtskreisen, folgende Verteilung:<br />
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Im SGB II befinden sich 76 % <strong>und</strong> im SGB III 24 % Arbeitslose (absolut 4200).<br />
Dabei ist hervorzuheben, dass die verfestigte Arbeitslosigkeit, bezogen auf die<br />
76 % im RK SGB II, bei 87 liegt.<br />
„Verfestigte Arbeitslosigkeit“ bedeutet lt. Anmerkung der BA-Mitarbeiter:<br />
Instrumente allein aus dem SGB III reichen nicht mehr aus, die Langzeitarbeits-<br />
losen (LZA) in den 1. Arbeitsmarkt zu integrieren.<br />
Anmerkung:<br />
Prof. Dr. Bäcker sprach auf der Veranstaltung des <strong>MASF</strong> <strong>am</strong> 29.08.2011 in<br />
Potsd<strong>am</strong> von der „Spaltung des Arbeitsmarktes in SGB II- <strong>und</strong> SGB III-K<strong>und</strong>en.“<br />
Die Problemlagen der <strong>RB</strong>-Teilnehmer sind vielschichtig <strong>und</strong> äußern sich nicht nur<br />
als individuelle Vermittlungshemmnisse, sondern immer mehr als gruppenspezi-<br />
fische Vermittlungshemmnisse. In einem einjährigen <strong>RB</strong>-Projekt mit 40 TN in<br />
Frankfurt (Oder), in enger Zus<strong>am</strong>menarbeit mit dem Jobcenter, wurde diesen<br />
Umständen didaktisch-methodisch Rechnung getragen. Als ganzheitlich, syste-<br />
mischer Ansatz wurden <strong>RB</strong>-Teilnehmer mit ihren unmittelbaren Angehörigen in<br />
dem Projekt bezüglich der Handlungsfelder: Arbeit, Bildung, Ges<strong>und</strong>heit, F<strong>am</strong>ilie,<br />
Freizeitverhalten <strong>und</strong> soziale Teilhabe, betreut. Dabei ist deutlich geworden, dass<br />
viele <strong>RB</strong>-Teilnehmer zunächst wieder sozial in die Gesellschaft integriert werden<br />
müssen, bevor sie in den 1. Arbeitsmarkt integriert werden können.<br />
Zu 3. Vergleicht man BFK i.e.S. mit dem <strong>RB</strong>-K<strong>und</strong>enprofil, erkennen wir einen<br />
erheblich zeitintensiven <strong>und</strong> systemisch-orientierten Förder- <strong>und</strong> Handlungsbedarf<br />
in Bezug auf das Individuum. D. h. viele K<strong>und</strong>en müssen zunächst wieder sozial in<br />
die Gesellschaft integriert werden. Erst dann besteht die Chance einer Arbeits-<br />
marktintegration, allerdings in kleinen Schritten, wenn Dauerhaftigkeit <strong>und</strong> Nach-<br />
haltigkeit, insbesondere in Bezug auf die F<strong>am</strong>ilienstruktur erzielt werden sollen.<br />
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Dazu bedarf es der Realisierung von Fördermöglichkeiten, denn jede längere<br />
Unterbrechung von Maßnahmen/Projekten zur Reaktivierung bedeutet Rückfall in<br />
kontraproduktive Verhältnisse, Demotivation <strong>und</strong> destruktiven Verhaltensmustern<br />
<strong>und</strong> Einstellungen.<br />
Das <strong>RB</strong> bietet die Möglichkeit, Förderketten aufzubauen <strong>und</strong> längere „Pausen“ auf<br />
dem Weg zur Arbeitsmarktintegration zu verhindern.<br />
Beispiel einer strukturellen Förderkette:<br />
Feststellung des Reha-Bedarfs bzw. Restleistungsvermögens - Aktivierungs-<br />
projekte zur gesellschaftl. Integration, zum Heranführen an Bildung <strong>und</strong> Beschäfti-<br />
gung (durch den 2. AM niederschwellige Beschäftigung). Insbesondere in Kombi-<br />
nation mit den Instrumenten <strong>und</strong> Möglichkeiten von SGB II <strong>und</strong> SGB III ist der<br />
Aufbau von Förderketten realisierbar.<br />
Prof. Dr. Kuhnert, Prof. Richter, Prof. Guggemos sowie Prof. Buck sprechen von<br />
Förderzeiträumen von bis zu 3 Jahren, um nachhaltige Arbeitsmarktintegration zu<br />
erreichen. Insbesondere in der inhaltlichen Ausrichtung der Projekte sowie der<br />
personellen <strong>und</strong> infrastrukturellen Ergänzung hat das <strong>RB</strong> die Möglichkeit, die bis-<br />
herigen Instrumente in wesentlichen Themenfeldern zu ergänzen <strong>und</strong> zu inten-<br />
sivieren. Das <strong>RB</strong> kann somit die förderlichen Rahmenbedingungen zur Entwicklung<br />
von Beschäftigungsfähigkeit der <strong>RB</strong>-K<strong>und</strong>en in geeigneter Weise sinnvoll erweitern<br />
<strong>und</strong> gestalten.<br />
Zu 4. Die inhaltliche Erweiterung <strong>und</strong> Intensivierung der Themenfelder Arbeit,<br />
Bildung, Ges<strong>und</strong>heit, soziale Teilhabe, F<strong>am</strong>ilie <strong>und</strong> Freizeit, als ein durch das <strong>RB</strong><br />
finanzierter Baustein zur Integrationsarbeit, kann, bezogen auf die aktuellen<br />
Arbeitsmarktmöglichkeiten, noch einen wichtigen Aspekt zur Motivation, Werteein-<br />
stellung <strong>und</strong> Veränderung von Verhaltensmustern bei <strong>RB</strong>-Teilnehmern (TN)<br />
leisten.<br />
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Ich nenne diesen Aspekt: „Die didaktische Reduzierung von Beschäftigungs-<br />
fähigkeit (i.e.S.) auf Entwicklung von Selbstwertschätzung <strong>und</strong> erfahrbarer Fremd-<br />
wertschätzung zur Integration in ein Normalarbeitsverhältnis.“<br />
Bezogen auf den Wert von Arbeit <strong>und</strong> den Bedingungen des Arbeitsmarktes haben<br />
<strong>RB</strong>-TN seit 20 Jahren folgende Erfahrungen verinnerlicht. Der Arbeitgeber bietet<br />
Arbeit an, selektiert die Bewerber nach seinem Ermessen (u. a. nach Förder-<br />
fähigkeit) <strong>und</strong> bestimmt den Ges<strong>am</strong>twert von Arbeit hinsichtlich Inhalt, Entlohnung<br />
<strong>und</strong> persönlicher Verzichtsbereitschaft des Arbeitnehmers (lange Fahrzeiten,<br />
unbezahlte Überst<strong>und</strong>en, Wochenendarbeit, Bereitstellung Pkw etc.).<br />
Der Arbeitnehmer hat sich mit der Rolle des demütigen, austauschbaren<br />
Arbeitnehmers abzufinden.<br />
Demografischer Wandel, anhaltende Abwanderung <strong>und</strong> deutlich anziehende<br />
Konjunktur führen insbesondere seit 2011 zu einer deutlichen Nachfrage nach<br />
Fachkräften <strong>und</strong> Auszubildenden. Hier vollzieht sich ein Paradigmenwechsel. Der<br />
Wert der Arbeitskraft steigt. Sie wird für die Arbeitgeber (AG) von einem<br />
„ubiquitären“ Gut zur „Rarität“. Heute werben Unternehmen Fachkräfte <strong>und</strong><br />
Auszubildende in Brandenburg mit zusätzlichen Leistungen <strong>und</strong> Angeboten. Vielen<br />
<strong>RB</strong>-TN ist die neue Situation von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt<br />
nicht bekannt. Darüber hinaus sind sie zurzeit persönlich nicht in der Lage, diese<br />
Chance psychisch <strong>und</strong> physisch für sich zu nutzen. Mental muss ihnen <strong>und</strong> ihren<br />
Angehörigen über die Entwicklung von Selbstwahrnehmung <strong>und</strong> Selbstwertgefühl<br />
die aktuelle Arbeitsmarktsituation als Neuanfang vermittelt werden. Hier kann das<br />
<strong>RB</strong> essentielle Unterstützung zur Entwicklung von Einstellungs- <strong>und</strong><br />
Verhaltensänderung durch zusätzliche Betreuungsangebote leisten. D<strong>am</strong>it gewinnt<br />
Bildung auch wieder an Wert. Bisher diente die Teilnahme an Bildungsmaß-<br />
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nahmen für <strong>RB</strong>-K<strong>und</strong>en u. a. der Sicherung von KdU, als Einstieg in einen Minijob<br />
oder in ein prekäres Arbeitsverhältnis. Jetzt muss <strong>RB</strong>-Teilnehmern in einem<br />
intensiven Prozess deutlich gemacht werden, dass Bildung der weiteren<br />
Wertsteigerung ihrer Arbeitskraft dient <strong>und</strong> sie die Möglichkeit haben, durch<br />
Bildung sich nicht nur von Mitbewerbern abzuheben, sondern ihren eigenen<br />
Marktwert steigern zu können. Dazu muss den <strong>RB</strong>-Teilnehmern aber auch der<br />
Zugang zu Neuen Lernkulturen (Prof. Dr. Dehnbostel) ermöglicht werden. Auch<br />
hier bietet das <strong>RB</strong> über seine Projekte eine ausgezeichnete Möglichkeit, LZA aller<br />
Altersgruppen sukzessiv mit selbst organisiertem <strong>und</strong> selbst gesteuertem Lernen<br />
vertraut zu machen. Dabei ist das Ziel „Integration in ein Normalarbeitsverhältnis“<br />
für mehr <strong>RB</strong>-Teilnehmer erreichbar. Somit kann sich der Kreis schließen, wenn wir<br />
uns an Teil 1 meines Vortrages erinnern. Denn erst im Arbeitsverhältnis kann/soll<br />
sich Beschäftigungsfähigkeit (i.e.S.) als Marktwert beim Individuum selbst<br />
entwickeln können.<br />
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