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HR Today Nr 6 2021 Compensation and Benefits

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<strong>2021</strong><br />

N°<br />

6<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong><br />

Know-how for tomorrow<br />

COMPEN­<br />

Beruflicher<br />

Quereinstieg<br />

Ein Programm der Universität St. Gallen<br />

hilft Gastronomiemitarbeitenden, in der<br />

Versicherungsbranche Fuss zu fassen.<br />

Seite 12<br />

Social<br />

Investment<br />

Anleger entscheiden sich immer öfter<br />

für Firmen mit zeitgemässen Personalstrategien.<br />

Der Druck aufs <strong>HR</strong> steigt.<br />

Seite 45<br />

Ferien bei<br />

Quarantäne?<br />

Müssen Mitarbeitende Ferien beziehen,<br />

weil sie in Zwangsisolierung gehen müssen?<br />

Drei Experten im Disput.<br />

Seite 59<br />

SATION<br />

AND<br />

BENEFITS<br />

MIT AR­<br />

BEITENDE<br />

BETEILI­<br />

GEN<br />

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EDITORIAL<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Hierarchien werden flacher, Mitarbeitende erhalten mehr Mitbestimmungsrechte:<br />

New Work prägt nicht nur, wie wir arbeiten, sondern auch, wie Entschädigungspakete<br />

geschnürt werden und wie weit Arbeitnehmende diese mitgestalten. Das wirft zusätzlich<br />

Fragen auf. Etwa, ob weniger Hierarchie automatisch mit mehr Lohntransparenz<br />

verknüpft sein müsste (Seite 30).<br />

Mehr Beteiligung schafft motivierte Mitarbeitende. Darauf zielen auch Aktienprogramme<br />

ab. Worauf bei der Einführung zu achten ist und wie neue digitale Mittel bei<br />

der Verwaltung der Aktien helfen, lesen Sie ab Seite 24.<br />

Kritisch gegenüber Fringe <strong>Benefits</strong> gibt sich dagegen Wirtschaftsquerdenker Gebhard<br />

Borck. Die wirtschaftliche Unsicherheit sei für Arbeitnehmende Anreiz genug,<br />

ihr Bestes zu geben. Dafür müsse ein Unternehmen nur Einnahmen und Ausgaben<br />

transparent machen (Seite 22). Ob mehr Mitsprache oder Mitbeteiligung: Eine einzige<br />

passende <strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong>-Lösung gibt es nicht, dafür viele verschiedene<br />

Ansätze.<br />

Zuletzt noch in eigener Sache: Ein halbes Jahr Arbeit ist in unser Redesign hineingeflossen.<br />

Nun ist es endlich soweit. Mit diesem <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> halten Sie ein aufgefrischtes<br />

Heft mit mehr Farbe, mehr <strong>HR</strong>-Persönlichkeiten und neuen Rubriken in den Händen.<br />

Ein grosses Dankeschön geht dafür an unsere Grafikerinnen Christine Schleich und<br />

Stefanie von Däniken.<br />

Wir wünschen Ihnen eine entspannte Lektüre.<br />

Corinne Päper, Chefredaktorin<br />

cp@hrtoday.ch<br />

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6 | <strong>2021</strong><br />

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3


INHALT<br />

PEOPLE<br />

8 Porträt Karin Walser, Leiterin Finanzen und Personal des<br />

Casinotheaters Winterthur, liebt ihre Doppelfunktion<br />

und treibt die Digitalisierung voran.<br />

12 Im Gespräch Patricia Widmer, Director for Diversity <strong>and</strong><br />

Management Programmes an der Universität St. Gallen,<br />

über die Umschulung von Gastromitarbeitenden.<br />

14 Sesselrücker und Events<br />

16 Afterwork Nadine Anthamatten, Personalverantwortliche der<br />

Raiffeisenbank-Genossenschaft Belalp-Simplon, schätzt ihren<br />

Wahlkanton Wallis in all seinen Facetten.<br />

SCHWERPUNKT: COMPENSATION & BENEFITS<br />

12<br />

22 Leistungsbeiträge Lohnsystem der Zukunft?<br />

24 Aktienbeteiligungsprogramme Wie Mitarbeitende<br />

zu Mitinhabern werden.<br />

29 Lohngeheimnis Weshalb wir über das Gehalt sprechen sollten.<br />

30 Holacracy Trotz flacher Hierarchie nicht immer lohntransparent.<br />

32 Fringe <strong>Benefits</strong> für Lernende Ein Plus im Kampf um Fachkräfte.<br />

34 Lohntransparenz Wann sie sich lohnt und wann nicht.<br />

THEMA<br />

16<br />

38 Arbeit und Recht Wie sich der Verkauf eines Betriebs auf die<br />

Arbeitsverhältnisse auswirkt.<br />

41 Serie: Sozialversicherung Entlastung bei der Betreuung von<br />

Angehörigen.<br />

42 Special: Personaldienstleister Beziehungsaufbau.<br />

45 Social Investment Geldgeber mischen sich immer häufiger in <strong>HR</strong>-<br />

Themen ein. Etwa bei der Gestaltung der Unternehmenskultur.<br />

48 Learning I Sich ständig verbessern.<br />

50 Learning II So funktionieren Learning-Management-Systeme.<br />

53 Learning III Informelles Lernen anerkennen.<br />

54 swissstaffing-News Weshalb die BVG-Reform gut gemeint,<br />

aber zu kurzsichtig geraten ist.<br />

MEINUNG<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

24<br />

59 Debatte Ferienzwang bei Quarantänepflicht?<br />

66 hrtoday.ch Von Leitwölfen, Dating-App-Recruiting und<br />

Konkurrenzverboten.<br />

67 Blog Kultur-Change dank der P<strong>and</strong>emie und was das für <strong>HR</strong><br />

bedeutet.<br />

69 Fokus Forschung Wieso Arbeitgebende nicht nach dem Lohn<br />

fragen sollten.<br />

70 <strong>HR</strong>-Team des Monats Mit Schwarmorganisationen zu gebündelter<br />

Expertise und agilen Arbeitsformen.<br />

4


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6 | <strong>2021</strong><br />

5


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ESG STARTET DURCH:<br />

EINE DYNAMISCHE ENTWICKLUNG IN DER ARBEITSWELT<br />

NOCH VOR EINIGEN JA<strong>HR</strong>EN WAR ESG KAUM EIN BEGRIFF – HEUTE IST DIE ABKÜRZUNG FÜR «ENVIRONMENTAL,<br />

SOCIAL AND GOVERNANCE» IN ALLER MUNDE UND AUS DEM WIRTSCHAFTLICHEN LEBEN NICHT ME<strong>HR</strong> WEGZUDENKEN.<br />

Johannes (Joop) Smits<br />

Director, People & Organisation bei PwC Schweiz<br />

Joop Smits leitet gemeinsam mit Angela Bucher den Bereich<br />

Vergütung bei PwC Schweiz. Er ist ein erfahrener <strong>HR</strong>-Experte<br />

mit Spezialisierungsgebiet «Diversity, Equity <strong>and</strong> Inclusion»<br />

(DEI) und leitet das DEI-Kundenserviceangebot für PwC in<br />

Kontinentaleuropa.<br />

Mitarbeitenden soll ein Umfeld geboten werden, welches berufliche<br />

und persönliche Weiterentwicklung ermöglicht und das Wohlbefinden<br />

stärkt. Die Firmenkultur ist dabei elementar – unternehmerische<br />

Verantwortung und sozialer Zweck stehen<br />

im Zentrum. Die anvisierten ESG-Ziele sollten in Einklang<br />

mit den Vorstellungen der Mitarbeitenden stehen. So kann<br />

z. B. die Initiierung von «Purpose Challenges» (z. B. Pendeln mit dem<br />

Fahrrad) die Zusammengehörigkeit und den Gemeinschaftsbeitrag stärken.<br />

Angela Bucher<br />

Director, People & Organisation bei PwC Schweiz<br />

Angela Bucher leitet gemeinsam mit Joop Smits den Bereich<br />

Vergütung bei PwC Schweiz. Fokus ihrer Tätigkeiten ist die Ausgestaltung<br />

von variablen Vergütungssystemen, insbesondere von<br />

langfristigen Vergütungsmodellen.<br />

Diversität der Mitarbeitenden kann das Unternehmen in vielerlei<br />

Hinsicht stärken: Unterschiedliche Menschen führen zu einem<br />

breiteren Spektrum an Skills, fördern Kreativität und begünstigen<br />

ein Denken «outside the box». Um dieses Potenzial<br />

zu erschliessen, ist eine integrative Arbeitskultur unerlässlich.<br />

Die Sicherstellung von Gleichberechtigung in Bezug<br />

auf Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und jegliche sonstige Dimension<br />

von Diversität ist grundlegend. Unternehmen müssen ihre Strategie hinsichtlich<br />

«Diversity, Equity <strong>and</strong> Inclusion» (DEI) stetig weiterentwickeln und<br />

diesbezügliche Schwächen systematisch aufdecken – ausgefeilte DEI-Analysen<br />

werden zur Norm.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Roman Schneider<br />

Associate, People & Organisation bei PwC Schweiz<br />

Roman Schneider ist Management Consultant mit Fokus auf<br />

Vergütung, Corporate Governance und Lohngleichheit. In dieser<br />

Funktion beschäftigt er sich intensiv mit ESG im Schweizer und<br />

internationalen Markt.<br />

Ob Klimaw<strong>and</strong>el im Bereich Umwelt, Diversität und Inklusion im Bereich<br />

Soziales oder Managementvergütung im Bereich Governance: ESG ist<br />

omnipräsent. Neben Eigeninitiativen vonseiten der Unternehmen spielen<br />

gesellschaftliche Bewegungen gepaart mit verschärften regulatorischen<br />

Anforderungen und einer aufblühenden Marktpraxis eine entscheidende<br />

Rolle für die rapiden Entwicklungen in jüngster Zeit (1). So verlieh auch der<br />

kürzlich publizierte jährliche CEO-Brief von Larry Fink, dem Chef des weltgrössten<br />

Vermögensverwalters BlackRock, der ESG-Thematik zusätzlichen<br />

Schub. In seinem Schreiben nimmt er Konzerne in die Pflicht, ESG in der<br />

Business-Strategie zu verkörpern und auch im täglichen Geschäftsgang<br />

aktiv zu leben (2). Dass ESG ein wichtiger Punkt auf der Unternehmensagenda<br />

ist, zeigt sich auch in verschiedenen Studien und Umfragen: Führungsgremien<br />

ergreifen mehr und mehr konkrete Massnahmen, unterstreichen<br />

jedoch auch die Notwendigkeit weiterer Schritte, um das hohe<br />

Chancenpotenzial zu entfalten und inhärenten Risiken proaktiv zu begegnen<br />

(3).<br />

Die grosse ESG-Dynamik, angeheizt durch Covid-19, manifestiert sich in<br />

zahlreichen Trends, welche die Arbeitswelt nachhaltig prägen werden.<br />

Dem <strong>HR</strong> Management kommt in diesem sich schnell w<strong>and</strong>elnden Umfeld<br />

essenzielle Bedeutung zu: Es ist eine treibende Kraft hinter vielen ESG-<br />

Entwicklungen innerhalb eines Unternehmens und muss gezielt durch die<br />

damit verbundenen Spannungsfelder navigieren. Dabei ist auf folgende<br />

Bereiche besonderes Augenmerk zu richten:<br />

Ein wirkungsvolles Vergütungssystem ist eine vitale Grundlage für das<br />

Anwerben, Motivieren und Halten von Mitarbeitenden. Klassische<br />

Incentivierungsstrategien sind zurzeit stark im Umbruch:<br />

Team- anstelle individueller Boni, agile Transformation<br />

mit projekt- statt hierarchiebasierter Entlöhnung<br />

und personalisierte <strong>Benefits</strong> sind nur einige Beispiele. Gerade in<br />

kurz- und langfristigen Anreizplänen für das Top Management<br />

werden ESG-Leistungsgrössen zunehmend «state of the art» (4).<br />

Bestehende Arbeitsmodelle werden hinterfragt und neue diskutiert.<br />

Innovation und Digitalisierung geben Antrieb – Automatisierung,<br />

Homeoffice und Arbeitszeitflexibilität sind Zeichen fundamentalen<br />

W<strong>and</strong>els. Studien verdeutlichen, dass diesem<br />

neuen Zeitalter nicht nur positiv, sondern auch mit<br />

Existenzängsten begegnet wird (5). Eine Umfrage unter<br />

Schweizer CEOs ortet den Bedarf an «Upskilling»-Massnahmen, um<br />

den stetig zunehmenden Qualifikationsanforderungen gerecht zu werden (6).<br />

Entsprechend ist das <strong>HR</strong> stark gefordert. In dieser anspruchsvollen Arbeitsumgebung<br />

ist die Sensibilisierung im Hinblick auf Mitarbeitergesundheit entscheidend<br />

– «Wellbeing»-Initiativen rücken in den Fokus.<br />

Zentral wird sein, Interdependenzen zwischen verschiedenen Herausforderungen<br />

zu erkennen und zielführende <strong>HR</strong>-Initiativen schnell zu lancieren. Die<br />

Arbeitswelt verändert sich – und ESG ist ein massgebender Treiber dahinter.<br />

(1) PwC, 2020, «2022 – The growth opportunity of the century – Are you ready for the<br />

ESG change?».<br />

(2) Blackrock, <strong>2021</strong>, «Larry Fink’s <strong>2021</strong> letter to CEOs».<br />

(3) PwC, <strong>2021</strong>, «PwC’s 2020 Annual Corporate Directors Survey’. / PwC, 2020, ‘ESG<br />

oversight: The corporate director’s guide».<br />

(4) PwC, <strong>2021</strong>, «Paying well by paying for good».<br />

(5) PwC, <strong>2021</strong>, «Hopes <strong>and</strong> fears <strong>2021</strong> – The views of 32’500 workers».<br />

(6) PwC, <strong>2021</strong>, «Swiss edition of the 24th Annual CEO Survey».<br />

6<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>


PEOPLE<br />

Karin Walser (Seite 8) • Patricia Widmer (Seite 12) • Sesselrücker (Seite 14)<br />

3 Fragen an…<br />

Abt Christian Meier,<br />

Benediktinerkloster Engelberg,<br />

Referent am Ostschweizer Personaltag<br />

Interview: Christine Bachmann<br />

Sie referieren am Ostschweizer<br />

Personaltag. Was möchten Sie<br />

den Teilnehmenden mit<br />

Ihrem Vortrag auf den Weg<br />

geben?<br />

Abt Christian: Ich möchte<br />

die Botschaft vermitteln,<br />

dass die Klöster sich den gleichen<br />

personellen Problemen<br />

stellen müssen wie alle <strong>and</strong>eren<br />

Unternehmen auch. Unser Glaube<br />

befreit uns nicht davor. Da wir gesellschaftlich<br />

zudem fast nicht wahrgenommen werden, ist es für uns<br />

umso schwieriger, Menschen für das klösterliche Leben zu begeistern.<br />

Als Abt sind Sie für die Führung des Klosters zuständig und<br />

damit auch so etwas wie der oberste Personaler. Welche<br />

<strong>HR</strong>-Fragen beschäftigen Sie?<br />

Die grossen Fragen zurzeit sind: Wie geht es weiter mit unserer Schule?<br />

Finden wir noch junge Mönche, die sich in der Stiftsschule Engelberg<br />

mit Internat engagieren wollen? Bis zu welchem Punkt können wir<br />

eine gute Balance zwischen Mönchen, Mitarbeitenden und Finanzen<br />

halten und gesund bleiben? Wie könnte es nach uns Mönchen weitergehen?<br />

Das Aufgabenfeld eines Klosters ist riesig, um die eigenen<br />

Talente und Begabungen zu leben und zu verwirklichen.<br />

Wie gehen Sie persönlich mit diesen Herausforderungen um?<br />

Unser Ordensgründer der heilige Benedikt (480–547 n. Chr.) schreibt<br />

in seiner Regel: «Der Abt sei sich immer seiner eigenen Gebrechlichkeit<br />

bewusst.» Das ist ganz wichtig, denn ich kann nicht alles und<br />

habe nicht alleine für alles die richtige Lösung. Vielmehr bin ich ein<br />

Puzzleteil vom Ganzen. Positiv in meiner Stellung ist vielleicht, dass<br />

ich gewisse Dinge nicht einfach nur an Mitbrüder delegieren kann,<br />

sondern auch an den «lieben Gott». Auch ein Abt ist am Ende nur<br />

ein Mensch mit seinen Grenzen.<br />

personaltag.ch<br />

Andreas Wyler,<br />

KMU Personal AG<br />

Lunch-Check<br />

«Es scheint bald zu regnen»,<br />

sagt die Bedienung des<br />

Casinotheaters in Winterthur<br />

und führt uns sicherheitshalber<br />

zu einem Tisch<br />

mit Sonnenschirm auf der<br />

Terrasse des Restaurants Fredi.<br />

Die Menukarte ist den P<strong>and</strong>emie-geschuldeten<br />

Umständen<br />

entsprechend schlank gehalten. Das<br />

erleichtert die Auswahl. Während Andreas Wyler einen Burger mit<br />

Pommes bestellt, freue ich mich auf einen vegetarischen Flammkuchen.<br />

Die Masken dürfen wir nicht abnehmen, während wir auf<br />

unsere Getränke und<br />

das Essen warten. Das<br />

gestaltet die Konversation<br />

etwas schwierig.<br />

Unser Gespräch dreht<br />

sich bald um Personalentwicklung:<br />

«Diese ist<br />

in vielen Unternehmen<br />

praktisch nicht vorh<strong>and</strong>en»,<br />

sagt Wyler und<br />

nennt als Beispiel dafür<br />

einen Bauleiter, der sein Unternehmen aus Frust verliess, weil ihm<br />

sein Arbeitgeber keine Karrieremöglichkeiten aufzeigen konnte.<br />

Wylers Vermittlungstätigkeit verhalf dem Bauleiter in einem neuen<br />

Betrieb zu einer Kaderposition. Als bei seinem alten Arbeitgeber<br />

eine passende Führungsposition frei wurde, liess sich der Bauleiter<br />

zurückvermitteln. Ein Vorgehen, das Wyler vor Rätsel stellt: «Statt<br />

ihn vor Ort zu entwickeln, liess ihn die Firma zuerst ziehen, um ihn<br />

dann wieder zurückzuholen. Das ist bizarr, nicht nur weil sie dadurch<br />

zweimal eine Vermittlungsgebühr bezahlte.» Das ginge auch<br />

<strong>and</strong>ers. Etwa so wie bei einem amerikanischen IT-Unternehmen,<br />

das seine Geschäftsfelder an den Fähigkeiten seiner Mitarbeitenden<br />

ausrichtet. Zur Personalentwicklung gäbe es wohl noch viel zu<br />

sagen. Leider geht die Mittagspause viel zu schnell vorbei, ausserdem<br />

ziehen bedrohliche Wolkenberge auf. Wir verabschieden uns<br />

deshalb und freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen bei Sonnenschein.<br />

Restaurant Fredi, Stadthausstrasse 119, 8400 Winterthur<br />

casinotheater.ch/restaurant-fredi<br />

presented by<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

7


AKTUELL<br />

Porträt<br />

FOTOS: Aniela Lea Schafroth<br />

2020–heute<br />

Leiterin Finanzen und Personal<br />

in der Casinotheater Winterthur AG,<br />

Winterthur<br />

2008–2020<br />

Leiterin Finanzen, Administration<br />

und Personal bei der Geilinger AG,<br />

Winterthur<br />

1981–1984<br />

Kaufmännische Lehre in der<br />

Druckerei Winterthur AG,<br />

Winterthur<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

8


AKTUELL<br />

Porträt<br />

FERN DES RAMPENLICHTS<br />

SEIT GUT EINEM JA<strong>HR</strong> VERANTWORTET KARIN WALSER DAS PERSONAL UND DIE FINANZEN DES CASINOTHEATERS<br />

WINTERTHUR. WIE SIE BEIDEN ROLLEN GLEICHERMASSEN GERECHT WIRD,<br />

WAS DIE COVID-19-PANDEMIE FÜR EINEN THEATER- UND GASTRONOMIEBETRIEB BEDEUTET,<br />

UND WIE SIE DIE DIGITALISIERUNG VORANTREIBT.<br />

Text: Christine Bachmann<br />

«Denn die einen sind im Dunkeln und die <strong>and</strong>ern<br />

sind im Licht. Und man siehet die im Lichte, die<br />

im Dunkeln sieht man nicht.» Dramatiker Bertolt<br />

Brechts Liedzeile aus der «Dreigroschenoper»<br />

passt perfekt zu Karin Walser, die nicht gerne im<br />

Rampenlicht steht. «Das überlasse ich lieber<br />

<strong>and</strong>eren», sagt die Leiterin Finanzen und Personal<br />

des Casinotheaters Winterthur. Doch heute tut<br />

sie es «ausnahmsweise» für den Kulturbetrieb, mit<br />

dem die Winterthurerin seit ihrer Jugend verbunden<br />

ist. «Mich für dieses Unternehmen und seine<br />

Mitarbeitenden einzusetzen, freut mich sehr»,<br />

sagt Walser, «auch wenn der Zeitpunkt meines<br />

Stellenantritts im Februar 2020 alles <strong>and</strong>ere als<br />

optimal war.»<br />

Von manuell zu digital<br />

Kaum hat sie begonnen, kommt der erste Lockdown.<br />

Der Theater- und Gastronomiebetrieb muss<br />

im März 2020 seine Türen schliessen und die meisten<br />

der 56 festangestellten Mitarbeitenden sowie<br />

rund 60 Aushilfskräfte nach Hause schicken. Karin<br />

Walser hält mit wenigen Kolleginnen und Kollegen<br />

die Stellung. «Ein intensiver Einstieg. Ich musste<br />

mich nicht nur einarbeiten, sondern erst einmal<br />

Kurzarbeitsgesuche einreichen.» Ein neues Terrain<br />

für Walser, die sich schlau machen und herausfinden<br />

muss, welche Daten und Zahlen sie den<br />

Behörden übermitteln muss und welche Fristen<br />

sie einzuhalten hat. Zudem war es Walser und<br />

dem Rest der Geschäftsleitung ein grosses Anliegen,<br />

das Team auch in dieser Ausnahmesituation<br />

zusammenzuhalten. Eine zusätzliche Herausforderung?<br />

«Die Zeitwirtschaft lief im Casinotheater<br />

völlig manuell ab. Weder Dienstpläne noch Stundenabrechnungen<br />

waren digitalisiert.»<br />

Deshalb initialisierte Karin Walser im Frühsommer<br />

2020 gemeinsam mit Geschäftsführer Beat Imhof<br />

ein digitales Zeitmanagementsystem mit Fingerabdruck,<br />

das im Spätsommer eingeführt wurde.<br />

«Eine unglaubliche administrative Erleichterung,<br />

die ich nicht mehr missen möchte. Haben wir<br />

davor gut zwei Tage investiert, um die ganzen<br />

Daten zusammenzutragen und abzurechnen,<br />

braucht es heute kaum mehr als einen Knopfdruck.»<br />

Nebst der Zeitwirtschaft sieht die Leiterin<br />

Finanzen und Personal zusätzlich Potenzial bei<br />

den Schnittstellen der digitalen Systeme im Casinotheater.<br />

Beispielsweise beim Kassensystem des<br />

Restaurants Fredi und der Finanzbuchhaltung.<br />

Diese möchte Karin Walser bis 2022 modernisieren.<br />

«Mit der Evaluation beginnen wir bereits jetzt. Ich<br />

bin sehr dankbar, dass ich dabei auf die Unterstützung<br />

meiner Teamkollegin Aniko Feher zählen<br />

kann.»<br />

ALS PERSONALERIN<br />

SUCHE ICH IMMER<br />

EINEN WEG, UM MITTEL<br />

ZU FINDEN.<br />

KARIN WALSER, LEITERIN FINANZEN UND<br />

PERSONAL, CASINOTHEATER WINTERTHUR<br />

Karin Walser ist eine Person, die beharrlich dranbleibt,<br />

und eine Macherin, die sich zu 100 Prozent<br />

einsetzt. Das hat auch Auswirkungen auf ihr Privatleben.<br />

«Seit ich hier bin, muss ich meine Work-<br />

Life-Balance noch finden.» Vor allem, da ihre<br />

Tochter und ihr Sohn ausgeflogen seien. «Wenn<br />

ich mich nicht bremse, kann ich schon bis in den<br />

Abend hinein arbeiten.» Um vom Gaspedal zu<br />

kommen, sucht die 56-Jährige deshalb den Ausgleich<br />

in der Natur beim W<strong>and</strong>ern, Velofahren<br />

oder Bücherlesen im Str<strong>and</strong>korb in ihrem Garten.<br />

Von den Finanzen zum <strong>HR</strong><br />

Ins <strong>HR</strong> gerutscht ist Karin Walser erst vor knapp<br />

15 Jahren. Nach einer dreijährigen Lehre als<br />

kaufmännische Angestellte bei der Druckerei<br />

Winterthur, die sie 1984 abschliesst, arbeitet sie<br />

die ersten vier Jahre im Betrieb ihres Vaters im<br />

Immobilien- und Verwaltungsbereich. 1988 verlässt<br />

sie die A. Güntensperger AG und sammelt in verschiedenen<br />

Unternehmen im Finanz- und Administrationsbereich<br />

weitere berufliche Erfahrungen.<br />

«Sekretariatsarbeiten, Buchhaltungen und<br />

Abrechnungen prägten meinen Alltag», sagt<br />

Walser. 1992 kommt Karin Walsers Tochter zur<br />

Welt, 1994 folgt der Sohn. Sie entscheidet sich,<br />

aufgrund ihrer Mutterschaft nur noch Teilzeit zu<br />

arbeiten. «Für meine Kinder da zu sein und ihre<br />

Entwicklungsschritte zu begleiten, war mir ein<br />

grosses Anliegen.» 2006 sind ihre Kinder 12 und 14<br />

Jahre alt. Selbstständig genug, dass Karin Walser<br />

sich wieder nach einer Vollzeitstelle umsehen kann.<br />

Ein Nachbar macht sie auf die Stelle als Mitarbeiterin<br />

Finanzen, Personal und Administration beim<br />

Metall- und Fassadenbau-Unternehmen Geilinger<br />

Zum Unternehmen<br />

Casinotheater Winterthur<br />

Das Casinotheater Winterthur ist eines der<br />

bekanntesten Theaterhäuser der Schweiz. 2002<br />

eröffnet, wird es von Schweizer Künstlerinnen und<br />

Künstlern aus der Comedyszene wie Mike Müller,<br />

Patrick Frey und Viktor Giacobbo getragen. Das<br />

Haus dient vorwiegend der Kleinkunst mit<br />

Comedy, Kabarett, Satire, Poetry Slam und Improtheater.<br />

Neben dem Auftritt bekannter Künstler<br />

werden junge und unbekannte Künstler entdeckt<br />

und gefördert. Der Saal des Theaters bietet Platz<br />

für 354 Personen und der Festsaal je nach Bestuhlung<br />

für bis zu 450 Personen. Daneben gibt es<br />

zwei Bankettzimmer, ein Sitzungszimmer, einen<br />

Tanzsaal sowie ein Restaurant mit Garten.<br />

casinotheater.ch<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

9


AKTUELL<br />

Porträt<br />

in Winterthur aufmerksam. Walser erhält die<br />

Stelle. «Das war mein Kaltstart ins <strong>HR</strong>.»<br />

2008 bekommt sie die Chance, die Bereichsleitung<br />

zu übernehmen. Zu Beginn habe sie <strong>HR</strong><br />

aufgrund ihrer Unkenntnisse ein wenig stiefmütterlich<br />

beh<strong>and</strong>elt. «Bis ich mich intensiver damit<br />

ausein<strong>and</strong>ergesetzt habe und merkte, dass <strong>HR</strong><br />

keine Nebenbeschäftigung, sondern für die Firmenkultur<br />

und die Mitarbeitenden bedeutsam<br />

ist.» Um für diese Herausforderung gerüstet zu<br />

sein, absolviert die passionierte Zahlenfrau eine<br />

Ausbildung zur <strong>HR</strong>-Fachfrau. Daneben verfeinert<br />

sie ihr <strong>HR</strong>-Wissen durch zahlreiche Weiterbildungen,<br />

unter <strong>and</strong>erem im Arbeitsrecht und Datenschutz.<br />

«Immer wenn ich in meinem Leben eine<br />

neue Situation antreffe, erkundige ich mich,<br />

welche Fortbildungen es in diesem Bereich gibt.»<br />

Karin Walser ist es ein grosses Anliegen, ihr Wissen<br />

zu erweitern und zu vertiefen.<br />

Bei Geilinger setzt sich Walser fortan genauso<br />

für das <strong>HR</strong> ein wie für die Finanzen. «Eine Doppelposition,<br />

die mich bis heute fasziniert, auch wenn<br />

sich die beiden Bereiche ab und an beissen.» Das<br />

passiere häufig dann, wenn man Mitarbeitende<br />

mit einem Anlass oder einer Weiterbildung etwas<br />

Gutes tun wolle, sich aber gleichzeitig frage, ob<br />

das finanziell wirklich drin liegt. «Als Personalerin<br />

suche ich aber immer einen Weg, um Mittel zu<br />

finden.»<br />

Bei Geilinger ist Karin Walser nach 14 Jahren nicht<br />

nur das <strong>HR</strong> ans Herzen gewachsen, sondern auch<br />

die Menschen und die Unternehmenstätigkeit.<br />

Sie wäre wohl noch heute beim Metall- und Fassadenbau-Unternehmen<br />

beschäftigt, wäre der<br />

damals 55-Jährigen nicht das Stelleninserat des<br />

Casino theaters in die Hände gefallen: Darin war<br />

die Leitung Finanzen und <strong>HR</strong> ausgeschrieben.<br />

«Wieder diese Doppelposition», sagt Walser. Ihre<br />

Augen leuchten. «Das war meine Chance, nochmals<br />

etwas Neues anzupacken.» Walser bewirbt<br />

sich und bekommt den Job.<br />

Alltag kehrt zurück<br />

Seit ihrem Stellenantritt im Februar 2020 ist im<br />

Casinotheater zwar hinter den Kulissen viel passiert.<br />

«Den Normalbetrieb habe ich jedoch bis<br />

heute noch nicht erlebt», bedauert Walser, die<br />

sich deshalb umso mehr freut, dass an diesem<br />

Aprilmontag langsam Leben zurückkehrt.<br />

«Zumindest können wir den Terrassenbetrieb<br />

unseres Restaurants Fredi wieder aufnehmen und<br />

den Theaterbetrieb mit bis zu 50 Personen öffnen.»<br />

Eine positive Wende, meint Karin Walser.<br />

Das freut nicht nur sie. Auch die Mitarbeitenden,<br />

die während unseres Gesprächs aufkreuzen, um<br />

kurz hallo zu sagen. Die Finanz- und <strong>HR</strong>-Leiterin<br />

hat auch in dieser Situation für jeden ein offenes<br />

Ohr. «Mir ist es ein Anliegen, den Puls der Mitarbeitenden<br />

zu spüren und zu wissen, wie es<br />

ihnen geht.» Um am operativen Alltag dranzubleibe,<br />

nimmt Karin Walser zudem am täglichen<br />

Morgenmeeting teil, an dem die Bereichsleiterinnen<br />

und -leiter den laufenden Betrieb besprechen.<br />

Da der Betrieb wieder anlaufe, stehen als nächstes<br />

die Mitarbeitendengespräche an. «Aufgrund<br />

der zahlreichen Abwesenheiten haben wir diese<br />

vertagt, weil wir einen Online-Austausch zu<br />

unpersönlich f<strong>and</strong>en», erklärt Walser. «Das passt<br />

nicht in unsere Kultur.» Für die 13-köpfige erweiterte<br />

Geschäftsleitung inklusive Stellvertretung<br />

organisiert Karin Walser mit dem Geschäftsleitungsteam<br />

vor Ort zudem einen Kaderworkshop.<br />

«Wir sind ein junges Team, das in der Führung<br />

noch dazulernen muss.» Angesprochen auf ihren<br />

eigenen Führungsstil antwortet Karin Walser:<br />

«Ich kann durchaus sagen, was ich möchte, und<br />

mich durchsetzen, ohne autoritär zu wirken.»<br />

Wichtig als Führungsperson sind ihr Transparenz,<br />

Ehrlichkeit und Authentizität und «etwas lieber<br />

zwei Mal ansprechen als einmal zu wenig». Daneben<br />

schätzt Walser ihre zwei Geschäftsleitungskolleginnen<br />

und den -kollegen als Sparringpartner.<br />

Finanzieller Engpass<br />

Ein Austausch und ein Zusammenhalt, die wichtig<br />

bleiben werden, denn die stürmischen Zeiten<br />

sind für den nicht subventionierten Kultur- und<br />

Gastronomiebetrieb längst nicht vorbei. Erleichterung<br />

würde die Verlängerung der Kurzarbeit<br />

ab August bringen. «Sonst könnte es auch für<br />

uns eng werden», sagt die Finanz- und <strong>HR</strong>-Leiterin.<br />

Zwar konnte bislang die finanzielle Lücke<br />

mit Ausfallsentschädigungen, Kurzarbeit, der<br />

P<strong>and</strong>emieversicherung sowie der grosszügigen<br />

Unterstützung von Gönnerinnen und Gönnern,<br />

Sponsoren und Partnern getragen werden. «Die<br />

Unsicherheit bleibt aber weiterhin bestehen»,<br />

sagt Karin Walser. «Da heisst es: positiv bleiben<br />

und die Ärmel hochkrempeln.»<br />

a<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

10


AKTUELL<br />

Porträt<br />

KURZ UND BÜNDIG<br />

KABARETT<br />

ODER COMEDY?<br />

Comedy. Ich mag die leichtere Art des Humors mehr<br />

als den politischen Humor.<br />

Asket oder<br />

Genussmensch?<br />

Ein Genussmensch. Ich geniesse das Zusammensein mit<br />

<strong>and</strong>eren Menschen bei einem guten Glas Wein oder einem<br />

exzellenten Essen.<br />

Das Video-Interview mit Karin Walser:<br />

hrtoday.ch<br />

Büro oder<br />

Homeoffice?<br />

Sommer<br />

oder Winter?<br />

Eigentlich mag ich den Winter sehr, aber da ich ein<br />

«Gfrörli» bin, gebe ich dem Sommer den Vorzug.<br />

Büro. Ich brauche den Austausch im Team.<br />

POP ODER<br />

KLASSIK?<br />

Eindeutig Pop – und da die ganze Palette.<br />

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6 | <strong>2021</strong><br />

11


PEOPLE<br />

Im Gespräch<br />

DER GROSSE UMBRUCH<br />

AUF DER EINEN SEITE WERDEN FACHKRÄFTE GESUCHT, AUF DER ANDEREN SEITE<br />

SIND VIELE ARBEITNEHMENDE ARBEITSLOS. WIE SICH DIE BETROFFENEN WEITER<br />

QUALIFIZIEREN KÖNNEN UND DEN ANSCHLUSS IN DER ARBEITSWELT HALTEN, ZEIGT<br />

EIN AKTUELLES PROJEKT DER UNIVERSITÄT ST. GALLEN.<br />

Interview: Corinne Päper<br />

Einige Branchen durchlaufen derzeit einen massiven W<strong>and</strong>el und<br />

bauen Stellen ab. Andere suchen händeringend nach Fachkräften.<br />

Wie können wir diese Umbruchphase bewältigen?<br />

Patricia Widmer: Von Betroffenen braucht es Mut, Beharrlichkeit,<br />

Kreativität, Offenheit und Flexibilität, bei der Bewerbung neue Wege zu<br />

gehen. Es braucht zudem ein Umdenken bei der Rekrutierung, damit<br />

nicht lineare Karriereverläufe positiv besetzt werden. Firmen müssen<br />

davon wegkommen, nur den aktuellen Wissens- und Erfahrungsst<strong>and</strong><br />

von K<strong>and</strong>idaten zu betrachten, und ihren transferierbaren Fähigkeiten<br />

mehr Aufmerksamkeit schenken. Das ist zu ihrem Vorteil: Quereinsteigende<br />

bringen frischen Wind und neue Blickwinkel in die Unternehmen.<br />

Dafür braucht es jedoch vermehrt Weiterbildungsangebote und Initiativen,<br />

die diesen Umstieg erleichtern.<br />

Sie haben kürzlich ein Projekt zur Umschulung für Quereinsteigende<br />

aus Hotellerie, Gastro und Tourismus sowie für Cabincrew-Angestellte<br />

lanciert. Universität St. Gallen und diese Berufsgruppen: ein Widerspruch?<br />

Wir beschäftigen uns schon fast zehn Jahre mit Wiedereinstiegen und<br />

Umschulungen. Beispielsweise mit «Women Back to Business» oder<br />

einem Programm für Pilotinnen und Piloten, das wir letztes Jahr lancierten.<br />

Letztlich haben uns aber die Auswirkungen der P<strong>and</strong>emie dazu<br />

bewogen, einen entsprechenden Beitrag zu leisten und unser Angebot<br />

auszubauen. Wir wollen damit einen gesellschaftlichen W<strong>and</strong>el bewirken.<br />

Was ist das Ziel des Programms?<br />

Das Reskilling-Sales-Programm ermöglicht Arbeitnehmenden, durch<br />

eine Umschulung unkompliziert in <strong>and</strong>ere Branchen einzusteigen: Serviceorientierte<br />

Personen erhalten Wissen, Werkzeuge und praktisches<br />

Training, um ihre Karriere im Vertrieb neu zu gestalten. Dazu arbeiten<br />

wir mit der Digital-Recruiting-Agentur Lionstep zusammen. Diese evaluiert<br />

geeignete K<strong>and</strong>idaten aus Branchen, die durch wirtschaftliche<br />

Entwicklungen oder aufgrund der fortschreitenden Automatisierung<br />

Jobs abbauen, wir an der HSG schulen die Arbeitnehmenden in einem<br />

auf die Bedürfnisse der Partnerunternehmen zugeschnittenen Programm<br />

und Lionstep vermittelt sie im Anschluss an diese sowie an <strong>and</strong>ere Organisationen.<br />

Die von Ihnen angesprochenen Arbeitnehmenden haben oft einen<br />

kleinen Bildungsrucksack und beziehen Niedriglöhne. Das erschwert<br />

eine Weiterbildung. Wo liegen die Möglichkeiten einer Umschulung<br />

und wo die Grenzen?<br />

Es gibt zahlreiche Beispiele aus der Praxis, die zeigen, dass eine Umschulung<br />

gelingen kann. Mitarbeitende aus Hotellerie und Gastronomie sowie<br />

Cabincrew- und Tourismusangestellte haben einen grossen Rucksack an<br />

Fähigkeiten: Sie können beispielsweise gut auf Menschen zugehen, unter<br />

Druck arbeiten und sind serviceorientiert. Diese Talente können sie auch<br />

in Bereichen wie dem Verkauf nutzen. Um das Programm zu absolvieren,<br />

braucht es jedoch eine hohe Motivation und den starken Willen, etwas<br />

Neues zu erlernen.<br />

Die Betroffenen haben oft mangelnde Deutschkenntnisse. Inwiefern<br />

berücksichtigen Sie das im Programm?<br />

Das Angebot besteht vorwiegend aus englischen Unterrichtseinheiten.<br />

Selbstverständlich müssen die Betroffenen ihre Deutsch-, Französisch- oder<br />

Italienischkenntnisse je nach Sprachniveau und Einsatzort in der Schweiz<br />

noch verbessern.<br />

Wie halten Sie die Eintrittshürden niedrig?<br />

Das Reskilling-Sales-Programm ist ein Online-Programm. Teilnehmende<br />

können sich deshalb von überall zuschalten. Zudem dauert das Programm<br />

nur zwei Wochen und wird jeweils abends durchgeführt. Bei der Auswahl<br />

der Teilnehmenden geht es weniger um deren formalen Abschluss als um<br />

ihre Einstellung. Die Offenheit, Neues anzugehen, sowie Mut und Flexibilität<br />

sind bei der Programmteilnahme am wichtigsten.<br />

Welche Inhalte werden vermittelt?<br />

Inhalte, die Teilnehmende auf die Arbeit im Aussendienst, Kundendienst<br />

oder Verkauf vorbereiten. Dabei liegt der Fokus auf Verkaufspraktiken,<br />

Kundenzentriertheit, Kundenbedürfnissen, Kommunikation, Präsenz und<br />

Wirkung sowie Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit zuzuhören.<br />

Was sind die Minimalanforderungen an die Teilnehmenden?<br />

Sie müssen mindesten 18 Jahre alt sein, eine Arbeitserlaubnis in der Schweiz<br />

haben und englische Unterrichtsinhalte verstehen.<br />

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6 | <strong>2021</strong><br />

VON FACHLEUTEN FÜR FACHLEUTE: Informatik & Telekommunikation, Medien, Kommunikation, Marketing<br />

12


Im Gespräch<br />

PEOPLE<br />

Wie wird dieses Programm finanziert?<br />

Unsere Partnerfirmen Lionstep, Amag, Brack, Helvetia Versicherungen,<br />

Localsearch und Coople übernehmen einen Grossteil der Kurskosten, sodass<br />

die Teilnehmenden nur einen kleinen Beitrag leisten müssen.<br />

Im Fokus Ihrer Bemühungen sind auch Piloten. Wie kam es dazu?<br />

Pilotinnen und Piloten waren zu Beginn der P<strong>and</strong>emie stark von den Corona-<br />

Massnahmen betroffen. Wir haben deshalb das «Check-in to Management»-<br />

Programm für sie lanciert. Dieses richtet sich an Piloten, die sich für eine<br />

Managementposition interessieren. Ein Pilot trägt die Verantwortung für<br />

mehrere hundert Passagiere und die Cabincrew. Diese Fähigkeiten lassen<br />

sich übertragen, beispielsweise auf eine Führungsposition in einem Unternehmen.<br />

Bei den Piloten wie auch den Unternehmen ist unser Angebot auf<br />

grosse Begeisterung gestossen. Das hat uns dazu bewogen, weitere Dienstleistungen<br />

aufzubauen.<br />

Werden Sie Mitarbeitende aus weiteren Branchen berücksichtigen –<br />

etwa Bekleidungsverkäuferinnen?<br />

Wir werden das Programm ausbauen. Im Herbst <strong>2021</strong> folgen Bereiche wie<br />

Data Analytics und Online-Marketing.<br />

Daneben planen Sie einen Career-Relaunch-Event. Worum h<strong>and</strong>elt es<br />

sich?<br />

Die Career-Relaunch-Tagung findet jährlich statt, im kommenden Jahr zum<br />

dritten Mal. Wechselwillige Personen oder Stellensuchende können sich an<br />

diesem Tag informieren und werden auf mögliche Karrierewege aufmerksam.<br />

Dazu stellen Unternehmen ihre Einstiegsprogramme vor, während<br />

Arbeitnehmende erzählen, wie ihnen der Wiedereinstieg oder Umstieg<br />

gelungen ist. Wichtig ist auch das Netzwerken unterein<strong>and</strong>er.<br />

Menschen mit Bruchstellen im Lebenslauf haben es als Quereinsteiger<br />

oft schwerer, eine Stelle zu finden. Wie nehmen Sie die Situation wahr?<br />

Das ist sicherlich so, obwohl langsam ein Umdenken stattfindet. Um diesen<br />

Prozess zu beschleunigen, haben wir ein «Career Empowerment»-Label<br />

lanciert, das Firmen und Organisationen auszeichnet, die Menschen mit<br />

nicht linearen Lebensläufen einstellen.<br />

Sind <strong>HR</strong>-Fachkräfte in der Rekrutierung zu risikoavers?<br />

Der Mythos eines klassischen Karriereverlaufs hält sich stark. Dafür sehe ich<br />

drei Hauptgründe: Einerseits, weil eine <strong>HR</strong>-Fachkraft einen Vorgänger nachahmt.<br />

So hat sie das Gefühl, nichts falsch zu machen. Ausserdem werden<br />

lineare und nicht lineare Karriereverläufe häufig gegenein<strong>and</strong>er ausgespielt,<br />

statt dass ein Unternehmen transferierbare Fähigkeiten eines K<strong>and</strong>idaten<br />

wahrnimmt. Daneben orientieren sich Firmen immer noch an vertikalen<br />

Karriereverläufen und suchen auf traditionelle Weise und in traditionellen<br />

Kanälen nach Mitarbeitenden. Das hat sehr stark mit dem Mindset und der<br />

Kultur zu tun. Recruiter müssen über ihren Tellerr<strong>and</strong> hinausschauen, wenn<br />

sie die besten Mitarbeitenden anziehen möchten. Es ist sinnlos, immer<br />

wieder dasselbe zu tun, dadurch Personen mit gleichen Eigenschaften zu<br />

rekrutieren und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. a<br />

FOTO: ZVG<br />

Patricia Widmer<br />

Patricia Widmer ist seit Oktober 2014 an der Universität St. Gallen<br />

tätig, wo sie den englischen Studiengang des Zertifikatskurses<br />

«Women Back to Business» sowie das «Women’s Leadership<br />

Programme» aufbaute und Director for Diversity <strong>and</strong> Management<br />

Programmes ist. «Lionstep Career Transfer» ist ein Programm,<br />

das die Universität St. Gallen zusammen mit der Zürcher<br />

Digital-Recruiting-Agentur Lionstep erarbeitet hat. Es ermöglicht<br />

Arbeitnehmenden den Quereinstieg in eine <strong>and</strong>ere<br />

Branche durch ein auf die Bedürfnisse der Partnerfirmen zugeschnittenes<br />

Umschulungsprogramm. Lionstep evaluiert hierfür<br />

K<strong>and</strong>idaten aus Branchen, in denen die wirtschaftliche Entwicklung<br />

oder die fortschreitende Automatisierung zu einem Jobabbau<br />

geführt hat, und vermittelt sie im Programmanschluss an<br />

die Partnerfirmen sowie an weitere Organisationen. Am Programmstart<br />

können maximal 350 Personen teilnehmen. Voraussichtlich<br />

werden weitere Kurse im Verlauf des Jahres angeboten.<br />

lionstep.com/reskilling-sales-programme<br />

WIR WOLLEN EINEN<br />

GESELLSCHAFTLICHEN<br />

WANDEL BEWIRKEN.<br />

PATRICIA WIDMER<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

13


PEOPLE<br />

Sesselrücker<br />

SESSELRÜCKER<br />

Marco Monego übernimmt per 1. Juni <strong>2021</strong> eine neue Position<br />

bei Lidl International und wird künftig als Geschäftsleiter das<br />

<strong>HR</strong>-Partnering zwischen der Zentrale und den 32 Lidl-L<strong>and</strong>esgesellschaften<br />

verantworten – darunter auch die Schweiz. Bis<br />

dahin bleibt er Chief Human Resources Officer bei Lidl Schweiz,<br />

wo er seit 13 Jahren in verschiedenen <strong>HR</strong>-Funktionen tätig ist.<br />

Tanja Stauffer ist seit 1. April <strong>2021</strong> Head of Human<br />

Resources bei Samsung Electronics und damit für<br />

die Schweiz und Österreich verantwortlich. Zuletzt<br />

war sie mehrere Jahre als Head of <strong>HR</strong> für das<br />

Schweizer Unternehmen Panalpina tätig.<br />

Ann Miller-Rauch ist seit 1. April <strong>2021</strong> Global <strong>HR</strong><br />

bei der Nemetschek SE. Sie war zuletzt als Vice<br />

President People Communications & Strategy Enablement<br />

bei SAP beschäftigt. Der AEC-Industrie-<br />

Softwareanbieter Nemetschek Group ist weltweit<br />

an 82 St<strong>and</strong>orten vertreten – unter <strong>and</strong>erem mit<br />

der ALLPLAN Schweiz AG in Wallisellen.<br />

Miriam Plater ist seit März <strong>2021</strong> Chief People Officer<br />

bei der ThomasLloyd Group. Sie arbeitet seit<br />

2018 beim Investment- und Beratungsunternehmen<br />

und war bis dahin Personalchefin. Davor war<br />

Mirjam Plater International Director of Human<br />

Resources bei Goodwin Procter. Die ThomasLloyd<br />

Group ist weltweit tätig, die Schweizer Sitze befinden<br />

sich in Zürich und Lausanne.<br />

Antje Schüssler führt als VP <strong>HR</strong> seit 1. April <strong>2021</strong><br />

den Personalbereich von Mazda in Europa. Damit<br />

ist sie für sämtliche <strong>HR</strong>-Belange von Mazda Motor<br />

Europe sowie der europäischen Mazda-Organisationen<br />

zuständig – darunter auch jene der Schweiz.<br />

Schüssler ist seit 2006 bei Mazda tätig.<br />

Wer hat wann und wo eine neue Stelle angetreten? Das erfahren Sie hier. Weitere Sesselrücker finden Sie auf hrtoday.ch<br />

Haben Sie die Stelle gewechselt? Schicken Sie uns eine E-Mail: redaktion@hrtoday.ch<br />

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Sterben dieBienen<br />

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8. RANDSTAD-AWARD<br />

VIRTUELLE ARBEITGEBER-<br />

AWARDVERLEIHUNG<br />

HOMEOFFICE, DIE UNTERNEHMENSKULTUR UND WAS SICH ARBEITNEHMENDE<br />

WÜNSCHEN: THEMEN, UM DIE SICH DIE DIESJÄ<strong>HR</strong>IGE RANDSTAD-ARBEITGEBER-<br />

AWARDVERLEIHUNG DREHTE. RUND 500 TEILNEHMENDE HABEN DAS<br />

AUFGEZEICHNETE VIDEO MITTLERWEILE AUF YOUTUBE GESEHEN.<br />

«Bravo! Ein Zeugnisgenerator, der<br />

uns insbesondere aufgrund der<br />

professionellen Textbausteine wie<br />

aber auch der Mehrsprachigkeit und<br />

Benutzerfreundlichkeit überzeugt.»<br />

Jérémie Agard, <strong>HR</strong> Consultant, JobCloud AG<br />

Arbeit im Homeoffice<br />

<strong>2021</strong>: ein<br />

alleinstehendes<br />

Paar in einer<br />

grosszügigen<br />

Wohnung, ein<br />

Mitarbeitender<br />

mit zwei Kollegen<br />

in einer Wohngemeinschaft<br />

und ein<br />

Elternpaar mit zwei Kindern<br />

in eher beengten<br />

Wohnverhältnissen. Als die<br />

Homeoffice-Pflicht kam, hatten<br />

Mitarbeitende mit unterschiedlichsten<br />

Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen. Wie sich diese äusserten, illustrierten die einleitenden Filmsequenzen<br />

des am 20. April 2020 digital ausgestrahlten R<strong>and</strong>stad-Award-Events. «Mussten wir<br />

im vergangenen Jahr den Anlass noch absagen, haben wir mit der Übertragung aus dem Fernsehstudio<br />

eine neue Lösung gefunden», freute sich R<strong>and</strong>stad-CEO Taco Vries.<br />

«Covid hat einiges verändert», konstatierte im Anschluss Olivier L<strong>and</strong>erer, der bei R<strong>and</strong>stad für<br />

die Employer-Br<strong>and</strong>-Studie zuständig ist, für die er 4301 Arbeitnehmende in der Schweiz befragt<br />

hatte. Was Arbeitnehmenden <strong>2021</strong> am wichtigsten ist? Ein angenehmes Arbeitsklima, gefolgt<br />

von einem wettbewerbsfähigen Gehalt und Arbeitssicherheit. Am wenigsten zufrieden waren<br />

Mitarbeitende im letzten Jahr mit den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Die Art und Weise, wie Firmen Arbeitnehmende im Homeoffice unterstützten, habe deren Loyalität<br />

gestärkt oder vermindert, konstatiert L<strong>and</strong>erer. Insgesamt fühlten sich nur neun Prozent<br />

ihrem Unternehmen gegenüber weniger loyal, am wenigsten waren es Mitarbeitende zwischen<br />

25 und 34 Jahren (10 Prozent). Die Studie zeigt zudem, dass Remote Work bleiben wird, geht es<br />

nach dem Willen der Arbeitnehmenden. So wollen 41 Prozent der Babyboomer, 45 Prozent der<br />

Generation X, 45 Prozent der Millennials und 35 Prozent der Generation Z weiterhin im Homeoffice<br />

arbeiten. Dabei zeichnet sich ab: «Es gibt keine Einheitslösung, die für alle passt.» In dieselbe<br />

Richtung zielt Pim de Morree, Mitgründer von Corporate Rebels, bei seinem Gastauftritt am<br />

R<strong>and</strong>stad-Award: «Firmen müssen Mitarbeitenden zuhören und herausfinden, was sie brauchen,<br />

damit diese ihre Leistung erbringen können.» Wolle jem<strong>and</strong> nur einen Tag im Büro verbringen,<br />

jem<strong>and</strong> <strong>and</strong>erer dagegen fünf Tage, sei beides ok. «Firmen müssen nach Wegen suchen, wie sie<br />

unterschiedliche Mitarbeiterbedürfnisse mitein<strong>and</strong>er vereinbaren.» Das gelte für alle Personalthemen.<br />

Einheitslösungen hätten ausgedient, so auch in der Personalentwicklung. «Mitarbeitende<br />

wollen Autonomie und sich kontinuierlich verbessern», sagt de Morree. Dafür müssten Firmen<br />

Gelegenheiten schaffen. Im Wettbewerb um begehrte Fachkräfte werde zudem wichtiger, nichts<br />

schönzufärben: «Verhält sich ein Unternehmen <strong>and</strong>ers, als es in Unternehmensbroschüren kundtut,<br />

fliegt das auf und kommt bei potenziellen Fachkräften nicht gut an.»<br />

Fast eine Dreiviertelstunde ist seit Sendebeginn vergangen. Eine gewisse Ungeduld macht sich<br />

breit: Wer sind nun die Gewinner? Moderatorin und R<strong>and</strong>stad Employer Br<strong>and</strong>ing Manager Nadja<br />

Hansen schreitet zur Rangverkündigung, wobei die ersten 15 Plätze von zwei Slampoeten angekündigt<br />

werden. Etwa mit: Journey you go along together – SBB. «Unter den Teilnehmenden gibt<br />

es viele Newcomer», bemerkt Taco de Vries. Die Top 5 seien seit vergangenem Jahr aber fast gleich<br />

geblieben: Flughafen Zürich gefolgt von Patek Philippe, Lindt & Sprüngli, Rolex und Swiss. (cp)<br />

zeugnis.ch<br />

powered by Avenir & <strong>HR</strong> <strong>Today</strong><br />

6 | <strong>2021</strong><br />

15


PEOPLE<br />

Afterwork<br />

NADINE ANTHAMATTENS<br />

SEHNSUCHTSORT IST DAS WALLIS<br />

IM NEUEN FORMAT «AFTERWORK» STELLEN WIR <strong>HR</strong>-FACHLEUTE INS RAMPENLICHT UND ENTLOCKEN<br />

IHNEN VORLIEBEN AUS I<strong>HR</strong>EM PRIVATEN UND BERUFLICHEN ALLTAG.<br />

Text: Christine Bachmann<br />

Nadine Anthamatten,<br />

Raiffeisenbank Belalp-Simplon<br />

Genossenschaft, Naters<br />

Personalverantwortliche und<br />

Berufsbildnerin <strong>HR</strong>-Fachfrau<br />

mit eidg. Fachausweis<br />

1. Mein<br />

Lieblingsrestaurant?<br />

Im Moment wahrscheinlich jedes, Hauptsache, es ist<br />

offen (sie lacht). Ich liebe Lokale, die ein spezielles Konzept<br />

haben. Kurz vor dem Lockdown habe ich die<br />

«Gianni Genussmanufaktur GmbH» in Naters entdeckt.<br />

Eine kleine feine Manufaktur, die Bistro, Restaurant,<br />

Weinkurse und Delikatessen-Shop unter einem<br />

historischen Dach vereint – eine echte Trouvaille.<br />

2. Ein<br />

<strong>HR</strong>-Tool,<br />

das ich im Alltag nutze?<br />

Ich bin begeistert, welche Vielfalt an Tools der Markt heute<br />

bietet. In unserer Banken-Infrastruktur sind wir jedoch sehr<br />

limitiert und können diese Möglichkeiten kaum ausschöpfen.<br />

Weil Menschen im Zentrum meiner Arbeit stehen, ist mein<br />

aktuelles Lieblingstool Skype – damit wir auch im Home office<br />

mitein<strong>and</strong>er verbunden bleiben.<br />

3. WAS ICH AM<br />

<strong>HR</strong> SCHÄTZE?<br />

Die Vielfältigkeit unseres Berufs. Bei der Grösse unserer Bank<br />

kann jede und jeder Einzelne vieles bewirken. Besonders gerne<br />

gestalte ich Neues – beispielsweise regelmässige Kultur-Workshops<br />

für unsere Führungskräfte.<br />

4. MEIN<br />

Lieblingshobby?<br />

Seit vielen Jahren ist das W<strong>and</strong>ern meine Lieblingsfreizeitbeschäftigung.<br />

Es ist Sport und Entspannung<br />

zugleich, da die Hektik des Alltags schon nach wenigen<br />

Schritten in den Hintergrund rückt. Mich beeindruckt<br />

die Schönheit unserer Bergwelt immer wieder<br />

aufs Neue. Das Sprichwort «into the mountains I go –<br />

to lose my mind <strong>and</strong> find my soul» bringt meine<br />

Gefühle auf den Punkt.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

16<br />

F o t o : S c h w e i z T o u r i s m u s / I v o<br />

S c h o l z


5. MEIN<br />

LIEBLINGSBUCH?<br />

Mich faszinieren wahre Geschichten und An- oder Einsichten<br />

von Menschen. Gerade habe ich ein beeindruckendes<br />

Interview von Muhammad Yunus gehört, der die Vision<br />

einer Wirtschaft verfolgt, die allen Menschen dient und<br />

Chancen ermöglicht. So wird sein Buch «Social Business»<br />

vermutlich mein nächstes Lieblingsbuch.<br />

6. Mein<br />

Sehnsuchtsort<br />

in der Schweiz?<br />

Meine Wahlheimat Wallis bietet zahlreiche herrliche<br />

Sehnsuchtsorte. Im Sommer sind es fast alle<br />

Berggipfel. Im Winter liegt mein Sehnsuchtsort<br />

auf dem Winterw<strong>and</strong>erweg nach der Fiescheralp<br />

Richtung Bettmeralp. Dort herrscht ein besonderes<br />

Ambiente, eine Ruhe und Weite mit einer<br />

atemberaubenden Rundumsicht auf unzählige<br />

schneebepuderte Gipfel.<br />

F o t o : F r e d e r i c H u b e<br />

r<br />

7. MEINE GRÖSSTE<br />

Extravaganz?<br />

Ich bin eine Generalistin – das zieht sich durch mein ganzes Leben. Durch<br />

mein extrem breites Interesse mache ich vieles selber oder probiere Neues<br />

aus. Unser Haus haben wir vorwiegend selbst gebaut, ich ernte eigene<br />

Indianerbananen, Spargeln oder Kakis, nähe Dinge, die ich gerade brauche,<br />

male, schreinere und so weiter. Am liebsten würde ich noch viel mehr tun –<br />

doch auch bei mir hat der Tag nur 24 Stunden.<br />

8. Mein liebster Künstler?<br />

Ich bewundere Künstler generell, da sie sich einer Sache voll und ganz hingeben und<br />

an sich arbeiten. Gute Musiker öffnen das Herz der Menschen. Einer meiner Lieblingskünstler<br />

ist allerdings ein Magier, der uns bei einem Dinner verzaubert hat. Seine<br />

Zaubereien vollführt Lionel Dellberg auch online. Erst kürzlich hat er in Las Vegas<br />

als erster Schweizer die «Fool Us Trophy» erhalten.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

17


SWISS <strong>HR</strong> AWARD <strong>2021</strong><br />

NOMINIERTE SWISS <strong>HR</strong> AWARD<br />

JURY-PRÄSIDENT: JÖRG BUCKMANN<br />

GESCHÄFTSFÜ<strong>HR</strong>ER BUCKMANN GEWINNT+<br />

KATEGORIE AUSBILDUNG & ENTWICKLUNG<br />

JURY<br />

Dr. Daniel C. Schmid (Geschäftsführer Swiss <strong>HR</strong> Academy & Leiter HWZ Academy)<br />

Verena Steiger (Leiterin Personelles Klubschule der Genossenschaft Migros Zürich)<br />

S<strong>and</strong>ra Eichenberger (Leiterin HSEQ, Vebego AG)<br />

EVRLEARN<br />

René Beeler<br />

René Beeler, Founder und Managing<br />

Partner bei Evrlearn: «Evrlearn<br />

ist eine digitale Plattform für das<br />

Matchmaking von berufstätigen<br />

Menschen mit passenden nationalen<br />

oder internationalen Weiterbildungen.<br />

Dank Evrlearn entwickeln diese ihre Skills und<br />

stellen ihre Arbeitsmarkt- und Zukunftsfähigkeit sicher.<br />

Unsere Kunden haben Zugang zu über 4500 Lernangeboten<br />

und zu einer Community <strong>and</strong>erer Lernender, Alumni,<br />

Arbeit gebenden und Coaches.»<br />

LUNITED<br />

Steffen Trindler<br />

Steffen Trindler, Leiter Fachstelle<br />

Berufsbildung bei der Stadt Luzern:<br />

«LUnited bietet Jugendlichen die<br />

Chance, sich über Ausbildungsmöglichkeiten,<br />

Schnupper- und<br />

Lehrstellen bei Luzerner Gemeinden<br />

zu informieren und sich direkt zu bewerben. Das<br />

LUnited-Netzwerk bietet 155 Lehrstellen in 13 Berufen bei<br />

14 Luzerner Gemeinden an und ist darauf ausgelegt, weitere<br />

Gemeinden aufzunehmen. Die Mitgliedergemeinden<br />

profitieren von einem modernen, auf Jugendliche ausgerichteten<br />

Auftritt, attraktiven Werbemitteln und einem<br />

aktiven Austausch zu Themen wie Rekrutierung, Weiterbildung<br />

und Weiterbeschäftigung.»<br />

KATEGORIE PERSONALDIENSTLEISTUNG & BERATUNG<br />

JURY<br />

Dr. Pascal Scheiwiller (CEO von Rundstedt & Partner Schweiz AG)<br />

Jol<strong>and</strong>a Grob (Chief Human Resources Officer der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG)<br />

Andreas Pichler (Inhaber und CEO Pichler & Partner AG)<br />

SOFTFACTORS<br />

Denise Fessler<br />

Denise Fessler, Partnerin bei Softfactors:<br />

«Smart Recruiting bedeutet,<br />

die Person ins Zentrum zu stellen.<br />

Softfactors prüft deshalb die Fähigkeiten,<br />

die Kompetenzen und das<br />

Persönlichkeitsprofil der Bewerbenden<br />

für die zu besetzende Position individuell. Zitat einer<br />

Bewerberin: ‹Das war ein cooler Bewerbungsprozess.›»<br />

LOHNCHECK PRO<br />

Tobias Egli<br />

Tobias Egli, Geschäftsführer bei<br />

Lohncheck: «Mit unserem System<br />

können Unternehmen ihre Löhne<br />

mit jenen der Konkurrenz vergleichen,<br />

Unstimmigkeiten in der<br />

Lohnstrategie entdecken, analysieren,<br />

ob Geschlechterdiskriminierung stattfindet, und das<br />

Budget von neuen Positionen prognostizieren. Lohncheck<br />

Pro basiert auf rund 1,4 Millionen Datensätzen von Arbeitnehmenden<br />

aus rund 30 000 Unternehmen.»<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

18


WAS IST I<strong>HR</strong> LIEBLINGSPROJEKT? WÄHLEN SIE<br />

JETZT UND BESTIMMEN SIE DIE SIEGER.<br />

JETZT VOTEN!<br />

2.–18.6.<strong>2021</strong><br />

Veranstalter<br />

Sponsored by<br />

swisshraward.ch<br />

KATEGORIE KULTUR & WANDEL<br />

JURY<br />

Adi Bucher (Head of Human Resources & Organizational Development BLKB)<br />

Astrid Blunschi Balmer (Head of Baloise Campus bei Baloise)<br />

Nadja Perroulaz (Mitgründerin und Partner bei Liip AG)<br />

SWISSCOM<br />

Sophie Prodan<br />

Sophie Prodan, <strong>HR</strong>-Business-Partnerin<br />

bei Swisscom: «Durch die<br />

Kickbox-Kampagne ‹Next Level<br />

<strong>HR</strong>› entst<strong>and</strong>en viele spannende<br />

Ideen für den <strong>HR</strong>-Bereich. Zudem<br />

konnten unsere Mitarbeitenden<br />

eigene Ideen als Intrapreneurinnen validieren und umzusetzen.<br />

Die Kickbox-Methodik eignet sich hervorragend,<br />

um disruptive Innovationen in Unternehmen zu fördern<br />

und Mitarbeitende zu motivieren sowie zu befähigen, den<br />

W<strong>and</strong>el aktiv mitzugestalten.»<br />

RAIFFEISEN SCHWEIZ<br />

Arianne Hasler<br />

Arianne Hasler, Leiterin der Abteilung<br />

Transformation bei Raiffeisen<br />

Schweiz: «Grosses kann nur<br />

gemeinsam entstehen. Deshalb<br />

gehört die Entwicklung der Unternehmenskultur<br />

zur Transformation<br />

– wobei jeder Mitarbeitende ein wichtiger Teil des Erfolgs<br />

ist. Mit unserem partizipativen Ansatz gestalten wir gemeinsam<br />

mit unseren Mitarbeitenden und der Geschäftsleitung<br />

den ‹TransformationTRAIL› und somit die Raiffeisen<br />

von morgen.»<br />

KATEGORIE START-UP<br />

JURY<br />

Cornel Müller (Mitgründer und VR <strong>HR</strong> Tech Holding AG)<br />

Ambros Scope (Head of Future Workforce Engineering, Speaker, Guest Lecturer)<br />

Nicole Herzog (Tech-Unternehmerin, Verwaltungsrätin und Business Angel)<br />

Dr. Patrick Mollet (Mitinhaber Great Place to Work Schweiz, Unternehmer und Investor)<br />

KOLLABO AG<br />

Manuel Inauen<br />

Manuel Inauen, Mitgründer und<br />

CEO bei Kollabo: «Kollabo, das digitale<br />

Ökosystem der Staffing Industry,<br />

verhilft gelernten H<strong>and</strong>werkern<br />

und Bauarbeitern mit nur einer Bewerbung<br />

schnell und unkompliziert<br />

zur passenden Stelle. Dank Einsatz modernster Technologie<br />

und einem Netzwerk von über 100 Personalbüros ist<br />

die Plattform bestens vernetzt und damit eine Win-win-<br />

Situation für Stellensuchende, Personalberater und Bauunternehmen.»<br />

SENIORS@WORK<br />

Alexis Weil<br />

Alexis Weil, Gründer und CEO bei<br />

seniors@work: «Mit unserer Freelancer-Plattform<br />

für pensionierte<br />

Talente möchten wir das enorme<br />

Potenzial und Wissen der älteren<br />

Generation der Wirtschaft und Gesellschaft<br />

zur Verfügung stellen und den Generationenaustausch<br />

fördern. Auf seniors@work können Start-ups, KMU<br />

und Privatpersonen unkompliziert mit Senior Talents in<br />

Kontakt treten und diese für bezahlte Projekte oder Teilzeitjobs<br />

engagieren, beispielsweise für administrative, h<strong>and</strong>werkliche<br />

oder Coaching-Tätigkeiten.»<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

19


©iStockphoto


SCHWERPUNKT:<br />

COMPENSATION & BENEFITS<br />

UNSICHERHEIT ALS MOTIVATION? GESPRÄCH MIT QUERDENKER GEBHARD BORCK. 22<br />

MITARBEITER BETEILIGEN WIE DAS MIT AKTIENPROGRAMMEN GELINGT. 24<br />

GEHEIMNIS UM DEN LOHN WESHALB WIR DARÜBER SPRECHEN SOLLTEN. 29<br />

HOLACRACY UND LOHNTRANSPARENZ? NICHT IMMER. 30<br />

FRINGE BENEFITS FÜR LERNENDE VIER FIRMEN GEBEN AUSKUNFT. 32<br />

LOHNTRANSPARENZ QUO VADIS? WANN SIE NÜTZT UND WANN SIE SCHADET. 34


SCHWERPUNKT<br />

<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

«CEOS SIND SEKRETÄRINNEN»<br />

LÖHNE GEBEN ZU REDEN. VOR ALLEM, WENN SIE UNGLEICH VERTEILT SIND<br />

ODER WENN MITARBEITERGRUPPEN BENACHTEILIGT WERDEN. EIN GESPRÄCH ÜBER<br />

LOHNSYSTEME DER ZUKUNFT MIT WIRTSCHAFTSVORDENKER<br />

GEBHARD BORCK.<br />

Interview: Corinne Päper<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Lohnungleichheiten zwischen Frau und Mann<br />

halten sich so hartnäckig, dass wir uns mittlerweile<br />

fast schon daran gewöhnt haben ...<br />

Gebhard Borck: Lohnunterschiede zeigen vor<br />

allem die blinden Flecken unserer Gesellschaft wie<br />

das überkommene Bild der (Haus-)Frau, die kein<br />

eigenes Einkommen braucht. Man kann schwerlich<br />

von fairen Löhnen sprechen, wenn Frauen und<br />

Männer aufgrund ihres Geschlechts unterschiedliche<br />

Löhne erhalten.<br />

Seit 1. Juli 2020 sind Unternehmen in der<br />

Schweiz mit über hundert Mitarbeitenden<br />

dazu verpflichtet, eine Lohnanalyse durchzuführen<br />

und die Ergebnisse offenzulegen. Dazu<br />

haben sie bis Juni <strong>2021</strong> Zeit. Was nützt das?<br />

Wenn ich etwas aus rechtlichen Gründen tue,<br />

daraus Erkenntnisse erlange, aber keine Konsequenzen<br />

ableiten muss, kann ich es auch bleiben<br />

lassen. Auf Freiwilligkeit zu setzen, bringt selten<br />

etwas. Deshalb ist auch in diesem Fall unmittelbar<br />

keine Veränderung zu erwarten. Das Gesetz kann<br />

aber zu mehr Verständnis der Entscheidungsträger<br />

führen. Nur sollten diese in einem weiteren<br />

Schritt mit den gewonnenen Erkenntnissen etwas<br />

tun. Auch wenn sie sich dazu nur öffentlich erklären<br />

müssen.<br />

Viele <strong>Compensation</strong>&<strong>Benefits</strong>-Modelle orientieren<br />

sich stark an traditionellen Hierarchien<br />

und beruhen auf Zielvorgaben. Hat das noch<br />

Zukunft?<br />

Wer als Vorgesetzter Leistung mit einem zu erreichenden<br />

Ziel verknüpft und seine Mitarbeitenden<br />

davon teilweise finanziell abhängig macht, will<br />

Gehorsam. Führungskräfte versuchen zudem<br />

damit, sich selbst abzusichern, und bestrafen Mitarbeitende<br />

für das Nichteinhalten eines vorgegebenen<br />

Ziels. Spätestens wenn die Boni-Zeit<br />

anbricht, beginnt das Feilschen über Zielerreichungsgrade.<br />

Geht es hauptsächlich um Geld,<br />

verhalten sich Menschen grundsätzlich egoistischer:<br />

Ist ihre Mitgestaltung nicht ernsthaft<br />

gewollt, optimieren sie eben ihr Einkommen. Wer<br />

an solchen Mechanismen festhält, fördert die<br />

Unzufriedenheit der Mitarbeitenden und macht<br />

Firmen gleichzeitig weniger anpassungsfähig.<br />

Stattdessen könnten Unternehmen Mitarbeitenden<br />

zutrauen, Unternehmensprobleme selbständig<br />

zu lösen, und Boni nicht im Voraus bestimmen,<br />

sondern den effektiv erwirtschafteten Gewinn<br />

anteilsgerecht verteilen. Damit fördern sie ein<br />

Gemeinschaftsdenken. Sich egoistisch auf die<br />

eigene Zielerreichung zu konzentrieren, lohnt sich<br />

dann immer weniger.<br />

SPÄTESTENS WENN DIE<br />

BONI-ZEIT ANBRICHT,<br />

BEGINNT DAS<br />

FEILSCHEN ÜBER ZIEL-<br />

ERREICHUNGSGRADE.<br />

GEBHARD BORCK, BERATER<br />

Zuckerbrot und Peitsche haben also ausgedient?<br />

Die britische Ökonomin Kate Raworth hat das<br />

Modell der Donut-Ökonomie entwickelt, das den<br />

Wohlst<strong>and</strong> in drei Arten unterteilt: Eigentum, Lohn<br />

und Urheberschaft (Intellectual Property). Zuckerbrot<br />

und Peitsche ist eine Praktik, um davon abzulenken,<br />

dass Eigentümer den Unternehmensgewinn<br />

verteilen, bevor Angestellte um ihr Gehalt<br />

verh<strong>and</strong>eln können. Das war nicht immer so:<br />

Henry Ford wollte den Gewinn zuerst unter der<br />

Belegschaft aufteilen. Seine Investoren/Miteigentümer<br />

zogen aber vor Gericht und Ford verlor den<br />

Prozess. Seither entscheiden Unternehmenseigentümer<br />

bei der Gewinnverteilung, welcher Anteil<br />

davon als Einkommen zur Verfügung steht.<br />

Damit wären wir bei Marx …<br />

Die Ungleichverteilung hat sich in den letzten<br />

zweihundert Jahren sicherlich verstärkt. Clever an<br />

diesem Systemerhalt ist, dass viele von uns auch<br />

Eigentümer sind. Wird das Eigentum infrage<br />

gestellt, fühlt sich der Häuslebauer genauso angegriffen<br />

wie der Nestlé-Grossaktionär.<br />

Zurück zum Geld: Inwiefern dient dieses noch<br />

als Leistungsanreiz?<br />

Ein sinnvollerer Leistungsanreiz als ein Geldbetrag<br />

ist die Unsicherheit der Zukunft. Das heisst für<br />

Mitarbeitende, einen Beitrag zu leisten, damit es<br />

ihre Firma morgen noch gibt. Das Problem in<br />

vielen Unternehmen ist, dass Vorgesetzte ihre<br />

Mitarbeitenden vor vermeintlich schlechten<br />

Nachrichten abschirmen wollen. So sagen<br />

Führungskräfte selten, wie lange das Geld noch<br />

reicht. Sind Mitarbeitende über die Finanzlage des<br />

Unternehmens dagegen informiert, passiert<br />

gemeinhin etwas <strong>and</strong>eres als angenommen: Die<br />

Besten laufen keineswegs scharenweise davon.<br />

Vielmehr fangen sie an, intelligent zu h<strong>and</strong>eln,<br />

mitein<strong>and</strong>er zu reden und nach Aufträgen zu<br />

suchen, um das Geschäft in den Griff zu bekommen.<br />

Vorgesetzte sollten sie dabei unterstützen.<br />

Sie selbst würden auch entlastet, weil sie keine<br />

heile Welt vorzuspielen brauchen und so die ganze<br />

mentale Last allein tragen.<br />

Müsste man auch Gehälter transparent<br />

machen?<br />

Es gibt keinen wissenschaftlich belegten Zusammenhang<br />

zwischen transparenten Gehältern und<br />

einem höheren Grad an Selbstorganisation.<br />

Selbstorganisation gelingt besser, wenn ein Unternehmen<br />

eine Wirtschaftlichkeitsrechnung macht<br />

und transparent darlegt, wo und wie es Geld<br />

22


<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

SCHWERPUNKT<br />

FOTO: ZVG<br />

verdient. Das reicht. Daneben sollten Mitarbeitende<br />

möglichst wenig Gründe haben, über Geld<br />

zu reden. Je häufiger darüber gesprochen wird,<br />

desto eigensüchtiger verhalten sie sich. Das Verhindern<br />

Unternehmen, indem sie Gehälter zahlen,<br />

bei denen die Lohnschere zwischen Top- und<br />

Geringverdienern nicht zu gross ausfällt, Menschen<br />

von ihrem Lohn anständig leben können<br />

und Mitarbeitende ernsthaft an den Gewinnen<br />

beteiligt werden. Dafür kann das konkrete Einkommen<br />

der Einzelnen auch gerne intransparent<br />

bleiben.<br />

Man könnte darüber diskutieren, worin der<br />

Leistungsbeitrag eines CEO besteht und ob sein<br />

Lohn gerechtfertigt ist …<br />

Genau betrachtet, wirkt der Job eines CEO in<br />

Organisationen so ähnlich wie der von Sekretärinnen:<br />

CEOs sind in vielen Projekten dabei, leisten<br />

bei der Umsetzung aber nur einen kleinen Beitrag.<br />

Dieser ist jedoch besonders wichtig, denn sie sorgen<br />

dafür, dass möglichst wenig Reibung in der<br />

Zusammenarbeit entsteht und treiben wichtige<br />

Projekte voran. Dafür bringen sie ihre Erfahrungswerte<br />

ein, räumen Hindernisse aus dem Weg,<br />

schaffen Freiräume und bringen die richtigen<br />

Menschen zusammen. CEOs müssen sich aus meiner<br />

Sicht deshalb nicht um ihre Zukunft sorgen.<br />

Viel gefährdeter sind mittlere Kaderpositionen,<br />

etwa Bereichs- oder Teamleiter, deren Managementaufgaben<br />

an Teammitglieder delegiert werden<br />

können.<br />

In welche Richtung sollten sich Lohnmodelle<br />

entwickeln?<br />

Ganz radikal gedacht könnten Unternehmen von<br />

Fixlöhnen wegkommen und sich stattdessen an<br />

Überschüssen orientieren. Verteilt wird dann, was<br />

nach Abzug aller Aufwände übrigbleibt. So würden<br />

Mitarbeitende nach ihrem Beitrag individuell<br />

prozentual entlohnt. Eine Mitarbeiterin erhält beispielsweise<br />

25 Prozent vom realen Überschuss, ein<br />

<strong>and</strong>erer Mitarbeiter nur 18 Prozent. Das bringt alle<br />

Beschäftigten automatisch dazu, unternehmerisch<br />

zu denken, und führt zu einer ernsthaften<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzung, wer wie viel beiträgt. Dafür<br />

verschwinden Ungleichheiten. Was zählt, ist, was<br />

jem<strong>and</strong> leistet, und nicht, ob jem<strong>and</strong> eine Frau<br />

oder ein Mann ist oder besser oder schlechter verh<strong>and</strong>elt<br />

hat. Schwierig ist, ein solches System mit<br />

den bestehenden Sozialsystemen abzustimmen,<br />

da die Einkünfte von Monat zu Monat schwanken.<br />

Eine weniger radikale Möglichkeit wäre, allen<br />

Mitarbeitenden einen ähnlichen Fixlohn zu bezahlen<br />

und die Überschüsse am Ende des Jahres<br />

prozentual nach dem individuellen Beitrag aufzuteilen.<br />

So erhalten alle, deren Engagement eine<br />

grosse Wirkung entfaltet hat, mehr Gewinnbeteiligung<br />

als <strong>and</strong>ere.<br />

Mit einem schwankenden Gehalt umzugehen,<br />

ist nicht jedermanns Sache ...<br />

Wer sich in einem prekären Anstellungsverhältnissen<br />

befindet, hat im Gegensatz zum Modell<br />

des eigenverantwortlichen Umgangs mit Unsicherheit<br />

keinerlei Einfluss auf seine Organisation<br />

oder seinen Lohn. Diese Mitarbeitenden können<br />

ihr Einkommen nicht verbessern und haben kein<br />

Mitbestimmungsrecht im Betrieb. Eine wahrgenommene<br />

Unsicherheit sinkt umso mehr, je mehr<br />

Menschen etwas dagegen unternehmen können.<br />

Zudem spielt es auch eine Rolle, wie stark ein Einkommen<br />

schwankt. Erziele ich in einem Monat<br />

2000 Franken und im nächsten 3500, ist mir<br />

unwohl. Schwankt mein Gehalt dagegen zwischen<br />

20 000 und 30 000 Franken, ist mir das egal.<br />

Man könnte Mitarbeitende auch zu Miteigentümern<br />

machen. Was spricht dafür?<br />

Haben Mitarbeitende ein echtes Mitspracherecht,<br />

kann das zu gut funktionierenden Modellen führen.<br />

Wie jenes der schwedischen Bank H<strong>and</strong>elsbanken,<br />

deren Hauptaktionär eine Stiftung ist, die sich praktisch<br />

im Besitz der Mitarbeitenden befindet.<br />

Gewinne schüttet das Unternehmen nicht in Geld<br />

aus, sondern verteilt Anteile eines Rentenfonds, der<br />

wiederum der Stiftung gehört. Damit hat die Belegschaft<br />

ein Stimmrecht und kann ihr Veto gegen<br />

Entscheide einlegen, die sich einseitig gegen sie<br />

richten. So ein Modell funktioniert besser, je homogener<br />

die Eigentümerschaft ist. Grossunternehmen<br />

befinden sich jedoch meist in vielen Aktionärshänden.<br />

Auch wenn Mitarbeitende aktienbeteiligt sind,<br />

besitzen sie nur wenige Prozente am Unternehmen.<br />

Sie haben keine richtige Mitsprache. Um das zu<br />

ermöglichen, müsste die Firma im grossen Stil Aktienrückkäufe<br />

tätigen und diese Aktien in die Entscheidungshoheit<br />

der Belegschaft legen. Dazu sind<br />

die meisten Grossunternehmen aber nicht bereit.<br />

Welche Beteiligungsmöglichkeiten sehen Sie<br />

sonst noch?<br />

Unternehmen könnten Mitarbeitende an ihrem geistigen<br />

Eigentum mitbeteiligen. Anstatt alle Patent-,<br />

Nutzungs- und Verwertungsrechte pauschal auf<br />

eine Firma zu übertragen, würden diese nach<br />

bestimmten Vorgaben zwischen Mitarbeitenden<br />

und Unternehmen geteilt. Mitarbeitende würden<br />

somit durch ihre Ideen Wohlst<strong>and</strong> für sich selbst<br />

schaffen. Besonders in der Softwareentwicklung<br />

könnte das an Bedeutung gewinnen. a<br />

GEBHARD BORCK<br />

Gebhard Borck ist Berater. Er versteht sich<br />

als «Transformationskatalysator für adaptive<br />

Organisationen» und plädiert für eine<br />

Führungs- und Arbeitskultur, die auf mehr<br />

Selbstbestimmung sowie Sinnentfaltung<br />

und weniger Hierarchie beruht.<br />

ataas.de<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

23


SCHWERPUNKT<br />

<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

MITLENKEN, STATT AUSFÜ<strong>HR</strong>EN<br />

FIRMEN VERLANGEN VON BESCHÄFTIGTEN ZUNEHMEND UNTERNEHMERISCHES<br />

DENKEN UND BETEILIGEN SIE DESHALB MIT AKTIEN AM UNTERNEHMEN. EIN<br />

ZUKUNFTSMODELL? WIR HABEN UNS UMGEHÖRT.<br />

Text: Corinne Päper<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Beschäftigte<br />

beteiligen sich am Unternehmen ihres Arbeitgebers.<br />

Das zeigt der aktuelle Report der European<br />

Federation of Employee Share Ownership. Demnach<br />

besassen 2020 in 2750 europäischen Firmen<br />

rund 8,1 Millionen Beschäftigte Aktien im Wert<br />

von 420 Milliarden Euro. Eine Summe, die nie zuvor<br />

erreicht wurde, und ein Trend, der sich trotz Wirtschaftskrisen<br />

und Börsencrashs fortsetzen wird.<br />

Aktienbeteiligungsprogramme gehören für Marlies<br />

Serra, Senior Tax Manager bei BDO, in Grosskonzernen<br />

längst zum Fringe-<strong>Benefits</strong>-St<strong>and</strong>ardprogramm.<br />

Nachgefragt werden diese immer<br />

häufiger, vor allem in grösseren und mittleren<br />

Betrieben. Fritz Nobs von Klingler Consultants<br />

stellt dagegen einen leicht gegenläufigen Trend<br />

fest. Allerdings unterscheidet er im Gegensatz<br />

zum «Economic Survey of Employee Sharing<br />

Ownership»-Report zwischen verschiedenen<br />

Aktienkategorien: etwa Aktiensparplänen, die<br />

allen Mitarbeitenden offenstehen, aber eine Investition<br />

ihrerseits erfordern, sowie Aktien, die Mitarbeitende<br />

zwar kostenlos erhalten, die bei ihrem<br />

Austritt aber verfallen. Berücksichtige man alle<br />

Unterschiede, böten in der Schweiz nur knapp die<br />

Hälfte der Grosskonzerne Aktienbeteiligungsprogramme<br />

für alle Mitarbeitenden.<br />

Teil des Vergütungspakets<br />

Start-up-Consultant und Fintech Advisor Miklos<br />

Vidak sagt Aktienbeteiligungsprogrammen eine<br />

glänzende Zukunft voraus. Besonders bei Startups<br />

seien sie als Instrument der Mitarbeiterbindung<br />

nicht mehr wegzudenken: «Ohne attraktive<br />

Aktienbeteiligungsprogramme können neugegründete<br />

Firmen Kaderfachleute häufig nicht<br />

gewinnen.» Die Mitarbeiterbindung ist aber nicht<br />

das einzige Motiv für Aktienbeteiligungsprogramme.<br />

Sie sind auch Teil eines Vergütungspakets<br />

oder Partnerprogramms mit Mitspracherecht<br />

in der Unternehmensführung. Zum Schutz gegen<br />

unfreundliche Übernahmen einer Firma durch<br />

Mitbewerber eignen sie sich hingegen weniger:<br />

«Mitarbeitende halten meist weniger als 15 Prozent<br />

des Aktienkapitals», sagen Vidak und Nobs.<br />

«Das ist im Normalfall nicht matchentscheidend.»<br />

OHNE BETEILIGUNG<br />

KÖNNEN NEUGEGRÜN-<br />

DETE FIRMEN KADER-<br />

FACHLEUTE HÄUFIG<br />

NICHT GEWINNEN.<br />

MIKLOS VIDAK, START-UP-CONSULTANT<br />

Aktienbeteiligungsprogramme haben Vor- und<br />

Nachteile. Fragwürdig findet Miklos Vidak besonders<br />

«Zwangsbeteiligungen», die als gesperrte<br />

Aktien einen Teil der variablen Vergütung darstellen<br />

und erst nach einer Frist von mehreren<br />

Jahren verkauft werden dürfen. «Mitarbeitende<br />

haben bei solchen Programmen wenig Mitspracherechte<br />

und sind möglicherweise einer enttäuschenden<br />

Aktienkursentwicklung ausgeliefert.»<br />

Weniger gravierend sind für Vidak Unternehmensbeteiligungen,<br />

bei denen Mitarbeitende selbst<br />

entscheiden, ob sie ihren Bonus in Aktien oder in<br />

Cash beziehen wollen.<br />

Bestehen Unternehmen dennoch auf Sperrfristen,<br />

sollten sie diese an die heutigen Gegebenheiten<br />

anpassen, fordern die Auskunftgebenden. «Zehn<br />

Jahre sind gerade für jüngere Mitarbeitende eine<br />

sehr lange Zeit», sagt Serra. Bei Start-ups komme<br />

deshalb häufig das sogenannte «Bullet Vestings-<br />

Modell» zum Zug, ergänzt Vidak. Diese Vereinbarung<br />

beinhalte eine Mindestverweildauer von<br />

12, 18 oder 24 Monaten. Verlasse ein Mitarbeitender<br />

die Firma vor Ablauf dieser Frist, fielen die<br />

Aktien entschädigungslos an das Unternehmen<br />

zurück. Danach würden die Aktien anteilsmässig<br />

meist über zwei Jahre hinweg entsperrt. Eine Zeitdauer,<br />

die Nobs als angemessen empfindet.<br />

«Aktienbeteiligungsprogramme sind ein besonders<br />

gutes Instrument, wenn die Kursentwicklung<br />

vorteilhaft ist und Mitarbeitende Aktien vergünstigt<br />

erwerben können», sagen Serra und Nobs.<br />

Das, weil Mitarbeitende vom Wertzuwachs profitieren<br />

und die Aktien bestenfalls nach einigen<br />

Jahren gewinnbringend verkaufen können. Um<br />

allfällige Enttäuschungen zu vermeiden, müssten<br />

Firmen diese Anlageinstrumente jedoch erklären,<br />

fordert Nobs. «Kurzfristig können Mitarbeitende<br />

mit Aktieninvestitionen auch Geld verlieren. Deshalb<br />

müssen sie über dieses Risiko aufgeklärt<br />

werden.» Übermässige Verluste liessen sich verhindern,<br />

wenn Mitarbeitende nicht allzu hohe<br />

Beträge investieren können. Praktisch geschehe<br />

das in der Praxis mit Vorgaben zur Maximalbeteiligung<br />

der Mitarbeitenden, ergänzen Nobs und<br />

Vidak. Letzterer empfindet solche Massnahmen<br />

aber als Bevormundung: «Mitarbeitende sollen<br />

selbst entscheiden, wie sie ihr Geld anlegen und<br />

welche Risiken sie dabei eingehen.» Von einer Kreditvergabe<br />

zum Erwerb von Aktien rät Nobs<br />

dagegen ab. «Mitarbeitende sollen sich nur im<br />

Umfang ihrer finanziellen Möglichkeiten beteiligen.»<br />

Je internationaler, desto komplexer<br />

Bei der Einführung eines Aktienprogramms lauern<br />

viele steuerrechtliche, arbeitsrechtliche, vertragliche,<br />

bewertungstechnische und buchhalterische<br />

Fallstricke, sagen Serra, Vidak und Nobs. Wie<br />

24


<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

SCHWERPUNKT<br />

FOTO: iSTOCKPHOTO<br />

kompliziert sich die Mitarbeiterbeteiligung<br />

gestalte, hänge vor allem davon ab, welches<br />

Aktienbeteiligungsprogramm ein Unternehmen<br />

wähle: die physische Abgabe von Aktien oder<br />

Aktienoptionen, bei denen Mitarbeitende das<br />

Recht erhalten, eine Aktie zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt zu erwerben. Der grösste Aufw<strong>and</strong> entsteht<br />

gemäss Vidak vor allem in der Abklärung<br />

rechtlicher und steuerlicher Aspekte wie der Kapitalerhöhung,<br />

der Mitarbeitendenschulung sowie<br />

der Vertragsabschlüsse. Hinzu kämen wiederkehrende<br />

Aufwände wie die korrekte Aktienverbuchung,<br />

die Aktienbuchführung, die Administration<br />

von Aktienverkäufen und -rückkäufen, die Ausstellung<br />

von Mitarbeitendenbescheinigungen, die<br />

Aktienbest<strong>and</strong>sbewirtschaftung bei Mitarbeiterfluktuationen<br />

und allenfalls rechtliche Ausein<strong>and</strong>ersetzungen<br />

bei Konflikten mit den Angestellten.<br />

Wolle ein Unternehmen ein Beteiligungsprogramm<br />

international ausrollen, werde es noch<br />

komplizierter: «Das kann aufgrund lokaler rechtlicher<br />

Vorgaben und steuerlicher Gegebenheiten<br />

sehr schnell aufwendig oder sogar unmöglich<br />

werden», warnt Vidak. Um Komplikationen zu<br />

vermeiden, solle ein Unternehmen bei der Lancierung<br />

eines Aktienbeteiligungsprogramms ausländische<br />

St<strong>and</strong>orte deshalb aussen vor lassen.<br />

Den Überblick bei Aktienkäufen und -verkäufen<br />

zu behalten, erweist sich ebenfalls als komplex.<br />

«Namenaktien sind im Aktienbuch der Gesellschaft<br />

einzutragen», sagt Serra. «Virtuelle Aktien<br />

kann man dagegen mit einer Software verwalten.»<br />

Benötige ein Unternehmen mehr Unterstützung,<br />

könne es eine dafür spezialisierte Firma<br />

beiziehen, die detaillierte Statistiken erstellt,<br />

ergänzt Fritz Nobs. «Für einfachere Fälle genügt<br />

eine Excel-Tabelle», meint Vidak. Ein komplettes<br />

Outsourcing der Aktienverwaltung käme meist<br />

nur bei börsenkotierten Konzernen zum Zug. Grössere<br />

Unternehmen profitieren bei der Aktienverwaltung<br />

zudem von administrativen Dienstleistungen<br />

der Grossbanken im Firmenkundenbereich.<br />

Beteiligte gestalten mit<br />

Als Aktionäre sind Arbeitnehmende auch Miteigentümer<br />

und haben ein Mitspracherecht. Das<br />

ist nicht immer unproblematisch. Trotzdem befürworten<br />

Serra, Nobs und Vidak deren Mitbestimmung.<br />

«Mitarbeitende gehören zu den wichtigsten<br />

Stakeholdern», sagt Vidak. «Sie kennen die<br />

Unternehmensstrukturen am besten. Deshalb<br />

sollte ihre Stimme an einer Generalversammlung<br />

Gehör finden.» Das gelte gemäss Nobs auch<br />

dann, «wenn die Interessen der Grossaktionäre<br />

jenen der Mitarbeitenden entgegenstehen». Wolle<br />

sich ein Unternehmen dennoch vor der Einflussnahme<br />

seiner Mitarbeitenden schützen, könne es<br />

Beteiligungspapiere ohne Stimmrecht herausgeben,<br />

sagt Serra.<br />

Ob Mitarbeitende ihre Aktien beim Firmenaustritt<br />

zurückgeben müssen, wird je nach Unternehmen<br />

<strong>and</strong>ers geh<strong>and</strong>habt. Befürwortet Serra<br />

eine generelle Aktienrückgabe, sieht Vidak bei<br />

börsenkotierten Unternehmen dafür keine Notwendigkeit.<br />

Bei nichtbörsenkotierten Firmen<br />

gelten indes die Vereinbarungen im Beteiligungsvertrag,<br />

was nach dem Austritt eines<br />

Mitarbeitenden mit den Aktien geschieht. Rückgaben<br />

seien bei ausserbörslich geh<strong>and</strong>elten<br />

Aktien beim Austritt von Mitarbeitenden besonders<br />

empfehlenswert, damit diese anstehende<br />

Unternehmensentscheide nicht blockieren<br />

können.<br />

Fehlendes Fachwissen<br />

Obschon Aktienprogramme eine immer breitere<br />

Verwendung finden, ist es um das Know-how<br />

dazu in den Betrieben nicht allzu gut bestellt,<br />

meinen die Experten. «Das Fachwissen fehlt bei<br />

Personalern besonders dann, wenn das Beteiligungsprogramm<br />

von einer ausländischen Muttergesellschaft<br />

lanciert wurde», lautet Serras<br />

Diagnose zum aktuellen Wissensst<strong>and</strong> in den<br />

<strong>HR</strong>-Abteilungen. Wegen dieser Wissenslücke<br />

könne das <strong>HR</strong> oft nicht einschätzen, welche<br />

Aufwände ein Aktienbeteiligungsprogramm mit<br />

sich bringe. «Nach bestem Wissen und Gewissen<br />

zu h<strong>and</strong>eln genügt hier nicht. Solche Transaktionen<br />

sind sorgfältig abzuklären.» a<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

25


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<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

SCHWERPUNKT<br />

FOTO: iSTOCKPHOTO<br />

UNTERNEHMERISCHES DENKEN FÖRDERN<br />

START-UPS NUTZEN AKTIENBETEILIGUNGSPROGRAMME BESONDERS HÄUFIG. SO AUCH MANAGED-SERVICE-ANBIETER NINE.<br />

EIN GESPRÄCH MIT GRÜNDER UND HAUPTAKTIONÄR THOMAS HUG.<br />

Interview: Corinne Päper<br />

Sie sind Gründer und Hauptaktionär von Nine.<br />

Weshalb lancierten Sie ein Aktienbeteiligungsprogramm<br />

für Mitarbeitende?<br />

Thomas Hug: Als Unternehmer wollte ich, dass<br />

möglichst alle unsere Mitarbeitenden unternehmerisch<br />

denken und h<strong>and</strong>eln. Durch eine hohe<br />

Informationstransparenz im Unternehmen und<br />

diesem Programm ermögliche ich ihnen genau<br />

das.<br />

Inwiefern ist die Aktie h<strong>and</strong>elbar?<br />

Um möglichst alle Mitarbeitenden am Unternehmen<br />

zu beteiligen, gibt es pro Person eine Obergrenze<br />

bezüglich Aktienerwerb. Zudem sind diese<br />

nur innerhalb der Holding h<strong>and</strong>elbar. Will ein Mitarbeitender<br />

seine Aktie veräussern, muss die Holding<br />

die Aktien zurückkaufen. Der Aktienwert<br />

basiert auf dem aktuellsten Jahresergebnis und<br />

ändert sich entsprechend nur einmal pro Jahr.<br />

Um den administrativen Aufw<strong>and</strong> gering zu halten,<br />

existiert nur ein H<strong>and</strong>elstag pro Jahr.<br />

Ihre ersten Erfahrungen mit dem Aktienprogramm?<br />

Seit wir dieses Programm haben, setzen sich<br />

unsere Mitarbeitenden vertiefter mit Finanzzahlen<br />

ausein<strong>and</strong>er, die wir an unseren Quartals-Meetings<br />

präsentieren, und stellen entsprechende<br />

Fragen. Das finde ich sehr positiv. Seit Ende März<br />

<strong>2021</strong> beteiligten sich 20 Prozent der Mitarbeitenden<br />

an Nine.<br />

Führen Sie dieses Programm auch bei einem<br />

starken Unternehmenswachstum weiter?<br />

Unser Programm ist unabhängig davon, wie stark<br />

wir wachsen, und beruht auf der Nachfrage der<br />

Mitarbeitenden. Aktien sind ein limitiertes Gut.<br />

Zudem ist die Grösse des Aktienpools beschränkt.<br />

Wenn es keine Verkäuferinnen und Verkäufer gibt,<br />

können neue Mitarbeitende dereinst vielleicht gar<br />

keine Aktien mehr kaufen.<br />

Wie verwalten Sie Ihre Aktien?<br />

Noch genügt eine Exceltabelle als Aktienbuch. Da<br />

wir jährlich nur einen H<strong>and</strong>elstag haben, ist der<br />

Aufw<strong>and</strong> überschaubar.<br />

Müssen austretende Mitarbeitende ihre Aktien<br />

zurückgeben?<br />

Ja, wir haben nebst der Rückgabepflicht aber<br />

auch ein Rückgaberecht. Demnach muss die Holding<br />

die Aktien zurückkaufen.<br />

a<br />

Nine<br />

Nine ist ein Anbieter von Managed-Service-Lösungen<br />

in der Schweiz und bietet in der Public und Privat<br />

Cloud ein vollumfängliches Plattformmanagement.<br />

Das Unternehmen betreibt an drei Datacenter-St<strong>and</strong>orten<br />

Websites wie mobiliar.ch, jungfraubahnen.ch<br />

oder geschenkidee.ch. Das Unternehmen beschäftigt<br />

zurzeit 40 Mitarbeitende.<br />

COMPUTERSHARE<br />

Computershare bietet für die Aktienverwaltung<br />

eine End-to-End-Lösung, die nicht nur eine Software<br />

umfasst, sondern auch weiterführende administrative<br />

und beraterische Dienstleistungen. Die<br />

Computershare-Software kann in der IT-Infrastruktur<br />

des Kunden integriert werden. Alternativ können<br />

Aktienverwaltungsprozesse an Computershare<br />

ausgelagert werden. Einfache Aktienpläne können<br />

damit ebenso verwaltet werden wie Aktienkaufoder<br />

Executive-Programme. Über ein Portal erhalten<br />

Mitarbeitende Einsicht in ihre Portfolios, während<br />

Firmen ein weiteres zur Verbuchung und<br />

Zuteilung sowie Administration nutzen. Die Kosten<br />

für die Administration der Bankdienstleistungen<br />

und der Software-Nutzung sind von der Komplexität<br />

und dem Umfang des Beteiligungsprogramms<br />

abhängig.<br />

DAURA<br />

Die Aktienverwaltungsplattform Daura eignet sich<br />

ungeachtet der Unternehmensgrösse dafür, alle<br />

Arten von Aktienbeteiligungsprogrammen digital<br />

abzubilden. Die Plattform beinhaltet beispielsweise<br />

ein automatisiertes Aktienbuch, das die Aktualität<br />

der Daten garantiert. Aktionäre können zudem<br />

über ein Dash board jederzeit auf ihre Anteile<br />

zugreifen und sie verwalten. Durch die Automatisierung<br />

vereinfacht sich auch der Ausgabe- und<br />

Zuteilungsprozess. Um Aktien zu digitalisieren,<br />

bezahlen Firmen einen einmaligen Betrag zwischen<br />

1500 und 5000 Franken und danach monatlich ab<br />

85 Franken für das Aktienbuch sowie das Investoren-Dashboard.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

27


G<br />

Presented by<br />

LUNCH-CHECK: DIE LÖSUNG,<br />

DIE IMMER SCHMECKT!<br />

F O T<br />

O :<br />

Z V<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Die moderne Art der Mitarbeiterverpflegung<br />

Für die Arbeitnehmenden ist es erholsamer, den<br />

Arbeitsplatz während der Mittagspause zu verlassen.<br />

Dies sorgt für Entschleunigung und<br />

Abwechslung, ob zu Hause oder im Büro. Davon<br />

profitieren die Arbeitgeber, indem Sie auf zufriedene<br />

und produktive Arbeitnehmende zählen<br />

können.<br />

Lunch-Check unterstützt mit ihrem einfachen<br />

System und den rund 8‘000 Verpflegungsmöglichkeiten<br />

in der ganzen Schweiz diese moderne Art<br />

der Mitarbeiterverpflegung. Work-Life-Balance<br />

bleibt somit nicht nur ein Schlagwort, sondern<br />

wird mit Lunch-Check effektiv unterstützt.<br />

Was spricht aus Arbeitgebersicht für Lunch-<br />

Check?<br />

Neben der Tatsache, dass sinnvolle Lohnbest<strong>and</strong>teile<br />

die Attraktivität eines jeden Arbeitgebers<br />

erhöhen und seine Position bei der Rekrutierung<br />

guter Mitarbeitenden stärkt, gibt es auch noch<br />

finanzielle Vorteile: Lunch-Check Beiträge sind<br />

einerseits für den Arbeitgeber viel günstiger als<br />

eine betriebseigene Kantine und <strong>and</strong>ererseits sind<br />

die Beiträge bis zu CHF 180.- pro Mitarbeitenden<br />

und Monat befreit von Sozialleistungen, dies im<br />

Gegensatz zu Barentschädigungen. Und dies<br />

ganz ohne Gebühren für die Unternehmen und<br />

Mitarbeitenden!<br />

Genuss verschenken und Gutes tun<br />

Sind Sie auf der Suche nach einem Incentive,<br />

Geburtstags- oder Kundengeschenken? Mit der<br />

Lunch-Check Geschenkkarte verschenken Sie<br />

Genuss und unterstützen damit die aktuell stark<br />

leidende Gastronomie in der ganzen Schweiz.<br />

Über die Entscheidungsfreiheit der 8‘000 Akzeptanzstellen<br />

freuen sich alle.<br />

Geschenke bis CHF 500.- pro Mitarbeitenden und<br />

Jahr gelten als steuerfreie Naturalgeschenke.<br />

28


<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

SCHWERPUNKT<br />

«DER MENSCH IST EIN<br />

UNVERNÜNFTIGES WESEN»<br />

FAIRE LOHNSTRUKTUREN BERGEN KEIN RISIKO FÜR LOHNTRANSPARENZ, SAGT SABINE BILAND-WECKHERLIN,<br />

PARTNERIN BEI DA PROFESSIONALS. MAUSCHELEIEN UND WILLKÜR INDES SCHON. EIN GESPRÄCH ÜBER<br />

LOHNTRANSPARENZ, OFFENLEGUNGSÄNGSTE, FAIRE LÖHNE UND DAS GLEICHSTELLUNGSGESETZ.<br />

Interview: Christine Bachmann<br />

Lohntransparenz ist ein heisses Eisen. Wie sehen<br />

Sie das?<br />

Sabine Bil<strong>and</strong>-Weckherlin: Brisant ist das Thema<br />

in verschiedener Hinsicht: Es ist in der Schweiz immer<br />

noch ein Tabu, über Geld zu sprechen. Gleichzeitig<br />

öffnet sich die Lohnschere zwischen oberen und<br />

unteren Gehältern immer weiter. Das birgt in Zeiten<br />

der P<strong>and</strong>emie mit ihren dramatischen wirtschaftlichen<br />

Folgen sozialen Sprengstoff. Sind die Salärstrukturen<br />

im Mittelb<strong>and</strong> einer Firma fair ausgelegt,<br />

spricht nicht viel gegen eine Offenlegung. Wenn<br />

dagegen beim Griff in den Lohntopf gemauschelt<br />

wird, ist eine Lohntransparenz problematisch, weil<br />

sie Ungerechtigkeiten sichtbar macht.<br />

Wie bringen wir unsere Gesellschaft dazu, sich<br />

ernsthaft Gedanken über Löhne zu machen?<br />

Indem wir dieses Thema konsequent enttabuisieren<br />

und den Wert von Arbeit offen diskutieren. Einer<br />

meiner ehemaligen Lernenden aus dem Bankenumfeld<br />

äusserte mir gegenüber einmal, dass er sein<br />

stattliches Salär gar nicht «verdiene», da er seine<br />

Arbeit ja nicht im Schweisse seines Angesichts ausübe.<br />

Gemäss dieser Auslegung von «Verdienst»<br />

hätte eine Pflegefachfrau, die am Krankenbett ihren<br />

Rücken strapaziert, mindestens denselben Entschädigungsanspruch<br />

wie ein Banker mit exzessivem<br />

Lohn. Vielleicht wäre ein interner Seitenwechsel eine<br />

wirksame Schulung, bei dem sich ein Baukonzern-<br />

Manager für eine gewisse Zeit neben einen Strassenbauarbeiter<br />

in die sengende Hitze stellt und einige<br />

Monate lang versucht, mit dessen Salär über die<br />

Runden zu kommen …<br />

Wohin geht der Trend bei Löhnen?<br />

Löhne stagnieren weitgehend, mancherorts geraten<br />

sie sogar unter Druck. Die Bemerkung «hatte früher<br />

mehr» fliesst oft in unsere K<strong>and</strong>idatenlisten ein.<br />

Gelegentlich beobachten wir unter Bewerbenden<br />

auch eine unsympathische Gier in Salärfragen. Da<br />

stellt sich die Frage, ob diese Personen überhaupt<br />

etwas von den massiven Umwälzungen in der Wirtschaft<br />

mitbekommen haben. Gleichzeitig garantieren<br />

interne Seilschaften noch immer Sonderbeh<strong>and</strong>lungen,<br />

auch bei Lohnrunden. Was Boni<br />

betrifft, wird heute mehr darüber diskutiert. Gigantische<br />

Boni sind vor allem in jenen Branchen ein<br />

Problem, die sich aufgrund ihrer Margen astronomische<br />

Löhne und Boni leisten können und damit<br />

eine ungesunde Sogwirkung im Markt erzielen. KMU<br />

wollen oder können das meist nicht. Sie müssen<br />

Sabine Bil<strong>and</strong>-Weckherlin,<br />

Partner bei da professionals ag<br />

deshalb mit <strong>and</strong>erem punkten. Etwa mit Freiraum,<br />

Schnelligkeit der Entscheidungsfindung und Unternehmenskultur.<br />

Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit<br />

sprechen gute Leute erfreulicherweise zusehends<br />

mehr an als ein hohes Salär.<br />

Am 1. Juli 2020 trat das Gleichstellungsgesetz<br />

in Kraft, das Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden<br />

zu einer Lohngleichheitsanalyse zwang.<br />

Diese sollte bis im Juni <strong>2021</strong> durchgeführt werden.<br />

Was bringt das?<br />

Auch wenn die Massnahme von manchen als staatliche<br />

Einmischung in die «Privatsphäre» der Firmen<br />

betrachtet wird, kann niem<strong>and</strong> ernsthaft bestreiten,<br />

dass wir Jahrzehnte nach Einführung des Frauenstimmrechts<br />

immer noch ein Problem haben. Vielleicht<br />

hilft dieser Zwang der schweizerischen<br />

Gemächlichkeit, unliebsame Entwicklungen auszubremsen.<br />

Die verordnete Analyse kann, sofern sie<br />

ehrlich erstellt wird, ein erster Schritt in der Transparenzdiskussion<br />

sein, um ein längst fälliges Umdenken<br />

zu beschleunigen.<br />

Transparente Löhne könnten zu Neid führen.<br />

Sind solche Ängste berechtigt?<br />

Diese Frage ist durchaus berechtigt, denn der<br />

Mensch vergleicht sich in aller Regel mit Besser- und<br />

nicht mit Schlechtergestellten. Das löst unweigerlich<br />

Frust aus. Einen absolut fairen Lohn gibt es jedoch<br />

nicht. Wichtig bei der Lohntransparenz ist vor allem,<br />

dass die zugrunde liegenden Kriterien weitgehend<br />

nachvollziehbar sind. Eine hohe Lohnschere in<br />

Kombination mit Willkür bei den Salären und<br />

ungünstigem Führungsverhalten heizt die Diskussion<br />

hingegen zusätzlich an. Aus der Perspektive eines<br />

so agierenden Unternehmens ist es wohl nachvollziehbar,<br />

dass eine Reinigungsperson nicht wissen<br />

soll, was der CEO verdient.<br />

Gleichzeitig feiern wir die Transparenz auf<br />

Social Media, wo wir preisgeben, was uns heute<br />

gerade so durch den Kopf geht. Ein Widerspruch?<br />

Nein! Der Mensch ist schlicht und einfach ein unvernünftiges<br />

Wesen. Das wird sich künftig nicht<br />

ändern. Wie könnte es sonst sein, dass er nach<br />

Umweltschutz schreit und gleichzeitig immer grössere<br />

Müllberge schafft und protzige SUVs fährt?<br />

Social Media ist meiner Ansicht nach, ein Ventil für<br />

unser unsägliches Mitteilungsbedürfnis: ein Klick<br />

und die ganze Welt weiss es, auch wenn es niem<strong>and</strong>en<br />

interessiert. Glücklicherweise ist eine Gegenbewegung<br />

festzustellen: Digital Detox. Irgendwann<br />

wird sich das Ganze hoffentlich ausbalancieren.<br />

Über Löhne sprechen auch Frauen nicht gern<br />

und bekunden Mühe, Ansprüche zu stellen. Wie<br />

lässt sich das ändern?<br />

Frauen waren über Jahrhunderte hinweg Anhängsel<br />

der Männer und sind es in vielen Kulturen heute<br />

noch. Starre Muster halten sich in unseren Köpfen.<br />

Der Prozess der Veränderung braucht enorm viel<br />

Zeit. Hinzu kommt, dass Frauen trotz Emanzipation<br />

und Ausbildungsst<strong>and</strong> tatsächlich selten<br />

gleichberechtigt sind. Sei es, weil sie ihre Rechte<br />

nicht für sich einfordern oder weil es ihnen von<br />

aussen nicht zugest<strong>and</strong>en wird. Frauen dürfen und<br />

müssen diese aber einfordern. Damit sie gehört<br />

werden, müssen sich aber auch unsere Gesellschaft<br />

und unsere immer noch männlich geprägte<br />

Arbeitswelt verändern.<br />

a<br />

SABINE BILAND-WECKHERLIN<br />

Sabine Bil<strong>and</strong>-Weckherlin ist Partner bei da<br />

professionals ag. Sie hat in den USA und der<br />

Schweiz studiert und in den Bereichen<br />

Kunst, Banking und Migration gearbeitet.<br />

Seit vielen Jahren ist sie in der Personalberatung<br />

tätig.<br />

da-professionals.ch<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

29


SCHWERPUNKT<br />

<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

NUR KEIN NEID<br />

WIE VIEL LOHNTRANSPARENZ<br />

BRAUCHT ES UND FÜ<strong>HR</strong>T SIE<br />

ZU FAIREREN LÖHNEN?<br />

WIR HABEN NACHGEFRAGT.<br />

Text: Christine Bachmann<br />

Lohntransprenz ist ein heisses Eisen in der<br />

Schweiz, wo bis zum heutigen Tag kaum<br />

über den Lohn gesprochen wird. Da helfen<br />

auch keine Online-Aktionen wie «Zeig deinen<br />

Lohn», eine Initiative, die 2019 von den<br />

kantonalen Gewerkschaftsbünden in Zürich<br />

und Schaffhausen lanciert wurde. Sinn der<br />

Aktion: Auf der Plattform kann jeder seinen<br />

Bruttolohn und seine Berufsbezeichnung<br />

samt Foto sowie Altersangabe offenlegen.<br />

Kritisch gegenüber vollkommener Lohntransparenz<br />

gibt sich auch Dominic Blaesi,<br />

Geschäftsführer von der Flaschenpost Services<br />

AG, der bislang vor allem negative<br />

Erfahrungen mit transparenten Löhnen<br />

gemacht hat. Lohntransparenz müsse ein<br />

Mittel zum Zweck sein: Soll die Transparenz<br />

Vertrauen oder Fairness schaffen? Geht es<br />

um Ideologie? «Da wir für uns bisher keinen<br />

stimmigen Zweck gefunden haben, der eine<br />

Lohntransparenz nötig macht, planen wir<br />

auch keine Veränderung.»<br />

1<br />

2<br />

Verhindert<br />

Lohntransparenz<br />

Neid und Missgunst?<br />

Wie viel Lohntransparenz<br />

herrscht in Ihrem Unternehmen,<br />

beziehungsweise, wie viel<br />

streben Sie aktuell an?<br />

Susanne Berchtold,<br />

<strong>HR</strong>-Leiterin,<br />

Schweizerischen Gehörlosenbund SGB-FSS<br />

Lohntransparenz macht für jeden Mitarbeitenden<br />

überprüfbar, ob ein Unternehmen ein faires<br />

Lohnsystem anwendet: intern im Vergleich mit<br />

ähnlichen Funktionen und extern mit ähnlichen<br />

Organisationen.<br />

Wir wollen Lohngleichheit sicherstellen und für<br />

Mitarbeitende überprüfbar machen. Deshalb<br />

haben wir ein Lohnsystem erarbeitet, das<br />

Schlüsselfunktionen definiert und Lohnbänder<br />

transparent macht. Jeder Mitarbeitende kann<br />

kontrollieren, ob er sich im Lohnb<strong>and</strong> befindet und<br />

der richtigen Schlüsselfunktion zugeordnet wurde.<br />

Allerdings machen wir nicht den absoluten Lohn<br />

transparent. So gibt es innerhalb der Lohnbänder<br />

beispielsweise unterschiedliche Löhne, die von der<br />

Arbeitsleistung und weiteren Faktoren abhängig<br />

sind. Nun möchten wir einen Schritt weiter gehen,<br />

zumal wir seit 2020 nach Holacracy arbeiten. Daher<br />

wollen wir die Lohnentwicklung auf das neue<br />

Organisationssystem abstimmen.<br />

Die von uns befragten Unternehmen pflegen<br />

indes bereits eine Lohntransparenz oder<br />

sind auf dem Weg dorthin (siehe Tabelle<br />

rechts). Sie alle sind der Ansicht, dass kein<br />

Neid im Unternehmen geschürt wird, wenn<br />

Lohntransparenz richtig geh<strong>and</strong>habt wird.<br />

Dazu brauche es aber ein faires und nachvollziehbares<br />

Lohn system für alle Mitarbeitenden.<br />

Nicht nur Lohntransparenz trage<br />

zu mehr Gehalts- Fairness bei, sagt Nadine<br />

Schlegel von Unic: «Es gibt weitere Möglichkeiten.»<br />

Beispielsweise eine ICT-Salärumfrage,<br />

an der ihr Unternehmen seit zehn<br />

Jahren jährlich teilnimmt. «Damit stellen<br />

wir unsere anonymisierten Daten <strong>and</strong>eren<br />

Firmen zur Verfügung, erhalten aber auch<br />

ein Benchmarking.» Daneben überprüft<br />

Unic seine Gehälter jährlich mit dem St<strong>and</strong>ard-Analyse-Tool<br />

Logib. «Durch das darin<br />

enthaltene Ampelsystem wissen wir, in<br />

welcher Kategorie wir uns befinden und wo<br />

mögliche Lohndiskrepanzen bestehen.»<br />

Dass seit letztem Jahr die Lohngleichheit<br />

für Frauen und Männer gesetzlich verankert<br />

wurde, ist für sie ein Meilenstein in Richtung<br />

Lohn-Fairness.<br />

a<br />

3<br />

4<br />

Wie sorgen Sie<br />

für Lohngerechtigkeit?<br />

Kommunizieren Sie<br />

die Lohnhöhe auch<br />

Bewerbenden?<br />

Indem wir ein Lohnsystem mit Benchmarking<br />

besitzen, das für die Mitarbeitenden einsehbar<br />

ist, und <strong>HR</strong> systematisch in Lohnentscheidungen<br />

einbeziehen. Wer wie viel verdient, wird durch<br />

das Lohnsystem gesetzt. Die Entscheidung, wer<br />

am Ende wie viel verdient, trifft die rekrutierende<br />

und budgetverantwortliche Person. Früher lag die<br />

Entscheidung allein beim Geschäftsleitungsmitglied,<br />

das die Person rekrutierte.<br />

Wir zeigen die Lohnbänder für die Schlüsselfunktionen<br />

im Bewerbungsverfahren und erklären<br />

Bewerbenden, wo wir eine spezifische Person<br />

innerhalb des Lohnb<strong>and</strong>es einordnen.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

30<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>


Denise Jentsch & Patrick Neudorfer,<br />

<strong>HR</strong> Fachfrau & Architekt<br />

waldner partner<br />

Caroline Gürber,<br />

Human Resources<br />

Rahmensetzerin, Greenpeace<br />

Nadine Schlegel,<br />

Human Resources,<br />

Unic<br />

Wir verstehen unter Lohntransparenz zweierlei: Zum<br />

einen die Nachvollziehbarkeit des eigenen Lohnes:<br />

Wie kommt mein Lohn zust<strong>and</strong>e und warum<br />

verdiene ich so viel, wie ich verdiene? Zum <strong>and</strong>eren:<br />

Was verdienen meine Kolleginnen und Kollegen?<br />

Beides braucht einen hohen Reifegrad der Mitarbeitenden.<br />

Vorausgesetzt, dass sich Mitarbeitenden<br />

gut einschätzen und reflektieren können, sollte die<br />

Kenntnis über die Löhne der <strong>and</strong>eren Kolleginnen<br />

und Kollegen keine Missgunst hervorrufen.<br />

Lohntransparenz kann eine grosse Lohnschere,<br />

höheren Lohn bei besserem Verh<strong>and</strong>lungsgeschick<br />

oder Gerüchte über unfaire<br />

Lohnunterschiede verhindern. Lohntransparenz<br />

ermöglicht zudem allen Mitarbeitenden,<br />

Grundsätzliches im Lohnsystem zu überprüfen.<br />

Beispielsweise, ob Mitarbeitende unabhängig<br />

ihres Geschlechts für die gleiche Arbeit den<br />

gleichen Lohn erhalten.<br />

Für unsere Mitarbeitenden ist jederzeit einsehbar, woran<br />

gearbeitet wird und wie es um die Geschäftszahlen steht.<br />

Für uns im <strong>HR</strong> ist es deshalb ebenfalls wichtig, klare sowie<br />

offene Grundlagen zum Gehalt zu kommunizieren – nicht<br />

nur intern, sondern auch extern im Austausch mit potenziellen<br />

Mitarbeitenden. Transparenz und Fairness bieten<br />

für bestehende sowie neue Mitarbeitende Orientierung.<br />

Wir wollen mit allen Mitarbeitenden die Reise zu mehr<br />

Lohntransparenz antreten. Sie sollen sich und ihre Fähigkeiten<br />

innerhalb der Organisation einordnen können.<br />

Allen muss verständlich sein, wie ein Gehalt zust<strong>and</strong>e<br />

kommt. Nur so gelingt es, Neid oder Missgunst entgegenzuwirken.<br />

Transparenz ist ein wichtiger Best<strong>and</strong>teil, damit<br />

ein selbstorganisiertes Unternehmen funktioniert.<br />

Infolge des Veränderungsprozesses vom inhaberzum<br />

mitarbeitergeführten Unternehmen haben wir<br />

deshalb ein Lohnmodell entwickelt, das die Löhne<br />

nachvollzieh bar macht. Dennoch herrscht noch<br />

keine vollständige Lohntransparenz. Diese wollen wir<br />

erst in einem zweiten Schritt realisieren, da sie ein<br />

gutes Selbsteinschätzungsvermögen voraussetzt.<br />

Das braucht unserer Ansicht noch etwas Zeit.<br />

Seit der Gründung von Greenpeace Schweiz<br />

vor 40 Jahren herrscht bei uns vollständige<br />

Lohntransparenz. Das gilt auch für die Löhne<br />

der Geschäftsleitung. Somit sind für alle Mitarbeitenden<br />

sämtliche Löhne intern jederzeit<br />

einsehbar. Mehr Lohntransparenz geht nicht.<br />

Aktuell sind wir am Anfang unserer Reise zu mehr Lohntransparenz.<br />

Die Gehälter der Mitarbeitenden kennen die<br />

jeweiligen Fachbetreuenden und die Lead Links. Dennoch<br />

können unsere Mitarbeitenden über die Fachbetreuenden<br />

oder über die <strong>HR</strong>-Mitarbeitenden eine Einschätzung erhalten<br />

und sich im Unic-Gehaltsgefüge sowie gegenüber<br />

externen Gehaltsbenchmarks einordnen. Mit dem im<br />

Februar <strong>2021</strong> gestarteten Projekt «Transparente Gehaltsbänder»<br />

wollen wir die Lohntransparenz weiter ausbauen.<br />

Damit sollen Mitarbei tenden künftig Einsicht über sämtliche<br />

Gehaltsbänder erhal ten. Schon heute legen wir im<br />

<strong>HR</strong> ein Augenmerk darauf, dass Mitarbeitende in gleichen<br />

Fachkarriere-Rollen sowie gleichen Maturitätslevels fair<br />

entschädigt werden. Der Schritt zu transparenten Gehaltsbändern<br />

hilft uns dabei, das für alle zugänglich und<br />

sichtbar zu machen.<br />

Wir hatten lange den Anspruch, ein gerechtes Lohnmodell<br />

zu erarbeiten, und sind nach vielen Runden<br />

zur Erkenntnis gelangt, dass es dieses nicht gibt.<br />

Was für mich gerecht ist, ist für die Kollegin ungerecht.<br />

Das hat uns dazu bewogen, bei der Lohnbestimmung<br />

der Eigenverantwortung mehr Gewicht zu<br />

geben. Der Wunsch nach Objektivierung kann nicht<br />

erfüllt werden. Es geht um die Zufriedenheit jedes<br />

Einzelnen und diese ist individuell. Das neue Lohnmodell<br />

besteht aus einem «statischen» Teil, in dem<br />

unter <strong>and</strong>erem Ausbildung, Facherfahrung, Funktion<br />

und Rolle eingeschätzt werden. Dieser Schritt<br />

machen die «Hüter Lohn» gemeinsam mit dem Mitarbeitenden.<br />

Die Rolle der «Hüter Lohn» besteht in<br />

einer beratenden Funktion. Beim «dynamischen» Teil<br />

kann jeder Mitarbeitende einen Teil des Lohnes nach<br />

Selbst- und Peer-Einschätzung eigenverantworlich<br />

definieren. Niem<strong>and</strong> segnet diesen Lohn ab.<br />

Seit März 2020 arbeiten wir in einem Selbstorganisations-Modell.<br />

Deshalb entwickelten wir<br />

ein neues Lohnsystem mit sieben Lohnstufen,<br />

das wir im August <strong>2021</strong> einführen. Der Werdegang<br />

spielt bei der Einstufung keine Rolle mehr.<br />

Vielmehr zählt der Beitrag dieser Rolle zum<br />

Organisationszweck, die Komplexität der Aufgaben,<br />

das Lebensalter sowie das Dienstalter.<br />

Wichtig: Wir führen die bisherigen Lohngleichheitsanalysen<br />

weiter. Im neuen Lohnsystem<br />

schlägt die Rolle «Lead Link» zusammen mit<br />

den potenziellen Rolleninhabenden der Rolle<br />

«Lohn» eine Lohneinstufung vor. Die Rolle<br />

«Lohn» berät sich anschliessend mit der Rolle<br />

«<strong>HR</strong>» über die Lohneinstufung und entscheidet<br />

dann. Dabei stellt die Rolle «Lohn» ein gesamtorganisatorisches<br />

Vorgehen und den internen<br />

Quervergleich sicher.<br />

Faire Gehälter, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind<br />

für uns wichtige Eckpfeiler im täglichen Mitein<strong>and</strong>er.<br />

Bei einem Umstieg in eine <strong>and</strong>ere Rolle erfolgt das<br />

über den Beförderungsprozess, in dem auch das Gehalt<br />

beurteilt wird. Ein Lohn kann bei einem Wechsel somit<br />

höher oder tiefer ausfallen. Im Rekrutierungsprozess<br />

beurteilen die Fachent scheidenden in engem Austausch<br />

mit dem <strong>HR</strong> über die Gehaltshöhe. Als Hilfsmittel dienen<br />

uns eine Fachkarriere-Matrix und die damit verbundenen<br />

Gehaltsdaten. Unter diesem Begriff verstehen wir<br />

27 beschriebene Fachkarriere-Rollen, die maxi mal in<br />

vier Maturitätslevels aufgegliedert sind. Im jährlichen<br />

Kompensations- und Promotionsprozess initiieren die<br />

Mit arbeitenden den Antrag auf eine Beförderung selbstständig.<br />

Dieser wird anschliessend in einem Gremium von<br />

Fachbetreuung, <strong>HR</strong> und Lead Link geprüft. Die Entscheidung<br />

über eine Beförderung liegt allein bei der Fachbetreuung.<br />

Wir kommunizieren keine Löhne, bevor ein erstes<br />

persönliches Gespräch stattgefunden hat. Vor allem,<br />

weil es bei uns keinen fixen Lohn für diese oder jene<br />

Funktion gibt. Ausserdem wollen wir das Entwicklungspotenzial<br />

des Bewerbenden spüren, bevor wir<br />

über den Lohn sprechen. Wer ist er? Was ist ihm<br />

wichtig? Erst danach können wir mit den Bewerbenden<br />

anh<strong>and</strong> des Lohnmodells gemeinsam einen<br />

Einstiegslohn finden.<br />

Wir kommunizieren die Lohnb<strong>and</strong>breite in<br />

jeder Stellenausschreibung. Dafür erhalten wir<br />

sehr gutes Feedback. Die grosse Mehrheit der<br />

Bewerbenden ist froh um diese Klarheit und<br />

versteht, dass wir den Lohn nicht verh<strong>and</strong>eln.<br />

Bei uns stehen nicht das Alter, die Ausbildung oder die<br />

Zer tifikate im Fokus, sondern die passende (Fachkarriere-)Rolle<br />

und die Maturität. Die für die Rollen vordefinierten<br />

und notwendigen Kompetenzen sowie Indikatoren<br />

sind ebenfalls relevant. Um die Erwartungen hinsichtlich<br />

des Gehalts bei Bewerbenden frühzeitig abzuholen,<br />

erkundigen wir uns nach den Gehaltswünschen vor dem<br />

ersten Interview. Im Gespräch präsentieren wir unser<br />

Fachkarrieremodell und die damit verbundenen Gehaltshöhen.<br />

Mein persönlicher Wunsch wäre, Gehaltsbänder<br />

künftig direkt in einer Stellenausschreibung aufzuführen,<br />

um eine höhere Transparenz zu schaffen und die gegenseitigen<br />

Erwartungen frühzeitig zu klären.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

31


SCHWERPUNKT<br />

<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

FRINGE BENEFITS:<br />

DAS ZÜNGLEIN AN DER WAAGE<br />

ZAHLREICHE UNTERNEHMEN NUTZEN FRINGE BENEFITS, UM I<strong>HR</strong>E ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT ZU<br />

STEIGERN. VERME<strong>HR</strong>T TUN SIE ES AUCH, UM LERNENDEN WERTSCHÄTZUNG ENTGEGENZUBRINGEN.<br />

Text: Christine Bachmann<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

«Jugendliche für h<strong>and</strong>werkliche Berufe zu rekrutieren,<br />

wird von Jahr zu Jahr schwieriger», weiss<br />

Adrian Stocker, Projektleiter und Ausbildner bei<br />

der Kost Holzbau AG in Küssnacht. Um die Arbeitgeberattraktivität<br />

zu steigern und geeigneten<br />

Nachwuchs zu finden, reiche es heute nicht mehr,<br />

nur einen Lohn zu bezahlen. Für junge Fachkräfte<br />

seien Fringe <strong>Benefits</strong> bei der Wahl eines Arbeitgebenden<br />

häufig das «Zünglein an der Waage»,<br />

sagt Stocker. Deshalb biete sein Unternehmen<br />

den Jugendlichen eine grosse Palette an Mitarbeitervergünstigungen.<br />

Aus ähnlichen Beweggründen entrichtet das<br />

Luzerner Kantonsspital seinen Lernenden Fringe<br />

<strong>Benefits</strong>. Beim Krankenversicherer Sanitas sind<br />

eine faire Entlohnung und Fringe <strong>Benefits</strong> auf jeder<br />

Stufe ein Thema. «Das gilt auch für Lernende»,<br />

sagt Jasmine Scacchi, Leiterin Berufsbildung bei<br />

Sanitas.<br />

Arten von Fringe <strong>Benefits</strong><br />

Ob Holzbau, Detailh<strong>and</strong>el oder Gesundheitswesen:<br />

Die Lernenden profitieren in allen Organisationen<br />

von Mitarbeitervergünstigungen. Etwa von<br />

Mittags- und Reisespesen, welche die Kost Holzbau<br />

AG schon vor Lehrstellenantritt ausrichtet.<br />

«Jugendliche sollen sich vom ersten Kontakt an<br />

bis zum Ausbildungsende wertgeschätzt und<br />

zugehörig fühlen», betont Adrian Stocker. Haben<br />

sie mit der Lehre begonnen, profitieren sie zudem<br />

von Gutscheinen für Sicherheitsschuhe und<br />

Arbeitskleidung und geniessen gewisse Vorzugskonditionen.<br />

Etwa beim Materialeinkauf für private<br />

Projekte oder bei der Vorbereitung auf die<br />

Teilnahme an den Berufsmeisterschaften «Swiss<br />

Skills». Auch im Detailh<strong>and</strong>el geizt man nicht mit<br />

Zusatzleistungen: Gemäss Benni Lurvink, Leiter<br />

Ausbildung National bei Coop, erhalten Lernende<br />

beispielsweise für den Kauf eines Notebooks oder<br />

Tablets einen Gutschein von 500 Franken, sechs<br />

Wochen Ferien oder eine Kostenbeteiligung an<br />

Zugbillette.<br />

Lernende werden beim Luzerner Kantonsspital<br />

ebenso umsorgt: Sie bekommen 29 Tage Ferien,<br />

ein kostenloses Halbtax-Abonnement, eine Lernberatung<br />

und können Austausch-Praktika in<br />

<strong>and</strong>eren Organisationen absolvieren. «Beispielsweise<br />

bei der Spitex», sagt Ingrid Oehen, Leiterin<br />

Ausbildung, Departement Pflege und Soziales<br />

beim Luzerner Kantonsspital. Die Sanitas ihrerseits<br />

übernimmt die Kosten für sämtliche Schulbücher,<br />

welche die Berufsfachschule vorschreibt, und bietet<br />

vergünstigte Krankenversicherungen sowie<br />

Unfallversicherungen. Daneben beteiligt sich der<br />

Krankenversicherer an den Kosten von Sprachaufenthalten<br />

und beim Kauf eines Business-Laptops.<br />

JUGENDLICHE SOLLEN<br />

SICH VOM ERSTEN<br />

KONTAKT AN BIS ZUM<br />

AUSBILDUNGSENDE<br />

WERTGESCHÄTZT UND<br />

ZUGEHÖRIG FÜHLEN.<br />

ADRIAN STOCKER, AUSBILDNER,<br />

KOST HOLZBAU AG<br />

Positive Rückmeldungen<br />

Fringe <strong>Benefits</strong> bei Sanitas werden ausgiebig<br />

genutzt und sind bei den Lernenden beliebt. «Das<br />

Halbtax-Abo dient mir nicht nur im Berufsalltag,<br />

sondern auch privat», verdeutlicht Sanitas-Praktikant<br />

Christian. Bei der Kost Holzbau AG finden<br />

die Lernenden ebenfalls Gefallen an den offerierten<br />

Goodies: «Ich höre nur Positives in den Halbjahresgesprächen»,<br />

sagt Ausbildner Adrian Stocker.<br />

Auch beim Luzerner Kantonsspital werden<br />

die Nachhilfeangebote und Lernbegleitungen<br />

geschätzt und rege in Anspruch genommen, sagt<br />

Ingrid Oehen.<br />

Fringe <strong>Benefits</strong>-Angebote sind selten statisch. Das<br />

weiss auch Adrian Stocker: «Deshalb ergänzen wir<br />

unsere Mitarbeitervergünstigungen stetig und<br />

achten auf einmalige Angebote.» Wichtig sei herauszufinden,<br />

was Mitarbeitenden und Lernenden<br />

am meisten nütze. Beim Detailh<strong>and</strong>elskonzern<br />

Coop werden Lernende hierzu ständig befragt:<br />

«So wissen wir, welche Angebote sich unsere<br />

Lernenden tatsächlich wünschen», sagt Benni<br />

Lurvink. Gemäss Jasmine Scacchi von Sanitas<br />

steigern Fringe <strong>Benefits</strong> nicht nur die Arbeitgeberattraktivität<br />

und helfen bei der Rekrutierung, sie<br />

haben auch einen gesellschaftlichen Nutzen:<br />

«Dadurch fördern wir das duale Bildungssystem<br />

der Schweiz.»<br />

a<br />

Rechtliche Aspekte<br />

Fringe <strong>Benefits</strong> sind gemäss Rechtsanwalt Nicolas<br />

Facincani von Voillat Facincani Sutter + Partner<br />

eine spontane Anerkennung von Arbeitgebenden<br />

und gehören zu den Lohnnebenleistungen.<br />

Abgegrenzt davon sind der Lohn als Arbeitskraft-<br />

Entgelt, der Bonus als leistungs- und erfolgsabhängige<br />

Zusatzvergütung zum Lohn und die<br />

Spesen als Entschädigung für berufliche Auslagen.<br />

Beispiele für Fringe <strong>Benefits</strong> sind Geschäftsfahrzeug,<br />

Fitnessclub-Beitrag oder Mobiltelefon für<br />

den privaten Gebrauch. Bei Mitarbeitenden können<br />

Fringe <strong>Benefits</strong> entweder mündlich, schriftlich,<br />

stillschweigend oder konkludent vereinbart<br />

werden. Fringe <strong>Benefits</strong> besitzen gemäss Art. 322<br />

OR (Gratifikation) dann Lohncharakter, wenn ein<br />

Rechtsanspruch auf deren Ausrichtung besteht.<br />

Gelten Fringe <strong>Benefits</strong> als Lohnbest<strong>and</strong>teil, sind<br />

sie während der Freistellung oder nach erfolgter<br />

ungerechtfertigter fristloser Kündigung weiter zu<br />

gewähren.<br />

vfs-partner.ch<br />

32


<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

SCHWERPUNKT<br />

Ingrid Oehen,<br />

Leiterin Ausbildung Departement Pflege und Soziales<br />

beim Luzerner Kantonsspital<br />

Adrian Stocker,<br />

Projektleiter und Ausbildner bei der Kost Holzbau AG<br />

Jasmine Scacchi,<br />

Leiterin Berufsbildung bei Sanitas<br />

Benni Lurvink,<br />

Leiter Ausbildung National bei Coop<br />

Anzeige<br />

Sprache und<br />

Kommunikation<br />

die Schlüsselkompetenzen<br />

für jedes Unternehmen<br />

Academia Languages unterstützt Sie dabei, die<br />

Kommunikationsfähigkeiten Ihrer Mitarbeitenden<br />

zu verbessern – vom Erlernen von arbeitsbezogenen<br />

Grundkompetenzen bis zu Präsentations- und<br />

Verh<strong>and</strong>lungstechniken in einer Fremdsprache:<br />

Konversationskurse<br />

Workshops<br />

Vorbereitung auf international anerkannte<br />

Sprachdiplome<br />

branchen- und praxisbezogene Sprachkurse<br />

massgeschneiderte Firmenkurse<br />

Academia Languages | St<strong>and</strong>orte in der ganzen Schweiz<br />

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6 | <strong>2021</strong><br />

33


SCHWERPUNKT<br />

<strong>Compensation</strong> & <strong>Benefits</strong><br />

NICHT UM JEDEN PREIS<br />

EINERSEITS WÜNSCHEN SICH ARBEITNEHMENDE ME<strong>HR</strong> OFFENHEIT ZU LÖHNEN.<br />

ANDERERSEITS IST VORNEHMES SCHWEIGEN ZU FINANZIELLEN THEMEN IN DER SCHWEIZ<br />

KULTURELL FEST VERANKERT. WIE SOLL EIN UNTERNEHMEN DAMIT UMGEHEN?<br />

Gastbeitrag: Stephan Hostettler und Niculin Schmied<br />

Stephan Hostettler ist<br />

Managing Partner bei<br />

HCM International.<br />

Niculin Schmied ist<br />

Associate Consultant<br />

bei HCM International.<br />

<strong>HR</strong>-Teams stellen sich zur Lohntransparenz-Diskussion im Kern<br />

folgende zwei Fragen: Inwiefern sind wir bereit, transparent<br />

zu machen, wie Löhne bei uns festgelegt werden, und in welchem<br />

Umfang wollen und können wir exakte, individuelle Lohninformationen<br />

offenlegen?<br />

Das ist auch branchenabhängig. So sind die jeweiligen Lohnbänder<br />

bei Verwaltungsstellen fest definiert und öffentlich<br />

zugänglich, während diese in der Privatwirtschaft nur intern,<br />

wenn überhaupt, kommuniziert werden. In einer Studie der<br />

Universität Luzern, zu der über 500 <strong>HR</strong>-Verantwortliche aus<br />

privaten, öffentlichen und Non-Profit-Unternehmen mit Sitz<br />

in der Schweiz befragt wurden, zeigte sich hierzu, dass sich<br />

Organisationen mit Lohntransparenz unterschiedlich zurückhalten.<br />

Ist diese bei Lohnnebenleistungen am höchsten, fällt<br />

sie bei individuellen variablen Lohnbest<strong>and</strong>teilen am tiefsten<br />

aus. In der Studie gab die Hälfte der untersuchten Unternehmen<br />

an, wie Grundgehälter, Lohnerhöhungen oder variable<br />

Vergütungen auf Team- oder Unternehmensebene zust<strong>and</strong>e<br />

kamen. Lediglich 40 Prozent erklärten jedoch, wie sich der<br />

individuelle und variable Vergütungsanteil zusammensetzt.<br />

Transparenz bei der Höhe des Grundlohns, bei Lohnerhöhungen<br />

sowie team- oder unternehmensbasierter variabler Vergütung<br />

kennen 30 Prozent der befragten Unternehmen. Weitere<br />

30 Prozent veröffentlichen dagegen nur zusammengefasste<br />

Informationen wie Lohnbänder oder -mittelwerte.<br />

Bei «New Work» steht zudem der Gesamterfolg eines Teams<br />

und des Unternehmens im Zentrum und nicht mehr das persönliche<br />

Abschneiden eines einzelnen Mitarbeitenden. Deshalb<br />

sollte die Vergütung bei «New Workern» nicht mehr an individuelle<br />

Ziele geknüpft werden. Hingegen sollte der variable<br />

Lohnanteil als Erfolgsbeteiligung auf dem Team- oder Unternehmenserfolg<br />

basierend ausbezahlt werden. Dies fördert die<br />

Zusammenarbeit und sorgt für innovationsorientiertes Arbeiten.<br />

Gleichzeitig dürfen aber individuelle Ziele und Beurteilungen<br />

nicht fehlen. Der Brückenschlag gelingt mit dem Ansatz<br />

«Führung und Geld trennen».<br />

Dabei ist wichtig, dass Mitarbeitenden das Lohnsystem erklärt<br />

wird. Da sich die Rollen und Verantwortlichkeiten bei weniger<br />

ausgeprägten Hierarchien innerhalb eines Unternehmens rasch<br />

verändern können, sollten sie wissen, welche Lohnbänder mit<br />

welchen Anforderungsprofilen verknüpft sind und die Anforderungen<br />

kennen, um in ein höheres zu gelangen. Dies verschafft<br />

Mitarbeitenden Klarheit zu ihrer Vergütungssituation<br />

«New Work» und Lohntransparenz<br />

Die vollständige Offenlegung aller Löhne gewinnt wegen des<br />

Themas «New Work» an Aktualität. Da sich Hierarchien in der<br />

neuen Arbeitswelt oft verringern oder wegfallen, werden unter<br />

dem Begriff «New Pay» neue Ansätze zur Festlegung der Vergütung<br />

diskutiert. Einzelne Start-ups und KMU gehen mittlerweile<br />

so weit, dass Mitarbeitende in einem mehrstufigen Prozess<br />

ein gewünschtes Lohnminimum und -maximum angeben,<br />

um den Lohn anschliessend im Team auszuh<strong>and</strong>eln.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Eine solche «radikale» Lohntransparenz kann in einzelnen<br />

Unternehmen funktionieren. Für einen Grossteil der Unternehmen<br />

ist sie aber nicht umsetzbar, da etablierte Lohnstrukturen<br />

auch aufgrund vertraglicher Bedingungen nicht per<br />

sofort verändert werden können.<br />

34


und zeigt auf, was sie leisten müssen, um einen höheren Lohn zu<br />

erhalten. Eine vollständige Lohntransparenz ist auch bei «New Work»<br />

nicht notwendig, weil interne Diskussionen mit der Offenlegung des<br />

Lohnprozesses bereits vermindert oder verhindert werden können.<br />

RECRUITING SOLUTIONS<br />

BLOG<br />

Trotz Lohnanalysen keine gläsernen Saläre<br />

Einen festen Platz hat die Salärtransparenz auch in der Gleichstellungsdebatte.<br />

Um die immer noch bestehende Lohnungleichheit zwischen<br />

Frauen und Männern zu adressieren, trat am 1. Juli 2020 die Revision<br />

des Bundesgesetzes für die Gleichstellung von Mann und Frau in Kraft:<br />

Arbeitgebende mit über 100 Mitarbeitenden müssen alle vier Jahre<br />

eine Lohngleichheitsanalyse durchführen und diese durch eine unabhängige<br />

Stelle validieren lassen. Die Transparenz im Lohnfindungsprozess<br />

lindert zwar das Ausmass einer Diskriminierung, die absolute<br />

Lohnhöhe ist aber nach wie vor privat. Somit kann die Lohngleichheitsanalyse<br />

zwar zu mehr Disziplin im Gehaltsystem beitragen und<br />

die Lohndiskriminierung abschwächen und bestenfalls verhindern, sie<br />

führt aber nicht per se zu mehr Lohntransparenz.<br />

EINE HOHE LOHNTRANSPARENZ<br />

FÜ<strong>HR</strong>T NICHT AUTOMATISCH ZU<br />

ME<strong>HR</strong> ARBEITSZUFRIEDENHEIT.<br />

FACEBOOK JOBS: AKTUELL ODER<br />

DOCH EHER VON GESTERN?<br />

Seit einigen Jahren bietet Facebook in Deutschl<strong>and</strong>, Österreich<br />

und der Schweiz die Funktion «Facebook Jobs» an. Hierbei<br />

soll vor allem der Bewerbungsprozess vereinfacht und für beide<br />

Seiten schneller gemacht werden. Ist diese Möglichkeit aber<br />

wirklich hilfreich? Und vor allem: ist sie tatsächlich noch<br />

relevant?<br />

FACEBOOK JOBS – WAS IST DAS?<br />

Was zunächst nur für den US-amerikanischen Markt möglich<br />

war, ist in der Suchfunktion «Marketplace» unter «Jobs» seit 2018<br />

auch in der Schweiz möglich. Das Ziel dabei ist es – aus Sicht der<br />

Stellensuchenden – möglichst einfach und unkompliziert einen<br />

neuen Job zu finden. Hierbei können Bewerbende ganz einfach<br />

ihre Berufsbezeichnung eingeben und sich durch einen Schieberegler<br />

über neue, passende Jobanzeigen benachrichtigen lassen.<br />

Weitere Kriterien wie der Radius, Teil- oder Vollzeit und ähnliche<br />

Merkmale lassen sich ebenfalls einstellen. Sobald diese gespeichert<br />

sind, werden dem K<strong>and</strong>idaten passende Stellen angezeigt.<br />

Keine zunehmende Zufriedenheit<br />

Eine hohe Lohntransparenz führt nicht automatisch zu mehr Arbeitszufriedenheit:<br />

Etwa im US-Bundesstaat Kalifornien, wo im öffentlichen<br />

Dienst 2012 eine weitgehende Lohntransparenz eingeführt und die<br />

Höhe der Gehälter offengelegt wurden. Als Resultat sank die Arbeitszufriedenheit<br />

bei den Gutverdienenden aufgrund ihres Lohnvergleichs<br />

mit Kollegen und bei Niedrigverdienenden durch den Lohnvergleich<br />

mit <strong>and</strong>eren Bereichen.<br />

Eine unterschiedliche Betrachtungsweise ist ebenso bei unterschiedlichen<br />

Tätigkeiten erforderlich: Bei objektiv nachvollziehbaren effizienzorientierten,<br />

repetitiven Aufgaben können Löhne einfacher offengelegt<br />

werden als bei innovationsorientierten, kognitiv anspruchsvolleren<br />

Tätigkeiten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen<br />

mit gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitenden häufiger<br />

individuelle Informationen zur Vergütung und zu Lohnerhöhungen<br />

veröffentlichen.<br />

Zweifelsohne ist Offenheit eine Schlüsselanforderung bei der Einführung<br />

von mehr Lohntransparenz. Will man die Gehaltshöhe offenlegen,<br />

muss zuvor jedoch Transparenz im Lohnprozess geschaffen werden,<br />

damit alle Beteiligten wissen, aus welchen Bausteinen ein individueller<br />

Lohn besteht. Ansonsten kommt es zwischen den Mitarbeitenden<br />

zum Lohngerangel. Ein transparentes Lohnsystem ersetzt die Führung<br />

durch Vision und Inspiration nicht. Deshalb ist – wie wir es nennen –<br />

«Führung und Geld trennen» wichtig. Auch wenn Hierarchien zunehmend<br />

abgebaut werden, muss dem Mitarbeitenden bei «New Work»<br />

Sinn vermittelt und erklärt werden, warum gewisse Aufgaben im<br />

Gesamtkontext wichtig sind.<br />

a<br />

IST FACEBOOK JOBS NOCH RELEVANT?<br />

Zwar tummelt sich die jüngere Generation eher auf TikTok oder<br />

<strong>and</strong>eren sozialen Plattformen, mit über 3,49 Millionen aktiven<br />

Nutzern in der Schweiz (Facebook hat den St<strong>and</strong> Ende Dezember<br />

2020 veröffentlicht) ist Facebook allerdings immer noch hoch<br />

im Kurs. Unternehmen dürfen hierbei nicht vergessen, dass nicht<br />

nur blutjunge, Studien- oder Lehrabgänger Stellen suchen. Auch<br />

Mittelalte bis ältere sind aktiv – und bringen oftmals Erfahrung<br />

und das nötige Fachwissen mit. Deswegen, und weil sich die<br />

Nutzung sozialer Medien seit dem Start der Corona-P<strong>and</strong>emie<br />

erhöht haben, dürfte sich Facebook keine allzu grossen Sorgen<br />

machen, dass die Facebook Jobs ein Ding von gestern werden.<br />

WORAUF UNTERNEHMEN ACHTEN MÜSSEN<br />

Unternehmen, die diese direkte Art des Bewerbungsprozesses für<br />

sich entdeckt haben – oder es gerade tun – sollten hierbei eines<br />

besonders beachten: die Zielgruppe. Denn wie bei jeder <strong>and</strong>eren<br />

Plattform möchten Sie die richtigen K<strong>and</strong>idaten für Ihr Unternehmen<br />

finden. Was nützt die schönste Stellenanzeige, wenn sie von<br />

den falschen Personen gefunden wird? Ist die Zielgruppe also<br />

richtig eingestellt, kann die Suche losgehen. Gut zu wissen:<br />

Stellenanzeigen können nicht<br />

nur als organischer Post auf der<br />

eigenen Facebook-Seite hochgeladen,<br />

sondern auch beworben<br />

werden. Dadurch erscheint<br />

die Stelle im News-Feed und im<br />

WEITERLESEN:<br />

Marketplace. Die Chance, dass<br />

bit.ly/blogprospective<br />

noch mehr Bewerbende die<br />

Stelle sehen, erhöht sich dadurch<br />

um ein Vielfaches.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

35


Presented by<br />

«FROM TRAGIC TO MAGIC»<br />

- DREI MYTHEN ÜBER DAS <strong>HR</strong>-OUTSOURCING<br />

V<br />

G<br />

Z<br />

Schon in Mesopotamien wurde Datensicherung<br />

betrieben. Zugegeben, die Tontafeln die 2 000 vor<br />

Christus dafür zur Anwendung kamen, waren nicht<br />

wirklich praktisch. Für die dauerhafte Speicherung<br />

von Bild- und Schriftdaten erfüllten sie aber ihren<br />

Zweck. Grundsolide und für die Ewigkeit gemacht.<br />

F O<br />

S :<br />

T O<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Seither hat sich einiges getan. Gut 4 000 Jahre später<br />

kommen wir zum Wort der Stunde - die Digitalisierung.<br />

Was die Menschen in Mesopotamien in<br />

mühseliger Arbeit mit Knochenkeilen in die Tafeln<br />

ritzten, ist heute in Bites und Bytes aufgeschlüsselt.<br />

Keine Human Resources-Abteilung (<strong>HR</strong>) führt mehr<br />

Tontafeln im Archiv. Einige <strong>HR</strong>-Prozesse erinnern in<br />

ihrer Behäbigkeit immer noch an diese vorchristliche<br />

Arbeitsweise. Mit der Folge, dass sich das <strong>HR</strong> nicht<br />

um das «H» in deren Berufsbeschreibung kümmert<br />

– den Mitarbeitenden. Eine Lösung hierfür bietet<br />

das Outsourcing verschiedener <strong>HR</strong>-Prozesse. Dieses<br />

kämpft aber gegen viele Vorurteile an. Stichworte<br />

wie Kontrollverlust und überbordende Kosten werden<br />

hier immer wieder zur Befeuerung der Vorbehalte<br />

herangezogen. Was hat es damit auf sich?<br />

Prüfen wir die Fakten.<br />

Mythos 1: <strong>HR</strong>-Outsourcing ist teuer<br />

Bei der Investitionsentscheidung für <strong>HR</strong>-Prozesse<br />

gilt der Total Cost of Ownership (TCO) als heiliger<br />

Gral der Gegenüberstellung effektiver Aufwendungen.<br />

Wer nur diese Kennzahl berücksichtigt, begeht<br />

aber einen grossen Denkfehler. Er vergleicht Äpfel<br />

mit Birnen. Hier fehlt nämlich ein wichtiges Element,<br />

um eine praktikable Aussage zur Rentabilität<br />

einer <strong>HR</strong>-Investition machen zu können. Der sogenannte<br />

Return on Investment (ROI). Die Frage ist<br />

hier beispielsweise nicht, ob man das «Payroll» outsourcen<br />

soll. Die Frage lautet: Was gewinne ich,<br />

wenn ich die dadurch freiwerdenden <strong>HR</strong>-Ressourcen<br />

in wertschöpfende Aufgaben investiere? Denken<br />

Sie etwa an das «Recruiting», das «Talent Retention»,<br />

das «Talent Development» oder auch das<br />

«Employer Br<strong>and</strong>ing». Die Liste liesse sich an dieser<br />

Stelle endlos weiterführen.<br />

Mythos 2: <strong>HR</strong>-Outsourcing führt zu Kontrollverlust<br />

Kontrollverlust ist für Unternehmen ein grosses<br />

Thema. Es lohnt sich aber auch über einen weiteren<br />

Verlust zu sprechen. Den Know-How-Verlust. Schön<br />

und gut, wenn ein Excel-affiner <strong>HR</strong>-Mitarbeitender<br />

eine makrobeladene Reporting-Datei aufsetzt. Ein<br />

praktisches Dokument, welches farbenfrohe<br />

Kuchendiagramme erstellen kann. Was passiert<br />

aber, wenn dieser Mitarbeitende das Unternehmen<br />

eines Tages verlässt oder krankheitsbedingt für<br />

längere Zeit ausfällt? Hier sollten frühzeitig Lösungen<br />

bereitstehen, die den Know-How-Transfer an<br />

neue Mitarbeitende jederzeit gewährleisten. Auch<br />

der Aufrechterhaltung von IT-Systemen kommt im<br />

Bereich Kontrolle eine grosse Rolle zu. Die Tools<br />

müssen in der Lage sein, Informationen in Echtzeit<br />

und örtlich flexibel verfügbar zu machen. Denn<br />

gerade in P<strong>and</strong>emiezeiten ist diese Flexibilität unerlässlich.<br />

Mythos 3: Administration ist Sache des <strong>HR</strong><br />

Das wichtigste Asset eines Unternehmens sind die<br />

Mitarbeitenden. Das ist irgendwo gut sichtbar in<br />

den Visionen und Werten der Unternehmen niedergeschrieben.<br />

Allzu oft ist es aber so, dass gerade<br />

dieser Asset nicht als solcher beh<strong>and</strong>elt wird. In<br />

praktisch jeder Abteilung dreht sich alles nur um<br />

das Kundenerlebnis, der sogenannten «User Experience».<br />

Warum sollten die Mitarbeitenden nicht<br />

auch davon profitieren dürfen? Schliesslich verbringen<br />

wir einen Grossteil unseres Lebens am Arbeitsplatz.<br />

Wo bleibt hier also die «Employee Experience»?<br />

Die Antwort ist schnell gefunden. Auf der<br />

Strecke. Gerade der administrative Aufw<strong>and</strong> ist für<br />

Mitarbeitende mühselig. Anstatt Lohnauszüge,<br />

Feriensaldi oder Arbeitsbestätigungen bequem<br />

online herunterladen zu können, warten viele am<br />

Hörer auf eine Antwort des <strong>HR</strong>. Das Schlimmste<br />

daran: die fantasievollen Warteschlaufen mit wirklich<br />

mässigem Musikgeschmack. Ist der Anruf getätigt<br />

oder die Mail geschrieben, vergeht eine gefühlte<br />

Ewigkeit, bis eine entsprechende Antwort kommt.<br />

René Pucnik<br />

Key Account Manager<br />

Trianon AG<br />

Geben Sie Ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit<br />

Daten des Daily Business selbst zu verwalten und<br />

zu beziehen. Einfach und schnell. Dieses Motto<br />

macht sich auch in der Rekrutierung gut. Denn auch<br />

hier gilt: Je attraktiver das «Bewerbungserlebnis»<br />

gestaltet wird, desto höher die Arbeitgeberattraktivität.<br />

Kurz und bündig:<br />

Die genannten Aspekte sind eng mitein<strong>and</strong>er verzahnt.<br />

Sie lassen sich um viele weitere ergänzen,<br />

wie beispielsweise das Thema «Employer of Choice».<br />

Ein attraktiver Arbeitgeber erhält auf offene Stellen<br />

interessantere und spannendere Bewerbungen als<br />

die Konkurrenz. Grossartig, oder? Darum lohnt sich,<br />

das Outsourcing von <strong>HR</strong>-Prozessen mit Blick auf<br />

einen nachhaltigen Unternehmenserfolg zu prüfen.<br />

Finden Sie den geeigneten Partner für Ihre Datensicherheit,<br />

Skalierbarkeit, Integration von Prozessen,<br />

Kapazitäten und System-Aktualität. So macht die<br />

Zusammenarbeit mit einem Outsourcing-Anbieter<br />

nachhaltig Freude und bringt die beschriebenen<br />

positiven Effekte für das gesamte Unternehmen.<br />

Insbesondere für das <strong>HR</strong>.<br />

36


THEMA<br />

Arbeit und Recht (Seite 38) • Social Investment (Seite 45) • Learning (ab Seite 48)<br />

NUR KEINE SCHWÄCHE ZEIGEN<br />

Über ein Drittel der Schweizer Arbeitnehmenden fühlen sich seit<br />

Ausbruch der P<strong>and</strong>emie unglücklicher. Das zeigt eine weltweite<br />

Studie des Cloud-Lösungsanbieters Avaya, für die weltweit 10 000<br />

Arbeitnehmende befragt wurden. Das hängt zum einen mit den<br />

fehlenden sozialen Kontakten zusammen, zum <strong>and</strong>eren stören<br />

Geldnöte, Ängste und Risikoaversion den Seelenfrieden. Aus Angst<br />

vor einem Arbeitsplatzverlust geben 24 Prozent der Schweizerinnen<br />

und Schweizer der Arbeit gegenüber ihrem persönlichen<br />

Wohlbefinden den Vorrang. So bezeichnen sich 34 Prozent als<br />

Workaholics, 32 Prozent kämpfen mit ihrer Work-Life-Balance<br />

und 39 Prozent fühlen sich in ihrer täglichen Routine gefangen.<br />

Rund 46 Prozent der Schweizer Befragten würden gerne einen<br />

Gang zurückschalten, trauen sich aber aus Angst vor einem<br />

Arbeitsplatzverlust nicht. avaya.com/de/work-life-studie<br />

Steigende Unsicherheit<br />

um Altersvorsorge<br />

Die Altersvorsorge der Schweizerinnen und Schweizer steht auf dem<br />

Sorgenbarometer ganz oben auf der Liste. Das ist der AXA-Vorsorgestudie<br />

<strong>2021</strong> zu entnehmen, zu der 1031 Personen aus der Deutschund<br />

Westschweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt wurden. Mehr<br />

als 70 Prozent der Antwortenden glauben, dass sich der Druck auf<br />

die Altersvorsorge durch die Corona-Krise weiter verschärft.<br />

8 VON 10<br />

Schweizerinnen<br />

und Schweizer<br />

möchten ihre<br />

Arbeitszeit flexibel<br />

einteilen.<br />

Jeder zehnte<br />

träumt sogar<br />

vom kompletten<br />

Homeoffice. Das<br />

ist der Global-Talent-Studie von Jobcloud und der Boston Consulting<br />

Group zu entnehmen, für die 108 000 Arbeitnehmende und Arbeitssuchende<br />

aus 190 Ländern befragt wurden.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

37


THEMA<br />

Arbeit und Recht<br />

WIE SICH DER VERKAUF EINES BETRIEBS<br />

AUF DIE ARBEITSVERHÄLTNISSE AUSWIRKT<br />

WENN EIN BETRIEB ODER BETRIEBSTEIL VERKAUFT ODER ÜBERTRAGEN WIRD, GEHEN DIE ARBEITSVERHÄLTNISSE<br />

AUTOMATISCH AUF DEN KÄUFER ÜBER, SOFERN DAS DIE ARBEITNEHMENDEN NICHT ABLEHNEN.<br />

Gastbeitrag: Nicolas Facincani<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Nicolas Facincani, lic.<br />

iur., LL.M., ist Partner<br />

der Anwaltskanzlei<br />

Voillat Facincani Sutter<br />

+ Partner. Er ist als<br />

Rechtsanwalt tätig und<br />

berät Unternehmen<br />

und Private vorwiegend<br />

in wirtschafts- und<br />

arbeitsrechtlichen<br />

Belangen.<br />

vfs-partner.ch<br />

Von einem Betriebsübergang spricht das Schweizer Recht, wenn<br />

der Betrieb auf einen Dritten übertragen wird. Das geschieht in<br />

der Regel durch ein Rechtsgeschäft wie einen Kauf oder eine<br />

Schenkung. Dabei ist es notwendig, dass der Betrieb die Identität<br />

bewahrt: den Betriebszweck, die Organisation und den individuellen<br />

Charakter. Das Unternehmen muss zudem weiterhin<br />

eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausüben. Kein Betriebsübergang<br />

liegt vor, wenn die Aktien einer Aktiengesellschaft oder<br />

Stammanteile einer GmbH übertagen werden, oder die<br />

Geschäftsführung einer Gesellschaft ändert.<br />

Es ist nicht nötig, dass bei einem Betriebsübergang zwischen<br />

altem und neuem Betriebsinhabenden eine Rechtsbeziehung<br />

besteht (BGE 123 III 466 ff.). Diesbezüglich hielt das Bundesgericht<br />

fest, dass es für einen Betriebsübergang im Sinne von Art. 333<br />

Abs. 1 OR genüge, wenn ein Betrieb vom neuen Inhaber weitergeführt<br />

oder übernommen werde. Dabei sei unerheblich, ob<br />

zwischen erstem und zweitem Eigentümer ein Rechtsverhältnis<br />

besteht oder nicht.<br />

Das Schweizer Recht enthält keine Definition des Betriebs oder<br />

des Betriebsteils. Das Bundesgericht definiert in seiner Rechtsprechung<br />

den Betrieb als «eine auf Dauer gerichtete, in sich<br />

geschlossene organisatorische Leistungseinheit, die selbständig<br />

am Wirtschaftsleben teilnimmt zur fortgesetzten Verfolgung<br />

eines arbeitstechnischen Zweckes». Bei Betriebsteilen h<strong>and</strong>elt es<br />

sich indes um organisatorische Leistungseinheiten, denen die<br />

wirtschaftliche Selbständigkeit fehlt (BGE 129 III 335 E. 2.1).<br />

Übergang der Arbeitsverhältnisse<br />

Wird der Betrieb oder der Betriebsteil im beschriebenen Sinne<br />

übertragen, sieht das Gesetz vor, dass sämtliche dem Betrieb<br />

beziehungsweise dem Betriebsteil zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse<br />

mit dem Tag der Betriebsnachfolge auf den Erwerbenden<br />

übergehen, sofern die betroffenen Arbeitnehmenden den Übergang<br />

nicht ablehnen. Der Übergang erfolgt von Gesetzes wegen<br />

automatisch. Eine Zustimmung der Arbeitnehmenden ist nicht<br />

erforderlich. Ebenso kann der Erwerbende den Übergang nicht<br />

ablehnen. Es werden sämtliche Rechte und Pflichten übertragen,<br />

auch offene Forderungen aus Lohn-, Ferien- oder Überstundenguthaben.<br />

Wenn ein Gesamtarbeitsvertrag besteht, muss der Erwerbende<br />

diesen während eines Jahres nach Betriebsübergang einhalten,<br />

sofern dieser nicht vorher abläuft oder infolge Kündigung endet.<br />

Der Erwerbende des Betriebs oder Betriebsteils muss den Gesamtarbeitsvertrag<br />

somit auch dann beachten, wenn dieser auf ihn<br />

sonst nicht anwendbar wäre.<br />

Ablehnungsrecht<br />

Die betroffenen Arbeitnehmenden haben das Recht, den Übergang<br />

des Arbeitsverhältnisses abzulehnen. Die Ablehnung ist an<br />

den jeweiligen Arbeitgebenden zu richten und kann formlos<br />

geschehen. Vor dem Betriebsübergang geht sie an den bisherigen<br />

Arbeitgebenden, danach an den neuen.<br />

Die Praxis nimmt an, dass Arbeitnehmenden eine Frist von etwa<br />

einem Monat zugest<strong>and</strong>en werden soll, während der sie ihr Ablehnungsrecht<br />

ausüben können. Das gilt auch, wenn Arbeitnehmenden<br />

keine Frist gesetzt wird. Die Frist läuft ab dem Moment, in<br />

dem der Betriebsübergang angekündigt wird, oder bei fehlender<br />

Ankündigung ab dem Moment, in welchem die Arbeitnehmenden<br />

Kenntnis der wesentlichen Umstände des Betriebsübergangs<br />

haben.<br />

Lehnen die Arbeitnehmenden den Übergang des Arbeitsverhältnisses<br />

ab, wird dieses nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist<br />

auf den nächsten gesetzlichen Kündigungstermin aufgelöst,<br />

wobei das Arbeitsverhältnis frühestens per Betriebsübergangsdatum<br />

endet. Endet die Kündigungsfrist erst nach dem Betriebsübergang,<br />

geht das Arbeitsverhältnis zunächst auf den Erwerbenden<br />

über. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der<br />

Vertrag von den Parteien zu erfüllen.<br />

Solidarische Haftung<br />

Für einen Arbeitnehmenden dessen Arbeitsverhältnis automatisch<br />

übertragen wird, besteht das Risiko, dass der neue Arbeitgebende<br />

nicht gleichermassen liquid ist. Das Gesetz verschafft<br />

hier Abhilfe, indem es vorsieht, dass der bisherige Arbeitgebende<br />

und der Erwerbende des Betriebs solidarisch für gewisse Forderungen<br />

des Arbeitnehmenden haften. Der Arbeitnehmende kann<br />

bei Fälligkeit der vorgenannten Forderungen gegen den neuen<br />

oder alten Arbeitgebenden vorgehen.<br />

Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden<br />

Damit die Arbeitnehmenden entscheiden können, ob sie den<br />

Übergang ihres Arbeitsverhältnisses ablehnen wollen oder nicht,<br />

steht ihnen ein gesetzliches Mitwirkungsrecht zu. Überträgt ein<br />

Arbeitgebender den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen<br />

Dritten, so hat er entweder die Arbeitnehmervertretung oder die<br />

Arbeitnehmenden rechtzeitig vor dem Übergangsvollzug zu informieren<br />

– sowohl über den Grund des Übergangs als auch die<br />

rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Sind infolge<br />

des Übergangs zudem Massnahmen beabsichtigt, welche die<br />

Arbeitnehmenden betreffen, wie etwa Kündigungen, sind die<br />

Arbeitnehmervertretung oder die Arbeitnehmenden rechtzeitig<br />

vor dem Entscheid über diese Massnahmen zu konsultieren. Unter<br />

38


Arbeit und Recht<br />

THEMA<br />

Konsultation wird das Recht verst<strong>and</strong>en, Vorschläge<br />

zu unterbreiten, wobei der Arbeitgebende nicht verpflichtet<br />

ist, diese umzusetzen.<br />

Ausserordentliche Situationen<br />

Die bestehende Regelung könnte sich insbesondere<br />

in Konkurs- und Nachlassverfahren als ungünstig<br />

erweisen. So könnte ein Verkauf eines Betriebs bei<br />

einem Konkurs- und Nachlassverfahren daran schei-<br />

tern, dass ein Erwerbender nicht sämtliche Arbeitsverhältnisse<br />

übernehmen möchte. Daher wurde per<br />

1. Januar 2014 neu ins OR eingeführt, dass ein<br />

Betrieb oder ein Betriebsteil während einer Nachlassstundung,<br />

einem Konkurs oder einem Nachlassvertrag<br />

mit Vermögensabtretung nur dann<br />

übertragen wird und die Arbeitsverhältnisse auf den<br />

Erwerbenden übergehen, wenn dies mit dem<br />

Erwerbenden so vereinbart wurde und die Arbeitnehmenden<br />

den Übergang nicht ablehnen. Bei<br />

Fusionen, Spaltungen und Vermögensübertragungen<br />

nach dem Fusionsgesetz kommen die vorgenannten<br />

Regelungen ebenfalls zu Anwendung.<br />

Danach haben die betroffenen Arbeitnehmenden<br />

zusätzlich das Recht, eine Sicherstellung ihrer Forderung<br />

zu verlangen, das zusätzlich zur Solidarhaftung<br />

der bisherigen Arbeitgebenden und dem<br />

Erwerbenden.<br />

a<br />

VERJÄ<strong>HR</strong>UNG DES ANSPRUCHS AUF EIN ARBEITSZEUGNIS<br />

Rechtsanwältin Sonja<br />

Stark-Traber, LL.M.,<br />

Sozialversicherungsfachfrau<br />

mit eidgenössischem<br />

Fachausweis,<br />

ist Partnerin in der<br />

Wirtschaftsanwaltskanzlei<br />

Suter Howald<br />

Rechtsanwälte in Zürich<br />

und sowohl beratend<br />

wie prozessierend im<br />

Arbeits- und Sozialversicherungsrecht<br />

tätig.<br />

suterhowald.ch<br />

BGE 4A_295/2020, Urteil vom 28. Dezember 2020<br />

Das Urteil<br />

Ein Arbeitnehmer verlangte rund sechs Jahre nach Beendigung<br />

seines Arbeitsverhältnisses die Berichtigung seines Arbeitszeugnisses.<br />

Die Arbeitgeberin machte geltend, dass der Berichtigungsanspruch<br />

des Arbeitnehmers zwischenzeitlich verjährt sei – und<br />

lehnte ab. Ein Fall, der dem Bundesgericht erstmals Gelegenheit<br />

bot, sich zur Frage der Verjährung des Zeugnisanspruchs zu äussern.<br />

Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmende jederzeit<br />

vom Arbeitgebenden ein Zeugnis verlangen. Die Verjährung des<br />

Zeugnisanspruchs untersteht den allgemeinen Vorschriften des<br />

Obligationenrechts über die Verjährung. Grundsätzlich verjähren<br />

Ansprüche nach Ablauf von zehn Jahren (Art. 127 OR). Forderungen<br />

aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmenden (Art. 128<br />

Ziff. 3 OR) verjähren zudem bereits nach fünf Jahren.<br />

Das Bundesgericht musste sich somit ausführlich mit der Abgrenzung<br />

von Art. 127 und Art. 128 Ziff. 3 OR ausein<strong>and</strong>ersetzen. Es<br />

kam zum Schluss, dass Art. 128 Ziff. 3 OR nur restriktiv anzuwenden<br />

sei und nur monetäre Forderungen im Zusammenhang<br />

mit der Hauptleistung des Arbeitnehmenden erfasst. Wenn Art.<br />

128 Ziff. 3 OR auf alle Ansprüche der Arbeitnehmenden aus dem<br />

Arbeitsverhältnis ausgeweitet würde, benachteiligte dies ungerechtfertigterweise<br />

die Arbeitnehmenden im Gegensatz zum<br />

Arbeitgebenden. Der Anspruch auf Ausstellung oder Berichtigung<br />

eines Arbeitszeugnisses ist zwar vermögensrechtlicher Natur,<br />

weist jedoch keine Merkmale einer Lohnforderung auf. Der<br />

Anspruch unterliegt deshalb der generellen Verjährungsfrist von<br />

zehn Jahren.<br />

Gemäss Bundesgericht spricht für die kürzere Verjährungsfrist<br />

von fünf Jahren auch nicht der Umst<strong>and</strong>, dass die Beweisführung<br />

erschwert wird, wenn zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses<br />

und der Klageerhebung ein langer Zeitraum liegt. Vorbehalten<br />

bleiben allerdings Fälle von Rechtsmissbrauch. Rechtsmissbräuchlich<br />

h<strong>and</strong>elt beispielsweise ein Arbeitnehmender, der<br />

absichtlich den Tod der zuständigen Person oder die Vernichtung<br />

der entsprechenden Unterlagen abwartet, bevor er ein Arbeitszeugnis<br />

oder dessen Berichtigung verlangt. In diesem Fall kann<br />

er sich nicht auf die Verjährungsfrist von zehn Jahren berufen.<br />

Kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen liegt gemäss Bundesgericht<br />

hingegen vor, wenn ein Arbeitnehmender, der eine neue<br />

Stelle gefunden hat, kein Arbeitszeugnis verlangt, weil er davon<br />

ausgeht, dass er dieses nicht benötigt. Wird er sechs Jahre später<br />

von seinem neuen Arbeitgebenden entlassen und stellt fest,<br />

dass er ein Arbeitszeugnis von seinem ehemaligen Arbeitgebenden<br />

braucht, um seine Bewerbungsunterlagen zu vervollständigen,<br />

so ist die Forderung danach nicht rechtsmissbräuchlich.<br />

Konsequenz für die Praxis<br />

Die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses Jahre nach Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses kann für Arbeitgebende schwierig sein,<br />

wenn die dafür notwendigen Unterlagen nicht mehr vorh<strong>and</strong>en<br />

sind. Arbeitgebende sollten deshalb sicherstellen, dass Leistungsbewertungen<br />

und <strong>and</strong>ere für die Ausstellung von Arbeitszeugnissen<br />

relevante Unterlagen während zehn Jahren nach Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses aufbewahrt werden. Vorbehalten<br />

bleiben Fälle von Rechtsmissbrauch: Arbeitnehmende, die mit<br />

ihrer Forderung auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses bewusst<br />

zuwarten, bis die massgebenden Unterlagen vernichtet worden<br />

sind oder der verantwortliche Vorgesetzte aus der Firma ausgeschieden<br />

ist, verwirken ihr Recht auf ein Arbeitszeugnis. a<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

39


THEMA<br />

<strong>HR</strong> Tech Club<br />

«UNSERE BRANCHE STIRBT»<br />

DAS DIGITALE <strong>HR</strong>-MANAGEMENT WIRD SICH BIS 2023 GRUNDLEGEND VERÄNDERN, SAGT VASILIOS TRIADIS,<br />

VORSTANDSVORSITZENDER DER P&I PERSONAL UND INFORMATIK. EIN GESPRÄCH ÜBER TRANSFORMATION UND NEUE ANSÄTZE.<br />

Interview: Redaktion <strong>HR</strong> <strong>Today</strong><br />

Vasilios Triadis ist<br />

Vorst<strong>and</strong>svorsitzender<br />

der P&I Personal und<br />

Informatik AG.<br />

Sponsoren:<br />

«Das <strong>HR</strong>-Management unterliegt einer raschen und<br />

unumkehrbaren Transformation», äusserten Sie kürzlich.<br />

Können Sie das ausführen?<br />

Vasilios Triadis: Die Personalarbeit findet zunehmend digital<br />

mit Cloud-Anwendungen und mechanischen Produkten<br />

statt. Damit einhergehend steigen deren Funktion, Leistung<br />

und Produktivität exponentiell. Diese Entwicklung hat sich<br />

beschleunigt: Durch die Corona-P<strong>and</strong>emie wurde schlagartig<br />

eine neue Normalität geschaffen. Gleichzeitig wurden neue<br />

Anforderungen an die <strong>HR</strong>-Arbeitswerkzeuge gestellt. Ich lege<br />

Unternehmen deshalb nahe, den notwenigen Schritt in die<br />

Digitalisierung nicht länger zu vertagen, sondern jetzt zu<br />

h<strong>and</strong>eln.<br />

Weshalb?<br />

Es gilt, Umwälzungen gegenüber offen zu sein, sie als Veränderungschance<br />

wahrzunehmen und sie proaktiv anzugehen.<br />

Nur so können die Weichen gestellt werden, um das<br />

Personalmanagement in die digitalisierte Zukunft zu führen.<br />

Der Schlüssel zum Erfolg basiert dabei auf drei wesentlichen<br />

Faktoren, ohne die ein leistungsfähiges und effizientes Arbeiten<br />

schon heute nicht mehr möglich wäre: mobile Lösungen,<br />

intelligente Produkte und die digitale Kommunikation mit<br />

den Mitarbeitenden. Digitale Anwendungen und einfach zu<br />

beherrschende Software-Lösungen entscheiden künftig über<br />

die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg von Unternehmen.<br />

Ein digitales Produkt allein wird nicht ausreichen.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Die Anforderungen haben sich von der neuesten Technologie<br />

und der leistungsstärksten Anwendung zum Nutzen und<br />

Werte einer Software verschoben. Insbesondere im <strong>HR</strong> müssen<br />

Produkte für Mitarbeitende geschaffen werden. Das ist<br />

nichts Neues: Schon jetzt werden <strong>HR</strong>-Routineaufgaben von<br />

Mitarbeitenden erledigt oder von Maschinen übernommen.<br />

Die zuvor zentral gebündelte Personalabteilung wird sich<br />

deshalb künftig zunehmend in einzelne Unternehmensbereiche<br />

hinein verlagern und nicht mehr «nur» ausführen, sondern<br />

eine der essenziellen internen Gestaltungsträger sein – und<br />

somit der neuen Arbeitswelt. Gleichzeitig bedeutet das wohl,<br />

dass «unsere» Branche stirbt. Dennoch ist die Digitalisierung<br />

dringend notwendig. Genauer gesagt: Das bisherige Aufgabenspektrum<br />

von <strong>HR</strong> muss in drei Bereiche aufgegliedert<br />

werden, wenn es zukunftsfähig bleiben möchte.<br />

Können Sie das verdeutlichen?<br />

Erstens werden die bereits erwähnten <strong>HR</strong>-Services mit st<strong>and</strong>ardisierten<br />

Abläufen und Dienstleistungen in den Bereichen<br />

Personaladministration, Lohn, Zeitmanagement sowie dem<br />

Gesundheitsmanagement weiter automatisiert und optimiert.<br />

Das um die Personalfunktion als anerkannte Dienstleistung<br />

im Unternehmen beziehungsweise der Verwaltung<br />

zu etablieren. Das Ziel wird sein, Mitarbeitenden mit einfachen<br />

Technologien personalisierbare Services zur Verfügung zu<br />

stellen, mit denen sie <strong>HR</strong>-Routineaufgaben eigenständig<br />

bewältigen können. Zweitens wird aus der aktuellen Entwicklung<br />

eine spezielle Personalarbeit hervorgehen, welche<br />

die drei Themen Rekrutierung, Talent und Kompetenzen<br />

abdeckt. Ausgerichtet auf die Besonderheiten der neuen<br />

Normalität nach der P<strong>and</strong>emie wird der Fokus vor allem auf<br />

der individuellen Betreuung der einzelnen Unternehmensbereiche<br />

liegen. Dadurch wird das Personalmanagement in<br />

die unterschiedlichen Abteilungen hineingetragen und die<br />

<strong>HR</strong>-Abteilung in der Lage sein, mithilfe moderner Technologien<br />

und intelligenter Algorithmen auf die Bedürfnisse der<br />

jeweiligen Fachbereiche gezielt einzugehen. Drittens werden<br />

Datenmanagement, Kultur und Technologie zu den grundlegenden<br />

Disziplinen der Digitalisierung und zum strategischen<br />

Schwerpunkt des <strong>HR</strong>-Managements. Kernaufgabe der<br />

Personalabteilung wird künftig sein, herauszufinden, welche<br />

Kompetenzen Mitarbeitende benötigen, um ihr Unternehmen<br />

erfolgreich voranzutreiben.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

<strong>HR</strong> TECH CLUB – MEET THE FUTURE<br />

Aufgrund der aktuellen Situation sind zurzeit keine physischen Events geplant.<br />

hrtechclub.ch<br />

40


Sozialversicherung<br />

THEMA<br />

FOTO: iSTOCKPHOTO<br />

ANGEHÖRIGENBETREUUNG UND ERWERBSTÄTIGKEIT<br />

DIE VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF SOLL IN DER SCHWEIZ VORANGETRIEBEN WERDEN.<br />

DEM TRAGEN NEUE GESETZLICHE BESTIMMUNGEN RECHNUNG.<br />

Gastbeitrag: Martina Filippo<br />

Martina Filippo ist<br />

Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin im Zentrum<br />

für Sozialrecht an<br />

der ZHAW School of<br />

Management <strong>and</strong> Law.<br />

zhaw.ch<br />

Nebst der Vaterschaftsentschädigung trat am 1. Januar <strong>2021</strong> die<br />

erste Etappe des neuen Bundesgesetzes über die Vereinbarkeit<br />

von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung in Kraft. Dabei<br />

h<strong>and</strong>elt es sich um Anpassungen und Änderungen in verschiedenen<br />

Einzelgesetzen, welche Arbeitnehmenden die Vereinbarkeit<br />

von ihrer Erwerbstätigkeit mit der Betreuungsverpflichtung<br />

gegenüber kranken oder verunfallten Angehörigen erleichtern<br />

soll. Neu geregelt werden die Lohnfortzahlung bei kurzen Arbeitsabwesenheiten,<br />

die Ausweitung der Betreuungsgutschriften der<br />

AHV, die Anpassung des Intensivpflegezuschlags und die Hilflosenentschädigung<br />

der IV für Kinder. Am 1. Juli <strong>2021</strong> wird die zweite<br />

Etappe in Kraft treten: der bezahlte 14-wöchige Urlaub für die<br />

Betreuung schwer kranker oder verunfallter Kinder. Für Arbeitgebende<br />

sind vor allem die Lohnfortzahlungspflicht bei kurzen<br />

Arbeitsabwesenheiten und die Betreuungsentschädigung von<br />

Relevanz.<br />

Lohnfortzahlung bei kurzen Arbeitsabwesenheiten<br />

Neu haben Arbeitnehmende gem. Art. 36 Abs. 3 ArG und Art.<br />

329h OR Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur<br />

Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des<br />

Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig<br />

ist. Der Urlaub beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis<br />

und höchstens zehn Tage pro Jahr. Das bedeutet beispielsweise,<br />

dass sich eine Person übers Jahr verteilt je um ein krankes<br />

Kind, einen kranken Partner oder Ehegatten kümmern kann. Das,<br />

sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind und alle Abwesenheiten<br />

zusammen nicht mehr als zehn Tage ergeben. Unter<br />

«Familienmitglieder» versteht man – abgeleitet aus Art. 29septies<br />

Abs. 1 AHVG für den Anspruch auf Betreuungsgutschriften – Verw<strong>and</strong>te<br />

in auf- und absteigender Linie (hauptsächlich Eltern und<br />

Kinder) und Geschwister. Dazu zählen auch Ehegatten, eingetragene<br />

Partner, Schwiegereltern sowie Lebenspartner, mit denen<br />

ein Arbeitnehmender seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen<br />

Haushalt führt. Als Kinder gelten Personen, mit denen<br />

die Vater- bzw. Mutterschaft im zivilrechtlichen Sinne begründet<br />

ist (vgl. zum Ganzen BBl 2019 4103, 4132). Diese neue Regelung<br />

bringt für Arbeitnehmende vor allem drei Verbesserungen: So<br />

wird ein Urlaub für die Betreuung von Familienmitgliedern oder<br />

Lebenspartnern auch dann gewährt, wenn ihnen gegenüber<br />

keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Die Lohnfortzahlung<br />

gilt zudem nicht mehr nur, bis eine adäquate Ersatzlösung<br />

gefunden wird. Ausserdem wird der Urlaub von drei Tagen<br />

gemäss Artikel 324a OR für die Betreuung von Kindern, Ehegatten<br />

und eingetragenen Partnern nicht mehr an das Ferien-<br />

Jahresguthaben angerechnet (BBl 2019 4103, 4132). Sind die<br />

gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, bedeutet dies für Arbeitgebende,<br />

dass Arbeitnehmende pro Ereignis von Gesetzes<br />

wegen jeweils drei Tage frei haben. Arbeitgebende müssen<br />

ihnen während dieser Zeit weiterhin den Lohn zahlen.<br />

Betreuungsentschädigung<br />

Der Anspruch auf den Erwerbsersatz ist für Eltern vorgesehen,<br />

deren minderjähriges Kind infolge schwerer gesundheitlicher<br />

Beeinträchtigung einen erhöhten Bedarf an Begleitung und<br />

Pflege hat (Art. 16n Abs. 1 E-EOG). Anknüpfungspunkt bildet<br />

das Kindesverhältnis nach Art. 252 ZGB. Der Zivilst<strong>and</strong> der<br />

Eltern ist unerheblich. Massgebend für die Beurteilung des<br />

Schweregrads der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindes<br />

sind die Symp tome der Beeinträchtigung, welche eine stationäre<br />

oder ambulante ärztliche Beh<strong>and</strong>lung des Kindes über<br />

eine längere Dauer (mehrere Monate) bedingen, wobei die<br />

Dauer zu Beginn häufig noch nicht abschätzbar ist (Art. 16o<br />

E-EOG). Bagatellkrankheiten und leichte Unfallfolgen rechtfertigen<br />

dagegen keinen Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung.<br />

Gleichzeitig soll die Definition so allgemein gehalten<br />

sein, dass sie möglichst die gesamte B<strong>and</strong>breite schwerer<br />

gesundheitlicher Beeinträchtigungen umfasst (zum Ganzen<br />

BBl 2019 4103, 4134 f.). Es genügt, wenn mindestens ein Elternteil<br />

in einem Arbeitsverhältnis steht oder selbstständigerwerbend<br />

ist und die Erwerbstätigkeit unterbricht (Art. 16n Abs. 1<br />

lit. b E-EOG). Für die Betreuungsentschädigung werden weder<br />

eine Vorversicherungsdauer noch eine Mindesterwerbsdauer<br />

vorausgesetzt. Der Urlaub kann innerhalb einer Rahmenfrist<br />

von 18 Monaten bezogen werden. Die Rahmenfrist beginnt mit<br />

dem Tag, für den das erste Taggeld bezogen wird (Art. 16p<br />

E-EOG). Das Taggeld beträgt 80 Prozent des vorangegangenen<br />

Lohnes und ist durch einen Höchstbetrag beschränkt (Art. 16r<br />

E-EOG). Dies ist unabhängig davon, ob der Urlaub tageweise<br />

oder am Stück bezogen wird. Für Arbeitgebende bedeutet dies,<br />

dass Mitarbeitende bei Unfällen unter Umständen für längere<br />

Zeit unvermittelt ausfallen könnten. Für kleinere Betriebe, die<br />

nicht schnell einen Ersatz für die fehlende Arbeitskraft finden,<br />

kann dies problematisch werden.<br />

a<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

41


THEMA<br />

Special: Personaldienstleister<br />

FOTO: ZVG<br />

Anzeige<br />

RECRUITING 2.0<br />

JUSTUS SPENGLER UND LUCAS ZEHNDER HABEN SICH MIT ROCKSTAR<br />

RECRUITING DER BEZIEHUNGSPFLEGE ZU KANDIDATINNEN UND KANDIDATEN<br />

VERSC<strong>HR</strong>IEBEN. WESHALB DAS IMMER WICHTIGER WIRD. EIN GESPRÄCH<br />

ÜBER NEUE REKRUTIERUNGSANSÄTZE.<br />

Interview: Corinne Päper<br />

Sie beschäftigen sich gemäss eigenen Angaben mit Sustainable Recruiting.<br />

Was heisst das?<br />

Justus Spengler: Das beschreibt zunächst unser internes Mindset. Wir glauben,<br />

dass eine vertrauensvolle Beziehung zu unseren K<strong>and</strong>idatinnen und<br />

K<strong>and</strong>idaten über eine Vermittlung hinausgeht. Deshalb investieren wir viel<br />

Zeit in unsere Tech Community und stehen K<strong>and</strong>idatinnen und K<strong>and</strong>idaten<br />

mit Rat und Tat zur Seite. Da diese uns in ihrem persönlichen Netzwerk<br />

empfehlen, können wir organisch wachsen und erhalten so Zugang zu Expertinnen<br />

und Experten, die wir in den bekannten Kanälen nicht erreichen.<br />

Diesen nachhaltigen Ansatz pflegen wir auch auf Kundenebene. Bei der<br />

Zusammenarbeit mit Firmen sind wir selektiv: Der Stellenwert, den die Technologie<br />

im Unternehmen hat, ist uns sehr wichtig. Ebenso, wie wertschätzend<br />

sich die Firma gegenüber Technologieexpertinnen und -experten verhält.<br />

Dieser Ansatz lässt sich auch auf <strong>and</strong>ere Branchen übertragen.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

DIE SCHNAUZE<br />

VOLL VON<br />

«KOMPLIZIERT»<br />

www.belana.ch<br />

Ihnen ist die Beziehung zu Bewerbenden wichtig.<br />

Wie bauen Sie diese auf?<br />

Lucas Zehnder: Das beginnt bei der Selektion. Wir investieren viel Zeit in die<br />

Gespräche mit K<strong>and</strong>idatinnen und K<strong>and</strong>idaten, denen wir aktuell oder künftig<br />

eine berufliche Option bieten können, um zu verstehen, was ihnen wirklich<br />

wichtig ist. Zudem gleichen wir deren Prioritäten regelmässig ab, da sich<br />

diese über die Zeit verändern können. Wir haben den Anspruch, unsere K<strong>and</strong>idatinnen<br />

und K<strong>and</strong>idaten in ihrer Karriere zu begleiten – nicht nur bis zur<br />

nächsten Vermittlung.<br />

42


Special: Personaldienstleister<br />

THEMA<br />

Wie bleiben Sie mit Bewerbenden in Kontakt?<br />

Lucas Zehnder: Laufend. Wir bemühen uns darum, den Kontakt wieder<br />

aufzufrischen, auch wenn er erkaltet ist. Am liebsten natürlich mit<br />

der passenden beruflichen Perspektive. Beispielsweise an Anlässen,<br />

um sich auszutauschen. Wichtig ist dabei, authentisch zu bleiben und<br />

sich an der individuell ausgeprägten Kontaktfreudigkeit der K<strong>and</strong>idatinnen<br />

und K<strong>and</strong>idaten zu orientieren.<br />

Inwiefern nehmen Sie Firmen das Netzwerken ab?<br />

Lucas Zehnder: Wir sehen uns als Erweiterung des firmeneigenen<br />

Netzwerks unserer Kunden. Häufig werden wir eingeschaltet, wenn<br />

dieses nicht mehr ergiebig ist.<br />

Lucas Zehnder,<br />

Senior Consultant Rockstar Recruiting<br />

Was müssen Firmen tun, um bei Bewerbenden in Erinnerung zu<br />

bleiben?<br />

Lucas Zehnder Sie sollten wertschätzende und transparente Rekrutierungsprozesse<br />

bieten. Diese müssen auf Augenhöhe stattfinden,<br />

denn nicht selten werden aus Bewerbenden auch potenzielle Kunden.<br />

Sie sind deshalb in gewisser Weise auch Markenbotschafter. Ein schlechter<br />

Ruf verbreitet sich zudem schneller als ein guter. Arbeitet man mit<br />

stark gesuchten Expertinnen und Experten zusammen, muss einem<br />

das bewusst sein.<br />

Manche Firmen nutzen K<strong>and</strong>idatenpools, um potenzielle Mitarbeitende<br />

nicht aus den Augen zu verlieren. Doch Daten veralten<br />

schnell …<br />

Lucas Zehnder: Diese Pools haben eine Daseinsberechtigung, wenn<br />

sie aktiv gepflegt werden. Die besten Daten haben jedoch keinen Nutzen,<br />

wenn man sie nicht analysiert. Hier bieten sich hervorragende<br />

Möglichkeiten, interaktive Portale zu kreieren. Wir sehen viel Potenzial<br />

darin und entwickeln stetig an einer eigenen Lösung.<br />

Justus Spengler,<br />

Co-Founder Rockstar Recruiting<br />

Anzeige<br />

Inwiefern machen Veranstaltungen Sinn, zu denen potenzielle<br />

Mitarbeitende aus einem K<strong>and</strong>idatenpool eingeladen werden?<br />

Justus Spengler: Solche Veranstaltungen haben zum Wachstum von<br />

Rockstar Recruiting beigetragen. Beim grossen Angebot an Veranstaltungen<br />

ist es wichtig, für seine Community einen wahren Mehrwert<br />

zu bieten. Wir raten jedem Unternehmen, sich «erlebbar» zu machen.<br />

Firmen setzen in der Personalentwicklung immer mehr auf künstliche<br />

Intelligenz (KI) um Menschen so einzusetzen, dass sie ihr<br />

Potenzial entfalten. Ein Lösungsansatz im Recruiting?<br />

Justus Spengler: Wir sind eher skeptisch, da sich die Frage aufdrängt,<br />

wie neutral der Entstehungsmechanismus dieser KI ist. Jobprofile werden<br />

komplexer und die Persönlichkeit und Motivation der Bewerbenden immer<br />

mehr zum Erfolgsfaktor. Wichtig ist, dass deren Persönlichkeit im Bewerbungsprozess<br />

sichtbar ist. Technologie kann den h<strong>and</strong>elnden Menschen<br />

assistieren. Letztendlich wollen Menschen mit Menschen zusammenarbeiten.<br />

a<br />

Internationale Personalbelange<br />

Ad-interim <strong>HR</strong>-Support<br />

Personalprozesse und -Anwendungen<br />

Entlöhnungs- und Benefitmanagement<br />

Change Management<br />

Zur Firma<br />

Rockstar Recruiting ist eine persönliche Plattform mit dem Ziel, Technologieexperten<br />

und -expertinnen und dynamisch wachsende Firmen<br />

mitein<strong>and</strong>er zu verknüpfen. Das junge Zürcher Unternehmen vereint<br />

langjährige interdisziplinäre Erfahrung aus den Bereichen Psychologie,<br />

Technologie sowie <strong>HR</strong> und ist auf die Bereiche Software Engineering,<br />

Data Science, Blockchain und Computer Vision fokussiert.<br />

WIR FÜ<strong>HR</strong>EN<br />

SIE DURCH DEN<br />

<strong>HR</strong>-IRRGARTEN<br />

rockstar.jobs<br />

www.belana.ch<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

43


Das Upgrade für Ihre Karriere<br />

• Prozessfachmann/-frau<br />

• Techniker/-in HF Unternehmensprozesse<br />

• Technische/r Kaufmann/-frau<br />

• Logistikfachmann/-frau<br />

• Techniker/-in HF Gebäudetechnik<br />

• NDS HF Betriebswirtschaft<br />

... und weitere Lehrgänge<br />

erwarten Sie schweizweit<br />

an unseren 8 St<strong>and</strong>orten!<br />

sfb.ch<br />

Einladung<br />

sfb Symposium<br />

«Zukunft der beruflichen Weiterbildung»<br />

Höhere Fachschulen (HF) haben im Schweizer Bildungssystem eine wichtige Schlüsselposition. Der starke<br />

Praxisbezug ist ein Alleinstellungsmerkmal der HF. Sie bringen der Schweizer Wirtschaft die so dringend<br />

benötigten Fachkräfte. Die Höhere Berufsbildung erfreut sich grosser Beliebtheit, wie steigende Studierendenzahlen<br />

belegen. Wohin entwickelt sich die Höhere Berufsbildung? Welches Know-how bringen<br />

HF-Absolventen in die Unternehmen? Auf diese Fragen gehen Fachleute aus Industrie, Politik und Bildung<br />

am sfb Symposium ein. Seien Sie mit dabei!<br />

Speaker<br />

Robert Heinzer, Chief Human Resources Officer, Victorinox<br />

Tabea Rinn, Recruitment & Talent Development Manager, IKEA Group<br />

Dr. David Bosshart, CEO GDI<br />

Chantal Galladé, Erziehungswissenschafterin und Nationalrätin<br />

...und weitere mehr.<br />

Wir freuen uns, Sie am sfb Symposium begrüssen zu dürfen, um mit Ihnen in den Austausch und in die Diskussion zu treten.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

44<br />

Mittwoch, 15. September <strong>2021</strong><br />

GDI in Rüschlikon<br />

Anmeldung und Programm unter sfb.ch/symposium


Social Investment<br />

THEMA<br />

FOTO: iSTOCKPHOTO<br />

MARKTWERT VON MITARBEITENDEN<br />

DIE PERSONALSTRATEGIE ENTSCHEIDET ÜBER DEN WIRTSCHAFTLICHEN ERFOLG UND<br />

BÖRSENWERT EINES UNTERNEHMENS. INVESTOREN FORDERN IMMER HÄUFIGER NACHWEISE<br />

UND DRÄNGEN AUF VERBESSERUNGEN.<br />

Text: Corinne Päper<br />

«Mitarbeitende und Unternehmenskultur machen<br />

52 Prozent des Marktwerts eines Unternehmens<br />

aus», bemerken die Autoren des Harvard Law<br />

School-Whitepapers «How <strong>and</strong> why human capital<br />

disclosures are evolving», für das sie 82 Unternehmensberichte<br />

der Top-100-Unternehmen Ende 2019<br />

untersuchten. Nicht nur für die Autoren des Whitepapers<br />

sind Mitarbeitende ein wichtiger Faktor. Ihre<br />

Bedeutung wird mittlerweile sogar in internationalen<br />

Buchhaltungsst<strong>and</strong>ards-Gremien diskutiert.<br />

Etwa beim Sustainability Accounting St<strong>and</strong>ards<br />

Board (SASB), bei der Global Reporting Initiative<br />

oder beim Embankment Project for Inclusive Capitalism.<br />

Investoren fordern ebenfalls lautstark, Sorge zu den<br />

Mitarbeitenden zu tragen und dafür entsprechende<br />

Personalstrategien zu entwickeln. So auch der weltweit<br />

grösste Vermögensverwalter Blackrock. «Bei<br />

unseren Investmenttätig keiten erwarten wir von<br />

Firmen, dass sie das gesamte Spektrum an Talenten<br />

nutzen», sagt Mediensprecher Tristan Hahn von<br />

Blackrock Schweiz. Das allein genügt aber nicht:<br />

«Firmen sollten in ihren Nach haltigkeitsberichten<br />

um fassende Angaben zur Personalstrategie<br />

machen.» Beispielsweise wie sie Diversität, Gleichberechtigung<br />

und Inklusion voranzutreiben gedenken.<br />

Blackrock verfolgt eine klare Linie und geht mit<br />

gutem Beispiel voran: «Wir messen uns an denselben<br />

Erwartungen, die wir auch <strong>and</strong>eren gegenüber<br />

haben.» Seine Ziele leitet das Unternehmen aus<br />

jenen der Vereinten Nationen (UN SDG) ab. Beispielsweise<br />

Geschlechtergleichheit, menschenwürdige<br />

Arbeit, hochwertige Bildung oder weniger<br />

Ungleichheiten.<br />

Kennzahlen in der Personalstrategie<br />

Noch sind den meisten Unternehmensberichten<br />

keine weiterführenden Details zur Personalstrategie<br />

zu entnehmen. «Die weltweit grössten 100 Unternehmen<br />

befinden sich erst in der Anfangsphase»,<br />

sagen die Autoren des Harvard-Whitepapers. Häufig<br />

bliebe es bei generellen Aussagen, etwa zur<br />

Diversität, Inklusion oder Lohnstrategie. Was fehle,<br />

seien aussagekräftige Kennzahlen oder quantitative<br />

Angaben. Zudem bleibe die Rolle des Verwaltungsrats<br />

bei der Kulturentwicklung öfters im Dunkeln.<br />

FIRMEN MÜSSEN<br />

WEIBLICHE FÜ<strong>HR</strong>UNGS-<br />

KRÄFTE SELBST<br />

ENTWICKELN UND ANS<br />

UNTERNEHMEN BINDEN.<br />

JOHANNES BERNARDUS SMITS,<br />

PWC SCHWEIZ<br />

Etwas differenzierter sieht es Cornelia Ritz Bossicard,<br />

Präsidentin von SwissVR, einer unabhängigen<br />

Vereinigung von Verwaltungsräten: «Immer mehr<br />

Unternehmen publizieren Nachhaltigkeitsberichte<br />

mit Informationen zu Mitarbeitenden und Personalangelegenheiten<br />

wie den Arbeitsbedingungen, zur<br />

Diversität und zu den Fluktuationsraten sowie<br />

Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen.» Allerdings<br />

unterscheide sich die Qualität und der Umfang der<br />

Informationen von Firma zu Firma.<br />

Topkader haben die Forderungen nach einer menschenfreundlichen<br />

Kultur teils wahrgenommen. Das<br />

zeigen die Ergebnisse des SwissVR Monitor-Berichts<br />

«Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil», für<br />

den 363 Schweizer Verwaltungsräte befragt wurden:<br />

Darin nannten 64 Prozent der Befragten eine gute<br />

Unternehmenskultur als wichtigen Wettbewerbsvorteil<br />

und Treiber für den Unternehmenserfolg. 36<br />

Prozent der Firmenlenker wollten diese jedoch bei<br />

einer strategischen Neuausrichtung nicht anpassen.<br />

Diese Trägheit könnte Folgen haben. «Unternehmen,<br />

die bei ihrer Kulturentwicklung und Personalstrategie<br />

keine Fortschritte erzielen, ziehen wir zur Rechenschaft.<br />

Beispielsweise, indem wir gegen die Wiederwahl<br />

von Verwaltungsräten stimmen», verdeutlicht<br />

Tristan Hahn von Blackrock Schweiz. Das geschehe<br />

aber praktisch nie, sagt Ritz Bossicard: «Bei Wahlen<br />

und Abstimmungen an der Generalversammlung<br />

folgen Investoren meist den Empfehlungen des Verwaltungsrats.»<br />

Viele börsenkotierte Firmen könnten<br />

zudem auf ihre Hauptaktionäre zählen. «Diese sorgen<br />

für Stabilität.»<br />

Politik mischt sich ein<br />

Während es weltweit um Personalstrategien noch<br />

nicht zum Besten steht, sind in der Schweiz erste<br />

politische Initiativen in Gang gekommen. So liegen<br />

beispielsweise bis Juni <strong>2021</strong> erste Resultate der<br />

Lohnanalysen vor, die Firmen aufgrund des revidierten<br />

Gleichstellungsgesetzes durchführen<br />

mussten. Zudem hat das Parlament einen Gesetzesentwurf<br />

gutgeheissen, wonach mindestens 30<br />

Prozent der Verwaltungsratsmitglieder und 20<br />

Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder Frauen<br />

sein müssen. «Vorgaben, die innerhalb von fünf<br />

bis zehn Jahren umzusetzen sind», bemerkt<br />

Johannes Bernardus Smits, Steuerexperte und<br />

Leiter des Bereichs Vergütung bei PwC Schweiz.<br />

Unternehmen, die diese Ziele nicht erreichten,<br />

müssten es begründen. Wie sie das schaffen,<br />

bleibe offen. «Allein mit Rekrutierungen ist diese<br />

Quote nicht zu erreichen. Firmen müssen weibliche<br />

Führungskräfte selbst entwickeln und dauerhaft<br />

ans Unternehmen binden.» Dafür wiederum<br />

müssten in den kommenden Jahren die Karriereund<br />

Entwicklungspläne angepasst werden. a<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

45


Zürich 29–30 / 03 /2022<br />

«Das innovative Konzept hat<br />

uns überzeugt. Der Event ist der<br />

ideale Ort, mit unserer Zielgruppe<br />

ins Gespräch zu kommen.»<br />

Matthias Langenbacher<br />

Geschäftsfüher tts Talent Management Consulting GmbH<br />

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Das Studienprojekt zum Schweizer Arbeitsmarkt im Überblick:<br />

Kündigungen und Arbeitsmangel – April<br />

Kündigungsverhalten in der Schweiz – Mai<br />

RESEARCH<br />

Stimmen von Betroffenen – aktuell<br />

Tipps für Arbeitgeber – Juli<br />

Auswertung und Ergebnisse der Umfrage – September<br />

VORAUSSETZUNG FÜR EINE TRENNUNG AUF AUGENHÖHE<br />

DAS OUTPLACEMENT-UNTERNEHMEN VON RUNDSTEDT LANCIERT GEMEINSAM MIT <strong>HR</strong> TODAY EINE NEUE STAFFEL DER STUDIENSERIE<br />

«<strong>HR</strong> TODAY RESEARCH». DIESMAL ZUM THEMA STELLENABBAU INFOLGE DER PANDEMIE. VON-RUNDSTEDT-OPERATIONS-DIRECTOR<br />

SIBYLLE SCHEIWILLER ÜBER DIE KÜNDIGUNGSKULTUR IN DER SCHWEIZ UND DIE SICHT DER BETROFFENEN.<br />

Sibylle Scheiwiller,<br />

Operations Director<br />

von Rundstedt<br />

Unternehmen investieren heutzutage zwar mehr in<br />

die Vorbereitung von Kündigungsgesprächen, in die<br />

Kommunikation und in Unterstützungsangebote.<br />

Aber wie wird das Kündigungsverhalten der Unternehmen<br />

von Betroffenen wahrgenommen? Inwiefern<br />

beeinflusst eine gute Vorbereitung des <strong>HR</strong> die<br />

emotionale Lage der Gekündigten und wie helfen<br />

ihnen Outplacement-Pakete? Diese Fragen stellten<br />

wir einer Gruppe von Jobsuchenden.<br />

Stimmen von Betroffenen<br />

Peter M. wusste seit ein paar Wochen, dass eine<br />

Veränderung ansteht und Kündigungen ausgesprochen<br />

würden. «Am Tag X hat es mir dann doch den<br />

Boden unter den Füssen weggezogen. 32 Jahre<br />

Engagement für die Firma waren plötzlich nichts<br />

mehr wert. Gegen die Unsicherheit und die Angst<br />

haben auch die ‹netten› Worte beim Kündigungsgespräch<br />

nichts geholfen. Diese sind praktisch nicht<br />

zu mir durchgedrungen.»<br />

Silvia F. schätzt das Outplacement-Paket, das ihr<br />

die Jobsuche erleichtern soll, doch: «Das Investment<br />

in meine Marktfähigkeit hätte viel früher<br />

stattfinden sollen. Mit einer abgeschlossenen Weiterbildung<br />

oder einem Sprachkurs wäre meine<br />

Ausgangslage heute besser. Nur war damals leider<br />

kein Budget dafür vorh<strong>and</strong>en.»<br />

«Eine Veränderung im Kündigungsverhalten habe<br />

ich schon gespürt», sagt Ralf K. «Die Kommunikation<br />

war vorbereitet. Bedauerlich war, dass<br />

meine Vorgesetzte die Information von einem<br />

Blatt abgelesen hat und mir während des<br />

Gesprächs nie in die Augen geschaut hat. Ich hätte<br />

mir ein paar persönliche Worte gewünscht und vor<br />

allem einen Kontakt auf Augenhöhe.»<br />

«Ich war eine von vielen», sagt Karin Z. «Das hilft<br />

ein wenig, mit der Situation besser umzugehen.<br />

Auch die Information, dass der Abbau nichts mit<br />

meinen Fähigkeiten zu tun hat, sondern allein<br />

wirtschaftlich bedingt ist. Schade war, dass sich<br />

dieser Massenabbau auch beim Kündigungsverhalten<br />

bemerkbar machte. Ich war Nummer 9 an<br />

diesem Tag, die <strong>HR</strong>-Person angeschlagen, vielleicht<br />

sogar mehr als ich. Das Kündigungsgespräch<br />

kann ich nicht als Gespräch bezeichnen, es war<br />

eher eine monotone Übung.»<br />

Emotionsgeladene Kündigungen<br />

Hört man diese Aussagen von Betroffenen, wundert<br />

es wenig, dass diese bei Neuorientierungstrainings<br />

und Tipps «auf keinen Fall negativ über den ehemaligen<br />

Arbeitgebenden sprechen» frustriert sind<br />

und fragen: «Wie soll ich positiv darlegen, dass ich<br />

nach 32 Jahren bei diesem Unternehmen per Videokonferenz<br />

gekündigt wurde?» oder «Welchen Grund<br />

soll ich nennen, wenn ich den Grund nicht kenne?»<br />

oder «Wie kann ich positiv über die Zukunft sprechen,<br />

wenn ich in meinem Alter wenig Chancen auf<br />

eine neue Anstellung sehe?»<br />

Zusammengefasst sind eine gute Vorbereitung, eine<br />

Abgangsentschädigung und eine klare Kommunikation<br />

mit Sicherheit gute Voraussetzungen für eine<br />

Trennung auf Augenhöhe. Eine Kündigung bleibt<br />

jedoch ein Akt mit vielen Emotionen. Schwierig nicht<br />

nur für die Gekündigten, sondern auch für diejenigen,<br />

welche die Kündigung aussprechen. Vor lauter<br />

Vorbereitung gehen jedoch oft der «Mensch» und<br />

die Wertschätzung für die geleistete Arbeit verloren.<br />

Somit bleiben nach einer Kündigung bei den Gekündigten<br />

oftmals negative Emotionen zurück. Das liegt<br />

in der Natur der Sache und ist in Ordnung. Wenn<br />

die Bemühungen des <strong>HR</strong> spürbar sind, vergehen die<br />

negativen Emotionen. Das Bild vom Arbeitgebenden<br />

rückt später wieder in ein etwas besseres Licht.<br />

Jetzt an der Umfrage teilnehmen: research.hrtoday.ch<br />

Wie sieht die Kündigungspraxis in der Schweiz aus?<br />

Wir brauchen Ihre Meinung!<br />

Wir bitten Sie und die ganze Schweizer <strong>HR</strong> Community, an der von-Rundstedt-Umfrage<br />

zu «Kündigungspraxis in der Schweiz» teilzunehmen. Wie erleben Sie Kündigungen bei Ihnen<br />

im Unternehmen oder bei <strong>and</strong>eren Unternehmen? Die Umfrageergebnisse werden im<br />

Spätsommer ausgewertet und im September im <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> publiziert.<br />

von Rundstedt & Partner Schweiz beschäftigt rund 85 Mitarbeitende und ist in der ganzen<br />

Schweiz an neun Niederlassungen vertreten. von Rundstedt erstellt und publiziert mithilfe<br />

ihrer Marktdaten und Informationsquellen regelmässig Arbeitsmarktbarometer. Sie führt<br />

Marktstudien und Forschungsprojekte zum Schweizer Arbeitsmarkt durch.<br />

rundstedt.ch<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

47


THEMA<br />

Learning<br />

IN KLEINEN SC<strong>HR</strong>ITTEN<br />

AN DIE SPITZE<br />

SPORTLER, DIE ES AUFS PODEST SCHAFFEN WOLLEN, MÜSSEN SICH KONTINUIERLICH<br />

VERBESSERN. EX-SKISTAR MARC GIRARDELLI ÜBER DIE ARBEIT AN SICH SELBST UND<br />

DIE PARALLELEN ZUR ARBEITSWELT.<br />

Interview: Corinne Päper<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Wer im Sport zur Elite gehören will, investiert<br />

viel in seine Entwicklung. Das hat seine<br />

Tücken. Man kann seine Leistung beispielsweise<br />

falsch einschätzen.<br />

Marc Girardelli: Das stimmt. In meinem Fall<br />

fehlte der Vergleich mit <strong>and</strong>eren Athleten. Da ich<br />

kein Mitglied eines grossen Ski-Teams war, bildete<br />

ich mit meinem Vater ein Mini-Team. Wir mussten<br />

alle Trainings alleine analysieren und konnten nicht<br />

auf Einschätzungen Dritter zurückgreifen. Das<br />

hatte Folgen, die uns erst später klar wurden. So<br />

passierten uns ab und zu Fehler, beispielsweise,<br />

wenn wir neues Material testeten oder eine neue<br />

Technik ausprobierten. Unbewusst wollte ich wohl,<br />

dass ich dadurch schneller werde. Beim Testlauf<br />

gab ich deshalb mehr Gas, während mein Vater<br />

die Zeit mit der H<strong>and</strong>stoppuhr zu früh anhielt.<br />

Hier zwei Zehntelsekunden, dort zwei Zehntelsekunden:<br />

Das klingt nach wenig. In der Summe<br />

war es aber eine ordentliche «Zeitverbesserung».<br />

Im Grunde eine klassische Selbsttäuschung.<br />

Damit entfernten wir uns immer weiter vom Ideal.<br />

Wie lässt man Betriebsblindheit hinter sich?<br />

Beschäftigt man sich zu lange mit einem einzigen<br />

Thema, bekommt man einen Tunnelblick und sieht<br />

das Wesentliche nicht mehr. Dazu braucht es<br />

manchmal mehr Abst<strong>and</strong>. Müsste ich mich wieder<br />

auf eine Rennsaison vorbereiten, würde ich deshalb<br />

nicht nur auf Schnee trainieren, sondern<br />

mindestens drei Monate pro Jahr Ersatzsportarten<br />

wie Langlauf auf Asphalt, Skateboard oder Radfahren<br />

pflegen.<br />

Erfolg macht auch selbstgefällig ...<br />

Diesen Luxus hatte ich nie (lacht). Ich musste<br />

immer für meine Siege kämpfen und mich gegen<br />

Ausnahmekönner wie Ingemar Stenmark, Pirmin<br />

Zurbriggen oder Alberto Tomba behaupten. Deshalb<br />

blieb mir nie viel Spielraum. Sie waren ja auch<br />

Perfektionisten, die einen ersten Platz anstrebten.<br />

Ein zweiter befriedigte sie nicht. Deshalb hatte<br />

ich oft nur einen knappen Vorsprung.<br />

Im Sport machen Kleinigkeiten den Erfolg aus.<br />

Welche haben Sie besonders weit gebracht?<br />

Der Wille, an meine Grenzen zu gehen und mich<br />

nicht von Schmerzen oder Widrigkeiten ausbremsen<br />

zu lassen. Ausserdem half mir meine Neugier.<br />

Ich wollte alles ausprobieren, was mich schneller<br />

machen könnte. Dafür bin ich auch grosse Risiken<br />

eingegangen. Ungeachtet dessen, ob das meinem<br />

Körper oder meinem Leben im Allgemeinen schadet.<br />

Doping habe ich aber immer abgelehnt und<br />

tue es heute noch.<br />

DER MENSCH SOLLTE<br />

ME<strong>HR</strong> ZÄHLEN ALS EIN<br />

MASTERTITEL.<br />

MARC GIRARDELLI,<br />

EX-SKIRENNFA<strong>HR</strong>ER UND UNTERNEHMER<br />

Fehler können unterschiedliche Ursachen<br />

haben. Wie zieht man die richtigen Schlüsse?<br />

Indem man keine Angst vor Fehlern entwickelt.<br />

Fehler zu machen, ist ganz normal. Beim<br />

Skifahren änderte ich oft ein Detail, das zu einem<br />

schlechten Ergebnis führte. Das zeigte mir aber<br />

den Weg zu einer besseren Strategie. Wenn der<br />

Erfolg das Ziel ist, wird er am Ende auch kommen.<br />

Dafür braucht es manchmal aber einen sehr langen<br />

Atem.<br />

Haben Sie jemals eine eingeschlagene Strategie<br />

begraben?<br />

Natürlich. Aber erst nachdem ich eingesehen<br />

habe, dass sie nicht zum Erfolg führt. Menschen<br />

scheitern häufig, weil sie zu früh aufgeben, nicht<br />

weil sie weniger intelligent, schneller oder besser<br />

sind. Ihr Durchhaltevermögen hat einfach nicht<br />

ausgereicht. Wer es weit bringen will, nimmt für<br />

seinen Erfolg deshalb auch Unannehmlichkeiten<br />

in Kauf und hört nicht auf Neinsager. Die Aussage<br />

«Das hat noch nie jem<strong>and</strong> gemacht oder das ist<br />

MARC GIRARDELLI<br />

Marc Girardelli (57) ist ein ehemaliger<br />

Skirennfahrer aus Österreich, der für Luxemburg<br />

gestartet ist. Mit fünf Gesamtweltcupsiegen,<br />

46 gewonnenen Weltcuprennen,<br />

100 Podestplätzen, elf<br />

Weltmeisterschaftsmedaillen und zwei<br />

Olympia medaillen zählt er bis heute zu den<br />

erfolgreichsten Skirennfahrern. 1997 zurückgetreten,<br />

ist Marc Girardelli heute als Unternehmer<br />

tätig. Er hat eine eigene Bekleidungslinie,<br />

organisiert Events, ist<br />

Helikopterpilot und arbeitet für die Firma<br />

Bemer, die Therapiegeräte für die Mikrozirkulation<br />

herstellt. Daneben ist er Buchautor<br />

und hat zusammen mit einer<br />

Co-Autorin drei Krimis geschrieben, die sich<br />

im Skirennumfeld abspielen.<br />

marc-girardelli.com<br />

girardelli-events.com<br />

48


Learning<br />

THEMA<br />

FOTOS: ZVG<br />

unmöglich» beinhaltet die Chance, als erster ein<br />

Problem zu lösen. Dieses mag zunächst als unüberwindliches<br />

Hindernis erscheinen, man kann es aber<br />

auch in Meilensteine unterteilen. Vor einem Slalom<br />

war ich beispielsweise so nervös, dass ich mir keine<br />

sechzig Slalomtore merken konnte. Es machte mir<br />

Angst, 60 Tore mit vollem Risiko zu meistern. Deshalb<br />

habe ich diese grosse Aufgabe in mehrere kleinere<br />

unterteilt. Ich konzentrierte mich zunächst nur<br />

auf die ersten fünf Tore. Hatte ich nach dem Start<br />

diese erste kleine Hürde bewältigt, war es einfacher,<br />

die Fahrt bis ins Ziel aggressiv weiterzuführen. Das<br />

war vor allem an Tagen wichtig, an denen ich mental<br />

nicht gut drauf war. Probleme in kleinere aufzuteilen,<br />

nutze ich heute noch im Berufsleben. Fokussiere<br />

ich mich auf erreichbare Teilziele, statt auf ein<br />

scheinbar unüberwindbares grosses, reduziert das<br />

den psychischen Druck enorm.<br />

Durchbeissen ist nicht immer eine Strategie ...<br />

In einer späteren Phase meiner Skikarriere war ich<br />

Anfang der 1990er-Jahre übertrainiert. Ich wollte<br />

den Erfolg mit der Brechstange erzwingen und<br />

habe mich dadurch körperlich kaputtgemacht.<br />

Trotz meiner überdurchschnittlich langen Trainings<br />

wurde ich in den Rennen immer langsamer. Ich<br />

hatte das Gefühl für mein körperliches Befinden<br />

verloren. Das merkte ich aber erst, nachdem ich<br />

meine Skikarriere nach einer Knieverletzung<br />

Anfang 1997 beendete. Mit der Distanz zum Skisport<br />

gewann ich eine <strong>and</strong>ere Perspektive.<br />

Das heisst, Erholung ist Ihnen heute wichtiger?<br />

Definitiv. Immer nur im Rad rotieren ist kontraproduktiv.<br />

Die besten Ideen und auch Kontakte<br />

kamen meist zust<strong>and</strong>e, wenn ich mir eine Pause<br />

gönnte. Erholung ist wichtig, um gut zu sein. Deshalb<br />

baue ich in meinem Kalender Zeitblocker<br />

ein, die ich von geschäftlichen Terminen freihalte.<br />

Das resultiert auch daraus, weil ich vor einigen<br />

Jahren haarscharf an einem Burnout vorbeigeschrammt<br />

bin. Herzklopfen, Kopfweh, Schlaflosigkeit:<br />

Ich musste etwas ändern. Die gewonnene<br />

Freizeit nutze ich für Radausflüge, um Freunde<br />

zu treffen oder Zeit für mich zu haben. Zwei<br />

Wochen am Str<strong>and</strong> zu liegen, wäre hingegen<br />

nichts für mich. Ich bin kein Typ, der lange ruhig<br />

sitzen kann.<br />

Tipps zum «besser werden»?<br />

Neugierig sein und sich für <strong>and</strong>ere Menschen<br />

interessieren. Dabei lernt man am meisten. Wer<br />

sich auf ein einziges Fachgebiet fokussiert,<br />

kommt ohne Berührungspunkte nicht zu <strong>and</strong>eren<br />

Wissensgebieten. Chancen zum Entwickeln hat,<br />

wer vielfältig aufgestellt ist und Know-how auf<br />

mehreren Ebenen besitzt.<br />

Inwiefern nutzen Sie diese Strategien im Beruf?<br />

Ich bin sehr kommunikativ und unterhalte mich gerne<br />

mit Menschen. Mich interessieren deren Schicksale.<br />

Deshalb frage ich mehr, als ich von mir selbst erzähle.<br />

So lerne ich von <strong>and</strong>eren aus der Praxis.<br />

Wie gehen Sie mit Ihren Schwächen um?<br />

Mit Schwächen vergeude ich keine Zeit, sondern kompensiere<br />

sie so gut es geht. So habe ich beispielsweise<br />

einen Buchhalter engagiert oder eine Haushälterin,<br />

die mir helfen, meine Finanzen und mein zu Hause<br />

in Ordnung zu halten.<br />

Wie könnten Personalentwickler von Ihren Lernerfahrungen<br />

profitieren?<br />

<strong>HR</strong>-Verantwortliche sollten offener denken, mutiger<br />

sein und bei einer Stellenbesetzung auch mal ein<br />

Risiko eingehen. Also auf ihr Bauchgefühl vertrauen,<br />

statt nur Dokumente und Bewerbungsmappen zu<br />

sichten. Der Mensch sollte mehr zählen als ein Mastertitel.<br />

Da liegt wahrscheinlich auch das Übel: Im<br />

Business fehlt die Menschlichkeit, deshalb sind so<br />

viele unzufrieden im Job. <br />

a<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

49


THEMA Learning<br />

LERNENDE<br />

ORGANISATION<br />

SEIT BEGINN DER CORONA-PANDEMIE<br />

HAT DIE NACHFRAGE NACH LEARNING-<br />

MANAGEMENT-SYSTEMEN (LMS)<br />

ZUGENOMMEN. DER NUTZEN AUS<br />

ANBIETER- UND AUS ANWENDERSICHT.<br />

Text: Christine Bachmann<br />

Michael Bernet,<br />

Senior Consultant & Account Manager,<br />

tts Talent Management Consulting GmbH<br />

Viele Unternehmen verwenden ein Learning-<br />

Management-System (LMS), um Mitarbeitenden<br />

eine virtuelle Lernumgebung zur<br />

Verfügung zu stellen. Das richtige System<br />

für den eigenen Betrieb zu finden, ist allerdings<br />

nicht einfach. Die Anbieter sind zahlreich<br />

und jeder auf seine Weise spezialisiert<br />

(siehe Tabelle).<br />

1<br />

Homeoffice, Online-Meetings:<br />

Inwiefern hat die Nachfrage nach<br />

Learning-Management-Systemen<br />

zugenommen?<br />

Die Nachfrage hat zugenommen, jedoch verzögert.<br />

Zu Beginn der P<strong>and</strong>emie versuchten sich<br />

Unternehmen mit den bestehenden Hilfsmitteln<br />

zu arrangieren. Deshalb erhöhte sich vor allem die<br />

Nachfrage nach digitalen Lerninhalten und nach<br />

Trainings für Trainer im virtuellen Klassenraum.<br />

Seit einigen Monaten verstärken Firmen nun ihre<br />

Infrastruktur mit zukunftsfähigen Learning-Management-Systemen.<br />

Siemens Schweiz AG nutzt nicht nur ein,<br />

sondern mehrere LMS sowie eine Learning-<br />

Experience-Plattform (LXP). Der Grund:<br />

Jedes System habe eigene Vorteile, erklärt<br />

Patrizia Pollinger, Global Learning Solutions<br />

Project Lead: «LMS sind vor allem auf die<br />

Administration von Lerninhalten ausgerichtet.<br />

Die Datenverwaltung mit diesem Tool<br />

entspricht unseren Bedürfnissen als globales,<br />

teils segmentiertes Unternehmen.» Im<br />

Siemens-LMS sind deshalb sämtliche internen<br />

Trainingsinhalte zu finden: von Onboarding<br />

über die «Onsite»-Schulungen bis hin<br />

zu Online-Leadership-Programmen. Daneben<br />

werden damit auch Trainings für externe<br />

Siemens-Kunden verwaltet. Die Siemens -<br />

eigene LXP sei indes stärker auf die Bedürfnisse<br />

der Benutzer ausgerichtet. «Der<br />

Benutzer kann damit seine Lerneinheiten<br />

selbst zusammenstellen und kuratieren»,<br />

sagt Pollinger. Woher die Lerninhalte stammen,<br />

spiele häufig keine Rolle: «Interne Lerninhalte<br />

können darin ebenso wie LinkedIn<br />

Learning oder YouTube-Videos verlinkt werden.»<br />

Bei Siemens geniesse die LXP bei den<br />

Nutzern zwischenzeitlich deshalb eine grössere<br />

Akzeptanz als die LMS.<br />

2<br />

3<br />

Verdrängen Learning-Management-Systeme<br />

den Präsenzunterricht<br />

oder geht es eher<br />

in Richtung Blended Learning<br />

(Präsenz- und Onlineunterricht)?<br />

Web-based Trainings, Video und<br />

Audio: Welche Lernumgebungen<br />

fragen Unternehmen zurzeit am<br />

meisten nach?<br />

Moderne Learning-Management-Systeme oder<br />

Learning-Experience-Plattformen unterstützen<br />

Präsenz- und Onlinetrainings sowie informellere<br />

Lernformen. Durch die P<strong>and</strong>emie wurden Präsenzkurse<br />

verstärkt in virtu elle Klassenräume verlagert<br />

und durch asynchrone Lernformen ergänzt.<br />

Grundsätzlich haben synchrone und asynchrone<br />

Lernformen in analoger und in digitaler Form eine<br />

Daseinsberechtigung. Entscheidend ist, den richtigen<br />

Mix und die richtige Form für den richtigen<br />

Einsatzzweck zu wählen.<br />

Die Nachfrage nach Videos in Kombination mit<br />

Web-based Trainings hat stark zugenommen.<br />

Videos eignen sich gut, um für ein Thema zu motivieren.<br />

Web-based Trainings indes, um ein Thema<br />

vertieft zu erklären. Obschon in der Medienwelt<br />

ver breitet, ist Audio in Unter nehmen als alleinstehendes<br />

Medium noch ziemlich neu. Derzeit tun<br />

sich jedoch viele spannende Anwendungsgebiete<br />

dafür auf. Allgemein geht der Trend dahin, nicht<br />

mehr so viel «auf Vorrat» zu lehren, sondern den<br />

Mitarbeitenden im «moment of need» passende<br />

Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Ob LMS oder LXP: Gemäss Pollinger werden<br />

virtuelle Lernumgebungen wichtiger für<br />

Unternehmen. «Der Weg zur lernenden<br />

Organisation erfordert, dass Wissen und<br />

Erfahrung innerhalb eines Unternehmens<br />

leicht zugänglich und teilbar sind.» Verstärken<br />

werde sich dieser Trend zudem, weil<br />

dieser vom Push-Prinzip (Lernenden werden<br />

Schulungen zugewiesen) zum Pull-Prinzip<br />

(Lernende bezieht das Wissen selbst) übergeht.<br />

«Deshalb wird der Fokus künftig mehr<br />

auf der LXP liegen. LMS-Anbieter werden<br />

sich mehr in diese Richtung entwickeln.»a<br />

4<br />

Was sind Vorteile Ihres Learning-<br />

Management-Systems?<br />

SAP SuccessFactors Learning eignet sich als<br />

Cloudlösung auch für KMU mit wenigen hundert<br />

Mit arbeitenden. <strong>HR</strong> kann das LMS in nur vier<br />

Wochen kostengünstig einführen und eigenständig<br />

betreiben. Die Lösung von SAP bietet<br />

alle Funktionen, um Präsenz- und Onlinetrainings<br />

effizient zu verwalten und die Compliance<br />

sicherzustellen. Zudem gibt es ein benutzerfreundliches<br />

Portal, über das Mitarbeitende und Externe<br />

gemäss dem Pull-Prinzip einfach und informell auf<br />

eigene Inhalte und Inhalte von Dritten zugreifen<br />

und kollaborativ lernen können.<br />

50<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>


Michael Grotherr,<br />

Vice President Central Europe,<br />

Cornerstone OnDem<strong>and</strong><br />

Friedl Wynants,<br />

Gründer und Geschäftsführer,<br />

youknow<br />

Ernst Martin Erni,<br />

CEO,<br />

easylearn schweiz ag<br />

Unternehmen überdenken ihre aktuellen Lern- und<br />

Weiterbildungsprozesse – ein Weiter-wie-bis-anhin<br />

kann und darf es nicht geben. Da Präsenztrainings<br />

aktuell nur sehr eingeschränkt möglich sind,<br />

überlegen sich viele Unternehmen, ihre Prozesse zu<br />

verändern, die bestehen den Lösungen zu erweitern<br />

oder gar neue einzuführen.<br />

Wir erleben einen Digitalisierungsschub von<br />

allen Seiten. Die Unternehmen suchen nach<br />

pragmatischen Lösungen. Seit Beginn der P<strong>and</strong>emie<br />

erhalten wir vor allem von kleineren und<br />

mittelständischen Unternehmen überdurchschnittlich<br />

viele Anfrage für unser LMS-System<br />

(+30%).<br />

Wir stellen ein wachsendes Interesse in allen Bereichen<br />

fest. Zum einen, weil Unternehmen ihre Schulungen<br />

digitalisieren mussten. Hier stossen wir mit der E-Learning-Funktion<br />

und der im LMS integrierten Autorentool<br />

auf offene Ohren. Zum <strong>and</strong>eren ist auch die Nachfragen<br />

nach E-Learning-Kursen gestiegen. Besonders beliebt<br />

waren St<strong>and</strong>ard-Kurse zu MS Teams, zur Online-Kommunikation<br />

und Informations- sowie IT-Sicherheit.<br />

Präsenzunterricht wird in unseren Breitengraden<br />

seit jeher grossgeschrieben. Allerdings ist ein<br />

W<strong>and</strong>el erkennbar, da dieser zurzeit nicht möglich<br />

ist. Unternehmen machen sich deshalb Gedanken<br />

über moderne Lernkonzepte. Ein Trend geht dabei<br />

in Richtung Blended Learning, da beispielsweise ein<br />

Drei-Tages-Präsenztrai ning kaum in ein Drei-Tages-E-Learning<br />

umgew<strong>and</strong>elt werden kann. Deshalb<br />

bauen unsere Kunden flexible Trainings pfade mit<br />

unterschiedlichen Trainings methoden. Es geht somit<br />

um die Kombination von E-Learning, Videos, Dokumenten<br />

und virtuellen Sessions.<br />

E-Learning hat viele Vorzüge, der Präsenzunterricht<br />

mit Interaktionsmöglichkeiten und<br />

individueller Fragebeantwortung ist ebenfalls<br />

wertvoll. Deshalb wird es künftig in Richtung<br />

Blended Learning gehen. Bei Schulungen mit<br />

faktenorientierten Lernzielen wie regulatorischen<br />

Trainings zur Datensicherheit oder Compliance<br />

bieten sich Online-Trainings geradezu<br />

an. Sind Lernziele eher h<strong>and</strong>lungsorientiert<br />

ausgelegt, ist ein ergänzendes Training im<br />

Präsenzunterricht durch aus sinnvoll, in vielen<br />

Fällen sogar notwendig. Ein Beispiel dafür<br />

sind Rollenspiele zur situationsabhängigen<br />

Gesprächsführung.<br />

Jedes Unternehmen sollte sich zunächst fragen, wie es<br />

ein nachhaltiges und wirtschaftliches Lernerlebnis schaffen<br />

kann. Eine Teilpräsenz ist unumgänglich, wenn Wissen<br />

praktisch angewendet werden soll. Grundsätzlich beobachten<br />

wir einen Trend zu Blended Learning, respektive<br />

E-Learning. Unternehmen, die von Präsenzschulungen zu<br />

Blended Learning wechseln, sind von den Vorteilen der<br />

kombinierten Lernform begeistert: Das Theoriewissen wird<br />

ortsunabhängig, individuell und im eigenen Lerntempo<br />

erlernt und in verkürzten Sequenzen praktisch vertieft.<br />

Nebst tieferen Kosten für Spesen, Räume und Kursleiter<br />

fallen auch die geringeren Arbeitsplatzabwesenheiten ins<br />

Gewicht.<br />

Der Trend bewegt sich vor allem bei mehrstündigen<br />

Web-based Trainings zu kurzen Lerneinheiten von 5<br />

bis 15 Minuten, die ein Mitarbeitender zwischendurch<br />

erledigen kann. So ist die Abschlussrate bei Mitarbeitenden<br />

im Retail beispielsweise bei kurzen, optisch<br />

ansprechenden Web-based Trainings deutlich höher,<br />

als wenn sie sich nur mit Dokumenten beschäftigen<br />

müssen. Aus meiner Sicht macht die Mischung der<br />

Trainings den Erfolg aus.<br />

Der richtige individuelle Mix ist entscheidend,<br />

abgeleitet von der Zielsetzung und -gruppe.<br />

Deshalb müssen Kunden und Anbieter erst das<br />

grosse Ganze klären und daraus die passenden<br />

Methoden und Formate ableiten. Audio ist<br />

zwar in aller Munde, wird jedoch nicht dezidiert<br />

nachgefragt. Bewegtbilder haben indes in<br />

den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.<br />

Darüber hinaus muss Lernen attraktiv und unterhaltsam<br />

sein und in die Arbeitswelt passen.<br />

Die beliebteste Lernumgebung ist nach wie vor das Webbased<br />

Training. Mit intuitiven Autorentools können ohne<br />

Video-Infrastruktur und Technikkenntnisse schnell und<br />

einfach Inhalte erstellt und vermittelt werden.<br />

Wir bieten ein modernes, flexibles System, mit dem<br />

sich alle Arten des Lernens kombinieren lassen. Die<br />

Anwendungen lassen sich zudem in jedes <strong>HR</strong>-System<br />

integrieren und erfordern keine speziellen<br />

Schnittstellen.<br />

Das LMS ist schlank, schnell verfügbar, intuitiv<br />

bedienbar, flexibel und individuell erweiterbar.<br />

Mittels integrierter Autorentool-Komponente<br />

können Mitarbeitende im Portal eigene Lerninhalte<br />

erstellen. Zahlreiche Dateiformate können<br />

zudem als Lerninhalte hinterlegt werden –<br />

beispielsweise Video, Audio, Textdateien, ganze<br />

Lernmodule. Das LMS bietet zudem St<strong>and</strong>ardschnittstellen<br />

zu den gängigen <strong>HR</strong>-Systemen.<br />

Das LMS easylearn ist eine Komplettlösung. Dank der<br />

Module E-Learning, mobile Learning, Autorentool, Wiki<br />

und Veranstaltungsmanagement deckt es die ganze<br />

Breite zur betrieblichen Wissensvermittlung ab. Dank<br />

Rest-API verfügt das System über eine moderne Softwarearchitektur,<br />

durch die Daten und Informationen<br />

beliebig mit <strong>and</strong>eren Systemen ausgetauscht werden<br />

können. Dazu gehören nebst <strong>HR</strong>-Systemen weitere wie<br />

ERP, Produktion oder Benutzerverwaltung.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong><br />

51


Presented by<br />

KOMPLETTE <strong>HR</strong>-CLOUD-LÖSUNG IN REKORDZEIT<br />

DIE MCI GROUP, GLOBAL ENGAGEMENT UND MARKETING AGENTUR, MIT HAUPTSITZ IN GENF,<br />

FÜ<strong>HR</strong>T DAS PERSONALWESEN MIT SAP SUCCESSFACTORS IN DIE DIGITALE ZUKUNFT.<br />

DAS MODUL FÜR PERFORMANCE MANAGEMENT SPIELT DABEI EINE ZENTRALE ROLLE.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Zehn Jahre dauerte es, bis es die Event- und<br />

Kongressmanagementfirma MCI zum Platzhirsch<br />

in der Rom<strong>and</strong>ie brachte. Ab der Jahrtausendwende<br />

folgte ein stürmisches Wachstum<br />

zum globalen Player im Markt für Global<br />

Engagement und als Marketing Agentur.<br />

Mit der Internationalisierung einher ging ein<br />

personelles Wachstum auf heute über 1450 Mitarbeitende<br />

in 31 Ländern. Diese Entwicklung<br />

verlangte nach leistungs- und ausbaufähigen<br />

IT-Lösungen. Auch im <strong>HR</strong>-Bereich.<br />

Digitaler Neuanfang mit SAP<br />

Während vielen Jahren st<strong>and</strong> eine auf KMU<br />

zugeschnittene <strong>HR</strong>-Lösung im Einsatz, die über<br />

Active Directory mit der IT verbunden war. Doch<br />

das befriedigte nicht, weder von den Funktionen<br />

noch von den Services her. Da sich MCI in<br />

dieser Phase gerade mit der Einführung von<br />

SAP-Lösungen beschäftigte – SAP Business By<br />

Design und, auf Gruppenebene, SAP Sales<br />

Cloud –, war es naheliegend, sich SAP Success-<br />

Factors für das Personalwesen genauer anzuschauen.<br />

«Eine Demo von SuccessFactors hat<br />

uns gezeigt, dass sie unsere Bedürfnisse umfassend<br />

abdeckt», erinnert sich Edouard Duverger,<br />

CIO der MCI Group.<br />

Master-System und Performance<br />

Management<br />

SAP SuccessFactors musste vier zentrale Anforderungen<br />

erfüllen:<br />

1. Die Daten von sämtlichen Mitarbeitenden<br />

sollten an einem einzigen zentralen Ort verwaltet<br />

werden. Duverger: «Wir wollten einen<br />

kompletten Datensatz pro Mitarbeiter in<br />

einem Master-System.»<br />

2. Da MCI viele Mitarbeitende beschäftigt, die<br />

mehrere, unterschiedliche Hüte tragen, war<br />

die Verwaltung mehrere Verträge pro Person<br />

ein zwingendes Feature. SAP SuccessFactors<br />

konnte hier problemlos punkten.<br />

3. Die neue Lösung musste sich mit dem Active<br />

Directory integrieren lassen, wobei SAP SuccessFactors<br />

die Master-Funktion ausübt.<br />

«Wenn Mitarbeitende neu zu MCI stossen<br />

oder aus der Firma austreten, wird das automatisch<br />

in unserem Active Directory repliziert;<br />

das spart für alle viel Zeit», erläutert<br />

Duverger den Nutzen dieser Integration.<br />

4. Ein besonderes Anliegen war MCI ein zeitgemässes<br />

Leistungsmanagement. Mit dem<br />

Modul «Performance & Goals» traf SAP SuccessFactors<br />

bei den Genfern voll ins Schwar-<br />

ze. Bisher führten sie, wie vielerorts üblich,<br />

einmal pro Jahr mit den Mitarbeitenden ein<br />

Beurteilungsgespräch. «Jetzt haben wir ein<br />

Tool, mit dem wir kontinuierliches Leistungsmanagement<br />

betreiben können – nicht nur<br />

zum Jahresende, sondern auch nach der<br />

Probezeit, beim Austritt», fasst Duverger<br />

das neue Zeitalter in der Mitarbeiterbeurteilung<br />

zusammen. Das Leistungsspektrum<br />

von «Performance & Goals» geht in der Tat<br />

weit über das Jahresendgespräch hinaus.<br />

Mit seinen Funktionen können Führungskräfte<br />

Leistungen in Echtzeit verfolgen, den Mitarbeitenden<br />

laufend Orientierung bieten,<br />

Feedback geben und einfordern, Spitzenleistungen<br />

nicht mehr nach Bauchgefühl, sondern<br />

objektiv identifizieren, bewerten und<br />

belohnen.<br />

Schneller Weg zum Go-live<br />

Bei der Implementierung der neuen Lösung<br />

konnte sich MCI auf die ausgewiesene Expertise<br />

von ARAGO Consulting verlassen. Neben der<br />

Erfahrung aus zahlreichen Projekten überzeugte<br />

der Beratungs- und Integrationspartner<br />

auch durch einen Fast-Track-Ansatz. Damit liefert<br />

ARAGO Consulting in Rekordzeit eine komplette<br />

<strong>HR</strong>-Cloud-Lösung, die vorkonfiguriert ist<br />

und auf Best Practices basiert. «Im Grunde genommen<br />

haben wir ein St<strong>and</strong>ardangebot genommen,<br />

das ARAGO Consulting an unsere<br />

spezifischen Bedürfnisse anpasst», erklärt Duverger<br />

und fügt an: «Das Gute daran ist, dass<br />

man dadurch Prozesse st<strong>and</strong>ardisiert und insgesamt<br />

nahe am St<strong>and</strong>ard bleibt.»<br />

Im Mai 2019 erfolgte der Rollout von SAP SuccessFactors<br />

Employee Central für die Automatisierung<br />

der <strong>HR</strong>-Kernprozesse. Ein halbes Jahr<br />

später ging das Modul für Performance Management<br />

live.<br />

Begeisterte User<br />

Als einen der grössten Knackpunkte erwies sich<br />

die Datenmigration auf SAP SuccessFactors.<br />

Dass sie gelungen ist, gehört für Duverger zu<br />

den Highlights dieses <strong>HR</strong>-Projekts. Ein zweiter<br />

Höhepunkt für Duverger und die <strong>HR</strong>-Leute: die<br />

Öffnung der Lösung für die Jahresbeurteilungen.<br />

«Da kam die Mehrheit unserer Mitarbeitenden<br />

erstmals mit dem neuen System in direkten<br />

Kontakt», blickt Duverger zurück. «Der<br />

Prozess lief grossartig, wir bekamen sehr gutes<br />

Feedback.»<br />

Oliver Böttcher, Head of SAP<br />

SuccessFactors, SAP (Schweiz) AG<br />

Edouard Duverger, Chief Information<br />

Officer, MCI Suisse SA<br />

Es war wohl nicht zuletzt diese positive Stimmung,<br />

die Edouard Duverger und die <strong>HR</strong> Community<br />

zusätzlich motiviert haben, auf dem<br />

Digitalisierungsweg weiterzugehen. «Für <strong>2021</strong><br />

planen wir die Implementierung des Recruiting-<br />

Moduls», sagt Duverger. «Das ist eine weitere<br />

Stärke von SAP SuccessFactors: die Integrations-<br />

und Ausbaufähigkeit.»<br />

52<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>


Learning<br />

THEMA<br />

FOTO: iSTOCKPHOTO<br />

GRENZEN DES INFORMELLEN LERNENS<br />

INFORMELLES LERNEN IST PRIVAT ODER BERUFLICH IN ALLEN LEBENSPHASEN EINE WICHTIGE LERNFORM.<br />

VOR 20 JA<strong>HR</strong>EN VON DER EU ALS WICHTIGER TEIL DES LEBENSLANGEN LERNENS POSTULIERT,<br />

HAT INFORMELLES LERNEN SEITHER KONTINUIERLICH AN BEDEUTUNG GEWONNEN.<br />

Gastbeitrag: Irena Sgier<br />

Irena Sgier ist stellvertretende<br />

Direktorin<br />

des Schweizerischen<br />

Verb<strong>and</strong>s für Weiterbildung<br />

SVEB.<br />

Der Begriff «Lebenslanges Lernen» hat sich in allen Bildungsbereichen<br />

durchgesetzt, in der Weiterbildung genauso wie bei<br />

den Hochschulen und in der Berufsbildung. Das bedeutet,<br />

Lernen nicht mehr mit formaler Bildung und st<strong>and</strong>ardisierten<br />

Abschlüssen gleichzusetzen. Eine Rolle spielt dabei der Kompetenzbegriff:<br />

Wichtig ist nicht mehr, was gelernt und geprüft<br />

wird, sondern das Lernergebnis. Unbedeutend ist dabei, welchen<br />

Weg wir nehmen, um ein Ergebnis zu erzielen.<br />

Die Corona-P<strong>and</strong>emie sowie der Digitalisierungsschub haben<br />

diese Entwicklung verstärkt. P<strong>and</strong>emiebedingt wurde vor über<br />

einem Jahr die Weiter- sowie die Hochschulbildung in den digitalen<br />

Raum verlegt. Schon zuvor waren zahlreiche digitale<br />

Lernangebote im Internet frei verfügbar. Mit dem Präsenzverbot<br />

während der P<strong>and</strong>emie hat sich dieses Angebot jedoch<br />

stark erweitert. Infolgedessen haben digitale Lernmöglichkeiten<br />

an Wert gewonnen: Zumal Präsenzlernen nach einem<br />

Jahr digitaler Weiterbildungskurse und ganzer Studiengänge<br />

nicht mehr als grundsätzlich höherwertig als digitales Lernen<br />

angesehen werden darf.<br />

Anerkennung des informellen Lernens<br />

Zum informellen Lernen gehört das Lernen am Arbeitsplatz,<br />

das Nutzen von Youtube-Videos und <strong>and</strong>eren frei verfügbaren<br />

Lernressourcen sowie der Austausch in digitalen Foren und<br />

Netzwerken. Stark zugenommen haben auch digitale Lernangebote<br />

wie MOOCs, kostengünstige oder frei zugängliche Lehrgänge<br />

sowie Webinare, die zwar zur organisierten Weiterbildung<br />

gehören, aber ähnlich informell genutzt werden können<br />

wie Youtube-Videos. Viele dieser Angebote beinhalten weder<br />

Aufnahmebedingungen noch eine Verpflichtung zur aktiven<br />

Beteiligung und erfordern keine Kompetenznachweise.<br />

Gewinnt informelles und selbstorganisiertes Lernen längerfristig<br />

an Bedeutung, stellt sich die Frage: Wie lässt sich dieses<br />

erfassen und abbilden – auch weitgehend ausserhalb der etablierten<br />

Bildungsinstitutionen im Internet, am Arbeitsplatz oder<br />

im privaten Kontext?<br />

Es gibt Verfahren, um informelles Lernen anzurechnen, beispielsweise<br />

mittels Validierungsverfahren in der beruflichen<br />

Grundbildung oder Ansätze wie das Modell F, bei dem erworbenes<br />

Wissen an eine Weiterbildung angerechnet wird, was<br />

somit die Weiterbildungsdauer verkürzt. Verfügbar sind verschiedene<br />

Methoden zur Erfassung, Dokumentation und Bilanzierung<br />

informeller Lernleistungen (bspw. CH-Q). Diese aufwendigen,<br />

biografisch orientierten Verfahren sind nützliche<br />

Instrumente zur St<strong>and</strong>ortbestimmung und Orientierung, eine<br />

Anerkennung der erfassten Kompetenzen beinhalten sie aber<br />

nicht.<br />

Ein Validierungsinstrument, um informelles Lernen als eigenständige<br />

Leistung ausserhalb formaler Bildung anzuerkennen,<br />

gibt es indes bisher nicht.<br />

Veränderte Perspektive<br />

Informelles Lernen ist dezentral, unsystematisch, individuell<br />

und erfahrungsbezogen. Der grosse Vorteil dieser Lernform ist,<br />

dass situativ anh<strong>and</strong> sich stellender Probleme gelernt wird.<br />

Dadurch geschieht der Transfer des Gelernten in die Praxis oft<br />

bereits im Lernprozess selbst. Das informelle Lernen hat aber<br />

auch Nachteile. So ist es fehleranfällig, kann fragmentiert sein<br />

und ist nicht immer nachhaltig.<br />

Aufgrund dieser Eigenheiten ist das informelle Lernen schwer<br />

erfassbar. Dennoch wäre es nötig und prinzipiell möglich, dafür<br />

Validierungsverfahren zu entwickeln. Notwendig wäre das nicht<br />

zuletzt deshalb, weil die Vielfalt an Lernformen und Lernressourcen<br />

steigt. In der betrieblichen Weiterbildung zeigt sich<br />

ausserdem die Tendenz, dass Lernen immer stärker an den<br />

Arbeitsplatz verlagert wird, was die Bedeutung des informellen<br />

Lernens ebenfalls steigert. Wenn dieses nicht begleitet, erfasst<br />

und dokumentiert wird, bleiben die so erworbenen Kompetenzen<br />

jedoch unsichtbar und ihr Wert schwer einzuschätzen.<br />

Arbeitgebende, die sich nur auf formale Abschlüsse verlassen,<br />

könnten somit einen Teil der Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden<br />

übersehen.<br />

a<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

53


swissstaffing<br />

Aktuelles vom Verb<strong>and</strong> der Personaldienstleister der Schweiz<br />

BVG-REFORM: GUT GEMEINT,<br />

ABER ZU KURZSICHTIG<br />

DIE BERUFLICHE VORSORGE MUSS DRINGEND SANIERT WERDEN. ZU LANGE SCHON TICKT DIE ZEITBOMBE DER DEMO-<br />

GRAFISCHEN ALTERUNG. DOCH WER DIES ANPACKT, MUSS EINE ZUKUNFTSORIENTIERTE LÖSUNG BAUEN. DENN DAS<br />

BVG KANN NICHT ALLE PAAR JA<strong>HR</strong>E ANGEPASST WERDEN. ZUKUNFTSTAUGLICH IST DER VORLIEGENDE BVG-REFORM-<br />

VORSCHLAG ALLERDINGS NOCH NICHT. REFORMVERLIERERIN WÄRE DIE WACHSENDE POPULATION DER FLEXWORKER.<br />

Gastbeitrag: Myra Fischer-Rosinger<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Gut gelungen: Abschaffung von Quersubventionierung<br />

und Diskriminierung<br />

Die BVG-Grundlagen stammen aus einer Zeit, als<br />

die Menschen noch nicht so alt wurden wie heute.<br />

Jedes Jahr, in dem die Schweizer Bevölkerung älter<br />

wird, nagt am Fundament des BVG. Mittlerweile<br />

subventionieren die jüngeren Generationen die<br />

älteren. Deshalb muss der Umw<strong>and</strong>lungssatz, wie<br />

im Reformbegehren vorgeschlagen, dringend herabgesetzt<br />

werden.<br />

Die übers Alter abgestuften und zunehmenden<br />

BVG-Beiträge erhöhen die Lohnnebenkosten für<br />

ältere Arbeitnehmende. Die Befürchtungen mehren<br />

sich, dass diese ungleichen Kosten diskriminierend<br />

am Arbeitsmarkt wirken. Die Arbeitsmarktintegration<br />

der älteren Stellensuchenden ist<br />

generell ein emotional diskutiertes Thema. Mit<br />

einer Abmilderung der Beitragsunterschiede können<br />

negative Anreize entschärft werden.<br />

Insgesamt kann man den blossen Fakt, dass ein<br />

Reformvorschlag auf dem Tisch liegt, positiv<br />

bewerten. Die Altersvorsorge ist politisch gesehen<br />

eine heisse Kartoffel. Wenn sich Politik und Verwaltung<br />

trauen, dieses Thema anzupacken und<br />

konkrete Vorschläge vorzulegen, ist das per se<br />

lobenswert. Denn aufgrund der demografischen<br />

Alterung ist Stillst<strong>and</strong> ein absoluter Rückschritt.<br />

trittsschwelle zum BVG (21 510 Franken Jahreslohn)<br />

häufig nicht oder der Koordinationsabzug<br />

(25 095 Franken vom Jahreslohn) lässt nicht viel<br />

von ihrem versicherbaren Lohn übrig. Die Reformvorlage<br />

löst dieses Problem nur halbpatzig und<br />

droht die Situation für manche Flexworker sogar<br />

zu verschlechtern.<br />

Versicherungslücken sind in verschiedener Hinsicht<br />

problematisch. Erstens bilden die Betroffenen<br />

weniger Kapital fürs Alter. Zweitens besteht für<br />

sie oder ihre Angehörigen bei Invalidität oder Tod<br />

fatalerweise kein Schutz.<br />

Der Reformvorschlag des Bundesrats begegnet<br />

diesem Problem mit einer Halbierung des Koordinationsabzugs.<br />

Künftig sollen damit alle Lohnanteile<br />

ab bereits 12 548 Franken pro Jahr BVGversichert<br />

werden. Davon profitieren insbesondere<br />

Teilzeitbeschäftigte mit niedrigen Pensen sowie<br />

Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen, bei denen<br />

der Koordinationsabzug im heutigen System einen<br />

bedeutenden Teil des versicherbaren Lohnes wegfrisst.<br />

Die Reformvorlage orientiert sich aber nach wie<br />

vor am traditionellen Bild der festangestellten<br />

Arbeitnehmenden. Flexworker, die kein volles Jahr<br />

beim selben Arbeitgebenden angestellt sind, weil<br />

sie befristete Anstellungen haben oder mehrere<br />

Jobs gleichzeitig ausführen, fallen wegen der<br />

unveränderten Eintrittsschwelle trotz Reform weiterhin<br />

durch die Maschen. Ihnen hilft es nicht,<br />

wenn der Koordinationsabzug reduziert wird, da<br />

Das Problem: Versicherungslücken bei Flexwork<br />

Wer befristet, Teilzeit oder mehrfach beschäftigt<br />

ist, muss heute bedeutende Versicherungslücken<br />

in Kauf nehmen. Flexworker erreichen die Einsie<br />

die Schwelle von 21 510 Franken oft nicht erreichen,<br />

um in der BVG-Versicherung aufgenommen<br />

zu werden.<br />

Besonders heikel: Verschlechterung<br />

für Temporärarbeitende<br />

Ganz absurd wird es, wenn man den Fall der Temporärarbeitenden<br />

betrachtet: Für sie besteht<br />

bereits seit Jahren ein eigen entwickeltes Versicherungsmodell,<br />

das Lücken verhindert. Für Temporärarbeitende<br />

werden die BVG-Kriterien nämlich<br />

auf den Stundenlohn umgerechnet. Die<br />

Eintrittsschwelle beträgt 9.85 Franken pro Stunde<br />

und der Koordinationsabzug 11.45 Franken pro<br />

Stunde. In der Praxis bedeutet dies, dass jede temporäre<br />

Arbeitskraft ab ihrer ersten Einsatzstunde<br />

BVG-versichert werden kann, da der Mindestlohn<br />

für Temporärarbeitende weit über der Eintrittsschwelle<br />

von 9.85 Franken pro Stunde liegt. Versichert<br />

wird in diesem Fall die Differenz zwischen<br />

Stundenlohn und dem Koordinationsabzug von<br />

11.45 Franken pro Stunde. 1<br />

Die Halbierung des Koordinationsabzugs gefährdet<br />

dieses Modell allerdings. Würden künftig die<br />

BVG-Kriterien auf die Stunde umgerechnet und<br />

der Koordinationsabzug gleichzeitig halbiert,<br />

explodieren die Lohnabzüge beziehungsweise die<br />

1 Bei hohen Löhnen kommt auch der BVG-Maximallohn zum<br />

Tragen, der ebenfalls auf die Stunde umgerechnet wird und<br />

39.35 Franken beträgt. Versichert wird in diesem Fall der Stundenlohnanteil<br />

zwischen 11.45 Franken (Koordinationsabzug)<br />

und 39.35 Franken (Maximallohn).<br />

54


swissstaffing<br />

BVG-REFORM<br />

Bundesrats-Modell und Temporärbranchen-Modell im Vergleich,<br />

am Beispiel eines 25-jährigen Mannes mit 25 Franken Stundenlohn.<br />

Hier bloggt der Vorst<strong>and</strong> …<br />

Flexworker prägen die<br />

Zukunft unserer Arbeitswelt<br />

Susanne Kuntner, Inhaberin und<br />

Geschäftsführerin mein job Zürich GmbH<br />

Kosten für Temporärarbeitende und Personalverleiher<br />

(siehe Grafik). Die Abschaffung des bisherigen<br />

Versicherungsmodells für Temporärarbeitende<br />

wäre wahrscheinlich die Folge – mit einer<br />

entsprechenden Verschlechterung des Versicherungsschutzes<br />

für viele Temporärarbeitende.<br />

Denn Arbeitsverhältnisse von bis zu etwa 4,5<br />

Monaten Dauer bleiben im Reformmodell ganz<br />

ohne Versicherungsschutz. Auch der positive<br />

Effekt des tieferen Koordinationsabzugs auf die<br />

Myra Fischer-Rosinger<br />

Direktorin swissstaffing und<br />

Stiftungsrätin der Stiftung<br />

2. Säule swissstaffing<br />

gebildeten Ersparnisse beginnt erst bei Arbeitsverhältnissen<br />

ab etwa sechs Monaten Dauer zu<br />

greifen (siehe Grafik). Das heisst: Alle, die Einsätze<br />

von unter einem halben Jahr bei einem Arbeitgeber<br />

leisten, bilden im Reformmodell weniger<br />

Altersguthaben als im Modell der Temporärbranche<br />

und bleiben teilweise sogar ganz ohne Versicherungsschutz<br />

gegen Invalidität oder Tod.<br />

Die Lösung: Umrechnung auf Stundenlohn<br />

bei bisherigem Koordinationsabzug<br />

Die Lösung liegt auf der H<strong>and</strong> und könnte ins<br />

Reformmodell integriert werden, ohne dass dieses<br />

seine Stossrichtung und Vorzüge verlöre: Bei<br />

der Versicherung von Temporärarbeitenden und<br />

eventuell weiteren Flexworkern soll der bisherige<br />

Koordinationsabzug beibehalten werden, wenn<br />

die BVG-Kriterien auf den Stundenlohn umgerechnet<br />

werden. Das schüfe die Grundlage, damit<br />

weitaus mehr Personen unter den BVG-Schutz<br />

fallen als im Reformmodell vorgesehen und damit<br />

die Weichen für die Zukunft korrekt gestellt sind.<br />

Fakt ist: Flexible Arbeitsformen liegen im Trend<br />

und nehmen zu. Soll das BVG fit gemacht werden<br />

für die Zukunft, muss für alle Flexworker eine<br />

Lösung gefunden werden. Das erfüllt das vorliegende<br />

Reformmodell noch nicht. Mit einer<br />

Integration des Temporärbranchen-Modells in das<br />

BVG-Reformmodell würden die Flexworker<br />

wesentlich bessergestellt.<br />

a<br />

Mitarbeitende auf Zeit – auch «Temporäre»<br />

und neu «Flexworker» genannt – leisten<br />

einen wertvollen Beitrag an das wirtschaftliche<br />

Wohlergehen im L<strong>and</strong>. Frauen und<br />

Männer jeden Alters und jeder Stufe zeigen<br />

Flexibilität und Einsatzbereitschaft, übernehmen<br />

Verantwortung, bringen gesuchtes<br />

Know-how ein und überbrücken Engpässe<br />

bei Termindruck und bei grossen Projekten.<br />

Sie prägen die Zukunft unserer Arbeitswelt<br />

und verdienen unsere volle Aufmerksamkeit<br />

und Wertschätzung. Diese drücken sich<br />

nicht nur in einem fairen Salär, sondern auch<br />

in immateriellen «<strong>Benefits</strong>» aus.<br />

Flexwork hat sich in den vergangenen Jahren<br />

auch auf Kader- und Expertenstufe rasant<br />

entwickelt. Immer mehr wird auch Wissen<br />

temporär und nach Bedarf zur Verfügung<br />

gestellt. Während die einen Flexwork als Brücke<br />

zu einer Festanstellung nutzen, geniessen<br />

<strong>and</strong>ere Autonomie und Abwechslung<br />

oder verbinden mehrere Jobs parallel. Mitarbeit<br />

auf Zeit gilt dabei nur als eine von<br />

zahlreichen Formen von Flexwork. Bei «mein<br />

job Zürich» betreuen wir Mitarbeitende mit<br />

zwei typischen Profilen: Die einen lassen sich<br />

bei uns anstellen und an Unternehmen der<br />

Baubranche verleihen, <strong>and</strong>ere beanspruchen<br />

unsere Payroll-Dienstleistungen und suchen<br />

sich ihre Kundinnen oder Arbeitgeber selbst.<br />

Und nach vielen Jahren Erfahrung können<br />

wir inzwischen sehr gut einschätzen, welche<br />

unserer «<strong>Benefits</strong>» einen hohen Mehrwert<br />

bieten: Es sind dies vor allem Zeit, Beziehung,<br />

Beratung, Förderung sowie Geselligkeit.<br />

Den ganzen Blogbeitrag lesen Sie auf<br />

blog.swissstaffing.ch<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

55


Presented by<br />

LOHNENSWERTES «HEIMHOLEN»<br />

BRITISCHER PK-GUTHABEN<br />

ALS FOLGE DES BREXIT WURDE VIEL ÜBER DIE VERÄNDERUNGEN DER SPIELREGELN ZWISCHEN DER SCHWEIZ UND DEM VEREINIGTEN<br />

KÖNIGREICH GESC<strong>HR</strong>IEBEN. ERFREULICH IST, DASS DER TRANSFER BRITISCHER VORSORGEGUTHABEN IN DIE SCHWEIZ WEITERHIN<br />

FUNKTIONIEREN KANN.<br />

Autoren: Stefano Minuscoli, Kundenberater Freizügigkeit & 3a bei PensExpert, Cyrill Habegger, Leiter Steuern bei PensExpert<br />

Für viele international mobile Arbeitnehmer:innen ist<br />

es ein Ärgernis, dass sie am Ende des Berufslebens<br />

Renten und Vorsorgeguthaben in mehreren Staaten<br />

abrufen müssen. Oft äussern sie den Wunsch, im Ausl<strong>and</strong><br />

verdiente Vorsorgeguthaben zu transferieren, so<br />

dass bei Erreichen des Rentenalters alle Ersparnisse<br />

und Anwartschaften in einem Sozialversicherungssystem<br />

gebündelt sind. Das ist wegen geltender<br />

Bestimmungen jedoch nicht oder nur sehr beschränkt<br />

möglich.<br />

Eine Ausnahme bildet das Vereinigte Königreich. Dort<br />

deponierte Vorsorgegelder – vergleichbar mit schweizerischen<br />

Pensionskassen- oder Freizügigkeitsguthaben<br />

– können steuerfrei in ausländische Systeme<br />

überwiesen werden, wenn diese als «Qualifying<br />

Recognised Overseas Pension Scheme», kurz QROPS,<br />

gelten und die versicherten Personen weitere Anforderungen<br />

erfüllen.<br />

Stefano Minuscoli<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Gründe für den Transfer<br />

Die Möglichkeit, unter QROPS britische Vorsorgeguthaben<br />

zu transferieren, ist etwa für Schweizer:innen<br />

attraktiv, die einige Jahre im Vereinigten Königreich<br />

gearbeitet haben und Beiträge in eine lokale Vorsorgeeinrichtung<br />

leisteten, mittlerweile aber in die<br />

Schweiz zurückgekehrt sind. Andererseits kann der<br />

Transfer für Brit:innen, die sich in der Schweiz niederlassen,<br />

lohnenswert sein. Üblicherweise soll mit einem<br />

Transfer das Währungsrisiko eliminiert werden, zudem<br />

sind die Bezugsmöglichkeiten (Rente/Kapital) im<br />

schweizerischen System flexibler. Nicht zuletzt ist eine<br />

Überweisung steuerlich günstig. In Engl<strong>and</strong> werden<br />

im Fall einer Auszahlung bis zu 45 % Steuern auf das<br />

Guthaben fällig, die Kapitalbezugssteuer ist in der<br />

Schweiz demgegenüber deutlich tiefer.<br />

Hierzul<strong>and</strong>e gibt es lediglich zwei Institute, die als<br />

QROPS gelten. Und nur eines davon ist für die breite<br />

Bevölkerung zugänglich, namentlich die Freizügigkeitsstiftung<br />

«Independent» von PensExpert.<br />

So klappt es steuerfrei<br />

Neben der QROPS-Qualifikation der schweizerischen<br />

Vorsorgestiftung durch die britische Steuerbehörde<br />

müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit<br />

der Transfer steuerfrei klappt:<br />

• Der Transfer muss in das L<strong>and</strong> erfolgen, wo die Vorsorgenehmer:innen<br />

den aktuellen Wohnsitz haben.<br />

• Das Vereinigte Königreich muss definitiv verlassen<br />

worden sein.<br />

• Aktuell kann maximal ein Betrag von 1’073’100<br />

britischen Pfund steuerfrei transferiert werden.<br />

Cyrill Habegger<br />

Abhängig davon, wann die Vorsorgegelder angespart<br />

wurden, kann der steuerfreie Betrag allerdings<br />

auch höher liegen.<br />

• Es sind keine Bezüge vor dem 55. Altersjahr möglich.<br />

Diese Liste ist nicht abschliessend. Weitere Kriterien<br />

sind von der persönlichen Situation abhängig und<br />

individuell zu prüfen. Der Prozess der Überweisung ist<br />

relativ komplex. Zudem muss die empfangende Vorsorgeeinrichtung<br />

eine zehnjährige Meldungspflicht<br />

gegenüber der britischen Steuerbehörde garantieren,<br />

was den Administrationsaufw<strong>and</strong> erhöht und Kostenfolgen<br />

hat.<br />

Transfer in die Schweiz lohnt sich<br />

Obwohl die Voraussetzungen, um britische Vorsorgegelder<br />

in ein QROPS zu übertragen, auf den ersten<br />

Blick abschreckend wirken können, sollte die Möglichkeit<br />

eines Transfers in die Schweiz geprüft werden.<br />

Zusätzlich zu den bereits erwähnten Aspekten (Währungsrisiko,<br />

Steuern) gibt es weitere Gründe, die für<br />

eine Übertragung sprechen. So sind zahlreiche britische<br />

Pensionskassen als «defined benefit»-Pläne ausgestaltet,<br />

was ungefähr unserem Leistungsprimat<br />

entspricht. Eine gute Rendite kommt in diesem Fall<br />

nicht direkt den Versicherten zugute. Zudem besteht<br />

ein gewisses Risiko, dass die Leistungen wegen der<br />

demografischen Entwicklung nicht ausbezahlt werden<br />

können – eine versicherte Person kann also einen<br />

Teil oder sogar das gesamte britische Vorsorgeguthaben<br />

verlieren. Deshalb ist für den Transfer eine<br />

Bedarfsaufnahme und persönliche Beratung sehr zu<br />

empfehlen.<br />

Für eine Beratung, die auf die individuelle<br />

Situation Ihrer Person zugeschnitten ist, sind die<br />

Berater:innen von PensExpert unter<br />

+41 44 206 11 22<br />

oder welcome@pens-expert.ch für Sie da.<br />

PensExpert AG, Tödistrasse 63, 8002 Zürich<br />

www.pens-expert.ch<br />

56


MEINUNG<br />

Debatte (Seite 59) • Blog (Seite 67) • Fokus Forschung (Seite 69) • <strong>HR</strong>-Team des Monats (Seite 70)<br />

Zitat des Monats<br />

«WENN DU ETWAS TUST, DANN<br />

RICHTIG. KONZENTRATION IST<br />

DER SCHLÜSSEL ZUM<br />

ERFOLG.»<br />

Top-Twitterfeed<br />

im Februar:<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> gewährt Einblicke hinter die Kulissen.<br />

Zum Beispielbeim Porträt-Shooting.<br />

Hintergrund<br />

Pascal Grieder, Chief Executive<br />

Officer von Mobilfunkanbieter<br />

Salt, beantwortet Mikael Krogerus<br />

und Simon Brunner 66 ehrliche<br />

Fragen im «Das Magazin»<br />

vom 16. Mai <strong>2021</strong>.<br />

CEOs sind auch nur Menschen: Das zeigen die 66 «ehrlichen»<br />

Antworten von Salt-CEO Pascal Grieder zu Lohnfragen, Nervensägen<br />

in Meetings, Frauen in Chefpositionen, Arbeitszeiten und Ängsten.<br />

GETEILTES LEID<br />

Die Solidarität in der Corona-<br />

P<strong>and</strong>emie ist gross. Insbesondere<br />

gegenüber den Pflegefachkräften und<br />

der Gastronomie. Das zeigte auch der <strong>HR</strong><br />

<strong>Today</strong> Facebook-Post über Meta Hiltebr<strong>and</strong>.<br />

Mit über 1000 Reaktionen, Kommentaren<br />

und Shares hat das Interview mit<br />

der Starköchin alles, was dieses Jahr auf<br />

unserem Kanal gepostet wurde, um Längen<br />

übertroffen.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

57


MEINUNG<br />

Buchtipps<br />

BUCHTIPPS<br />

IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM ERSCHEINEN JÄ<strong>HR</strong>LICH TAUSENDE VON FACH BÜCHERN. WIR HABEN EINE<br />

AUSWAHL FÜR SIE GETROFFEN UND PRÄSENTIEREN IHNEN NEUERSCHEINUNGEN ZUR ARBEITSWELT UND ZU <strong>HR</strong>.<br />

AGILE TEAMS<br />

Tom Seeger, Besser führen<br />

KREATIVITÄT STATT KONTROLLE<br />

Frank Dopheide, Gott ist ein Kreativer<br />

KORSETT-BEFREIUNG<br />

Silke Luinstra, Lebendigkeit entfesseln<br />

In seinem Buch «Besser führen»<br />

zeigt Tom Seeger, welche<br />

Schlüsselfähigkeiten und<br />

-kompetenzen agile Teams<br />

benötigen, um langfristig<br />

erfolgreich in agilen Arbeitsmodellen<br />

zusammenzuarbeiten.<br />

Die dazu notwendigen<br />

Fähigkeiten? Beispielsweise Systemverständnis,<br />

systemisches Denken sowie die Kommunikation<br />

auf Metaebene. Das, um Themen zu reflektieren<br />

oder die Entwicklung sowie den Erhalt des<br />

selbstorganisierten Teams sicherzustellen.<br />

Tom Seeger, Besser führen, Springer<br />

Fachmedien Wiesbaden, 2020, 49 Seiten.<br />

Unternehmensberater haben<br />

ihre Erfolgsrezepte ohne den<br />

Menschen gemacht, sagt<br />

Frank Dopheide. In «Gott ist<br />

ein Kreativer» beschreibt der<br />

Manager unterhaltsam seine<br />

erkenntnisreiche Reise durch<br />

die hochgestapelte Irrwelt des<br />

Managements. Es gibt jedoch Licht am Ende<br />

des Optimierungstunnels, wenn dieses aus Budgetgründen<br />

nicht vorher ausgeschaltet wurde.<br />

Frank Dopheide, Gott ist ein Kreativer – kein<br />

Controller, Ullstein, <strong>2021</strong>, 240 Seiten.<br />

Es ist an der Zeit, eine neue<br />

Arbeit zu schaffen. Eine, die<br />

Freiheit, Selbstständigkeit und<br />

Verantwortung genauso<br />

berücksichtigt wie Teilhabe an<br />

der Gesellschaft, Solidarität<br />

sowie soziale und ökologische<br />

Folgen. Noch ist davon in<br />

unseren Organisationen wenig spürbar. In «Lebendigkeit<br />

entfesseln» stellt die Autorin acht Prinzipien<br />

vor, welche Lebendigkeit in Organisationen<br />

zurückbringen, und erläutert dies an zahlreichen<br />

Praxisbeispielen.<br />

Silke Luinstra, Lebendigkeit entfesseln: Acht<br />

Prinzipien für ein neues Arbeiten, Gabal, <strong>2021</strong>,<br />

250 Seiten.<br />

ANTIKÖRPER<br />

Joël Luc Cachelin begleitet mit seiner Wissensfabrik Unternehmen in der digitalen Transformation. Über die<br />

Digitalisierung hat er mehrere Sachbücher geschrieben.<br />

Ihr neues Buch heisst Antikörper. Worum geht es?<br />

Joël Luc Cachelin: Das Buch ist eine Zeitreise. In der Gegenwart geht es um die Notwendigkeiten eines gesellschaftlichen<br />

Immunsystems, in der Vergangenheit um dessen Anfänge und in der Zukunft um dessen Erweiterung.<br />

Es schützt uns nicht nur von Infekten, sondern auch vor Medien, Unternehmen und Maschinen.<br />

Epidemien hätten immer auch Innovationen ausgelöst, heisst es in der Pressemitteilung zu Ihrem Buch. Ein Beispiel?<br />

Die Pest etablierte die Quarantäne und frühe Formen des Contact Tracings. Die Cholera bewirkte Innovationen in der Wasserversorgung,<br />

während die Pocken uns die Impfung brachten. HIV/Aids veränderte dagegen, wie wir über Sex sprechen. Auch die neuen mRNA-Impfstoffe<br />

führen zu weiteren Innovationen.<br />

Was können wir aus der P<strong>and</strong>emie lernen?<br />

Wir erkennen zum Beispiel, wie wichtig valide Daten sind, um schnell und präzise zu intervenieren.<br />

Wie entwickelt sich die Technik?<br />

Wir werden dem P<strong>and</strong>emie-Management digitale Elemente hinzufügen. Das Contract Tracing mit Apps und QR-Codes wird präziser und<br />

vorausschauender werden. Auch Abwasseranalysen werden eine Rolle spielen.<br />

Antikörper, Joël Luc Cachelin, Stämpfli Verlag, <strong>2021</strong>, 116 Seiten<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

58


Debatte<br />

MEINUNG<br />

FERIENZWANG<br />

BEI QUARANTÄNEPFLICHT?<br />

SOLLEN UNTERNEHMEN I<strong>HR</strong>E MITARBEITENDEN DAZU ZWINGEN KÖNNEN, FERIEN ZU NEHMEN,<br />

WENN SIE IN QUARANTÄNE MÜSSEN? NICHT NUR RECHTLICH GESEHEN EINE SCHWIERIGE AUSGANGSLAGE.<br />

ANIQ ISELIN<br />

<strong>HR</strong> Campus<br />

Es gibt grundsätzlich zwei Gründe, weshalb jem<strong>and</strong> in Quarantäne gehen<br />

muss. Hatte jem<strong>and</strong> engen Kontakt zu einer Person, die positiv auf das<br />

Coronavirus getestet wurde, spricht man von einer Kurzkontaktquarantäne.<br />

Ist dagegen jem<strong>and</strong> aus einem Staat oder einem Gebiet mit erhöhtem<br />

Infektionsrisiko in die Schweiz eingereist, von einer Einreisequarantäne.<br />

Vorliegend werden die einschlägigen rechtlichen Implikationen in<br />

Bezug auf die Einreisequarantäne skizziert. Aus allgemeiner Sicht müssen<br />

zunächst zwei Kategorien von Berufen beziehungsweise Gruppen<br />

von Mitarbeitenden unterschieden werden: Berufe, die im Homeoffice<br />

ausgeübt werden können, und solche, bei denen dies nicht möglich ist.<br />

Können Mitarbeitende auch während der Quarantäne von zu Hause aus<br />

arbeiten, besteht kein Grund, zum drastischen Mittel des Ferienzwangs zu<br />

greifen. Im Falle einer Homeoffice-Pflicht gilt dies umso mehr. Bei Mitarbeitenden,<br />

die ihren Beruf nicht im Homeoffice ausüben können, gilt es, bei der<br />

Beantwortung der Frage zur zwangsweisen Ferienanordnung das Schweizer Arbeitsrecht<br />

zurate zu ziehen. Zum einen bestimmt gemäss Art. 329c Abs. 1 OR der Arbeitgeber<br />

«… den Zeitpunkt der Ferien und nimmt auf die Wünsche des Arbeitnehmers soweit Rücksicht,<br />

als dies mit den Interessen des Betriebes oder Haushaltes vereinbar ist». In der Praxis bestehen jedoch<br />

relativ enge Grenzen für Arbeitgebende. Beispielsweise müssen bei Arbeitnehmenden mit schulpflichtigen<br />

Kindern die Ferien grösstenteils innerhalb der Schulferien liegen. Ebenfalls dürfen zugesicherte Ferien nur<br />

in Notfällen durch den Arbeitgeber verschoben werden. Diese Grundsätze müssen auch bei der zwangsweisen<br />

Ferienanordnung eingehalten werden. Ein weiterer zentraler Punkt: Ferien haben der Erholung des<br />

Mitarbeitenden zu dienen. Dieser Zweck darf nicht vereitelt werden. Andernfalls können die entsprechenden<br />

Tage nicht als Ferien angerechnet werden. Bei einer zwangsweisen Ferienanordnung während der<br />

Dauer der Quarantäne kann jedoch nicht ernsthaft von einer Erholung des Mitarbeitenden gesprochen<br />

werden. Der Mitarbeitende verfügt daher selbst nach einer zwangsweisen Ferienanordnung während der<br />

Quarantäne über einen unverminderten Ferienanspruch. Andererseits kann es unter Umständen gerechtfertigt<br />

sein, den Lohn eines Arbeitnehmenden für die Dauer der Quarantäne einzubehalten, wenn dieser<br />

nicht zu Hause arbeiten kann, sofern die Quarantäne auf dem Besuch eines vor Reiseantritt bekannten<br />

Risikogebiets (gemäss BAG-Liste der Risikoländer) beruht und somit selbstverschuldet war (vgl. Art. 324a<br />

Abs. 1 OR e contrario). Zudem steht dem Arbeitgeber grundsätzlich das Mittel der Ferienkürzung gemäss<br />

Art. 329b Abs. 1 OR zur Verfügung.<br />

FERIEN HABEN DER<br />

ERHOLUNG DES MITAR-<br />

BEITENDEN ZU DIENEN.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

59


MEINUNG<br />

Debatte<br />

MONIKA BÜTIKOFER<br />

<strong>HR</strong>-Leiterin<br />

Bei diesem Thema sind verschiedene Seiten zu beleuchten. Beginnen<br />

wir mit «schwarz», tendenziell diktatorisch: Der arbeitet dann ja<br />

nicht. Ich zahle doch nicht fürs Abhängen oder in Neudeutsch fürs<br />

«Chillen». Dagegen stellt sich «weiss» sehr sozial: Nein, auf keinen<br />

Fall darf man den Mitarbeitenden in die Pflicht nehmen. In der Mitte<br />

alle dieser Parteien steht <strong>HR</strong> mit all seinen facettenreichen Nuancen<br />

und Betrachtungen von «hellgrau» bis «dunkelgrau». Ich sehe die<br />

Aufgabe von <strong>HR</strong> darin, genau abzuklären, weshalb es dazu kam,<br />

dass ein Mitarbeitender in Quarantäne muss. Auch dann gibt es kein<br />

klares Ja oder Nein oder ein Soll und Haben wie in der Buchhaltung.<br />

Das Schöne am Schweizer Arbeitsrecht sind die B<strong>and</strong>breite und die<br />

Erwägungen, die uns zur Verfügung stehen. <strong>HR</strong> legt die Grundsätze, um<br />

möglichst alle Mitarbeitenden gleich und fair zu beh<strong>and</strong>eln. Dafür gibt<br />

es keine Lösungen nach dem Giesskannenprinzip. Zudem haben alle <strong>HR</strong>-<br />

Verantwortlichen schwarze Schafe wie auch Musterschüler im Portfolio. Demzufolge<br />

sollte Mitarbeitenden, die bewusst h<strong>and</strong>eln oder mit ihrer H<strong>and</strong>lungsweise in Kauf<br />

nehmen, in Quarantäne zu l<strong>and</strong>en – etwa bei Reisen in Risikoländer –,<br />

während der Quarantänezeit Ferien- oder Kompensationszeit angerechnet<br />

werden. Unwissen oder unwissend zu h<strong>and</strong>eln, schützt aber<br />

nicht vor einer Strafe. Versicherungen schliessen hochfahrlässige<br />

H<strong>and</strong>lungen und Risikosportarten ja auch aus und weisen darauf<br />

hin, welches Verhalten sie nicht wünschen. Genauso verhält es<br />

UNWISSEN ODER<br />

UNWISSEND ZU<br />

HANDELN, SCHÜTZT<br />

NICHT VOR EINER<br />

STRAFE.<br />

sich auch in einem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgebende gibt<br />

bekannt, was erwünschtes und was unerwünschtes Verhalten<br />

ist. Wer sich aus irgendwelchen Gründen nicht daran hält, muss<br />

mit den Konsequenzen leben. Klar gibt es auch viele Situationen,<br />

in denen ein Mitarbeitender zum falschen Zeitpunkt am falschen<br />

Ort war. Wer zum «Opfer wider Willen» wird, sollte deshalb<br />

auch nicht bestraft werden.<br />

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Wir bleiben dran, bis es passt.<br />

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6 | <strong>2021</strong><br />

60


Debatte<br />

MEINUNG<br />

MARC PRINZ<br />

Vischer AG<br />

Personen, die engen Kontakt mit Covid-19-Infizierten hatten oder aus<br />

Risikoregionen in die Schweiz zurückkehren, müssen in behördlich angeordnete<br />

Quarantäne. Das bedeutet in aller Regel eine mehrtätige<br />

Isolation möglichst ohne Sozialkontakte, ohne das Haus oder die Wohnung<br />

verlassen zu dürfen. Aus Arbeitgebersicht stellt sich die Frage,<br />

ob die Tage in Quarantäne als bezogene Ferientage angerechnet<br />

werden können. Ferien dienen primär der körperlichen und geistigen<br />

Erholung vom Arbeitsstress sowie der Selbstverwirklichung. Ist dieser<br />

Erholungszweck nach den konkreten Umständen nicht gegeben, liegt<br />

kein Ferienbezug vor. Bei behördlich angeordneter Quarantäne ist eine<br />

Erholung vom Arbeitsstress nicht in genügendem Masse möglich, da<br />

man zu Hause «eingesperrt» ist. Arbeitsrechtler sind sich daher grundsätzlich<br />

einig, dass während der Quarantäne keine Ferien bezogen werden<br />

können. Auch wenn während der normalen Ferien eine Quarantäne angeordnet<br />

wird, sind die dadurch «verlorenen» Tage tendenziell nicht als Ferienbezug anzurechnen.<br />

Das im Gegensatz zu der Situation, wenn der Arbeitnehmende beispielsweise wegen einer<br />

Reisebeschränkung aus einer Risikoregion oder ohne Test- oder Impfbestätigung vorübergehend nicht mehr<br />

in die Schweiz zurückreisen kann. Hier wäre ein Ferienbezug grundsätzlich<br />

möglich und falls nicht, würde keine Lohnfortzahlungspflicht bestehen.<br />

Ist während der Quarantäne Arbeit im Homeoffice möglich, kann<br />

der Arbeitgebende verlangen, dass der Arbeitnehmende arbeitet,<br />

sofern er nicht arbeitsunfähig ist, weil er beispielsweise<br />

erkrankt ist. Kann er während der Quarantäne trotz Arbeitsfähigkeit<br />

nicht arbeiten, darf der Arbeitgebende aus unserer<br />

Sicht den Lohn bei selbstverschuldeter Quarantäne während<br />

dieser Zeit verweigern. Die Schwelle für ein Selbstverschulden<br />

dürfte allerdings relativ hoch liegen. Eine Einstellung der<br />

Lohnzahlung für die Quarantänezeit wäre beispielsweise in<br />

Situationen möglich, wenn Personen bei vollem Bewusstsein<br />

um die Quarantänepflicht für private Zwecke in Risikoregionen<br />

reisen.<br />

DIE SCHWELLE EINER<br />

SELBSTVERSCHULDUNG<br />

DÜRFTE RELATIV<br />

HOCH LIEGEN.<br />

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Ob vor Ort, im Homeoffice oder<br />

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6 | <strong>2021</strong><br />

61


MEINUNG<br />

Marktplatz<br />

NEUORIENTIERUNG FÜR ÜBER 40-JÄ<strong>HR</strong>IGE<br />

DAS NATIONALE PILOTPROJEKT «VIAMIA» BIETET ERWACHSENEN EINE KOSTENLOSE STANDORTBESTIMMUNG.<br />

WIE DAS PROJEKT IM KANTON BERN ANGEKOMMEN IST, ERZÄHLT DANIEL REUMILLER, LEITER DER BIZ<br />

BERUFSBERATUNGS- UND INFORMATIONSZENTREN DES KANTONS BERN.<br />

Seit Anfang <strong>2021</strong> können Erwachsene eine<br />

kostenlose St<strong>and</strong>ortbestimmung in einem der<br />

elf Pilotkantone machen. Wie ist diese in Bern<br />

angelaufen?<br />

Daniel Reumiller: Sehr gut. Zu Beginn wurden<br />

wir praktisch von Anmeldungen überschwemmt,<br />

das hat sich zwischenzeitlich eingependelt. Wir<br />

stellen jedoch fest, dass sich bisher eher hochqualifizierte<br />

Personen für eine «Viamia»-Beratung<br />

anmelden. Das widerspricht ein wenig der Intention<br />

des Bundesrates. Dieser wollte mit der Initiative<br />

vor allem Personen ab 40 Jahren ansprechen,<br />

die vor etlichen Jahren eine berufliche<br />

Grundbildung abgeschlossen und sich seither<br />

nicht mehr weitergebildet haben. In gewissen<br />

Fällen zeigte sich bereits im ersten Gespräch, dass<br />

die Kunden keine weitere Unterstützung benötigten.<br />

Die Beratenden bemerkten zudem, dass<br />

Personen mit H<strong>and</strong>lungsbedarf sehr dankbar<br />

sind, wenn sie ihre berufliche Situation mit einer<br />

externen und unabhängigen Fachperson analysieren<br />

und dadurch Möglichkeiten erkennen, ihre<br />

Arbeitsmarktfähigkeit zu verbessern. Das muss<br />

nicht zwingend eine grössere Weiterbildung sein.<br />

Oft gibt es auch unternehmensintern und parallel<br />

zur Arbeit passende Weiterbildungen. Gemäss<br />

ersten Evaluationsergebnissen kommt das Angebot<br />

bei den Kundinnen und Kunden an: So lag die<br />

Weiterempfehlungsrate im ersten Quartal bei 100<br />

Prozent.<br />

Woran liegt es, dass sich nur wenige melden,<br />

die sich nach ihrem Lehrabschluss kaum weitergebildet<br />

haben?<br />

Die Kommunikation in der breiten Öffentlichkeit<br />

ist bisher auf kantonaler Ebene und vor allem<br />

Daniel Reumiller,<br />

Leiter der BIZ Berufsberatungs- und<br />

Informationszentren des Kantons Bern<br />

über traditionelle Printmedien angelaufen.<br />

Weniger qualifizierte Personen müssten über<br />

<strong>and</strong>ere Kanäle angesprochen werden, beispielsweise<br />

über Verbände, die eigene Arbeitgeberwebsite,<br />

Radio und Fernsehen. Auf nationaler Ebene<br />

sind uns zudem noch etwas die Hände gebunden,<br />

da das Programm noch nicht in allen Kantonen<br />

angeboten wird.<br />

Was wünschen Sie sich von Unternehmen für<br />

schlechter Ausgebildete?<br />

Jeder Arbeitgebende hat eine gewisse Mitverantwortung<br />

für die berufliche Zukunft der Mitarbeitenden.<br />

Das bedeutet nicht, dass die Initiative<br />

nur vom Unternehmen ausgehen muss.<br />

Gerade in Berufen mit einem Fachkräfteüberschuss<br />

oder sich inhaltlich stark verändernden<br />

Tätigkeiten sollten Arbeitgebende ihre Mitarbeitenden<br />

jedoch moralisch und finanziell unterstützen,<br />

damit sich diese entwickeln und den<br />

Anschluss auf dem Arbeitsmarkt nicht verlieren.<br />

Das liegt auch im Interesse der Unternehmung:<br />

Die berufliche Entwicklung der Mitarbeitenden<br />

trägt dazu bei, dass diese motiviert und produktiv<br />

bis zur Pensionierung arbeiten.<br />

Welche Verantwortung hat das <strong>HR</strong>, wenig<br />

qualifizierte Mitarbeitende auf das St<strong>and</strong>ortbestimmungsangebot<br />

aufmerksam zu<br />

machen?<br />

Mitarbeitende auf dieses Angebot aufmerksam<br />

zu machen, kann delikat sein. Vorgesetzte<br />

befürchten vielleicht, Mitarbeitenden damit das<br />

Gefühl zu geben, sie seien nicht mehr erwünscht<br />

oder die Person könne dem Unternehmen durch<br />

eine St<strong>and</strong>ortbestimmung verloren gehen. Wir<br />

sind sehr dankbar, wenn <strong>HR</strong>-Abteilungen dieses<br />

Angebot richtig einordnen und klarstellen, dass<br />

es in keiner Weise darum geht, Mitarbeitende<br />

loszuwerden. Sondern vielmehr darum, dass sich<br />

der Betrieb dafür einsetzt, seine Mitarbeitenden<br />

nachhaltig zu qualifizieren.<br />

a<br />

BIZ Berufsberatungs- und Informationszentren<br />

des Kantons Bern<br />

Bremgartenstrasse 37, Postfach, 3001 Bern<br />

be.ch/biz<br />

<strong>HR</strong>M-DOSSIER NR. 92:<br />

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz<br />

In der Praxis wissen <strong>HR</strong>-Fachleute oft nicht, wie sie mit psychischen Erkrankungen von Mitarbeitenden umgehen<br />

sollen. Aus Hilflosigkeit entscheiden sich nicht wenige Personalverantwortliche für eine Kündigung. Doch es<br />

geht auch <strong>and</strong>ers: Das zeigen die praxisnahen Lösungsansätze dieses <strong>HR</strong>M-Dossiers. Insbesondere, wenn Arbeitgebende<br />

und IV bei der Integration oder Wiedereingliederung zusammenspannen.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Erhältlich sind die <strong>HR</strong>M-Dossiers im Abonnement mit <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> oder als Einzelexemplar für 23 Franken,<br />

ab 5 Stück 18.50 Franken, inkl. MwSt. und exkl. Vers<strong>and</strong>kosten. Bestellung über hrtoday.ch oder<br />

info@hrtoday.ch<br />

62


Marktplatz<br />

MEINUNG<br />

MIT MUSIKUNTERRICHT<br />

GEGEN DEN CORONA-BLUES<br />

DREI FRAGEN AN OLIVIER KIPFER, CO-FOUNDER MATCHSPACE MUSIC.<br />

Interview: Corinne Päper<br />

Musik hebt die Stimmung. Inwiefern trifft das fürs Musikmachen<br />

im Homeoffice zu?<br />

Es hebt nicht nur die Stimmung. Wer lernt, ein Musikinstrument zu<br />

spielen, fördert seine Kreativität, Konzentration und Produktivität.<br />

Man stärkt damit sein Gedächtnis und ist erst recht noch glücklich<br />

dabei. Verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, ist<br />

eine kurze Unterbrechung oft nützlich. Um meinen Kopf frei zu bekommen,<br />

spiele ich beispielsweise ab und zu Gitarre.<br />

«Ich kann nicht singen» – eine Ausrede?<br />

Das hören wir täglich. Das stimmt aber nicht. Jeder Mensch kann lernen, ein Instrument zu spielen oder<br />

zu singen. Vor allem beim Singen entscheidet oft die Technik. Bei einem Instrument wie der Gitarre ist<br />

dagegen das «muscle memory» entscheidend. Das erreicht man schon mit fünf Minuten Übung pro<br />

Tag. Wichtig ist, dass man Lernerfolge erzielt, Fortschritte macht und motiviert ist. Mit etwas Übung<br />

und der richtigen Lehrperson kriegt man alles hin. Pavarotti hat ja auch nicht über Nacht singen gelernt.<br />

Sie bieten auch Musikkurse für Firmen an.<br />

Wie kann man sich das vorstellen?<br />

Je nach Bedürfnis erfolgt der Unterricht beim Lernenden zu Hause, im Studio der Lehrperson, online<br />

oder in der Firma. Dies lässt sich auch kombinieren. Ich kann beispielsweise wöchentlich einmal ins<br />

Studio gehen und über Mittag online Gitarrenunterricht nehmen. So findet die Musik jederzeit in meinem<br />

Alltag Platz. Matchspace Music stellt sicher, dass dies leicht geht und sich Lernende und Lehrer finden.<br />

MATCHSPACE MUSIC<br />

Über die Plattform können Musiklernende<br />

eine passende Lehrperson finden und den<br />

Musikunterricht buchen. Unterrichtet werden<br />

über 40 Instrumente in allen Erfahrungsstufen<br />

und in verschiedenen Sprachen<br />

von Deutsch, Englisch, Französisch über<br />

Portugiesisch bis hin zu Hebräisch. Wer<br />

mehr Erfahrung hat, kann beispielsweise<br />

auch Stunden bei einem internationalen<br />

Opernstar buchen. Unternehmen können<br />

Musikstunden oder Gutscheine für ihre Mitarbeitenden<br />

kaufen oder Workshops<br />

buchen, die beispielsweise mittags im<br />

Unternehmen stattfinden.<br />

matchspace.com<br />

GESUNDHEITSFÖRDERUNG SCHWEIZ:<br />

NEUE WEBSEITE ZU «NEW WORK»<br />

New Work beeinflusst nicht nur die Art, wie und<br />

wo wir in Zukunft arbeiten, sondern auch unser<br />

Wohlbefinden. Die psychische Gesundheit von<br />

Mitarbeitenden rückt noch mehr in den Fokus.<br />

Gesundheitsförderung Schweiz bietet auf der neu<br />

lancierten Webseite «New Work» nicht nur Studien,<br />

Best-Practice-Beispiele und Erfahrungsberichte<br />

von Unternehmen wie Post Finance, Digitec<br />

Galaxus oder der Basler Kantonalbank, sondern<br />

auch Tools und Tipps, wie Mitarbeitende in der<br />

neuen Arbeitswelt begleitet werden können.<br />

Zusätzlich können sich Firmen online mit Fachpersonen<br />

und der Community von Gesundheitsförderung<br />

Schweiz über Themen wie hybrides<br />

Arbeiten, agile Organisationsformen oder neue<br />

Bürokonzepte austauschen.<br />

Reinklicken unter:<br />

gesundheitsfoerderung.ch/new-work<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

63


Presented by<br />

«OHNE GESUNDHEIT IST ALLES NICHTS»<br />

MENSCHEN BENÖTIGEN FLÜSSIGKEIT. SCHON EINE KURZE DURSTSTRECKE FÜ<strong>HR</strong>T ZU ERHEBLICHEN LEISTUNGSAB­<br />

FÄLLEN. ARBEITGEBENDE TUN DESHALB GUT DARAN, MITARBEITENDEN TRINKWASSER ZUR VERFÜGUNG ZU STELLEN.<br />

DAMIT FÖRDERN SIE NICHT NUR DEREN GESUNDHEIT, SONDERN AUCH DIE EIGENE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT.<br />

ETWA MIT KÄRCHER-WASSERSPENDERN.<br />

Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsschwierigkeiten<br />

und Verwirrungszustände: Mangelnder<br />

Wasserkonsum macht sich körperlich schnell<br />

bemerkbar. Schon ein Wasserverlust von drei Prozent<br />

im menschlichen Körper führt zu einer merklich<br />

sinkenden Leistungsfähigkeit. Um diesen Wasserverlust<br />

auszugleichen, brauchen Menschen je nach<br />

Alter, Körpergewicht, Aktivität und Umgebungstemperatur<br />

ungefähr 1,5 bis 2,5 Liter Trinkwasser<br />

pro Tag.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Dank Wasser zu mehr Leistungsfähigkeit<br />

Dass Mitarbeitende genügend Flüssigkeit zu sich<br />

nehmen, liegt deshalb im Interesse der Arbeitgebenden.<br />

So auch in jenem der Zürcher Verkehrsbetriebe<br />

(VBZ). «Ohne Gesundheit ist alles nichts»,<br />

sagt Florian Schrodt, VBZ-Employer-Br<strong>and</strong>ing-Verantwortlicher.<br />

«Deshalb fördern wir im Betrieblichen<br />

Gesundheitsmanagement die Gesundheit unserer<br />

Mitarbeitenden auf vielfältige Weise: Beispielsweise<br />

mit unserem Wasserspender-Projekt.» Doch weshalb<br />

diese Lösung? «Mit den vorherigen Getränkeautomaten<br />

gab es bei der Wasserversorgung immer<br />

wieder Herausforderungen.» Etwa, weil sie nicht<br />

rechtzeitig nachgefüllt wurden. Zudem passte die<br />

dadurch verursachte PET-Abfallmenge nicht zur<br />

Umweltstrategie der Verkehrsbetriebe. «Deshalb<br />

haben wir uns nach einer <strong>and</strong>eren Lösung umgeschaut.»<br />

Diese war rasch gefunden: Die Immobilienabteilung<br />

der Stadt Zürich hatte bereits eine Ausschreibung<br />

für Wasserspender gemacht und<br />

Kärcher-Geräte angeschafft. «Unsere Anforderungen<br />

waren fast deckungsgleich», sagt die VBZ-Projektleiterin<br />

Katja Berger. «Deshalb haben wir uns<br />

für Wasserspender von Kärcher entschieden. Diese<br />

funktionieren mit einem Wasseranschluss, sind<br />

umwelt- und bedienerfreundlich und ungeachtet<br />

der unterschiedlichen Voraussetzungen an jedem<br />

VBZ-St<strong>and</strong>ort einsetzbar.»<br />

Auch die Zusammenarbeit mit Kärcher verlief<br />

gemäss der Projektleiterin erfreulich. «So konnten<br />

wir auf einen intern bekannten Partner zurückgreifen»,<br />

sagt Berger. Heute stehen den 2500 Mitarbeitenden<br />

der VBZ rund 18 Kärcher-Getränkespender<br />

an allen St<strong>and</strong>orten zur Verfügung. Positioniert<br />

wurden sie hauptsächlich an stark frequentierten<br />

Orten, beispielsweise in den Aufenthaltsräumen<br />

oder in der Nähe von Fahrstühlen sowie in Pausenzonen<br />

der VBZ-Werkstätten. Plastikbecher nutzen<br />

die Verkehrsbetriebe nicht: «Das hätte den ökologischen<br />

Effekt massiv gemindert», sagt Claudia<br />

Kopp, die Verantwortliche für Ökologiefragen bei<br />

den VBZ. «Um das Bewusstsein unserer Mitarbeitenden<br />

für ein ökologisches Verhalten zu schärfen,<br />

weisen wir sie mit Aufklebern auf den Wasserspendern<br />

darauf hin, Mehrweggefässe zu verwenden.»<br />

Die Kärcher-Wasserspender sind nicht nur ökologischer<br />

als die früheren Wasserangebote, sie haben<br />

auch einen weiteren Vorteil. «Die Kärcher-Geräte<br />

reinigen sich thermisch von allein», sagt die VBZ-<br />

Projektleiterin Katja Berger. «Auch die wasserführenden<br />

Bauteile wie Heiz- oder Kühlmodul werden<br />

automatisch regelmässig mit Heisswasser desinfiziert.»<br />

Der Zeitpunkt der Reinigung liesse sich beliebig<br />

einstellen. «Beispielsweise nachts, damit die<br />

Kärcher-Wasserspender morgens wieder betriebsbereit<br />

sind.» Daneben reinige die Putzequipe die<br />

Geräte aber auch äusserlich. Bergers Fazit? «Wir<br />

haben nicht nur unsere Umweltbilanz, sondern auch<br />

die Wasserversorgung unserer Mitarbeitenden stark<br />

verbessert, indem sie das Wasser nicht mehr vergünstigt<br />

in PET-Flaschen, sondern gratis ab Getränkespender<br />

angeboten bekommen. Ebenso können<br />

sie nun auch heisses Wasser abfüllen.»<br />

In den Werkstätten der VBZ können<br />

sich die Mitarbeitenden stets mit<br />

Wasser versorgen und bleiben so<br />

leistungsfähig.<br />

Wasserspender<br />

Bei den VBZ kommen Kärcher-Geräte des Modells<br />

WPD 200 Advanced S zum Einsatz. Dieses bietet<br />

bis zu sechs verschiedene Wasserarten: etwa<br />

heiss, still, kühl, starker Sprudel, mittlerer Sprudel.<br />

Das patentierte Kärcher-Hygienesystem<br />

sorgt dafür, dass sich das Gerät einmal monatlich<br />

thermisch selbst reinigt und für den Kunden<br />

somit keine Reinigungsarbeiten anfallen. Daneben<br />

filtert es Bakterien und Viren und entfernt<br />

Chlor Schwermetalle und <strong>and</strong>ere Rückstände,<br />

die aus den Wasserleitungen stammen. Alle<br />

wichtigen Mineralstoffe bleiben jedoch erhalten.<br />

Das Gerät existiert als Tisch- oder St<strong>and</strong>version.<br />

Um den Plastikabfall zu verringern, bietet Kärcher<br />

zudem wiederverwendbare und spülmaschinentaugliche<br />

Glasflaschen und -karaffen.<br />

kaercher.ch<br />

64


Marktplatz<br />

MEINUNG<br />

WENIGER ADMINISTRATION,<br />

WENIGER ABSENZEN,<br />

WENIGER KOSTEN<br />

Die <strong>HR</strong>-Software Carema digitalisiert alle Prozesse des betrieblichen<br />

Absenz- und Case-Managements. In Kombination mit der Software<br />

UKA Solutions zum Fehlzeitenmanagement ermöglicht dies ein professionelles<br />

Gesundheitsmanagement. Einfache und automatisierte<br />

Prozesse beim BGM, bei der Unfall- und Krankentaggeldversicherung<br />

sowie den Ausgleichskassen entlasten <strong>HR</strong> und Payroll. Zudem werden<br />

durch Unterstützung bei Analyse, Prävention und Wiedereingliederung<br />

die unfall- und krankheitsbedingten Absenzen reduziert.<br />

hrm-systems.ch<br />

SPRACHKENNTNISSEN<br />

MIT AI AUF DER SPUR<br />

Lesen, hören, sprechen und schreiben: Menschen schätzen ihre Englisch-Sprachkenntnisse<br />

oft ungenau ein. Abhilfe schafft nun ein Algorithmus.<br />

Die von der Universität Cambridge entwickelte Software<br />

«Linguaskill from Cambridge» nutzt zur Ermittlung der Sprachkenntnisse<br />

einen durch künstliche Intelligenz gesteuerten Test, der sich dem<br />

Sprachniveau des Nutzers anpasst. Basierend auf dessen Antworten<br />

erhöht oder senkt der Algorithmus den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben.<br />

Linguaskill eignet sich für Unternehmen, die Englischkenntnisse<br />

von K<strong>and</strong>idaten zuverlässig einschätzen wollen. Die Tests finden online<br />

statt, die Ergebnisse liegen 48 Stunden nach Abschluss vor und werden<br />

in einem Report per E-Mail verschickt.<br />

Der Test nach Cambridge English St<strong>and</strong>ard ist weltweit anerkannt<br />

und beinhaltet Sprachniveaus von A1 bis C1 nach der Cambridge-<br />

English-Skala sowie dem Europäischen Referenzrahmen (GER).<br />

In der Schweiz wird «Linguaskill from Cambridge» von Swiss Exams<br />

über skills.swiss-exams.ch vertrieben.<br />

FOTO: iSTOCKPHOTO<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

65


<strong>HR</strong>TODAY.CH<br />

FOTO: iSTOCKPHOTO<br />

Die Checkliste<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> TV<br />

Video-Porträt:<br />

Karin Walser<br />

Zahlen und Menschen faszinierten die <strong>HR</strong>- und<br />

Finanzleiterin des Casinotheaters Winterthur<br />

schon immer. Deshalb hat Karin Walser in ihrem Werdegang<br />

schon zum zweiten Mal eine solche Doppelfunktion inne. Wie sie<br />

die Mitarbeitenden des Casinotheaters im Lockdown unterstützt hat und<br />

was sie unter modernem <strong>HR</strong> versteht, erzählt sie im Video-Porträt.<br />

<strong>HR</strong> als Leitwolf<br />

Die meisten Schweizer Unternehmen sind aufgrund<br />

der Homeoffice-Pflicht regelrecht in die «New Work»-<br />

Welt katapultiert worden. Unsere Gastautorin<br />

Corinne Kiener hofft, dass<br />

die Betriebe darin eine einmalige<br />

Chance erkennen und die<br />

erlebten Vorteile auch künftig<br />

gezielt nutzen, um<br />

Remote Work mit Vor-Ort-<br />

Arbeiten zu kombinieren.<br />

Die Checkliste «Das Beste<br />

beider Welten» gibt drei<br />

wichtige Tipps zur entsprechenden<br />

Umsetzung<br />

– inklusive Praxisbeispielen.<br />

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Der Artikel<br />

Der Blog<br />

Konkurrenzverbot<br />

Für die Arbeitgeberin kann der Schutz von<br />

Geschäftsgeheimnissen über das Arbeitsverhältnis<br />

hinaus wirtschaftlich von grosser<br />

Bedeutung sein. Aber nützt ein Konkurrenzverbot<br />

überhaupt etwas und ist es nachvertraglich durchsetzbar? Arbeitsrechtsblogger<br />

Thomas Geiser gibt Auskunft auf blog-hrtoday.ch.<br />

Dating-App-Prinzip<br />

Jüngste Zahlen der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich beruhigen:<br />

Trotz Corona-P<strong>and</strong>emie gibt es wieder mehr Jobs auf dem Markt.<br />

In manchen Branchen hat die P<strong>and</strong>emie jedoch Spuren hinterlassen: Viele<br />

Arbeitssuchende treffen auf wenige Jobs. Die Folge: Unternehmen erhalten<br />

auf offene Stellen viel mehr Bewerbungen. Weshalb Personaler jetzt<br />

eine noch entscheidendere Rolle spielen und wie man die «Nadel im<br />

Heuhaufen», findet lesen Sie im Artikel «Weg vom Tinder-Prinzip im Recruiting».<br />

Etwas verpasst?<br />

Klicken Sie sich durch unsere Online-Perlen:<br />

hrtoday.ch/perlen<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

66


Bloghub<br />

MEINUNG<br />

BLOG<br />

TV<br />

NETWORK<br />

Kultur-Change<br />

DIE ARBEITSWELT BEFINDET SICH IM WANDEL. FESTE ARBEITSSTRUKTUREN LÖSEN SICH IM HOMEOFFICE AUF,<br />

GEWOHNTE DIREKTE UND RASCHE KOMMUNIKATION BENÖTIGT EIN UMDENKEN. ME<strong>HR</strong> DENN JE SIND EMPATHIE<br />

UND SINNFINDUNG SEITENS DER MITARBEITENDEN GEFRAGT.<br />

Wird nach Corona alles<br />

<strong>and</strong>ers? Vielleicht.<br />

Zumindest bieten viele<br />

Erfahrungen aus den<br />

letzten Monaten einige<br />

Chancen, den Arbeitsalltag<br />

von morgen<br />

Markus Marthaler <strong>and</strong>ers zu gestalten. Im<br />

Leid oder auch einfach in<br />

der Beschränkung unserer<br />

gewohnten H<strong>and</strong>lungen zeigt sich, wo<br />

genau wir im Leben stehen, offenbart sich zum<br />

Teil schonungslos, ob wir authentisch leben oder<br />

nur Vorstellungen und Kompromissen hinterherjagen.<br />

Betreffend Stärkung der Unternehmenskultur<br />

könnten diese drei Fragen hilfreich sein:<br />

• Welche Folgen hat diese Krise auf die Menschen<br />

im Unternehmen?<br />

Wie wirkt sich Homeoffice auf das soziale Verständnis,<br />

das Teamverhalten, das Verständnis<br />

gegenüber der Arbeit aus?<br />

• Was bedeutet dies für die Kultur?<br />

Welche Schwerpunkte gilt es bezüglich Digitalisierung<br />

und der sich verändernden Kommunikation<br />

zu setzen?<br />

• Wie soll das Management die Führungsverantwortung<br />

künftig wahrnehmen?<br />

Was verändert sich im Führungsverhalten zum<br />

Beispiel bezüglich Vertrauensbildung und Kontrolle?<br />

Welche Schwerpunkte sollen in der Ausund<br />

Weiterbildung gesetzt werden?<br />

Die Krise hat gezeigt, dass nichts selbstverständlich<br />

ist und Gewohntes schnell aus unserem<br />

Leben verschwinden kann. Vielleicht<br />

erwächst daraus eine neue Haltung mit etwas<br />

mehr Demut und Respekt gegenüber dem persönlichen<br />

Leben sowie der Arbeit. Daher bin ich<br />

überzeugt, dass der Fokus des nachhaltigen<br />

Erfolgs künftig auf die Entwicklung und Stärkung<br />

des Ressourcenmanagements von Mitarbeitenden<br />

und Teams gerichtet ist.<br />

Kulturelle Prozesse auf diese Weise zu begleiten,<br />

verlangt ein hohes Mass an unternehmerischer<br />

Empathie, vernetztes Verständnis interkultureller<br />

Zusammenhänge und schliesslich auch das<br />

Wissen um grundsätzliche Verhaltensmuster<br />

von Mitarbeitenden. Zweifellos wäre hier das<br />

<strong>HR</strong> ein Sparringpartner für die Geschäftsleitung,<br />

doch – die Frage muss erlaubt sein – verfügt<br />

die klassische <strong>HR</strong>-Abteilung, gebunden und<br />

gefangen im formalen Gesetzesdschungel, über<br />

die Kompetenz, auf diese Herausforderungen<br />

adäquate Unterstützung zu bieten?<br />

Was wäre also, wenn man die administrative<br />

Personalarbeit künftig über die Finanzabteilung<br />

abwickeln und das «Employer Br<strong>and</strong>ing» ins<br />

Marketing integrieren würde? Dafür Aus- und<br />

Weiterbildung, Rekrutierung sowie weitere strategisch<br />

relevante Themen in der Geschäftsleitung<br />

ansiedelt, um da die kulturellen Veränderungen<br />

gezielter und effizienter zu unterstützen?<br />

Überlegungen zu Entwicklung als Teil der<br />

Unternehmenskultur: Was wäre, wenn immer<br />

mehr Menschen die Sinnhaftigkeit der Arbeit<br />

über die Ausübung einer Tätigkeit stellen? Es<br />

würde zum Ausdruck bringen, dass eine entsprechende<br />

Kultur die intrinsische Motivation<br />

der Mitarbeitenden unterstützen und fördern<br />

würde. Welche Massnahmen sind dazu erforderlich?<br />

Wie weit ist die Führungsspitze bereit,<br />

sich dieser Thematik zu stellen? Zugleich hätte<br />

dies auch Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung<br />

und würde das heutige Bildungsverständnis<br />

mindestens in Frage stellen.<br />

Denn im Gegensatz zur theoretischen Wissensvermittlung<br />

mit anerkannten Fähigkeitszeugnissen<br />

könnten morgen praktische Lehr- und<br />

Lernmethoden die Bildungswelt prägen.<br />

Dadurch würden wir uns weg von klassischer<br />

Problemanalyse und theoretischen Studiengängen<br />

hin zu einem ganzheitlichen Lernprozess<br />

im Alltag entwickeln.<br />

Ein strategisch ausgerichtetes Ressourcenmanagement<br />

unterstützt die psychische Stabilität<br />

des Einzelnen und somit die Struktur des Unternehmens.<br />

Es fördert und sensibilisiert die Mitarbeitenden<br />

im Umgang mit dem eigenen<br />

Energiepotenzial. «Work» trennt nicht mehr von<br />

«Life Balance», Berufs- und Privatleben werden<br />

zu einer fliessenden Lebensphilosophie. Dabei<br />

ist weniger das räumliche Verschmelzen der<br />

eigenen Wohnung als Homeoffice gemeint als<br />

vielmehr eine veränderte Haltung zur Arbeit.<br />

Der Job, anstelle des wirtschaftlichen Futternapfs,<br />

wird zum Beruf, zu einer Berufung, wo<br />

Selbständigkeit, Verantwortung und Innovation<br />

zur inneren Energiequelle werden.<br />

Was bedeutet dies schliesslich für die Führung?<br />

Im Wesentlichen wird der Mensch sich nicht<br />

ändern. Wertschätzung und das Bedürfnis, in<br />

einem vertrauensvollen Umfeld zu arbeiten,<br />

überdauert die Zeit. Aber es ist Mut gefragt, die<br />

Bereitschaft, althergebrachte Muster über Bord<br />

zu werfen, sich mit Führungskräften zu umgeben,<br />

die bereit sind, Neues auszuloten und mehr<br />

denn je bereit sind, ein Umfeld zu schaffen, das<br />

von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist.<br />

blog.hrtoday.ch<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

67


MEINUNG<br />

Blog-Kommentare<br />

Leser*innenkommentare<br />

Dialog auf Blog-Beitrag von<br />

Raphael Ineichen «Sie möchten<br />

mehr Ressourcen für Ihr<br />

Recruiting? So geht’s!» vom<br />

8. April <strong>2021</strong>:<br />

Anne-Cathrin Becker: «Ich<br />

denke, die allermeisten Recruitierenden<br />

haben das Problem,<br />

die Fachabteilung zwangsläufig früh<br />

in den Prozess einbinden zu müssen. Eine sinnvolle<br />

Option, dies ein Stück weit zu umgehen, stellt aus meiner<br />

Sicht der Einsatz von aussagekräftigen Testverfahren<br />

(bspw. Coding- und Persönlichkeitstests) dar. Dies<br />

ermöglicht eine datenbasierte Personalauswahl und bietet<br />

Bewerbenden somit Chancengleichheit und effiziente<br />

Prozesse. Der Codingtest ist insbesondere für das Recruiting<br />

von IT-Talenten ein nützliches Werkzeug. Personaler<br />

können die fachliche Eignung von K<strong>and</strong>idaten im Recruiting-Prozess<br />

früh einschätzen, ohne die Expertise zu<br />

haben. Bewerbende können sich beweisen und das<br />

Unternehmen weiss anschliessend, ob der K<strong>and</strong>idat sein<br />

H<strong>and</strong>werk wirklich beherrscht.»<br />

Raphael Ineichen: «Coding- und Persönlichkeitstests<br />

machen für bestimmte Stellen sicher Sinn, jedoch nicht<br />

zu Beginn des Prozesses. Warum? K<strong>and</strong>idat und Unternehmen<br />

sollten sich zu jeder Zeit auf Augenhöhe begegnen.<br />

Angesichts der hohen Nachfrage von IT-Spezialisten<br />

liegt es zunächst am Unternehmen, den K<strong>and</strong>idaten zu<br />

überzeugen, weshalb er hier arbeiten sollte. Ansonsten<br />

kommt das eher rüber wie: ‹Ah, du hast dich bei uns<br />

beworben. Gut, dann zeig uns mal, was du drauf hast.›»<br />

Anne-Cathrin Becker: «Natürlich sollte im Hinblick<br />

auf eine positive C<strong>and</strong>idate Experience vor Übermittlung<br />

eines Coding- oder Persönlichkeitstest unbedingt<br />

ein kurzes Erstgespräch mit den K<strong>and</strong>idaten beziehungsweise<br />

per Video stattfinden, um sich zunächst<br />

zu ‹beschnuppern› und die Hard Facts abzuklären.<br />

K<strong>and</strong>idaten möchten in einem Bewerbungsprozess herausgefordert<br />

werden. Entgegen des Irrglaubens vieler<br />

Arbeitgeber zeigen sie gern, was sie können. Natürlich<br />

sollte das Angebot an Testverfahren im Rahmen bleiben,<br />

damit das Interesse nicht in Frust umschlägt.<br />

Solange der Ablauf des Auswahlprozesses jedoch klar<br />

kommuniziert wird, werden K<strong>and</strong>idaten auch eine<br />

Absage im fortgeschrittenen Prozess eines mehrstufigen<br />

Verfahrens akzeptieren und den Kontakt mit dem<br />

Unternehmen in guter Erinnerung behalten.»<br />

Blog-Beitrag von Joël Luc<br />

Cachelin «Agilität ist (nicht)<br />

gratis» vom 8. Dezember<br />

2016:<br />

Stephan Ernst: «Die Sichtweise<br />

des ‹Mangels› ist ein<br />

spannender Ansatz, insbesondere<br />

bezüglich Erfahrung. Wenn<br />

sich das Umfeld in ein volatiles<br />

w<strong>and</strong>elt, nützt die Erfahrung aus dem zurückliegenden<br />

wenig, um mit Veränderungen umzugehen. Dieser entsprechende<br />

Mangel ‹zwingt› dann zu einem veränderten<br />

Verhalten bzw. einer veränderten Haltung, um weiterhin<br />

zu bestehen. Und damit zu einem agilen Umgang mit<br />

den veränderten R<strong>and</strong>bedingungen.» <br />

Impressum<br />

Erscheint 10 x jährlich auf Deutsch und<br />

6 x jährlich auf Französisch<br />

23. Jahrgang<br />

Druckauflage 5000 Exemplare<br />

WEMF-beglaubigte Auflage: 4511 Exemplare<br />

Gründer und Herausgeber: Matthias Zimmermann<br />

Offizielles Kommunikationsorgan von<br />

Verb<strong>and</strong> der Personaldienstleister der Schweiz<br />

Union suisse des services de l’emploi<br />

Stettbachstrasse 10, 8600 Dübendorf<br />

T: 044 388 95 40, F: 044 388 95 49<br />

Verlag: ALMA Medien AG<br />

Hofackerstrasse 32, 8032 Zürich<br />

T: 044 269 50 10, info@hrtoday.ch<br />

Key Account Manager:<br />

Marc Christen, T: 044 269 50 33, marc.christen@hrtoday.ch<br />

Mari Greco, T: 044 269 50 28, mari.greco@hrtoday.ch<br />

Aurelia Keusch, T: 044 269 50 34, aurelia.keusch@hrtoday.ch<br />

Marketing- und Eventleitung: Lea Maurer<br />

T: 044 269 50 36, lea.maurer@hrtoday.ch<br />

Redaktionsteam: Corinne Päper (Chefredaktion),<br />

Christine Bachmann, Eliane Stöckli<br />

Redaktionelle Beiträge:<br />

Alex<strong>and</strong>ra Arnold, Gebhard Borck, Monika Bütikofer, Nicolas<br />

Facincani, Myra Fischer-Rosinger, Martina Filippo, Stephan<br />

Hostettler, Aniq Iselin, Susanne Kuntner, Markus Marthaler,<br />

Marc Prinz, Sibylle Scheiwiller, Niculin Schmied, Irena Sgier,<br />

Sonja Stark-Traber.<br />

Grafik: Christine Schleich<br />

Demnächst: <strong>Nr</strong>. 7&8 / <strong>2021</strong><br />

Erscheinungstermin: 30. Juni <strong>2021</strong><br />

Insertionsschluss: 11. Juni <strong>2021</strong><br />

Abonnementspreise<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> PRO: CHF 324.–<br />

(10 x <strong>HR</strong> <strong>Today</strong>, 12 Monate Zugang zu hrtoday.ch,<br />

4 <strong>HR</strong>M Dossiers, 5 App-Zugänge, unlimitierter Zugriff auf alle<br />

<strong>HR</strong>M Dossiers über die App)<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> STANDARD: CHF 227.–<br />

(10 x <strong>HR</strong> <strong>Today</strong>, 12 Monate Zugang zu hrtoday.ch, App-Zugang)<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> App CHF 170.–<br />

(10 x <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> auf dem Smartphone und Tablet)<br />

<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> DIGITAL: CHF 129.–<br />

(12 Monate Zugang zu hrtoday.ch)<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Aboverwaltung: T: 044 269 50 20, abo@hrtoday.ch<br />

Geschäfts- & Verkaufsleitung: Tobias Mengis<br />

T: 044 269 50 18<br />

Korrektorat: comtexto<br />

Druck: Werner Druck & Medien AG<br />

Leimgrubenweg 9, 4001 Basel<br />

T: 061 270 15 15<br />

Gezeichnete Artikel wider spiegeln nicht un be dingt die<br />

Meinung der Redaktion oder des Verlags. Für unverlangt<br />

einges<strong>and</strong>te Texte übernimmt die Redaktion beziehungs weise<br />

der Verlag keine Haftung. Die Wieder gabe von Beiträgen ist<br />

nur mit Quellen angabe gestattet. Wir bedanken uns für ein<br />

Beleg exemplar.<br />

68


Fokus Forschung<br />

MEINUNG<br />

Alex<strong>and</strong>ra Arnold,<br />

Oberassistentin und Dozentin<br />

am Center für Human Resource<br />

Management, Universität Luzern<br />

WIESO ARBEITGEBENDE NICHT<br />

NACH DEM LOHN FRAGEN SOLLTEN<br />

OFT FRAGEN ARBEITGEBENDE WÄ<strong>HR</strong>END DES REKRUTIERUNGSPROZESSES<br />

BEWERBENDE NACH I<strong>HR</strong>EM LETZTEN GEHALT. EIN FELDEXPERIMENT ZEIGT,<br />

WAS PASSIERT, WENN SOLCHE LOHNINFORMATIONEN FÜR ARBEITGEBENDE<br />

NICHT ME<strong>HR</strong> EINSEHBAR SIND. Gastbeitrag: Alex<strong>and</strong>ra Arnold<br />

In den letzten drei Jahren haben diverse US-Bundesstaaten<br />

Bestimmungen eingeführt, die es<br />

Arbeitgebenden verbieten, Bewerbende nach<br />

ihrem letzten Gehalt zu fragen. Diese neuen<br />

Bestimmungen sollen Lohndiskriminierungen<br />

reduzieren, indem ungerechtfertigte Lohnunterschiede<br />

aus früheren Anstellungen nicht in den<br />

neuen Job mitgenommen werden.<br />

Doch was bringen solche Bestimmungen tatsächlich?<br />

Professor Barach von der Universität<br />

in Minnesota und Professor Horton vom MIT in<br />

Boston gingen dieser Frage nach. In einem Feldexperiment<br />

mit rund 6000 Arbeitgebenden<br />

untersuchten sie, wie diese auf fehlende Lohninformationen<br />

reagieren. Auf einer digitalen<br />

Rekrutierungsplattform schrieben Arbeitgebende<br />

Jobs aus, auf die sich Interessierte direkt<br />

bewerben konnten. Arbeitgebende sahen nur<br />

das Bewerberprofil mit Namen, Foto, den Fähigkeiten,<br />

den geleisteten Arbeitsstunden auf der<br />

Plattform sowie dem durchschnittlichen Feedback-Rating<br />

aus früheren Jobs. Manipuliert<br />

wurde nur die Information zum früheren Lohn<br />

der Bewerbenden. Während der Hälfte der<br />

Arbeitgebenden der Stundenlohn aus vorhergehenden<br />

Jobs angezeigt wurde, sah die <strong>and</strong>ere<br />

Hälfte der Arbeitgebenden diese Angabe nicht.<br />

Insgesamt scheinen die neuen Bestimmungen in<br />

den USA ihre Wirkung zu zeigen: Schwarze und<br />

weibliche Bewerbende konnten ihre Löhne um 13<br />

beziehungsweise 8 Prozent erhöhen. Beschäftigte<br />

nicht mehr nach dem Lohn zu fragen,<br />

scheint Diskriminierungen zu reduzieren. Arbeitgebende<br />

könnten auch proaktiv Lohnbänder für<br />

die ausgeschriebenen Jobs veröffentlichen. Dies<br />

lässt wenig Raum für Diskriminierung und Bewerbende<br />

wissen von Beginn, mit welchem Lohn sie<br />

rechnen können.<br />

P<br />

Quelle: Barach, M. A. (<strong>2021</strong>). How do employers use compensation history?<br />

Evidence from a field experiment. Journal of Labor Economics, 39(1),<br />

193–218.<br />

BESCHÄFTIGTE NICHT<br />

ME<strong>HR</strong> NACH DEM LOHN<br />

ZU FRAGEN, SCHEINT<br />

DISKRIMINIERUNGEN ZU<br />

REDUZIEREN.<br />

Frühlingsnewsletter Schweizer<br />

<strong>HR</strong>-Barometer<br />

Der Schweizer <strong>HR</strong>-Barometer ist ein gemeinsames<br />

Projekt der Universitäten Luzern<br />

und Zürich sowie der ETH Zürich. In<br />

dieser repräsentativen Arbeitnehmerbefragung<br />

werden seit 2006 in regelmässigen<br />

Abständen bis zu 2000 Beschäftigte<br />

in der Schweiz zu ihrer aktuellen Arbeitssituation<br />

befragt. Folgende Themen stehen<br />

im Zentrum: Wie entwickelt sich die<br />

Arbeitszufriedenheit in der P<strong>and</strong>emie?<br />

Gibt es Unterschiede in der Arbeitseinstellung<br />

zwischen Stadt und L<strong>and</strong>?<br />

hrbarometer.ch<br />

Beschäftigte wünschen sich<br />

mehr Lohntransparenz<br />

Gemäss einer Schweizer Nationalfondsstudie<br />

der Universität Luzern wünschen<br />

sich die Beschäftigten volle Transparenz<br />

in Bezug auf das Lohnsystem. Bezüglich<br />

der tatsächlichen Löhne bevorzugen die<br />

Befragten mehr Transparenz in Form von<br />

Lohnbändern oder Durchschnittswerten.<br />

tinyurl.com/lohntransparenz<br />

Die Resultate zeigen, dass Arbeitgebende ohne<br />

Lohninformationen gleich viele Arbeitsverträge<br />

abschlossen wie Arbeitgebende mit Lohninformationen,<br />

sie aber mehr Bewerbende intensiver<br />

evaluierten. Im Vergleich zur Kontrollgruppe stellten<br />

Arbeitgebende ohne Lohninformationen<br />

Bewerbende ein, die in früheren Jobs durchschnittlich<br />

13 Prozent weniger verdient hatten.<br />

Dies deutet darauf hin, dass fehlende Lohninformationen<br />

für Geringverdienende ein Türöffner<br />

sein könnten. Verh<strong>and</strong>elten Bewerbende mit<br />

Arbeitgebenden ohne Lohninformationen, konnten<br />

sie einen um 9 Prozent höheren Stundenlohn<br />

aush<strong>and</strong>eln. Dies zeigt, dass die Verh<strong>and</strong>lungsposition<br />

von Bewerbenden gestärkt wird, wenn<br />

Arbeitgebenden keine Lohninformationen vorliegen.<br />

F<br />

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P H O<br />

T O<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

69


<strong>HR</strong>-TEAM DES MONATS<br />

FOTOS: Aniela Lea Schafroth<br />

v.l.: Sarah Baumann, Human Resources Business Partner; Brigitte<br />

Furter, Human Resources Generalist; Susanne Egger, Head of Human<br />

Resources; Iliana Cancello, Human Resources Business Partner. Es fehlt:<br />

Naima Jost, Praktikantin Human Resources.<br />

<strong>HR</strong>-SUITE UND SCHWARMINTELLIGENZ NUTZEN<br />

DAS <strong>HR</strong>-TEAM VON MERCEDES-BENZ SCHWEIZ AG MIT SITZ IN SCHLIEREN IST INTERNATIONAL GUT VERNETZT UND<br />

SETZT MIT SCHWARMORGANISATIONEN AUF KOOPERATION, GEBÜNDELTE EXPERTISE UND AGILE ARBEITSWEISEN.<br />

Text: Christine Bachmann<br />

Was zeichnet ein «gutes» <strong>HR</strong>-Team aus?<br />

Susanne Egger: Wenn wir Herausforderungen als<br />

Team und nicht als Einzelkämpfer meistern. Teammitglieder<br />

müssen ausserdem die Fähigkeiten besitzen,<br />

Bestehendes zu hinterfragen, zu optimieren<br />

und den Blick in die Zukunft zu richten sowie sich<br />

mit neuen Trends ausein<strong>and</strong>erzusetzen.<br />

Mercedes-Benz Schweiz AG ist eine Tochtergesellschaft<br />

der deutschen Daimler AG. Existiert<br />

ein internationaler Austausch zwischen den <strong>HR</strong>-<br />

Teams?<br />

Wir pflegen eine gute Zusammenarbeit und teilen<br />

unsere Best-Practice-Erfahrungen aus lokalen Projekten.<br />

Dazu arbeiten wir eng mit den Kolleginnen<br />

und Kollegen aus dem Headquarter in Stuttgart<br />

zusammen, aber auch mit <strong>HR</strong>-Vertretern aus ganz<br />

Europa.<br />

Susanne Egger,<br />

Head of Human Resources,<br />

Mercedes-Benz Schweiz AG<br />

Wo finden Sie für Mercedes-Benz die richtigen<br />

Talente?<br />

Einerseits prüfen wir intern, ob wir Mitarbeitende<br />

in unserem Nachfolgeplan haben, die bereit und<br />

daran interessiert wären, die frei werdenden Stellen<br />

zu übernehmen. Andererseits suchen wir extern<br />

nach Talenten und publizieren unsere Stellen in<br />

sozialen Netzwerken wie Linkedin oder auf Jobbörsen.<br />

Was würden Sie tun, wenn Sie mehr Budget<br />

fürs <strong>HR</strong> zur Verfügung hätten?<br />

Wir würden mit einer Master Class eine Plattform<br />

für Führungskräfte bieten, auf der sie sich austauschen,<br />

gegenseitig unterstützen und vonein<strong>and</strong>er<br />

lernen können. Ausserdem würden wir weiterhin<br />

in die Personal- und Kulturentwicklung<br />

investieren.<br />

6 | <strong>2021</strong><br />

Sie haben in den letzten Jahren Ihre <strong>HR</strong>-Prozesse<br />

digitalisiert und eine «All-in»-Lösung implementiert.<br />

Was bietet diese?<br />

Unsere <strong>HR</strong>-Suite bietet alles, was wir im lokalen Employee<br />

Life Cycle benötigen: vom Personalstammdaten-Management<br />

und der Lohnbuchhaltung über<br />

elektronische Personaldossiers und die Arbeitszeiterfassung<br />

bis hin zum Bewerbermanagement inklusive<br />

automatisierter Schnittstellen zu unseren externen<br />

Partnern und zum Daimler-Konzern. Das<br />

Highlight ist die zentrale Datenbank für alle Module<br />

sowie das Mitarbeiterportal. Damit haben Führungskräfte<br />

und Mitarbeitende ortsunabhängig Zugriff<br />

auf ihre persönlichen Daten und können diese selbst<br />

verwalten. Mit der Zeiterfassungsplattform lassen<br />

sich zudem sämtliche Leistungen, Arbeitszeiten und<br />

Abwesenheiten schnell erfassen. Das digitale Bewerbermanagement<br />

beschleunigt zusätzlich unseren<br />

Rekrutierungsprozess.<br />

Wie stark hat Ihnen die Digitalisierung während<br />

der Covid-19-P<strong>and</strong>emie geholfen?<br />

Enorm. Seit dem Ausbruch der P<strong>and</strong>emie arbeiten<br />

wir papierlos und haben dadurch an Effizienz und<br />

Effektivität gewonnen.<br />

Zurzeit beschäftigen Sie sich mit People<br />

Development und setzen dabei auf Schwarmorganisation.<br />

Wie funktioniert diese?<br />

Die Schwarmorganisation ist Teil des weltweiten<br />

Daimler-Kulturentwicklungsprogramms «Leadership202x».<br />

Sie fördert agile und interdisziplinäre<br />

Arbeitsweisen sowie hierarchiefreie Formen der<br />

Zusammenarbeit. Arbeiten in einem Schwarm<br />

bedeutet, bereichsübergreifende Kooperation,<br />

gebündelte Expertise und selbstorganisiertes Arbeiten.<br />

Unser Mentoring-Programm wurde beispielweise<br />

so von engagierten Kolleginnen und Kollegen<br />

entwickelt und ist sehr erfolgreich.<br />

Welche Themen möchten Sie künftig im <strong>HR</strong><br />

angehen?<br />

Nachdem wir unseren Fokus in den letzten zwei<br />

Jahren mehrheitlich auf interne Tools und Initiativen<br />

gerichtet haben, werden wir in Kürze mit Employer<br />

Br<strong>and</strong>ing starten.<br />

Unternehmensbiografie<br />

Die Mercedes-Benz Schweiz AG ist eine Tochtergesellschaft<br />

der Daimler AG. Am Hauptsitz in<br />

Schlieren arbeiten rund 300 Mitarbeitende, die<br />

sämtliche Vertriebs-, Marketing-, Service- und<br />

Presseaktivitäten koordinieren sowie die Schulungen<br />

und Ausbildungen der Mitarbeitenden<br />

des H<strong>and</strong>els in der Schweiz und dem Fürstentum<br />

Liechtenstein verantworten.<br />

70


Herzliche Einladung zum digitalen<br />

Er wird anregend und aufregend – soviel ist sicher.<br />

Unter dem Motto «Sicherheit in unsicheren Zeiten» werden wir das Thema Flexwork in die<br />

aktuelle Krisensituation einbetten und gemeinsam in einer Podiumsveranstaltung mit unseren<br />

Mitgliedern, Partnern und geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur diskutieren.<br />

Dienstag, 8. Juni <strong>2021</strong>, als Livestream aus dem Kursaal Bern<br />

Moderation durch Patrizia Laeri, Wirtschaftsredaktorin und Gründerin DACHelles<br />

Flexwork-Event «Sicherheit in unsicheren Zeiten»<br />

(Deutsch mit Simultanübersetzung auf Französisch und Italienisch)<br />

13.20 Begrüssung durch Leif Agnéus, Präsident swissstaffing<br />

13.25 Persönliche Grussbotschaft von Bundespräsident Guy Parmelin,<br />

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF<br />

13.40 «Grussbotschaft der Temporärarbeitenden» (Video)<br />

13.45 Interview mit Dr. Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse<br />

13.55 Podium und Austausch mit:<br />

Personaldienstleistung: Jana Jutzi, Geschäftsführerin careerplus<br />

Wirtschaft: Martin Lorenz, CEO und CFO Competec-Gruppe<br />

Politik: Christian Lohr, Nationalrat, Die Mitte, Die Mitte-Fraktion<br />

Arbeitnehmervertretung: Dr. Ursula Häfliger, Geschäftsführerin die-plattform.ch<br />

Kultur: Dr. Lena-Lisa Wüstendörfer, Dirigentin und Musikwissenschaftlerin,<br />

Chefdirigentin des Swiss Orchestra<br />

14.40 Schlusswort und Verabschiedung durch Myra Fischer-Rosinger, Direktorin swissstaffing<br />

Aufgrund der anhaltend unsicheren Lage bieten wir in eine Livestream-Übertragung.<br />

So können Sie an unserem Flexwork-Event teilnehmen – bequem und sicher im Office,<br />

unterwegs oder zu Hause! Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme: www.swissstaffing.ch


FRISCHE<br />

IDEEN DURCH<br />

FRISCHES<br />

WASSER.<br />

Das regelmässige Trinken von reinem Wasser<br />

fördert nachweislich die Gesundheit, Konzentration<br />

und Leistungsfähigkeit. Mit den individuell<br />

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Sie das Beste aus Ihren Mitarbeitern heraus!<br />

kaercher.ch

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