HR Today D 6/21
Compensation and Benefits - Mitarbeitende beteiligen
Compensation and Benefits - Mitarbeitende beteiligen
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20<strong>21</strong><br />
N°<br />
6<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong><br />
Know-how for tomorrow<br />
COMPEN<br />
Beruflicher<br />
Quereinstieg<br />
Ein Programm der Universität St. Gallen<br />
hilft Gastronomiemitarbeitenden, in der<br />
Versicherungsbranche Fuss zu fassen.<br />
Seite 12<br />
Social<br />
Investment<br />
Anleger entscheiden sich immer öfter<br />
für Firmen mit zeitgemässen Personalstrategien.<br />
Der Druck aufs <strong>HR</strong> steigt.<br />
Seite 45<br />
Ferien bei<br />
Quarantäne?<br />
Müssen Mitarbeitende Ferien beziehen,<br />
weil sie in Zwangsisolierung gehen müssen?<br />
Drei Experten im Disput.<br />
Seite 59<br />
SATION<br />
AND<br />
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BEITENDE<br />
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EDITORIAL<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Hierarchien werden flacher, Mitarbeitende erhalten mehr Mitbestimmungsrechte:<br />
New Work prägt nicht nur, wie wir arbeiten, sondern auch, wie Entschädigungspakete<br />
geschnürt werden und wie weit Arbeitnehmende diese mitgestalten. Das wirft zusätzlich<br />
Fragen auf. Etwa, ob weniger Hierarchie automatisch mit mehr Lohntransparenz<br />
verknüpft sein müsste (Seite 30).<br />
Mehr Beteiligung schafft motivierte Mitarbeitende. Darauf zielen auch Aktienprogramme<br />
ab. Worauf bei der Einführung zu achten ist und wie neue digitale Mittel bei<br />
der Verwaltung der Aktien helfen, lesen Sie ab Seite 24.<br />
Kritisch gegenüber Fringe Benefits gibt sich dagegen Wirtschaftsquerdenker Gebhard<br />
Borck. Die wirtschaftliche Unsicherheit sei für Arbeitnehmende Anreiz genug,<br />
ihr Bestes zu geben. Dafür müsse ein Unternehmen nur Einnahmen und Ausgaben<br />
transparent machen (Seite 22). Ob mehr Mitsprache oder Mitbeteiligung: Eine einzige<br />
passende Compensation & Benefits-Lösung gibt es nicht, dafür viele verschiedene<br />
Ansätze.<br />
Zuletzt noch in eigener Sache: Ein halbes Jahr Arbeit ist in unser Redesign hineingeflossen.<br />
Nun ist es endlich soweit. Mit diesem <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> halten Sie ein aufgefrischtes<br />
Heft mit mehr Farbe, mehr <strong>HR</strong>-Persönlichkeiten und neuen Rubriken in den Händen.<br />
Ein grosses Dankeschön geht dafür an unsere Grafikerinnen Christine Schleich und<br />
Stefanie von Däniken.<br />
Wir wünschen Ihnen eine entspannte Lektüre.<br />
Corinne Päper, Chefredaktorin<br />
cp@hrtoday.ch<br />
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3
INHALT<br />
PEOPLE<br />
8 Porträt Karin Walser, Leiterin Finanzen und Personal des<br />
Casinotheaters Winterthur, liebt ihre Doppelfunktion<br />
und treibt die Digitalisierung voran.<br />
12 Im Gespräch Patricia Widmer, Director for Diversity and<br />
Management Programmes an der Universität St. Gallen,<br />
über die Umschulung von Gastromitarbeitenden.<br />
14 Sesselrücker und Events<br />
16 Afterwork Nadine Anthamatten, Personalverantwortliche der<br />
Raiffeisenbank-Genossenschaft Belalp-Simplon, schätzt ihren<br />
Wahlkanton Wallis in all seinen Facetten.<br />
SCHWERPUNKT: COMPENSATION & BENEFITS<br />
12<br />
22 Leistungsbeiträge Lohnsystem der Zukunft?<br />
24 Aktienbeteiligungsprogramme Wie Mitarbeitende<br />
zu Mitinhabern werden.<br />
29 Lohngeheimnis Weshalb wir über das Gehalt sprechen sollten.<br />
30 Holacracy Trotz flacher Hierarchie nicht immer lohntransparent.<br />
32 Fringe Benefits für Lernende Ein Plus im Kampf um Fachkräfte.<br />
34 Lohntransparenz Wann sie sich lohnt und wann nicht.<br />
THEMA<br />
16<br />
38 Arbeit und Recht Wie sich der Verkauf eines Betriebs auf die<br />
Arbeitsverhältnisse auswirkt.<br />
41 Serie: Sozialversicherung Entlastung bei der Betreuung von<br />
Angehörigen.<br />
42 Special: Personaldienstleister Beziehungsaufbau.<br />
45 Social Investment Geldgeber mischen sich immer häufiger in <strong>HR</strong>-<br />
Themen ein. Etwa bei der Gestaltung der Unternehmenskultur.<br />
48 Learning I Sich ständig verbessern.<br />
50 Learning II So funktionieren Learning-Management-Systeme.<br />
53 Learning III Informelles Lernen anerkennen.<br />
54 swissstaffing-News Weshalb die BVG-Reform gut gemeint,<br />
aber zu kurzsichtig geraten ist.<br />
MEINUNG<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
24<br />
59 Debatte Ferienzwang bei Quarantänepflicht?<br />
66 hrtoday.ch Von Leitwölfen, Dating-App-Recruiting und<br />
Konkurrenzverboten.<br />
67 Blog Kultur-Change dank der Pandemie und was das für <strong>HR</strong><br />
bedeutet.<br />
69 Fokus Forschung Wieso Arbeitgebende nicht nach dem Lohn<br />
fragen sollten.<br />
70 <strong>HR</strong>-Team des Monats Mit Schwarmorganisationen zu gebündelter<br />
Expertise und agilen Arbeitsformen.<br />
4
70<br />
48<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
5
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ESG STARTET DURCH:<br />
EINE DYNAMISCHE ENTWICKLUNG IN DER ARBEITSWELT<br />
NOCH VOR EINIGEN JA<strong>HR</strong>EN WAR ESG KAUM EIN BEGRIFF – HEUTE IST DIE ABKÜRZUNG FÜR «ENVIRONMENTAL,<br />
SOCIAL AND GOVERNANCE» IN ALLER MUNDE UND AUS DEM WIRTSCHAFTLICHEN LEBEN NICHT ME<strong>HR</strong> WEGZUDENKEN.<br />
Johannes (Joop) Smits<br />
Director, People & Organisation bei PwC Schweiz<br />
Joop Smits leitet gemeinsam mit Angela Bucher den Bereich<br />
Vergütung bei PwC Schweiz. Er ist ein erfahrener <strong>HR</strong>-Experte<br />
mit Spezialisierungsgebiet «Diversity, Equity and Inclusion»<br />
(DEI) und leitet das DEI-Kundenserviceangebot für PwC in<br />
Kontinentaleuropa.<br />
Mitarbeitenden soll ein Umfeld geboten werden, welches berufliche<br />
und persönliche Weiterentwicklung ermöglicht und das Wohlbefinden<br />
stärkt. Die Firmenkultur ist dabei elementar – unternehmerische<br />
Verantwortung und sozialer Zweck stehen<br />
im Zentrum. Die anvisierten ESG-Ziele sollten in Einklang<br />
mit den Vorstellungen der Mitarbeitenden stehen. So kann<br />
z. B. die Initiierung von «Purpose Challenges» (z. B. Pendeln mit dem<br />
Fahrrad) die Zusammengehörigkeit und den Gemeinschaftsbeitrag stärken.<br />
Angela Bucher<br />
Director, People & Organisation bei PwC Schweiz<br />
Angela Bucher leitet gemeinsam mit Joop Smits den Bereich<br />
Vergütung bei PwC Schweiz. Fokus ihrer Tätigkeiten ist die Ausgestaltung<br />
von variablen Vergütungssystemen, insbesondere von<br />
langfristigen Vergütungsmodellen.<br />
Diversität der Mitarbeitenden kann das Unternehmen in vielerlei<br />
Hinsicht stärken: Unterschiedliche Menschen führen zu einem<br />
breiteren Spektrum an Skills, fördern Kreativität und begünstigen<br />
ein Denken «outside the box». Um dieses Potenzial<br />
zu erschliessen, ist eine integrative Arbeitskultur unerlässlich.<br />
Die Sicherstellung von Gleichberechtigung in Bezug<br />
auf Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und jegliche sonstige Dimension<br />
von Diversität ist grundlegend. Unternehmen müssen ihre Strategie hinsichtlich<br />
«Diversity, Equity and Inclusion» (DEI) stetig weiterentwickeln und<br />
diesbezügliche Schwächen systematisch aufdecken – ausgefeilte DEI-Analysen<br />
werden zur Norm.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Roman Schneider<br />
Associate, People & Organisation bei PwC Schweiz<br />
Roman Schneider ist Management Consultant mit Fokus auf<br />
Vergütung, Corporate Governance und Lohngleichheit. In dieser<br />
Funktion beschäftigt er sich intensiv mit ESG im Schweizer und<br />
internationalen Markt.<br />
Ob Klimawandel im Bereich Umwelt, Diversität und Inklusion im Bereich<br />
Soziales oder Managementvergütung im Bereich Governance: ESG ist<br />
omnipräsent. Neben Eigeninitiativen vonseiten der Unternehmen spielen<br />
gesellschaftliche Bewegungen gepaart mit verschärften regulatorischen<br />
Anforderungen und einer aufblühenden Marktpraxis eine entscheidende<br />
Rolle für die rapiden Entwicklungen in jüngster Zeit (1). So verlieh auch der<br />
kürzlich publizierte jährliche CEO-Brief von Larry Fink, dem Chef des weltgrössten<br />
Vermögensverwalters BlackRock, der ESG-Thematik zusätzlichen<br />
Schub. In seinem Schreiben nimmt er Konzerne in die Pflicht, ESG in der<br />
Business-Strategie zu verkörpern und auch im täglichen Geschäftsgang<br />
aktiv zu leben (2). Dass ESG ein wichtiger Punkt auf der Unternehmensagenda<br />
ist, zeigt sich auch in verschiedenen Studien und Umfragen: Führungsgremien<br />
ergreifen mehr und mehr konkrete Massnahmen, unterstreichen<br />
jedoch auch die Notwendigkeit weiterer Schritte, um das hohe<br />
Chancenpotenzial zu entfalten und inhärenten Risiken proaktiv zu begegnen<br />
(3).<br />
Die grosse ESG-Dynamik, angeheizt durch Covid-19, manifestiert sich in<br />
zahlreichen Trends, welche die Arbeitswelt nachhaltig prägen werden.<br />
Dem <strong>HR</strong> Management kommt in diesem sich schnell wandelnden Umfeld<br />
essenzielle Bedeutung zu: Es ist eine treibende Kraft hinter vielen ESG-<br />
Entwicklungen innerhalb eines Unternehmens und muss gezielt durch die<br />
damit verbundenen Spannungsfelder navigieren. Dabei ist auf folgende<br />
Bereiche besonderes Augenmerk zu richten:<br />
Ein wirkungsvolles Vergütungssystem ist eine vitale Grundlage für das<br />
Anwerben, Motivieren und Halten von Mitarbeitenden. Klassische<br />
Incentivierungsstrategien sind zurzeit stark im Umbruch:<br />
Team- anstelle individueller Boni, agile Transformation<br />
mit projekt- statt hierarchiebasierter Entlöhnung<br />
und personalisierte Benefits sind nur einige Beispiele. Gerade in<br />
kurz- und langfristigen Anreizplänen für das Top Management<br />
werden ESG-Leistungsgrössen zunehmend «state of the art» (4).<br />
Bestehende Arbeitsmodelle werden hinterfragt und neue diskutiert.<br />
Innovation und Digitalisierung geben Antrieb – Automatisierung,<br />
Homeoffice und Arbeitszeitflexibilität sind Zeichen fundamentalen<br />
Wandels. Studien verdeutlichen, dass diesem<br />
neuen Zeitalter nicht nur positiv, sondern auch mit<br />
Existenzängsten begegnet wird (5). Eine Umfrage unter<br />
Schweizer CEOs ortet den Bedarf an «Upskilling»-Massnahmen, um<br />
den stetig zunehmenden Qualifikationsanforderungen gerecht zu werden (6).<br />
Entsprechend ist das <strong>HR</strong> stark gefordert. In dieser anspruchsvollen Arbeitsumgebung<br />
ist die Sensibilisierung im Hinblick auf Mitarbeitergesundheit entscheidend<br />
– «Wellbeing»-Initiativen rücken in den Fokus.<br />
Zentral wird sein, Interdependenzen zwischen verschiedenen Herausforderungen<br />
zu erkennen und zielführende <strong>HR</strong>-Initiativen schnell zu lancieren. Die<br />
Arbeitswelt verändert sich – und ESG ist ein massgebender Treiber dahinter.<br />
(1) PwC, 2020, «2022 – The growth opportunity of the century – Are you ready for the<br />
ESG change?».<br />
(2) Blackrock, 20<strong>21</strong>, «Larry Fink’s 20<strong>21</strong> letter to CEOs».<br />
(3) PwC, 20<strong>21</strong>, «PwC’s 2020 Annual Corporate Directors Survey’. / PwC, 2020, ‘ESG<br />
oversight: The corporate director’s guide».<br />
(4) PwC, 20<strong>21</strong>, «Paying well by paying for good».<br />
(5) PwC, 20<strong>21</strong>, «Hopes and fears 20<strong>21</strong> – The views of 32’500 workers».<br />
(6) PwC, 20<strong>21</strong>, «Swiss edition of the 24th Annual CEO Survey».<br />
6<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>
PEOPLE<br />
Karin Walser (Seite 8) • Patricia Widmer (Seite 12) • Sesselrücker (Seite 14)<br />
3 Fragen an…<br />
Abt Christian Meier,<br />
Benediktinerkloster Engelberg,<br />
Referent am Ostschweizer Personaltag<br />
Interview: Christine Bachmann<br />
Sie referieren am Ostschweizer<br />
Personaltag. Was möchten Sie<br />
den Teilnehmenden mit<br />
Ihrem Vortrag auf den Weg<br />
geben?<br />
Abt Christian: Ich möchte<br />
die Botschaft vermitteln,<br />
dass die Klöster sich den gleichen<br />
personellen Problemen<br />
stellen müssen wie alle anderen<br />
Unternehmen auch. Unser Glaube<br />
befreit uns nicht davor. Da wir gesellschaftlich<br />
zudem fast nicht wahrgenommen werden, ist es für uns<br />
umso schwieriger, Menschen für das klösterliche Leben zu begeistern.<br />
Als Abt sind Sie für die Führung des Klosters zuständig und<br />
damit auch so etwas wie der oberste Personaler. Welche<br />
<strong>HR</strong>-Fragen beschäftigen Sie?<br />
Die grossen Fragen zurzeit sind: Wie geht es weiter mit unserer Schule?<br />
Finden wir noch junge Mönche, die sich in der Stiftsschule Engelberg<br />
mit Internat engagieren wollen? Bis zu welchem Punkt können wir<br />
eine gute Balance zwischen Mönchen, Mitarbeitenden und Finanzen<br />
halten und gesund bleiben? Wie könnte es nach uns Mönchen weitergehen?<br />
Das Aufgabenfeld eines Klosters ist riesig, um die eigenen<br />
Talente und Begabungen zu leben und zu verwirklichen.<br />
Wie gehen Sie persönlich mit diesen Herausforderungen um?<br />
Unser Ordensgründer der heilige Benedikt (480–547 n. Chr.) schreibt<br />
in seiner Regel: «Der Abt sei sich immer seiner eigenen Gebrechlichkeit<br />
bewusst.» Das ist ganz wichtig, denn ich kann nicht alles und<br />
habe nicht alleine für alles die richtige Lösung. Vielmehr bin ich ein<br />
Puzzleteil vom Ganzen. Positiv in meiner Stellung ist vielleicht, dass<br />
ich gewisse Dinge nicht einfach nur an Mitbrüder delegieren kann,<br />
sondern auch an den «lieben Gott». Auch ein Abt ist am Ende nur<br />
ein Mensch mit seinen Grenzen.<br />
personaltag.ch<br />
Andreas Wyler,<br />
KMU Personal AG<br />
Lunch-Check<br />
«Es scheint bald zu regnen»,<br />
sagt die Bedienung des<br />
Casinotheaters in Winterthur<br />
und führt uns sicherheitshalber<br />
zu einem Tisch<br />
mit Sonnenschirm auf der<br />
Terrasse des Restaurants Fredi.<br />
Die Menukarte ist den Pandemie-geschuldeten<br />
Umständen<br />
entsprechend schlank gehalten. Das<br />
erleichtert die Auswahl. Während Andreas Wyler einen Burger mit<br />
Pommes bestellt, freue ich mich auf einen vegetarischen Flammkuchen.<br />
Die Masken dürfen wir nicht abnehmen, während wir auf<br />
unsere Getränke und<br />
das Essen warten. Das<br />
gestaltet die Konversation<br />
etwas schwierig.<br />
Unser Gespräch dreht<br />
sich bald um Personalentwicklung:<br />
«Diese ist<br />
in vielen Unternehmen<br />
praktisch nicht vorhanden»,<br />
sagt Wyler und<br />
nennt als Beispiel dafür<br />
einen Bauleiter, der sein Unternehmen aus Frust verliess, weil ihm<br />
sein Arbeitgeber keine Karrieremöglichkeiten aufzeigen konnte.<br />
Wylers Vermittlungstätigkeit verhalf dem Bauleiter in einem neuen<br />
Betrieb zu einer Kaderposition. Als bei seinem alten Arbeitgeber<br />
eine passende Führungsposition frei wurde, liess sich der Bauleiter<br />
zurückvermitteln. Ein Vorgehen, das Wyler vor Rätsel stellt: «Statt<br />
ihn vor Ort zu entwickeln, liess ihn die Firma zuerst ziehen, um ihn<br />
dann wieder zurückzuholen. Das ist bizarr, nicht nur weil sie dadurch<br />
zweimal eine Vermittlungsgebühr bezahlte.» Das ginge auch<br />
anders. Etwa so wie bei einem amerikanischen IT-Unternehmen,<br />
das seine Geschäftsfelder an den Fähigkeiten seiner Mitarbeitenden<br />
ausrichtet. Zur Personalentwicklung gäbe es wohl noch viel zu<br />
sagen. Leider geht die Mittagspause viel zu schnell vorbei, ausserdem<br />
ziehen bedrohliche Wolkenberge auf. Wir verabschieden uns<br />
deshalb und freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen bei Sonnenschein.<br />
Restaurant Fredi, Stadthausstrasse 119, 8400 Winterthur<br />
casinotheater.ch/restaurant-fredi<br />
presented by<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
7
AKTUELL<br />
Porträt<br />
FOTOS: Aniela Lea Schafroth<br />
2020–heute<br />
Leiterin Finanzen und Personal<br />
in der Casinotheater Winterthur AG,<br />
Winterthur<br />
2008–2020<br />
Leiterin Finanzen, Administration<br />
und Personal bei der Geilinger AG,<br />
Winterthur<br />
1981–1984<br />
Kaufmännische Lehre in der<br />
Druckerei Winterthur AG,<br />
Winterthur<br />
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8
AKTUELL<br />
Porträt<br />
FERN DES RAMPENLICHTS<br />
SEIT GUT EINEM JA<strong>HR</strong> VERANTWORTET KARIN WALSER DAS PERSONAL UND DIE FINANZEN DES CASINOTHEATERS<br />
WINTERTHUR. WIE SIE BEIDEN ROLLEN GLEICHERMASSEN GERECHT WIRD,<br />
WAS DIE COVID-19-PANDEMIE FÜR EINEN THEATER- UND GASTRONOMIEBETRIEB BEDEUTET,<br />
UND WIE SIE DIE DIGITALISIERUNG VORANTREIBT.<br />
Text: Christine Bachmann<br />
«Denn die einen sind im Dunkeln und die andern<br />
sind im Licht. Und man siehet die im Lichte, die<br />
im Dunkeln sieht man nicht.» Dramatiker Bertolt<br />
Brechts Liedzeile aus der «Dreigroschenoper»<br />
passt perfekt zu Karin Walser, die nicht gerne im<br />
Rampenlicht steht. «Das überlasse ich lieber<br />
anderen», sagt die Leiterin Finanzen und Personal<br />
des Casinotheaters Winterthur. Doch heute tut<br />
sie es «ausnahmsweise» für den Kulturbetrieb, mit<br />
dem die Winterthurerin seit ihrer Jugend verbunden<br />
ist. «Mich für dieses Unternehmen und seine<br />
Mitarbeitenden einzusetzen, freut mich sehr»,<br />
sagt Walser, «auch wenn der Zeitpunkt meines<br />
Stellenantritts im Februar 2020 alles andere als<br />
optimal war.»<br />
Von manuell zu digital<br />
Kaum hat sie begonnen, kommt der erste Lockdown.<br />
Der Theater- und Gastronomiebetrieb muss<br />
im März 2020 seine Türen schliessen und die meisten<br />
der 56 festangestellten Mitarbeitenden sowie<br />
rund 60 Aushilfskräfte nach Hause schicken. Karin<br />
Walser hält mit wenigen Kolleginnen und Kollegen<br />
die Stellung. «Ein intensiver Einstieg. Ich musste<br />
mich nicht nur einarbeiten, sondern erst einmal<br />
Kurzarbeitsgesuche einreichen.» Ein neues Terrain<br />
für Walser, die sich schlau machen und herausfinden<br />
muss, welche Daten und Zahlen sie den<br />
Behörden übermitteln muss und welche Fristen<br />
sie einzuhalten hat. Zudem war es Walser und<br />
dem Rest der Geschäftsleitung ein grosses Anliegen,<br />
das Team auch in dieser Ausnahmesituation<br />
zusammenzuhalten. Eine zusätzliche Herausforderung?<br />
«Die Zeitwirtschaft lief im Casinotheater<br />
völlig manuell ab. Weder Dienstpläne noch Stundenabrechnungen<br />
waren digitalisiert.»<br />
Deshalb initialisierte Karin Walser im Frühsommer<br />
2020 gemeinsam mit Geschäftsführer Beat Imhof<br />
ein digitales Zeitmanagementsystem mit Fingerabdruck,<br />
das im Spätsommer eingeführt wurde.<br />
«Eine unglaubliche administrative Erleichterung,<br />
die ich nicht mehr missen möchte. Haben wir<br />
davor gut zwei Tage investiert, um die ganzen<br />
Daten zusammenzutragen und abzurechnen,<br />
braucht es heute kaum mehr als einen Knopfdruck.»<br />
Nebst der Zeitwirtschaft sieht die Leiterin<br />
Finanzen und Personal zusätzlich Potenzial bei<br />
den Schnittstellen der digitalen Systeme im Casinotheater.<br />
Beispielsweise beim Kassensystem des<br />
Restaurants Fredi und der Finanzbuchhaltung.<br />
Diese möchte Karin Walser bis 2022 modernisieren.<br />
«Mit der Evaluation beginnen wir bereits jetzt. Ich<br />
bin sehr dankbar, dass ich dabei auf die Unterstützung<br />
meiner Teamkollegin Aniko Feher zählen<br />
kann.»<br />
ALS PERSONALERIN<br />
SUCHE ICH IMMER<br />
EINEN WEG, UM MITTEL<br />
ZU FINDEN.<br />
KARIN WALSER, LEITERIN FINANZEN UND<br />
PERSONAL, CASINOTHEATER WINTERTHUR<br />
Karin Walser ist eine Person, die beharrlich dranbleibt,<br />
und eine Macherin, die sich zu 100 Prozent<br />
einsetzt. Das hat auch Auswirkungen auf ihr Privatleben.<br />
«Seit ich hier bin, muss ich meine Work-<br />
Life-Balance noch finden.» Vor allem, da ihre<br />
Tochter und ihr Sohn ausgeflogen seien. «Wenn<br />
ich mich nicht bremse, kann ich schon bis in den<br />
Abend hinein arbeiten.» Um vom Gaspedal zu<br />
kommen, sucht die 56-Jährige deshalb den Ausgleich<br />
in der Natur beim Wandern, Velofahren<br />
oder Bücherlesen im Strandkorb in ihrem Garten.<br />
Von den Finanzen zum <strong>HR</strong><br />
Ins <strong>HR</strong> gerutscht ist Karin Walser erst vor knapp<br />
15 Jahren. Nach einer dreijährigen Lehre als<br />
kaufmännische Angestellte bei der Druckerei<br />
Winterthur, die sie 1984 abschliesst, arbeitet sie<br />
die ersten vier Jahre im Betrieb ihres Vaters im<br />
Immobilien- und Verwaltungsbereich. 1988 verlässt<br />
sie die A. Güntensperger AG und sammelt in verschiedenen<br />
Unternehmen im Finanz- und Administrationsbereich<br />
weitere berufliche Erfahrungen.<br />
«Sekretariatsarbeiten, Buchhaltungen und<br />
Abrechnungen prägten meinen Alltag», sagt<br />
Walser. 1992 kommt Karin Walsers Tochter zur<br />
Welt, 1994 folgt der Sohn. Sie entscheidet sich,<br />
aufgrund ihrer Mutterschaft nur noch Teilzeit zu<br />
arbeiten. «Für meine Kinder da zu sein und ihre<br />
Entwicklungsschritte zu begleiten, war mir ein<br />
grosses Anliegen.» 2006 sind ihre Kinder 12 und 14<br />
Jahre alt. Selbstständig genug, dass Karin Walser<br />
sich wieder nach einer Vollzeitstelle umsehen kann.<br />
Ein Nachbar macht sie auf die Stelle als Mitarbeiterin<br />
Finanzen, Personal und Administration beim<br />
Metall- und Fassadenbau-Unternehmen Geilinger<br />
Zum Unternehmen<br />
Casinotheater Winterthur<br />
Das Casinotheater Winterthur ist eines der<br />
bekanntesten Theaterhäuser der Schweiz. 2002<br />
eröffnet, wird es von Schweizer Künstlerinnen und<br />
Künstlern aus der Comedyszene wie Mike Müller,<br />
Patrick Frey und Viktor Giacobbo getragen. Das<br />
Haus dient vorwiegend der Kleinkunst mit<br />
Comedy, Kabarett, Satire, Poetry Slam und Improtheater.<br />
Neben dem Auftritt bekannter Künstler<br />
werden junge und unbekannte Künstler entdeckt<br />
und gefördert. Der Saal des Theaters bietet Platz<br />
für 354 Personen und der Festsaal je nach Bestuhlung<br />
für bis zu 450 Personen. Daneben gibt es<br />
zwei Bankettzimmer, ein Sitzungszimmer, einen<br />
Tanzsaal sowie ein Restaurant mit Garten.<br />
casinotheater.ch<br />
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9
AKTUELL<br />
Porträt<br />
in Winterthur aufmerksam. Walser erhält die<br />
Stelle. «Das war mein Kaltstart ins <strong>HR</strong>.»<br />
2008 bekommt sie die Chance, die Bereichsleitung<br />
zu übernehmen. Zu Beginn habe sie <strong>HR</strong><br />
aufgrund ihrer Unkenntnisse ein wenig stiefmütterlich<br />
behandelt. «Bis ich mich intensiver damit<br />
auseinandergesetzt habe und merkte, dass <strong>HR</strong><br />
keine Nebenbeschäftigung, sondern für die Firmenkultur<br />
und die Mitarbeitenden bedeutsam<br />
ist.» Um für diese Herausforderung gerüstet zu<br />
sein, absolviert die passionierte Zahlenfrau eine<br />
Ausbildung zur <strong>HR</strong>-Fachfrau. Daneben verfeinert<br />
sie ihr <strong>HR</strong>-Wissen durch zahlreiche Weiterbildungen,<br />
unter anderem im Arbeitsrecht und Datenschutz.<br />
«Immer wenn ich in meinem Leben eine<br />
neue Situation antreffe, erkundige ich mich,<br />
welche Fortbildungen es in diesem Bereich gibt.»<br />
Karin Walser ist es ein grosses Anliegen, ihr Wissen<br />
zu erweitern und zu vertiefen.<br />
Bei Geilinger setzt sich Walser fortan genauso<br />
für das <strong>HR</strong> ein wie für die Finanzen. «Eine Doppelposition,<br />
die mich bis heute fasziniert, auch wenn<br />
sich die beiden Bereiche ab und an beissen.» Das<br />
passiere häufig dann, wenn man Mitarbeitende<br />
mit einem Anlass oder einer Weiterbildung etwas<br />
Gutes tun wolle, sich aber gleichzeitig frage, ob<br />
das finanziell wirklich drin liegt. «Als Personalerin<br />
suche ich aber immer einen Weg, um Mittel zu<br />
finden.»<br />
Bei Geilinger ist Karin Walser nach 14 Jahren nicht<br />
nur das <strong>HR</strong> ans Herzen gewachsen, sondern auch<br />
die Menschen und die Unternehmenstätigkeit.<br />
Sie wäre wohl noch heute beim Metall- und Fassadenbau-Unternehmen<br />
beschäftigt, wäre der<br />
damals 55-Jährigen nicht das Stelleninserat des<br />
Casino theaters in die Hände gefallen: Darin war<br />
die Leitung Finanzen und <strong>HR</strong> ausgeschrieben.<br />
«Wieder diese Doppelposition», sagt Walser. Ihre<br />
Augen leuchten. «Das war meine Chance, nochmals<br />
etwas Neues anzupacken.» Walser bewirbt<br />
sich und bekommt den Job.<br />
Alltag kehrt zurück<br />
Seit ihrem Stellenantritt im Februar 2020 ist im<br />
Casinotheater zwar hinter den Kulissen viel passiert.<br />
«Den Normalbetrieb habe ich jedoch bis<br />
heute noch nicht erlebt», bedauert Walser, die<br />
sich deshalb umso mehr freut, dass an diesem<br />
Aprilmontag langsam Leben zurückkehrt.<br />
«Zumindest können wir den Terrassenbetrieb<br />
unseres Restaurants Fredi wieder aufnehmen und<br />
den Theaterbetrieb mit bis zu 50 Personen öffnen.»<br />
Eine positive Wende, meint Karin Walser.<br />
Das freut nicht nur sie. Auch die Mitarbeitenden,<br />
die während unseres Gesprächs aufkreuzen, um<br />
kurz hallo zu sagen. Die Finanz- und <strong>HR</strong>-Leiterin<br />
hat auch in dieser Situation für jeden ein offenes<br />
Ohr. «Mir ist es ein Anliegen, den Puls der Mitarbeitenden<br />
zu spüren und zu wissen, wie es<br />
ihnen geht.» Um am operativen Alltag dranzubleibe,<br />
nimmt Karin Walser zudem am täglichen<br />
Morgenmeeting teil, an dem die Bereichsleiterinnen<br />
und -leiter den laufenden Betrieb besprechen.<br />
Da der Betrieb wieder anlaufe, stehen als nächstes<br />
die Mitarbeitendengespräche an. «Aufgrund<br />
der zahlreichen Abwesenheiten haben wir diese<br />
vertagt, weil wir einen Online-Austausch zu<br />
unpersönlich fanden», erklärt Walser. «Das passt<br />
nicht in unsere Kultur.» Für die 13-köpfige erweiterte<br />
Geschäftsleitung inklusive Stellvertretung<br />
organisiert Karin Walser mit dem Geschäftsleitungsteam<br />
vor Ort zudem einen Kaderworkshop.<br />
«Wir sind ein junges Team, das in der Führung<br />
noch dazulernen muss.» Angesprochen auf ihren<br />
eigenen Führungsstil antwortet Karin Walser:<br />
«Ich kann durchaus sagen, was ich möchte, und<br />
mich durchsetzen, ohne autoritär zu wirken.»<br />
Wichtig als Führungsperson sind ihr Transparenz,<br />
Ehrlichkeit und Authentizität und «etwas lieber<br />
zwei Mal ansprechen als einmal zu wenig». Daneben<br />
schätzt Walser ihre zwei Geschäftsleitungskolleginnen<br />
und den -kollegen als Sparringpartner.<br />
Finanzieller Engpass<br />
Ein Austausch und ein Zusammenhalt, die wichtig<br />
bleiben werden, denn die stürmischen Zeiten<br />
sind für den nicht subventionierten Kultur- und<br />
Gastronomiebetrieb längst nicht vorbei. Erleichterung<br />
würde die Verlängerung der Kurzarbeit<br />
ab August bringen. «Sonst könnte es auch für<br />
uns eng werden», sagt die Finanz- und <strong>HR</strong>-Leiterin.<br />
Zwar konnte bislang die finanzielle Lücke<br />
mit Ausfallsentschädigungen, Kurzarbeit, der<br />
Pandemieversicherung sowie der grosszügigen<br />
Unterstützung von Gönnerinnen und Gönnern,<br />
Sponsoren und Partnern getragen werden. «Die<br />
Unsicherheit bleibt aber weiterhin bestehen»,<br />
sagt Karin Walser. «Da heisst es: positiv bleiben<br />
und die Ärmel hochkrempeln.»<br />
a<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
10
AKTUELL<br />
Porträt<br />
KURZ UND BÜNDIG<br />
KABARETT<br />
ODER COMEDY?<br />
Comedy. Ich mag die leichtere Art des Humors mehr<br />
als den politischen Humor.<br />
Asket oder<br />
Genussmensch?<br />
Ein Genussmensch. Ich geniesse das Zusammensein mit<br />
anderen Menschen bei einem guten Glas Wein oder einem<br />
exzellenten Essen.<br />
Das Video-Interview mit Karin Walser:<br />
hrtoday.ch<br />
Büro oder<br />
Homeoffice?<br />
Sommer<br />
oder Winter?<br />
Eigentlich mag ich den Winter sehr, aber da ich ein<br />
«Gfrörli» bin, gebe ich dem Sommer den Vorzug.<br />
Büro. Ich brauche den Austausch im Team.<br />
POP ODER<br />
KLASSIK?<br />
Eindeutig Pop – und da die ganze Palette.<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
11
PEOPLE<br />
Im Gespräch<br />
DER GROSSE UMBRUCH<br />
AUF DER EINEN SEITE WERDEN FACHKRÄFTE GESUCHT, AUF DER ANDEREN SEITE<br />
SIND VIELE ARBEITNEHMENDE ARBEITSLOS. WIE SICH DIE BETROFFENEN WEITER<br />
QUALIFIZIEREN KÖNNEN UND DEN ANSCHLUSS IN DER ARBEITSWELT HALTEN, ZEIGT<br />
EIN AKTUELLES PROJEKT DER UNIVERSITÄT ST. GALLEN.<br />
Interview: Corinne Päper<br />
Einige Branchen durchlaufen derzeit einen massiven Wandel und<br />
bauen Stellen ab. Andere suchen händeringend nach Fachkräften.<br />
Wie können wir diese Umbruchphase bewältigen?<br />
Patricia Widmer: Von Betroffenen braucht es Mut, Beharrlichkeit,<br />
Kreativität, Offenheit und Flexibilität, bei der Bewerbung neue Wege zu<br />
gehen. Es braucht zudem ein Umdenken bei der Rekrutierung, damit<br />
nicht lineare Karriereverläufe positiv besetzt werden. Firmen müssen<br />
davon wegkommen, nur den aktuellen Wissens- und Erfahrungsstand<br />
von Kandidaten zu betrachten, und ihren transferierbaren Fähigkeiten<br />
mehr Aufmerksamkeit schenken. Das ist zu ihrem Vorteil: Quereinsteigende<br />
bringen frischen Wind und neue Blickwinkel in die Unternehmen.<br />
Dafür braucht es jedoch vermehrt Weiterbildungsangebote und Initiativen,<br />
die diesen Umstieg erleichtern.<br />
Sie haben kürzlich ein Projekt zur Umschulung für Quereinsteigende<br />
aus Hotellerie, Gastro und Tourismus sowie für Cabincrew-Angestellte<br />
lanciert. Universität St. Gallen und diese Berufsgruppen: ein Widerspruch?<br />
Wir beschäftigen uns schon fast zehn Jahre mit Wiedereinstiegen und<br />
Umschulungen. Beispielsweise mit «Women Back to Business» oder<br />
einem Programm für Pilotinnen und Piloten, das wir letztes Jahr lancierten.<br />
Letztlich haben uns aber die Auswirkungen der Pandemie dazu<br />
bewogen, einen entsprechenden Beitrag zu leisten und unser Angebot<br />
auszubauen. Wir wollen damit einen gesellschaftlichen Wandel bewirken.<br />
Was ist das Ziel des Programms?<br />
Das Reskilling-Sales-Programm ermöglicht Arbeitnehmenden, durch<br />
eine Umschulung unkompliziert in andere Branchen einzusteigen: Serviceorientierte<br />
Personen erhalten Wissen, Werkzeuge und praktisches<br />
Training, um ihre Karriere im Vertrieb neu zu gestalten. Dazu arbeiten<br />
wir mit der Digital-Recruiting-Agentur Lionstep zusammen. Diese evaluiert<br />
geeignete Kandidaten aus Branchen, die durch wirtschaftliche<br />
Entwicklungen oder aufgrund der fortschreitenden Automatisierung<br />
Jobs abbauen, wir an der HSG schulen die Arbeitnehmenden in einem<br />
auf die Bedürfnisse der Partnerunternehmen zugeschnittenen Programm<br />
und Lionstep vermittelt sie im Anschluss an diese sowie an andere Organisationen.<br />
Die von Ihnen angesprochenen Arbeitnehmenden haben oft einen<br />
kleinen Bildungsrucksack und beziehen Niedriglöhne. Das erschwert<br />
eine Weiterbildung. Wo liegen die Möglichkeiten einer Umschulung<br />
und wo die Grenzen?<br />
Es gibt zahlreiche Beispiele aus der Praxis, die zeigen, dass eine Umschulung<br />
gelingen kann. Mitarbeitende aus Hotellerie und Gastronomie sowie<br />
Cabincrew- und Tourismusangestellte haben einen grossen Rucksack an<br />
Fähigkeiten: Sie können beispielsweise gut auf Menschen zugehen, unter<br />
Druck arbeiten und sind serviceorientiert. Diese Talente können sie auch<br />
in Bereichen wie dem Verkauf nutzen. Um das Programm zu absolvieren,<br />
braucht es jedoch eine hohe Motivation und den starken Willen, etwas<br />
Neues zu erlernen.<br />
Die Betroffenen haben oft mangelnde Deutschkenntnisse. Inwiefern<br />
berücksichtigen Sie das im Programm?<br />
Das Angebot besteht vorwiegend aus englischen Unterrichtseinheiten.<br />
Selbstverständlich müssen die Betroffenen ihre Deutsch-, Französisch- oder<br />
Italienischkenntnisse je nach Sprachniveau und Einsatzort in der Schweiz<br />
noch verbessern.<br />
Wie halten Sie die Eintrittshürden niedrig?<br />
Das Reskilling-Sales-Programm ist ein Online-Programm. Teilnehmende<br />
können sich deshalb von überall zuschalten. Zudem dauert das Programm<br />
nur zwei Wochen und wird jeweils abends durchgeführt. Bei der Auswahl<br />
der Teilnehmenden geht es weniger um deren formalen Abschluss als um<br />
ihre Einstellung. Die Offenheit, Neues anzugehen, sowie Mut und Flexibilität<br />
sind bei der Programmteilnahme am wichtigsten.<br />
Welche Inhalte werden vermittelt?<br />
Inhalte, die Teilnehmende auf die Arbeit im Aussendienst, Kundendienst<br />
oder Verkauf vorbereiten. Dabei liegt der Fokus auf Verkaufspraktiken,<br />
Kundenzentriertheit, Kundenbedürfnissen, Kommunikation, Präsenz und<br />
Wirkung sowie Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit zuzuhören.<br />
Was sind die Minimalanforderungen an die Teilnehmenden?<br />
Sie müssen mindesten 18 Jahre alt sein, eine Arbeitserlaubnis in der Schweiz<br />
haben und englische Unterrichtsinhalte verstehen.<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
VON FACHLEUTEN FÜR FACHLEUTE: Informatik & Telekommunikation, Medien, Kommunikation, Marketing<br />
12
Im Gespräch<br />
PEOPLE<br />
Wie wird dieses Programm finanziert?<br />
Unsere Partnerfirmen Lionstep, Amag, Brack, Helvetia Versicherungen,<br />
Localsearch und Coople übernehmen einen Grossteil der Kurskosten, sodass<br />
die Teilnehmenden nur einen kleinen Beitrag leisten müssen.<br />
Im Fokus Ihrer Bemühungen sind auch Piloten. Wie kam es dazu?<br />
Pilotinnen und Piloten waren zu Beginn der Pandemie stark von den Corona-<br />
Massnahmen betroffen. Wir haben deshalb das «Check-in to Management»-<br />
Programm für sie lanciert. Dieses richtet sich an Piloten, die sich für eine<br />
Managementposition interessieren. Ein Pilot trägt die Verantwortung für<br />
mehrere hundert Passagiere und die Cabincrew. Diese Fähigkeiten lassen<br />
sich übertragen, beispielsweise auf eine Führungsposition in einem Unternehmen.<br />
Bei den Piloten wie auch den Unternehmen ist unser Angebot auf<br />
grosse Begeisterung gestossen. Das hat uns dazu bewogen, weitere Dienstleistungen<br />
aufzubauen.<br />
Werden Sie Mitarbeitende aus weiteren Branchen berücksichtigen –<br />
etwa Bekleidungsverkäuferinnen?<br />
Wir werden das Programm ausbauen. Im Herbst 20<strong>21</strong> folgen Bereiche wie<br />
Data Analytics und Online-Marketing.<br />
Daneben planen Sie einen Career-Relaunch-Event. Worum handelt es<br />
sich?<br />
Die Career-Relaunch-Tagung findet jährlich statt, im kommenden Jahr zum<br />
dritten Mal. Wechselwillige Personen oder Stellensuchende können sich an<br />
diesem Tag informieren und werden auf mögliche Karrierewege aufmerksam.<br />
Dazu stellen Unternehmen ihre Einstiegsprogramme vor, während<br />
Arbeitnehmende erzählen, wie ihnen der Wiedereinstieg oder Umstieg<br />
gelungen ist. Wichtig ist auch das Netzwerken untereinander.<br />
Menschen mit Bruchstellen im Lebenslauf haben es als Quereinsteiger<br />
oft schwerer, eine Stelle zu finden. Wie nehmen Sie die Situation wahr?<br />
Das ist sicherlich so, obwohl langsam ein Umdenken stattfindet. Um diesen<br />
Prozess zu beschleunigen, haben wir ein «Career Empowerment»-Label<br />
lanciert, das Firmen und Organisationen auszeichnet, die Menschen mit<br />
nicht linearen Lebensläufen einstellen.<br />
Sind <strong>HR</strong>-Fachkräfte in der Rekrutierung zu risikoavers?<br />
Der Mythos eines klassischen Karriereverlaufs hält sich stark. Dafür sehe ich<br />
drei Hauptgründe: Einerseits, weil eine <strong>HR</strong>-Fachkraft einen Vorgänger nachahmt.<br />
So hat sie das Gefühl, nichts falsch zu machen. Ausserdem werden<br />
lineare und nicht lineare Karriereverläufe häufig gegeneinander ausgespielt,<br />
statt dass ein Unternehmen transferierbare Fähigkeiten eines Kandidaten<br />
wahrnimmt. Daneben orientieren sich Firmen immer noch an vertikalen<br />
Karriereverläufen und suchen auf traditionelle Weise und in traditionellen<br />
Kanälen nach Mitarbeitenden. Das hat sehr stark mit dem Mindset und der<br />
Kultur zu tun. Recruiter müssen über ihren Tellerrand hinausschauen, wenn<br />
sie die besten Mitarbeitenden anziehen möchten. Es ist sinnlos, immer<br />
wieder dasselbe zu tun, dadurch Personen mit gleichen Eigenschaften zu<br />
rekrutieren und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. a<br />
FOTO: ZVG<br />
Patricia Widmer<br />
Patricia Widmer ist seit Oktober 2014 an der Universität St. Gallen<br />
tätig, wo sie den englischen Studiengang des Zertifikatskurses<br />
«Women Back to Business» sowie das «Women’s Leadership<br />
Programme» aufbaute und Director for Diversity and Management<br />
Programmes ist. «Lionstep Career Transfer» ist ein Programm,<br />
das die Universität St. Gallen zusammen mit der Zürcher<br />
Digital-Recruiting-Agentur Lionstep erarbeitet hat. Es ermöglicht<br />
Arbeitnehmenden den Quereinstieg in eine andere<br />
Branche durch ein auf die Bedürfnisse der Partnerfirmen zugeschnittenes<br />
Umschulungsprogramm. Lionstep evaluiert hierfür<br />
Kandidaten aus Branchen, in denen die wirtschaftliche Entwicklung<br />
oder die fortschreitende Automatisierung zu einem Jobabbau<br />
geführt hat, und vermittelt sie im Programmanschluss an<br />
die Partnerfirmen sowie an weitere Organisationen. Am Programmstart<br />
können maximal 350 Personen teilnehmen. Voraussichtlich<br />
werden weitere Kurse im Verlauf des Jahres angeboten.<br />
lionstep.com/reskilling-sales-programme<br />
WIR WOLLEN EINEN<br />
GESELLSCHAFTLICHEN<br />
WANDEL BEWIRKEN.<br />
PATRICIA WIDMER<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
13
PEOPLE<br />
Sesselrücker<br />
SESSELRÜCKER<br />
Marco Monego übernimmt per 1. Juni 20<strong>21</strong> eine neue Position<br />
bei Lidl International und wird künftig als Geschäftsleiter das<br />
<strong>HR</strong>-Partnering zwischen der Zentrale und den 32 Lidl-Landesgesellschaften<br />
verantworten – darunter auch die Schweiz. Bis<br />
dahin bleibt er Chief Human Resources Officer bei Lidl Schweiz,<br />
wo er seit 13 Jahren in verschiedenen <strong>HR</strong>-Funktionen tätig ist.<br />
Tanja Stauffer ist seit 1. April 20<strong>21</strong> Head of Human<br />
Resources bei Samsung Electronics und damit für<br />
die Schweiz und Österreich verantwortlich. Zuletzt<br />
war sie mehrere Jahre als Head of <strong>HR</strong> für das<br />
Schweizer Unternehmen Panalpina tätig.<br />
Ann Miller-Rauch ist seit 1. April 20<strong>21</strong> Global <strong>HR</strong><br />
bei der Nemetschek SE. Sie war zuletzt als Vice<br />
President People Communications & Strategy Enablement<br />
bei SAP beschäftigt. Der AEC-Industrie-<br />
Softwareanbieter Nemetschek Group ist weltweit<br />
an 82 Standorten vertreten – unter anderem mit<br />
der ALLPLAN Schweiz AG in Wallisellen.<br />
Miriam Plater ist seit März 20<strong>21</strong> Chief People Officer<br />
bei der ThomasLloyd Group. Sie arbeitet seit<br />
2018 beim Investment- und Beratungsunternehmen<br />
und war bis dahin Personalchefin. Davor war<br />
Mirjam Plater International Director of Human<br />
Resources bei Goodwin Procter. Die ThomasLloyd<br />
Group ist weltweit tätig, die Schweizer Sitze befinden<br />
sich in Zürich und Lausanne.<br />
Antje Schüssler führt als VP <strong>HR</strong> seit 1. April 20<strong>21</strong><br />
den Personalbereich von Mazda in Europa. Damit<br />
ist sie für sämtliche <strong>HR</strong>-Belange von Mazda Motor<br />
Europe sowie der europäischen Mazda-Organisationen<br />
zuständig – darunter auch jene der Schweiz.<br />
Schüssler ist seit 2006 bei Mazda tätig.<br />
Wer hat wann und wo eine neue Stelle angetreten? Das erfahren Sie hier. Weitere Sesselrücker finden Sie auf hrtoday.ch<br />
Haben Sie die Stelle gewechselt? Schicken Sie uns eine E-Mail: redaktion@hrtoday.ch<br />
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HOMEOFFICE, DIE UNTERNEHMENSKULTUR UND WAS SICH ARBEITNEHMENDE<br />
WÜNSCHEN: THEMEN, UM DIE SICH DIE DIESJÄ<strong>HR</strong>IGE RANDSTAD-ARBEITGEBER-<br />
AWARDVERLEIHUNG DREHTE. RUND 500 TEILNEHMENDE HABEN DAS<br />
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uns insbesondere aufgrund der<br />
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aber auch der Mehrsprachigkeit und<br />
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Wohnverhältnissen. Als die<br />
Homeoffice-Pflicht kam, hatten<br />
Mitarbeitende mit unterschiedlichsten<br />
Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen. Wie sich diese äusserten, illustrierten die einleitenden Filmsequenzen<br />
des am 20. April 2020 digital ausgestrahlten Randstad-Award-Events. «Mussten wir<br />
im vergangenen Jahr den Anlass noch absagen, haben wir mit der Übertragung aus dem Fernsehstudio<br />
eine neue Lösung gefunden», freute sich Randstad-CEO Taco Vries.<br />
«Covid hat einiges verändert», konstatierte im Anschluss Olivier Landerer, der bei Randstad für<br />
die Employer-Brand-Studie zuständig ist, für die er 4301 Arbeitnehmende in der Schweiz befragt<br />
hatte. Was Arbeitnehmenden 20<strong>21</strong> am wichtigsten ist? Ein angenehmes Arbeitsklima, gefolgt<br />
von einem wettbewerbsfähigen Gehalt und Arbeitssicherheit. Am wenigsten zufrieden waren<br />
Mitarbeitende im letzten Jahr mit den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Die Art und Weise, wie Firmen Arbeitnehmende im Homeoffice unterstützten, habe deren Loyalität<br />
gestärkt oder vermindert, konstatiert Landerer. Insgesamt fühlten sich nur neun Prozent<br />
ihrem Unternehmen gegenüber weniger loyal, am wenigsten waren es Mitarbeitende zwischen<br />
25 und 34 Jahren (10 Prozent). Die Studie zeigt zudem, dass Remote Work bleiben wird, geht es<br />
nach dem Willen der Arbeitnehmenden. So wollen 41 Prozent der Babyboomer, 45 Prozent der<br />
Generation X, 45 Prozent der Millennials und 35 Prozent der Generation Z weiterhin im Homeoffice<br />
arbeiten. Dabei zeichnet sich ab: «Es gibt keine Einheitslösung, die für alle passt.» In dieselbe<br />
Richtung zielt Pim de Morree, Mitgründer von Corporate Rebels, bei seinem Gastauftritt am<br />
Randstad-Award: «Firmen müssen Mitarbeitenden zuhören und herausfinden, was sie brauchen,<br />
damit diese ihre Leistung erbringen können.» Wolle jemand nur einen Tag im Büro verbringen,<br />
jemand anderer dagegen fünf Tage, sei beides ok. «Firmen müssen nach Wegen suchen, wie sie<br />
unterschiedliche Mitarbeiterbedürfnisse miteinander vereinbaren.» Das gelte für alle Personalthemen.<br />
Einheitslösungen hätten ausgedient, so auch in der Personalentwicklung. «Mitarbeitende<br />
wollen Autonomie und sich kontinuierlich verbessern», sagt de Morree. Dafür müssten Firmen<br />
Gelegenheiten schaffen. Im Wettbewerb um begehrte Fachkräfte werde zudem wichtiger, nichts<br />
schönzufärben: «Verhält sich ein Unternehmen anders, als es in Unternehmensbroschüren kundtut,<br />
fliegt das auf und kommt bei potenziellen Fachkräften nicht gut an.»<br />
Fast eine Dreiviertelstunde ist seit Sendebeginn vergangen. Eine gewisse Ungeduld macht sich<br />
breit: Wer sind nun die Gewinner? Moderatorin und Randstad Employer Branding Manager Nadja<br />
Hansen schreitet zur Rangverkündigung, wobei die ersten 15 Plätze von zwei Slampoeten angekündigt<br />
werden. Etwa mit: Journey you go along together – SBB. «Unter den Teilnehmenden gibt<br />
es viele Newcomer», bemerkt Taco de Vries. Die Top 5 seien seit vergangenem Jahr aber fast gleich<br />
geblieben: Flughafen Zürich gefolgt von Patek Philippe, Lindt & Sprüngli, Rolex und Swiss. (cp)<br />
zeugnis.ch<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
15
PEOPLE<br />
Afterwork<br />
NADINE ANTHAMATTENS<br />
SEHNSUCHTSORT IST DAS WALLIS<br />
IM NEUEN FORMAT «AFTERWORK» STELLEN WIR <strong>HR</strong>-FACHLEUTE INS RAMPENLICHT UND ENTLOCKEN<br />
IHNEN VORLIEBEN AUS I<strong>HR</strong>EM PRIVATEN UND BERUFLICHEN ALLTAG.<br />
Text: Christine Bachmann<br />
Nadine Anthamatten,<br />
Raiffeisenbank Belalp-Simplon<br />
Genossenschaft, Naters<br />
Personalverantwortliche und<br />
Berufsbildnerin <strong>HR</strong>-Fachfrau<br />
mit eidg. Fachausweis<br />
1. Mein<br />
Lieblingsrestaurant?<br />
Im Moment wahrscheinlich jedes, Hauptsache, es ist<br />
offen (sie lacht). Ich liebe Lokale, die ein spezielles Konzept<br />
haben. Kurz vor dem Lockdown habe ich die<br />
«Gianni Genussmanufaktur GmbH» in Naters entdeckt.<br />
Eine kleine feine Manufaktur, die Bistro, Restaurant,<br />
Weinkurse und Delikatessen-Shop unter einem<br />
historischen Dach vereint – eine echte Trouvaille.<br />
2. Ein<br />
<strong>HR</strong>-Tool,<br />
das ich im Alltag nutze?<br />
Ich bin begeistert, welche Vielfalt an Tools der Markt heute<br />
bietet. In unserer Banken-Infrastruktur sind wir jedoch sehr<br />
limitiert und können diese Möglichkeiten kaum ausschöpfen.<br />
Weil Menschen im Zentrum meiner Arbeit stehen, ist mein<br />
aktuelles Lieblingstool Skype – damit wir auch im Home office<br />
miteinander verbunden bleiben.<br />
3. WAS ICH AM<br />
<strong>HR</strong> SCHÄTZE?<br />
Die Vielfältigkeit unseres Berufs. Bei der Grösse unserer Bank<br />
kann jede und jeder Einzelne vieles bewirken. Besonders gerne<br />
gestalte ich Neues – beispielsweise regelmässige Kultur-Workshops<br />
für unsere Führungskräfte.<br />
4. MEIN<br />
Lieblingshobby?<br />
Seit vielen Jahren ist das Wandern meine Lieblingsfreizeitbeschäftigung.<br />
Es ist Sport und Entspannung<br />
zugleich, da die Hektik des Alltags schon nach wenigen<br />
Schritten in den Hintergrund rückt. Mich beeindruckt<br />
die Schönheit unserer Bergwelt immer wieder<br />
aufs Neue. Das Sprichwort «into the mountains I go –<br />
to lose my mind and find my soul» bringt meine<br />
Gefühle auf den Punkt.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
16<br />
F o t o : S c h w e i z T o u r i s m u s / I v o<br />
S c h o l z
5. MEIN<br />
LIEBLINGSBUCH?<br />
Mich faszinieren wahre Geschichten und An- oder Einsichten<br />
von Menschen. Gerade habe ich ein beeindruckendes<br />
Interview von Muhammad Yunus gehört, der die Vision<br />
einer Wirtschaft verfolgt, die allen Menschen dient und<br />
Chancen ermöglicht. So wird sein Buch «Social Business»<br />
vermutlich mein nächstes Lieblingsbuch.<br />
6. Mein<br />
Sehnsuchtsort<br />
in der Schweiz?<br />
Meine Wahlheimat Wallis bietet zahlreiche herrliche<br />
Sehnsuchtsorte. Im Sommer sind es fast alle<br />
Berggipfel. Im Winter liegt mein Sehnsuchtsort<br />
auf dem Winterwanderweg nach der Fiescheralp<br />
Richtung Bettmeralp. Dort herrscht ein besonderes<br />
Ambiente, eine Ruhe und Weite mit einer<br />
atemberaubenden Rundumsicht auf unzählige<br />
schneebepuderte Gipfel.<br />
F o t o : F r e d e r i c H u b e<br />
r<br />
7. MEINE GRÖSSTE<br />
Extravaganz?<br />
Ich bin eine Generalistin – das zieht sich durch mein ganzes Leben. Durch<br />
mein extrem breites Interesse mache ich vieles selber oder probiere Neues<br />
aus. Unser Haus haben wir vorwiegend selbst gebaut, ich ernte eigene<br />
Indianerbananen, Spargeln oder Kakis, nähe Dinge, die ich gerade brauche,<br />
male, schreinere und so weiter. Am liebsten würde ich noch viel mehr tun –<br />
doch auch bei mir hat der Tag nur 24 Stunden.<br />
8. Mein liebster Künstler?<br />
Ich bewundere Künstler generell, da sie sich einer Sache voll und ganz hingeben und<br />
an sich arbeiten. Gute Musiker öffnen das Herz der Menschen. Einer meiner Lieblingskünstler<br />
ist allerdings ein Magier, der uns bei einem Dinner verzaubert hat. Seine<br />
Zaubereien vollführt Lionel Dellberg auch online. Erst kürzlich hat er in Las Vegas<br />
als erster Schweizer die «Fool Us Trophy» erhalten.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
17
SWISS <strong>HR</strong> AWARD 20<strong>21</strong><br />
NOMINIERTE SWISS <strong>HR</strong> AWARD<br />
JURY-PRÄSIDENT: JÖRG BUCKMANN<br />
GESCHÄFTSFÜ<strong>HR</strong>ER BUCKMANN GEWINNT+<br />
KATEGORIE AUSBILDUNG & ENTWICKLUNG<br />
JURY<br />
Dr. Daniel C. Schmid (Geschäftsführer Swiss <strong>HR</strong> Academy & Leiter HWZ Academy)<br />
Verena Steiger (Leiterin Personelles Klubschule der Genossenschaft Migros Zürich)<br />
Sandra Eichenberger (Leiterin HSEQ, Vebego AG)<br />
EVRLEARN<br />
René Beeler<br />
René Beeler, Founder und Managing<br />
Partner bei Evrlearn: «Evrlearn<br />
ist eine digitale Plattform für das<br />
Matchmaking von berufstätigen<br />
Menschen mit passenden nationalen<br />
oder internationalen Weiterbildungen.<br />
Dank Evrlearn entwickeln diese ihre Skills und<br />
stellen ihre Arbeitsmarkt- und Zukunftsfähigkeit sicher.<br />
Unsere Kunden haben Zugang zu über 4500 Lernangeboten<br />
und zu einer Community anderer Lernender, Alumni,<br />
Arbeit gebenden und Coaches.»<br />
LUNITED<br />
Steffen Trindler<br />
Steffen Trindler, Leiter Fachstelle<br />
Berufsbildung bei der Stadt Luzern:<br />
«LUnited bietet Jugendlichen die<br />
Chance, sich über Ausbildungsmöglichkeiten,<br />
Schnupper- und<br />
Lehrstellen bei Luzerner Gemeinden<br />
zu informieren und sich direkt zu bewerben. Das<br />
LUnited-Netzwerk bietet 155 Lehrstellen in 13 Berufen bei<br />
14 Luzerner Gemeinden an und ist darauf ausgelegt, weitere<br />
Gemeinden aufzunehmen. Die Mitgliedergemeinden<br />
profitieren von einem modernen, auf Jugendliche ausgerichteten<br />
Auftritt, attraktiven Werbemitteln und einem<br />
aktiven Austausch zu Themen wie Rekrutierung, Weiterbildung<br />
und Weiterbeschäftigung.»<br />
KATEGORIE PERSONALDIENSTLEISTUNG & BERATUNG<br />
JURY<br />
Dr. Pascal Scheiwiller (CEO von Rundstedt & Partner Schweiz AG)<br />
Jolanda Grob (Chief Human Resources Officer der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG)<br />
Andreas Pichler (Inhaber und CEO Pichler & Partner AG)<br />
SOFTFACTORS<br />
Denise Fessler<br />
Denise Fessler, Partnerin bei Softfactors:<br />
«Smart Recruiting bedeutet,<br />
die Person ins Zentrum zu stellen.<br />
Softfactors prüft deshalb die Fähigkeiten,<br />
die Kompetenzen und das<br />
Persönlichkeitsprofil der Bewerbenden<br />
für die zu besetzende Position individuell. Zitat einer<br />
Bewerberin: ‹Das war ein cooler Bewerbungsprozess.›»<br />
LOHNCHECK PRO<br />
Tobias Egli<br />
Tobias Egli, Geschäftsführer bei<br />
Lohncheck: «Mit unserem System<br />
können Unternehmen ihre Löhne<br />
mit jenen der Konkurrenz vergleichen,<br />
Unstimmigkeiten in der<br />
Lohnstrategie entdecken, analysieren,<br />
ob Geschlechterdiskriminierung stattfindet, und das<br />
Budget von neuen Positionen prognostizieren. Lohncheck<br />
Pro basiert auf rund 1,4 Millionen Datensätzen von Arbeitnehmenden<br />
aus rund 30 000 Unternehmen.»<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
18
WAS IST I<strong>HR</strong> LIEBLINGSPROJEKT? WÄHLEN SIE<br />
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KATEGORIE KULTUR & WANDEL<br />
JURY<br />
Adi Bucher (Head of Human Resources & Organizational Development BLKB)<br />
Astrid Blunschi Balmer (Head of Baloise Campus bei Baloise)<br />
Nadja Perroulaz (Mitgründerin und Partner bei Liip AG)<br />
SWISSCOM<br />
Sophie Prodan<br />
Sophie Prodan, <strong>HR</strong>-Business-Partnerin<br />
bei Swisscom: «Durch die<br />
Kickbox-Kampagne ‹Next Level<br />
<strong>HR</strong>› entstanden viele spannende<br />
Ideen für den <strong>HR</strong>-Bereich. Zudem<br />
konnten unsere Mitarbeitenden<br />
eigene Ideen als Intrapreneurinnen validieren und umzusetzen.<br />
Die Kickbox-Methodik eignet sich hervorragend,<br />
um disruptive Innovationen in Unternehmen zu fördern<br />
und Mitarbeitende zu motivieren sowie zu befähigen, den<br />
Wandel aktiv mitzugestalten.»<br />
RAIFFEISEN SCHWEIZ<br />
Arianne Hasler<br />
Arianne Hasler, Leiterin der Abteilung<br />
Transformation bei Raiffeisen<br />
Schweiz: «Grosses kann nur<br />
gemeinsam entstehen. Deshalb<br />
gehört die Entwicklung der Unternehmenskultur<br />
zur Transformation<br />
– wobei jeder Mitarbeitende ein wichtiger Teil des Erfolgs<br />
ist. Mit unserem partizipativen Ansatz gestalten wir gemeinsam<br />
mit unseren Mitarbeitenden und der Geschäftsleitung<br />
den ‹TransformationTRAIL› und somit die Raiffeisen<br />
von morgen.»<br />
KATEGORIE START-UP<br />
JURY<br />
Cornel Müller (Mitgründer und VR <strong>HR</strong> Tech Holding AG)<br />
Ambros Scope (Head of Future Workforce Engineering, Speaker, Guest Lecturer)<br />
Nicole Herzog (Tech-Unternehmerin, Verwaltungsrätin und Business Angel)<br />
Dr. Patrick Mollet (Mitinhaber Great Place to Work Schweiz, Unternehmer und Investor)<br />
KOLLABO AG<br />
Manuel Inauen<br />
Manuel Inauen, Mitgründer und<br />
CEO bei Kollabo: «Kollabo, das digitale<br />
Ökosystem der Staffing Industry,<br />
verhilft gelernten Handwerkern<br />
und Bauarbeitern mit nur einer Bewerbung<br />
schnell und unkompliziert<br />
zur passenden Stelle. Dank Einsatz modernster Technologie<br />
und einem Netzwerk von über 100 Personalbüros ist<br />
die Plattform bestens vernetzt und damit eine Win-win-<br />
Situation für Stellensuchende, Personalberater und Bauunternehmen.»<br />
SENIORS@WORK<br />
Alexis Weil<br />
Alexis Weil, Gründer und CEO bei<br />
seniors@work: «Mit unserer Freelancer-Plattform<br />
für pensionierte<br />
Talente möchten wir das enorme<br />
Potenzial und Wissen der älteren<br />
Generation der Wirtschaft und Gesellschaft<br />
zur Verfügung stellen und den Generationenaustausch<br />
fördern. Auf seniors@work können Start-ups, KMU<br />
und Privatpersonen unkompliziert mit Senior Talents in<br />
Kontakt treten und diese für bezahlte Projekte oder Teilzeitjobs<br />
engagieren, beispielsweise für administrative, handwerkliche<br />
oder Coaching-Tätigkeiten.»<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
19
©iStockphoto
SCHWERPUNKT:<br />
COMPENSATION & BENEFITS<br />
UNSICHERHEIT ALS MOTIVATION? GESPRÄCH MIT QUERDENKER GEBHARD BORCK. 22<br />
MITARBEITER BETEILIGEN WIE DAS MIT AKTIENPROGRAMMEN GELINGT. 24<br />
GEHEIMNIS UM DEN LOHN WESHALB WIR DARÜBER SPRECHEN SOLLTEN. 29<br />
HOLACRACY UND LOHNTRANSPARENZ? NICHT IMMER. 30<br />
FRINGE BENEFITS FÜR LERNENDE VIER FIRMEN GEBEN AUSKUNFT. 32<br />
LOHNTRANSPARENZ QUO VADIS? WANN SIE NÜTZT UND WANN SIE SCHADET. 34
SCHWERPUNKT<br />
Compensation & Benefits<br />
«CEOS SIND SEKRETÄRINNEN»<br />
LÖHNE GEBEN ZU REDEN. VOR ALLEM, WENN SIE UNGLEICH VERTEILT SIND<br />
ODER WENN MITARBEITERGRUPPEN BENACHTEILIGT WERDEN. EIN GESPRÄCH ÜBER<br />
LOHNSYSTEME DER ZUKUNFT MIT WIRTSCHAFTSVORDENKER<br />
GEBHARD BORCK.<br />
Interview: Corinne Päper<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Lohnungleichheiten zwischen Frau und Mann<br />
halten sich so hartnäckig, dass wir uns mittlerweile<br />
fast schon daran gewöhnt haben ...<br />
Gebhard Borck: Lohnunterschiede zeigen vor<br />
allem die blinden Flecken unserer Gesellschaft wie<br />
das überkommene Bild der (Haus-)Frau, die kein<br />
eigenes Einkommen braucht. Man kann schwerlich<br />
von fairen Löhnen sprechen, wenn Frauen und<br />
Männer aufgrund ihres Geschlechts unterschiedliche<br />
Löhne erhalten.<br />
Seit 1. Juli 2020 sind Unternehmen in der<br />
Schweiz mit über hundert Mitarbeitenden<br />
dazu verpflichtet, eine Lohnanalyse durchzuführen<br />
und die Ergebnisse offenzulegen. Dazu<br />
haben sie bis Juni 20<strong>21</strong> Zeit. Was nützt das?<br />
Wenn ich etwas aus rechtlichen Gründen tue,<br />
daraus Erkenntnisse erlange, aber keine Konsequenzen<br />
ableiten muss, kann ich es auch bleiben<br />
lassen. Auf Freiwilligkeit zu setzen, bringt selten<br />
etwas. Deshalb ist auch in diesem Fall unmittelbar<br />
keine Veränderung zu erwarten. Das Gesetz kann<br />
aber zu mehr Verständnis der Entscheidungsträger<br />
führen. Nur sollten diese in einem weiteren<br />
Schritt mit den gewonnenen Erkenntnissen etwas<br />
tun. Auch wenn sie sich dazu nur öffentlich erklären<br />
müssen.<br />
Viele Compensation&Benefits-Modelle orientieren<br />
sich stark an traditionellen Hierarchien<br />
und beruhen auf Zielvorgaben. Hat das noch<br />
Zukunft?<br />
Wer als Vorgesetzter Leistung mit einem zu erreichenden<br />
Ziel verknüpft und seine Mitarbeitenden<br />
davon teilweise finanziell abhängig macht, will<br />
Gehorsam. Führungskräfte versuchen zudem<br />
damit, sich selbst abzusichern, und bestrafen Mitarbeitende<br />
für das Nichteinhalten eines vorgegebenen<br />
Ziels. Spätestens wenn die Boni-Zeit<br />
anbricht, beginnt das Feilschen über Zielerreichungsgrade.<br />
Geht es hauptsächlich um Geld,<br />
verhalten sich Menschen grundsätzlich egoistischer:<br />
Ist ihre Mitgestaltung nicht ernsthaft<br />
gewollt, optimieren sie eben ihr Einkommen. Wer<br />
an solchen Mechanismen festhält, fördert die<br />
Unzufriedenheit der Mitarbeitenden und macht<br />
Firmen gleichzeitig weniger anpassungsfähig.<br />
Stattdessen könnten Unternehmen Mitarbeitenden<br />
zutrauen, Unternehmensprobleme selbständig<br />
zu lösen, und Boni nicht im Voraus bestimmen,<br />
sondern den effektiv erwirtschafteten Gewinn<br />
anteilsgerecht verteilen. Damit fördern sie ein<br />
Gemeinschaftsdenken. Sich egoistisch auf die<br />
eigene Zielerreichung zu konzentrieren, lohnt sich<br />
dann immer weniger.<br />
SPÄTESTENS WENN DIE<br />
BONI-ZEIT ANBRICHT,<br />
BEGINNT DAS<br />
FEILSCHEN ÜBER ZIEL-<br />
ERREICHUNGSGRADE.<br />
GEBHARD BORCK, BERATER<br />
Zuckerbrot und Peitsche haben also ausgedient?<br />
Die britische Ökonomin Kate Raworth hat das<br />
Modell der Donut-Ökonomie entwickelt, das den<br />
Wohlstand in drei Arten unterteilt: Eigentum, Lohn<br />
und Urheberschaft (Intellectual Property). Zuckerbrot<br />
und Peitsche ist eine Praktik, um davon abzulenken,<br />
dass Eigentümer den Unternehmensgewinn<br />
verteilen, bevor Angestellte um ihr Gehalt<br />
verhandeln können. Das war nicht immer so:<br />
Henry Ford wollte den Gewinn zuerst unter der<br />
Belegschaft aufteilen. Seine Investoren/Miteigentümer<br />
zogen aber vor Gericht und Ford verlor den<br />
Prozess. Seither entscheiden Unternehmenseigentümer<br />
bei der Gewinnverteilung, welcher Anteil<br />
davon als Einkommen zur Verfügung steht.<br />
Damit wären wir bei Marx …<br />
Die Ungleichverteilung hat sich in den letzten<br />
zweihundert Jahren sicherlich verstärkt. Clever an<br />
diesem Systemerhalt ist, dass viele von uns auch<br />
Eigentümer sind. Wird das Eigentum infrage<br />
gestellt, fühlt sich der Häuslebauer genauso angegriffen<br />
wie der Nestlé-Grossaktionär.<br />
Zurück zum Geld: Inwiefern dient dieses noch<br />
als Leistungsanreiz?<br />
Ein sinnvollerer Leistungsanreiz als ein Geldbetrag<br />
ist die Unsicherheit der Zukunft. Das heisst für<br />
Mitarbeitende, einen Beitrag zu leisten, damit es<br />
ihre Firma morgen noch gibt. Das Problem in<br />
vielen Unternehmen ist, dass Vorgesetzte ihre<br />
Mitarbeitenden vor vermeintlich schlechten<br />
Nachrichten abschirmen wollen. So sagen<br />
Führungskräfte selten, wie lange das Geld noch<br />
reicht. Sind Mitarbeitende über die Finanzlage des<br />
Unternehmens dagegen informiert, passiert<br />
gemeinhin etwas anderes als angenommen: Die<br />
Besten laufen keineswegs scharenweise davon.<br />
Vielmehr fangen sie an, intelligent zu handeln,<br />
miteinander zu reden und nach Aufträgen zu<br />
suchen, um das Geschäft in den Griff zu bekommen.<br />
Vorgesetzte sollten sie dabei unterstützen.<br />
Sie selbst würden auch entlastet, weil sie keine<br />
heile Welt vorzuspielen brauchen und so die ganze<br />
mentale Last allein tragen.<br />
Müsste man auch Gehälter transparent<br />
machen?<br />
Es gibt keinen wissenschaftlich belegten Zusammenhang<br />
zwischen transparenten Gehältern und<br />
einem höheren Grad an Selbstorganisation.<br />
Selbstorganisation gelingt besser, wenn ein Unternehmen<br />
eine Wirtschaftlichkeitsrechnung macht<br />
und transparent darlegt, wo und wie es Geld<br />
22
Compensation & Benefits<br />
SCHWERPUNKT<br />
FOTO: ZVG<br />
verdient. Das reicht. Daneben sollten Mitarbeitende<br />
möglichst wenig Gründe haben, über Geld<br />
zu reden. Je häufiger darüber gesprochen wird,<br />
desto eigensüchtiger verhalten sie sich. Das Verhindern<br />
Unternehmen, indem sie Gehälter zahlen,<br />
bei denen die Lohnschere zwischen Top- und<br />
Geringverdienern nicht zu gross ausfällt, Menschen<br />
von ihrem Lohn anständig leben können<br />
und Mitarbeitende ernsthaft an den Gewinnen<br />
beteiligt werden. Dafür kann das konkrete Einkommen<br />
der Einzelnen auch gerne intransparent<br />
bleiben.<br />
Man könnte darüber diskutieren, worin der<br />
Leistungsbeitrag eines CEO besteht und ob sein<br />
Lohn gerechtfertigt ist …<br />
Genau betrachtet, wirkt der Job eines CEO in<br />
Organisationen so ähnlich wie der von Sekretärinnen:<br />
CEOs sind in vielen Projekten dabei, leisten<br />
bei der Umsetzung aber nur einen kleinen Beitrag.<br />
Dieser ist jedoch besonders wichtig, denn sie sorgen<br />
dafür, dass möglichst wenig Reibung in der<br />
Zusammenarbeit entsteht und treiben wichtige<br />
Projekte voran. Dafür bringen sie ihre Erfahrungswerte<br />
ein, räumen Hindernisse aus dem Weg,<br />
schaffen Freiräume und bringen die richtigen<br />
Menschen zusammen. CEOs müssen sich aus meiner<br />
Sicht deshalb nicht um ihre Zukunft sorgen.<br />
Viel gefährdeter sind mittlere Kaderpositionen,<br />
etwa Bereichs- oder Teamleiter, deren Managementaufgaben<br />
an Teammitglieder delegiert werden<br />
können.<br />
In welche Richtung sollten sich Lohnmodelle<br />
entwickeln?<br />
Ganz radikal gedacht könnten Unternehmen von<br />
Fixlöhnen wegkommen und sich stattdessen an<br />
Überschüssen orientieren. Verteilt wird dann, was<br />
nach Abzug aller Aufwände übrigbleibt. So würden<br />
Mitarbeitende nach ihrem Beitrag individuell<br />
prozentual entlohnt. Eine Mitarbeiterin erhält beispielsweise<br />
25 Prozent vom realen Überschuss, ein<br />
anderer Mitarbeiter nur 18 Prozent. Das bringt alle<br />
Beschäftigten automatisch dazu, unternehmerisch<br />
zu denken, und führt zu einer ernsthaften<br />
Auseinandersetzung, wer wie viel beiträgt. Dafür<br />
verschwinden Ungleichheiten. Was zählt, ist, was<br />
jemand leistet, und nicht, ob jemand eine Frau<br />
oder ein Mann ist oder besser oder schlechter verhandelt<br />
hat. Schwierig ist, ein solches System mit<br />
den bestehenden Sozialsystemen abzustimmen,<br />
da die Einkünfte von Monat zu Monat schwanken.<br />
Eine weniger radikale Möglichkeit wäre, allen<br />
Mitarbeitenden einen ähnlichen Fixlohn zu bezahlen<br />
und die Überschüsse am Ende des Jahres<br />
prozentual nach dem individuellen Beitrag aufzuteilen.<br />
So erhalten alle, deren Engagement eine<br />
grosse Wirkung entfaltet hat, mehr Gewinnbeteiligung<br />
als andere.<br />
Mit einem schwankenden Gehalt umzugehen,<br />
ist nicht jedermanns Sache ...<br />
Wer sich in einem prekären Anstellungsverhältnissen<br />
befindet, hat im Gegensatz zum Modell<br />
des eigenverantwortlichen Umgangs mit Unsicherheit<br />
keinerlei Einfluss auf seine Organisation<br />
oder seinen Lohn. Diese Mitarbeitenden können<br />
ihr Einkommen nicht verbessern und haben kein<br />
Mitbestimmungsrecht im Betrieb. Eine wahrgenommene<br />
Unsicherheit sinkt umso mehr, je mehr<br />
Menschen etwas dagegen unternehmen können.<br />
Zudem spielt es auch eine Rolle, wie stark ein Einkommen<br />
schwankt. Erziele ich in einem Monat<br />
2000 Franken und im nächsten 3500, ist mir<br />
unwohl. Schwankt mein Gehalt dagegen zwischen<br />
20 000 und 30 000 Franken, ist mir das egal.<br />
Man könnte Mitarbeitende auch zu Miteigentümern<br />
machen. Was spricht dafür?<br />
Haben Mitarbeitende ein echtes Mitspracherecht,<br />
kann das zu gut funktionierenden Modellen führen.<br />
Wie jenes der schwedischen Bank Handelsbanken,<br />
deren Hauptaktionär eine Stiftung ist, die sich praktisch<br />
im Besitz der Mitarbeitenden befindet.<br />
Gewinne schüttet das Unternehmen nicht in Geld<br />
aus, sondern verteilt Anteile eines Rentenfonds, der<br />
wiederum der Stiftung gehört. Damit hat die Belegschaft<br />
ein Stimmrecht und kann ihr Veto gegen<br />
Entscheide einlegen, die sich einseitig gegen sie<br />
richten. So ein Modell funktioniert besser, je homogener<br />
die Eigentümerschaft ist. Grossunternehmen<br />
befinden sich jedoch meist in vielen Aktionärshänden.<br />
Auch wenn Mitarbeitende aktienbeteiligt sind,<br />
besitzen sie nur wenige Prozente am Unternehmen.<br />
Sie haben keine richtige Mitsprache. Um das zu<br />
ermöglichen, müsste die Firma im grossen Stil Aktienrückkäufe<br />
tätigen und diese Aktien in die Entscheidungshoheit<br />
der Belegschaft legen. Dazu sind<br />
die meisten Grossunternehmen aber nicht bereit.<br />
Welche Beteiligungsmöglichkeiten sehen Sie<br />
sonst noch?<br />
Unternehmen könnten Mitarbeitende an ihrem geistigen<br />
Eigentum mitbeteiligen. Anstatt alle Patent-,<br />
Nutzungs- und Verwertungsrechte pauschal auf<br />
eine Firma zu übertragen, würden diese nach<br />
bestimmten Vorgaben zwischen Mitarbeitenden<br />
und Unternehmen geteilt. Mitarbeitende würden<br />
somit durch ihre Ideen Wohlstand für sich selbst<br />
schaffen. Besonders in der Softwareentwicklung<br />
könnte das an Bedeutung gewinnen. a<br />
GEBHARD BORCK<br />
Gebhard Borck ist Berater. Er versteht sich<br />
als «Transformationskatalysator für adaptive<br />
Organisationen» und plädiert für eine<br />
Führungs- und Arbeitskultur, die auf mehr<br />
Selbstbestimmung sowie Sinnentfaltung<br />
und weniger Hierarchie beruht.<br />
ataas.de<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
23
SCHWERPUNKT<br />
Compensation & Benefits<br />
MITLENKEN, STATT AUSFÜ<strong>HR</strong>EN<br />
FIRMEN VERLANGEN VON BESCHÄFTIGTEN ZUNEHMEND UNTERNEHMERISCHES<br />
DENKEN UND BETEILIGEN SIE DESHALB MIT AKTIEN AM UNTERNEHMEN. EIN<br />
ZUKUNFTSMODELL? WIR HABEN UNS UMGEHÖRT.<br />
Text: Corinne Päper<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Beschäftigte<br />
beteiligen sich am Unternehmen ihres Arbeitgebers.<br />
Das zeigt der aktuelle Report der European<br />
Federation of Employee Share Ownership. Demnach<br />
besassen 2020 in 2750 europäischen Firmen<br />
rund 8,1 Millionen Beschäftigte Aktien im Wert<br />
von 420 Milliarden Euro. Eine Summe, die nie zuvor<br />
erreicht wurde, und ein Trend, der sich trotz Wirtschaftskrisen<br />
und Börsencrashs fortsetzen wird.<br />
Aktienbeteiligungsprogramme gehören für Marlies<br />
Serra, Senior Tax Manager bei BDO, in Grosskonzernen<br />
längst zum Fringe-Benefits-Standardprogramm.<br />
Nachgefragt werden diese immer<br />
häufiger, vor allem in grösseren und mittleren<br />
Betrieben. Fritz Nobs von Klingler Consultants<br />
stellt dagegen einen leicht gegenläufigen Trend<br />
fest. Allerdings unterscheidet er im Gegensatz<br />
zum «Economic Survey of Employee Sharing<br />
Ownership»-Report zwischen verschiedenen<br />
Aktienkategorien: etwa Aktiensparplänen, die<br />
allen Mitarbeitenden offenstehen, aber eine Investition<br />
ihrerseits erfordern, sowie Aktien, die Mitarbeitende<br />
zwar kostenlos erhalten, die bei ihrem<br />
Austritt aber verfallen. Berücksichtige man alle<br />
Unterschiede, böten in der Schweiz nur knapp die<br />
Hälfte der Grosskonzerne Aktienbeteiligungsprogramme<br />
für alle Mitarbeitenden.<br />
Teil des Vergütungspakets<br />
Start-up-Consultant und Fintech Advisor Miklos<br />
Vidak sagt Aktienbeteiligungsprogrammen eine<br />
glänzende Zukunft voraus. Besonders bei Startups<br />
seien sie als Instrument der Mitarbeiterbindung<br />
nicht mehr wegzudenken: «Ohne attraktive<br />
Aktienbeteiligungsprogramme können neugegründete<br />
Firmen Kaderfachleute häufig nicht<br />
gewinnen.» Die Mitarbeiterbindung ist aber nicht<br />
das einzige Motiv für Aktienbeteiligungsprogramme.<br />
Sie sind auch Teil eines Vergütungspakets<br />
oder Partnerprogramms mit Mitspracherecht<br />
in der Unternehmensführung. Zum Schutz gegen<br />
unfreundliche Übernahmen einer Firma durch<br />
Mitbewerber eignen sie sich hingegen weniger:<br />
«Mitarbeitende halten meist weniger als 15 Prozent<br />
des Aktienkapitals», sagen Vidak und Nobs.<br />
«Das ist im Normalfall nicht matchentscheidend.»<br />
OHNE BETEILIGUNG<br />
KÖNNEN NEUGEGRÜN-<br />
DETE FIRMEN KADER-<br />
FACHLEUTE HÄUFIG<br />
NICHT GEWINNEN.<br />
MIKLOS VIDAK, START-UP-CONSULTANT<br />
Aktienbeteiligungsprogramme haben Vor- und<br />
Nachteile. Fragwürdig findet Miklos Vidak besonders<br />
«Zwangsbeteiligungen», die als gesperrte<br />
Aktien einen Teil der variablen Vergütung darstellen<br />
und erst nach einer Frist von mehreren<br />
Jahren verkauft werden dürfen. «Mitarbeitende<br />
haben bei solchen Programmen wenig Mitspracherechte<br />
und sind möglicherweise einer enttäuschenden<br />
Aktienkursentwicklung ausgeliefert.»<br />
Weniger gravierend sind für Vidak Unternehmensbeteiligungen,<br />
bei denen Mitarbeitende selbst<br />
entscheiden, ob sie ihren Bonus in Aktien oder in<br />
Cash beziehen wollen.<br />
Bestehen Unternehmen dennoch auf Sperrfristen,<br />
sollten sie diese an die heutigen Gegebenheiten<br />
anpassen, fordern die Auskunftgebenden. «Zehn<br />
Jahre sind gerade für jüngere Mitarbeitende eine<br />
sehr lange Zeit», sagt Serra. Bei Start-ups komme<br />
deshalb häufig das sogenannte «Bullet Vestings-<br />
Modell» zum Zug, ergänzt Vidak. Diese Vereinbarung<br />
beinhalte eine Mindestverweildauer von<br />
12, 18 oder 24 Monaten. Verlasse ein Mitarbeitender<br />
die Firma vor Ablauf dieser Frist, fielen die<br />
Aktien entschädigungslos an das Unternehmen<br />
zurück. Danach würden die Aktien anteilsmässig<br />
meist über zwei Jahre hinweg entsperrt. Eine Zeitdauer,<br />
die Nobs als angemessen empfindet.<br />
«Aktienbeteiligungsprogramme sind ein besonders<br />
gutes Instrument, wenn die Kursentwicklung<br />
vorteilhaft ist und Mitarbeitende Aktien vergünstigt<br />
erwerben können», sagen Serra und Nobs.<br />
Das, weil Mitarbeitende vom Wertzuwachs profitieren<br />
und die Aktien bestenfalls nach einigen<br />
Jahren gewinnbringend verkaufen können. Um<br />
allfällige Enttäuschungen zu vermeiden, müssten<br />
Firmen diese Anlageinstrumente jedoch erklären,<br />
fordert Nobs. «Kurzfristig können Mitarbeitende<br />
mit Aktieninvestitionen auch Geld verlieren. Deshalb<br />
müssen sie über dieses Risiko aufgeklärt<br />
werden.» Übermässige Verluste liessen sich verhindern,<br />
wenn Mitarbeitende nicht allzu hohe<br />
Beträge investieren können. Praktisch geschehe<br />
das in der Praxis mit Vorgaben zur Maximalbeteiligung<br />
der Mitarbeitenden, ergänzen Nobs und<br />
Vidak. Letzterer empfindet solche Massnahmen<br />
aber als Bevormundung: «Mitarbeitende sollen<br />
selbst entscheiden, wie sie ihr Geld anlegen und<br />
welche Risiken sie dabei eingehen.» Von einer Kreditvergabe<br />
zum Erwerb von Aktien rät Nobs<br />
dagegen ab. «Mitarbeitende sollen sich nur im<br />
Umfang ihrer finanziellen Möglichkeiten beteiligen.»<br />
Je internationaler, desto komplexer<br />
Bei der Einführung eines Aktienprogramms lauern<br />
viele steuerrechtliche, arbeitsrechtliche, vertragliche,<br />
bewertungstechnische und buchhalterische<br />
Fallstricke, sagen Serra, Vidak und Nobs. Wie<br />
24
Compensation & Benefits<br />
SCHWERPUNKT<br />
FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
kompliziert sich die Mitarbeiterbeteiligung<br />
gestalte, hänge vor allem davon ab, welches<br />
Aktienbeteiligungsprogramm ein Unternehmen<br />
wähle: die physische Abgabe von Aktien oder<br />
Aktienoptionen, bei denen Mitarbeitende das<br />
Recht erhalten, eine Aktie zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt zu erwerben. Der grösste Aufwand entsteht<br />
gemäss Vidak vor allem in der Abklärung<br />
rechtlicher und steuerlicher Aspekte wie der Kapitalerhöhung,<br />
der Mitarbeitendenschulung sowie<br />
der Vertragsabschlüsse. Hinzu kämen wiederkehrende<br />
Aufwände wie die korrekte Aktienverbuchung,<br />
die Aktienbuchführung, die Administration<br />
von Aktienverkäufen und -rückkäufen, die Ausstellung<br />
von Mitarbeitendenbescheinigungen, die<br />
Aktienbestandsbewirtschaftung bei Mitarbeiterfluktuationen<br />
und allenfalls rechtliche Auseinandersetzungen<br />
bei Konflikten mit den Angestellten.<br />
Wolle ein Unternehmen ein Beteiligungsprogramm<br />
international ausrollen, werde es noch<br />
komplizierter: «Das kann aufgrund lokaler rechtlicher<br />
Vorgaben und steuerlicher Gegebenheiten<br />
sehr schnell aufwendig oder sogar unmöglich<br />
werden», warnt Vidak. Um Komplikationen zu<br />
vermeiden, solle ein Unternehmen bei der Lancierung<br />
eines Aktienbeteiligungsprogramms ausländische<br />
Standorte deshalb aussen vor lassen.<br />
Den Überblick bei Aktienkäufen und -verkäufen<br />
zu behalten, erweist sich ebenfalls als komplex.<br />
«Namenaktien sind im Aktienbuch der Gesellschaft<br />
einzutragen», sagt Serra. «Virtuelle Aktien<br />
kann man dagegen mit einer Software verwalten.»<br />
Benötige ein Unternehmen mehr Unterstützung,<br />
könne es eine dafür spezialisierte Firma<br />
beiziehen, die detaillierte Statistiken erstellt,<br />
ergänzt Fritz Nobs. «Für einfachere Fälle genügt<br />
eine Excel-Tabelle», meint Vidak. Ein komplettes<br />
Outsourcing der Aktienverwaltung käme meist<br />
nur bei börsenkotierten Konzernen zum Zug. Grössere<br />
Unternehmen profitieren bei der Aktienverwaltung<br />
zudem von administrativen Dienstleistungen<br />
der Grossbanken im Firmenkundenbereich.<br />
Beteiligte gestalten mit<br />
Als Aktionäre sind Arbeitnehmende auch Miteigentümer<br />
und haben ein Mitspracherecht. Das<br />
ist nicht immer unproblematisch. Trotzdem befürworten<br />
Serra, Nobs und Vidak deren Mitbestimmung.<br />
«Mitarbeitende gehören zu den wichtigsten<br />
Stakeholdern», sagt Vidak. «Sie kennen die<br />
Unternehmensstrukturen am besten. Deshalb<br />
sollte ihre Stimme an einer Generalversammlung<br />
Gehör finden.» Das gelte gemäss Nobs auch<br />
dann, «wenn die Interessen der Grossaktionäre<br />
jenen der Mitarbeitenden entgegenstehen». Wolle<br />
sich ein Unternehmen dennoch vor der Einflussnahme<br />
seiner Mitarbeitenden schützen, könne es<br />
Beteiligungspapiere ohne Stimmrecht herausgeben,<br />
sagt Serra.<br />
Ob Mitarbeitende ihre Aktien beim Firmenaustritt<br />
zurückgeben müssen, wird je nach Unternehmen<br />
anders gehandhabt. Befürwortet Serra<br />
eine generelle Aktienrückgabe, sieht Vidak bei<br />
börsenkotierten Unternehmen dafür keine Notwendigkeit.<br />
Bei nichtbörsenkotierten Firmen<br />
gelten indes die Vereinbarungen im Beteiligungsvertrag,<br />
was nach dem Austritt eines<br />
Mitarbeitenden mit den Aktien geschieht. Rückgaben<br />
seien bei ausserbörslich gehandelten<br />
Aktien beim Austritt von Mitarbeitenden besonders<br />
empfehlenswert, damit diese anstehende<br />
Unternehmensentscheide nicht blockieren<br />
können.<br />
Fehlendes Fachwissen<br />
Obschon Aktienprogramme eine immer breitere<br />
Verwendung finden, ist es um das Know-how<br />
dazu in den Betrieben nicht allzu gut bestellt,<br />
meinen die Experten. «Das Fachwissen fehlt bei<br />
Personalern besonders dann, wenn das Beteiligungsprogramm<br />
von einer ausländischen Muttergesellschaft<br />
lanciert wurde», lautet Serras<br />
Diagnose zum aktuellen Wissensstand in den<br />
<strong>HR</strong>-Abteilungen. Wegen dieser Wissenslücke<br />
könne das <strong>HR</strong> oft nicht einschätzen, welche<br />
Aufwände ein Aktienbeteiligungsprogramm mit<br />
sich bringe. «Nach bestem Wissen und Gewissen<br />
zu handeln genügt hier nicht. Solche Transaktionen<br />
sind sorgfältig abzuklären.» a<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
25
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Compensation & Benefits<br />
SCHWERPUNKT<br />
FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
UNTERNEHMERISCHES DENKEN FÖRDERN<br />
START-UPS NUTZEN AKTIENBETEILIGUNGSPROGRAMME BESONDERS HÄUFIG. SO AUCH MANAGED-SERVICE-ANBIETER NINE.<br />
EIN GESPRÄCH MIT GRÜNDER UND HAUPTAKTIONÄR THOMAS HUG.<br />
Interview: Corinne Päper<br />
Sie sind Gründer und Hauptaktionär von Nine.<br />
Weshalb lancierten Sie ein Aktienbeteiligungsprogramm<br />
für Mitarbeitende?<br />
Thomas Hug: Als Unternehmer wollte ich, dass<br />
möglichst alle unsere Mitarbeitenden unternehmerisch<br />
denken und handeln. Durch eine hohe<br />
Informationstransparenz im Unternehmen und<br />
diesem Programm ermögliche ich ihnen genau<br />
das.<br />
Inwiefern ist die Aktie handelbar?<br />
Um möglichst alle Mitarbeitenden am Unternehmen<br />
zu beteiligen, gibt es pro Person eine Obergrenze<br />
bezüglich Aktienerwerb. Zudem sind diese<br />
nur innerhalb der Holding handelbar. Will ein Mitarbeitender<br />
seine Aktie veräussern, muss die Holding<br />
die Aktien zurückkaufen. Der Aktienwert<br />
basiert auf dem aktuellsten Jahresergebnis und<br />
ändert sich entsprechend nur einmal pro Jahr.<br />
Um den administrativen Aufwand gering zu halten,<br />
existiert nur ein Handelstag pro Jahr.<br />
Ihre ersten Erfahrungen mit dem Aktienprogramm?<br />
Seit wir dieses Programm haben, setzen sich<br />
unsere Mitarbeitenden vertiefter mit Finanzzahlen<br />
auseinander, die wir an unseren Quartals-Meetings<br />
präsentieren, und stellen entsprechende<br />
Fragen. Das finde ich sehr positiv. Seit Ende März<br />
20<strong>21</strong> beteiligten sich 20 Prozent der Mitarbeitenden<br />
an Nine.<br />
Führen Sie dieses Programm auch bei einem<br />
starken Unternehmenswachstum weiter?<br />
Unser Programm ist unabhängig davon, wie stark<br />
wir wachsen, und beruht auf der Nachfrage der<br />
Mitarbeitenden. Aktien sind ein limitiertes Gut.<br />
Zudem ist die Grösse des Aktienpools beschränkt.<br />
Wenn es keine Verkäuferinnen und Verkäufer gibt,<br />
können neue Mitarbeitende dereinst vielleicht gar<br />
keine Aktien mehr kaufen.<br />
Wie verwalten Sie Ihre Aktien?<br />
Noch genügt eine Exceltabelle als Aktienbuch. Da<br />
wir jährlich nur einen Handelstag haben, ist der<br />
Aufwand überschaubar.<br />
Müssen austretende Mitarbeitende ihre Aktien<br />
zurückgeben?<br />
Ja, wir haben nebst der Rückgabepflicht aber<br />
auch ein Rückgaberecht. Demnach muss die Holding<br />
die Aktien zurückkaufen.<br />
a<br />
Nine<br />
Nine ist ein Anbieter von Managed-Service-Lösungen<br />
in der Schweiz und bietet in der Public und Privat<br />
Cloud ein vollumfängliches Plattformmanagement.<br />
Das Unternehmen betreibt an drei Datacenter-Standorten<br />
Websites wie mobiliar.ch, jungfraubahnen.ch<br />
oder geschenkidee.ch. Das Unternehmen beschäftigt<br />
zurzeit 40 Mitarbeitende.<br />
COMPUTERSHARE<br />
Computershare bietet für die Aktienverwaltung<br />
eine End-to-End-Lösung, die nicht nur eine Software<br />
umfasst, sondern auch weiterführende administrative<br />
und beraterische Dienstleistungen. Die<br />
Computershare-Software kann in der IT-Infrastruktur<br />
des Kunden integriert werden. Alternativ können<br />
Aktienverwaltungsprozesse an Computershare<br />
ausgelagert werden. Einfache Aktienpläne können<br />
damit ebenso verwaltet werden wie Aktienkaufoder<br />
Executive-Programme. Über ein Portal erhalten<br />
Mitarbeitende Einsicht in ihre Portfolios, während<br />
Firmen ein weiteres zur Verbuchung und<br />
Zuteilung sowie Administration nutzen. Die Kosten<br />
für die Administration der Bankdienstleistungen<br />
und der Software-Nutzung sind von der Komplexität<br />
und dem Umfang des Beteiligungsprogramms<br />
abhängig.<br />
DAURA<br />
Die Aktienverwaltungsplattform Daura eignet sich<br />
ungeachtet der Unternehmensgrösse dafür, alle<br />
Arten von Aktienbeteiligungsprogrammen digital<br />
abzubilden. Die Plattform beinhaltet beispielsweise<br />
ein automatisiertes Aktienbuch, das die Aktualität<br />
der Daten garantiert. Aktionäre können zudem<br />
über ein Dash board jederzeit auf ihre Anteile<br />
zugreifen und sie verwalten. Durch die Automatisierung<br />
vereinfacht sich auch der Ausgabe- und<br />
Zuteilungsprozess. Um Aktien zu digitalisieren,<br />
bezahlen Firmen einen einmaligen Betrag zwischen<br />
1500 und 5000 Franken und danach monatlich ab<br />
85 Franken für das Aktienbuch sowie das Investoren-Dashboard.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
27
G<br />
Presented by<br />
LUNCH-CHECK: DIE LÖSUNG,<br />
DIE IMMER SCHMECKT!<br />
F O T<br />
O :<br />
Z V<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Die moderne Art der Mitarbeiterverpflegung<br />
Für die Arbeitnehmenden ist es erholsamer, den<br />
Arbeitsplatz während der Mittagspause zu verlassen.<br />
Dies sorgt für Entschleunigung und<br />
Abwechslung, ob zu Hause oder im Büro. Davon<br />
profitieren die Arbeitgeber, indem Sie auf zufriedene<br />
und produktive Arbeitnehmende zählen<br />
können.<br />
Lunch-Check unterstützt mit ihrem einfachen<br />
System und den rund 8‘000 Verpflegungsmöglichkeiten<br />
in der ganzen Schweiz diese moderne Art<br />
der Mitarbeiterverpflegung. Work-Life-Balance<br />
bleibt somit nicht nur ein Schlagwort, sondern<br />
wird mit Lunch-Check effektiv unterstützt.<br />
Was spricht aus Arbeitgebersicht für Lunch-<br />
Check?<br />
Neben der Tatsache, dass sinnvolle Lohnbestandteile<br />
die Attraktivität eines jeden Arbeitgebers<br />
erhöhen und seine Position bei der Rekrutierung<br />
guter Mitarbeitenden stärkt, gibt es auch noch<br />
finanzielle Vorteile: Lunch-Check Beiträge sind<br />
einerseits für den Arbeitgeber viel günstiger als<br />
eine betriebseigene Kantine und andererseits sind<br />
die Beiträge bis zu CHF 180.- pro Mitarbeitenden<br />
und Monat befreit von Sozialleistungen, dies im<br />
Gegensatz zu Barentschädigungen. Und dies<br />
ganz ohne Gebühren für die Unternehmen und<br />
Mitarbeitenden!<br />
Genuss verschenken und Gutes tun<br />
Sind Sie auf der Suche nach einem Incentive,<br />
Geburtstags- oder Kundengeschenken? Mit der<br />
Lunch-Check Geschenkkarte verschenken Sie<br />
Genuss und unterstützen damit die aktuell stark<br />
leidende Gastronomie in der ganzen Schweiz.<br />
Über die Entscheidungsfreiheit der 8‘000 Akzeptanzstellen<br />
freuen sich alle.<br />
Geschenke bis CHF 500.- pro Mitarbeitenden und<br />
Jahr gelten als steuerfreie Naturalgeschenke.<br />
28
Compensation & Benefits<br />
SCHWERPUNKT<br />
«DER MENSCH IST EIN<br />
UNVERNÜNFTIGES WESEN»<br />
FAIRE LOHNSTRUKTUREN BERGEN KEIN RISIKO FÜR LOHNTRANSPARENZ, SAGT SABINE BILAND-WECKHERLIN,<br />
PARTNERIN BEI DA PROFESSIONALS. MAUSCHELEIEN UND WILLKÜR INDES SCHON. EIN GESPRÄCH ÜBER<br />
LOHNTRANSPARENZ, OFFENLEGUNGSÄNGSTE, FAIRE LÖHNE UND DAS GLEICHSTELLUNGSGESETZ.<br />
Interview: Christine Bachmann<br />
Lohntransparenz ist ein heisses Eisen. Wie sehen<br />
Sie das?<br />
Sabine Biland-Weckherlin: Brisant ist das Thema<br />
in verschiedener Hinsicht: Es ist in der Schweiz immer<br />
noch ein Tabu, über Geld zu sprechen. Gleichzeitig<br />
öffnet sich die Lohnschere zwischen oberen und<br />
unteren Gehältern immer weiter. Das birgt in Zeiten<br />
der Pandemie mit ihren dramatischen wirtschaftlichen<br />
Folgen sozialen Sprengstoff. Sind die Salärstrukturen<br />
im Mittelband einer Firma fair ausgelegt,<br />
spricht nicht viel gegen eine Offenlegung. Wenn<br />
dagegen beim Griff in den Lohntopf gemauschelt<br />
wird, ist eine Lohntransparenz problematisch, weil<br />
sie Ungerechtigkeiten sichtbar macht.<br />
Wie bringen wir unsere Gesellschaft dazu, sich<br />
ernsthaft Gedanken über Löhne zu machen?<br />
Indem wir dieses Thema konsequent enttabuisieren<br />
und den Wert von Arbeit offen diskutieren. Einer<br />
meiner ehemaligen Lernenden aus dem Bankenumfeld<br />
äusserte mir gegenüber einmal, dass er sein<br />
stattliches Salär gar nicht «verdiene», da er seine<br />
Arbeit ja nicht im Schweisse seines Angesichts ausübe.<br />
Gemäss dieser Auslegung von «Verdienst»<br />
hätte eine Pflegefachfrau, die am Krankenbett ihren<br />
Rücken strapaziert, mindestens denselben Entschädigungsanspruch<br />
wie ein Banker mit exzessivem<br />
Lohn. Vielleicht wäre ein interner Seitenwechsel eine<br />
wirksame Schulung, bei dem sich ein Baukonzern-<br />
Manager für eine gewisse Zeit neben einen Strassenbauarbeiter<br />
in die sengende Hitze stellt und einige<br />
Monate lang versucht, mit dessen Salär über die<br />
Runden zu kommen …<br />
Wohin geht der Trend bei Löhnen?<br />
Löhne stagnieren weitgehend, mancherorts geraten<br />
sie sogar unter Druck. Die Bemerkung «hatte früher<br />
mehr» fliesst oft in unsere Kandidatenlisten ein.<br />
Gelegentlich beobachten wir unter Bewerbenden<br />
auch eine unsympathische Gier in Salärfragen. Da<br />
stellt sich die Frage, ob diese Personen überhaupt<br />
etwas von den massiven Umwälzungen in der Wirtschaft<br />
mitbekommen haben. Gleichzeitig garantieren<br />
interne Seilschaften noch immer Sonderbehandlungen,<br />
auch bei Lohnrunden. Was Boni<br />
betrifft, wird heute mehr darüber diskutiert. Gigantische<br />
Boni sind vor allem in jenen Branchen ein<br />
Problem, die sich aufgrund ihrer Margen astronomische<br />
Löhne und Boni leisten können und damit<br />
eine ungesunde Sogwirkung im Markt erzielen. KMU<br />
wollen oder können das meist nicht. Sie müssen<br />
Sabine Biland-Weckherlin,<br />
Partner bei da professionals ag<br />
deshalb mit anderem punkten. Etwa mit Freiraum,<br />
Schnelligkeit der Entscheidungsfindung und Unternehmenskultur.<br />
Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit<br />
sprechen gute Leute erfreulicherweise zusehends<br />
mehr an als ein hohes Salär.<br />
Am 1. Juli 2020 trat das Gleichstellungsgesetz<br />
in Kraft, das Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden<br />
zu einer Lohngleichheitsanalyse zwang.<br />
Diese sollte bis im Juni 20<strong>21</strong> durchgeführt werden.<br />
Was bringt das?<br />
Auch wenn die Massnahme von manchen als staatliche<br />
Einmischung in die «Privatsphäre» der Firmen<br />
betrachtet wird, kann niemand ernsthaft bestreiten,<br />
dass wir Jahrzehnte nach Einführung des Frauenstimmrechts<br />
immer noch ein Problem haben. Vielleicht<br />
hilft dieser Zwang der schweizerischen<br />
Gemächlichkeit, unliebsame Entwicklungen auszubremsen.<br />
Die verordnete Analyse kann, sofern sie<br />
ehrlich erstellt wird, ein erster Schritt in der Transparenzdiskussion<br />
sein, um ein längst fälliges Umdenken<br />
zu beschleunigen.<br />
Transparente Löhne könnten zu Neid führen.<br />
Sind solche Ängste berechtigt?<br />
Diese Frage ist durchaus berechtigt, denn der<br />
Mensch vergleicht sich in aller Regel mit Besser- und<br />
nicht mit Schlechtergestellten. Das löst unweigerlich<br />
Frust aus. Einen absolut fairen Lohn gibt es jedoch<br />
nicht. Wichtig bei der Lohntransparenz ist vor allem,<br />
dass die zugrunde liegenden Kriterien weitgehend<br />
nachvollziehbar sind. Eine hohe Lohnschere in<br />
Kombination mit Willkür bei den Salären und<br />
ungünstigem Führungsverhalten heizt die Diskussion<br />
hingegen zusätzlich an. Aus der Perspektive eines<br />
so agierenden Unternehmens ist es wohl nachvollziehbar,<br />
dass eine Reinigungsperson nicht wissen<br />
soll, was der CEO verdient.<br />
Gleichzeitig feiern wir die Transparenz auf<br />
Social Media, wo wir preisgeben, was uns heute<br />
gerade so durch den Kopf geht. Ein Widerspruch?<br />
Nein! Der Mensch ist schlicht und einfach ein unvernünftiges<br />
Wesen. Das wird sich künftig nicht<br />
ändern. Wie könnte es sonst sein, dass er nach<br />
Umweltschutz schreit und gleichzeitig immer grössere<br />
Müllberge schafft und protzige SUVs fährt?<br />
Social Media ist meiner Ansicht nach, ein Ventil für<br />
unser unsägliches Mitteilungsbedürfnis: ein Klick<br />
und die ganze Welt weiss es, auch wenn es niemanden<br />
interessiert. Glücklicherweise ist eine Gegenbewegung<br />
festzustellen: Digital Detox. Irgendwann<br />
wird sich das Ganze hoffentlich ausbalancieren.<br />
Über Löhne sprechen auch Frauen nicht gern<br />
und bekunden Mühe, Ansprüche zu stellen. Wie<br />
lässt sich das ändern?<br />
Frauen waren über Jahrhunderte hinweg Anhängsel<br />
der Männer und sind es in vielen Kulturen heute<br />
noch. Starre Muster halten sich in unseren Köpfen.<br />
Der Prozess der Veränderung braucht enorm viel<br />
Zeit. Hinzu kommt, dass Frauen trotz Emanzipation<br />
und Ausbildungsstand tatsächlich selten<br />
gleichberechtigt sind. Sei es, weil sie ihre Rechte<br />
nicht für sich einfordern oder weil es ihnen von<br />
aussen nicht zugestanden wird. Frauen dürfen und<br />
müssen diese aber einfordern. Damit sie gehört<br />
werden, müssen sich aber auch unsere Gesellschaft<br />
und unsere immer noch männlich geprägte<br />
Arbeitswelt verändern.<br />
a<br />
SABINE BILAND-WECKHERLIN<br />
Sabine Biland-Weckherlin ist Partner bei da<br />
professionals ag. Sie hat in den USA und der<br />
Schweiz studiert und in den Bereichen<br />
Kunst, Banking und Migration gearbeitet.<br />
Seit vielen Jahren ist sie in der Personalberatung<br />
tätig.<br />
da-professionals.ch<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
29
SCHWERPUNKT<br />
Compensation & Benefits<br />
NUR KEIN NEID<br />
WIE VIEL LOHNTRANSPARENZ<br />
BRAUCHT ES UND FÜ<strong>HR</strong>T SIE<br />
ZU FAIREREN LÖHNEN?<br />
WIR HABEN NACHGEFRAGT.<br />
Text: Christine Bachmann<br />
Lohntransprenz ist ein heisses Eisen in der<br />
Schweiz, wo bis zum heutigen Tag kaum<br />
über den Lohn gesprochen wird. Da helfen<br />
auch keine Online-Aktionen wie «Zeig deinen<br />
Lohn», eine Initiative, die 2019 von den<br />
kantonalen Gewerkschaftsbünden in Zürich<br />
und Schaffhausen lanciert wurde. Sinn der<br />
Aktion: Auf der Plattform kann jeder seinen<br />
Bruttolohn und seine Berufsbezeichnung<br />
samt Foto sowie Altersangabe offenlegen.<br />
Kritisch gegenüber vollkommener Lohntransparenz<br />
gibt sich auch Dominic Blaesi,<br />
Geschäftsführer von der Flaschenpost Services<br />
AG, der bislang vor allem negative<br />
Erfahrungen mit transparenten Löhnen<br />
gemacht hat. Lohntransparenz müsse ein<br />
Mittel zum Zweck sein: Soll die Transparenz<br />
Vertrauen oder Fairness schaffen? Geht es<br />
um Ideologie? «Da wir für uns bisher keinen<br />
stimmigen Zweck gefunden haben, der eine<br />
Lohntransparenz nötig macht, planen wir<br />
auch keine Veränderung.»<br />
1<br />
2<br />
Verhindert<br />
Lohntransparenz<br />
Neid und Missgunst?<br />
Wie viel Lohntransparenz<br />
herrscht in Ihrem Unternehmen,<br />
beziehungsweise, wie viel<br />
streben Sie aktuell an?<br />
Susanne Berchtold,<br />
<strong>HR</strong>-Leiterin,<br />
Schweizerischen Gehörlosenbund SGB-FSS<br />
Lohntransparenz macht für jeden Mitarbeitenden<br />
überprüfbar, ob ein Unternehmen ein faires<br />
Lohnsystem anwendet: intern im Vergleich mit<br />
ähnlichen Funktionen und extern mit ähnlichen<br />
Organisationen.<br />
Wir wollen Lohngleichheit sicherstellen und für<br />
Mitarbeitende überprüfbar machen. Deshalb<br />
haben wir ein Lohnsystem erarbeitet, das<br />
Schlüsselfunktionen definiert und Lohnbänder<br />
transparent macht. Jeder Mitarbeitende kann<br />
kontrollieren, ob er sich im Lohnband befindet und<br />
der richtigen Schlüsselfunktion zugeordnet wurde.<br />
Allerdings machen wir nicht den absoluten Lohn<br />
transparent. So gibt es innerhalb der Lohnbänder<br />
beispielsweise unterschiedliche Löhne, die von der<br />
Arbeitsleistung und weiteren Faktoren abhängig<br />
sind. Nun möchten wir einen Schritt weiter gehen,<br />
zumal wir seit 2020 nach Holacracy arbeiten. Daher<br />
wollen wir die Lohnentwicklung auf das neue<br />
Organisationssystem abstimmen.<br />
Die von uns befragten Unternehmen pflegen<br />
indes bereits eine Lohntransparenz oder<br />
sind auf dem Weg dorthin (siehe Tabelle<br />
rechts). Sie alle sind der Ansicht, dass kein<br />
Neid im Unternehmen geschürt wird, wenn<br />
Lohntransparenz richtig gehandhabt wird.<br />
Dazu brauche es aber ein faires und nachvollziehbares<br />
Lohn system für alle Mitarbeitenden.<br />
Nicht nur Lohntransparenz trage<br />
zu mehr Gehalts- Fairness bei, sagt Nadine<br />
Schlegel von Unic: «Es gibt weitere Möglichkeiten.»<br />
Beispielsweise eine ICT-Salärumfrage,<br />
an der ihr Unternehmen seit zehn<br />
Jahren jährlich teilnimmt. «Damit stellen<br />
wir unsere anonymisierten Daten anderen<br />
Firmen zur Verfügung, erhalten aber auch<br />
ein Benchmarking.» Daneben überprüft<br />
Unic seine Gehälter jährlich mit dem Standard-Analyse-Tool<br />
Logib. «Durch das darin<br />
enthaltene Ampelsystem wissen wir, in<br />
welcher Kategorie wir uns befinden und wo<br />
mögliche Lohndiskrepanzen bestehen.»<br />
Dass seit letztem Jahr die Lohngleichheit<br />
für Frauen und Männer gesetzlich verankert<br />
wurde, ist für sie ein Meilenstein in Richtung<br />
Lohn-Fairness.<br />
a<br />
3<br />
4<br />
Wie sorgen Sie<br />
für Lohngerechtigkeit?<br />
Kommunizieren Sie<br />
die Lohnhöhe auch<br />
Bewerbenden?<br />
Indem wir ein Lohnsystem mit Benchmarking<br />
besitzen, das für die Mitarbeitenden einsehbar<br />
ist, und <strong>HR</strong> systematisch in Lohnentscheidungen<br />
einbeziehen. Wer wie viel verdient, wird durch<br />
das Lohnsystem gesetzt. Die Entscheidung, wer<br />
am Ende wie viel verdient, trifft die rekrutierende<br />
und budgetverantwortliche Person. Früher lag die<br />
Entscheidung allein beim Geschäftsleitungsmitglied,<br />
das die Person rekrutierte.<br />
Wir zeigen die Lohnbänder für die Schlüsselfunktionen<br />
im Bewerbungsverfahren und erklären<br />
Bewerbenden, wo wir eine spezifische Person<br />
innerhalb des Lohnbandes einordnen.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
30<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>
Denise Jentsch & Patrick Neudorfer,<br />
<strong>HR</strong> Fachfrau & Architekt<br />
waldner partner<br />
Caroline Gürber,<br />
Human Resources<br />
Rahmensetzerin, Greenpeace<br />
Nadine Schlegel,<br />
Human Resources,<br />
Unic<br />
Wir verstehen unter Lohntransparenz zweierlei: Zum<br />
einen die Nachvollziehbarkeit des eigenen Lohnes:<br />
Wie kommt mein Lohn zustande und warum<br />
verdiene ich so viel, wie ich verdiene? Zum anderen:<br />
Was verdienen meine Kolleginnen und Kollegen?<br />
Beides braucht einen hohen Reifegrad der Mitarbeitenden.<br />
Vorausgesetzt, dass sich Mitarbeitenden<br />
gut einschätzen und reflektieren können, sollte die<br />
Kenntnis über die Löhne der anderen Kolleginnen<br />
und Kollegen keine Missgunst hervorrufen.<br />
Lohntransparenz kann eine grosse Lohnschere,<br />
höheren Lohn bei besserem Verhandlungsgeschick<br />
oder Gerüchte über unfaire<br />
Lohnunterschiede verhindern. Lohntransparenz<br />
ermöglicht zudem allen Mitarbeitenden,<br />
Grundsätzliches im Lohnsystem zu überprüfen.<br />
Beispielsweise, ob Mitarbeitende unabhängig<br />
ihres Geschlechts für die gleiche Arbeit den<br />
gleichen Lohn erhalten.<br />
Für unsere Mitarbeitenden ist jederzeit einsehbar, woran<br />
gearbeitet wird und wie es um die Geschäftszahlen steht.<br />
Für uns im <strong>HR</strong> ist es deshalb ebenfalls wichtig, klare sowie<br />
offene Grundlagen zum Gehalt zu kommunizieren – nicht<br />
nur intern, sondern auch extern im Austausch mit potenziellen<br />
Mitarbeitenden. Transparenz und Fairness bieten<br />
für bestehende sowie neue Mitarbeitende Orientierung.<br />
Wir wollen mit allen Mitarbeitenden die Reise zu mehr<br />
Lohntransparenz antreten. Sie sollen sich und ihre Fähigkeiten<br />
innerhalb der Organisation einordnen können.<br />
Allen muss verständlich sein, wie ein Gehalt zustande<br />
kommt. Nur so gelingt es, Neid oder Missgunst entgegenzuwirken.<br />
Transparenz ist ein wichtiger Bestandteil, damit<br />
ein selbstorganisiertes Unternehmen funktioniert.<br />
Infolge des Veränderungsprozesses vom inhaberzum<br />
mitarbeitergeführten Unternehmen haben wir<br />
deshalb ein Lohnmodell entwickelt, das die Löhne<br />
nachvollzieh bar macht. Dennoch herrscht noch<br />
keine vollständige Lohntransparenz. Diese wollen wir<br />
erst in einem zweiten Schritt realisieren, da sie ein<br />
gutes Selbsteinschätzungsvermögen voraussetzt.<br />
Das braucht unserer Ansicht noch etwas Zeit.<br />
Seit der Gründung von Greenpeace Schweiz<br />
vor 40 Jahren herrscht bei uns vollständige<br />
Lohntransparenz. Das gilt auch für die Löhne<br />
der Geschäftsleitung. Somit sind für alle Mitarbeitenden<br />
sämtliche Löhne intern jederzeit<br />
einsehbar. Mehr Lohntransparenz geht nicht.<br />
Aktuell sind wir am Anfang unserer Reise zu mehr Lohntransparenz.<br />
Die Gehälter der Mitarbeitenden kennen die<br />
jeweiligen Fachbetreuenden und die Lead Links. Dennoch<br />
können unsere Mitarbeitenden über die Fachbetreuenden<br />
oder über die <strong>HR</strong>-Mitarbeitenden eine Einschätzung erhalten<br />
und sich im Unic-Gehaltsgefüge sowie gegenüber<br />
externen Gehaltsbenchmarks einordnen. Mit dem im<br />
Februar 20<strong>21</strong> gestarteten Projekt «Transparente Gehaltsbänder»<br />
wollen wir die Lohntransparenz weiter ausbauen.<br />
Damit sollen Mitarbei tenden künftig Einsicht über sämtliche<br />
Gehaltsbänder erhal ten. Schon heute legen wir im<br />
<strong>HR</strong> ein Augenmerk darauf, dass Mitarbeitende in gleichen<br />
Fachkarriere-Rollen sowie gleichen Maturitätslevels fair<br />
entschädigt werden. Der Schritt zu transparenten Gehaltsbändern<br />
hilft uns dabei, das für alle zugänglich und<br />
sichtbar zu machen.<br />
Wir hatten lange den Anspruch, ein gerechtes Lohnmodell<br />
zu erarbeiten, und sind nach vielen Runden<br />
zur Erkenntnis gelangt, dass es dieses nicht gibt.<br />
Was für mich gerecht ist, ist für die Kollegin ungerecht.<br />
Das hat uns dazu bewogen, bei der Lohnbestimmung<br />
der Eigenverantwortung mehr Gewicht zu<br />
geben. Der Wunsch nach Objektivierung kann nicht<br />
erfüllt werden. Es geht um die Zufriedenheit jedes<br />
Einzelnen und diese ist individuell. Das neue Lohnmodell<br />
besteht aus einem «statischen» Teil, in dem<br />
unter anderem Ausbildung, Facherfahrung, Funktion<br />
und Rolle eingeschätzt werden. Dieser Schritt<br />
machen die «Hüter Lohn» gemeinsam mit dem Mitarbeitenden.<br />
Die Rolle der «Hüter Lohn» besteht in<br />
einer beratenden Funktion. Beim «dynamischen» Teil<br />
kann jeder Mitarbeitende einen Teil des Lohnes nach<br />
Selbst- und Peer-Einschätzung eigenverantworlich<br />
definieren. Niemand segnet diesen Lohn ab.<br />
Seit März 2020 arbeiten wir in einem Selbstorganisations-Modell.<br />
Deshalb entwickelten wir<br />
ein neues Lohnsystem mit sieben Lohnstufen,<br />
das wir im August 20<strong>21</strong> einführen. Der Werdegang<br />
spielt bei der Einstufung keine Rolle mehr.<br />
Vielmehr zählt der Beitrag dieser Rolle zum<br />
Organisationszweck, die Komplexität der Aufgaben,<br />
das Lebensalter sowie das Dienstalter.<br />
Wichtig: Wir führen die bisherigen Lohngleichheitsanalysen<br />
weiter. Im neuen Lohnsystem<br />
schlägt die Rolle «Lead Link» zusammen mit<br />
den potenziellen Rolleninhabenden der Rolle<br />
«Lohn» eine Lohneinstufung vor. Die Rolle<br />
«Lohn» berät sich anschliessend mit der Rolle<br />
«<strong>HR</strong>» über die Lohneinstufung und entscheidet<br />
dann. Dabei stellt die Rolle «Lohn» ein gesamtorganisatorisches<br />
Vorgehen und den internen<br />
Quervergleich sicher.<br />
Faire Gehälter, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind<br />
für uns wichtige Eckpfeiler im täglichen Miteinander.<br />
Bei einem Umstieg in eine andere Rolle erfolgt das<br />
über den Beförderungsprozess, in dem auch das Gehalt<br />
beurteilt wird. Ein Lohn kann bei einem Wechsel somit<br />
höher oder tiefer ausfallen. Im Rekrutierungsprozess<br />
beurteilen die Fachent scheidenden in engem Austausch<br />
mit dem <strong>HR</strong> über die Gehaltshöhe. Als Hilfsmittel dienen<br />
uns eine Fachkarriere-Matrix und die damit verbundenen<br />
Gehaltsdaten. Unter diesem Begriff verstehen wir<br />
27 beschriebene Fachkarriere-Rollen, die maxi mal in<br />
vier Maturitätslevels aufgegliedert sind. Im jährlichen<br />
Kompensations- und Promotionsprozess initiieren die<br />
Mit arbeitenden den Antrag auf eine Beförderung selbstständig.<br />
Dieser wird anschliessend in einem Gremium von<br />
Fachbetreuung, <strong>HR</strong> und Lead Link geprüft. Die Entscheidung<br />
über eine Beförderung liegt allein bei der Fachbetreuung.<br />
Wir kommunizieren keine Löhne, bevor ein erstes<br />
persönliches Gespräch stattgefunden hat. Vor allem,<br />
weil es bei uns keinen fixen Lohn für diese oder jene<br />
Funktion gibt. Ausserdem wollen wir das Entwicklungspotenzial<br />
des Bewerbenden spüren, bevor wir<br />
über den Lohn sprechen. Wer ist er? Was ist ihm<br />
wichtig? Erst danach können wir mit den Bewerbenden<br />
anhand des Lohnmodells gemeinsam einen<br />
Einstiegslohn finden.<br />
Wir kommunizieren die Lohnbandbreite in<br />
jeder Stellenausschreibung. Dafür erhalten wir<br />
sehr gutes Feedback. Die grosse Mehrheit der<br />
Bewerbenden ist froh um diese Klarheit und<br />
versteht, dass wir den Lohn nicht verhandeln.<br />
Bei uns stehen nicht das Alter, die Ausbildung oder die<br />
Zer tifikate im Fokus, sondern die passende (Fachkarriere-)Rolle<br />
und die Maturität. Die für die Rollen vordefinierten<br />
und notwendigen Kompetenzen sowie Indikatoren<br />
sind ebenfalls relevant. Um die Erwartungen hinsichtlich<br />
des Gehalts bei Bewerbenden frühzeitig abzuholen,<br />
erkundigen wir uns nach den Gehaltswünschen vor dem<br />
ersten Interview. Im Gespräch präsentieren wir unser<br />
Fachkarrieremodell und die damit verbundenen Gehaltshöhen.<br />
Mein persönlicher Wunsch wäre, Gehaltsbänder<br />
künftig direkt in einer Stellenausschreibung aufzuführen,<br />
um eine höhere Transparenz zu schaffen und die gegenseitigen<br />
Erwartungen frühzeitig zu klären.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
31
SCHWERPUNKT<br />
Compensation & Benefits<br />
FRINGE BENEFITS:<br />
DAS ZÜNGLEIN AN DER WAAGE<br />
ZAHLREICHE UNTERNEHMEN NUTZEN FRINGE BENEFITS, UM I<strong>HR</strong>E ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT ZU<br />
STEIGERN. VERME<strong>HR</strong>T TUN SIE ES AUCH, UM LERNENDEN WERTSCHÄTZUNG ENTGEGENZUBRINGEN.<br />
Text: Christine Bachmann<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
«Jugendliche für handwerkliche Berufe zu rekrutieren,<br />
wird von Jahr zu Jahr schwieriger», weiss<br />
Adrian Stocker, Projektleiter und Ausbildner bei<br />
der Kost Holzbau AG in Küssnacht. Um die Arbeitgeberattraktivität<br />
zu steigern und geeigneten<br />
Nachwuchs zu finden, reiche es heute nicht mehr,<br />
nur einen Lohn zu bezahlen. Für junge Fachkräfte<br />
seien Fringe Benefits bei der Wahl eines Arbeitgebenden<br />
häufig das «Zünglein an der Waage»,<br />
sagt Stocker. Deshalb biete sein Unternehmen<br />
den Jugendlichen eine grosse Palette an Mitarbeitervergünstigungen.<br />
Aus ähnlichen Beweggründen entrichtet das<br />
Luzerner Kantonsspital seinen Lernenden Fringe<br />
Benefits. Beim Krankenversicherer Sanitas sind<br />
eine faire Entlohnung und Fringe Benefits auf jeder<br />
Stufe ein Thema. «Das gilt auch für Lernende»,<br />
sagt Jasmine Scacchi, Leiterin Berufsbildung bei<br />
Sanitas.<br />
Arten von Fringe Benefits<br />
Ob Holzbau, Detailhandel oder Gesundheitswesen:<br />
Die Lernenden profitieren in allen Organisationen<br />
von Mitarbeitervergünstigungen. Etwa von<br />
Mittags- und Reisespesen, welche die Kost Holzbau<br />
AG schon vor Lehrstellenantritt ausrichtet.<br />
«Jugendliche sollen sich vom ersten Kontakt an<br />
bis zum Ausbildungsende wertgeschätzt und<br />
zugehörig fühlen», betont Adrian Stocker. Haben<br />
sie mit der Lehre begonnen, profitieren sie zudem<br />
von Gutscheinen für Sicherheitsschuhe und<br />
Arbeitskleidung und geniessen gewisse Vorzugskonditionen.<br />
Etwa beim Materialeinkauf für private<br />
Projekte oder bei der Vorbereitung auf die<br />
Teilnahme an den Berufsmeisterschaften «Swiss<br />
Skills». Auch im Detailhandel geizt man nicht mit<br />
Zusatzleistungen: Gemäss Benni Lurvink, Leiter<br />
Ausbildung National bei Coop, erhalten Lernende<br />
beispielsweise für den Kauf eines Notebooks oder<br />
Tablets einen Gutschein von 500 Franken, sechs<br />
Wochen Ferien oder eine Kostenbeteiligung an<br />
Zugbillette.<br />
Lernende werden beim Luzerner Kantonsspital<br />
ebenso umsorgt: Sie bekommen 29 Tage Ferien,<br />
ein kostenloses Halbtax-Abonnement, eine Lernberatung<br />
und können Austausch-Praktika in<br />
anderen Organisationen absolvieren. «Beispielsweise<br />
bei der Spitex», sagt Ingrid Oehen, Leiterin<br />
Ausbildung, Departement Pflege und Soziales<br />
beim Luzerner Kantonsspital. Die Sanitas ihrerseits<br />
übernimmt die Kosten für sämtliche Schulbücher,<br />
welche die Berufsfachschule vorschreibt, und bietet<br />
vergünstigte Krankenversicherungen sowie<br />
Unfallversicherungen. Daneben beteiligt sich der<br />
Krankenversicherer an den Kosten von Sprachaufenthalten<br />
und beim Kauf eines Business-Laptops.<br />
JUGENDLICHE SOLLEN<br />
SICH VOM ERSTEN<br />
KONTAKT AN BIS ZUM<br />
AUSBILDUNGSENDE<br />
WERTGESCHÄTZT UND<br />
ZUGEHÖRIG FÜHLEN.<br />
ADRIAN STOCKER, AUSBILDNER,<br />
KOST HOLZBAU AG<br />
Positive Rückmeldungen<br />
Fringe Benefits bei Sanitas werden ausgiebig<br />
genutzt und sind bei den Lernenden beliebt. «Das<br />
Halbtax-Abo dient mir nicht nur im Berufsalltag,<br />
sondern auch privat», verdeutlicht Sanitas-Praktikant<br />
Christian. Bei der Kost Holzbau AG finden<br />
die Lernenden ebenfalls Gefallen an den offerierten<br />
Goodies: «Ich höre nur Positives in den Halbjahresgesprächen»,<br />
sagt Ausbildner Adrian Stocker.<br />
Auch beim Luzerner Kantonsspital werden<br />
die Nachhilfeangebote und Lernbegleitungen<br />
geschätzt und rege in Anspruch genommen, sagt<br />
Ingrid Oehen.<br />
Fringe Benefits-Angebote sind selten statisch. Das<br />
weiss auch Adrian Stocker: «Deshalb ergänzen wir<br />
unsere Mitarbeitervergünstigungen stetig und<br />
achten auf einmalige Angebote.» Wichtig sei herauszufinden,<br />
was Mitarbeitenden und Lernenden<br />
am meisten nütze. Beim Detailhandelskonzern<br />
Coop werden Lernende hierzu ständig befragt:<br />
«So wissen wir, welche Angebote sich unsere<br />
Lernenden tatsächlich wünschen», sagt Benni<br />
Lurvink. Gemäss Jasmine Scacchi von Sanitas<br />
steigern Fringe Benefits nicht nur die Arbeitgeberattraktivität<br />
und helfen bei der Rekrutierung, sie<br />
haben auch einen gesellschaftlichen Nutzen:<br />
«Dadurch fördern wir das duale Bildungssystem<br />
der Schweiz.»<br />
a<br />
Rechtliche Aspekte<br />
Fringe Benefits sind gemäss Rechtsanwalt Nicolas<br />
Facincani von Voillat Facincani Sutter + Partner<br />
eine spontane Anerkennung von Arbeitgebenden<br />
und gehören zu den Lohnnebenleistungen.<br />
Abgegrenzt davon sind der Lohn als Arbeitskraft-<br />
Entgelt, der Bonus als leistungs- und erfolgsabhängige<br />
Zusatzvergütung zum Lohn und die<br />
Spesen als Entschädigung für berufliche Auslagen.<br />
Beispiele für Fringe Benefits sind Geschäftsfahrzeug,<br />
Fitnessclub-Beitrag oder Mobiltelefon für<br />
den privaten Gebrauch. Bei Mitarbeitenden können<br />
Fringe Benefits entweder mündlich, schriftlich,<br />
stillschweigend oder konkludent vereinbart<br />
werden. Fringe Benefits besitzen gemäss Art. 322<br />
OR (Gratifikation) dann Lohncharakter, wenn ein<br />
Rechtsanspruch auf deren Ausrichtung besteht.<br />
Gelten Fringe Benefits als Lohnbestandteil, sind<br />
sie während der Freistellung oder nach erfolgter<br />
ungerechtfertigter fristloser Kündigung weiter zu<br />
gewähren.<br />
vfs-partner.ch<br />
32
Compensation & Benefits<br />
SCHWERPUNKT<br />
Ingrid Oehen,<br />
Leiterin Ausbildung Departement Pflege und Soziales<br />
beim Luzerner Kantonsspital<br />
Adrian Stocker,<br />
Projektleiter und Ausbildner bei der Kost Holzbau AG<br />
Jasmine Scacchi,<br />
Leiterin Berufsbildung bei Sanitas<br />
Benni Lurvink,<br />
Leiter Ausbildung National bei Coop<br />
Anzeige<br />
Sprache und<br />
Kommunikation<br />
die Schlüsselkompetenzen<br />
für jedes Unternehmen<br />
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Kommunikationsfähigkeiten Ihrer Mitarbeitenden<br />
zu verbessern – vom Erlernen von arbeitsbezogenen<br />
Grundkompetenzen bis zu Präsentations- und<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
33
SCHWERPUNKT<br />
Compensation & Benefits<br />
NICHT UM JEDEN PREIS<br />
EINERSEITS WÜNSCHEN SICH ARBEITNEHMENDE ME<strong>HR</strong> OFFENHEIT ZU LÖHNEN.<br />
ANDERERSEITS IST VORNEHMES SCHWEIGEN ZU FINANZIELLEN THEMEN IN DER SCHWEIZ<br />
KULTURELL FEST VERANKERT. WIE SOLL EIN UNTERNEHMEN DAMIT UMGEHEN?<br />
Gastbeitrag: Stephan Hostettler und Niculin Schmied<br />
Stephan Hostettler ist<br />
Managing Partner bei<br />
HCM International.<br />
Niculin Schmied ist<br />
Associate Consultant<br />
bei HCM International.<br />
<strong>HR</strong>-Teams stellen sich zur Lohntransparenz-Diskussion im Kern<br />
folgende zwei Fragen: Inwiefern sind wir bereit, transparent<br />
zu machen, wie Löhne bei uns festgelegt werden, und in welchem<br />
Umfang wollen und können wir exakte, individuelle Lohninformationen<br />
offenlegen?<br />
Das ist auch branchenabhängig. So sind die jeweiligen Lohnbänder<br />
bei Verwaltungsstellen fest definiert und öffentlich<br />
zugänglich, während diese in der Privatwirtschaft nur intern,<br />
wenn überhaupt, kommuniziert werden. In einer Studie der<br />
Universität Luzern, zu der über 500 <strong>HR</strong>-Verantwortliche aus<br />
privaten, öffentlichen und Non-Profit-Unternehmen mit Sitz<br />
in der Schweiz befragt wurden, zeigte sich hierzu, dass sich<br />
Organisationen mit Lohntransparenz unterschiedlich zurückhalten.<br />
Ist diese bei Lohnnebenleistungen am höchsten, fällt<br />
sie bei individuellen variablen Lohnbestandteilen am tiefsten<br />
aus. In der Studie gab die Hälfte der untersuchten Unternehmen<br />
an, wie Grundgehälter, Lohnerhöhungen oder variable<br />
Vergütungen auf Team- oder Unternehmensebene zustande<br />
kamen. Lediglich 40 Prozent erklärten jedoch, wie sich der<br />
individuelle und variable Vergütungsanteil zusammensetzt.<br />
Transparenz bei der Höhe des Grundlohns, bei Lohnerhöhungen<br />
sowie team- oder unternehmensbasierter variabler Vergütung<br />
kennen 30 Prozent der befragten Unternehmen. Weitere<br />
30 Prozent veröffentlichen dagegen nur zusammengefasste<br />
Informationen wie Lohnbänder oder -mittelwerte.<br />
Bei «New Work» steht zudem der Gesamterfolg eines Teams<br />
und des Unternehmens im Zentrum und nicht mehr das persönliche<br />
Abschneiden eines einzelnen Mitarbeitenden. Deshalb<br />
sollte die Vergütung bei «New Workern» nicht mehr an individuelle<br />
Ziele geknüpft werden. Hingegen sollte der variable<br />
Lohnanteil als Erfolgsbeteiligung auf dem Team- oder Unternehmenserfolg<br />
basierend ausbezahlt werden. Dies fördert die<br />
Zusammenarbeit und sorgt für innovationsorientiertes Arbeiten.<br />
Gleichzeitig dürfen aber individuelle Ziele und Beurteilungen<br />
nicht fehlen. Der Brückenschlag gelingt mit dem Ansatz<br />
«Führung und Geld trennen».<br />
Dabei ist wichtig, dass Mitarbeitenden das Lohnsystem erklärt<br />
wird. Da sich die Rollen und Verantwortlichkeiten bei weniger<br />
ausgeprägten Hierarchien innerhalb eines Unternehmens rasch<br />
verändern können, sollten sie wissen, welche Lohnbänder mit<br />
welchen Anforderungsprofilen verknüpft sind und die Anforderungen<br />
kennen, um in ein höheres zu gelangen. Dies verschafft<br />
Mitarbeitenden Klarheit zu ihrer Vergütungssituation<br />
«New Work» und Lohntransparenz<br />
Die vollständige Offenlegung aller Löhne gewinnt wegen des<br />
Themas «New Work» an Aktualität. Da sich Hierarchien in der<br />
neuen Arbeitswelt oft verringern oder wegfallen, werden unter<br />
dem Begriff «New Pay» neue Ansätze zur Festlegung der Vergütung<br />
diskutiert. Einzelne Start-ups und KMU gehen mittlerweile<br />
so weit, dass Mitarbeitende in einem mehrstufigen Prozess<br />
ein gewünschtes Lohnminimum und -maximum angeben,<br />
um den Lohn anschliessend im Team auszuhandeln.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Eine solche «radikale» Lohntransparenz kann in einzelnen<br />
Unternehmen funktionieren. Für einen Grossteil der Unternehmen<br />
ist sie aber nicht umsetzbar, da etablierte Lohnstrukturen<br />
auch aufgrund vertraglicher Bedingungen nicht per<br />
sofort verändert werden können.<br />
34
und zeigt auf, was sie leisten müssen, um einen höheren Lohn zu<br />
erhalten. Eine vollständige Lohntransparenz ist auch bei «New Work»<br />
nicht notwendig, weil interne Diskussionen mit der Offenlegung des<br />
Lohnprozesses bereits vermindert oder verhindert werden können.<br />
RECRUITING SOLUTIONS<br />
BLOG<br />
Trotz Lohnanalysen keine gläsernen Saläre<br />
Einen festen Platz hat die Salärtransparenz auch in der Gleichstellungsdebatte.<br />
Um die immer noch bestehende Lohnungleichheit zwischen<br />
Frauen und Männern zu adressieren, trat am 1. Juli 2020 die Revision<br />
des Bundesgesetzes für die Gleichstellung von Mann und Frau in Kraft:<br />
Arbeitgebende mit über 100 Mitarbeitenden müssen alle vier Jahre<br />
eine Lohngleichheitsanalyse durchführen und diese durch eine unabhängige<br />
Stelle validieren lassen. Die Transparenz im Lohnfindungsprozess<br />
lindert zwar das Ausmass einer Diskriminierung, die absolute<br />
Lohnhöhe ist aber nach wie vor privat. Somit kann die Lohngleichheitsanalyse<br />
zwar zu mehr Disziplin im Gehaltsystem beitragen und<br />
die Lohndiskriminierung abschwächen und bestenfalls verhindern, sie<br />
führt aber nicht per se zu mehr Lohntransparenz.<br />
EINE HOHE LOHNTRANSPARENZ<br />
FÜ<strong>HR</strong>T NICHT AUTOMATISCH ZU<br />
ME<strong>HR</strong> ARBEITSZUFRIEDENHEIT.<br />
FACEBOOK JOBS: AKTUELL ODER<br />
DOCH EHER VON GESTERN?<br />
Seit einigen Jahren bietet Facebook in Deutschland, Österreich<br />
und der Schweiz die Funktion «Facebook Jobs» an. Hierbei<br />
soll vor allem der Bewerbungsprozess vereinfacht und für beide<br />
Seiten schneller gemacht werden. Ist diese Möglichkeit aber<br />
wirklich hilfreich? Und vor allem: ist sie tatsächlich noch<br />
relevant?<br />
FACEBOOK JOBS – WAS IST DAS?<br />
Was zunächst nur für den US-amerikanischen Markt möglich<br />
war, ist in der Suchfunktion «Marketplace» unter «Jobs» seit 2018<br />
auch in der Schweiz möglich. Das Ziel dabei ist es – aus Sicht der<br />
Stellensuchenden – möglichst einfach und unkompliziert einen<br />
neuen Job zu finden. Hierbei können Bewerbende ganz einfach<br />
ihre Berufsbezeichnung eingeben und sich durch einen Schieberegler<br />
über neue, passende Jobanzeigen benachrichtigen lassen.<br />
Weitere Kriterien wie der Radius, Teil- oder Vollzeit und ähnliche<br />
Merkmale lassen sich ebenfalls einstellen. Sobald diese gespeichert<br />
sind, werden dem Kandidaten passende Stellen angezeigt.<br />
Keine zunehmende Zufriedenheit<br />
Eine hohe Lohntransparenz führt nicht automatisch zu mehr Arbeitszufriedenheit:<br />
Etwa im US-Bundesstaat Kalifornien, wo im öffentlichen<br />
Dienst 2012 eine weitgehende Lohntransparenz eingeführt und die<br />
Höhe der Gehälter offengelegt wurden. Als Resultat sank die Arbeitszufriedenheit<br />
bei den Gutverdienenden aufgrund ihres Lohnvergleichs<br />
mit Kollegen und bei Niedrigverdienenden durch den Lohnvergleich<br />
mit anderen Bereichen.<br />
Eine unterschiedliche Betrachtungsweise ist ebenso bei unterschiedlichen<br />
Tätigkeiten erforderlich: Bei objektiv nachvollziehbaren effizienzorientierten,<br />
repetitiven Aufgaben können Löhne einfacher offengelegt<br />
werden als bei innovationsorientierten, kognitiv anspruchsvolleren<br />
Tätigkeiten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen<br />
mit gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitenden häufiger<br />
individuelle Informationen zur Vergütung und zu Lohnerhöhungen<br />
veröffentlichen.<br />
Zweifelsohne ist Offenheit eine Schlüsselanforderung bei der Einführung<br />
von mehr Lohntransparenz. Will man die Gehaltshöhe offenlegen,<br />
muss zuvor jedoch Transparenz im Lohnprozess geschaffen werden,<br />
damit alle Beteiligten wissen, aus welchen Bausteinen ein individueller<br />
Lohn besteht. Ansonsten kommt es zwischen den Mitarbeitenden<br />
zum Lohngerangel. Ein transparentes Lohnsystem ersetzt die Führung<br />
durch Vision und Inspiration nicht. Deshalb ist – wie wir es nennen –<br />
«Führung und Geld trennen» wichtig. Auch wenn Hierarchien zunehmend<br />
abgebaut werden, muss dem Mitarbeitenden bei «New Work»<br />
Sinn vermittelt und erklärt werden, warum gewisse Aufgaben im<br />
Gesamtkontext wichtig sind.<br />
a<br />
IST FACEBOOK JOBS NOCH RELEVANT?<br />
Zwar tummelt sich die jüngere Generation eher auf TikTok oder<br />
anderen sozialen Plattformen, mit über 3,49 Millionen aktiven<br />
Nutzern in der Schweiz (Facebook hat den Stand Ende Dezember<br />
2020 veröffentlicht) ist Facebook allerdings immer noch hoch<br />
im Kurs. Unternehmen dürfen hierbei nicht vergessen, dass nicht<br />
nur blutjunge, Studien- oder Lehrabgänger Stellen suchen. Auch<br />
Mittelalte bis ältere sind aktiv – und bringen oftmals Erfahrung<br />
und das nötige Fachwissen mit. Deswegen, und weil sich die<br />
Nutzung sozialer Medien seit dem Start der Corona-Pandemie<br />
erhöht haben, dürfte sich Facebook keine allzu grossen Sorgen<br />
machen, dass die Facebook Jobs ein Ding von gestern werden.<br />
WORAUF UNTERNEHMEN ACHTEN MÜSSEN<br />
Unternehmen, die diese direkte Art des Bewerbungsprozesses für<br />
sich entdeckt haben – oder es gerade tun – sollten hierbei eines<br />
besonders beachten: die Zielgruppe. Denn wie bei jeder anderen<br />
Plattform möchten Sie die richtigen Kandidaten für Ihr Unternehmen<br />
finden. Was nützt die schönste Stellenanzeige, wenn sie von<br />
den falschen Personen gefunden wird? Ist die Zielgruppe also<br />
richtig eingestellt, kann die Suche losgehen. Gut zu wissen:<br />
Stellenanzeigen können nicht<br />
nur als organischer Post auf der<br />
eigenen Facebook-Seite hochgeladen,<br />
sondern auch beworben<br />
werden. Dadurch erscheint<br />
die Stelle im News-Feed und im<br />
WEITERLESEN:<br />
Marketplace. Die Chance, dass<br />
bit.ly/blogprospective<br />
noch mehr Bewerbende die<br />
Stelle sehen, erhöht sich dadurch<br />
um ein Vielfaches.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
35
Presented by<br />
«FROM TRAGIC TO MAGIC»<br />
- DREI MYTHEN ÜBER DAS <strong>HR</strong>-OUTSOURCING<br />
V<br />
G<br />
Z<br />
Schon in Mesopotamien wurde Datensicherung<br />
betrieben. Zugegeben, die Tontafeln die 2 000 vor<br />
Christus dafür zur Anwendung kamen, waren nicht<br />
wirklich praktisch. Für die dauerhafte Speicherung<br />
von Bild- und Schriftdaten erfüllten sie aber ihren<br />
Zweck. Grundsolide und für die Ewigkeit gemacht.<br />
F O<br />
S :<br />
T O<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Seither hat sich einiges getan. Gut 4 000 Jahre später<br />
kommen wir zum Wort der Stunde - die Digitalisierung.<br />
Was die Menschen in Mesopotamien in<br />
mühseliger Arbeit mit Knochenkeilen in die Tafeln<br />
ritzten, ist heute in Bites und Bytes aufgeschlüsselt.<br />
Keine Human Resources-Abteilung (<strong>HR</strong>) führt mehr<br />
Tontafeln im Archiv. Einige <strong>HR</strong>-Prozesse erinnern in<br />
ihrer Behäbigkeit immer noch an diese vorchristliche<br />
Arbeitsweise. Mit der Folge, dass sich das <strong>HR</strong> nicht<br />
um das «H» in deren Berufsbeschreibung kümmert<br />
– den Mitarbeitenden. Eine Lösung hierfür bietet<br />
das Outsourcing verschiedener <strong>HR</strong>-Prozesse. Dieses<br />
kämpft aber gegen viele Vorurteile an. Stichworte<br />
wie Kontrollverlust und überbordende Kosten werden<br />
hier immer wieder zur Befeuerung der Vorbehalte<br />
herangezogen. Was hat es damit auf sich?<br />
Prüfen wir die Fakten.<br />
Mythos 1: <strong>HR</strong>-Outsourcing ist teuer<br />
Bei der Investitionsentscheidung für <strong>HR</strong>-Prozesse<br />
gilt der Total Cost of Ownership (TCO) als heiliger<br />
Gral der Gegenüberstellung effektiver Aufwendungen.<br />
Wer nur diese Kennzahl berücksichtigt, begeht<br />
aber einen grossen Denkfehler. Er vergleicht Äpfel<br />
mit Birnen. Hier fehlt nämlich ein wichtiges Element,<br />
um eine praktikable Aussage zur Rentabilität<br />
einer <strong>HR</strong>-Investition machen zu können. Der sogenannte<br />
Return on Investment (ROI). Die Frage ist<br />
hier beispielsweise nicht, ob man das «Payroll» outsourcen<br />
soll. Die Frage lautet: Was gewinne ich,<br />
wenn ich die dadurch freiwerdenden <strong>HR</strong>-Ressourcen<br />
in wertschöpfende Aufgaben investiere? Denken<br />
Sie etwa an das «Recruiting», das «Talent Retention»,<br />
das «Talent Development» oder auch das<br />
«Employer Branding». Die Liste liesse sich an dieser<br />
Stelle endlos weiterführen.<br />
Mythos 2: <strong>HR</strong>-Outsourcing führt zu Kontrollverlust<br />
Kontrollverlust ist für Unternehmen ein grosses<br />
Thema. Es lohnt sich aber auch über einen weiteren<br />
Verlust zu sprechen. Den Know-How-Verlust. Schön<br />
und gut, wenn ein Excel-affiner <strong>HR</strong>-Mitarbeitender<br />
eine makrobeladene Reporting-Datei aufsetzt. Ein<br />
praktisches Dokument, welches farbenfrohe<br />
Kuchendiagramme erstellen kann. Was passiert<br />
aber, wenn dieser Mitarbeitende das Unternehmen<br />
eines Tages verlässt oder krankheitsbedingt für<br />
längere Zeit ausfällt? Hier sollten frühzeitig Lösungen<br />
bereitstehen, die den Know-How-Transfer an<br />
neue Mitarbeitende jederzeit gewährleisten. Auch<br />
der Aufrechterhaltung von IT-Systemen kommt im<br />
Bereich Kontrolle eine grosse Rolle zu. Die Tools<br />
müssen in der Lage sein, Informationen in Echtzeit<br />
und örtlich flexibel verfügbar zu machen. Denn<br />
gerade in Pandemiezeiten ist diese Flexibilität unerlässlich.<br />
Mythos 3: Administration ist Sache des <strong>HR</strong><br />
Das wichtigste Asset eines Unternehmens sind die<br />
Mitarbeitenden. Das ist irgendwo gut sichtbar in<br />
den Visionen und Werten der Unternehmen niedergeschrieben.<br />
Allzu oft ist es aber so, dass gerade<br />
dieser Asset nicht als solcher behandelt wird. In<br />
praktisch jeder Abteilung dreht sich alles nur um<br />
das Kundenerlebnis, der sogenannten «User Experience».<br />
Warum sollten die Mitarbeitenden nicht<br />
auch davon profitieren dürfen? Schliesslich verbringen<br />
wir einen Grossteil unseres Lebens am Arbeitsplatz.<br />
Wo bleibt hier also die «Employee Experience»?<br />
Die Antwort ist schnell gefunden. Auf der<br />
Strecke. Gerade der administrative Aufwand ist für<br />
Mitarbeitende mühselig. Anstatt Lohnauszüge,<br />
Feriensaldi oder Arbeitsbestätigungen bequem<br />
online herunterladen zu können, warten viele am<br />
Hörer auf eine Antwort des <strong>HR</strong>. Das Schlimmste<br />
daran: die fantasievollen Warteschlaufen mit wirklich<br />
mässigem Musikgeschmack. Ist der Anruf getätigt<br />
oder die Mail geschrieben, vergeht eine gefühlte<br />
Ewigkeit, bis eine entsprechende Antwort kommt.<br />
René Pucnik<br />
Key Account Manager<br />
Trianon AG<br />
Geben Sie Ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit<br />
Daten des Daily Business selbst zu verwalten und<br />
zu beziehen. Einfach und schnell. Dieses Motto<br />
macht sich auch in der Rekrutierung gut. Denn auch<br />
hier gilt: Je attraktiver das «Bewerbungserlebnis»<br />
gestaltet wird, desto höher die Arbeitgeberattraktivität.<br />
Kurz und bündig:<br />
Die genannten Aspekte sind eng miteinander verzahnt.<br />
Sie lassen sich um viele weitere ergänzen,<br />
wie beispielsweise das Thema «Employer of Choice».<br />
Ein attraktiver Arbeitgeber erhält auf offene Stellen<br />
interessantere und spannendere Bewerbungen als<br />
die Konkurrenz. Grossartig, oder? Darum lohnt sich,<br />
das Outsourcing von <strong>HR</strong>-Prozessen mit Blick auf<br />
einen nachhaltigen Unternehmenserfolg zu prüfen.<br />
Finden Sie den geeigneten Partner für Ihre Datensicherheit,<br />
Skalierbarkeit, Integration von Prozessen,<br />
Kapazitäten und System-Aktualität. So macht die<br />
Zusammenarbeit mit einem Outsourcing-Anbieter<br />
nachhaltig Freude und bringt die beschriebenen<br />
positiven Effekte für das gesamte Unternehmen.<br />
Insbesondere für das <strong>HR</strong>.<br />
36
THEMA<br />
Arbeit und Recht (Seite 38) • Social Investment (Seite 45) • Learning (ab Seite 48)<br />
NUR KEINE SCHWÄCHE ZEIGEN<br />
Über ein Drittel der Schweizer Arbeitnehmenden fühlen sich seit<br />
Ausbruch der Pandemie unglücklicher. Das zeigt eine weltweite<br />
Studie des Cloud-Lösungsanbieters Avaya, für die weltweit 10 000<br />
Arbeitnehmende befragt wurden. Das hängt zum einen mit den<br />
fehlenden sozialen Kontakten zusammen, zum anderen stören<br />
Geldnöte, Ängste und Risikoaversion den Seelenfrieden. Aus Angst<br />
vor einem Arbeitsplatzverlust geben 24 Prozent der Schweizerinnen<br />
und Schweizer der Arbeit gegenüber ihrem persönlichen<br />
Wohlbefinden den Vorrang. So bezeichnen sich 34 Prozent als<br />
Workaholics, 32 Prozent kämpfen mit ihrer Work-Life-Balance<br />
und 39 Prozent fühlen sich in ihrer täglichen Routine gefangen.<br />
Rund 46 Prozent der Schweizer Befragten würden gerne einen<br />
Gang zurückschalten, trauen sich aber aus Angst vor einem<br />
Arbeitsplatzverlust nicht. avaya.com/de/work-life-studie<br />
Steigende Unsicherheit<br />
um Altersvorsorge<br />
Die Altersvorsorge der Schweizerinnen und Schweizer steht auf dem<br />
Sorgenbarometer ganz oben auf der Liste. Das ist der AXA-Vorsorgestudie<br />
20<strong>21</strong> zu entnehmen, zu der 1031 Personen aus der Deutschund<br />
Westschweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt wurden. Mehr<br />
als 70 Prozent der Antwortenden glauben, dass sich der Druck auf<br />
die Altersvorsorge durch die Corona-Krise weiter verschärft.<br />
8 VON 10<br />
Schweizerinnen<br />
und Schweizer<br />
möchten ihre<br />
Arbeitszeit flexibel<br />
einteilen.<br />
Jeder zehnte<br />
träumt sogar<br />
vom kompletten<br />
Homeoffice. Das<br />
ist der Global-Talent-Studie von Jobcloud und der Boston Consulting<br />
Group zu entnehmen, für die 108 000 Arbeitnehmende und Arbeitssuchende<br />
aus 190 Ländern befragt wurden.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
37
THEMA<br />
Arbeit und Recht<br />
WIE SICH DER VERKAUF EINES BETRIEBS<br />
AUF DIE ARBEITSVERHÄLTNISSE AUSWIRKT<br />
WENN EIN BETRIEB ODER BETRIEBSTEIL VERKAUFT ODER ÜBERTRAGEN WIRD, GEHEN DIE ARBEITSVERHÄLTNISSE<br />
AUTOMATISCH AUF DEN KÄUFER ÜBER, SOFERN DAS DIE ARBEITNEHMENDEN NICHT ABLEHNEN.<br />
Gastbeitrag: Nicolas Facincani<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Nicolas Facincani, lic.<br />
iur., LL.M., ist Partner<br />
der Anwaltskanzlei<br />
Voillat Facincani Sutter<br />
+ Partner. Er ist als<br />
Rechtsanwalt tätig und<br />
berät Unternehmen<br />
und Private vorwiegend<br />
in wirtschafts- und<br />
arbeitsrechtlichen<br />
Belangen.<br />
vfs-partner.ch<br />
Von einem Betriebsübergang spricht das Schweizer Recht, wenn<br />
der Betrieb auf einen Dritten übertragen wird. Das geschieht in<br />
der Regel durch ein Rechtsgeschäft wie einen Kauf oder eine<br />
Schenkung. Dabei ist es notwendig, dass der Betrieb die Identität<br />
bewahrt: den Betriebszweck, die Organisation und den individuellen<br />
Charakter. Das Unternehmen muss zudem weiterhin<br />
eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausüben. Kein Betriebsübergang<br />
liegt vor, wenn die Aktien einer Aktiengesellschaft oder<br />
Stammanteile einer GmbH übertagen werden, oder die<br />
Geschäftsführung einer Gesellschaft ändert.<br />
Es ist nicht nötig, dass bei einem Betriebsübergang zwischen<br />
altem und neuem Betriebsinhabenden eine Rechtsbeziehung<br />
besteht (BGE 123 III 466 ff.). Diesbezüglich hielt das Bundesgericht<br />
fest, dass es für einen Betriebsübergang im Sinne von Art. 333<br />
Abs. 1 OR genüge, wenn ein Betrieb vom neuen Inhaber weitergeführt<br />
oder übernommen werde. Dabei sei unerheblich, ob<br />
zwischen erstem und zweitem Eigentümer ein Rechtsverhältnis<br />
besteht oder nicht.<br />
Das Schweizer Recht enthält keine Definition des Betriebs oder<br />
des Betriebsteils. Das Bundesgericht definiert in seiner Rechtsprechung<br />
den Betrieb als «eine auf Dauer gerichtete, in sich<br />
geschlossene organisatorische Leistungseinheit, die selbständig<br />
am Wirtschaftsleben teilnimmt zur fortgesetzten Verfolgung<br />
eines arbeitstechnischen Zweckes». Bei Betriebsteilen handelt es<br />
sich indes um organisatorische Leistungseinheiten, denen die<br />
wirtschaftliche Selbständigkeit fehlt (BGE 129 III 335 E. 2.1).<br />
Übergang der Arbeitsverhältnisse<br />
Wird der Betrieb oder der Betriebsteil im beschriebenen Sinne<br />
übertragen, sieht das Gesetz vor, dass sämtliche dem Betrieb<br />
beziehungsweise dem Betriebsteil zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse<br />
mit dem Tag der Betriebsnachfolge auf den Erwerbenden<br />
übergehen, sofern die betroffenen Arbeitnehmenden den Übergang<br />
nicht ablehnen. Der Übergang erfolgt von Gesetzes wegen<br />
automatisch. Eine Zustimmung der Arbeitnehmenden ist nicht<br />
erforderlich. Ebenso kann der Erwerbende den Übergang nicht<br />
ablehnen. Es werden sämtliche Rechte und Pflichten übertragen,<br />
auch offene Forderungen aus Lohn-, Ferien- oder Überstundenguthaben.<br />
Wenn ein Gesamtarbeitsvertrag besteht, muss der Erwerbende<br />
diesen während eines Jahres nach Betriebsübergang einhalten,<br />
sofern dieser nicht vorher abläuft oder infolge Kündigung endet.<br />
Der Erwerbende des Betriebs oder Betriebsteils muss den Gesamtarbeitsvertrag<br />
somit auch dann beachten, wenn dieser auf ihn<br />
sonst nicht anwendbar wäre.<br />
Ablehnungsrecht<br />
Die betroffenen Arbeitnehmenden haben das Recht, den Übergang<br />
des Arbeitsverhältnisses abzulehnen. Die Ablehnung ist an<br />
den jeweiligen Arbeitgebenden zu richten und kann formlos<br />
geschehen. Vor dem Betriebsübergang geht sie an den bisherigen<br />
Arbeitgebenden, danach an den neuen.<br />
Die Praxis nimmt an, dass Arbeitnehmenden eine Frist von etwa<br />
einem Monat zugestanden werden soll, während der sie ihr Ablehnungsrecht<br />
ausüben können. Das gilt auch, wenn Arbeitnehmenden<br />
keine Frist gesetzt wird. Die Frist läuft ab dem Moment, in<br />
dem der Betriebsübergang angekündigt wird, oder bei fehlender<br />
Ankündigung ab dem Moment, in welchem die Arbeitnehmenden<br />
Kenntnis der wesentlichen Umstände des Betriebsübergangs<br />
haben.<br />
Lehnen die Arbeitnehmenden den Übergang des Arbeitsverhältnisses<br />
ab, wird dieses nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist<br />
auf den nächsten gesetzlichen Kündigungstermin aufgelöst,<br />
wobei das Arbeitsverhältnis frühestens per Betriebsübergangsdatum<br />
endet. Endet die Kündigungsfrist erst nach dem Betriebsübergang,<br />
geht das Arbeitsverhältnis zunächst auf den Erwerbenden<br />
über. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der<br />
Vertrag von den Parteien zu erfüllen.<br />
Solidarische Haftung<br />
Für einen Arbeitnehmenden dessen Arbeitsverhältnis automatisch<br />
übertragen wird, besteht das Risiko, dass der neue Arbeitgebende<br />
nicht gleichermassen liquid ist. Das Gesetz verschafft<br />
hier Abhilfe, indem es vorsieht, dass der bisherige Arbeitgebende<br />
und der Erwerbende des Betriebs solidarisch für gewisse Forderungen<br />
des Arbeitnehmenden haften. Der Arbeitnehmende kann<br />
bei Fälligkeit der vorgenannten Forderungen gegen den neuen<br />
oder alten Arbeitgebenden vorgehen.<br />
Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden<br />
Damit die Arbeitnehmenden entscheiden können, ob sie den<br />
Übergang ihres Arbeitsverhältnisses ablehnen wollen oder nicht,<br />
steht ihnen ein gesetzliches Mitwirkungsrecht zu. Überträgt ein<br />
Arbeitgebender den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen<br />
Dritten, so hat er entweder die Arbeitnehmervertretung oder die<br />
Arbeitnehmenden rechtzeitig vor dem Übergangsvollzug zu informieren<br />
– sowohl über den Grund des Übergangs als auch die<br />
rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Sind infolge<br />
des Übergangs zudem Massnahmen beabsichtigt, welche die<br />
Arbeitnehmenden betreffen, wie etwa Kündigungen, sind die<br />
Arbeitnehmervertretung oder die Arbeitnehmenden rechtzeitig<br />
vor dem Entscheid über diese Massnahmen zu konsultieren. Unter<br />
38
Arbeit und Recht<br />
THEMA<br />
Konsultation wird das Recht verstanden, Vorschläge<br />
zu unterbreiten, wobei der Arbeitgebende nicht verpflichtet<br />
ist, diese umzusetzen.<br />
Ausserordentliche Situationen<br />
Die bestehende Regelung könnte sich insbesondere<br />
in Konkurs- und Nachlassverfahren als ungünstig<br />
erweisen. So könnte ein Verkauf eines Betriebs bei<br />
einem Konkurs- und Nachlassverfahren daran schei-<br />
tern, dass ein Erwerbender nicht sämtliche Arbeitsverhältnisse<br />
übernehmen möchte. Daher wurde per<br />
1. Januar 2014 neu ins OR eingeführt, dass ein<br />
Betrieb oder ein Betriebsteil während einer Nachlassstundung,<br />
einem Konkurs oder einem Nachlassvertrag<br />
mit Vermögensabtretung nur dann<br />
übertragen wird und die Arbeitsverhältnisse auf den<br />
Erwerbenden übergehen, wenn dies mit dem<br />
Erwerbenden so vereinbart wurde und die Arbeitnehmenden<br />
den Übergang nicht ablehnen. Bei<br />
Fusionen, Spaltungen und Vermögensübertragungen<br />
nach dem Fusionsgesetz kommen die vorgenannten<br />
Regelungen ebenfalls zu Anwendung.<br />
Danach haben die betroffenen Arbeitnehmenden<br />
zusätzlich das Recht, eine Sicherstellung ihrer Forderung<br />
zu verlangen, das zusätzlich zur Solidarhaftung<br />
der bisherigen Arbeitgebenden und dem<br />
Erwerbenden.<br />
a<br />
VERJÄ<strong>HR</strong>UNG DES ANSPRUCHS AUF EIN ARBEITSZEUGNIS<br />
Rechtsanwältin Sonja<br />
Stark-Traber, LL.M.,<br />
Sozialversicherungsfachfrau<br />
mit eidgenössischem<br />
Fachausweis,<br />
ist Partnerin in der<br />
Wirtschaftsanwaltskanzlei<br />
Suter Howald<br />
Rechtsanwälte in Zürich<br />
und sowohl beratend<br />
wie prozessierend im<br />
Arbeits- und Sozialversicherungsrecht<br />
tätig.<br />
suterhowald.ch<br />
BGE 4A_295/2020, Urteil vom 28. Dezember 2020<br />
Das Urteil<br />
Ein Arbeitnehmer verlangte rund sechs Jahre nach Beendigung<br />
seines Arbeitsverhältnisses die Berichtigung seines Arbeitszeugnisses.<br />
Die Arbeitgeberin machte geltend, dass der Berichtigungsanspruch<br />
des Arbeitnehmers zwischenzeitlich verjährt sei – und<br />
lehnte ab. Ein Fall, der dem Bundesgericht erstmals Gelegenheit<br />
bot, sich zur Frage der Verjährung des Zeugnisanspruchs zu äussern.<br />
Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmende jederzeit<br />
vom Arbeitgebenden ein Zeugnis verlangen. Die Verjährung des<br />
Zeugnisanspruchs untersteht den allgemeinen Vorschriften des<br />
Obligationenrechts über die Verjährung. Grundsätzlich verjähren<br />
Ansprüche nach Ablauf von zehn Jahren (Art. 127 OR). Forderungen<br />
aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmenden (Art. 128<br />
Ziff. 3 OR) verjähren zudem bereits nach fünf Jahren.<br />
Das Bundesgericht musste sich somit ausführlich mit der Abgrenzung<br />
von Art. 127 und Art. 128 Ziff. 3 OR auseinandersetzen. Es<br />
kam zum Schluss, dass Art. 128 Ziff. 3 OR nur restriktiv anzuwenden<br />
sei und nur monetäre Forderungen im Zusammenhang<br />
mit der Hauptleistung des Arbeitnehmenden erfasst. Wenn Art.<br />
128 Ziff. 3 OR auf alle Ansprüche der Arbeitnehmenden aus dem<br />
Arbeitsverhältnis ausgeweitet würde, benachteiligte dies ungerechtfertigterweise<br />
die Arbeitnehmenden im Gegensatz zum<br />
Arbeitgebenden. Der Anspruch auf Ausstellung oder Berichtigung<br />
eines Arbeitszeugnisses ist zwar vermögensrechtlicher Natur,<br />
weist jedoch keine Merkmale einer Lohnforderung auf. Der<br />
Anspruch unterliegt deshalb der generellen Verjährungsfrist von<br />
zehn Jahren.<br />
Gemäss Bundesgericht spricht für die kürzere Verjährungsfrist<br />
von fünf Jahren auch nicht der Umstand, dass die Beweisführung<br />
erschwert wird, wenn zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses<br />
und der Klageerhebung ein langer Zeitraum liegt. Vorbehalten<br />
bleiben allerdings Fälle von Rechtsmissbrauch. Rechtsmissbräuchlich<br />
handelt beispielsweise ein Arbeitnehmender, der<br />
absichtlich den Tod der zuständigen Person oder die Vernichtung<br />
der entsprechenden Unterlagen abwartet, bevor er ein Arbeitszeugnis<br />
oder dessen Berichtigung verlangt. In diesem Fall kann<br />
er sich nicht auf die Verjährungsfrist von zehn Jahren berufen.<br />
Kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen liegt gemäss Bundesgericht<br />
hingegen vor, wenn ein Arbeitnehmender, der eine neue<br />
Stelle gefunden hat, kein Arbeitszeugnis verlangt, weil er davon<br />
ausgeht, dass er dieses nicht benötigt. Wird er sechs Jahre später<br />
von seinem neuen Arbeitgebenden entlassen und stellt fest,<br />
dass er ein Arbeitszeugnis von seinem ehemaligen Arbeitgebenden<br />
braucht, um seine Bewerbungsunterlagen zu vervollständigen,<br />
so ist die Forderung danach nicht rechtsmissbräuchlich.<br />
Konsequenz für die Praxis<br />
Die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses Jahre nach Beendigung<br />
des Arbeitsverhältnisses kann für Arbeitgebende schwierig sein,<br />
wenn die dafür notwendigen Unterlagen nicht mehr vorhanden<br />
sind. Arbeitgebende sollten deshalb sicherstellen, dass Leistungsbewertungen<br />
und andere für die Ausstellung von Arbeitszeugnissen<br />
relevante Unterlagen während zehn Jahren nach Beendigung<br />
des Arbeitsverhältnisses aufbewahrt werden. Vorbehalten<br />
bleiben Fälle von Rechtsmissbrauch: Arbeitnehmende, die mit<br />
ihrer Forderung auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses bewusst<br />
zuwarten, bis die massgebenden Unterlagen vernichtet worden<br />
sind oder der verantwortliche Vorgesetzte aus der Firma ausgeschieden<br />
ist, verwirken ihr Recht auf ein Arbeitszeugnis. a<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
39
THEMA<br />
<strong>HR</strong> Tech Club<br />
«UNSERE BRANCHE STIRBT»<br />
DAS DIGITALE <strong>HR</strong>-MANAGEMENT WIRD SICH BIS 2023 GRUNDLEGEND VERÄNDERN, SAGT VASILIOS TRIADIS,<br />
VORSTANDSVORSITZENDER DER P&I PERSONAL UND INFORMATIK. EIN GESPRÄCH ÜBER TRANSFORMATION UND NEUE ANSÄTZE.<br />
Interview: Redaktion <strong>HR</strong> <strong>Today</strong><br />
Vasilios Triadis ist<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
der P&I Personal und<br />
Informatik AG.<br />
Sponsoren:<br />
«Das <strong>HR</strong>-Management unterliegt einer raschen und<br />
unumkehrbaren Transformation», äusserten Sie kürzlich.<br />
Können Sie das ausführen?<br />
Vasilios Triadis: Die Personalarbeit findet zunehmend digital<br />
mit Cloud-Anwendungen und mechanischen Produkten<br />
statt. Damit einhergehend steigen deren Funktion, Leistung<br />
und Produktivität exponentiell. Diese Entwicklung hat sich<br />
beschleunigt: Durch die Corona-Pandemie wurde schlagartig<br />
eine neue Normalität geschaffen. Gleichzeitig wurden neue<br />
Anforderungen an die <strong>HR</strong>-Arbeitswerkzeuge gestellt. Ich lege<br />
Unternehmen deshalb nahe, den notwenigen Schritt in die<br />
Digitalisierung nicht länger zu vertagen, sondern jetzt zu<br />
handeln.<br />
Weshalb?<br />
Es gilt, Umwälzungen gegenüber offen zu sein, sie als Veränderungschance<br />
wahrzunehmen und sie proaktiv anzugehen.<br />
Nur so können die Weichen gestellt werden, um das<br />
Personalmanagement in die digitalisierte Zukunft zu führen.<br />
Der Schlüssel zum Erfolg basiert dabei auf drei wesentlichen<br />
Faktoren, ohne die ein leistungsfähiges und effizientes Arbeiten<br />
schon heute nicht mehr möglich wäre: mobile Lösungen,<br />
intelligente Produkte und die digitale Kommunikation mit<br />
den Mitarbeitenden. Digitale Anwendungen und einfach zu<br />
beherrschende Software-Lösungen entscheiden künftig über<br />
die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg von Unternehmen.<br />
Ein digitales Produkt allein wird nicht ausreichen.<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Die Anforderungen haben sich von der neuesten Technologie<br />
und der leistungsstärksten Anwendung zum Nutzen und<br />
Werte einer Software verschoben. Insbesondere im <strong>HR</strong> müssen<br />
Produkte für Mitarbeitende geschaffen werden. Das ist<br />
nichts Neues: Schon jetzt werden <strong>HR</strong>-Routineaufgaben von<br />
Mitarbeitenden erledigt oder von Maschinen übernommen.<br />
Die zuvor zentral gebündelte Personalabteilung wird sich<br />
deshalb künftig zunehmend in einzelne Unternehmensbereiche<br />
hinein verlagern und nicht mehr «nur» ausführen, sondern<br />
eine der essenziellen internen Gestaltungsträger sein – und<br />
somit der neuen Arbeitswelt. Gleichzeitig bedeutet das wohl,<br />
dass «unsere» Branche stirbt. Dennoch ist die Digitalisierung<br />
dringend notwendig. Genauer gesagt: Das bisherige Aufgabenspektrum<br />
von <strong>HR</strong> muss in drei Bereiche aufgegliedert<br />
werden, wenn es zukunftsfähig bleiben möchte.<br />
Können Sie das verdeutlichen?<br />
Erstens werden die bereits erwähnten <strong>HR</strong>-Services mit standardisierten<br />
Abläufen und Dienstleistungen in den Bereichen<br />
Personaladministration, Lohn, Zeitmanagement sowie dem<br />
Gesundheitsmanagement weiter automatisiert und optimiert.<br />
Das um die Personalfunktion als anerkannte Dienstleistung<br />
im Unternehmen beziehungsweise der Verwaltung<br />
zu etablieren. Das Ziel wird sein, Mitarbeitenden mit einfachen<br />
Technologien personalisierbare Services zur Verfügung zu<br />
stellen, mit denen sie <strong>HR</strong>-Routineaufgaben eigenständig<br />
bewältigen können. Zweitens wird aus der aktuellen Entwicklung<br />
eine spezielle Personalarbeit hervorgehen, welche<br />
die drei Themen Rekrutierung, Talent und Kompetenzen<br />
abdeckt. Ausgerichtet auf die Besonderheiten der neuen<br />
Normalität nach der Pandemie wird der Fokus vor allem auf<br />
der individuellen Betreuung der einzelnen Unternehmensbereiche<br />
liegen. Dadurch wird das Personalmanagement in<br />
die unterschiedlichen Abteilungen hineingetragen und die<br />
<strong>HR</strong>-Abteilung in der Lage sein, mithilfe moderner Technologien<br />
und intelligenter Algorithmen auf die Bedürfnisse der<br />
jeweiligen Fachbereiche gezielt einzugehen. Drittens werden<br />
Datenmanagement, Kultur und Technologie zu den grundlegenden<br />
Disziplinen der Digitalisierung und zum strategischen<br />
Schwerpunkt des <strong>HR</strong>-Managements. Kernaufgabe der<br />
Personalabteilung wird künftig sein, herauszufinden, welche<br />
Kompetenzen Mitarbeitende benötigen, um ihr Unternehmen<br />
erfolgreich voranzutreiben.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
<strong>HR</strong> TECH CLUB – MEET THE FUTURE<br />
Aufgrund der aktuellen Situation sind zurzeit keine physischen Events geplant.<br />
hrtechclub.ch<br />
40
Sozialversicherung<br />
THEMA<br />
FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
ANGEHÖRIGENBETREUUNG UND ERWERBSTÄTIGKEIT<br />
DIE VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF SOLL IN DER SCHWEIZ VORANGETRIEBEN WERDEN.<br />
DEM TRAGEN NEUE GESETZLICHE BESTIMMUNGEN RECHNUNG.<br />
Gastbeitrag: Martina Filippo<br />
Martina Filippo ist<br />
Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin im Zentrum<br />
für Sozialrecht an<br />
der ZHAW School of<br />
Management and Law.<br />
zhaw.ch<br />
Nebst der Vaterschaftsentschädigung trat am 1. Januar 20<strong>21</strong> die<br />
erste Etappe des neuen Bundesgesetzes über die Vereinbarkeit<br />
von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung in Kraft. Dabei<br />
handelt es sich um Anpassungen und Änderungen in verschiedenen<br />
Einzelgesetzen, welche Arbeitnehmenden die Vereinbarkeit<br />
von ihrer Erwerbstätigkeit mit der Betreuungsverpflichtung<br />
gegenüber kranken oder verunfallten Angehörigen erleichtern<br />
soll. Neu geregelt werden die Lohnfortzahlung bei kurzen Arbeitsabwesenheiten,<br />
die Ausweitung der Betreuungsgutschriften der<br />
AHV, die Anpassung des Intensivpflegezuschlags und die Hilflosenentschädigung<br />
der IV für Kinder. Am 1. Juli 20<strong>21</strong> wird die zweite<br />
Etappe in Kraft treten: der bezahlte 14-wöchige Urlaub für die<br />
Betreuung schwer kranker oder verunfallter Kinder. Für Arbeitgebende<br />
sind vor allem die Lohnfortzahlungspflicht bei kurzen<br />
Arbeitsabwesenheiten und die Betreuungsentschädigung von<br />
Relevanz.<br />
Lohnfortzahlung bei kurzen Arbeitsabwesenheiten<br />
Neu haben Arbeitnehmende gem. Art. 36 Abs. 3 ArG und Art.<br />
329h OR Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur<br />
Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des<br />
Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig<br />
ist. Der Urlaub beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis<br />
und höchstens zehn Tage pro Jahr. Das bedeutet beispielsweise,<br />
dass sich eine Person übers Jahr verteilt je um ein krankes<br />
Kind, einen kranken Partner oder Ehegatten kümmern kann. Das,<br />
sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind und alle Abwesenheiten<br />
zusammen nicht mehr als zehn Tage ergeben. Unter<br />
«Familienmitglieder» versteht man – abgeleitet aus Art. 29septies<br />
Abs. 1 AHVG für den Anspruch auf Betreuungsgutschriften – Verwandte<br />
in auf- und absteigender Linie (hauptsächlich Eltern und<br />
Kinder) und Geschwister. Dazu zählen auch Ehegatten, eingetragene<br />
Partner, Schwiegereltern sowie Lebenspartner, mit denen<br />
ein Arbeitnehmender seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen<br />
Haushalt führt. Als Kinder gelten Personen, mit denen<br />
die Vater- bzw. Mutterschaft im zivilrechtlichen Sinne begründet<br />
ist (vgl. zum Ganzen BBl 2019 4103, 4132). Diese neue Regelung<br />
bringt für Arbeitnehmende vor allem drei Verbesserungen: So<br />
wird ein Urlaub für die Betreuung von Familienmitgliedern oder<br />
Lebenspartnern auch dann gewährt, wenn ihnen gegenüber<br />
keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Die Lohnfortzahlung<br />
gilt zudem nicht mehr nur, bis eine adäquate Ersatzlösung<br />
gefunden wird. Ausserdem wird der Urlaub von drei Tagen<br />
gemäss Artikel 324a OR für die Betreuung von Kindern, Ehegatten<br />
und eingetragenen Partnern nicht mehr an das Ferien-<br />
Jahresguthaben angerechnet (BBl 2019 4103, 4132). Sind die<br />
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, bedeutet dies für Arbeitgebende,<br />
dass Arbeitnehmende pro Ereignis von Gesetzes<br />
wegen jeweils drei Tage frei haben. Arbeitgebende müssen<br />
ihnen während dieser Zeit weiterhin den Lohn zahlen.<br />
Betreuungsentschädigung<br />
Der Anspruch auf den Erwerbsersatz ist für Eltern vorgesehen,<br />
deren minderjähriges Kind infolge schwerer gesundheitlicher<br />
Beeinträchtigung einen erhöhten Bedarf an Begleitung und<br />
Pflege hat (Art. 16n Abs. 1 E-EOG). Anknüpfungspunkt bildet<br />
das Kindesverhältnis nach Art. 252 ZGB. Der Zivilstand der<br />
Eltern ist unerheblich. Massgebend für die Beurteilung des<br />
Schweregrads der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindes<br />
sind die Symp tome der Beeinträchtigung, welche eine stationäre<br />
oder ambulante ärztliche Behandlung des Kindes über<br />
eine längere Dauer (mehrere Monate) bedingen, wobei die<br />
Dauer zu Beginn häufig noch nicht abschätzbar ist (Art. 16o<br />
E-EOG). Bagatellkrankheiten und leichte Unfallfolgen rechtfertigen<br />
dagegen keinen Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung.<br />
Gleichzeitig soll die Definition so allgemein gehalten<br />
sein, dass sie möglichst die gesamte Bandbreite schwerer<br />
gesundheitlicher Beeinträchtigungen umfasst (zum Ganzen<br />
BBl 2019 4103, 4134 f.). Es genügt, wenn mindestens ein Elternteil<br />
in einem Arbeitsverhältnis steht oder selbstständigerwerbend<br />
ist und die Erwerbstätigkeit unterbricht (Art. 16n Abs. 1<br />
lit. b E-EOG). Für die Betreuungsentschädigung werden weder<br />
eine Vorversicherungsdauer noch eine Mindesterwerbsdauer<br />
vorausgesetzt. Der Urlaub kann innerhalb einer Rahmenfrist<br />
von 18 Monaten bezogen werden. Die Rahmenfrist beginnt mit<br />
dem Tag, für den das erste Taggeld bezogen wird (Art. 16p<br />
E-EOG). Das Taggeld beträgt 80 Prozent des vorangegangenen<br />
Lohnes und ist durch einen Höchstbetrag beschränkt (Art. 16r<br />
E-EOG). Dies ist unabhängig davon, ob der Urlaub tageweise<br />
oder am Stück bezogen wird. Für Arbeitgebende bedeutet dies,<br />
dass Mitarbeitende bei Unfällen unter Umständen für längere<br />
Zeit unvermittelt ausfallen könnten. Für kleinere Betriebe, die<br />
nicht schnell einen Ersatz für die fehlende Arbeitskraft finden,<br />
kann dies problematisch werden.<br />
a<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
41
THEMA<br />
Special: Personaldienstleister<br />
FOTO: ZVG<br />
Anzeige<br />
RECRUITING 2.0<br />
JUSTUS SPENGLER UND LUCAS ZEHNDER HABEN SICH MIT ROCKSTAR<br />
RECRUITING DER BEZIEHUNGSPFLEGE ZU KANDIDATINNEN UND KANDIDATEN<br />
VERSC<strong>HR</strong>IEBEN. WESHALB DAS IMMER WICHTIGER WIRD. EIN GESPRÄCH<br />
ÜBER NEUE REKRUTIERUNGSANSÄTZE.<br />
Interview: Corinne Päper<br />
Sie beschäftigen sich gemäss eigenen Angaben mit Sustainable Recruiting.<br />
Was heisst das?<br />
Justus Spengler: Das beschreibt zunächst unser internes Mindset. Wir glauben,<br />
dass eine vertrauensvolle Beziehung zu unseren Kandidatinnen und<br />
Kandidaten über eine Vermittlung hinausgeht. Deshalb investieren wir viel<br />
Zeit in unsere Tech Community und stehen Kandidatinnen und Kandidaten<br />
mit Rat und Tat zur Seite. Da diese uns in ihrem persönlichen Netzwerk<br />
empfehlen, können wir organisch wachsen und erhalten so Zugang zu Expertinnen<br />
und Experten, die wir in den bekannten Kanälen nicht erreichen.<br />
Diesen nachhaltigen Ansatz pflegen wir auch auf Kundenebene. Bei der<br />
Zusammenarbeit mit Firmen sind wir selektiv: Der Stellenwert, den die Technologie<br />
im Unternehmen hat, ist uns sehr wichtig. Ebenso, wie wertschätzend<br />
sich die Firma gegenüber Technologieexpertinnen und -experten verhält.<br />
Dieser Ansatz lässt sich auch auf andere Branchen übertragen.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
DIE SCHNAUZE<br />
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Ihnen ist die Beziehung zu Bewerbenden wichtig.<br />
Wie bauen Sie diese auf?<br />
Lucas Zehnder: Das beginnt bei der Selektion. Wir investieren viel Zeit in die<br />
Gespräche mit Kandidatinnen und Kandidaten, denen wir aktuell oder künftig<br />
eine berufliche Option bieten können, um zu verstehen, was ihnen wirklich<br />
wichtig ist. Zudem gleichen wir deren Prioritäten regelmässig ab, da sich<br />
diese über die Zeit verändern können. Wir haben den Anspruch, unsere Kandidatinnen<br />
und Kandidaten in ihrer Karriere zu begleiten – nicht nur bis zur<br />
nächsten Vermittlung.<br />
42
Special: Personaldienstleister<br />
THEMA<br />
Wie bleiben Sie mit Bewerbenden in Kontakt?<br />
Lucas Zehnder: Laufend. Wir bemühen uns darum, den Kontakt wieder<br />
aufzufrischen, auch wenn er erkaltet ist. Am liebsten natürlich mit<br />
der passenden beruflichen Perspektive. Beispielsweise an Anlässen,<br />
um sich auszutauschen. Wichtig ist dabei, authentisch zu bleiben und<br />
sich an der individuell ausgeprägten Kontaktfreudigkeit der Kandidatinnen<br />
und Kandidaten zu orientieren.<br />
Inwiefern nehmen Sie Firmen das Netzwerken ab?<br />
Lucas Zehnder: Wir sehen uns als Erweiterung des firmeneigenen<br />
Netzwerks unserer Kunden. Häufig werden wir eingeschaltet, wenn<br />
dieses nicht mehr ergiebig ist.<br />
Lucas Zehnder,<br />
Senior Consultant Rockstar Recruiting<br />
Was müssen Firmen tun, um bei Bewerbenden in Erinnerung zu<br />
bleiben?<br />
Lucas Zehnder Sie sollten wertschätzende und transparente Rekrutierungsprozesse<br />
bieten. Diese müssen auf Augenhöhe stattfinden,<br />
denn nicht selten werden aus Bewerbenden auch potenzielle Kunden.<br />
Sie sind deshalb in gewisser Weise auch Markenbotschafter. Ein schlechter<br />
Ruf verbreitet sich zudem schneller als ein guter. Arbeitet man mit<br />
stark gesuchten Expertinnen und Experten zusammen, muss einem<br />
das bewusst sein.<br />
Manche Firmen nutzen Kandidatenpools, um potenzielle Mitarbeitende<br />
nicht aus den Augen zu verlieren. Doch Daten veralten<br />
schnell …<br />
Lucas Zehnder: Diese Pools haben eine Daseinsberechtigung, wenn<br />
sie aktiv gepflegt werden. Die besten Daten haben jedoch keinen Nutzen,<br />
wenn man sie nicht analysiert. Hier bieten sich hervorragende<br />
Möglichkeiten, interaktive Portale zu kreieren. Wir sehen viel Potenzial<br />
darin und entwickeln stetig an einer eigenen Lösung.<br />
Justus Spengler,<br />
Co-Founder Rockstar Recruiting<br />
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Inwiefern machen Veranstaltungen Sinn, zu denen potenzielle<br />
Mitarbeitende aus einem Kandidatenpool eingeladen werden?<br />
Justus Spengler: Solche Veranstaltungen haben zum Wachstum von<br />
Rockstar Recruiting beigetragen. Beim grossen Angebot an Veranstaltungen<br />
ist es wichtig, für seine Community einen wahren Mehrwert<br />
zu bieten. Wir raten jedem Unternehmen, sich «erlebbar» zu machen.<br />
Firmen setzen in der Personalentwicklung immer mehr auf künstliche<br />
Intelligenz (KI) um Menschen so einzusetzen, dass sie ihr<br />
Potenzial entfalten. Ein Lösungsansatz im Recruiting?<br />
Justus Spengler: Wir sind eher skeptisch, da sich die Frage aufdrängt,<br />
wie neutral der Entstehungsmechanismus dieser KI ist. Jobprofile werden<br />
komplexer und die Persönlichkeit und Motivation der Bewerbenden immer<br />
mehr zum Erfolgsfaktor. Wichtig ist, dass deren Persönlichkeit im Bewerbungsprozess<br />
sichtbar ist. Technologie kann den handelnden Menschen<br />
assistieren. Letztendlich wollen Menschen mit Menschen zusammenarbeiten.<br />
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Internationale Personalbelange<br />
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Personalprozesse und -Anwendungen<br />
Entlöhnungs- und Benefitmanagement<br />
Change Management<br />
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Rockstar Recruiting ist eine persönliche Plattform mit dem Ziel, Technologieexperten<br />
und -expertinnen und dynamisch wachsende Firmen<br />
miteinander zu verknüpfen. Das junge Zürcher Unternehmen vereint<br />
langjährige interdisziplinäre Erfahrung aus den Bereichen Psychologie,<br />
Technologie sowie <strong>HR</strong> und ist auf die Bereiche Software Engineering,<br />
Data Science, Blockchain und Computer Vision fokussiert.<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
43
Das Upgrade für Ihre Karriere<br />
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• Techniker/-in HF Unternehmensprozesse<br />
• Technische/r Kaufmann/-frau<br />
• Logistikfachmann/-frau<br />
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Einladung<br />
sfb Symposium<br />
«Zukunft der beruflichen Weiterbildung»<br />
Höhere Fachschulen (HF) haben im Schweizer Bildungssystem eine wichtige Schlüsselposition. Der starke<br />
Praxisbezug ist ein Alleinstellungsmerkmal der HF. Sie bringen der Schweizer Wirtschaft die so dringend<br />
benötigten Fachkräfte. Die Höhere Berufsbildung erfreut sich grosser Beliebtheit, wie steigende Studierendenzahlen<br />
belegen. Wohin entwickelt sich die Höhere Berufsbildung? Welches Know-how bringen<br />
HF-Absolventen in die Unternehmen? Auf diese Fragen gehen Fachleute aus Industrie, Politik und Bildung<br />
am sfb Symposium ein. Seien Sie mit dabei!<br />
Speaker<br />
Robert Heinzer, Chief Human Resources Officer, Victorinox<br />
Tabea Rinn, Recruitment & Talent Development Manager, IKEA Group<br />
Dr. David Bosshart, CEO GDI<br />
Chantal Galladé, Erziehungswissenschafterin und Nationalrätin<br />
...und weitere mehr.<br />
Wir freuen uns, Sie am sfb Symposium begrüssen zu dürfen, um mit Ihnen in den Austausch und in die Diskussion zu treten.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
44<br />
Mittwoch, 15. September 20<strong>21</strong><br />
GDI in Rüschlikon<br />
Anmeldung und Programm unter sfb.ch/symposium
Social Investment<br />
THEMA<br />
FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
MARKTWERT VON MITARBEITENDEN<br />
DIE PERSONALSTRATEGIE ENTSCHEIDET ÜBER DEN WIRTSCHAFTLICHEN ERFOLG UND<br />
BÖRSENWERT EINES UNTERNEHMENS. INVESTOREN FORDERN IMMER HÄUFIGER NACHWEISE<br />
UND DRÄNGEN AUF VERBESSERUNGEN.<br />
Text: Corinne Päper<br />
«Mitarbeitende und Unternehmenskultur machen<br />
52 Prozent des Marktwerts eines Unternehmens<br />
aus», bemerken die Autoren des Harvard Law<br />
School-Whitepapers «How and why human capital<br />
disclosures are evolving», für das sie 82 Unternehmensberichte<br />
der Top-100-Unternehmen Ende 2019<br />
untersuchten. Nicht nur für die Autoren des Whitepapers<br />
sind Mitarbeitende ein wichtiger Faktor. Ihre<br />
Bedeutung wird mittlerweile sogar in internationalen<br />
Buchhaltungsstandards-Gremien diskutiert.<br />
Etwa beim Sustainability Accounting Standards<br />
Board (SASB), bei der Global Reporting Initiative<br />
oder beim Embankment Project for Inclusive Capitalism.<br />
Investoren fordern ebenfalls lautstark, Sorge zu den<br />
Mitarbeitenden zu tragen und dafür entsprechende<br />
Personalstrategien zu entwickeln. So auch der weltweit<br />
grösste Vermögensverwalter Blackrock. «Bei<br />
unseren Investmenttätig keiten erwarten wir von<br />
Firmen, dass sie das gesamte Spektrum an Talenten<br />
nutzen», sagt Mediensprecher Tristan Hahn von<br />
Blackrock Schweiz. Das allein genügt aber nicht:<br />
«Firmen sollten in ihren Nach haltigkeitsberichten<br />
um fassende Angaben zur Personalstrategie<br />
machen.» Beispielsweise wie sie Diversität, Gleichberechtigung<br />
und Inklusion voranzutreiben gedenken.<br />
Blackrock verfolgt eine klare Linie und geht mit<br />
gutem Beispiel voran: «Wir messen uns an denselben<br />
Erwartungen, die wir auch anderen gegenüber<br />
haben.» Seine Ziele leitet das Unternehmen aus<br />
jenen der Vereinten Nationen (UN SDG) ab. Beispielsweise<br />
Geschlechtergleichheit, menschenwürdige<br />
Arbeit, hochwertige Bildung oder weniger<br />
Ungleichheiten.<br />
Kennzahlen in der Personalstrategie<br />
Noch sind den meisten Unternehmensberichten<br />
keine weiterführenden Details zur Personalstrategie<br />
zu entnehmen. «Die weltweit grössten 100 Unternehmen<br />
befinden sich erst in der Anfangsphase»,<br />
sagen die Autoren des Harvard-Whitepapers. Häufig<br />
bliebe es bei generellen Aussagen, etwa zur<br />
Diversität, Inklusion oder Lohnstrategie. Was fehle,<br />
seien aussagekräftige Kennzahlen oder quantitative<br />
Angaben. Zudem bleibe die Rolle des Verwaltungsrats<br />
bei der Kulturentwicklung öfters im Dunkeln.<br />
FIRMEN MÜSSEN<br />
WEIBLICHE FÜ<strong>HR</strong>UNGS-<br />
KRÄFTE SELBST<br />
ENTWICKELN UND ANS<br />
UNTERNEHMEN BINDEN.<br />
JOHANNES BERNARDUS SMITS,<br />
PWC SCHWEIZ<br />
Etwas differenzierter sieht es Cornelia Ritz Bossicard,<br />
Präsidentin von SwissVR, einer unabhängigen<br />
Vereinigung von Verwaltungsräten: «Immer mehr<br />
Unternehmen publizieren Nachhaltigkeitsberichte<br />
mit Informationen zu Mitarbeitenden und Personalangelegenheiten<br />
wie den Arbeitsbedingungen, zur<br />
Diversität und zu den Fluktuationsraten sowie<br />
Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen.» Allerdings<br />
unterscheide sich die Qualität und der Umfang der<br />
Informationen von Firma zu Firma.<br />
Topkader haben die Forderungen nach einer menschenfreundlichen<br />
Kultur teils wahrgenommen. Das<br />
zeigen die Ergebnisse des SwissVR Monitor-Berichts<br />
«Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil», für<br />
den 363 Schweizer Verwaltungsräte befragt wurden:<br />
Darin nannten 64 Prozent der Befragten eine gute<br />
Unternehmenskultur als wichtigen Wettbewerbsvorteil<br />
und Treiber für den Unternehmenserfolg. 36<br />
Prozent der Firmenlenker wollten diese jedoch bei<br />
einer strategischen Neuausrichtung nicht anpassen.<br />
Diese Trägheit könnte Folgen haben. «Unternehmen,<br />
die bei ihrer Kulturentwicklung und Personalstrategie<br />
keine Fortschritte erzielen, ziehen wir zur Rechenschaft.<br />
Beispielsweise, indem wir gegen die Wiederwahl<br />
von Verwaltungsräten stimmen», verdeutlicht<br />
Tristan Hahn von Blackrock Schweiz. Das geschehe<br />
aber praktisch nie, sagt Ritz Bossicard: «Bei Wahlen<br />
und Abstimmungen an der Generalversammlung<br />
folgen Investoren meist den Empfehlungen des Verwaltungsrats.»<br />
Viele börsenkotierte Firmen könnten<br />
zudem auf ihre Hauptaktionäre zählen. «Diese sorgen<br />
für Stabilität.»<br />
Politik mischt sich ein<br />
Während es weltweit um Personalstrategien noch<br />
nicht zum Besten steht, sind in der Schweiz erste<br />
politische Initiativen in Gang gekommen. So liegen<br />
beispielsweise bis Juni 20<strong>21</strong> erste Resultate der<br />
Lohnanalysen vor, die Firmen aufgrund des revidierten<br />
Gleichstellungsgesetzes durchführen<br />
mussten. Zudem hat das Parlament einen Gesetzesentwurf<br />
gutgeheissen, wonach mindestens 30<br />
Prozent der Verwaltungsratsmitglieder und 20<br />
Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder Frauen<br />
sein müssen. «Vorgaben, die innerhalb von fünf<br />
bis zehn Jahren umzusetzen sind», bemerkt<br />
Johannes Bernardus Smits, Steuerexperte und<br />
Leiter des Bereichs Vergütung bei PwC Schweiz.<br />
Unternehmen, die diese Ziele nicht erreichten,<br />
müssten es begründen. Wie sie das schaffen,<br />
bleibe offen. «Allein mit Rekrutierungen ist diese<br />
Quote nicht zu erreichen. Firmen müssen weibliche<br />
Führungskräfte selbst entwickeln und dauerhaft<br />
ans Unternehmen binden.» Dafür wiederum<br />
müssten in den kommenden Jahren die Karriereund<br />
Entwicklungspläne angepasst werden. a<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
45
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Kündigungen und Arbeitsmangel – April<br />
Kündigungsverhalten in der Schweiz – Mai<br />
RESEARCH<br />
Stimmen von Betroffenen – aktuell<br />
Tipps für Arbeitgeber – Juli<br />
Auswertung und Ergebnisse der Umfrage – September<br />
VORAUSSETZUNG FÜR EINE TRENNUNG AUF AUGENHÖHE<br />
DAS OUTPLACEMENT-UNTERNEHMEN VON RUNDSTEDT LANCIERT GEMEINSAM MIT <strong>HR</strong> TODAY EINE NEUE STAFFEL DER STUDIENSERIE<br />
«<strong>HR</strong> TODAY RESEARCH». DIESMAL ZUM THEMA STELLENABBAU INFOLGE DER PANDEMIE. VON-RUNDSTEDT-OPERATIONS-DIRECTOR<br />
SIBYLLE SCHEIWILLER ÜBER DIE KÜNDIGUNGSKULTUR IN DER SCHWEIZ UND DIE SICHT DER BETROFFENEN.<br />
Sibylle Scheiwiller,<br />
Operations Director<br />
von Rundstedt<br />
Unternehmen investieren heutzutage zwar mehr in<br />
die Vorbereitung von Kündigungsgesprächen, in die<br />
Kommunikation und in Unterstützungsangebote.<br />
Aber wie wird das Kündigungsverhalten der Unternehmen<br />
von Betroffenen wahrgenommen? Inwiefern<br />
beeinflusst eine gute Vorbereitung des <strong>HR</strong> die<br />
emotionale Lage der Gekündigten und wie helfen<br />
ihnen Outplacement-Pakete? Diese Fragen stellten<br />
wir einer Gruppe von Jobsuchenden.<br />
Stimmen von Betroffenen<br />
Peter M. wusste seit ein paar Wochen, dass eine<br />
Veränderung ansteht und Kündigungen ausgesprochen<br />
würden. «Am Tag X hat es mir dann doch den<br />
Boden unter den Füssen weggezogen. 32 Jahre<br />
Engagement für die Firma waren plötzlich nichts<br />
mehr wert. Gegen die Unsicherheit und die Angst<br />
haben auch die ‹netten› Worte beim Kündigungsgespräch<br />
nichts geholfen. Diese sind praktisch nicht<br />
zu mir durchgedrungen.»<br />
Silvia F. schätzt das Outplacement-Paket, das ihr<br />
die Jobsuche erleichtern soll, doch: «Das Investment<br />
in meine Marktfähigkeit hätte viel früher<br />
stattfinden sollen. Mit einer abgeschlossenen Weiterbildung<br />
oder einem Sprachkurs wäre meine<br />
Ausgangslage heute besser. Nur war damals leider<br />
kein Budget dafür vorhanden.»<br />
«Eine Veränderung im Kündigungsverhalten habe<br />
ich schon gespürt», sagt Ralf K. «Die Kommunikation<br />
war vorbereitet. Bedauerlich war, dass<br />
meine Vorgesetzte die Information von einem<br />
Blatt abgelesen hat und mir während des<br />
Gesprächs nie in die Augen geschaut hat. Ich hätte<br />
mir ein paar persönliche Worte gewünscht und vor<br />
allem einen Kontakt auf Augenhöhe.»<br />
«Ich war eine von vielen», sagt Karin Z. «Das hilft<br />
ein wenig, mit der Situation besser umzugehen.<br />
Auch die Information, dass der Abbau nichts mit<br />
meinen Fähigkeiten zu tun hat, sondern allein<br />
wirtschaftlich bedingt ist. Schade war, dass sich<br />
dieser Massenabbau auch beim Kündigungsverhalten<br />
bemerkbar machte. Ich war Nummer 9 an<br />
diesem Tag, die <strong>HR</strong>-Person angeschlagen, vielleicht<br />
sogar mehr als ich. Das Kündigungsgespräch<br />
kann ich nicht als Gespräch bezeichnen, es war<br />
eher eine monotone Übung.»<br />
Emotionsgeladene Kündigungen<br />
Hört man diese Aussagen von Betroffenen, wundert<br />
es wenig, dass diese bei Neuorientierungstrainings<br />
und Tipps «auf keinen Fall negativ über den ehemaligen<br />
Arbeitgebenden sprechen» frustriert sind<br />
und fragen: «Wie soll ich positiv darlegen, dass ich<br />
nach 32 Jahren bei diesem Unternehmen per Videokonferenz<br />
gekündigt wurde?» oder «Welchen Grund<br />
soll ich nennen, wenn ich den Grund nicht kenne?»<br />
oder «Wie kann ich positiv über die Zukunft sprechen,<br />
wenn ich in meinem Alter wenig Chancen auf<br />
eine neue Anstellung sehe?»<br />
Zusammengefasst sind eine gute Vorbereitung, eine<br />
Abgangsentschädigung und eine klare Kommunikation<br />
mit Sicherheit gute Voraussetzungen für eine<br />
Trennung auf Augenhöhe. Eine Kündigung bleibt<br />
jedoch ein Akt mit vielen Emotionen. Schwierig nicht<br />
nur für die Gekündigten, sondern auch für diejenigen,<br />
welche die Kündigung aussprechen. Vor lauter<br />
Vorbereitung gehen jedoch oft der «Mensch» und<br />
die Wertschätzung für die geleistete Arbeit verloren.<br />
Somit bleiben nach einer Kündigung bei den Gekündigten<br />
oftmals negative Emotionen zurück. Das liegt<br />
in der Natur der Sache und ist in Ordnung. Wenn<br />
die Bemühungen des <strong>HR</strong> spürbar sind, vergehen die<br />
negativen Emotionen. Das Bild vom Arbeitgebenden<br />
rückt später wieder in ein etwas besseres Licht.<br />
Jetzt an der Umfrage teilnehmen: research.hrtoday.ch<br />
Wie sieht die Kündigungspraxis in der Schweiz aus?<br />
Wir brauchen Ihre Meinung!<br />
Wir bitten Sie und die ganze Schweizer <strong>HR</strong> Community, an der von-Rundstedt-Umfrage<br />
zu «Kündigungspraxis in der Schweiz» teilzunehmen. Wie erleben Sie Kündigungen bei Ihnen<br />
im Unternehmen oder bei anderen Unternehmen? Die Umfrageergebnisse werden im<br />
Spätsommer ausgewertet und im September im <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> publiziert.<br />
von Rundstedt & Partner Schweiz beschäftigt rund 85 Mitarbeitende und ist in der ganzen<br />
Schweiz an neun Niederlassungen vertreten. von Rundstedt erstellt und publiziert mithilfe<br />
ihrer Marktdaten und Informationsquellen regelmässig Arbeitsmarktbarometer. Sie führt<br />
Marktstudien und Forschungsprojekte zum Schweizer Arbeitsmarkt durch.<br />
rundstedt.ch<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
47
THEMA<br />
Learning<br />
IN KLEINEN SC<strong>HR</strong>ITTEN<br />
AN DIE SPITZE<br />
SPORTLER, DIE ES AUFS PODEST SCHAFFEN WOLLEN, MÜSSEN SICH KONTINUIERLICH<br />
VERBESSERN. EX-SKISTAR MARC GIRARDELLI ÜBER DIE ARBEIT AN SICH SELBST UND<br />
DIE PARALLELEN ZUR ARBEITSWELT.<br />
Interview: Corinne Päper<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Wer im Sport zur Elite gehören will, investiert<br />
viel in seine Entwicklung. Das hat seine<br />
Tücken. Man kann seine Leistung beispielsweise<br />
falsch einschätzen.<br />
Marc Girardelli: Das stimmt. In meinem Fall<br />
fehlte der Vergleich mit anderen Athleten. Da ich<br />
kein Mitglied eines grossen Ski-Teams war, bildete<br />
ich mit meinem Vater ein Mini-Team. Wir mussten<br />
alle Trainings alleine analysieren und konnten nicht<br />
auf Einschätzungen Dritter zurückgreifen. Das<br />
hatte Folgen, die uns erst später klar wurden. So<br />
passierten uns ab und zu Fehler, beispielsweise,<br />
wenn wir neues Material testeten oder eine neue<br />
Technik ausprobierten. Unbewusst wollte ich wohl,<br />
dass ich dadurch schneller werde. Beim Testlauf<br />
gab ich deshalb mehr Gas, während mein Vater<br />
die Zeit mit der Handstoppuhr zu früh anhielt.<br />
Hier zwei Zehntelsekunden, dort zwei Zehntelsekunden:<br />
Das klingt nach wenig. In der Summe<br />
war es aber eine ordentliche «Zeitverbesserung».<br />
Im Grunde eine klassische Selbsttäuschung.<br />
Damit entfernten wir uns immer weiter vom Ideal.<br />
Wie lässt man Betriebsblindheit hinter sich?<br />
Beschäftigt man sich zu lange mit einem einzigen<br />
Thema, bekommt man einen Tunnelblick und sieht<br />
das Wesentliche nicht mehr. Dazu braucht es<br />
manchmal mehr Abstand. Müsste ich mich wieder<br />
auf eine Rennsaison vorbereiten, würde ich deshalb<br />
nicht nur auf Schnee trainieren, sondern<br />
mindestens drei Monate pro Jahr Ersatzsportarten<br />
wie Langlauf auf Asphalt, Skateboard oder Radfahren<br />
pflegen.<br />
Erfolg macht auch selbstgefällig ...<br />
Diesen Luxus hatte ich nie (lacht). Ich musste<br />
immer für meine Siege kämpfen und mich gegen<br />
Ausnahmekönner wie Ingemar Stenmark, Pirmin<br />
Zurbriggen oder Alberto Tomba behaupten. Deshalb<br />
blieb mir nie viel Spielraum. Sie waren ja auch<br />
Perfektionisten, die einen ersten Platz anstrebten.<br />
Ein zweiter befriedigte sie nicht. Deshalb hatte<br />
ich oft nur einen knappen Vorsprung.<br />
Im Sport machen Kleinigkeiten den Erfolg aus.<br />
Welche haben Sie besonders weit gebracht?<br />
Der Wille, an meine Grenzen zu gehen und mich<br />
nicht von Schmerzen oder Widrigkeiten ausbremsen<br />
zu lassen. Ausserdem half mir meine Neugier.<br />
Ich wollte alles ausprobieren, was mich schneller<br />
machen könnte. Dafür bin ich auch grosse Risiken<br />
eingegangen. Ungeachtet dessen, ob das meinem<br />
Körper oder meinem Leben im Allgemeinen schadet.<br />
Doping habe ich aber immer abgelehnt und<br />
tue es heute noch.<br />
DER MENSCH SOLLTE<br />
ME<strong>HR</strong> ZÄHLEN ALS EIN<br />
MASTERTITEL.<br />
MARC GIRARDELLI,<br />
EX-SKIRENNFA<strong>HR</strong>ER UND UNTERNEHMER<br />
Fehler können unterschiedliche Ursachen<br />
haben. Wie zieht man die richtigen Schlüsse?<br />
Indem man keine Angst vor Fehlern entwickelt.<br />
Fehler zu machen, ist ganz normal. Beim<br />
Skifahren änderte ich oft ein Detail, das zu einem<br />
schlechten Ergebnis führte. Das zeigte mir aber<br />
den Weg zu einer besseren Strategie. Wenn der<br />
Erfolg das Ziel ist, wird er am Ende auch kommen.<br />
Dafür braucht es manchmal aber einen sehr langen<br />
Atem.<br />
Haben Sie jemals eine eingeschlagene Strategie<br />
begraben?<br />
Natürlich. Aber erst nachdem ich eingesehen<br />
habe, dass sie nicht zum Erfolg führt. Menschen<br />
scheitern häufig, weil sie zu früh aufgeben, nicht<br />
weil sie weniger intelligent, schneller oder besser<br />
sind. Ihr Durchhaltevermögen hat einfach nicht<br />
ausgereicht. Wer es weit bringen will, nimmt für<br />
seinen Erfolg deshalb auch Unannehmlichkeiten<br />
in Kauf und hört nicht auf Neinsager. Die Aussage<br />
«Das hat noch nie jemand gemacht oder das ist<br />
MARC GIRARDELLI<br />
Marc Girardelli (57) ist ein ehemaliger<br />
Skirennfahrer aus Österreich, der für Luxemburg<br />
gestartet ist. Mit fünf Gesamtweltcupsiegen,<br />
46 gewonnenen Weltcuprennen,<br />
100 Podestplätzen, elf<br />
Weltmeisterschaftsmedaillen und zwei<br />
Olympia medaillen zählt er bis heute zu den<br />
erfolgreichsten Skirennfahrern. 1997 zurückgetreten,<br />
ist Marc Girardelli heute als Unternehmer<br />
tätig. Er hat eine eigene Bekleidungslinie,<br />
organisiert Events, ist<br />
Helikopterpilot und arbeitet für die Firma<br />
Bemer, die Therapiegeräte für die Mikrozirkulation<br />
herstellt. Daneben ist er Buchautor<br />
und hat zusammen mit einer<br />
Co-Autorin drei Krimis geschrieben, die sich<br />
im Skirennumfeld abspielen.<br />
marc-girardelli.com<br />
girardelli-events.com<br />
48
Learning<br />
THEMA<br />
FOTOS: ZVG<br />
unmöglich» beinhaltet die Chance, als erster ein<br />
Problem zu lösen. Dieses mag zunächst als unüberwindliches<br />
Hindernis erscheinen, man kann es aber<br />
auch in Meilensteine unterteilen. Vor einem Slalom<br />
war ich beispielsweise so nervös, dass ich mir keine<br />
sechzig Slalomtore merken konnte. Es machte mir<br />
Angst, 60 Tore mit vollem Risiko zu meistern. Deshalb<br />
habe ich diese grosse Aufgabe in mehrere kleinere<br />
unterteilt. Ich konzentrierte mich zunächst nur<br />
auf die ersten fünf Tore. Hatte ich nach dem Start<br />
diese erste kleine Hürde bewältigt, war es einfacher,<br />
die Fahrt bis ins Ziel aggressiv weiterzuführen. Das<br />
war vor allem an Tagen wichtig, an denen ich mental<br />
nicht gut drauf war. Probleme in kleinere aufzuteilen,<br />
nutze ich heute noch im Berufsleben. Fokussiere<br />
ich mich auf erreichbare Teilziele, statt auf ein<br />
scheinbar unüberwindbares grosses, reduziert das<br />
den psychischen Druck enorm.<br />
Durchbeissen ist nicht immer eine Strategie ...<br />
In einer späteren Phase meiner Skikarriere war ich<br />
Anfang der 1990er-Jahre übertrainiert. Ich wollte<br />
den Erfolg mit der Brechstange erzwingen und<br />
habe mich dadurch körperlich kaputtgemacht.<br />
Trotz meiner überdurchschnittlich langen Trainings<br />
wurde ich in den Rennen immer langsamer. Ich<br />
hatte das Gefühl für mein körperliches Befinden<br />
verloren. Das merkte ich aber erst, nachdem ich<br />
meine Skikarriere nach einer Knieverletzung<br />
Anfang 1997 beendete. Mit der Distanz zum Skisport<br />
gewann ich eine andere Perspektive.<br />
Das heisst, Erholung ist Ihnen heute wichtiger?<br />
Definitiv. Immer nur im Rad rotieren ist kontraproduktiv.<br />
Die besten Ideen und auch Kontakte<br />
kamen meist zustande, wenn ich mir eine Pause<br />
gönnte. Erholung ist wichtig, um gut zu sein. Deshalb<br />
baue ich in meinem Kalender Zeitblocker<br />
ein, die ich von geschäftlichen Terminen freihalte.<br />
Das resultiert auch daraus, weil ich vor einigen<br />
Jahren haarscharf an einem Burnout vorbeigeschrammt<br />
bin. Herzklopfen, Kopfweh, Schlaflosigkeit:<br />
Ich musste etwas ändern. Die gewonnene<br />
Freizeit nutze ich für Radausflüge, um Freunde<br />
zu treffen oder Zeit für mich zu haben. Zwei<br />
Wochen am Strand zu liegen, wäre hingegen<br />
nichts für mich. Ich bin kein Typ, der lange ruhig<br />
sitzen kann.<br />
Tipps zum «besser werden»?<br />
Neugierig sein und sich für andere Menschen<br />
interessieren. Dabei lernt man am meisten. Wer<br />
sich auf ein einziges Fachgebiet fokussiert,<br />
kommt ohne Berührungspunkte nicht zu anderen<br />
Wissensgebieten. Chancen zum Entwickeln hat,<br />
wer vielfältig aufgestellt ist und Know-how auf<br />
mehreren Ebenen besitzt.<br />
Inwiefern nutzen Sie diese Strategien im Beruf?<br />
Ich bin sehr kommunikativ und unterhalte mich gerne<br />
mit Menschen. Mich interessieren deren Schicksale.<br />
Deshalb frage ich mehr, als ich von mir selbst erzähle.<br />
So lerne ich von anderen aus der Praxis.<br />
Wie gehen Sie mit Ihren Schwächen um?<br />
Mit Schwächen vergeude ich keine Zeit, sondern kompensiere<br />
sie so gut es geht. So habe ich beispielsweise<br />
einen Buchhalter engagiert oder eine Haushälterin,<br />
die mir helfen, meine Finanzen und mein zu Hause<br />
in Ordnung zu halten.<br />
Wie könnten Personalentwickler von Ihren Lernerfahrungen<br />
profitieren?<br />
<strong>HR</strong>-Verantwortliche sollten offener denken, mutiger<br />
sein und bei einer Stellenbesetzung auch mal ein<br />
Risiko eingehen. Also auf ihr Bauchgefühl vertrauen,<br />
statt nur Dokumente und Bewerbungsmappen zu<br />
sichten. Der Mensch sollte mehr zählen als ein Mastertitel.<br />
Da liegt wahrscheinlich auch das Übel: Im<br />
Business fehlt die Menschlichkeit, deshalb sind so<br />
viele unzufrieden im Job. <br />
a<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
49
THEMA Learning<br />
LERNENDE<br />
ORGANISATION<br />
SEIT BEGINN DER CORONA-PANDEMIE<br />
HAT DIE NACHFRAGE NACH LEARNING-<br />
MANAGEMENT-SYSTEMEN (LMS)<br />
ZUGENOMMEN. DER NUTZEN AUS<br />
ANBIETER- UND AUS ANWENDERSICHT.<br />
Text: Christine Bachmann<br />
Michael Bernet,<br />
Senior Consultant & Account Manager,<br />
tts Talent Management Consulting GmbH<br />
Viele Unternehmen verwenden ein Learning-<br />
Management-System (LMS), um Mitarbeitenden<br />
eine virtuelle Lernumgebung zur<br />
Verfügung zu stellen. Das richtige System<br />
für den eigenen Betrieb zu finden, ist allerdings<br />
nicht einfach. Die Anbieter sind zahlreich<br />
und jeder auf seine Weise spezialisiert<br />
(siehe Tabelle).<br />
1<br />
Homeoffice, Online-Meetings:<br />
Inwiefern hat die Nachfrage nach<br />
Learning-Management-Systemen<br />
zugenommen?<br />
Die Nachfrage hat zugenommen, jedoch verzögert.<br />
Zu Beginn der Pandemie versuchten sich<br />
Unternehmen mit den bestehenden Hilfsmitteln<br />
zu arrangieren. Deshalb erhöhte sich vor allem die<br />
Nachfrage nach digitalen Lerninhalten und nach<br />
Trainings für Trainer im virtuellen Klassenraum.<br />
Seit einigen Monaten verstärken Firmen nun ihre<br />
Infrastruktur mit zukunftsfähigen Learning-Management-Systemen.<br />
Siemens Schweiz AG nutzt nicht nur ein,<br />
sondern mehrere LMS sowie eine Learning-<br />
Experience-Plattform (LXP). Der Grund:<br />
Jedes System habe eigene Vorteile, erklärt<br />
Patrizia Pollinger, Global Learning Solutions<br />
Project Lead: «LMS sind vor allem auf die<br />
Administration von Lerninhalten ausgerichtet.<br />
Die Datenverwaltung mit diesem Tool<br />
entspricht unseren Bedürfnissen als globales,<br />
teils segmentiertes Unternehmen.» Im<br />
Siemens-LMS sind deshalb sämtliche internen<br />
Trainingsinhalte zu finden: von Onboarding<br />
über die «Onsite»-Schulungen bis hin<br />
zu Online-Leadership-Programmen. Daneben<br />
werden damit auch Trainings für externe<br />
Siemens-Kunden verwaltet. Die Siemens -<br />
eigene LXP sei indes stärker auf die Bedürfnisse<br />
der Benutzer ausgerichtet. «Der<br />
Benutzer kann damit seine Lerneinheiten<br />
selbst zusammenstellen und kuratieren»,<br />
sagt Pollinger. Woher die Lerninhalte stammen,<br />
spiele häufig keine Rolle: «Interne Lerninhalte<br />
können darin ebenso wie LinkedIn<br />
Learning oder YouTube-Videos verlinkt werden.»<br />
Bei Siemens geniesse die LXP bei den<br />
Nutzern zwischenzeitlich deshalb eine grössere<br />
Akzeptanz als die LMS.<br />
2<br />
3<br />
Verdrängen Learning-Management-Systeme<br />
den Präsenzunterricht<br />
oder geht es eher<br />
in Richtung Blended Learning<br />
(Präsenz- und Onlineunterricht)?<br />
Web-based Trainings, Video und<br />
Audio: Welche Lernumgebungen<br />
fragen Unternehmen zurzeit am<br />
meisten nach?<br />
Moderne Learning-Management-Systeme oder<br />
Learning-Experience-Plattformen unterstützen<br />
Präsenz- und Onlinetrainings sowie informellere<br />
Lernformen. Durch die Pandemie wurden Präsenzkurse<br />
verstärkt in virtu elle Klassenräume verlagert<br />
und durch asynchrone Lernformen ergänzt.<br />
Grundsätzlich haben synchrone und asynchrone<br />
Lernformen in analoger und in digitaler Form eine<br />
Daseinsberechtigung. Entscheidend ist, den richtigen<br />
Mix und die richtige Form für den richtigen<br />
Einsatzzweck zu wählen.<br />
Die Nachfrage nach Videos in Kombination mit<br />
Web-based Trainings hat stark zugenommen.<br />
Videos eignen sich gut, um für ein Thema zu motivieren.<br />
Web-based Trainings indes, um ein Thema<br />
vertieft zu erklären. Obschon in der Medienwelt<br />
ver breitet, ist Audio in Unter nehmen als alleinstehendes<br />
Medium noch ziemlich neu. Derzeit tun<br />
sich jedoch viele spannende Anwendungsgebiete<br />
dafür auf. Allgemein geht der Trend dahin, nicht<br />
mehr so viel «auf Vorrat» zu lehren, sondern den<br />
Mitarbeitenden im «moment of need» passende<br />
Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Ob LMS oder LXP: Gemäss Pollinger werden<br />
virtuelle Lernumgebungen wichtiger für<br />
Unternehmen. «Der Weg zur lernenden<br />
Organisation erfordert, dass Wissen und<br />
Erfahrung innerhalb eines Unternehmens<br />
leicht zugänglich und teilbar sind.» Verstärken<br />
werde sich dieser Trend zudem, weil<br />
dieser vom Push-Prinzip (Lernenden werden<br />
Schulungen zugewiesen) zum Pull-Prinzip<br />
(Lernende bezieht das Wissen selbst) übergeht.<br />
«Deshalb wird der Fokus künftig mehr<br />
auf der LXP liegen. LMS-Anbieter werden<br />
sich mehr in diese Richtung entwickeln.»a<br />
4<br />
Was sind Vorteile Ihres Learning-<br />
Management-Systems?<br />
SAP SuccessFactors Learning eignet sich als<br />
Cloudlösung auch für KMU mit wenigen hundert<br />
Mit arbeitenden. <strong>HR</strong> kann das LMS in nur vier<br />
Wochen kostengünstig einführen und eigenständig<br />
betreiben. Die Lösung von SAP bietet<br />
alle Funktionen, um Präsenz- und Onlinetrainings<br />
effizient zu verwalten und die Compliance<br />
sicherzustellen. Zudem gibt es ein benutzerfreundliches<br />
Portal, über das Mitarbeitende und Externe<br />
gemäss dem Pull-Prinzip einfach und informell auf<br />
eigene Inhalte und Inhalte von Dritten zugreifen<br />
und kollaborativ lernen können.<br />
50<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>
Michael Grotherr,<br />
Vice President Central Europe,<br />
Cornerstone OnDemand<br />
Friedl Wynants,<br />
Gründer und Geschäftsführer,<br />
youknow<br />
Ernst Martin Erni,<br />
CEO,<br />
easylearn schweiz ag<br />
Unternehmen überdenken ihre aktuellen Lern- und<br />
Weiterbildungsprozesse – ein Weiter-wie-bis-anhin<br />
kann und darf es nicht geben. Da Präsenztrainings<br />
aktuell nur sehr eingeschränkt möglich sind,<br />
überlegen sich viele Unternehmen, ihre Prozesse zu<br />
verändern, die bestehen den Lösungen zu erweitern<br />
oder gar neue einzuführen.<br />
Wir erleben einen Digitalisierungsschub von<br />
allen Seiten. Die Unternehmen suchen nach<br />
pragmatischen Lösungen. Seit Beginn der Pandemie<br />
erhalten wir vor allem von kleineren und<br />
mittelständischen Unternehmen überdurchschnittlich<br />
viele Anfrage für unser LMS-System<br />
(+30%).<br />
Wir stellen ein wachsendes Interesse in allen Bereichen<br />
fest. Zum einen, weil Unternehmen ihre Schulungen<br />
digitalisieren mussten. Hier stossen wir mit der E-Learning-Funktion<br />
und der im LMS integrierten Autorentool<br />
auf offene Ohren. Zum anderen ist auch die Nachfragen<br />
nach E-Learning-Kursen gestiegen. Besonders beliebt<br />
waren Standard-Kurse zu MS Teams, zur Online-Kommunikation<br />
und Informations- sowie IT-Sicherheit.<br />
Präsenzunterricht wird in unseren Breitengraden<br />
seit jeher grossgeschrieben. Allerdings ist ein<br />
Wandel erkennbar, da dieser zurzeit nicht möglich<br />
ist. Unternehmen machen sich deshalb Gedanken<br />
über moderne Lernkonzepte. Ein Trend geht dabei<br />
in Richtung Blended Learning, da beispielsweise ein<br />
Drei-Tages-Präsenztrai ning kaum in ein Drei-Tages-E-Learning<br />
umgewandelt werden kann. Deshalb<br />
bauen unsere Kunden flexible Trainings pfade mit<br />
unterschiedlichen Trainings methoden. Es geht somit<br />
um die Kombination von E-Learning, Videos, Dokumenten<br />
und virtuellen Sessions.<br />
E-Learning hat viele Vorzüge, der Präsenzunterricht<br />
mit Interaktionsmöglichkeiten und<br />
individueller Fragebeantwortung ist ebenfalls<br />
wertvoll. Deshalb wird es künftig in Richtung<br />
Blended Learning gehen. Bei Schulungen mit<br />
faktenorientierten Lernzielen wie regulatorischen<br />
Trainings zur Datensicherheit oder Compliance<br />
bieten sich Online-Trainings geradezu<br />
an. Sind Lernziele eher handlungsorientiert<br />
ausgelegt, ist ein ergänzendes Training im<br />
Präsenzunterricht durch aus sinnvoll, in vielen<br />
Fällen sogar notwendig. Ein Beispiel dafür<br />
sind Rollenspiele zur situationsabhängigen<br />
Gesprächsführung.<br />
Jedes Unternehmen sollte sich zunächst fragen, wie es<br />
ein nachhaltiges und wirtschaftliches Lernerlebnis schaffen<br />
kann. Eine Teilpräsenz ist unumgänglich, wenn Wissen<br />
praktisch angewendet werden soll. Grundsätzlich beobachten<br />
wir einen Trend zu Blended Learning, respektive<br />
E-Learning. Unternehmen, die von Präsenzschulungen zu<br />
Blended Learning wechseln, sind von den Vorteilen der<br />
kombinierten Lernform begeistert: Das Theoriewissen wird<br />
ortsunabhängig, individuell und im eigenen Lerntempo<br />
erlernt und in verkürzten Sequenzen praktisch vertieft.<br />
Nebst tieferen Kosten für Spesen, Räume und Kursleiter<br />
fallen auch die geringeren Arbeitsplatzabwesenheiten ins<br />
Gewicht.<br />
Der Trend bewegt sich vor allem bei mehrstündigen<br />
Web-based Trainings zu kurzen Lerneinheiten von 5<br />
bis 15 Minuten, die ein Mitarbeitender zwischendurch<br />
erledigen kann. So ist die Abschlussrate bei Mitarbeitenden<br />
im Retail beispielsweise bei kurzen, optisch<br />
ansprechenden Web-based Trainings deutlich höher,<br />
als wenn sie sich nur mit Dokumenten beschäftigen<br />
müssen. Aus meiner Sicht macht die Mischung der<br />
Trainings den Erfolg aus.<br />
Der richtige individuelle Mix ist entscheidend,<br />
abgeleitet von der Zielsetzung und -gruppe.<br />
Deshalb müssen Kunden und Anbieter erst das<br />
grosse Ganze klären und daraus die passenden<br />
Methoden und Formate ableiten. Audio ist<br />
zwar in aller Munde, wird jedoch nicht dezidiert<br />
nachgefragt. Bewegtbilder haben indes in<br />
den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.<br />
Darüber hinaus muss Lernen attraktiv und unterhaltsam<br />
sein und in die Arbeitswelt passen.<br />
Die beliebteste Lernumgebung ist nach wie vor das Webbased<br />
Training. Mit intuitiven Autorentools können ohne<br />
Video-Infrastruktur und Technikkenntnisse schnell und<br />
einfach Inhalte erstellt und vermittelt werden.<br />
Wir bieten ein modernes, flexibles System, mit dem<br />
sich alle Arten des Lernens kombinieren lassen. Die<br />
Anwendungen lassen sich zudem in jedes <strong>HR</strong>-System<br />
integrieren und erfordern keine speziellen<br />
Schnittstellen.<br />
Das LMS ist schlank, schnell verfügbar, intuitiv<br />
bedienbar, flexibel und individuell erweiterbar.<br />
Mittels integrierter Autorentool-Komponente<br />
können Mitarbeitende im Portal eigene Lerninhalte<br />
erstellen. Zahlreiche Dateiformate können<br />
zudem als Lerninhalte hinterlegt werden –<br />
beispielsweise Video, Audio, Textdateien, ganze<br />
Lernmodule. Das LMS bietet zudem Standardschnittstellen<br />
zu den gängigen <strong>HR</strong>-Systemen.<br />
Das LMS easylearn ist eine Komplettlösung. Dank der<br />
Module E-Learning, mobile Learning, Autorentool, Wiki<br />
und Veranstaltungsmanagement deckt es die ganze<br />
Breite zur betrieblichen Wissensvermittlung ab. Dank<br />
Rest-API verfügt das System über eine moderne Softwarearchitektur,<br />
durch die Daten und Informationen<br />
beliebig mit anderen Systemen ausgetauscht werden<br />
können. Dazu gehören nebst <strong>HR</strong>-Systemen weitere wie<br />
ERP, Produktion oder Benutzerverwaltung.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong><br />
51
Presented by<br />
KOMPLETTE <strong>HR</strong>-CLOUD-LÖSUNG IN REKORDZEIT<br />
DIE MCI GROUP, GLOBAL ENGAGEMENT UND MARKETING AGENTUR, MIT HAUPTSITZ IN GENF,<br />
FÜ<strong>HR</strong>T DAS PERSONALWESEN MIT SAP SUCCESSFACTORS IN DIE DIGITALE ZUKUNFT.<br />
DAS MODUL FÜR PERFORMANCE MANAGEMENT SPIELT DABEI EINE ZENTRALE ROLLE.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Zehn Jahre dauerte es, bis es die Event- und<br />
Kongressmanagementfirma MCI zum Platzhirsch<br />
in der Romandie brachte. Ab der Jahrtausendwende<br />
folgte ein stürmisches Wachstum<br />
zum globalen Player im Markt für Global<br />
Engagement und als Marketing Agentur.<br />
Mit der Internationalisierung einher ging ein<br />
personelles Wachstum auf heute über 1450 Mitarbeitende<br />
in 31 Ländern. Diese Entwicklung<br />
verlangte nach leistungs- und ausbaufähigen<br />
IT-Lösungen. Auch im <strong>HR</strong>-Bereich.<br />
Digitaler Neuanfang mit SAP<br />
Während vielen Jahren stand eine auf KMU<br />
zugeschnittene <strong>HR</strong>-Lösung im Einsatz, die über<br />
Active Directory mit der IT verbunden war. Doch<br />
das befriedigte nicht, weder von den Funktionen<br />
noch von den Services her. Da sich MCI in<br />
dieser Phase gerade mit der Einführung von<br />
SAP-Lösungen beschäftigte – SAP Business By<br />
Design und, auf Gruppenebene, SAP Sales<br />
Cloud –, war es naheliegend, sich SAP Success-<br />
Factors für das Personalwesen genauer anzuschauen.<br />
«Eine Demo von SuccessFactors hat<br />
uns gezeigt, dass sie unsere Bedürfnisse umfassend<br />
abdeckt», erinnert sich Edouard Duverger,<br />
CIO der MCI Group.<br />
Master-System und Performance<br />
Management<br />
SAP SuccessFactors musste vier zentrale Anforderungen<br />
erfüllen:<br />
1. Die Daten von sämtlichen Mitarbeitenden<br />
sollten an einem einzigen zentralen Ort verwaltet<br />
werden. Duverger: «Wir wollten einen<br />
kompletten Datensatz pro Mitarbeiter in<br />
einem Master-System.»<br />
2. Da MCI viele Mitarbeitende beschäftigt, die<br />
mehrere, unterschiedliche Hüte tragen, war<br />
die Verwaltung mehrere Verträge pro Person<br />
ein zwingendes Feature. SAP SuccessFactors<br />
konnte hier problemlos punkten.<br />
3. Die neue Lösung musste sich mit dem Active<br />
Directory integrieren lassen, wobei SAP SuccessFactors<br />
die Master-Funktion ausübt.<br />
«Wenn Mitarbeitende neu zu MCI stossen<br />
oder aus der Firma austreten, wird das automatisch<br />
in unserem Active Directory repliziert;<br />
das spart für alle viel Zeit», erläutert<br />
Duverger den Nutzen dieser Integration.<br />
4. Ein besonderes Anliegen war MCI ein zeitgemässes<br />
Leistungsmanagement. Mit dem<br />
Modul «Performance & Goals» traf SAP SuccessFactors<br />
bei den Genfern voll ins Schwar-<br />
ze. Bisher führten sie, wie vielerorts üblich,<br />
einmal pro Jahr mit den Mitarbeitenden ein<br />
Beurteilungsgespräch. «Jetzt haben wir ein<br />
Tool, mit dem wir kontinuierliches Leistungsmanagement<br />
betreiben können – nicht nur<br />
zum Jahresende, sondern auch nach der<br />
Probezeit, beim Austritt», fasst Duverger<br />
das neue Zeitalter in der Mitarbeiterbeurteilung<br />
zusammen. Das Leistungsspektrum<br />
von «Performance & Goals» geht in der Tat<br />
weit über das Jahresendgespräch hinaus.<br />
Mit seinen Funktionen können Führungskräfte<br />
Leistungen in Echtzeit verfolgen, den Mitarbeitenden<br />
laufend Orientierung bieten,<br />
Feedback geben und einfordern, Spitzenleistungen<br />
nicht mehr nach Bauchgefühl, sondern<br />
objektiv identifizieren, bewerten und<br />
belohnen.<br />
Schneller Weg zum Go-live<br />
Bei der Implementierung der neuen Lösung<br />
konnte sich MCI auf die ausgewiesene Expertise<br />
von ARAGO Consulting verlassen. Neben der<br />
Erfahrung aus zahlreichen Projekten überzeugte<br />
der Beratungs- und Integrationspartner<br />
auch durch einen Fast-Track-Ansatz. Damit liefert<br />
ARAGO Consulting in Rekordzeit eine komplette<br />
<strong>HR</strong>-Cloud-Lösung, die vorkonfiguriert ist<br />
und auf Best Practices basiert. «Im Grunde genommen<br />
haben wir ein Standardangebot genommen,<br />
das ARAGO Consulting an unsere<br />
spezifischen Bedürfnisse anpasst», erklärt Duverger<br />
und fügt an: «Das Gute daran ist, dass<br />
man dadurch Prozesse standardisiert und insgesamt<br />
nahe am Standard bleibt.»<br />
Im Mai 2019 erfolgte der Rollout von SAP SuccessFactors<br />
Employee Central für die Automatisierung<br />
der <strong>HR</strong>-Kernprozesse. Ein halbes Jahr<br />
später ging das Modul für Performance Management<br />
live.<br />
Begeisterte User<br />
Als einen der grössten Knackpunkte erwies sich<br />
die Datenmigration auf SAP SuccessFactors.<br />
Dass sie gelungen ist, gehört für Duverger zu<br />
den Highlights dieses <strong>HR</strong>-Projekts. Ein zweiter<br />
Höhepunkt für Duverger und die <strong>HR</strong>-Leute: die<br />
Öffnung der Lösung für die Jahresbeurteilungen.<br />
«Da kam die Mehrheit unserer Mitarbeitenden<br />
erstmals mit dem neuen System in direkten<br />
Kontakt», blickt Duverger zurück. «Der<br />
Prozess lief grossartig, wir bekamen sehr gutes<br />
Feedback.»<br />
Oliver Böttcher, Head of SAP<br />
SuccessFactors, SAP (Schweiz) AG<br />
Edouard Duverger, Chief Information<br />
Officer, MCI Suisse SA<br />
Es war wohl nicht zuletzt diese positive Stimmung,<br />
die Edouard Duverger und die <strong>HR</strong> Community<br />
zusätzlich motiviert haben, auf dem<br />
Digitalisierungsweg weiterzugehen. «Für 20<strong>21</strong><br />
planen wir die Implementierung des Recruiting-<br />
Moduls», sagt Duverger. «Das ist eine weitere<br />
Stärke von SAP SuccessFactors: die Integrations-<br />
und Ausbaufähigkeit.»<br />
52<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong>
Learning<br />
THEMA<br />
FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
GRENZEN DES INFORMELLEN LERNENS<br />
INFORMELLES LERNEN IST PRIVAT ODER BERUFLICH IN ALLEN LEBENSPHASEN EINE WICHTIGE LERNFORM.<br />
VOR 20 JA<strong>HR</strong>EN VON DER EU ALS WICHTIGER TEIL DES LEBENSLANGEN LERNENS POSTULIERT,<br />
HAT INFORMELLES LERNEN SEITHER KONTINUIERLICH AN BEDEUTUNG GEWONNEN.<br />
Gastbeitrag: Irena Sgier<br />
Irena Sgier ist stellvertretende<br />
Direktorin<br />
des Schweizerischen<br />
Verbands für Weiterbildung<br />
SVEB.<br />
Der Begriff «Lebenslanges Lernen» hat sich in allen Bildungsbereichen<br />
durchgesetzt, in der Weiterbildung genauso wie bei<br />
den Hochschulen und in der Berufsbildung. Das bedeutet,<br />
Lernen nicht mehr mit formaler Bildung und standardisierten<br />
Abschlüssen gleichzusetzen. Eine Rolle spielt dabei der Kompetenzbegriff:<br />
Wichtig ist nicht mehr, was gelernt und geprüft<br />
wird, sondern das Lernergebnis. Unbedeutend ist dabei, welchen<br />
Weg wir nehmen, um ein Ergebnis zu erzielen.<br />
Die Corona-Pandemie sowie der Digitalisierungsschub haben<br />
diese Entwicklung verstärkt. Pandemiebedingt wurde vor über<br />
einem Jahr die Weiter- sowie die Hochschulbildung in den digitalen<br />
Raum verlegt. Schon zuvor waren zahlreiche digitale<br />
Lernangebote im Internet frei verfügbar. Mit dem Präsenzverbot<br />
während der Pandemie hat sich dieses Angebot jedoch<br />
stark erweitert. Infolgedessen haben digitale Lernmöglichkeiten<br />
an Wert gewonnen: Zumal Präsenzlernen nach einem<br />
Jahr digitaler Weiterbildungskurse und ganzer Studiengänge<br />
nicht mehr als grundsätzlich höherwertig als digitales Lernen<br />
angesehen werden darf.<br />
Anerkennung des informellen Lernens<br />
Zum informellen Lernen gehört das Lernen am Arbeitsplatz,<br />
das Nutzen von Youtube-Videos und anderen frei verfügbaren<br />
Lernressourcen sowie der Austausch in digitalen Foren und<br />
Netzwerken. Stark zugenommen haben auch digitale Lernangebote<br />
wie MOOCs, kostengünstige oder frei zugängliche Lehrgänge<br />
sowie Webinare, die zwar zur organisierten Weiterbildung<br />
gehören, aber ähnlich informell genutzt werden können<br />
wie Youtube-Videos. Viele dieser Angebote beinhalten weder<br />
Aufnahmebedingungen noch eine Verpflichtung zur aktiven<br />
Beteiligung und erfordern keine Kompetenznachweise.<br />
Gewinnt informelles und selbstorganisiertes Lernen längerfristig<br />
an Bedeutung, stellt sich die Frage: Wie lässt sich dieses<br />
erfassen und abbilden – auch weitgehend ausserhalb der etablierten<br />
Bildungsinstitutionen im Internet, am Arbeitsplatz oder<br />
im privaten Kontext?<br />
Es gibt Verfahren, um informelles Lernen anzurechnen, beispielsweise<br />
mittels Validierungsverfahren in der beruflichen<br />
Grundbildung oder Ansätze wie das Modell F, bei dem erworbenes<br />
Wissen an eine Weiterbildung angerechnet wird, was<br />
somit die Weiterbildungsdauer verkürzt. Verfügbar sind verschiedene<br />
Methoden zur Erfassung, Dokumentation und Bilanzierung<br />
informeller Lernleistungen (bspw. CH-Q). Diese aufwendigen,<br />
biografisch orientierten Verfahren sind nützliche<br />
Instrumente zur Standortbestimmung und Orientierung, eine<br />
Anerkennung der erfassten Kompetenzen beinhalten sie aber<br />
nicht.<br />
Ein Validierungsinstrument, um informelles Lernen als eigenständige<br />
Leistung ausserhalb formaler Bildung anzuerkennen,<br />
gibt es indes bisher nicht.<br />
Veränderte Perspektive<br />
Informelles Lernen ist dezentral, unsystematisch, individuell<br />
und erfahrungsbezogen. Der grosse Vorteil dieser Lernform ist,<br />
dass situativ anhand sich stellender Probleme gelernt wird.<br />
Dadurch geschieht der Transfer des Gelernten in die Praxis oft<br />
bereits im Lernprozess selbst. Das informelle Lernen hat aber<br />
auch Nachteile. So ist es fehleranfällig, kann fragmentiert sein<br />
und ist nicht immer nachhaltig.<br />
Aufgrund dieser Eigenheiten ist das informelle Lernen schwer<br />
erfassbar. Dennoch wäre es nötig und prinzipiell möglich, dafür<br />
Validierungsverfahren zu entwickeln. Notwendig wäre das nicht<br />
zuletzt deshalb, weil die Vielfalt an Lernformen und Lernressourcen<br />
steigt. In der betrieblichen Weiterbildung zeigt sich<br />
ausserdem die Tendenz, dass Lernen immer stärker an den<br />
Arbeitsplatz verlagert wird, was die Bedeutung des informellen<br />
Lernens ebenfalls steigert. Wenn dieses nicht begleitet, erfasst<br />
und dokumentiert wird, bleiben die so erworbenen Kompetenzen<br />
jedoch unsichtbar und ihr Wert schwer einzuschätzen.<br />
Arbeitgebende, die sich nur auf formale Abschlüsse verlassen,<br />
könnten somit einen Teil der Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden<br />
übersehen.<br />
a<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
53
swissstaffing<br />
Aktuelles vom Verband der Personaldienstleister der Schweiz<br />
BVG-REFORM: GUT GEMEINT,<br />
ABER ZU KURZSICHTIG<br />
DIE BERUFLICHE VORSORGE MUSS DRINGEND SANIERT WERDEN. ZU LANGE SCHON TICKT DIE ZEITBOMBE DER DEMO-<br />
GRAFISCHEN ALTERUNG. DOCH WER DIES ANPACKT, MUSS EINE ZUKUNFTSORIENTIERTE LÖSUNG BAUEN. DENN DAS<br />
BVG KANN NICHT ALLE PAAR JA<strong>HR</strong>E ANGEPASST WERDEN. ZUKUNFTSTAUGLICH IST DER VORLIEGENDE BVG-REFORM-<br />
VORSCHLAG ALLERDINGS NOCH NICHT. REFORMVERLIERERIN WÄRE DIE WACHSENDE POPULATION DER FLEXWORKER.<br />
Gastbeitrag: Myra Fischer-Rosinger<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Gut gelungen: Abschaffung von Quersubventionierung<br />
und Diskriminierung<br />
Die BVG-Grundlagen stammen aus einer Zeit, als<br />
die Menschen noch nicht so alt wurden wie heute.<br />
Jedes Jahr, in dem die Schweizer Bevölkerung älter<br />
wird, nagt am Fundament des BVG. Mittlerweile<br />
subventionieren die jüngeren Generationen die<br />
älteren. Deshalb muss der Umwandlungssatz, wie<br />
im Reformbegehren vorgeschlagen, dringend herabgesetzt<br />
werden.<br />
Die übers Alter abgestuften und zunehmenden<br />
BVG-Beiträge erhöhen die Lohnnebenkosten für<br />
ältere Arbeitnehmende. Die Befürchtungen mehren<br />
sich, dass diese ungleichen Kosten diskriminierend<br />
am Arbeitsmarkt wirken. Die Arbeitsmarktintegration<br />
der älteren Stellensuchenden ist<br />
generell ein emotional diskutiertes Thema. Mit<br />
einer Abmilderung der Beitragsunterschiede können<br />
negative Anreize entschärft werden.<br />
Insgesamt kann man den blossen Fakt, dass ein<br />
Reformvorschlag auf dem Tisch liegt, positiv<br />
bewerten. Die Altersvorsorge ist politisch gesehen<br />
eine heisse Kartoffel. Wenn sich Politik und Verwaltung<br />
trauen, dieses Thema anzupacken und<br />
konkrete Vorschläge vorzulegen, ist das per se<br />
lobenswert. Denn aufgrund der demografischen<br />
Alterung ist Stillstand ein absoluter Rückschritt.<br />
trittsschwelle zum BVG (<strong>21</strong> 510 Franken Jahreslohn)<br />
häufig nicht oder der Koordinationsabzug<br />
(25 095 Franken vom Jahreslohn) lässt nicht viel<br />
von ihrem versicherbaren Lohn übrig. Die Reformvorlage<br />
löst dieses Problem nur halbpatzig und<br />
droht die Situation für manche Flexworker sogar<br />
zu verschlechtern.<br />
Versicherungslücken sind in verschiedener Hinsicht<br />
problematisch. Erstens bilden die Betroffenen<br />
weniger Kapital fürs Alter. Zweitens besteht für<br />
sie oder ihre Angehörigen bei Invalidität oder Tod<br />
fatalerweise kein Schutz.<br />
Der Reformvorschlag des Bundesrats begegnet<br />
diesem Problem mit einer Halbierung des Koordinationsabzugs.<br />
Künftig sollen damit alle Lohnanteile<br />
ab bereits 12 548 Franken pro Jahr BVGversichert<br />
werden. Davon profitieren insbesondere<br />
Teilzeitbeschäftigte mit niedrigen Pensen sowie<br />
Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen, bei denen<br />
der Koordinationsabzug im heutigen System einen<br />
bedeutenden Teil des versicherbaren Lohnes wegfrisst.<br />
Die Reformvorlage orientiert sich aber nach wie<br />
vor am traditionellen Bild der festangestellten<br />
Arbeitnehmenden. Flexworker, die kein volles Jahr<br />
beim selben Arbeitgebenden angestellt sind, weil<br />
sie befristete Anstellungen haben oder mehrere<br />
Jobs gleichzeitig ausführen, fallen wegen der<br />
unveränderten Eintrittsschwelle trotz Reform weiterhin<br />
durch die Maschen. Ihnen hilft es nicht,<br />
wenn der Koordinationsabzug reduziert wird, da<br />
Das Problem: Versicherungslücken bei Flexwork<br />
Wer befristet, Teilzeit oder mehrfach beschäftigt<br />
ist, muss heute bedeutende Versicherungslücken<br />
in Kauf nehmen. Flexworker erreichen die Einsie<br />
die Schwelle von <strong>21</strong> 510 Franken oft nicht erreichen,<br />
um in der BVG-Versicherung aufgenommen<br />
zu werden.<br />
Besonders heikel: Verschlechterung<br />
für Temporärarbeitende<br />
Ganz absurd wird es, wenn man den Fall der Temporärarbeitenden<br />
betrachtet: Für sie besteht<br />
bereits seit Jahren ein eigen entwickeltes Versicherungsmodell,<br />
das Lücken verhindert. Für Temporärarbeitende<br />
werden die BVG-Kriterien nämlich<br />
auf den Stundenlohn umgerechnet. Die<br />
Eintrittsschwelle beträgt 9.85 Franken pro Stunde<br />
und der Koordinationsabzug 11.45 Franken pro<br />
Stunde. In der Praxis bedeutet dies, dass jede temporäre<br />
Arbeitskraft ab ihrer ersten Einsatzstunde<br />
BVG-versichert werden kann, da der Mindestlohn<br />
für Temporärarbeitende weit über der Eintrittsschwelle<br />
von 9.85 Franken pro Stunde liegt. Versichert<br />
wird in diesem Fall die Differenz zwischen<br />
Stundenlohn und dem Koordinationsabzug von<br />
11.45 Franken pro Stunde. 1<br />
Die Halbierung des Koordinationsabzugs gefährdet<br />
dieses Modell allerdings. Würden künftig die<br />
BVG-Kriterien auf die Stunde umgerechnet und<br />
der Koordinationsabzug gleichzeitig halbiert,<br />
explodieren die Lohnabzüge beziehungsweise die<br />
1 Bei hohen Löhnen kommt auch der BVG-Maximallohn zum<br />
Tragen, der ebenfalls auf die Stunde umgerechnet wird und<br />
39.35 Franken beträgt. Versichert wird in diesem Fall der Stundenlohnanteil<br />
zwischen 11.45 Franken (Koordinationsabzug)<br />
und 39.35 Franken (Maximallohn).<br />
54
swissstaffing<br />
BVG-REFORM<br />
Bundesrats-Modell und Temporärbranchen-Modell im Vergleich,<br />
am Beispiel eines 25-jährigen Mannes mit 25 Franken Stundenlohn.<br />
Hier bloggt der Vorstand …<br />
Flexworker prägen die<br />
Zukunft unserer Arbeitswelt<br />
Susanne Kuntner, Inhaberin und<br />
Geschäftsführerin mein job Zürich GmbH<br />
Kosten für Temporärarbeitende und Personalverleiher<br />
(siehe Grafik). Die Abschaffung des bisherigen<br />
Versicherungsmodells für Temporärarbeitende<br />
wäre wahrscheinlich die Folge – mit einer<br />
entsprechenden Verschlechterung des Versicherungsschutzes<br />
für viele Temporärarbeitende.<br />
Denn Arbeitsverhältnisse von bis zu etwa 4,5<br />
Monaten Dauer bleiben im Reformmodell ganz<br />
ohne Versicherungsschutz. Auch der positive<br />
Effekt des tieferen Koordinationsabzugs auf die<br />
Myra Fischer-Rosinger<br />
Direktorin swissstaffing und<br />
Stiftungsrätin der Stiftung<br />
2. Säule swissstaffing<br />
gebildeten Ersparnisse beginnt erst bei Arbeitsverhältnissen<br />
ab etwa sechs Monaten Dauer zu<br />
greifen (siehe Grafik). Das heisst: Alle, die Einsätze<br />
von unter einem halben Jahr bei einem Arbeitgeber<br />
leisten, bilden im Reformmodell weniger<br />
Altersguthaben als im Modell der Temporärbranche<br />
und bleiben teilweise sogar ganz ohne Versicherungsschutz<br />
gegen Invalidität oder Tod.<br />
Die Lösung: Umrechnung auf Stundenlohn<br />
bei bisherigem Koordinationsabzug<br />
Die Lösung liegt auf der Hand und könnte ins<br />
Reformmodell integriert werden, ohne dass dieses<br />
seine Stossrichtung und Vorzüge verlöre: Bei<br />
der Versicherung von Temporärarbeitenden und<br />
eventuell weiteren Flexworkern soll der bisherige<br />
Koordinationsabzug beibehalten werden, wenn<br />
die BVG-Kriterien auf den Stundenlohn umgerechnet<br />
werden. Das schüfe die Grundlage, damit<br />
weitaus mehr Personen unter den BVG-Schutz<br />
fallen als im Reformmodell vorgesehen und damit<br />
die Weichen für die Zukunft korrekt gestellt sind.<br />
Fakt ist: Flexible Arbeitsformen liegen im Trend<br />
und nehmen zu. Soll das BVG fit gemacht werden<br />
für die Zukunft, muss für alle Flexworker eine<br />
Lösung gefunden werden. Das erfüllt das vorliegende<br />
Reformmodell noch nicht. Mit einer<br />
Integration des Temporärbranchen-Modells in das<br />
BVG-Reformmodell würden die Flexworker<br />
wesentlich bessergestellt.<br />
a<br />
Mitarbeitende auf Zeit – auch «Temporäre»<br />
und neu «Flexworker» genannt – leisten<br />
einen wertvollen Beitrag an das wirtschaftliche<br />
Wohlergehen im Land. Frauen und<br />
Männer jeden Alters und jeder Stufe zeigen<br />
Flexibilität und Einsatzbereitschaft, übernehmen<br />
Verantwortung, bringen gesuchtes<br />
Know-how ein und überbrücken Engpässe<br />
bei Termindruck und bei grossen Projekten.<br />
Sie prägen die Zukunft unserer Arbeitswelt<br />
und verdienen unsere volle Aufmerksamkeit<br />
und Wertschätzung. Diese drücken sich<br />
nicht nur in einem fairen Salär, sondern auch<br />
in immateriellen «Benefits» aus.<br />
Flexwork hat sich in den vergangenen Jahren<br />
auch auf Kader- und Expertenstufe rasant<br />
entwickelt. Immer mehr wird auch Wissen<br />
temporär und nach Bedarf zur Verfügung<br />
gestellt. Während die einen Flexwork als Brücke<br />
zu einer Festanstellung nutzen, geniessen<br />
andere Autonomie und Abwechslung<br />
oder verbinden mehrere Jobs parallel. Mitarbeit<br />
auf Zeit gilt dabei nur als eine von<br />
zahlreichen Formen von Flexwork. Bei «mein<br />
job Zürich» betreuen wir Mitarbeitende mit<br />
zwei typischen Profilen: Die einen lassen sich<br />
bei uns anstellen und an Unternehmen der<br />
Baubranche verleihen, andere beanspruchen<br />
unsere Payroll-Dienstleistungen und suchen<br />
sich ihre Kundinnen oder Arbeitgeber selbst.<br />
Und nach vielen Jahren Erfahrung können<br />
wir inzwischen sehr gut einschätzen, welche<br />
unserer «Benefits» einen hohen Mehrwert<br />
bieten: Es sind dies vor allem Zeit, Beziehung,<br />
Beratung, Förderung sowie Geselligkeit.<br />
Den ganzen Blogbeitrag lesen Sie auf<br />
blog.swissstaffing.ch<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
55
Presented by<br />
LOHNENSWERTES «HEIMHOLEN»<br />
BRITISCHER PK-GUTHABEN<br />
ALS FOLGE DES BREXIT WURDE VIEL ÜBER DIE VERÄNDERUNGEN DER SPIELREGELN ZWISCHEN DER SCHWEIZ UND DEM VEREINIGTEN<br />
KÖNIGREICH GESC<strong>HR</strong>IEBEN. ERFREULICH IST, DASS DER TRANSFER BRITISCHER VORSORGEGUTHABEN IN DIE SCHWEIZ WEITERHIN<br />
FUNKTIONIEREN KANN.<br />
Autoren: Stefano Minuscoli, Kundenberater Freizügigkeit & 3a bei PensExpert, Cyrill Habegger, Leiter Steuern bei PensExpert<br />
Für viele international mobile Arbeitnehmer:innen ist<br />
es ein Ärgernis, dass sie am Ende des Berufslebens<br />
Renten und Vorsorgeguthaben in mehreren Staaten<br />
abrufen müssen. Oft äussern sie den Wunsch, im Ausland<br />
verdiente Vorsorgeguthaben zu transferieren, so<br />
dass bei Erreichen des Rentenalters alle Ersparnisse<br />
und Anwartschaften in einem Sozialversicherungssystem<br />
gebündelt sind. Das ist wegen geltender<br />
Bestimmungen jedoch nicht oder nur sehr beschränkt<br />
möglich.<br />
Eine Ausnahme bildet das Vereinigte Königreich. Dort<br />
deponierte Vorsorgegelder – vergleichbar mit schweizerischen<br />
Pensionskassen- oder Freizügigkeitsguthaben<br />
– können steuerfrei in ausländische Systeme<br />
überwiesen werden, wenn diese als «Qualifying<br />
Recognised Overseas Pension Scheme», kurz QROPS,<br />
gelten und die versicherten Personen weitere Anforderungen<br />
erfüllen.<br />
Stefano Minuscoli<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Gründe für den Transfer<br />
Die Möglichkeit, unter QROPS britische Vorsorgeguthaben<br />
zu transferieren, ist etwa für Schweizer:innen<br />
attraktiv, die einige Jahre im Vereinigten Königreich<br />
gearbeitet haben und Beiträge in eine lokale Vorsorgeeinrichtung<br />
leisteten, mittlerweile aber in die<br />
Schweiz zurückgekehrt sind. Andererseits kann der<br />
Transfer für Brit:innen, die sich in der Schweiz niederlassen,<br />
lohnenswert sein. Üblicherweise soll mit einem<br />
Transfer das Währungsrisiko eliminiert werden, zudem<br />
sind die Bezugsmöglichkeiten (Rente/Kapital) im<br />
schweizerischen System flexibler. Nicht zuletzt ist eine<br />
Überweisung steuerlich günstig. In England werden<br />
im Fall einer Auszahlung bis zu 45 % Steuern auf das<br />
Guthaben fällig, die Kapitalbezugssteuer ist in der<br />
Schweiz demgegenüber deutlich tiefer.<br />
Hierzulande gibt es lediglich zwei Institute, die als<br />
QROPS gelten. Und nur eines davon ist für die breite<br />
Bevölkerung zugänglich, namentlich die Freizügigkeitsstiftung<br />
«Independent» von PensExpert.<br />
So klappt es steuerfrei<br />
Neben der QROPS-Qualifikation der schweizerischen<br />
Vorsorgestiftung durch die britische Steuerbehörde<br />
müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit<br />
der Transfer steuerfrei klappt:<br />
• Der Transfer muss in das Land erfolgen, wo die Vorsorgenehmer:innen<br />
den aktuellen Wohnsitz haben.<br />
• Das Vereinigte Königreich muss definitiv verlassen<br />
worden sein.<br />
• Aktuell kann maximal ein Betrag von 1’073’100<br />
britischen Pfund steuerfrei transferiert werden.<br />
Cyrill Habegger<br />
Abhängig davon, wann die Vorsorgegelder angespart<br />
wurden, kann der steuerfreie Betrag allerdings<br />
auch höher liegen.<br />
• Es sind keine Bezüge vor dem 55. Altersjahr möglich.<br />
Diese Liste ist nicht abschliessend. Weitere Kriterien<br />
sind von der persönlichen Situation abhängig und<br />
individuell zu prüfen. Der Prozess der Überweisung ist<br />
relativ komplex. Zudem muss die empfangende Vorsorgeeinrichtung<br />
eine zehnjährige Meldungspflicht<br />
gegenüber der britischen Steuerbehörde garantieren,<br />
was den Administrationsaufwand erhöht und Kostenfolgen<br />
hat.<br />
Transfer in die Schweiz lohnt sich<br />
Obwohl die Voraussetzungen, um britische Vorsorgegelder<br />
in ein QROPS zu übertragen, auf den ersten<br />
Blick abschreckend wirken können, sollte die Möglichkeit<br />
eines Transfers in die Schweiz geprüft werden.<br />
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Aspekten (Währungsrisiko,<br />
Steuern) gibt es weitere Gründe, die für<br />
eine Übertragung sprechen. So sind zahlreiche britische<br />
Pensionskassen als «defined benefit»-Pläne ausgestaltet,<br />
was ungefähr unserem Leistungsprimat<br />
entspricht. Eine gute Rendite kommt in diesem Fall<br />
nicht direkt den Versicherten zugute. Zudem besteht<br />
ein gewisses Risiko, dass die Leistungen wegen der<br />
demografischen Entwicklung nicht ausbezahlt werden<br />
können – eine versicherte Person kann also einen<br />
Teil oder sogar das gesamte britische Vorsorgeguthaben<br />
verlieren. Deshalb ist für den Transfer eine<br />
Bedarfsaufnahme und persönliche Beratung sehr zu<br />
empfehlen.<br />
Für eine Beratung, die auf die individuelle<br />
Situation Ihrer Person zugeschnitten ist, sind die<br />
Berater:innen von PensExpert unter<br />
+41 44 206 11 22<br />
oder welcome@pens-expert.ch für Sie da.<br />
PensExpert AG, Tödistrasse 63, 8002 Zürich<br />
www.pens-expert.ch<br />
56
MEINUNG<br />
Debatte (Seite 59) • Blog (Seite 67) • Fokus Forschung (Seite 69) • <strong>HR</strong>-Team des Monats (Seite 70)<br />
Zitat des Monats<br />
«WENN DU ETWAS TUST, DANN<br />
RICHTIG. KONZENTRATION IST<br />
DER SCHLÜSSEL ZUM<br />
ERFOLG.»<br />
Top-Twitterfeed<br />
im Februar:<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> gewährt Einblicke hinter die Kulissen.<br />
Zum Beispielbeim Porträt-Shooting.<br />
Hintergrund<br />
Pascal Grieder, Chief Executive<br />
Officer von Mobilfunkanbieter<br />
Salt, beantwortet Mikael Krogerus<br />
und Simon Brunner 66 ehrliche<br />
Fragen im «Das Magazin»<br />
vom 16. Mai 20<strong>21</strong>.<br />
CEOs sind auch nur Menschen: Das zeigen die 66 «ehrlichen»<br />
Antworten von Salt-CEO Pascal Grieder zu Lohnfragen, Nervensägen<br />
in Meetings, Frauen in Chefpositionen, Arbeitszeiten und Ängsten.<br />
GETEILTES LEID<br />
Die Solidarität in der Corona-<br />
Pandemie ist gross. Insbesondere<br />
gegenüber den Pflegefachkräften und<br />
der Gastronomie. Das zeigte auch der <strong>HR</strong><br />
<strong>Today</strong> Facebook-Post über Meta Hiltebrand.<br />
Mit über 1000 Reaktionen, Kommentaren<br />
und Shares hat das Interview mit<br />
der Starköchin alles, was dieses Jahr auf<br />
unserem Kanal gepostet wurde, um Längen<br />
übertroffen.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
57
MEINUNG<br />
Buchtipps<br />
BUCHTIPPS<br />
IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM ERSCHEINEN JÄ<strong>HR</strong>LICH TAUSENDE VON FACH BÜCHERN. WIR HABEN EINE<br />
AUSWAHL FÜR SIE GETROFFEN UND PRÄSENTIEREN IHNEN NEUERSCHEINUNGEN ZUR ARBEITSWELT UND ZU <strong>HR</strong>.<br />
AGILE TEAMS<br />
Tom Seeger, Besser führen<br />
KREATIVITÄT STATT KONTROLLE<br />
Frank Dopheide, Gott ist ein Kreativer<br />
KORSETT-BEFREIUNG<br />
Silke Luinstra, Lebendigkeit entfesseln<br />
In seinem Buch «Besser führen»<br />
zeigt Tom Seeger, welche<br />
Schlüsselfähigkeiten und<br />
-kompetenzen agile Teams<br />
benötigen, um langfristig<br />
erfolgreich in agilen Arbeitsmodellen<br />
zusammenzuarbeiten.<br />
Die dazu notwendigen<br />
Fähigkeiten? Beispielsweise Systemverständnis,<br />
systemisches Denken sowie die Kommunikation<br />
auf Metaebene. Das, um Themen zu reflektieren<br />
oder die Entwicklung sowie den Erhalt des<br />
selbstorganisierten Teams sicherzustellen.<br />
Tom Seeger, Besser führen, Springer<br />
Fachmedien Wiesbaden, 2020, 49 Seiten.<br />
Unternehmensberater haben<br />
ihre Erfolgsrezepte ohne den<br />
Menschen gemacht, sagt<br />
Frank Dopheide. In «Gott ist<br />
ein Kreativer» beschreibt der<br />
Manager unterhaltsam seine<br />
erkenntnisreiche Reise durch<br />
die hochgestapelte Irrwelt des<br />
Managements. Es gibt jedoch Licht am Ende<br />
des Optimierungstunnels, wenn dieses aus Budgetgründen<br />
nicht vorher ausgeschaltet wurde.<br />
Frank Dopheide, Gott ist ein Kreativer – kein<br />
Controller, Ullstein, 20<strong>21</strong>, 240 Seiten.<br />
Es ist an der Zeit, eine neue<br />
Arbeit zu schaffen. Eine, die<br />
Freiheit, Selbstständigkeit und<br />
Verantwortung genauso<br />
berücksichtigt wie Teilhabe an<br />
der Gesellschaft, Solidarität<br />
sowie soziale und ökologische<br />
Folgen. Noch ist davon in<br />
unseren Organisationen wenig spürbar. In «Lebendigkeit<br />
entfesseln» stellt die Autorin acht Prinzipien<br />
vor, welche Lebendigkeit in Organisationen<br />
zurückbringen, und erläutert dies an zahlreichen<br />
Praxisbeispielen.<br />
Silke Luinstra, Lebendigkeit entfesseln: Acht<br />
Prinzipien für ein neues Arbeiten, Gabal, 20<strong>21</strong>,<br />
250 Seiten.<br />
ANTIKÖRPER<br />
Joël Luc Cachelin begleitet mit seiner Wissensfabrik Unternehmen in der digitalen Transformation. Über die<br />
Digitalisierung hat er mehrere Sachbücher geschrieben.<br />
Ihr neues Buch heisst Antikörper. Worum geht es?<br />
Joël Luc Cachelin: Das Buch ist eine Zeitreise. In der Gegenwart geht es um die Notwendigkeiten eines gesellschaftlichen<br />
Immunsystems, in der Vergangenheit um dessen Anfänge und in der Zukunft um dessen Erweiterung.<br />
Es schützt uns nicht nur von Infekten, sondern auch vor Medien, Unternehmen und Maschinen.<br />
Epidemien hätten immer auch Innovationen ausgelöst, heisst es in der Pressemitteilung zu Ihrem Buch. Ein Beispiel?<br />
Die Pest etablierte die Quarantäne und frühe Formen des Contact Tracings. Die Cholera bewirkte Innovationen in der Wasserversorgung,<br />
während die Pocken uns die Impfung brachten. HIV/Aids veränderte dagegen, wie wir über Sex sprechen. Auch die neuen mRNA-Impfstoffe<br />
führen zu weiteren Innovationen.<br />
Was können wir aus der Pandemie lernen?<br />
Wir erkennen zum Beispiel, wie wichtig valide Daten sind, um schnell und präzise zu intervenieren.<br />
Wie entwickelt sich die Technik?<br />
Wir werden dem Pandemie-Management digitale Elemente hinzufügen. Das Contract Tracing mit Apps und QR-Codes wird präziser und<br />
vorausschauender werden. Auch Abwasseranalysen werden eine Rolle spielen.<br />
Antikörper, Joël Luc Cachelin, Stämpfli Verlag, 20<strong>21</strong>, 116 Seiten<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
58
Debatte<br />
MEINUNG<br />
FERIENZWANG<br />
BEI QUARANTÄNEPFLICHT?<br />
SOLLEN UNTERNEHMEN I<strong>HR</strong>E MITARBEITENDEN DAZU ZWINGEN KÖNNEN, FERIEN ZU NEHMEN,<br />
WENN SIE IN QUARANTÄNE MÜSSEN? NICHT NUR RECHTLICH GESEHEN EINE SCHWIERIGE AUSGANGSLAGE.<br />
ANIQ ISELIN<br />
<strong>HR</strong> Campus<br />
Es gibt grundsätzlich zwei Gründe, weshalb jemand in Quarantäne gehen<br />
muss. Hatte jemand engen Kontakt zu einer Person, die positiv auf das<br />
Coronavirus getestet wurde, spricht man von einer Kurzkontaktquarantäne.<br />
Ist dagegen jemand aus einem Staat oder einem Gebiet mit erhöhtem<br />
Infektionsrisiko in die Schweiz eingereist, von einer Einreisequarantäne.<br />
Vorliegend werden die einschlägigen rechtlichen Implikationen in<br />
Bezug auf die Einreisequarantäne skizziert. Aus allgemeiner Sicht müssen<br />
zunächst zwei Kategorien von Berufen beziehungsweise Gruppen<br />
von Mitarbeitenden unterschieden werden: Berufe, die im Homeoffice<br />
ausgeübt werden können, und solche, bei denen dies nicht möglich ist.<br />
Können Mitarbeitende auch während der Quarantäne von zu Hause aus<br />
arbeiten, besteht kein Grund, zum drastischen Mittel des Ferienzwangs zu<br />
greifen. Im Falle einer Homeoffice-Pflicht gilt dies umso mehr. Bei Mitarbeitenden,<br />
die ihren Beruf nicht im Homeoffice ausüben können, gilt es, bei der<br />
Beantwortung der Frage zur zwangsweisen Ferienanordnung das Schweizer Arbeitsrecht<br />
zurate zu ziehen. Zum einen bestimmt gemäss Art. 329c Abs. 1 OR der Arbeitgeber<br />
«… den Zeitpunkt der Ferien und nimmt auf die Wünsche des Arbeitnehmers soweit Rücksicht,<br />
als dies mit den Interessen des Betriebes oder Haushaltes vereinbar ist». In der Praxis bestehen jedoch<br />
relativ enge Grenzen für Arbeitgebende. Beispielsweise müssen bei Arbeitnehmenden mit schulpflichtigen<br />
Kindern die Ferien grösstenteils innerhalb der Schulferien liegen. Ebenfalls dürfen zugesicherte Ferien nur<br />
in Notfällen durch den Arbeitgeber verschoben werden. Diese Grundsätze müssen auch bei der zwangsweisen<br />
Ferienanordnung eingehalten werden. Ein weiterer zentraler Punkt: Ferien haben der Erholung des<br />
Mitarbeitenden zu dienen. Dieser Zweck darf nicht vereitelt werden. Andernfalls können die entsprechenden<br />
Tage nicht als Ferien angerechnet werden. Bei einer zwangsweisen Ferienanordnung während der<br />
Dauer der Quarantäne kann jedoch nicht ernsthaft von einer Erholung des Mitarbeitenden gesprochen<br />
werden. Der Mitarbeitende verfügt daher selbst nach einer zwangsweisen Ferienanordnung während der<br />
Quarantäne über einen unverminderten Ferienanspruch. Andererseits kann es unter Umständen gerechtfertigt<br />
sein, den Lohn eines Arbeitnehmenden für die Dauer der Quarantäne einzubehalten, wenn dieser<br />
nicht zu Hause arbeiten kann, sofern die Quarantäne auf dem Besuch eines vor Reiseantritt bekannten<br />
Risikogebiets (gemäss BAG-Liste der Risikoländer) beruht und somit selbstverschuldet war (vgl. Art. 324a<br />
Abs. 1 OR e contrario). Zudem steht dem Arbeitgeber grundsätzlich das Mittel der Ferienkürzung gemäss<br />
Art. 329b Abs. 1 OR zur Verfügung.<br />
FERIEN HABEN DER<br />
ERHOLUNG DES MITAR-<br />
BEITENDEN ZU DIENEN.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
59
MEINUNG<br />
Debatte<br />
MONIKA BÜTIKOFER<br />
<strong>HR</strong>-Leiterin<br />
Bei diesem Thema sind verschiedene Seiten zu beleuchten. Beginnen<br />
wir mit «schwarz», tendenziell diktatorisch: Der arbeitet dann ja<br />
nicht. Ich zahle doch nicht fürs Abhängen oder in Neudeutsch fürs<br />
«Chillen». Dagegen stellt sich «weiss» sehr sozial: Nein, auf keinen<br />
Fall darf man den Mitarbeitenden in die Pflicht nehmen. In der Mitte<br />
alle dieser Parteien steht <strong>HR</strong> mit all seinen facettenreichen Nuancen<br />
und Betrachtungen von «hellgrau» bis «dunkelgrau». Ich sehe die<br />
Aufgabe von <strong>HR</strong> darin, genau abzuklären, weshalb es dazu kam,<br />
dass ein Mitarbeitender in Quarantäne muss. Auch dann gibt es kein<br />
klares Ja oder Nein oder ein Soll und Haben wie in der Buchhaltung.<br />
Das Schöne am Schweizer Arbeitsrecht sind die Bandbreite und die<br />
Erwägungen, die uns zur Verfügung stehen. <strong>HR</strong> legt die Grundsätze, um<br />
möglichst alle Mitarbeitenden gleich und fair zu behandeln. Dafür gibt<br />
es keine Lösungen nach dem Giesskannenprinzip. Zudem haben alle <strong>HR</strong>-<br />
Verantwortlichen schwarze Schafe wie auch Musterschüler im Portfolio. Demzufolge<br />
sollte Mitarbeitenden, die bewusst handeln oder mit ihrer Handlungsweise in Kauf<br />
nehmen, in Quarantäne zu landen – etwa bei Reisen in Risikoländer –,<br />
während der Quarantänezeit Ferien- oder Kompensationszeit angerechnet<br />
werden. Unwissen oder unwissend zu handeln, schützt aber<br />
nicht vor einer Strafe. Versicherungen schliessen hochfahrlässige<br />
Handlungen und Risikosportarten ja auch aus und weisen darauf<br />
hin, welches Verhalten sie nicht wünschen. Genauso verhält es<br />
UNWISSEN ODER<br />
UNWISSEND ZU<br />
HANDELN, SCHÜTZT<br />
NICHT VOR EINER<br />
STRAFE.<br />
sich auch in einem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgebende gibt<br />
bekannt, was erwünschtes und was unerwünschtes Verhalten<br />
ist. Wer sich aus irgendwelchen Gründen nicht daran hält, muss<br />
mit den Konsequenzen leben. Klar gibt es auch viele Situationen,<br />
in denen ein Mitarbeitender zum falschen Zeitpunkt am falschen<br />
Ort war. Wer zum «Opfer wider Willen» wird, sollte deshalb<br />
auch nicht bestraft werden.<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
60
Debatte<br />
MEINUNG<br />
MARC PRINZ<br />
Vischer AG<br />
Personen, die engen Kontakt mit Covid-19-Infizierten hatten oder aus<br />
Risikoregionen in die Schweiz zurückkehren, müssen in behördlich angeordnete<br />
Quarantäne. Das bedeutet in aller Regel eine mehrtätige<br />
Isolation möglichst ohne Sozialkontakte, ohne das Haus oder die Wohnung<br />
verlassen zu dürfen. Aus Arbeitgebersicht stellt sich die Frage,<br />
ob die Tage in Quarantäne als bezogene Ferientage angerechnet<br />
werden können. Ferien dienen primär der körperlichen und geistigen<br />
Erholung vom Arbeitsstress sowie der Selbstverwirklichung. Ist dieser<br />
Erholungszweck nach den konkreten Umständen nicht gegeben, liegt<br />
kein Ferienbezug vor. Bei behördlich angeordneter Quarantäne ist eine<br />
Erholung vom Arbeitsstress nicht in genügendem Masse möglich, da<br />
man zu Hause «eingesperrt» ist. Arbeitsrechtler sind sich daher grundsätzlich<br />
einig, dass während der Quarantäne keine Ferien bezogen werden<br />
können. Auch wenn während der normalen Ferien eine Quarantäne angeordnet<br />
wird, sind die dadurch «verlorenen» Tage tendenziell nicht als Ferienbezug anzurechnen.<br />
Das im Gegensatz zu der Situation, wenn der Arbeitnehmende beispielsweise wegen einer<br />
Reisebeschränkung aus einer Risikoregion oder ohne Test- oder Impfbestätigung vorübergehend nicht mehr<br />
in die Schweiz zurückreisen kann. Hier wäre ein Ferienbezug grundsätzlich<br />
möglich und falls nicht, würde keine Lohnfortzahlungspflicht bestehen.<br />
Ist während der Quarantäne Arbeit im Homeoffice möglich, kann<br />
der Arbeitgebende verlangen, dass der Arbeitnehmende arbeitet,<br />
sofern er nicht arbeitsunfähig ist, weil er beispielsweise<br />
erkrankt ist. Kann er während der Quarantäne trotz Arbeitsfähigkeit<br />
nicht arbeiten, darf der Arbeitgebende aus unserer<br />
Sicht den Lohn bei selbstverschuldeter Quarantäne während<br />
dieser Zeit verweigern. Die Schwelle für ein Selbstverschulden<br />
dürfte allerdings relativ hoch liegen. Eine Einstellung der<br />
Lohnzahlung für die Quarantänezeit wäre beispielsweise in<br />
Situationen möglich, wenn Personen bei vollem Bewusstsein<br />
um die Quarantänepflicht für private Zwecke in Risikoregionen<br />
reisen.<br />
DIE SCHWELLE EINER<br />
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6 | 20<strong>21</strong><br />
61
MEINUNG<br />
Marktplatz<br />
NEUORIENTIERUNG FÜR ÜBER 40-JÄ<strong>HR</strong>IGE<br />
DAS NATIONALE PILOTPROJEKT «VIAMIA» BIETET ERWACHSENEN EINE KOSTENLOSE STANDORTBESTIMMUNG.<br />
WIE DAS PROJEKT IM KANTON BERN ANGEKOMMEN IST, ERZÄHLT DANIEL REUMILLER, LEITER DER BIZ<br />
BERUFSBERATUNGS- UND INFORMATIONSZENTREN DES KANTONS BERN.<br />
Seit Anfang 20<strong>21</strong> können Erwachsene eine<br />
kostenlose Standortbestimmung in einem der<br />
elf Pilotkantone machen. Wie ist diese in Bern<br />
angelaufen?<br />
Daniel Reumiller: Sehr gut. Zu Beginn wurden<br />
wir praktisch von Anmeldungen überschwemmt,<br />
das hat sich zwischenzeitlich eingependelt. Wir<br />
stellen jedoch fest, dass sich bisher eher hochqualifizierte<br />
Personen für eine «Viamia»-Beratung<br />
anmelden. Das widerspricht ein wenig der Intention<br />
des Bundesrates. Dieser wollte mit der Initiative<br />
vor allem Personen ab 40 Jahren ansprechen,<br />
die vor etlichen Jahren eine berufliche<br />
Grundbildung abgeschlossen und sich seither<br />
nicht mehr weitergebildet haben. In gewissen<br />
Fällen zeigte sich bereits im ersten Gespräch, dass<br />
die Kunden keine weitere Unterstützung benötigten.<br />
Die Beratenden bemerkten zudem, dass<br />
Personen mit Handlungsbedarf sehr dankbar<br />
sind, wenn sie ihre berufliche Situation mit einer<br />
externen und unabhängigen Fachperson analysieren<br />
und dadurch Möglichkeiten erkennen, ihre<br />
Arbeitsmarktfähigkeit zu verbessern. Das muss<br />
nicht zwingend eine grössere Weiterbildung sein.<br />
Oft gibt es auch unternehmensintern und parallel<br />
zur Arbeit passende Weiterbildungen. Gemäss<br />
ersten Evaluationsergebnissen kommt das Angebot<br />
bei den Kundinnen und Kunden an: So lag die<br />
Weiterempfehlungsrate im ersten Quartal bei 100<br />
Prozent.<br />
Woran liegt es, dass sich nur wenige melden,<br />
die sich nach ihrem Lehrabschluss kaum weitergebildet<br />
haben?<br />
Die Kommunikation in der breiten Öffentlichkeit<br />
ist bisher auf kantonaler Ebene und vor allem<br />
Daniel Reumiller,<br />
Leiter der BIZ Berufsberatungs- und<br />
Informationszentren des Kantons Bern<br />
über traditionelle Printmedien angelaufen.<br />
Weniger qualifizierte Personen müssten über<br />
andere Kanäle angesprochen werden, beispielsweise<br />
über Verbände, die eigene Arbeitgeberwebsite,<br />
Radio und Fernsehen. Auf nationaler Ebene<br />
sind uns zudem noch etwas die Hände gebunden,<br />
da das Programm noch nicht in allen Kantonen<br />
angeboten wird.<br />
Was wünschen Sie sich von Unternehmen für<br />
schlechter Ausgebildete?<br />
Jeder Arbeitgebende hat eine gewisse Mitverantwortung<br />
für die berufliche Zukunft der Mitarbeitenden.<br />
Das bedeutet nicht, dass die Initiative<br />
nur vom Unternehmen ausgehen muss.<br />
Gerade in Berufen mit einem Fachkräfteüberschuss<br />
oder sich inhaltlich stark verändernden<br />
Tätigkeiten sollten Arbeitgebende ihre Mitarbeitenden<br />
jedoch moralisch und finanziell unterstützen,<br />
damit sich diese entwickeln und den<br />
Anschluss auf dem Arbeitsmarkt nicht verlieren.<br />
Das liegt auch im Interesse der Unternehmung:<br />
Die berufliche Entwicklung der Mitarbeitenden<br />
trägt dazu bei, dass diese motiviert und produktiv<br />
bis zur Pensionierung arbeiten.<br />
Welche Verantwortung hat das <strong>HR</strong>, wenig<br />
qualifizierte Mitarbeitende auf das Standortbestimmungsangebot<br />
aufmerksam zu<br />
machen?<br />
Mitarbeitende auf dieses Angebot aufmerksam<br />
zu machen, kann delikat sein. Vorgesetzte<br />
befürchten vielleicht, Mitarbeitenden damit das<br />
Gefühl zu geben, sie seien nicht mehr erwünscht<br />
oder die Person könne dem Unternehmen durch<br />
eine Standortbestimmung verloren gehen. Wir<br />
sind sehr dankbar, wenn <strong>HR</strong>-Abteilungen dieses<br />
Angebot richtig einordnen und klarstellen, dass<br />
es in keiner Weise darum geht, Mitarbeitende<br />
loszuwerden. Sondern vielmehr darum, dass sich<br />
der Betrieb dafür einsetzt, seine Mitarbeitenden<br />
nachhaltig zu qualifizieren.<br />
a<br />
BIZ Berufsberatungs- und Informationszentren<br />
des Kantons Bern<br />
Bremgartenstrasse 37, Postfach, 3001 Bern<br />
be.ch/biz<br />
<strong>HR</strong>M-DOSSIER NR. 92:<br />
Psychische Belastungen am Arbeitsplatz<br />
In der Praxis wissen <strong>HR</strong>-Fachleute oft nicht, wie sie mit psychischen Erkrankungen von Mitarbeitenden umgehen<br />
sollen. Aus Hilflosigkeit entscheiden sich nicht wenige Personalverantwortliche für eine Kündigung. Doch es<br />
geht auch anders: Das zeigen die praxisnahen Lösungsansätze dieses <strong>HR</strong>M-Dossiers. Insbesondere, wenn Arbeitgebende<br />
und IV bei der Integration oder Wiedereingliederung zusammenspannen.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Erhältlich sind die <strong>HR</strong>M-Dossiers im Abonnement mit <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> oder als Einzelexemplar für 23 Franken,<br />
ab 5 Stück 18.50 Franken, inkl. MwSt. und exkl. Versandkosten. Bestellung über hrtoday.ch oder<br />
info@hrtoday.ch<br />
62
Marktplatz<br />
MEINUNG<br />
MIT MUSIKUNTERRICHT<br />
GEGEN DEN CORONA-BLUES<br />
DREI FRAGEN AN OLIVIER KIPFER, CO-FOUNDER MATCHSPACE MUSIC.<br />
Interview: Corinne Päper<br />
Musik hebt die Stimmung. Inwiefern trifft das fürs Musikmachen<br />
im Homeoffice zu?<br />
Es hebt nicht nur die Stimmung. Wer lernt, ein Musikinstrument zu<br />
spielen, fördert seine Kreativität, Konzentration und Produktivität.<br />
Man stärkt damit sein Gedächtnis und ist erst recht noch glücklich<br />
dabei. Verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, ist<br />
eine kurze Unterbrechung oft nützlich. Um meinen Kopf frei zu bekommen,<br />
spiele ich beispielsweise ab und zu Gitarre.<br />
«Ich kann nicht singen» – eine Ausrede?<br />
Das hören wir täglich. Das stimmt aber nicht. Jeder Mensch kann lernen, ein Instrument zu spielen oder<br />
zu singen. Vor allem beim Singen entscheidet oft die Technik. Bei einem Instrument wie der Gitarre ist<br />
dagegen das «muscle memory» entscheidend. Das erreicht man schon mit fünf Minuten Übung pro<br />
Tag. Wichtig ist, dass man Lernerfolge erzielt, Fortschritte macht und motiviert ist. Mit etwas Übung<br />
und der richtigen Lehrperson kriegt man alles hin. Pavarotti hat ja auch nicht über Nacht singen gelernt.<br />
Sie bieten auch Musikkurse für Firmen an.<br />
Wie kann man sich das vorstellen?<br />
Je nach Bedürfnis erfolgt der Unterricht beim Lernenden zu Hause, im Studio der Lehrperson, online<br />
oder in der Firma. Dies lässt sich auch kombinieren. Ich kann beispielsweise wöchentlich einmal ins<br />
Studio gehen und über Mittag online Gitarrenunterricht nehmen. So findet die Musik jederzeit in meinem<br />
Alltag Platz. Matchspace Music stellt sicher, dass dies leicht geht und sich Lernende und Lehrer finden.<br />
MATCHSPACE MUSIC<br />
Über die Plattform können Musiklernende<br />
eine passende Lehrperson finden und den<br />
Musikunterricht buchen. Unterrichtet werden<br />
über 40 Instrumente in allen Erfahrungsstufen<br />
und in verschiedenen Sprachen<br />
von Deutsch, Englisch, Französisch über<br />
Portugiesisch bis hin zu Hebräisch. Wer<br />
mehr Erfahrung hat, kann beispielsweise<br />
auch Stunden bei einem internationalen<br />
Opernstar buchen. Unternehmen können<br />
Musikstunden oder Gutscheine für ihre Mitarbeitenden<br />
kaufen oder Workshops<br />
buchen, die beispielsweise mittags im<br />
Unternehmen stattfinden.<br />
matchspace.com<br />
GESUNDHEITSFÖRDERUNG SCHWEIZ:<br />
NEUE WEBSEITE ZU «NEW WORK»<br />
New Work beeinflusst nicht nur die Art, wie und<br />
wo wir in Zukunft arbeiten, sondern auch unser<br />
Wohlbefinden. Die psychische Gesundheit von<br />
Mitarbeitenden rückt noch mehr in den Fokus.<br />
Gesundheitsförderung Schweiz bietet auf der neu<br />
lancierten Webseite «New Work» nicht nur Studien,<br />
Best-Practice-Beispiele und Erfahrungsberichte<br />
von Unternehmen wie Post Finance, Digitec<br />
Galaxus oder der Basler Kantonalbank, sondern<br />
auch Tools und Tipps, wie Mitarbeitende in der<br />
neuen Arbeitswelt begleitet werden können.<br />
Zusätzlich können sich Firmen online mit Fachpersonen<br />
und der Community von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz über Themen wie hybrides<br />
Arbeiten, agile Organisationsformen oder neue<br />
Bürokonzepte austauschen.<br />
Reinklicken unter:<br />
gesundheitsfoerderung.ch/new-work<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
63
Presented by<br />
«OHNE GESUNDHEIT IST ALLES NICHTS»<br />
MENSCHEN BENÖTIGEN FLÜSSIGKEIT. SCHON EINE KURZE DURSTSTRECKE FÜ<strong>HR</strong>T ZU ERHEBLICHEN LEISTUNGSAB<br />
FÄLLEN. ARBEITGEBENDE TUN DESHALB GUT DARAN, MITARBEITENDEN TRINKWASSER ZUR VERFÜGUNG ZU STELLEN.<br />
DAMIT FÖRDERN SIE NICHT NUR DEREN GESUNDHEIT, SONDERN AUCH DIE EIGENE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT.<br />
ETWA MIT KÄRCHER-WASSERSPENDERN.<br />
Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsschwierigkeiten<br />
und Verwirrungszustände: Mangelnder<br />
Wasserkonsum macht sich körperlich schnell<br />
bemerkbar. Schon ein Wasserverlust von drei Prozent<br />
im menschlichen Körper führt zu einer merklich<br />
sinkenden Leistungsfähigkeit. Um diesen Wasserverlust<br />
auszugleichen, brauchen Menschen je nach<br />
Alter, Körpergewicht, Aktivität und Umgebungstemperatur<br />
ungefähr 1,5 bis 2,5 Liter Trinkwasser<br />
pro Tag.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Dank Wasser zu mehr Leistungsfähigkeit<br />
Dass Mitarbeitende genügend Flüssigkeit zu sich<br />
nehmen, liegt deshalb im Interesse der Arbeitgebenden.<br />
So auch in jenem der Zürcher Verkehrsbetriebe<br />
(VBZ). «Ohne Gesundheit ist alles nichts»,<br />
sagt Florian Schrodt, VBZ-Employer-Branding-Verantwortlicher.<br />
«Deshalb fördern wir im Betrieblichen<br />
Gesundheitsmanagement die Gesundheit unserer<br />
Mitarbeitenden auf vielfältige Weise: Beispielsweise<br />
mit unserem Wasserspender-Projekt.» Doch weshalb<br />
diese Lösung? «Mit den vorherigen Getränkeautomaten<br />
gab es bei der Wasserversorgung immer<br />
wieder Herausforderungen.» Etwa, weil sie nicht<br />
rechtzeitig nachgefüllt wurden. Zudem passte die<br />
dadurch verursachte PET-Abfallmenge nicht zur<br />
Umweltstrategie der Verkehrsbetriebe. «Deshalb<br />
haben wir uns nach einer anderen Lösung umgeschaut.»<br />
Diese war rasch gefunden: Die Immobilienabteilung<br />
der Stadt Zürich hatte bereits eine Ausschreibung<br />
für Wasserspender gemacht und<br />
Kärcher-Geräte angeschafft. «Unsere Anforderungen<br />
waren fast deckungsgleich», sagt die VBZ-Projektleiterin<br />
Katja Berger. «Deshalb haben wir uns<br />
für Wasserspender von Kärcher entschieden. Diese<br />
funktionieren mit einem Wasseranschluss, sind<br />
umwelt- und bedienerfreundlich und ungeachtet<br />
der unterschiedlichen Voraussetzungen an jedem<br />
VBZ-Standort einsetzbar.»<br />
Auch die Zusammenarbeit mit Kärcher verlief<br />
gemäss der Projektleiterin erfreulich. «So konnten<br />
wir auf einen intern bekannten Partner zurückgreifen»,<br />
sagt Berger. Heute stehen den 2500 Mitarbeitenden<br />
der VBZ rund 18 Kärcher-Getränkespender<br />
an allen Standorten zur Verfügung. Positioniert<br />
wurden sie hauptsächlich an stark frequentierten<br />
Orten, beispielsweise in den Aufenthaltsräumen<br />
oder in der Nähe von Fahrstühlen sowie in Pausenzonen<br />
der VBZ-Werkstätten. Plastikbecher nutzen<br />
die Verkehrsbetriebe nicht: «Das hätte den ökologischen<br />
Effekt massiv gemindert», sagt Claudia<br />
Kopp, die Verantwortliche für Ökologiefragen bei<br />
den VBZ. «Um das Bewusstsein unserer Mitarbeitenden<br />
für ein ökologisches Verhalten zu schärfen,<br />
weisen wir sie mit Aufklebern auf den Wasserspendern<br />
darauf hin, Mehrweggefässe zu verwenden.»<br />
Die Kärcher-Wasserspender sind nicht nur ökologischer<br />
als die früheren Wasserangebote, sie haben<br />
auch einen weiteren Vorteil. «Die Kärcher-Geräte<br />
reinigen sich thermisch von allein», sagt die VBZ-<br />
Projektleiterin Katja Berger. «Auch die wasserführenden<br />
Bauteile wie Heiz- oder Kühlmodul werden<br />
automatisch regelmässig mit Heisswasser desinfiziert.»<br />
Der Zeitpunkt der Reinigung liesse sich beliebig<br />
einstellen. «Beispielsweise nachts, damit die<br />
Kärcher-Wasserspender morgens wieder betriebsbereit<br />
sind.» Daneben reinige die Putzequipe die<br />
Geräte aber auch äusserlich. Bergers Fazit? «Wir<br />
haben nicht nur unsere Umweltbilanz, sondern auch<br />
die Wasserversorgung unserer Mitarbeitenden stark<br />
verbessert, indem sie das Wasser nicht mehr vergünstigt<br />
in PET-Flaschen, sondern gratis ab Getränkespender<br />
angeboten bekommen. Ebenso können<br />
sie nun auch heisses Wasser abfüllen.»<br />
In den Werkstätten der VBZ können<br />
sich die Mitarbeitenden stets mit<br />
Wasser versorgen und bleiben so<br />
leistungsfähig.<br />
Wasserspender<br />
Bei den VBZ kommen Kärcher-Geräte des Modells<br />
WPD 200 Advanced S zum Einsatz. Dieses bietet<br />
bis zu sechs verschiedene Wasserarten: etwa<br />
heiss, still, kühl, starker Sprudel, mittlerer Sprudel.<br />
Das patentierte Kärcher-Hygienesystem<br />
sorgt dafür, dass sich das Gerät einmal monatlich<br />
thermisch selbst reinigt und für den Kunden<br />
somit keine Reinigungsarbeiten anfallen. Daneben<br />
filtert es Bakterien und Viren und entfernt<br />
Chlor Schwermetalle und andere Rückstände,<br />
die aus den Wasserleitungen stammen. Alle<br />
wichtigen Mineralstoffe bleiben jedoch erhalten.<br />
Das Gerät existiert als Tisch- oder Standversion.<br />
Um den Plastikabfall zu verringern, bietet Kärcher<br />
zudem wiederverwendbare und spülmaschinentaugliche<br />
Glasflaschen und -karaffen.<br />
kaercher.ch<br />
64
Marktplatz<br />
MEINUNG<br />
WENIGER ADMINISTRATION,<br />
WENIGER ABSENZEN,<br />
WENIGER KOSTEN<br />
Die <strong>HR</strong>-Software Carema digitalisiert alle Prozesse des betrieblichen<br />
Absenz- und Case-Managements. In Kombination mit der Software<br />
UKA Solutions zum Fehlzeitenmanagement ermöglicht dies ein professionelles<br />
Gesundheitsmanagement. Einfache und automatisierte<br />
Prozesse beim BGM, bei der Unfall- und Krankentaggeldversicherung<br />
sowie den Ausgleichskassen entlasten <strong>HR</strong> und Payroll. Zudem werden<br />
durch Unterstützung bei Analyse, Prävention und Wiedereingliederung<br />
die unfall- und krankheitsbedingten Absenzen reduziert.<br />
hrm-systems.ch<br />
SPRACHKENNTNISSEN<br />
MIT AI AUF DER SPUR<br />
Lesen, hören, sprechen und schreiben: Menschen schätzen ihre Englisch-Sprachkenntnisse<br />
oft ungenau ein. Abhilfe schafft nun ein Algorithmus.<br />
Die von der Universität Cambridge entwickelte Software<br />
«Linguaskill from Cambridge» nutzt zur Ermittlung der Sprachkenntnisse<br />
einen durch künstliche Intelligenz gesteuerten Test, der sich dem<br />
Sprachniveau des Nutzers anpasst. Basierend auf dessen Antworten<br />
erhöht oder senkt der Algorithmus den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben.<br />
Linguaskill eignet sich für Unternehmen, die Englischkenntnisse<br />
von Kandidaten zuverlässig einschätzen wollen. Die Tests finden online<br />
statt, die Ergebnisse liegen 48 Stunden nach Abschluss vor und werden<br />
in einem Report per E-Mail verschickt.<br />
Der Test nach Cambridge English Standard ist weltweit anerkannt<br />
und beinhaltet Sprachniveaus von A1 bis C1 nach der Cambridge-<br />
English-Skala sowie dem Europäischen Referenzrahmen (GER).<br />
In der Schweiz wird «Linguaskill from Cambridge» von Swiss Exams<br />
über skills.swiss-exams.ch vertrieben.<br />
FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
65
<strong>HR</strong>TODAY.CH<br />
FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
Die Checkliste<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> TV<br />
Video-Porträt:<br />
Karin Walser<br />
Zahlen und Menschen faszinierten die <strong>HR</strong>- und<br />
Finanzleiterin des Casinotheaters Winterthur<br />
schon immer. Deshalb hat Karin Walser in ihrem Werdegang<br />
schon zum zweiten Mal eine solche Doppelfunktion inne. Wie sie<br />
die Mitarbeitenden des Casinotheaters im Lockdown unterstützt hat und<br />
was sie unter modernem <strong>HR</strong> versteht, erzählt sie im Video-Porträt.<br />
<strong>HR</strong> als Leitwolf<br />
Die meisten Schweizer Unternehmen sind aufgrund<br />
der Homeoffice-Pflicht regelrecht in die «New Work»-<br />
Welt katapultiert worden. Unsere Gastautorin<br />
Corinne Kiener hofft, dass<br />
die Betriebe darin eine einmalige<br />
Chance erkennen und die<br />
erlebten Vorteile auch künftig<br />
gezielt nutzen, um<br />
Remote Work mit Vor-Ort-<br />
Arbeiten zu kombinieren.<br />
Die Checkliste «Das Beste<br />
beider Welten» gibt drei<br />
wichtige Tipps zur entsprechenden<br />
Umsetzung<br />
– inklusive Praxisbeispielen.<br />
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FOTO: iSTOCKPHOTO<br />
Der Artikel<br />
Der Blog<br />
Konkurrenzverbot<br />
Für die Arbeitgeberin kann der Schutz von<br />
Geschäftsgeheimnissen über das Arbeitsverhältnis<br />
hinaus wirtschaftlich von grosser<br />
Bedeutung sein. Aber nützt ein Konkurrenzverbot<br />
überhaupt etwas und ist es nachvertraglich durchsetzbar? Arbeitsrechtsblogger<br />
Thomas Geiser gibt Auskunft auf blog-hrtoday.ch.<br />
Dating-App-Prinzip<br />
Jüngste Zahlen der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich beruhigen:<br />
Trotz Corona-Pandemie gibt es wieder mehr Jobs auf dem Markt.<br />
In manchen Branchen hat die Pandemie jedoch Spuren hinterlassen: Viele<br />
Arbeitssuchende treffen auf wenige Jobs. Die Folge: Unternehmen erhalten<br />
auf offene Stellen viel mehr Bewerbungen. Weshalb Personaler jetzt<br />
eine noch entscheidendere Rolle spielen und wie man die «Nadel im<br />
Heuhaufen», findet lesen Sie im Artikel «Weg vom Tinder-Prinzip im Recruiting».<br />
Etwas verpasst?<br />
Klicken Sie sich durch unsere Online-Perlen:<br />
hrtoday.ch/perlen<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
66
Bloghub<br />
MEINUNG<br />
BLOG<br />
TV<br />
NETWORK<br />
Kultur-Change<br />
DIE ARBEITSWELT BEFINDET SICH IM WANDEL. FESTE ARBEITSSTRUKTUREN LÖSEN SICH IM HOMEOFFICE AUF,<br />
GEWOHNTE DIREKTE UND RASCHE KOMMUNIKATION BENÖTIGT EIN UMDENKEN. ME<strong>HR</strong> DENN JE SIND EMPATHIE<br />
UND SINNFINDUNG SEITENS DER MITARBEITENDEN GEFRAGT.<br />
Wird nach Corona alles<br />
anders? Vielleicht.<br />
Zumindest bieten viele<br />
Erfahrungen aus den<br />
letzten Monaten einige<br />
Chancen, den Arbeitsalltag<br />
von morgen<br />
Markus Marthaler anders zu gestalten. Im<br />
Leid oder auch einfach in<br />
der Beschränkung unserer<br />
gewohnten Handlungen zeigt sich, wo<br />
genau wir im Leben stehen, offenbart sich zum<br />
Teil schonungslos, ob wir authentisch leben oder<br />
nur Vorstellungen und Kompromissen hinterherjagen.<br />
Betreffend Stärkung der Unternehmenskultur<br />
könnten diese drei Fragen hilfreich sein:<br />
• Welche Folgen hat diese Krise auf die Menschen<br />
im Unternehmen?<br />
Wie wirkt sich Homeoffice auf das soziale Verständnis,<br />
das Teamverhalten, das Verständnis<br />
gegenüber der Arbeit aus?<br />
• Was bedeutet dies für die Kultur?<br />
Welche Schwerpunkte gilt es bezüglich Digitalisierung<br />
und der sich verändernden Kommunikation<br />
zu setzen?<br />
• Wie soll das Management die Führungsverantwortung<br />
künftig wahrnehmen?<br />
Was verändert sich im Führungsverhalten zum<br />
Beispiel bezüglich Vertrauensbildung und Kontrolle?<br />
Welche Schwerpunkte sollen in der Ausund<br />
Weiterbildung gesetzt werden?<br />
Die Krise hat gezeigt, dass nichts selbstverständlich<br />
ist und Gewohntes schnell aus unserem<br />
Leben verschwinden kann. Vielleicht<br />
erwächst daraus eine neue Haltung mit etwas<br />
mehr Demut und Respekt gegenüber dem persönlichen<br />
Leben sowie der Arbeit. Daher bin ich<br />
überzeugt, dass der Fokus des nachhaltigen<br />
Erfolgs künftig auf die Entwicklung und Stärkung<br />
des Ressourcenmanagements von Mitarbeitenden<br />
und Teams gerichtet ist.<br />
Kulturelle Prozesse auf diese Weise zu begleiten,<br />
verlangt ein hohes Mass an unternehmerischer<br />
Empathie, vernetztes Verständnis interkultureller<br />
Zusammenhänge und schliesslich auch das<br />
Wissen um grundsätzliche Verhaltensmuster<br />
von Mitarbeitenden. Zweifellos wäre hier das<br />
<strong>HR</strong> ein Sparringpartner für die Geschäftsleitung,<br />
doch – die Frage muss erlaubt sein – verfügt<br />
die klassische <strong>HR</strong>-Abteilung, gebunden und<br />
gefangen im formalen Gesetzesdschungel, über<br />
die Kompetenz, auf diese Herausforderungen<br />
adäquate Unterstützung zu bieten?<br />
Was wäre also, wenn man die administrative<br />
Personalarbeit künftig über die Finanzabteilung<br />
abwickeln und das «Employer Branding» ins<br />
Marketing integrieren würde? Dafür Aus- und<br />
Weiterbildung, Rekrutierung sowie weitere strategisch<br />
relevante Themen in der Geschäftsleitung<br />
ansiedelt, um da die kulturellen Veränderungen<br />
gezielter und effizienter zu unterstützen?<br />
Überlegungen zu Entwicklung als Teil der<br />
Unternehmenskultur: Was wäre, wenn immer<br />
mehr Menschen die Sinnhaftigkeit der Arbeit<br />
über die Ausübung einer Tätigkeit stellen? Es<br />
würde zum Ausdruck bringen, dass eine entsprechende<br />
Kultur die intrinsische Motivation<br />
der Mitarbeitenden unterstützen und fördern<br />
würde. Welche Massnahmen sind dazu erforderlich?<br />
Wie weit ist die Führungsspitze bereit,<br />
sich dieser Thematik zu stellen? Zugleich hätte<br />
dies auch Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung<br />
und würde das heutige Bildungsverständnis<br />
mindestens in Frage stellen.<br />
Denn im Gegensatz zur theoretischen Wissensvermittlung<br />
mit anerkannten Fähigkeitszeugnissen<br />
könnten morgen praktische Lehr- und<br />
Lernmethoden die Bildungswelt prägen.<br />
Dadurch würden wir uns weg von klassischer<br />
Problemanalyse und theoretischen Studiengängen<br />
hin zu einem ganzheitlichen Lernprozess<br />
im Alltag entwickeln.<br />
Ein strategisch ausgerichtetes Ressourcenmanagement<br />
unterstützt die psychische Stabilität<br />
des Einzelnen und somit die Struktur des Unternehmens.<br />
Es fördert und sensibilisiert die Mitarbeitenden<br />
im Umgang mit dem eigenen<br />
Energiepotenzial. «Work» trennt nicht mehr von<br />
«Life Balance», Berufs- und Privatleben werden<br />
zu einer fliessenden Lebensphilosophie. Dabei<br />
ist weniger das räumliche Verschmelzen der<br />
eigenen Wohnung als Homeoffice gemeint als<br />
vielmehr eine veränderte Haltung zur Arbeit.<br />
Der Job, anstelle des wirtschaftlichen Futternapfs,<br />
wird zum Beruf, zu einer Berufung, wo<br />
Selbständigkeit, Verantwortung und Innovation<br />
zur inneren Energiequelle werden.<br />
Was bedeutet dies schliesslich für die Führung?<br />
Im Wesentlichen wird der Mensch sich nicht<br />
ändern. Wertschätzung und das Bedürfnis, in<br />
einem vertrauensvollen Umfeld zu arbeiten,<br />
überdauert die Zeit. Aber es ist Mut gefragt, die<br />
Bereitschaft, althergebrachte Muster über Bord<br />
zu werfen, sich mit Führungskräften zu umgeben,<br />
die bereit sind, Neues auszuloten und mehr<br />
denn je bereit sind, ein Umfeld zu schaffen, das<br />
von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist.<br />
blog.hrtoday.ch<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
67
MEINUNG<br />
Blog-Kommentare<br />
Leser*innenkommentare<br />
Dialog auf Blog-Beitrag von<br />
Raphael Ineichen «Sie möchten<br />
mehr Ressourcen für Ihr<br />
Recruiting? So geht’s!» vom<br />
8. April 20<strong>21</strong>:<br />
Anne-Cathrin Becker: «Ich<br />
denke, die allermeisten Recruitierenden<br />
haben das Problem,<br />
die Fachabteilung zwangsläufig früh<br />
in den Prozess einbinden zu müssen. Eine sinnvolle<br />
Option, dies ein Stück weit zu umgehen, stellt aus meiner<br />
Sicht der Einsatz von aussagekräftigen Testverfahren<br />
(bspw. Coding- und Persönlichkeitstests) dar. Dies<br />
ermöglicht eine datenbasierte Personalauswahl und bietet<br />
Bewerbenden somit Chancengleichheit und effiziente<br />
Prozesse. Der Codingtest ist insbesondere für das Recruiting<br />
von IT-Talenten ein nützliches Werkzeug. Personaler<br />
können die fachliche Eignung von Kandidaten im Recruiting-Prozess<br />
früh einschätzen, ohne die Expertise zu<br />
haben. Bewerbende können sich beweisen und das<br />
Unternehmen weiss anschliessend, ob der Kandidat sein<br />
Handwerk wirklich beherrscht.»<br />
Raphael Ineichen: «Coding- und Persönlichkeitstests<br />
machen für bestimmte Stellen sicher Sinn, jedoch nicht<br />
zu Beginn des Prozesses. Warum? Kandidat und Unternehmen<br />
sollten sich zu jeder Zeit auf Augenhöhe begegnen.<br />
Angesichts der hohen Nachfrage von IT-Spezialisten<br />
liegt es zunächst am Unternehmen, den Kandidaten zu<br />
überzeugen, weshalb er hier arbeiten sollte. Ansonsten<br />
kommt das eher rüber wie: ‹Ah, du hast dich bei uns<br />
beworben. Gut, dann zeig uns mal, was du drauf hast.›»<br />
Anne-Cathrin Becker: «Natürlich sollte im Hinblick<br />
auf eine positive Candidate Experience vor Übermittlung<br />
eines Coding- oder Persönlichkeitstest unbedingt<br />
ein kurzes Erstgespräch mit den Kandidaten beziehungsweise<br />
per Video stattfinden, um sich zunächst<br />
zu ‹beschnuppern› und die Hard Facts abzuklären.<br />
Kandidaten möchten in einem Bewerbungsprozess herausgefordert<br />
werden. Entgegen des Irrglaubens vieler<br />
Arbeitgeber zeigen sie gern, was sie können. Natürlich<br />
sollte das Angebot an Testverfahren im Rahmen bleiben,<br />
damit das Interesse nicht in Frust umschlägt.<br />
Solange der Ablauf des Auswahlprozesses jedoch klar<br />
kommuniziert wird, werden Kandidaten auch eine<br />
Absage im fortgeschrittenen Prozess eines mehrstufigen<br />
Verfahrens akzeptieren und den Kontakt mit dem<br />
Unternehmen in guter Erinnerung behalten.»<br />
Blog-Beitrag von Joël Luc<br />
Cachelin «Agilität ist (nicht)<br />
gratis» vom 8. Dezember<br />
2016:<br />
Stephan Ernst: «Die Sichtweise<br />
des ‹Mangels› ist ein<br />
spannender Ansatz, insbesondere<br />
bezüglich Erfahrung. Wenn<br />
sich das Umfeld in ein volatiles<br />
wandelt, nützt die Erfahrung aus dem zurückliegenden<br />
wenig, um mit Veränderungen umzugehen. Dieser entsprechende<br />
Mangel ‹zwingt› dann zu einem veränderten<br />
Verhalten bzw. einer veränderten Haltung, um weiterhin<br />
zu bestehen. Und damit zu einem agilen Umgang mit<br />
den veränderten Randbedingungen.» <br />
Impressum<br />
Erscheint 10 x jährlich auf Deutsch und<br />
6 x jährlich auf Französisch<br />
23. Jahrgang<br />
Druckauflage 5000 Exemplare<br />
WEMF-beglaubigte Auflage: 4511 Exemplare<br />
Gründer und Herausgeber: Matthias Zimmermann<br />
Offizielles Kommunikationsorgan von<br />
Verband der Personaldienstleister der Schweiz<br />
Union suisse des services de l’emploi<br />
Stettbachstrasse 10, 8600 Dübendorf<br />
T: 044 388 95 40, F: 044 388 95 49<br />
Verlag: ALMA Medien AG<br />
Hofackerstrasse 32, 8032 Zürich<br />
T: 044 269 50 10, info@hrtoday.ch<br />
Key Account Manager:<br />
Marc Christen, T: 044 269 50 33, marc.christen@hrtoday.ch<br />
Mari Greco, T: 044 269 50 28, mari.greco@hrtoday.ch<br />
Aurelia Keusch, T: 044 269 50 34, aurelia.keusch@hrtoday.ch<br />
Marketing- und Eventleitung: Lea Maurer<br />
T: 044 269 50 36, lea.maurer@hrtoday.ch<br />
Redaktionsteam: Corinne Päper (Chefredaktion),<br />
Christine Bachmann, Eliane Stöckli<br />
Redaktionelle Beiträge:<br />
Alexandra Arnold, Gebhard Borck, Monika Bütikofer, Nicolas<br />
Facincani, Myra Fischer-Rosinger, Martina Filippo, Stephan<br />
Hostettler, Aniq Iselin, Susanne Kuntner, Markus Marthaler,<br />
Marc Prinz, Sibylle Scheiwiller, Niculin Schmied, Irena Sgier,<br />
Sonja Stark-Traber.<br />
Grafik: Christine Schleich<br />
Demnächst: Nr. 7&8 / 20<strong>21</strong><br />
Erscheinungstermin: 30. Juni 20<strong>21</strong><br />
Insertionsschluss: 11. Juni 20<strong>21</strong><br />
Abonnementspreise<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> PRO: CHF 324.–<br />
(10 x <strong>HR</strong> <strong>Today</strong>, 12 Monate Zugang zu hrtoday.ch,<br />
4 <strong>HR</strong>M Dossiers, 5 App-Zugänge, unlimitierter Zugriff auf alle<br />
<strong>HR</strong>M Dossiers über die App)<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> STANDARD: CHF 227.–<br />
(10 x <strong>HR</strong> <strong>Today</strong>, 12 Monate Zugang zu hrtoday.ch, App-Zugang)<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> App CHF 170.–<br />
(10 x <strong>HR</strong> <strong>Today</strong> auf dem Smartphone und Tablet)<br />
<strong>HR</strong> <strong>Today</strong> DIGITAL: CHF 129.–<br />
(12 Monate Zugang zu hrtoday.ch)<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Aboverwaltung: T: 044 269 50 20, abo@hrtoday.ch<br />
Geschäfts- & Verkaufsleitung: Tobias Mengis<br />
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Korrektorat: comtexto<br />
Druck: Werner Druck & Medien AG<br />
Leimgrubenweg 9, 4001 Basel<br />
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Gezeichnete Artikel wider spiegeln nicht un be dingt die<br />
Meinung der Redaktion oder des Verlags. Für unverlangt<br />
eingesandte Texte übernimmt die Redaktion beziehungs weise<br />
der Verlag keine Haftung. Die Wieder gabe von Beiträgen ist<br />
nur mit Quellen angabe gestattet. Wir bedanken uns für ein<br />
Beleg exemplar.<br />
68
Fokus Forschung<br />
MEINUNG<br />
Alexandra Arnold,<br />
Oberassistentin und Dozentin<br />
am Center für Human Resource<br />
Management, Universität Luzern<br />
WIESO ARBEITGEBENDE NICHT<br />
NACH DEM LOHN FRAGEN SOLLTEN<br />
OFT FRAGEN ARBEITGEBENDE WÄ<strong>HR</strong>END DES REKRUTIERUNGSPROZESSES<br />
BEWERBENDE NACH I<strong>HR</strong>EM LETZTEN GEHALT. EIN FELDEXPERIMENT ZEIGT,<br />
WAS PASSIERT, WENN SOLCHE LOHNINFORMATIONEN FÜR ARBEITGEBENDE<br />
NICHT ME<strong>HR</strong> EINSEHBAR SIND. Gastbeitrag: Alexandra Arnold<br />
In den letzten drei Jahren haben diverse US-Bundesstaaten<br />
Bestimmungen eingeführt, die es<br />
Arbeitgebenden verbieten, Bewerbende nach<br />
ihrem letzten Gehalt zu fragen. Diese neuen<br />
Bestimmungen sollen Lohndiskriminierungen<br />
reduzieren, indem ungerechtfertigte Lohnunterschiede<br />
aus früheren Anstellungen nicht in den<br />
neuen Job mitgenommen werden.<br />
Doch was bringen solche Bestimmungen tatsächlich?<br />
Professor Barach von der Universität<br />
in Minnesota und Professor Horton vom MIT in<br />
Boston gingen dieser Frage nach. In einem Feldexperiment<br />
mit rund 6000 Arbeitgebenden<br />
untersuchten sie, wie diese auf fehlende Lohninformationen<br />
reagieren. Auf einer digitalen<br />
Rekrutierungsplattform schrieben Arbeitgebende<br />
Jobs aus, auf die sich Interessierte direkt<br />
bewerben konnten. Arbeitgebende sahen nur<br />
das Bewerberprofil mit Namen, Foto, den Fähigkeiten,<br />
den geleisteten Arbeitsstunden auf der<br />
Plattform sowie dem durchschnittlichen Feedback-Rating<br />
aus früheren Jobs. Manipuliert<br />
wurde nur die Information zum früheren Lohn<br />
der Bewerbenden. Während der Hälfte der<br />
Arbeitgebenden der Stundenlohn aus vorhergehenden<br />
Jobs angezeigt wurde, sah die andere<br />
Hälfte der Arbeitgebenden diese Angabe nicht.<br />
Insgesamt scheinen die neuen Bestimmungen in<br />
den USA ihre Wirkung zu zeigen: Schwarze und<br />
weibliche Bewerbende konnten ihre Löhne um 13<br />
beziehungsweise 8 Prozent erhöhen. Beschäftigte<br />
nicht mehr nach dem Lohn zu fragen,<br />
scheint Diskriminierungen zu reduzieren. Arbeitgebende<br />
könnten auch proaktiv Lohnbänder für<br />
die ausgeschriebenen Jobs veröffentlichen. Dies<br />
lässt wenig Raum für Diskriminierung und Bewerbende<br />
wissen von Beginn, mit welchem Lohn sie<br />
rechnen können.<br />
P<br />
Quelle: Barach, M. A. (20<strong>21</strong>). How do employers use compensation history?<br />
Evidence from a field experiment. Journal of Labor Economics, 39(1),<br />
193–<strong>21</strong>8.<br />
BESCHÄFTIGTE NICHT<br />
ME<strong>HR</strong> NACH DEM LOHN<br />
ZU FRAGEN, SCHEINT<br />
DISKRIMINIERUNGEN ZU<br />
REDUZIEREN.<br />
Frühlingsnewsletter Schweizer<br />
<strong>HR</strong>-Barometer<br />
Der Schweizer <strong>HR</strong>-Barometer ist ein gemeinsames<br />
Projekt der Universitäten Luzern<br />
und Zürich sowie der ETH Zürich. In<br />
dieser repräsentativen Arbeitnehmerbefragung<br />
werden seit 2006 in regelmässigen<br />
Abständen bis zu 2000 Beschäftigte<br />
in der Schweiz zu ihrer aktuellen Arbeitssituation<br />
befragt. Folgende Themen stehen<br />
im Zentrum: Wie entwickelt sich die<br />
Arbeitszufriedenheit in der Pandemie?<br />
Gibt es Unterschiede in der Arbeitseinstellung<br />
zwischen Stadt und Land?<br />
hrbarometer.ch<br />
Beschäftigte wünschen sich<br />
mehr Lohntransparenz<br />
Gemäss einer Schweizer Nationalfondsstudie<br />
der Universität Luzern wünschen<br />
sich die Beschäftigten volle Transparenz<br />
in Bezug auf das Lohnsystem. Bezüglich<br />
der tatsächlichen Löhne bevorzugen die<br />
Befragten mehr Transparenz in Form von<br />
Lohnbändern oder Durchschnittswerten.<br />
tinyurl.com/lohntransparenz<br />
Die Resultate zeigen, dass Arbeitgebende ohne<br />
Lohninformationen gleich viele Arbeitsverträge<br />
abschlossen wie Arbeitgebende mit Lohninformationen,<br />
sie aber mehr Bewerbende intensiver<br />
evaluierten. Im Vergleich zur Kontrollgruppe stellten<br />
Arbeitgebende ohne Lohninformationen<br />
Bewerbende ein, die in früheren Jobs durchschnittlich<br />
13 Prozent weniger verdient hatten.<br />
Dies deutet darauf hin, dass fehlende Lohninformationen<br />
für Geringverdienende ein Türöffner<br />
sein könnten. Verhandelten Bewerbende mit<br />
Arbeitgebenden ohne Lohninformationen, konnten<br />
sie einen um 9 Prozent höheren Stundenlohn<br />
aushandeln. Dies zeigt, dass die Verhandlungsposition<br />
von Bewerbenden gestärkt wird, wenn<br />
Arbeitgebenden keine Lohninformationen vorliegen.<br />
F<br />
O<br />
T<br />
O<br />
:<br />
i S<br />
T O C K<br />
P H O<br />
T O<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
69
<strong>HR</strong>-TEAM DES MONATS<br />
FOTOS: Aniela Lea Schafroth<br />
v.l.: Sarah Baumann, Human Resources Business Partner; Brigitte<br />
Furter, Human Resources Generalist; Susanne Egger, Head of Human<br />
Resources; Iliana Cancello, Human Resources Business Partner. Es fehlt:<br />
Naima Jost, Praktikantin Human Resources.<br />
<strong>HR</strong>-SUITE UND SCHWARMINTELLIGENZ NUTZEN<br />
DAS <strong>HR</strong>-TEAM VON MERCEDES-BENZ SCHWEIZ AG MIT SITZ IN SCHLIEREN IST INTERNATIONAL GUT VERNETZT UND<br />
SETZT MIT SCHWARMORGANISATIONEN AUF KOOPERATION, GEBÜNDELTE EXPERTISE UND AGILE ARBEITSWEISEN.<br />
Text: Christine Bachmann<br />
Was zeichnet ein «gutes» <strong>HR</strong>-Team aus?<br />
Susanne Egger: Wenn wir Herausforderungen als<br />
Team und nicht als Einzelkämpfer meistern. Teammitglieder<br />
müssen ausserdem die Fähigkeiten besitzen,<br />
Bestehendes zu hinterfragen, zu optimieren<br />
und den Blick in die Zukunft zu richten sowie sich<br />
mit neuen Trends auseinanderzusetzen.<br />
Mercedes-Benz Schweiz AG ist eine Tochtergesellschaft<br />
der deutschen Daimler AG. Existiert<br />
ein internationaler Austausch zwischen den <strong>HR</strong>-<br />
Teams?<br />
Wir pflegen eine gute Zusammenarbeit und teilen<br />
unsere Best-Practice-Erfahrungen aus lokalen Projekten.<br />
Dazu arbeiten wir eng mit den Kolleginnen<br />
und Kollegen aus dem Headquarter in Stuttgart<br />
zusammen, aber auch mit <strong>HR</strong>-Vertretern aus ganz<br />
Europa.<br />
Susanne Egger,<br />
Head of Human Resources,<br />
Mercedes-Benz Schweiz AG<br />
Wo finden Sie für Mercedes-Benz die richtigen<br />
Talente?<br />
Einerseits prüfen wir intern, ob wir Mitarbeitende<br />
in unserem Nachfolgeplan haben, die bereit und<br />
daran interessiert wären, die frei werdenden Stellen<br />
zu übernehmen. Andererseits suchen wir extern<br />
nach Talenten und publizieren unsere Stellen in<br />
sozialen Netzwerken wie Linkedin oder auf Jobbörsen.<br />
Was würden Sie tun, wenn Sie mehr Budget<br />
fürs <strong>HR</strong> zur Verfügung hätten?<br />
Wir würden mit einer Master Class eine Plattform<br />
für Führungskräfte bieten, auf der sie sich austauschen,<br />
gegenseitig unterstützen und voneinander<br />
lernen können. Ausserdem würden wir weiterhin<br />
in die Personal- und Kulturentwicklung<br />
investieren.<br />
6 | 20<strong>21</strong><br />
Sie haben in den letzten Jahren Ihre <strong>HR</strong>-Prozesse<br />
digitalisiert und eine «All-in»-Lösung implementiert.<br />
Was bietet diese?<br />
Unsere <strong>HR</strong>-Suite bietet alles, was wir im lokalen Employee<br />
Life Cycle benötigen: vom Personalstammdaten-Management<br />
und der Lohnbuchhaltung über<br />
elektronische Personaldossiers und die Arbeitszeiterfassung<br />
bis hin zum Bewerbermanagement inklusive<br />
automatisierter Schnittstellen zu unseren externen<br />
Partnern und zum Daimler-Konzern. Das<br />
Highlight ist die zentrale Datenbank für alle Module<br />
sowie das Mitarbeiterportal. Damit haben Führungskräfte<br />
und Mitarbeitende ortsunabhängig Zugriff<br />
auf ihre persönlichen Daten und können diese selbst<br />
verwalten. Mit der Zeiterfassungsplattform lassen<br />
sich zudem sämtliche Leistungen, Arbeitszeiten und<br />
Abwesenheiten schnell erfassen. Das digitale Bewerbermanagement<br />
beschleunigt zusätzlich unseren<br />
Rekrutierungsprozess.<br />
Wie stark hat Ihnen die Digitalisierung während<br />
der Covid-19-Pandemie geholfen?<br />
Enorm. Seit dem Ausbruch der Pandemie arbeiten<br />
wir papierlos und haben dadurch an Effizienz und<br />
Effektivität gewonnen.<br />
Zurzeit beschäftigen Sie sich mit People<br />
Development und setzen dabei auf Schwarmorganisation.<br />
Wie funktioniert diese?<br />
Die Schwarmorganisation ist Teil des weltweiten<br />
Daimler-Kulturentwicklungsprogramms «Leadership202x».<br />
Sie fördert agile und interdisziplinäre<br />
Arbeitsweisen sowie hierarchiefreie Formen der<br />
Zusammenarbeit. Arbeiten in einem Schwarm<br />
bedeutet, bereichsübergreifende Kooperation,<br />
gebündelte Expertise und selbstorganisiertes Arbeiten.<br />
Unser Mentoring-Programm wurde beispielweise<br />
so von engagierten Kolleginnen und Kollegen<br />
entwickelt und ist sehr erfolgreich.<br />
Welche Themen möchten Sie künftig im <strong>HR</strong><br />
angehen?<br />
Nachdem wir unseren Fokus in den letzten zwei<br />
Jahren mehrheitlich auf interne Tools und Initiativen<br />
gerichtet haben, werden wir in Kürze mit Employer<br />
Branding starten.<br />
Unternehmensbiografie<br />
Die Mercedes-Benz Schweiz AG ist eine Tochtergesellschaft<br />
der Daimler AG. Am Hauptsitz in<br />
Schlieren arbeiten rund 300 Mitarbeitende, die<br />
sämtliche Vertriebs-, Marketing-, Service- und<br />
Presseaktivitäten koordinieren sowie die Schulungen<br />
und Ausbildungen der Mitarbeitenden<br />
des Handels in der Schweiz und dem Fürstentum<br />
Liechtenstein verantworten.<br />
70
Herzliche Einladung zum digitalen<br />
Er wird anregend und aufregend – soviel ist sicher.<br />
Unter dem Motto «Sicherheit in unsicheren Zeiten» werden wir das Thema Flexwork in die<br />
aktuelle Krisensituation einbetten und gemeinsam in einer Podiumsveranstaltung mit unseren<br />
Mitgliedern, Partnern und geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur diskutieren.<br />
Dienstag, 8. Juni 20<strong>21</strong>, als Livestream aus dem Kursaal Bern<br />
Moderation durch Patrizia Laeri, Wirtschaftsredaktorin und Gründerin DACHelles<br />
Flexwork-Event «Sicherheit in unsicheren Zeiten»<br />
(Deutsch mit Simultanübersetzung auf Französisch und Italienisch)<br />
13.20 Begrüssung durch Leif Agnéus, Präsident swissstaffing<br />
13.25 Persönliche Grussbotschaft von Bundespräsident Guy Parmelin,<br />
Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF<br />
13.40 «Grussbotschaft der Temporärarbeitenden» (Video)<br />
13.45 Interview mit Dr. Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse<br />
13.55 Podium und Austausch mit:<br />
Personaldienstleistung: Jana Jutzi, Geschäftsführerin careerplus<br />
Wirtschaft: Martin Lorenz, CEO und CFO Competec-Gruppe<br />
Politik: Christian Lohr, Nationalrat, Die Mitte, Die Mitte-Fraktion<br />
Arbeitnehmervertretung: Dr. Ursula Häfliger, Geschäftsführerin die-plattform.ch<br />
Kultur: Dr. Lena-Lisa Wüstendörfer, Dirigentin und Musikwissenschaftlerin,<br />
Chefdirigentin des Swiss Orchestra<br />
14.40 Schlusswort und Verabschiedung durch Myra Fischer-Rosinger, Direktorin swissstaffing<br />
Aufgrund der anhaltend unsicheren Lage bieten wir in eine Livestream-Übertragung.<br />
So können Sie an unserem Flexwork-Event teilnehmen – bequem und sicher im Office,<br />
unterwegs oder zu Hause! Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme: www.swissstaffing.ch
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